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Wolfgang K. Hirschmann ist Kaufmann und Buchhändler, leider aber auch Patient. Vor sieben Jahren hat ihn die Diagnose »Prostatakrebs, bösartig, aggressiv« hart getroffen. Mit Unterstützung vieler Beteiligter gelang es ihm jedoch Schritt für Schritt, sein altes Leben zurückzugewinnen. In diesem Buch, das sich aus Tagebucheinträgen während seiner Therapie speist, erzählt er sehr offen von seinen Erlebnissen in der Klinik, in der Reha und Nachsorge und will damit anderen Betroffenen Hilfestellung geben, ihnen vor allem die Angst nehmen. Er greift dabei auch die Tabuthemen Inkontinenz, Impotenz und die Erotik danach auf. Mut machen, Optimismus vermitteln, Hilfestellung geben. Das ist das Ziel des Buches.
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Seitenzahl: 173
Veröffentlichungsjahr: 2025
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PROSTATAKREBS
Der Autor, Wolfgang K. Hirschmann, ist 1962 im Rottal geboren und von Beruf selbständiger Kaufmann und Inhaber eines seit 1928 im Familienbesitz befindlichen Traditionsgeschäftes am Ort. Zusammen mit Frau Inge und Tochter Elisabeth lebt er in Bad Griesbach im niederbayerischen Bäderdreieck. Dort betreibt das Ehepaar ein Kunst- & Karten-Haus und handelt mit italienischen Papeteriepräsenten, eigenen Aquarellkunstkarten, Bildern, Auftragsarbeiten, Regionalliteratur und bietet einen Bücher-Bestell-Service an.
Inge Hirschmann, Mitinhaberin der Firma und des Verlages, ist approbierte Apothekerin, Kunstmalerin und Kriminalautorin. Sie hat schon verschiedene Regional- und Schiffskrimis veröffentlicht.
WOLFGANG K. HIRSCHMANN
PROSTATAKREBS
ein persönliches Erleben
Erzähl- und Tagebuch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Texte: © Wolfgang K. Hirschmann
Umschlaggestaltung: © Wolfgang K. Hirschmann
Foto: Elisabeth Hirschmann (August 2018)
Herstellung: epubli - ein Service der neopubli GmbH,
Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:
Erzähl- und Tagebuch
Originalausgabe 2025
© Verlag Karl Pritzl oHG, Bad Griesbach
Hirschmanns Kunst- & Karten-Haus –
Wolfgang u. Inge Hirschmann
Hauptstraße 14, 94086 Bad Griesbach, Deutschland
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.kunstkartenundmehr.com
Alle Rechte vorbehalten
Von Inge Hirschmann sind bereits erschienen:
Bibergeil
ISBN: 978-3-7408-0010-9 (Verlag: Emons)
Wenn der Waschbär kommt
ISBN: 978-3-7408-0453-4 (Verlag: Emons)
Mausetot auf hoher See
ISBN: 978-3-9821368-0-6 (Verlag: Karl Pritzl oHG)
Löwenjagd und Rock 'n' Roll
ISBN: 978-3-9821368-2-0 (Verlag: Karl Pritzl oHG)
Das Schiff, der Fluch und die Ratte
ISBN: 978-3-9821368-3-7 (Verlag: Karl Pritzl oHG)
Für meine liebe Frau Inge
und unsere Tochter Elisabeth,
die mir stets den Rücken freigehalten,
mich gestärkt, geschäftlich vertreten und
mir immer neuen Mut zugesprochen haben.
Beschreibung des Umschlagbildes (Cover)
Da stehe ich nun im 57. Lebensjahr, vor unserem alten, verwitterten Garagentor. Ein Jahr nach meiner Operation. Einen Krebs, von meiner Frau Inge gemalt, trage ich unter meinem Arm. Barfuß stehe ich auf dem Boden, es soll die Hilflosigkeit beschreiben, der man ausgesetzt ist, wenn man die Diagnose Prostatakrebs, bösartig, aggressiv erfährt. Ein Efeu rankt in die Szenerie: Symbol für Vergänglichkeit und Endlichkeit. Habe versucht, mich sportlich zu gewanden. Der Auftritt soll Dynamik vermitteln und der Blick ist nach vorne gerichtet und trotzdem ein wenig nachdenklich. Der Hut, ein Florentiner, erinnert an schön erlebte Zeiten in Italien.
Der Buchtitel ist ein Wortspiel, kann von links nach rechts oder auch von oben nach unten gelesen werden.
»Der Optimist wird stets am besten fahren,
weil er, geht alles gut, recht behält. Geht's aber schlecht, hat er sich nicht gequält mit Dingen, die doch unvermeidlich waren!«
Inhaltsverzeichnis / Index
1. Motivation
2. Wer bin ich
3. Wie alles begann.
4. Gedanken meiner Ehefrau
5. Die Prostata-Operation im Klinikum
6. REHA / Rehabilitation
7. Alltag
8. Erster Urlaub nach der Operation
9. Das Auge – mein Nebenkriegsschauplatz
10. CORONA – Eine Zäsur, ein Zeitdokument
11. Der Goldstandard – Operation künstlicher Blasenschließmuskel
12. Die Erotik danach, die Potenz, oder: Kennen Sie Priapos?
13. Toiletten
14. Wie geht es mir heute
15. Nachsorge
16. Schlusswort
17. Trostworte und eigene Sprüche
18. Danksagung
19. Glossar
... und ich schreibe es doch!
Wir hatten eine Kundin, die kam in unser Geschäft. Wollte sich eine überregionale Zeitung ansehen, weil dort eine Verwandte einen Artikel über eine eigene OP veröffentlicht haben soll. Die Story war gefunden, die Zeitung verkauft. Darauf meine Rede: »Ich schreibe auch gerade an einem Buch.« – »Über was denn?«, war die Frage. »Über meinen Prostatakrebs, meine Odyssee«, so meine Antwort. Empörter Aufschrei: »Nein, nein, schließen Sie doch endlich ab. Seien Sie froh, dass Sie das überlebt und hinter sich haben!« – »Aber«, so erwiderte ich leicht verblüfft über diese heftige Reaktion, »es sind schon so viele betroffen. Die wissen ja nicht, wie damit umgehen. Vielleicht kann mein Büchlein da Hilfestellung geben.« –»Nein, nein, vergessen Sie das. So etwas will ja keiner lesen. Und wen es betrifft, der sieht dann schon, was auf ihn zukommt!«
Bekomme ich Zweifel an meinem Buchprojekt? Lasse ich das zu? Will ja nur meinen Gedanken und Gefühlen wörtlichen Raum und vielleicht anderen Betroffenen Hilfestellung geben. Muss ja keiner kaufen, das Buch, den es nicht betrifft und der es nicht lesen mag.
Die Entmutigung fruchtet bei mir nicht. Weiter so, meine Devise. Denn jeder, der an die Öffentlichkeit geht, muss mit Kritik umgehen können. Doch mir ist es lieber, man kommt erst auf mich zu, nachdem man den Text gelesen hat. Dann kann ich freudig weiterfechten und streiten – will sagen, mich berechtigter Kritik im offenen Dialog stellen.
Und wenn man ein Geschäft hat, in der »Arena« tagtäglich dem Kunden gegenübersteht, so fürchtet man sich nicht vor dem, was da kommt. Im Gegenteil: das Selbstbewusstsein wird stärker.
Dieses Büchlein ist authentisch. Warum? Es zeigt meine tatsächliche tagtägliche Fortschreibung im Ist – nicht einen Bericht, den man im Nachhinein reflektiert hat.
Mein Name ist Wolfgang K. Hirschmann. Doch in meinem Buch nenne ich mich Wolfgang Jedermann. Sie haben es bemerkt: Das ist ein »Alias«-Name. Aber der macht durchaus Sinn. Denn jeder Mann kann vom Prostatakrebs betroffen sein. Die Statistik sagt: jeder dritte, Fachkreise gehen aber schon von jedem zweiten aus. Und das liegt daran, dass die Vorsorge zu wenig Beachtung findet. Wohl auch deshalb, weil man die Konsequenzen fürchtet, die da sein können: Impotenz und Inkontinenz.
Er tut auch nicht weh, dieser Krebs. Man spürt nichts. Und selbst die typischen Begleiterscheinungen wie häufiges Wasserlassen in der Nacht und das sogenannte Nachtröpfeln habe ich nicht an mir wahrgenommen.
Zum Zeitpunkt der Diagnose im Jahr 2017 bin ich 55 Jahre alt und betreibe mit meiner Frau ein kleines Geschäft im niederbayerischen Bäderdreieck. Wir handeln mit Bildern, eigenen Kunstkarten, Zeitschriften und Büchern. Eigentlich ist ja meine Frau approbierte Apothekerin, ist aber nach der Geburt unserer Tochter aus dem Beruf ausgestiegen, hat nun bei uns im Laden den künstlerischen Part übernommen und ist auch noch Schriftstellerin. Bereits fünf Kriminalromane sind von ihr veröffentlicht.
Alles in allem waren und sind wir sehr zufrieden mit unserem Leben – wenn da nicht der Donnerstag, der 5. Oktober 2017 gewesen wäre. Ausgerechnet unser Hochzeitstag. Schöner Hochzeitstag! Mein Urologe hat mir den Befund der Prostata-Gewebeuntersuchung (Biopsie) eröffnet. PROSTATAKREBS – BÖSARTIG UND AGGRESSIV. Ein Facharzt, zu dem ich Vertrauen habe. Er redet nicht viel, ist eher ein Denker und Pragmatiker. Das kann aber auch hilfreich sein für den Betroffenen.
»Wie läuft das ab?«, habe ich ihn gefragt.
»Operation alternativlos. 10 Tage Klinikaufenthalt und dann 3 Wochen Reha«, hat er gesagt.
Ich denke mir: Krebs – das haben die anderen, aber doch nicht ich. Die Zeit bleibt stehen für mich, ich stehe neben mir. Alles wird unwichtig. Mir gehen einfach seitdem die Worte nicht mehr aus dem Kopf: Prostatakrebs, bösartig, aggressiv.
2017
Mai 2010
Endlich Wochenende, ein schöner Sonntag im Mai des Jahres 2010. Die Sonne strahlt warm und im Garten beginnt munteres Treiben, Wachsen und Blühen. Hinaus muss wieder, was ordentlich verpackt im Keller auf diesen Auftritt wartete. Die Gartensaison beginnt und viel Terracotta will vom Keller nach draußen geschafft werden. In Monaten ohne »R« darf man ja barfuß laufen. Das weiß ich noch von meiner Kindheit. Ich hätt's nicht machen sollen, so auch heute noch die Schelte meiner Frau. Das war (vielleicht) der Beginn meiner unheimlichen Odyssee.
Ich wusste es ja: Darum habe ich es meiner Frau auch nicht gesagt. Auf einmal Probleme und Schmerzen beim Wasserlassen. Einige Wochen lang ignorierte ich das Übel. So ist vielleicht aus einer harmlosen Blasenentzündung Schlimmeres geworden. Jedenfalls war es eines Tages so unerträglich, dass ich einen ärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch nahm.
Ein Allgemeinarzt. Der verschrieb mir Sulfonamid. Ein Mittel, das man schon lange vor Penicillin gekannt hat. Und meine Frau, wenn auch seit Jahren als Apothekerin nicht mehr aktiv, war verwundert darüber, weil es längst bessere Alternativen gibt. Ich ebenso – wie auch über seine Aufforderung, zu bestätigen, dass ich bei der AOK versichert sei. Nimmt er die Kasse oder deren Patienten nicht ernst? Seinen Kommentar habe ich nicht verstanden, zumal er das ja ohnehin von meiner Versichertenkarte ablesen konnte. Er gab mir mit auf den Weg, dass es in meinem Alter einmal angezeigt wäre, einen Urologen aufzusuchen, der vielleicht Näheres ermitten könnte, was ich auch tat. Obwohl das vorsintflutliche Medikament die Beschwerden tatsächlich vertrieben hat.
Eines Vormittags hatte ich also einen Termin zur Vorstellung und Untersuchung. Mein PSA-Wert wurde festgestellt.
NetDoktor informiert dazu: »PSA ist eine Abkürzung für prostata-spezifisches Antigen. Das PSA ist ein Eiweiß, welches ausschließlich von der Prostata gebildet wird und der Verflüssigung der Samenflüssigkeit dient. Im PSA-Test wird gemessen, wie viel PSA im Blut zirkuliert. Auch bei gesunden Männern kann ein PSA-Wert gemessen werden. Der PSA-Normwert hängt vom Alter ab (siehe PSA-Wert-Tabelle im Internet). Der PSA-Normwert ist aber lediglich als Orientierung zu sehen, da es unmöglich ist, einen allgemeingültigen Grenzwert zu bestimmen. Generell gilt aber: Bei Prostatakrebs sind die PSA-Werte häufig deutlich höher als die hier genannten Referenzwerte und nehmen im Verlauf durch das Tumorwachstum auch immer weiter zu.«
Die Tastuntersuchung war unangenehm. Musste mich bücken und wurde rektal abgetastet. Ein neuer Termin wurde vereinbart zur Harnröhrenuntersuchung mittels Kontrastmittel. »Alles in Ordnung«, sagte der Urologe. Mein PSA-Wert war seit meiner Entzündung von 6,6 auf 3,8 zurückgegangen. Erfreulich für mich, liegt das doch einigermaßen im Normbereich für mein Alter. Das war im Jahre 2010. Damals war ich 48 Jahre alt. Trotzdem bestand mein damaliger Urologe auf einer Biopsie. Ich habe mich jedoch für längerfristiges, engmaschiges Beobachten des PSA-Wertes entschieden.
Schon kurz darauf hat er seine Praxis verlegt und durch die Empfehlung eines guten Freundes kam ich an einen anderen Kollegen. Freundlich, einfühlsam und kompetent. Besagter Freund – er hat lange Zeit eine deutsche Bank in Rom geleitet – ist schon über 70 Jahre alt und hadert auch immer wieder mit seinem PSA-Wert. Der liegt aktuell bei 13, und auch nach wiederholten Biopsien waren die Ergebnisse stets ohne Befund. Das hat mich in meiner Entscheidung bestärkt, erst einmal zu beobachten.
Doch dann stellte ich fest, dass mein PSA-Wert nun wieder kontinuierlich anstieg. Lag er 2012 bei 3,78, war er 2014 bei 8,01, ging aber 2015 wieder auf 5,7 zurück. Doch dann das Jahr 2017: Januar: PSA 8,03, Mai: PSA 9,06, Juni: PSA 8,38 und schließlich Juli: PSA 9,94.
Dienstag,13. Juni 2017 – Biopsieempfehlung
Schon im Juni meinte mein neuer Urologe, Eine Biopsie – also eine Entnahme von Prostatagewebe – wäre jetzt dringendst angezeigt, um die Sache abzuklären. Es könnte sich ja auch nur um eine harmlose, chronische Prostataentzündung handeln. Wieder mein Einwurf: »Da bin ich nicht recht einverstanden und glücklich.« Man hat ja schon viel gehört. Zum Beispiel, dass nach einer Biopsie kein Befund vorliegt, was aber nicht automatisch heißt, dass nichts da ist. Eine Nachbiopsie ist oftmals notwendig.
Nun habe ich mich mit Freunden und Bekannten beraten und habe erfahren, dass es gut wäre, vor einer Gewebeentnahme eine MRT (Magnetresonanz-Tomographie) machen zu lassen. Die ermöglicht das Feststellen von Verdachtsherden und aufgrund dieser Diagnose wird dem Urologen Information geliefert, welche Stelle(n) betroffen sein könnte(n). Das habe ich meinem Uro dann auch so gesagt. Er meinte, ja, das kann man machen lassen und ist auch eine gute Sache. Nur, die Krankenkassen übernehmen in der Regel diese Kosten nicht.
Daheim habe ich mich an den Computer gesetzt und eine Anfrage an die AOK, die Allgemeine Ortskrankenkasse, gerichtet. Die Antwort kam postwendend. Auszug: »Sehr geehrter Herr Jedermann, Magnetresonanz-Tomographien sind unter bestimmten Voraussetzungen eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, handelt es sich um individuelle Gesundheitsleistungen, im Sprachgebrauch IGeL-Leistungen. Diese sind ärztliche Leistungen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehören. Diese Leistungen können zwar durchaus medizinisch sinnvoll und wünschenswert sein, jedoch genügen sie nicht den Anforderungen der GKV.«
Trotzdem habe ich gehofft, auf diese Weise Näheres ergründen zu können, und habe die MRT auf eigene Kosten organisiert. 456 Euro habe ich gelöhnt. Und so läuft das ab:
Montag, 10. Juli 2017 – Hausarzt
Vorbereitung für MRT (Magnetresonanz-Tomographie). Blut wird mir abgenommen. Das Ergebnis der Blutuntersuchung erhalte ich morgen.
Freitag, 14. Juli – Radiologie
Radiologie in der Kreisstadt. Freundlicher Empfang. Es geht schnell, ich muss nicht lange warten. Fragebogen ausfüllen mit Angaben zu Allergien, Medikation und Voruntersuchungen. Dann werde ich abgeholt, komme in eine kleine Kabine. Etwa 150 x 150 cm. Ablage, Spiegel, Garderobenhaken, Schuhlöffel. Zwei Türen, eine vom Wartebereich aus, die andere vom Untersuchungszimmer her zu öffnen. Dort heißt es: Alles aus Metall (Uhren, Schmuck, Schlüssel) ablegen, auch die Hose ausziehen. Den Rest darf ich anbehalten. Bald werde ich abgeholt und darf mich setzen. Ein Arzt befragt mich über den Grund der Untersuchung. Meine Antwort: Verdacht auf ein Prostatakarzinom. Auch er meint, die MRT wäre – vor einer Biopsie – eine gute Sache.
Eine junge Assistentin setzt mir eine Kanüle mit Jodlösung. Dann komme ich auch schon in die Röhre. Die Füße voran. In eine Hand drückt man mir einen Alarmknopf, falls mir übel werden sollte oder ich Platzangst bekäme. Von oben beobachtet mich kein einäugiger Zyklop, sondern eine unauffällige Kameralinse.
Etwa zwanzig bis dreißig Minuten dauert die Untersuchung, so sagt man mir. Und es kann laut werden in der Röhre. Deshalb gibt es Ohrenschoner. »Pling, Pling...«, »Tock, tock, tock, tock...«, »Rrrrrrrrrrrrrrrring, rrrrrrrrrrrrrrrrrring...«, »Brumm, brumm, brumm«. Alle Noten dieses Konzertes habe ich mir nicht gemerkt. Habe denen aber nach der Untersuchung gesagt, dass sie da drinnen ein eigenartiges Orchester spielen lassen!
Ich stelle mich schlafend. Kommt da etwas auf mich zu, fahre ich in die Röhre hinein oder heraus? Das alles weiß ich nicht. Hat nicht weh getan, das Prozedere, und ich kann danach sofort wieder nach Hause fahren. Der Befund – und die Rechnung – kommen per Post in den nächsten Tagen. Fazit: Ein suspekter Herd wurde gefunden, Mitte links zum vorderen Bereich der Prostata. Biopsie unvermeidlich.
Montag, 7. August 2017 – Biopsie-Vorbesprechung
Fahre wieder zu meinem Urologen. Vorbesprechung zur Biopsie. Er gibt mir auch gleich eine Packung Antibiotika mit.
Montag, 25. September 2017 – Biopsie
12.30 Uhr Biopsie, Gewebeentnahme bei meinem Urologen.
Tags zuvor musste ich schon das oben erwähnte Antibiotikum einnehmen, um einer Infektion vorzubeugen. Auch nach der Untersuchung wird die weitere Einnahme für einige Tage noch empfohlen.
Fahre hin mit mulmigem Gefühl im Bauch. Komme gleich dran. Scheinbar macht er das in der Mittagspause. Zunächst wieder auf die Untersuchungsliege. Das kenne ich schon. Seitenlage, Beine anwinkeln. Dann wird eine örtliche Betäubung mittels eines Gels durchgeführt. »Es tut nicht weh«, verspricht mir der Arzt. Es ist nur ein kleiner Stich zu spüren, wie beim Zahnarzt. Die Biopsienadel wird über den Enddarm eingeführt, also transrektal. Und da meine Voruntersuchungen schon einen Verdachtsherd eingegrenzt haben, konzentriert sich mein Urologe auf diese Stellen und entnimmt 10 Proben (Stanzen). Ich spüre fast nichts. Es macht nur immer wieder »klack-klack«, schon nach wenigen Minuten ist das Ganze vorbei und ich fahre ohne Schmerzen heim. Wieder warten. Das nervt.
Donnerstag, 5. Oktober 2017 – Diagnose
Wieder zum Urologen. Die Ergebnisse der Biopsie sind da. Eigentlich hätte ich mir den Tag schön gedacht, zusammen mit meiner Frau. Ist nämlich unser 26. Hochzeitstag. Rechne mit allem, fahre aber hoffnungsvoll in die Praxis. Das Resultat allerdings kennen Sie ja schon von meinem Vorwort:
Zwei von zehn Proben waren Karzinome, bösartig und aggressiv. »Wie soll das nun weitergehen?«, so frage ich meinen Arzt. Seine Antwort: »Operation alternativlos und anschließend drei Wochen Reha«. Der Krankenhausaufenthalt wird etwa zehn Tage dauern.
Ich kenne mich und bin leidenschaftlich im Verzögern. Aber in diesem Falle möchte ich kein Risiko eingehen. Auch wenn Weihnachten vor der Türe steht. Dann käme auch noch Neujahr, die kalte Jahreszeit und dann die Urlaubszeit. Und bis man sich's versieht, hat man wieder geschoben und verschoben. Das ist dem, was kommen muss, nicht förderlich.
Kunden und Freunde irritieren mich. Gehe ich doch offen mit dem Thema um. »Du musst unbedingt nach Sowieso...«, »Ich kenne einen Experten, der ist in... « usw. Oder: »Ein guter Operateur sitzt in Dresden...!« »Wenn du keine Probleme haben willst, dann empfehle ich... « Doch ich bleibe vertrauensvoll bei meinem Passauer Urologen.
»Sie sind der Urologe meines Vertrauens«, so sage ich ihm. »Und ich weiß, dass Sie schon jahrelang Prostatakrebs- Operationen am örtlichen Klinikum vornehmen. Es wäre mir angenehm, wenn Sie den Eingriff durchführen könnten.« Das werde er gerne tun, so erwidert er mir, denn er hat dort Belegbetten.
Sofort werden weitere Untersuchungen (nuklearmedizinisches Knochenszintigramm und CT – Computer-Tomographie) veranlasst und die Termine für mich fest gemacht.
Den Hochzeitstag – meine Frau mag das verzeihen – habe ich heute unter dem Eindruck des Ereignisses vergessen. Ging ihr aber genauso.
Trotzdem hat der Urologe mir gesagt, dass er kein Problem damit hätte, wenn ich mir eine Zweitmeinung einholen würde. Denn: Operation alternativlos heißt auch, dass ich keine andere Therapiemöglichkeit habe. Noch dazu in meinem Alter. Bei sehr viel älteren Patienten würde auch eine hormonelle Therapie in Betracht kommen, mit der man den Krebs einige Jahre in Schach halten kann, ehe er sich daran gewöhnt und wieder sein Wachstum aufnimmt.
Einen Arzt in der Verwandtschaft, er ist auch Radiologe, habe ich dann doch bedrängt, einen Blick über meinen Befund zu werfen. Er hat nur gemeint: »Wolfgang, du stehst mit dem Rücken an der Wand. Der böse Kerle muss weg!« Die Entscheidung war damit getroffen und fix.
Donnerstag, 19. Oktober 2017 –Nuklearmedizin
Die nuklearmedizinische Abteilung ist im 1. OG. des Klinikums. Anmeldung mit Versichertenkarte, Übergabe der bisherigen Befunde: MRT und histologisch.
Das Wartezimmer: freundlich. Einige Patienten warten schon. Rechts eine kleine Teeküche – besser gesagt, ein Tischchen mit verschiedenen Getränken. Wasser, Tee, Saft. Später erfahre ich, warum. Muss dort eine Anamnese ausfüllen hinsichtlich Medikation, Allergien, Implantate usw.
Es dauert nicht lange, da höre ich schon meinen Namen und werde von einem Arzt begrüßt. »Bei Ihnen wurde ein Prostatakarzinom festgestellt«, sagt er. »Aber wie ich sehe, ist das Karzinom im Anfangsstadium und lokal begrenzt.« Das beruhigt schon einmal und nimmt ein wenig die Angst. Dann erklärt er mir das weitere Vorgehen.
Gleich im Anschluss wird mir eine Kanüle gelegt und radioaktives Material (Tracer) in die Vene eingeleitet. Die Knochen sind faule Kerle, meinte der Arzt, und es dauert einige Zeit, bis die radioaktive Substanz sich an deren Stoffwechsel beteiligt und die Untersuchung beginnen kann. Genauer gesagt, ich bekomme eine kleine Hausaufgabe: Viel trinken. Mindestens 1 Liter Flüssigkeit. Dazu erhalte ich einen Begleitzettel, auf dem steht:
»Ab 9.00 Uhr mindestens 1 Liter Flüssigkeit trinken, z. B. Tee, Wasser, Saft etc. Essen ist erlaubt. Häufig auf die Toilette gehen (Blase entleeren). Um ca. 10.30 Uhr erfolgt die erste und – falls notwendig – im Anschluss die zweite Aufnahme. Schmuck entfernen (Kette, Armbänder, Uhr etc.) und unmittelbar vor der Aufnahme nochmals die Blase entleeren.«
Nun habe ich also eineinhalb Stunden Zeit. Was mache ich? In den Warteraum für die radioaktiven Patienten will ich nicht so gern. Darf ja spazieren gehen und das tue ich dann auch. Zunächst zum Wagen, denn dort hatte ich mein Handy vergessen, um meine Frau anzurufen. Dann eine längere Wanderung und wieder zum Auto. Dort hatte ich eine Mineralwasserflasche (0,25 Liter) deponiert, die ich jetzt entsprechend der Anweisung leere.
Dann geht es wieder zum Klinikum. Dort eine Toilette aufgesucht, um auf der sicheren Seite zu sein. Im Kiosk eine Mineralwasserflasche mit 0,75 Liter erstanden, so nach und nach in der Cafeteria getrunken, dabei den Stern studiert. Gerade ist der neue Asterix-Band erschienen, worüber auch ein Artikel zu lesen ist. Unter anderem, dass der Zeichner für eine Reinseite etwa dreißig Arbeitsstunden braucht. Bin beeindruckt.
Auch wenn es im Wartezimmer die Getränke gratis gegeben hätte – ich wollte lieber alleine sein. Das Bedürfnis, mit anderen Patienten über ihre Krankheiten zu reden, ist nicht so recht mein Ding.
Die Flasche ist leer, der Becher entsorgt. Brav gehe ich zur Toilette und dann wieder in die Nuklearmedizin. Dort oben ist das Wartezimmer zweigeteilt. Im vorderen Teil die Neuankömmlinge, im hinteren Teil diejenigen Patienten, die schon »strahlen«.