Provenzalisches Blut - Nicole de Vert - E-Book
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Provenzalisches Blut E-Book

Nicole de Vert

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  • Herausgeber: Piper ebooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Der fesselnde Auftakt zur Provence-Krimiserie rund um Mimikexpertin und Hobbyköchin Margeaux Surfin – mit jeder Menge Südfrankreich-Flair    Die Ex-Polizistin Margeaux Surfin kann Gedanken lesen. Ihre Fähigkeit, Emotionen treffsicher über die Mimik zu entschlüsseln, macht dies möglich und verschafft ihr bei ihren Ermittlungen einen unschätzbaren Vorteil. Ihr letzter Einsatz als Kommissarin der Mordkommission Stuttgart, der zur Verhaftung des »Seelenfängers« führte, steckt ihr noch immer in den Knochen, darum gönnt sich Margeaux als Privatermittlerin in der Provence eine genussvolle Erholungspause. Doch dann scheint es so, als hole sie dieser Fall erneut ein und ihr ganz persönlicher Krimi beginnt. So muss sie sich mit ihrem deutsch-französischen Experten-Team auf die blutige Spur eines weiteren Seelenfängers begeben…   Mit leckeren provenzalischen Rezepten der Autorin, die zum Nachkochen einladen!

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Inhalt

Cover & Impressum

Prolog

Im Nirgendwo

Provence – Sonntag, 13. Juli

Provence – Sonntag, 13. Juli

Im Nirgendwo

Damals

Provence – Sonntag, 13. Juli

Skrupellos

Provence – Montag, 14. Juli

Zu viel Blut

Provence – Mittwoch, 16. Juli

Dunkle Seele

Provence – Donnerstag, 17. Juli

Provence – Sonntag, 20. Juli

Provence – Montag, 21. Juli

Im Nirgendwo

Stuttgart – Dienstag, 22. Juli

Seelen

Stuttgart – Dienstag, 22. Juli

Im Nirgendwo

Stuttgart – Mittwoch, 23. Juli

Schuld und Sühne

Provence – Donnerstag, 24. Juli

Im Nirgendwo

Abscheu

Provence – Donnerstag, 24. Juli

Gewissensbisse?

Provence – Donnerstag, 24. Juli

Selbsthass

Provence – Donnerstag, 24. Juli

Provence – Freitag, 25. Juli

Verzweiflung

Provence – Freitag, 25. Juli

Im Nirgendwo

Provence – Freitag, 25. Juli

Verlorene Seele

Im Nirgendwo

Stuttgart-Stammheim – Samstag, 26. Juli

Provence – Samstag, 26. Juli

Hemmungslos

Stuttgart-Stammheim – Samstag, 26. Juli

Provence – Samstag, 26. Juli

Stuttgart-Stammheim – Samstag, 26. Juli

Provence – Samstag, 26. Juli

Stuttgart – Samstag, 26. Juli

Schicksal und Fügung

Höllentor

Provence – Samstag, 26. Juli

Im Nirgendwo

Goldgräber

Provence – Samstag, 26. Juli

Stuttgart – Samstag, 26. Juli

Unschuld und Maskenspiel

Bernhausen – Samstag, 26. Juli

Provence – Samstag, 26. Juli

Verlorene Seele

Niedertracht und Tugend

Provence – Samstag, 26. Juli

Verbissenheit und Treue

Provence – Samstag, 26. Juli

Moral und Verderben

Provence – Samstag, 26. Juli

Unbarmherzig

Vollendung

Liebe und Verblendung

Provence – Samstag, 26. Juli

Unaufhaltsam

Verlockung und Gnade

Provence – Samstag, 26. Juli

Gewissenlos

Verachtung und Demut

Provence – Samstag, 26. Juli

Demütigung und guter Glaube

Provence – Samstag, 26. Juli

Seelenlos

Verspottung und Willenskraft

Provence, »Guest House Ginous« – Samstag, 26. Juli

Halbdunkel

Provence – Sonntag, 27. Juli

Kaltschnäuzig

Provence, »Guest House Ginous« – Sonntag, 27. Juli

Provence, »Guest House Ginous« – Sonntag, 27. Juli

Ausweglos

Provence, »Guest House Ginous« – Sonntag, 27. Juli

Blutschuld

Provence, »Guest House Ginous« – Sonntag 27. Juli

Vor dem Hotel

Satisfaktion

Provence, »Guest House Ginous« – Sonntag, 27. Juli

Provence – Sonntag, 27. Juli

Provence, »Guest House Ginous« – Sonntag, 27. Juli

Provence, »Guest House Ginous« – Sonntag, 27. Juli

Kaltblütig und unbefriedigt

Provence, »Guest House Ginous« – Sonntag, 27. Juli

Epilog

Zwei Monate später

Ende und Neubeginn

Rezepte aus der Provence

Frische Tomaten mit Ziegenkäse

Juliens Zitronenrisotto mit Garnelen

Hildes Flagoleteintopf

Juliens Olivenmarmelade

Margeaux’ Karamellhühnchen mit Aimés Gemüse und Juliens Sous-vide-Garnelen

Hildes Pissaldiere

Lavendelblüten-Sorbet

Danksagung

Provence – Sonntag, 13. Juli

Die Glocken der Abtei Saint-Michel-de-Frigolet, die zur Morgenmesse riefen, klangen an diesem Sonntag gerade so, als läuteten sie direkt in Margeaux Surfins Schlafzimmer. Prompt hörte sie auch, wie Michels Wagen ansprang und der drahtige Nachbar in seinen Wagen stieg, um dem Ruf zur frühmorgendlichen Messe zu folgen. Margeaux presste ihr Kopfkissen an sich und wagte mit leicht geöffneten Augen einen Blick in Richtung Fenster. Dabei begegnete sie Willis leuchtend braunen Augen. Er schien zu lächeln, wohl wissend, dass er nichts unter ihrer Decke zu suchen hatte.

Es war wieder einmal spät geworden, während sie in die Kapitel eines Fachbuches über das spannende Konzept der Mimikresonanz vertieft gewesen war. Ihre intuitive Fähigkeit, Emotionen im Gesicht ihres Gegenübers zu entschlüsseln, war ihr schon oft zugutegekommen und hatte ihr häufig einen nicht zu unterschätzenden Wissensvorsprung verschafft. Dies nun noch um eine weitere Komponente auszubauen, erschien ihr als nächster Entwicklungsschritt schlüssig. Die Methode befasste sich unter anderem damit, die Beobachtungen auch mit den wirklich richtigen Worten zu verbalisieren, also die Emotion, die sie treffsicher erkannt hatte, auch mit dem richtigen Gefühlsbegriff zu benennen. Unbewusst hatte sie diese Vorgehensweise schon häufig angewendet, aber sie mochte es, wenn etwas auch wissenschaftlich fundiert war. Und es war wirklich spannend, sich selbst zu überprüfen: Passten die gewählten Worte tatsächlich zur Emotion, oder lag man einfach manchmal daneben, weil die Begriffe schwer abzugrenzen waren.

Gern hätte sie heute etwas länger geschlafen, aber nun war es bereits neun Uhr, und Willi forderte energisch seine Rechte ein. Mittlerweile war er mit einem elastischen Satz vom Bett gesprungen und kratzte erwartungsvoll an der Tür.

Margeaux kapitulierte vor der geballten Macht des willensstarken Vierbeiners und der frühen provenzalischen Sonne. Langsam schälte sie sich aus ihrem Laken und stolperte ins Bad. Der Dackel fiepte derweil in aufgeregter Vorfreude an der Tür.

 

Mit geputzten Zähnen und Kontaktlinsen in den Augen schlüpfte Margeaux in ihre Laufsachen, band die wuschelige Lockenpracht auf ihrem Kopf zu einem schnellen Zopf zusammen und war nun fast bereit, es mit dem Tag aufzunehmen. Es fehlte nur noch das lebensnotwendige morgendliche Koffein.

Am Fenster ihres im ersten Stock liegenden Schlafzimmers blieb sie kurz stehen und nahm die geliebte Natur in sich auf: den Glanz, den die Sonne auf die Felsen zauberte, und das diesige Licht, das die Fernsicht irgendwie klarer werden und die Türme des Klosters Saint-Michel-de-Frigolet aus dem Panorama hervorstechen ließ. Der spärliche Bewuchs der Landschaft, der sich noch lange nicht von dem Feuer erholt hatte, das nun mehr als ein Vierteljahrhundert zurücklag, gab der Umgebung ein karges Aussehen.

Als sie im Januar hier angekommen war, hatte sie sich einfach nur verkriechen wollen, ihre Wunden lecken oder, noch besser, sich ihrer Traurigkeit ergeben.

Willi sprang an ihr hoch, eine Unart, die sie dem jungen Dackel unbedingt noch abgewöhnen wollte, und holte sie zurück in die Realität. Unten hörte sie schon Geklapper in der Küche, und der Duft von frischem Kaffee zog durchs Haus. Was würde sie nur ohne Hilde machen? Sie konnte sich keine bessere Haushälterin vorstellen als ihre französische Ersatzmutter. Schon seit Mitte der Siebzigerjahre waren Hilde und ihr Mann Aimé – der örtliche Polizist – Freunde der Familie und nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken. Ein heißer Sommer und viel Mut hatten zu dieser Freundschaft auf Lebenszeit geführt.

Hilde war Margeaux lieb und teuer, was aber nicht bedeutete, dass ihre eigene Mutter ihr weniger wert war. Ganz im Gegenteil: Die häufige Abwesenheit von Marie-Louise während Margeau’ Kindheit hatte zu einer tiefen Liebe, zusätzlich angefüllt von großer Sehnsucht, geführt. Margeaux’ Mutter war alles gewesen, nur nicht normal – also nicht der üblichen Mutternorm entsprechend, die man in den Siebzigern und Achtzigern gehabt hatte.

Margeaux war sich bewusst, dass sie ohne Hilde und Aimé im Moment den Boden unter den Füßen verlieren würde, und daher pflegte sie die Beziehung mit tiefer Liebe und Verbundenheit.

Sie ging die steile Treppe rasch hinab, und Willi hüpfte vorsichtig hinterher. Die hohen und ungleichmäßigen Stufen des alten Bauernhauses machten es ihm nicht ganz so leicht wie seinen Menschen, von oben nach unten zu gelangen. Noch dazu hatte man es bei der Sanierung für gut empfunden, den Sandstein der Stufen mit Holz einzuschalen. So blieben sie zwar stabil, waren aber für kleine Hundepfoten recht glatt.

Unten angekommen musterte sich Margeaux kurz in dem Spiegel, der an der Stirnwand des Flurs über dem altmodischen Telefontisch hing. Ja, man hatte hier noch ganz klassisch ein Festnetztelefon, denn auf dem Weiler konnte es bei Gewittern und Mistral schon einmal vorkommen, dass die Mobilnetzverbindung irgendwo im Nirwana verschwand, und dann war es gut, ein Telefon mit Kabel zu haben. Zudem war Hilde von dem ganzen modernen Firlefanz sowieso nicht begeistert.

Margeaux ging durch den Flur mit den Sandsteinwänden und dem Fachwerkgebälk zur Küche. Ihre Großmutter Annabelle hatte beim Aufbau des Hauses penibel darauf geachtet, die alten Materialien wertzuschätzen, denn schließlich tauchte das Haus in den Annalen der Ortschaft 1522 zum ersten Mal auf. So hatte sie Modernes mit Altem verbunden, und es war wahrhaftig ein Schmuckstück daraus geworden. Selbst eine bekannte französische Wohnzeitschrift war da gewesen, und man hatte Aufnahmen gemacht. Küche und Wohn-Esszimmer waren ein Raum. Hier war früher einmal der Stall gewesen, in dem Kühe und Schafe ihren Platz gehabt hatten. Dies zeigte die steinerne Tränke, die zu einer Bar umfunktioniert worden war. Der Raum war hoch, und die Wände bestanden aus hellem Stubensandstein – weich und bröselig. Wenn man mit der Hand dagegenklopfte, rieselte es leicht. Die Fachwerkbalken der Decke waren mühselig freigelegt und mehrfach gegen Holzwurm und Erkrankungen aller Art fachmännisch behandelt worden. Eine Theke aus Sandstein neueren Datums, deren Abstellfläche mit typischen provenzalischen Fliesen belegt war, trennte den Arbeitsbereich der offenen Küche vom Essplatz ab.

Hilde stand mit dem Rücken zur Tür an der Kaffeemaschine – in ihrem obligatorischen bunten Arbeitskittel, heute roter Mohn auf weißem Grund, und Espadrilles. Sie brühte den Kaffee täglich von Hand auf. Darauf schwor sie, und man schmeckte die Zeit, die das Wasser hatte, um sich mit dem frisch gemahlenen braunen Pulver zu verbinden. Der Kaffee war nicht nur aromatisch und köstlich, sondern auch sofort trinkbar. Denn laut Hilde durfte man ihn keinesfalls zu heiß überbrühen.

Für manch einen mochte es sonderbar anmuten, dass eine erwachsene Frau wie sie eine Haushälterin ihr Eigen nannte. Doch es war eine für beide Seiten dankbare Vereinbarung. Margeaux hatte jemanden um sich, der sich liebevoll um sie kümmerte, und Hilde, die Französin mit oberschlesischen Wurzeln, gestattete sich ihre finanzielle Unabhängigkeit durch ein eigenes Einkommen, und zudem war Margeaux wie eine Tochter für sie, und Hilde genoss deren Gesellschaft.

Hilde hörte Margeaux offensichtlich kommen, denn sie drehte sich um und gab ihr einen Kuss auf die Wange: »Guten Morgen, Chérie …«, und an den Dackel gewandt: »Ja, und du bist auch mein Schatz.« Das Tier hüpfte vor ihren Füßen wie ein Gummiball auf und ab.

Die ältere Dame drehte sich wieder zur Arbeitsfläche, nahm eine Tasse vom Regal und goss Margeaux großzügig ein.

Noch im Gehen nahm Margeaux den ersten großen Schluck und bildete sich ein zu spüren, wie ihre Lebensgeister einen freudigen Tanz aufzuführen begannen. Sie nahm auf einem Hocker an der Theke Platz, sah zu, wie Hilde mit geübten Handgriffen in der Küche werkelte, und ließ ihren Blick durch den großen Raum schweifen. Ihr Vater Julien hatte sich mit einem großen modernen Herd durchsetzen können, ohne dass Hilde auf ihr geliebtes Gas verzichten musste.

Wärme machte sich in Margeaux’ Körper breit, während sie wartete. Alles passte so gut zusammen. Der Esstisch war extra angefertigt worden, und eine Horde Freunde von Aimé und Julien hatte ihn aus dem Lkw in den Wohnraum geschleppt und erst dort auf die Beine montiert. Die behandelten Naturbretter ließen die Maserung des Baumes erkennen, und der Tisch ergab einen absoluten Einklang mit den offenen Sichtbalken des Fachwerks. Auf dem modernen Sofa war es gemütlich, Margeaux war die kleinen provenzalischen Holzdinger mit den ewig rutschenden Kissen leid gewesen und hatte die rote Bretz-Monstercouch angeschafft, die dem Raum einen leicht verruchten Touch gab. Die geschwungenen Löwenfüße sahen beinahe ein bisschen aus wie bei Louis XIV., und der Brokatstoff fühlte sich kuschelig an. Die paar Decken mit dem unverkennbaren Muster von Olivades fügten dem Landhausstil keinen Bruch zu, und Margeaux freute sich immer auf die gemütlichen Sofaabende mit Willi, der dort seinen angestammten Kuschelplatz hatte.

Margeaux trank ihren Kaffee mit großen genießerischen Schlucken und glitt von ihrem Stuhl. »Ich laufe dann meine übliche Runde«, verabschiedete sie sich in Richtung Hilde.

»Mon dieu, Chérie, es ist doch viel zu warm«, gab Hilde zu bedenken. Für sie war das Joggen eine sonderbare Erfindung der Neuzeit. Wenn man zwei Haushalte versorgte, dann lief man auch so schon genug, und das Gartengrundstück, das sie und Aimé besaßen, musste auch bewirtschaftet werden. Joggen kam ihr also wirklich nicht den Sinn.

Margeaux schnappte sich ihre Laufschuhe vom Bord im Flur, setzte sich auf die Treppe und schnürte sie fest, während sie lachend den Dackel abwehrte, der ihr über die Hände lecken wollte.

 

Hilde lehnte ihren Kopf an einen der Oberschränke. Sie nahm das Lachen wahr. Gleich würde sie den entstandenen Fettfleck dort wieder wegputzen, aber die Freude, die sie dabei empfand, Margeaux’ unbeschwerte Leichtigkeit zu hören, ließ ihr die Tränen in die Augen schießen. Im Januar hatte es ganz danach ausgesehen, als würde Margeaux sich nicht so rasch erholen, und die Sorge, dass sie in eine tiefe Depression fallen könnte, hatte nicht nur Hilde umgetrieben, sondern auch Aimé.

 

Margeaux öffnete die Tür und Willi schoss auf den Innenhof. Die Sonne erwärmte die steinernen Mauern des Hauses, und die Mimose und die Glyzinie, die beide in voller Pracht blühten, strömten ihren Duft aus. Trotz der frühen Stunde waren schon einige Grillen fleißig am Werk und erfüllten die Luft mit ihrem Gezirpe. Margeaux pfiff nach dem jungen Hund, der wild zum Tor tollte, er gehorchte sofort und kam zu ihr. Sie legte ihm das Halsband an, das sie vom Haken am Mauervorsprung neben der lavendelblauen Tür genommen hatte. Die Leine band sie sich um. Zwar lief Willi gern frei umher, aber sicher war sicher. Sollte ihnen jemand begegnen, war es besser, ihn anzuleinen. Er hatte ein sonderbares Verständnis seiner eigenen Größe und stürzte sich gern, sicher um Margeaux zu beschützen, auf alles, was ihnen zu nahe kam und ihm unbekannt war.

Margeaux öffnete das große Tor in der Mauer und trat auf den Weg. Hier gab es keine befestigten Straßen, sondern nur einen in den steinigen Felsboden gehauenen und durch jahrzehntelange Befahrung gefestigten Weg. Mit dem Auto rangierte sie hier immer sehr vorsichtig, um nicht aufzusetzen. Zügigen Schrittes begab sie sich auf die gewohnte Strecke, und Willi rannte ein paar Meter voraus.

Die lange Sandsteinmauer, die fleißige Hände vor Hunderten von Jahren aufgetürmt hatten, strahlte Wärme ab, und es roch nach Sommer.

Schon bald hatte sie ihren Rhythmus gefunden und lief flott durch die Felder. Vorwiegend Wein wurde hier angebaut, aber auch ein paar Obstbaumfelder und viele knorrige Olivenbäume säumten die Strecke. In der Ferne sah sie das silberne Band der Rhone glitzern. Je weiter sie sich vom Haus entfernte, desto dichter und grüner wurde die Vegetation, denn hier war der Wald vom Feuer verschont geblieben, und hohe Pinien und Zypressen hielten die Sonne ein wenig von ihrer Laufstrecke ab.

Schweiß bedeckte Margeaux’ Haut mit einem feinen Film, und sie genoss das Gefühl der Anstrengung. Dem Laufen und dem Kampfsport galt ihre Leidenschaft, und sie war in beiden Bereichen richtig gut und nun auch wieder topfit.

Anfang des Jahres war das anders gewesen. Da hatte sie sich zu jedem Schritt zwingen müssen, und wäre der kleine Dackel nicht gewesen, so wäre sie manches Mal sicher erst gar nicht aufgestanden, geschweige denn nach draußen gegangen. Die Zeit schien wohl doch manche Wunden zu heilen.

 

Sie beendete ihre Runde im gewohnten Tempo und kam angenehm ausgepowert zurück nach Hause. Sie atmete bewusst ein und aus, um den Puls runterkommen zu lassen, und freute sich auf das Frühstück. Sie war ein Gewohnheitsmensch – obwohl sie wusste, dass das auf viele spießig und langweilig wirkte. Aber gerade weil ihr Leben nie langweilig gewesen war, brauchte sie diese festen Eckpunkte umso mehr. Sie zog Schuhe und Strümpfe aus und ließ diese vor der Tür ausdampfen. Der Dackel schleppte sich neben ihr in die Küche, schlabberte rasch den Wassernapf leer und sank dann ermattet auf den kühlen Fliesen nieder.

Margeaux setzte sich wieder auf den Hocker an der Theke, und Hilde tischte ihr Lieblingsfrühstück auf: Croissant aux amandes von Thierry, dem wohl begnadetsten Bäcker und Patissier auf Gottes Erdboden, dazu einen großen Milchkaffee und frisches Obst.

»Ich bereite dir noch dein Spiegelei zu.« Hilde lächelte sie an.

Sie würde es Margeaux wie immer mit zwei mit Butter bestrichenen Scheiben Baguette hinstellen. Lange Zeit hatte Margeaux versucht, Hilde davon abzuhalten, ihr das Brot zu schmieren, schließlich war sie kein kleines Kind mehr. Aber die Französin hatte sie dann immer nur liebevoll angesehen und gesagt: »Du bist doch mein Mädchen!« Und das hatte sie auch genau so gemeint. Margeaux war mehr für sie als nur Arbeitgeberin und Kind einer befreundeten Familie.

Die kleine Margeaux war meist zwischen Deutschland und Frankreich hin- und hergependelt und hatte schon früh beide Sprachen fehlerlos beherrscht. Oft war sie in der Provence von Hilde beaufsichtigt worden, und Aimé hatte sie mit zu Stierkämpfen und aufs Feld genommen. Nicht selten war auch der sechseinhalb Jahre ältere Pierre mit von der Partie gewesen, Hildes und Aimés Sohn. Er hatte Margeaux beigebracht, wie man auf knorrige Olivenbäume kletterte und wie man die besten Trauben an den Reben fand. Es war eine wilde Zeit gewesen.

Aus den Erzählungen ihrer Mutter wusste Margeaux um die Geschichte der Familien. Auch Aimé und Hilde erzählten sie gern immer wieder. Sie war zu einer Art Anekdote geworden: Der Sommer 1975 war noch trockener und heißer als die Sommer zuvor in der Provence, und der Mistral tat sein Übriges – er blies jede Wolke davon, die auch nur einen winzigen Tropfen Regen hätte bringen können. Das Haus, das Margeaux’ Großeltern, Karl und Annabelle Winter, auf dem abgelegenen Weiler Hameau les Bouisses erworben hatten, hatte keine eigene Wasserzufuhr. Es gab eine Zisterne und ein Brunnenrecht. Für eine Anbindung an das Wassersystem der Gemeinde Boulbon, zu der der Weiler gehörte, fehlte das Geld. Die Winters steckten viel Zeit und Energie in die Renovierung des alten Bauernhauses und nannten es ihr Feriendomizil. Die knorrigen Südfranzosen hatten für solchen Firlefanz nur wenig Verständnis, aber der Eifer und der Einsatz, den die beiden Deutschen an den Tag legten, nötigte ihnen Respekt ab. Zudem verwandelten sie die brache Ruine in ein Schmuckstück, und das wertete den gesamten Weiler auf.

In diesem Sommer war das Leben auf dem Weiler nicht so gemütlich, denn ohne Wasser gab es keine Abkühlung, keine erfrischende Dusche und auch keine Toilettenspülung! Die junge Marie-Louise, Tochter des Hauses, war für vieles zu haben, aber ohne eine Dusche wurde sie nach kurzer Zeit schier unerträglich. Also musste Wasser her. Am einfachsten erschien es ihr, wenn die örtliche Feuerwehr die Zisterne füllen würde. So machte sie sich zur Gemeindeverwaltung nach Boulbon auf, um ihr Anliegen vorzutragen. Ihr Französisch war gut, und sie war sich sicher, dass man ihr helfen würde. Aber weit gefehlt. Der Unglaube, der sich im Gesicht des Ortsvorstehers abzeichnete, als sie ihren Wunsch nach Wasser vorbrachte, machte ihr sofort klar, dass man ihr nicht helfen würde. Frustriert und verzweifelt kehrte sie zum Weiler zurück und hätte am liebsten gleich ihre Sachen gepackt, um nach Deutschland zurückzufahren. Doch so einfach gab eine Winter nicht auf. Dann kam ihr der Gedanke, es in der angrenzenden Gemeinde Barbentane zu versuchen – mehr als Nein sagen konnte man auch dort nicht. Sie fuhr also erneut los und stand kurze Zeit später in der Verwaltungsstelle des Ortes. Eine blonde Frau in Kittelschürze putzte gerade die Treppe. Ansonsten herrschte Stille in dem Gebäude. Marie-Louise sprach die Frau, die in einem ähnlichen Alter wie sie war, mutig an und fragte sie nach dem Ortsvorsteher oder dem Chef der Feuerwehr. Die Frau fragte zurück, warum sie nach den Herren suchen würde, und Marie-Louise schilderte ihr Anliegen. Wieder erntete sie ungläubiges Staunen und erneut die Aussage, dass man ihr da sicher nicht helfen könne. Die junge Deutsche drehte sich um und fluchte aus vollem Herzen. Hinter ihr entstand Aufruhr.

»Was hast du da gerade gesagt?« – »Ich … ähm … Es tut mir leid«, stotterte Marie-Louise und bemerkte vor lauter Aufregung erst einmal gar nicht, dass die blonde Frau Deutsch mit ihr sprach. Die Frau kam auf sie zugeeilt und fasste sie am Arm: »Bist du Deutsche?« Marie-Louise nickte beklommen. Bisher hatten die Südfranzosen nicht gerade mit Begeisterung auf die Deutschen reagiert. Sie konnten all das Böse, das der Zweite Weltkrieg über sie gebracht hatte, nicht so leicht vergessen und verzeihen. »Oh mein Gott«, rief die Frau leicht stotternd aus, »ich habe seit fünf Jahren kein deutsches Wort mehr gesprochen! Ich bin Hilde.« Die Worte kamen ihr holprig über die Lippen, aber ihrem Gesicht war die Freude anzusehen, die sie dabei empfand. Sie reichte Marie-Louise die Hand. Diese ergriff sie freudig und stellte sich ebenfalls vor. Hilde drehte sich um und rief laut: »Pierre! PIERRE!« Ein kleiner blonder, braun gebrannter Junge kam die Treppe heruntergehüpft.

Marie-Louise verfolgte, wie Hilde dem Jungen auftrug, die Deutsche zu seinem Vater zu bringen, damit er den Wunsch nach Wasser erfüllte. Verdutzt blickte der Junge sowohl seine Mutter als auch Marie-Louise an. Hilde wandte sich an die junge Deutsche: »Mein Junge bringt dich hin, und du wirst Wasser bekommen, aber bitte besuch mich wieder!« – »Selbstverständlich werde ich das tun!«, versicherte Marie-Louise erfreut und folgte dem kleinen Pierre. Sie musste sich beeilen, um dem wilden Jungen zu folgen. Ein paar Straßen weiter bog er in einen Weg ab, und bald schon war ein großes Feld voller Aprikosenbäume zu sehen. Einige Männer waren dabei, die Früchte zu ernten. Pierre rannte auf einen drahtigen, schmalen Mann zu und zupfte ihn am Arm. Der Mann drehte sich um, sah erstaunt erst auf den Jungen und dann auf die fremde Frau. Marie-Louise stellte sich vor und schilderte ihre Situation und ihren Wunsch. Die Stille, die sich auf dem Feld ausbreitete, war greifbar, und sie wäre gern einfach weggerannt. Aber sie hatte ein wichtiges Anliegen. Auf dem Gesicht des Franzosen zeichnete sich Unglauben ab. Man konnte ihm ansehen, was er über das Ansinnen der Frau dachte. Gerade wollte er sich wieder umdrehen und Marie-Louise ignorieren, als sie die glockenhelle Stimme des Jungen hörte: »Mutter hat gesagt, du musst der Deutschen Wasser bringen!« Die anderen Männer wandten sich abrupt wieder den Früchten zu und taten so, als sei es völlig normal, dass der Kamerad die Hand des Jungen nahm und der Frau verdeutlichte, dass sie ihm folgen sollte.

So war das Wasser in die Zisterne der Familie Winter gekommen, und der Grundstein der Freundschaft war gelegt worden. Auch wenn es noch eine ganze Zeit gebraucht hatte, bis auch Aimé ebenso angetan von der deutschen Familie gewesen war wie seine Frau.

Margeaux streckte sich wohlig, nachdem sie ihr ausgiebiges Frühstück beendet hatte, und wandte sich ihrem PC zu. Vor einigen Wochen hatte sie wieder begonnen, private Ermittlungsaufträge anzunehmen. Sie hatte eine Beschäftigung gebraucht, und so manche Observierung konnte recht amüsant sein. Nachdem sie sich im letzten Jahr, nach einem Eklat mit ihrem aufdringlichen Chef, freiwillig von der Kripo verabschiedet hatte, hatte sie nicht lange gezögert und die nötigen Schritte eingeleitet, um in Deutschland und Frankreich als Privatermittlerin arbeiten zu können. Bereits in Deutschland hatte sie einige Aufträge in den Bereichen Untreue und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall angenommen. Das war nicht so spannend gewesen wie ihr Leben als Polizistin, aber unspektakuläre Einsätze waren genau das, was sie gebraucht hatte. Sie hatte etwas zu tun gehabt, sich dabei so gut wie gar nicht in Gefahr begeben und sich einreden können, dass das, was sie da vollbrachte, durchaus sinnvoll war. Margeaux sah nachdenklich auf ihren Bildschirm und erinnerte sich weiter zurück.

Ende des letzten Jahres war es ihr immer schwerer gefallen, so zu tun, als ginge es ihr gut, verlässlich zu sein und die sogenannte gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Der Tod hatte in ihr Leben eingegriffen, und sogar das sozial motivierte Lächeln, das die Augen nicht erreichte, war ihr zusehends entglitten.

Echte Freude empfand sie da schon lange nicht mehr. Ihr Körper war kraftlos, und jede Zelle tat ihr weh. So blieb sie eines Morgens einfach im Bett liegen. Ihr Körper fühlte sich schmerzempfindlich an, und jede Bewegung war zu viel. Auf das Telefon, das immer wieder klingelte, reagierte sie nicht, und Mails und Nachrichten konnte und wollte sie ebenfalls nicht beantworten.

Irgendwann stand dann ihr Vater wortlos in der Tür. Die Trauer über den Verlust seiner Frau war ihm tief ins Gesicht geschrieben, als würden die dafür typischen Falten auf der Stirn nicht mehr weggehen wollen. Margeaux’ Schweigen hatte ihn offensichtlich so sehr irritiert, dass er sich in Avignon in den TGV gesetzt und, so schnell es ging, nach Stuttgart gereist war.

Nur selten ließ er das »Chez Louise« allein. Das Bistrorant im Herzen von Avignon war sein Augapfel und er die Seele des Ladens. Die Gäste kamen zu ihm, nicht einfach nur in ein Lokal. Weit über die Grenzen der Stadt hinaus war das Restaurant bekannt für seine herausragende und kreative Küche und den innovativen und charmanten Inhaber Julien Surfin. Daher konnte er sich immer nur kurze Auszeiten nehmen, aber so hatte er es gewollt. Das moderne Bistrorant war sein Lebenstraum, und er hatte sich diesen trotz vieler Widerstände erfüllt. Seine Schwiegermutter Annabelle und sein Großvater Gustave hatten ihn dabei unterstützt. Auch Marie-Louise war Feuer und Flamme gewesen, als sie die Räumlichkeiten gemeinsam besichtigt hatten.

 

Den Schlüssel zu Margeaux’ Wohnung hatte er, seit Marie-Louise erkrankt war, und er konnte seine Tochter in dem Wust von Decken und Kissen durch die Dunkelheit im Raum nur anhand ihrer dunkelblonden Locken erkennen. Sie bewegte sich kaum – als wäre ihr die Störung völlig egal.

Julien trat auf das Bett zu und legte sich einfach an ihre Seite. Er zog sie in seinen Arm, sie ließ es geschehen, und so lagen sie schweigend mehrere Stunden nebeneinander. Das laute Knurren von Margeaux’ Magen riss ihn aus der Lethargie, die sich in ihnen beiden breitgemacht hatte. Er strich ihr sanft über das Haar und sagte die für ihn magischen Worte: »Ich koche jetzt etwas!« Für ihn war ein leckeres Essen hilfreich – auch bei Trauer.

Julien schälte sich aus dem Bett und ging zielstrebig in die Küche. Der Kühlschrank versetzte ihm einen kleinen Schock, denn außer einer Zitrone, einer Flasche Champagner, einem leicht trockenen Stück Parmesan und einem angefangenen Päckchen gesalzene Butter war er leer. Er öffnete nach und nach Schränke und zum Schluss das Tiefkühlfach. Immerhin hatte er eine Tüte Risottoreis und ein paar Garnelen gefunden. Er gruselte sich ein wenig, als er eine Zwiebel in der untersten Schublade fand, die so aussah, als suche sie schon seit Wochen das Tageslicht, aber alles in allem konnte er mit seiner Ausbeute leben.

So krempelte er die Ärmel hoch und begann mit der Arbeit. Das Messer hob und senkte sich in rascher Folge, während er versiert schnitt, was von der Zwiebel übrig war. Die feinen Würfel schmälzte er im Topf in Butter leicht an. Als sie etwas Farbe bekommen hatte, gab er den Reis hinzu und rührte, bis ein minimaler Bräunungsgrad zu sehen war. Zwischenzeitlich hatte er den Champagner geöffnet und löschte den Reis nun mit einem großzügigen Schluck ab. In Ermangelung eines Fonds wollte er den Risotto mit Zitrone aromatisieren. Dazu hatte er Wasser gekocht, einige Zesten von der Zitrone abgerissen und beiseitegelegt, den Saft der Zitrone ausgepresst und mit den ausgepressten Hälften ins Wasser gegeben. Er hoffte, dass dies reichen würde, um ein passables Zitronenwasser zu erstellen. Gott sei Dank hatte er darauf geachtet, dass Margeaux’ Küche mit hervorragender Hardware ausgestattet war.

Kurz prüfte er die Konsistenz des Reises, als er ein Geräusch hinter sich hörte: Seine Tochter war aufgestanden. Julien nahm zwei Gläser aus dem Schrank und goss ihnen einen Schluck Champagner ein, drehte sich um und drückte Margeaux ein Glas in die Hand. In ihren Augen erblickte er seinen Schmerz.

»Auf Maman!«, sagte er und stieß mit ihr an. Ein Schauer glitt über seinen Rücken, und einen Moment lang dachte er, Margeaux würde wieder gehen, aber sie trank einen Schluck mit ihm und lehnte sich an ihn.

Mit einer vom vielen Schweigen und Weinen rauen Stimme sagte sie: »Papa … du hast tatsächlich auch diesmal etwas gefunden. Ich war seit Wochen nicht mehr einkaufen. Es war irgendwie nicht wichtig.«

Julien drehte sich wieder zum Herd und sagte: »Mit einem vollen Kühlschrank kann jeder gut kochen!« Dann holte er Teller aus dem Schrank, gab auf jeden eine Portion des sämigen Zitronenrisottos und garnierte diesen mit gebratenen Garnelen und Zitronenzesten. Er bedeutete Margeaux, die Champagnergläser zu nehmen, und ging mit den Tellern und der Flasche in der Hand zum Esstisch.

Der Blick, den man vom Killesberg auf die Stadt hatte, gefiel ihm jedes Mal wieder. Der Esstisch war einfach perfekt platziert, und seine Tochter hatte ein gutes Händchen für eine edle und doch gemütliche Einrichtung – wenn man davon absah, dass seit einigen Wochen nicht mehr Staub gewischt worden war und sich Bücher und Zeitschriften wild stapelten. Sie aßen in stillschweigender Übereinkunft. Tranken den Champagner und hingen ihren Gedanken nach. Der Risotto war trotz der wenigen Zutaten sehr lecker geworden, und beide leerten ihren Teller.

»Margeaux«, hob Julien an, »dich hier so einzuigeln ist nicht gut, und das weißt du auch. Du kommst jetzt mit nach Bouisses. Hilde wird sich um dich kümmern. Sie fragt täglich nach dir.«

Margeaux kratzte nachdenklich mit der Gabel über den Teller und hob langsam den Kopf. Sie murmelte: »Du hast recht, Papa, so kann ich wirklich nicht weitermachen. Eigentlich passt es ja auch gar nicht zu mir, so zu kapitulieren! Ich packe und komme mit dir. Hier hält mich sowieso nichts!« Sie sprang hektisch auf.

Julien tat es ihr gleich. Er hielt sie am Arm fest und zog sie in eine Umarmung: »Ich bin so froh, dass du Ja gesagt hast. Wir schaffen das, Chérie!«

 

Bereits am nächsten Morgen befanden sie sich im TGV auf dem Weg nach Paris. Margeaux hatte ein paar wichtige Dinge gepackt, sich geduscht und sogar leicht geschminkt. Da sie auch in der Provence über einen gut gefüllten Kleiderschrank verfügte, hatte ein kleiner Koffer ausgereicht. In Stuttgart hatte der Winter die Stadt noch fest im Griff, doch in Südfrankreich würde die Sonne schon mit zarter Kraft scheinen.

Ein gutes Zeichen waren ebenfalls die High Heels an ihren Füßen und die obligatorische Sonnenbrille, die sie im Haar trug. Ihre verrückte Leidenschaft für hohe Schuhe hatte sich seit dem Teenageralter gehalten. Damals hatte sie einfach nicht wachsen wollen und war sich neben den Freundinnen irgendwie klein, schmächtig und bubenhaft vorgekommen. Die ersten Pumps, die sie in einem Einkaufszentrum vor den Toren Avignons ergattert hatte, waren daher beinahe wie eine Offenbarung für sie gewesen. Sie hatte sich plötzlich weiblich gefühlt und war nicht mehr die Kleinste gewesen. Die Begeisterung für hohes Schuhwerk war ab diesem Tag ein Teil von ihr geworden, und irgendwann waren die schicken High Heels aller Art zu einer Art Markenzeichen avanciert, auch wenn sie dann doch noch gewachsen war und ihre Figur sich sehr weiblich entwickelt hatte. Die Sonnenbrille im Haar war einige Jahre später hinzugekommen, und man hatte Margeaux ab da nur noch im beruflichen Kontext in Sneakers erleben können.

 

In Paris mussten sie umsteigen, und als der TGV in Richtung Avignon losfuhr, lehnte sich Julien in seinem Sitz zurück, und sein Atem floss so rasch aus ihm heraus, dass es ihm beinahe nicht gelungen wäre, den Seufzer der Erleichterung aufzuhalten, der auf seinen Lippen lag. Der erste Schritt war gemacht. Den zweiten würde er nun in die Wege leiten. Margeaux brauchte eine Aufgabe, und er hatte da schon eine gute Idee.

Als der TGV am frühen Abend in den Bahnhof von Avignon einfuhr, hatte er etwas geschlafen, und auch Margeaux sah ein wenig ausgeruhter aus. Sein Wagen parkte in der Nähe. Das Gepäck war rasch verstaut, und er steuerte das Auto in Richtung Barbentane.

 

Als sie das Ortseingangsschild passiert hatten, überkam Margeaux das typische vertraute Heimatgefühl, und sie fragte sich, warum sie nicht von allein auf die Idee gekommen war, nach Frankreich zu fahren. Allerdings erinnerte sie sich sofort wieder an die allumfassende Müdigkeit, die sich überall in ihr breitgemacht und somit auch ihr Denken beeinträchtigt hatte.

Julien nahm den Weg durch den Ortskern, weil er scheinbar wusste, dass sie diesen Blick auf das Dorf liebte, auch wenn er seinem Fahrzeug nur ungern die Schwellen, die die jungen Raser der Gegend zum Langsam-Fahren zwingen sollten, antat.

Margeaux ließ ihren Blick schweifen und nahm all die vertrauten Bilder wahr: die Platanen, die die Straße säumten und mit ihren Wurzeln an vielen Stellen die Bürgersteige hochdrückten, die blauen und lavendelfarbenen Fensterläden an den Sandsteinfassaden der eng aneinanderstehenden Häuser, den kleinen Papierladen, die Apotheke, die Bar, das Restaurant im Hotel »St. Jacques« … Sie sah die Straßenecken, an denen sie mit Pierre und den anderen Kindern des Dorfes fangen gespielt hatte, und ließ einfach alle Erinnerungen zu – an das »Fête votive«, das jährliche Dorffest, die Verabredungen mit Freunden in der Bar, seltene Momente mit ihrer Mutter, wie sie lachend Tüten mit Leckereien aus dem Käseladen schleppten.

Das Auto kreuzte den Dorfplatz, und sie kamen an der Bäckerei von Thierry vorbei. Margeaux erinnerte sich noch sehr genau an seinen letzten Kuss. Das schien Lichtjahre her zu sein. Ob er mittlerweile eine Freundin hatte, eine, die sich nicht so wie sie permanent irgendwelchen Gefahren hingab und sich mit dem Bösen einließ? Sie gönnte es ihm, konnte aber den Stich, den der Gedanke ihrem Herzen versetzte, nicht komplett ignorieren. Auf der anderen Seite war diese sonderbare On-Off-Beziehung, die sie immer geführt hatten, für keinen von ihnen wirklich befriedigend gewesen.

Das Auto schraubte sich mittlerweile über die schmale Straße aus dem Ort hinaus den Berg hinauf. Bald schon lag Barbentane hinter ihnen. Sieben Kilometer waren es bis zum Weiler, der zwischen Barbentane und Boulbon lag. Nicht weit entfernt lagt die Abtei Saint-Michel-de-Frigolet. Bis nach Avignon waren es knapp zwanzig Kilometer, daher hatte Julien auch eine Wohnung in der Stadt. Oft wurde es abends sehr spät bei ihm, und morgens musste er bereits in aller Herrgottsfrühe zum Großmarkt, um frische Köstlichkeiten für seine Küche zu ergattern. Das hatte sich alles so eingespielt.

Ihre Eltern hatten sowieso nie eine konventionelle Ehe geführt, denn das war mit ihrer Mutter gar nicht möglich gewesen. Als Tochter des erfolgreichen Unternehmers Karl Winter hatte Marie-Louise eine sichere Kindheit erlebt.

Sie besuchte die besten Schulen, durfte bei den besten Lehrern das Klavierspielen lernen, und ihr Abitur war so gut, dass sie sofort einen Platz für das Medizinstudium bekam. Ihre Mutter Annabelle brachte mit ihrer unkonventionellen Art Lockerheit und Fröhlichkeit in das Haus der Winters. Das hätten Marie-Louise und Karl sonst sicher manchmal vor lauter Ernsthaftigkeit vergessen. Marie-Louise hatte schon als Kind davon geträumt, Ärztin zu werden und überall Gutes auf der Welt zu tun. Die Nachwehen des Zweiten Weltkrieges waren in ihrer Kindheit noch stark spürbar. Karl wünschte sich, dass sie das Unternehmen übernahm, aber er wollte dem Glück seiner Tochter nicht im Wege stehen. Nach dem Abitur unternahmen Mutter und Tochter eine Europareise, und so verliebten sie sich in die Provence. Annabelle ergatterte den verlassenen Bauernhof auf dem abgelegenen Weiler, den die Familie mit leidenschaftlichem Einsatz renovierte. Marie-Louise studierte dann sogar eine Zeit lang in Montpellier und lernte so Julien kennen, der mit Aimé befreundet war. Der zielstrebige, gut aussehende und sehr wohlerzogene Mann eroberte sie im Handumdrehen, und sie verbrachten innige Wochen zusammen. Er war der erste Mann, den sie ihren Eltern vorstellte, und somit war klar, dass es sich bei dieser Beziehung um mehr als eine kleine Liebelei handelte. Der junge Franzose strebte nach mehr und wollte seine Fähigkeiten erweitern, sicher spielte Marie-Louises Rückkehr an die Uni Tübingen dabei auch eine Rolle. Also bewarb er sich in Stuttgart bei dem renommierten Koch Friedrich Nagel. So würde er in Marie-Louises Nähe sein. Die beiden konnten ihr Glück kaum fassen, als die Zusage aus Stuttgart kam. Marie-Louise war in ihrem praktischen Jahr und wusste vor lauter Arbeit und Lernen manchmal nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Umso mehr freute sie sich, wenn Julien zu ihr nach Tübingen kam, für sie kochte, sie manches Glas guten Weines aus der Provence tranken und die Zeit miteinander genossen. Jeder hatte seine Arbeit, die er liebte und mit Leidenschaft erledigte. So waren sie ausgefüllt.

Marie-Louise machte ihren Abschluss mit summa cum laude, auch ihre Promotion hatte sie früh in der Tasche, da sie damit schon im vierten Semester begonnen hatte. Sie schmiedete gerade Pläne für den Facharzt, als sie feststellte, dass sie schwanger war. Nicht dass sie nicht gern ein Kind gehabt und mit Julien eine Familie gegründet hätte, aber der Zeitpunkt war gänzlich unpassend. Sie träumte doch von so vielen Hilfsprojekten, die sie begleiten wollte.

Im Frühjahr 1977 wurde Margeaux geboren, und wie so oft lagen Leben und Tod nah beisammen. Im Sommer bekam Karl einen schweren Herzinfarkt. Er erholte sich nicht mehr und starb im September. Auf dem Totenbett rang er Marie-Louise das Versprechen ab, sein Lebenswerk nicht untergehen zu lassen. Die junge Frau versprach ihrem sterbenden Vater, das Unternehmen weiterzuführen. Wohl wissend, dass das keinesfalls das war, wovon sie in ihrem Leben geträumt hatte. Sie stellte sich also der Aufgabe, das optoelektronische Unternehmen zu leiten und dabei ein Kleinkind zu versorgen. Annabelle stand Monate quasi unter Schock und war nicht wirklich zu etwas zu gebrauchen. Julien arbeitete zu dieser Zeit in München. Sie sahen sich daher nur selten, und wenn er da war, galt seine ganze Aufmerksamkeit dem Kind. Marie-Louise drohte in dieser Zeit innerlich zu zerbrechen: Sie hatte dem Vater versprochen, die Firma weiterzuführen, und kniete sich nun mit ganzer Kraft in die Materie.

Um Margeaux’ ersten Geburtstag herum ging es Annabelle wieder besser. Sie hatte sich auf ihre Art mit dem plötzlichen Tod ihres geliebten Mannes auseinandergesetzt und war beinahe wieder die Alte. Ein leichter melancholischer Schatten umgab ihr Antlitz, aber er passte irgendwie zu ihrem exaltierten Wesen. Sie half Marie-Louise und nahm Margeaux öfter mit nach Frankreich. Hier traten Hilde und Aimé aufs Tapet, und Hilde wurde zu Margeaux’ geliebter Ersatzmutter. Sie kümmerte sich mit ganzer Kraft um das Würmchen. Marie-Louise reiste derweil um die Welt, saß in drögen Besprechungsräumen und behauptete sich in den männerdominierten Führungsspitzen der internationalen Konzerne.

Als Julien im Herbst 1978 einen Job als Sous Chef bei Paul Bocuse in Lyon angeboten bekam, war klar, dass er nach Frankreich gehen würde. Unterm Strich war es auch gleichgültig, ob er in Deutschland oder in Frankreich seiner Profession nachging, sie mussten sowieso reisen, um einander zu sehen.

Für Margeaux war das Leben in der Provence angenehm, denn Hilde und Annabelle achteten gut auf das Mädchen, und es wuchs zweisprachig auf. Marie-Louise kam, so oft es ging, aber wenn sie da war, brauchte sie Ruhe, denn die Unternehmensleitung und der nagende Verzicht auf ihren Beruf als Ärztin kosteten sie viel Kraft. Für eine knapp 28 Jahre alte Frau war diese Verantwortung oft nur schwer zu schultern, vor allem da ihr Ehrgeiz es nicht zuließ, die Aufgabe nur halb zu erledigen. Man sah ihr die langen Arbeitstage an und vor allem, dass diese Arbeit sie nicht wirklich glücklich machte. Auch Julien nahm dies wahr, wenn er in das Haus auf dem Weiler reiste, um Zeit mit Frau und Kind zu verbringen. Seine Frau stand unter starkem Stress, der sie innerlich aufzufressen schien.

In den Achtzigerjahren besuchte Margeaux Schulen in Deutschland und Frankreich und bereiste mit ihrer Großmutter die Metropolen der Welt. Annabelle sah keinen Unterschied, ob Kind oder Erwachsener, wenn es um Kultur ging. So war es für sie selbstverständlich, dass die sechsjährige Margeaux neben ihr in der Opernloge saß und Premieren lauschte und im Anschluss in feinen Restaurants speiste oder in schicken Lounges an ihrem Apfelsaft nuckelte.

Julien eröffnete in den späten Achtzigern sein Restaurant in Avignon. Annabelle unterstütze ihn dabei, denn sie wusste um das große Talent ihres Schwiegersohns und war froh, dass wenigstens er sich nun einen festen Standort in der Nähe gesucht hatte. Marie-Louise hatte das Unternehmen beständig nach vorn getrieben und eine gute Führungscrew herangezogen. Die ließ ihr endlich wieder etwas Spielraum, den sie aber nicht für die Familie nutzte. Zwar half sie Julien, das »Chez Louise« zu einem besonderen Ort zu machen, und war sich auch durchaus bewusst, dass das Lokal ihren Namen trug, aber trotz allem war es ihr wichtiger, einige Monate im Jahr für Ärzte ohne Grenzen im Einsatz zu sein. Die Presse überschlug sich beinahe mit lobenden Worten über die erfolgreiche Unternehmerin mit dem Herz am rechten Fleck.

Man entschied, Margeaux in Avignon zur Schule gehen zu lassen, und später besuchte sie dann ein Internat in der Nähe von Frankfurt und machte dort 1996 das Abitur. Als sie sich für die Polizeischule anmeldete, trat Marie-Louise zum ersten Mal vehement auf und wollte in das Leben ihrer Tochter eingreifen, besann sich dann aber eines Besseren und lies die junge Frau gewähren. Margeaux war in ihren prägenden Jahren in der Provence mit Aimé als Vorbild aufgewachsen. Der pfiffige Flic hatte eine gradlinige Vorstellung von Recht und Unrecht und übte seinen Beruf mit einer leidenschaftlichen Begeisterung und großem Stolz aus.

Diese Haltung und das, was sie aus seinem täglichen Tun mitbekam, hatten es Margeaux schon als kleines Mädchen angetan und wenn sie eine Polizeikappe hatte aufsetzen dürfen, hatte sie automatisch den Kopf hochgenommen und das Rückgrat durchgedrückt. Diese Stärke blieb ihr auch im Laufe ihrer Tätigkeit bei der Kripo in Deutschland – neben ihrem untrüglichen Sinn für Gerechtigkeit. Margeaux wurde eine hervorragende Kriminalbeamtin mit einer hohen Aufklärungsquote, und Marie-Louise war stolz auf sie. Mutter und Tochter verbrachten nun auch endlich regelmäßig Zeit miteinander. Auch wenn sich die fehlenden Jahre der Kindheit nicht zurückbringen ließen, so war die Vertrautheit und Liebe zwischen ihnen doch tief und die Verbundenheit gefestigt. Das Schicksal gönnte ihnen die gemeinsame Zeit jedoch nicht.

Bei Marie-Louise wurde Darmkrebs diagnostiziert. Es folgte eine vielversprechende Chemotherapie in Heidelberg, und Margeaux war, so oft es ging, an der Seite ihrer Mutter. Auch Julien reiste herbei, um seine Frau zu unterstützen. Er konnte nie lange bleiben. Das Restaurant lief zu gut, und die Menschen kamen zu ihm und wollten von ihm bekocht werden. Das war ihm wichtig. Annabelle war inzwischen eine alte Dame, und die Krankheit ihrer Tochter schockierte sie dermaßen, dass sie als Unterstützung nicht wirklich zu gebrauchen war. Es war wie damals nach Karls Tod: Sie umgab sich mit einem Schutzkokon, den nun das Alter noch zusätzlich verstärkte.

Im darauffolgenden Sommer war die Chemotherapie abgeschlossen und Marie-Louise lebensfroh und guter Dinge. Sie sah hervorragend aus, und es war kaum zu glauben, dass sie eine Operation und eine sechsmonatige Chemo hinter sich gebracht hatte. Im Oktober kam dann die Ernüchterung: Der Krebs hatte in die Lunge und auch ins Hirn gestreut. Ein trauriges und kräftezehrendes Auf und Ab nahm seinen Lauf, und im darauffolgenden August starb Marie-Louise in den Armen ihrer Tochter.

Zu dieser Zeit war Margeaux neben der aufopfernden Sorge um ihre Mutter stark in den wichtigsten Fall ihres Lebens eingebunden und froh, dass sie in einem wunderschönen Hospiz einen Platz für ihre Mutter bekommen hatte. So konnte sie sich zwischen den zeitraubenden Besuchen auf ihre Arbeit konzentrieren.

Der Schmerz über den Verlust der geliebten und so oft vermissten Mutter saß bis heute tief und hatte Margeaux nach der Lösung des Falls in eine alles verzehrende Traurigkeit gerissen, aus der Julien sie nun zu befreien versuchte.

Er fuhr den Wagen vors Haus und half Margeaux noch, das bisschen Gepäck hineinzutragen. »Hilde wird morgen früh hier sein, Chérie«, versicherte Julien ihr und verließ dann bald den Weiler.

 

Hilde ließ bereits am folgenden Morgen nicht zu, dass Margeaux im Bett blieb und sich unter der Decke verkroch. Sie kannte den Schmerz des Verlustes. Sie trug ihn in sich, seitdem sie vor vielen Jahren ihr zweites Kind tot geboren und darüber damals ihre Freude am Leben verloren hatte. Sie hatte sich zu jener Zeit nur schwer von diesem Verlust, sowohl körperlich als auch seelisch, erholt, und manchmal hatte nur viel Wein geholfen, um den Schmerz erträglich zu gestalten. Sie hatte es in ihrem Leben nie leicht gehabt.

Hilde war Aimé in einem kalten Winter unerwartet in ihrer Heimat begegnet, als sie auf der Straße zusammengestoßen waren und sich trotz aller gesellschaftlicher Widrigkeiten ineinander verliebt hatten. Die Gruppe junger Franzosen hatten das Gefallenendenkmal besucht, da der Vater eines der jungen Männer 1943 von den Deutschen zur Zwangsarbeit deportiert worden und dabei ums Leben gekommen war. Hilde war bereits verlobt gewesen, ihre Verlobung mit Irek hatte jedoch eher einer Zweckgemeinschaft geglichen, die die Eltern arrangiert hatten.

Als Hilde nach Aimés Abreise bemerkt hatte, dass sie schwanger war, hatte sie beschlossen, das Land zu verlassen. Sie war dem jungen Franzosen, der ihr zum Abschied seine Adresse zugesteckt hatte, gefolgt, dabei hatte sie sich ihrem Bruder anvertraut. Er hatte ihr bei der Planung der Flucht aus dem Land hinter dem Eisernen Vorhang geholfen. Die Reise nach Frankreich war beschwerlich und Hilde mehr als drei Wochen unterwegs gewesen. Sie war völlig erschöpft in Barbentane angekommen. Anfang Oktober hatten Aimé und sie geheiratet, und Mitte November war der kleine Pierre zur Welt gekommen.