Provenzalische Rache - Nicole de Vert - E-Book
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Provenzalische Rache E-Book

Nicole de Vert

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  • Herausgeber: Piper ebooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Ein grausamer, kniffliger Fall für Mimikexpertin und Hobbyköchin Margeaux Surfin in der Provence. Ein perfides Online-Video schreckt die Region Arles auf: ein Geschäftsmann gesteht seine Beteiligung an einer fast 30 Jahre zurückliegende Massenvergewaltigung, die er mit vier weiteren Freunden begangen hat. Dann wird er vor laufender Kamera erschossen. Thierry, der Lebenspartner von Privatermittlerin Margeaux erkennt das Opfer als Freund seiner Familie. Welches Interesse verfolgt sein Vater, als er Margeaux bittet, Nachforschungen anzustellen? Und wieso ist Margeaux' Vertrauter, der Computerspezialist Matze, partout nicht auffindbar? Bald steckt Margeaux mitten in einem Sumpf aus Schuld und Rache... Mit leckeren provenzalischen Rezepten der Autorin, die zum Nachkochen einladen! Der zweite Band der fesselnden Provence-Krimiserie rund um Mimikexpertin und Hobbyköchin Margeaux Surfin – mit jeder Menge Südfrankreich-Flair, auch unabhängig von Band 1 zu lesen.

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Achtung, dieses Buch enthält explizite Darstellungen sexueller Gewalt.

 

© 2019 Piper Verlag GmbH, MünchenLitho: Lorenz & Zeller, Inning am AmmerseeRedaktion: Julia FeldbaumRezeptberatung: Marcus SchneiderCovergestaltung: Favoritbüro, MünchenCovermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

 

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Cover & Impressum

Über die Rache

Der Schmetterlingseffekt

Deutschland – Februar

Hameau les Bouisses – Februar

Deutschland – Februar

Hameau les Bouisses – Februar

Deutschland – Februar

Stuttgart – Februar

Waffengewalt

Deutschland – Februar

Stuttgart und Wangen – Februar

Avignon – Februar

Provence – September, 29 Jahre zuvor

Stuttgart – Februar

Provence – September, 29 Jahre zuvor

Hameau les Bouisses – Februar

Deutschland – Februar

Hameau les Bouisses – Februar

Provence – September, 29 Jahre zuvor

Stuttgart – Februar

Deutschland – Februar

Hameau les Bouisses – Februar

Geduld und Triumph

Flashback

Unterwegs nach Frankreich – Februar

Provence – September, 29 Jahre zuvor

Mali – 7 Monate zuvor

Hameau les Bouisses – Februar

Deutschland – Februar

Stuttgart – Februar

Cavaillon – September, 29 Jahre zuvor

Mali – 7 Monate zuvor

Hameau les Bouisses – Februar

Cavaillon – September, 29 Jahre zuvor

Waffengewalt

Hameau les Bouisses – Februar

Fulda-Bergshausen – November, 29 Jahre zuvor

Mali – 7 Monate zuvor

Deutschland – Februar

Avignon – Februar

Deutschland – Februar

Mali – 6 Monate zuvor

Fulda – November, 29 Jahre zuvor

Hameau les Bouisses – Februar

Töten

Fulda – November, 29 Jahre zuvor

Deutschland – Februar

Provence – Februar

Fulda – November, 29 Jahre zuvor

Deutschland – Juli, 28 Jahre zuvor

Deutschland – einige Monate zuvor

Ibiza – Februar

Provence/Stuttgart – Februar

Ibiza – Februar

Die 90er-Jahre in Deutschland und irgendwo

Deutschland – Februar

Deutschland – einige Monate zuvor

Arles – die 90er-Jahre

Hameau les Bouisses – Februar

Stuttgart-Stammheim – Februar

Provence – Herbst, 28 Jahre zuvor

Stuttgart-Stammheim – Februar

Arles – November, 28 Jahre zuvor

Berlin – einige Monate zuvor

Stuttgart – Februar

Deutschland – Februar

Berlin – einige Monate zuvor

Stuttgart – Februar

Deutschland – Februar

Deutschland – Februar

Stuttgart – Februar

Mali – einige Wochen zuvor

Hinterlist und Planung

Mali und Deutschland – Februar

Deutschland – Februar

Kapelle Saint-Julien – März

Hameau les Bouisses – Mittwoch, 7. März

Der Tod

Provence – Mittwoch, 7. März

Arles – März

Psyche

Hameau les Bouisses – Mittwoch, 7. März

Ohnmächtig

Hameau les Bouisses – Mittwoch, 7. März

Irgendwo – März

Hameau les Bouisses – Mittwoch, 7. März

Verwesung

Provence – März

Irgendwo – März

Hameau les Bouisses – Mittwoch, 7. März

Solec – Mittwoch, 7. März

Provence – Mittwoch, 7. März

Deutschland – März

Tarascon – Mittwoch, 7. März

Hameau les Bouisses – Mittwoch, 7. März

Tarascon – Mittwoch, 7. März

Kapelle Saint-Julien – März

Hameau les Bouisses – Mittwoch, 7. März

Tarascon – Mittwoch, 7. März

Hameau les Bouisses – Mittwoch, 7. März

Arles – März

Arles – Mittwoch, 7. März

Provence – Mittwoch, 7. März

Arles – März

Chapelle Saint-Julien – März

Gewalt

Hameau les Bouisses – Donnerstag, 8. März

Irgendwo – März

Solec – Donnerstag, 8. März

Geduld und Neustart

Hameau les Bouisses – Donnerstag, 8. März

La Mas du Colombier – März

Arles – März

Hameau les Bouisses – Freitag, 9. März

Irgendwo – März

Chapelle Saint-Julien – März

Arles – März

Dubai – März

Hameau les Bouisses – Freitag, 9. März

Provence – März

Chapelle Saint-Julien – Freitag, 9. März

Arles – März

Arles – März

Hameau les Bouisses – Freitag, 9. März

Irgendwo – März

La Mas du Colombier – März

Hameau les Bouisses – Freitag, 9. März

Provence – März

Tarascon – Freitag, 9. März

La Mas du Colombier – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Irgendwo – März

La Mas du Colombier – März

Arles – März

Les Baux-de-Provence – Samstag, 10. März

Arles – März

La Mas du Colombier – März

Arles – Samstag, 10. März

Provence – März

Arles – Samstag, 10. März

Irgendwo – Samstag, 10. März

Provence – März

La Mas du Colombier – März

Provence – Samstag, 10. März

Arles – März

Provence – Samstag, 10. März

Deutschland – Samstag, 10. März

Arles – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

La Mas du Colombier – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Arles – Samstag, 10. März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Provence – März

Arles – Samstag, 10. März

La Mas du Colombier – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Avignon – Samstag, 10. März

Deutschland – Samstag, 10. März

Avignon – Samstag, 10. März

La Mas du Colombier – März

Deutschland – März

Chapelle Saint-Julien – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Tarascon – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Deutschland – März

Avignon – Samstag, 10. März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Chapelle Saint Julien – Samstag, 10. März

La Mas du Colombier – März

Deutschland – März

Avignon – Samstag, 10. März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

La Mas du Colombier – März

Avignon – Samstag, 10. März

Provence – Samstag, 10. März

La Mas du Colombier – März

Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Provence – Samstag 10. März

Knochenfragmente

Tarascon – Samstag, 10. März

La Mas du Colombier – März

Deutschland – März

Chapelle Saint-Julien – März

Boulbon – Samstag, 10. März

Deutschland – Samstag, 10. März

Boulbon – Samstag, 10. März

Tarascon – Samstag, 10. März

Cavaillon – März

Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Deutschland – März

Cavaillon – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Cavaillon – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – März

Hameau les Bouisses – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – März

Vor der Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Vor der Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Chapelle Saint-Julien – Samstag, 10. März

Tarascon – Sonntag, 11. März

Hameau les Bouisses – Sonntag, 11. März

Fortsetzung und Genugtuung

Epilog

Rezepte aus der Provence

Agneau à l’orange

Geschmorte Lammschulter mit Kartoffeln und Gemüse

Fougasse (für 3 Brote)

Auflauf mit Hühnerbeinen, Gemüse und Orangensaft

Porc noir de Bigorre mit Bohnen und Oliven-Stampfkartoffeln

Soupe au Pistou

Pan Bagnat

Danksagung

Über die Rache

Vor seinem Groll – wer kann da bestehen? Wer hält stand in der Glut seines Zorns? Sein Grimm greift um sich wie Feuer und die Felsen bersten vor ihm. (…) Doch in reißender Flut macht er seinen Gegnern ein Ende und Finsternis verfolgt seine Feinde.

Nahum 1, 6–8

Der Schmetterlingseffekt

Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben! Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen!

Matthäus 6, 12–13

Er spürte den festen, kühlen Griff der Waffe in der Hand. Das Gewicht zog seinen Arm leicht nach unten. Das Gefühl war seltsam. Er war es gewohnt, mit seinen Händen und Armen zu arbeiten. Seine Muskeln hielt er daher für kräftig. Umso mehr erstaunte ihn, wie schwer ihm die Waffe erschien. Die Zeit um ihn herum hatte sich verändert, so, als hätte sie sich seinem Vorhaben angepasst.

Er sah den Staub in der Luft. Sein Atem ging stoßweise, und er wusste, dass er ruhig werden musste. Besonnenes Handeln war immens wichtig für sein Vorhaben. Wenn er es zulassen würde, dass all die Gefühle in ihm überhandnahmen, würde das Ganze in einem Desaster enden. Die Waffe wog schwer, aber gemessen an dem, was er verlieren könnte, war ihr Gewicht zu vernachlässigen. Er würde ihre Macht benutzen. Bewusst verharrte er kurz und konzentrierte sich auf das Atmen. Er musste das in den Griff bekommen. Seine Brust hob und senkte sich langsamer. Er blieb noch stehen, bis die Atemzüge tief und gleichmäßig waren, dann straffte er sich und ging zielstrebig auf die Tür zu. Wie durch ein Wunder konnte er in den Raum gelangen. Er hatte sich zwar beruhigt, hatte sich aber nicht konkret mit der Situation auseinandergesetzt.

Der Flügelschlag eines Schmetterlings konnte einen Tsunami auslösen – diese Theorie hatte er bisher als absurd empfunden. Doch hier und heute bestätigte sich genau dies. Er betrat den Raum, die Waffe in der Hand, hob sie an und erstarrte ob des bizarren Bildes, das sich ihm bot.

Deutschland – Februar

Sie legte ihre Hand auf seine. Er konnte die Falten und die Altersflecken darauf erkennen. Sie waren ihm nicht neu. So oft hatte er ihre Hand gehalten. Er liebte sie von ganzem Herzen. Was würde er nur ohne sie machen? Sie hatte ihn großgezogen. Hatte sich um ihn gekümmert, nachdem seine Mutter aus einer ihrer Launen heraus festgestellt hatte, dass sie ihn nicht haben wollte. Sie war seine Familie.

Die Krankheit war rasch gekommen, gut, sie war nicht mehr die Jüngste, aber letztes Jahr hatten sie ihren Geburtstag noch groß gefeiert, und als er für den Auftrag ins Ausland gegangen war, war sie gesund und munter gewesen. Der Schlaganfall hatte sie an einem Samstagabend erwischt, und sie war noch dazu unglücklich gestürzt, erst Sonntagmittag hatten sich die Nachbarn gewundert, dass die Rollläden noch nicht hochgezogen waren.

Er war mit seinem Haustürschlüssel, so schnell er konnte, gekommen, aber da hatte sie schon beinahe sechzehn Stunden auf dem Boden gelegen, war komplett ausgekühlt und schwer verletzt gewesen. Der herbeigerufene Notarzt hatte ihm wenig Hoffnung gemacht, dass sich die alte Dame erholen würde. Wenn, dann würden auf jeden Fall Hirnschädigungen zurückbleiben, und sie war ein Vollpflegefall.

Da lag sie nun und sah winzig aus. Ihr Gesicht war gezeichnet von der Krankheit, blass und beinahe spitz sah es aus. Sie atmete von allein, war aber mehr tot als lebendig. Er hielt ihre Hand, wollte ihr zeigen, dass er bei ihr war und sie auf ihn zählen konnte, so, wie er Zeit seines Lebens auf sie gezählt hatte.

Seine Mutter hatte sich aus seinem Leben geschlichen, hatte sich aus ihrer beider Leben geschlichen. Er kam ganz gut damit zurecht, es gab kaum Phasen, in denen er sie wirklich vermisste, und bei der Frau im Bett schien es ähnlich zu sein. All ihre Liebe galt ihm und nicht der Tochter. Eine Zeit lang hatte er es eigentümlich gefunden, aber dann war es irgendwie zur Normalität geworden.

Sie stöhnte kurz auf.

»Ich bin da!«, sprach er beruhigend auf sie ein. Ihr Kopf bewegte sich hilflos hin und her, und ihre rissigen, trockenen Lippen zitterten. Das Herz tat ihm dabei weh. Er wollte ihr den Schmerz und die Angst nehmen, wusste aber nicht, wie. So hielt er einfach ihre Hand und gab beruhigende Geräusche von sich.

Hameau les Bouisses – Februar

»Hey«, Margeaux stupste Thierry an, »wo bist du gerade? Ich rede mit dir!«

Thierry blickte erschrocken auf: »Oh, entschuldige ich war in Gedanken!«

Margeaux schickte ihm einen prüfenden Blick: »Was ist los?«

»Nichts, Chérie«, wiegelte er ab, »ich habe nur über eine Basilikumfüllung für mein neues Tomaten-Macaron nachgedacht. Das könnte sensationell schmecken!«

Sie saßen in der windstillen Ecke, hier hatte der Mistral kaum eine Chance, und die Februarsonne konnte sich entfalten, sodass es sich fast schon wie Frühling anfühlte. Margeaux hob die Tasse mit dem köstlichen Kaffee, den ihre französische Haushälterin und Ziehmutter Hilde so liebevoll braute, an den Mund und nahm genießerisch einen Schluck: »Was würde ich nur ohne Koffein machen?«

Da Margeaux quasi bei Hilde aufgewachsen war – ihre Mutter war oft aus geschäftlichen Gründen auf Reisen gewesen und ihr Vater hatte in seinem Restaurant in Avignon als aufgehender Stern am Kochhimmel alle Hände voll zu tun gehabt –, war ihre Beziehung zu den Vignes, Hilde und Aimé, sehr innig. Beide hatten ihr auch über die schwere Zeit nach dem Tod ihrer Mutter Marie-Louise geholfen, die an Krebs verstorben war, während Margeaux damals Angerer gejagt hatte.

»Unerträglich sein?« Thierry grinste sie schief an und schob ihr das noch ofenwarme Croissant aux amandes zu, das er für sie mitgebracht hatte. Es glänzte butterzart in der Sonne und verströmte den Geruch nach Marzipan und Blätterteig. Da er wusste, wie sehr sie das Gebäck liebte, buk er es täglich für sie in der Backstube seiner Bäckerei im Herzen von Barbentane. Der Laden in dem kleinen Ort am Fuße der Petit Montagnette, nur wenige Kilometer von Avignon entfernt, lief sehr gut, und Thierry Baile war weit über die Region hinaus bekannt. Seine herausragenden Backfähigkeiten hatten sich herumgesprochen, aber auch seine spezielle Rolle in der Mordserie im vergangenen Jahr hatte dafür gesorgt, dass man seinen Namen kannte.

Margeaux hatte als Kommissarin in Deutschland während ihrer letzten Ermittlung den Serienmörder Martin Angerer, der acht Menschen hatte ausbluten lassen, überführt und inhaftiert. Der Wahnsinnige hatte die Seelen seiner Opfer auf sehr besondere Art gesammelt. Plötzlich hatten sich blutige Selbstmorde in der Provence zu häufen begonnen, und die Ex-Polizistin war in ihrer Rolle als Ermittlerin gefragt gewesen. Bewährte Unterstützung hatte sie dabei sogar aus Deutschland durch ihren früheren Kollegen Frank Kaiser und den cleveren jungen Hacker Matze König erhalten, die dafür sogar in den sonnigen Süden gereist waren.

Kaiser und König waren nach Beendigung der Aufklärungsarbeiten wieder nach Deutschland zurückgekehrt und gingen ihren originären Tätigkeiten nach: Frank war weiterhin Kommissar der Stuttgarter Mordkommission, und Matze gab sich dem hin, was er am besten konnte und wovon niemand so genau wissen wollte: Er geisterte in den Tiefen des World Wide Web herum.

Deutschland – Februar

»Mein Junge«, ihre Stimme war kratzig und sehr leise.

Er fuhr hoch, er war ein wenig eingenickt, hatte ihre Hand aber nicht losgelassen. »Ich bin hier«, er beugte sich über sie und legte seine Hand auf ihre Wange, »du musst dich schonen!«

Sie räusperte sich und versuchte, mit ihrer Zunge die Lippen zu befeuchten. Schnell griff er nach dem Feuchtstäbchen, das die Schwester dagelassen hatte, und strich ihr damit über den Mund. Erleichtert und dankbar sah sie ihn an. »Du musst vergeben«, hauchte sie, »und ich auch!«

Ihre Stimme klang wie ein Seufzen.

Hatte er das richtig verstanden? Vergeben? »Wem muss ich vergeben und warum?«, fragte er rasch, doch sie hatte ihre Augen schon wieder geschlossen und atmetet schwer. Das Piepen der Überwachungsgeräte zeigte ihm, dass ihr Herz stolpernd schlug. Sie brauchte Ruhe. Er wollte nicht, dass sie starb, sie war der einzige Mensch, dem er wirklich etwas bedeutete. Gut, die Kollegen, mit denen er manchmal im Einsatz war, mochten ihn auch, zumindest sagten sie das so. Aber dieses kleine, faltige Häuflein Mensch da im Bett, das war seine Familie, und das wog schwerer als Freundschaft.

Er würde warten, bis ihr Zustand stabiler war, und sie dann erneut fragen, wem er verzeihen und wem auch sie verzeihen musste.

Hameau les Bouisses – Februar

»Margeaux«, Hilde stand in der Tür und stützte die Hände in die Hüften, »du musst diesem Lümmel unbedingt abgewöhnen, dass er in deinem Bett schläft. Er hat schon wieder an dem Bezug deines Kissens geknabbert!«

Die Haushälterin war empört. Sie liebte den jungen Zwergrauhaardackel Willi wirklich sehr, aber das tat ihrem Sinn für Ordnung und ihrem Pflichtbewusstsein keinen Abbruch. Schuldbewusst blickte Margeaux zu ihr hinüber und wand sich.

»Eigentlich weiß er, dass er das nicht darf. Ich scheine ihm wohl irgendwie das Gefühl vermittelt zu haben, dass das Kissen ein Spielzeug ist.« Ihre Stimme wurde kleinlaut.

Hilde schüttelte den Kopf und grummelte etwas, das sich anhörte wie: »Verzogenes Ding!«

Margeaux war sich nicht ganz sicher, wer damit gemeint war, der Hund oder sie. Sie hob zuckend die Schultern an und zog beide Mundwinkel nach unten – der sogenannte facial shrug, der in diesem Fall ihre Unwissenheit zum Ausdruck brachte, aber auch irgendwie ein bisschen bedeutete: Sie wird sich schon wieder beruhigen. Sie wandte sich erneut Thierry und dem Frühstück zu.

Ihre Lebensrhythmen waren sehr unterschiedlich, er stand nachts auf, um in der Backstube zu stehen, und sie war tagsüber unterwegs, um ihrer Tätigkeit als Privatermittlerin nachzugehen. Nachdem sie im letzten Jahr die Ehe eines bekannten englischen Schriftstellers, der in der Provence lebte, quasi gerettet hatte, hatte er sie begeistert proaktiv weiterempfohlen, und sie hatte gut zu tun.

Selten waren die Jobs wirklich aufregend, aber Aufregung hatten sie im letzten Sommer wirklich mehr als genug gehabt, als die Verbrechen in ihrem Umfeld begonnen hatten. So war es vollkommen in Ordnung, sich langweiligen Beobachtungen eventuell fremdgehender Partner hinzugeben oder plötzlich schwer erkrankten Angestellten auf den Golfplatz oder den Flughafen zu folgen.

Sie genossen ihre gemeinsame Zeit. Endlich waren sie ein richtiges Paar, und beiden tat dies wirklich gut. Es hatte lange genug gedauert, bis sie zueinander gefunden hatten. Nicht nur die räumliche Entfernung zwischen Stuttgart und der Provence war ein Problem gewesen, auch Margeaux’ gefährlicher Beruf hatte für Zwistigkeiten zwischen ihnen gesorgt.

»Du hast da etwas.« Thierry beugte sich vor, strich ihr liebevoll über den Mundwinkel und entfernte einen Krümel.

Ein Lächeln stahl sich in Margeaux’ Augen, das zuverlässige Erkennungsmerkmal für echte Freude, dabei legte sie den Kopf leicht schief und blickte ihn an. Sie liebte ihn, und das konnte man auch sehen.

Er erwiderte den Blick, und beide saßen ganz versonnen, in ihre eigene Welt vertieft da. Der kläffende Dackel riss sie aus dem verzauberten Moment. Er raste zum Tor, denn er hatte Aimés Auto gehört.

Kurze Zeit später kam der pfeifende Flic durch das Tor spaziert und winkte in ihre Richtung.

Er hatte sich die Zeit seiner Suspendierung im letzten Jahr mit viel Arbeit an der frischen Luft vertrieben und sah gesund und gut trainiert aus. Seit Dezember war er wieder im Dienst und gab sich den alltäglichen Arbeiten voller Freude hin. Er liebte seinen Job.

Am Treppenaufgang blieb er kurz stehen. »Lasst es euch schmecken!« Er versuchte, den Dackel, der ihn weiterhin umsprang und dabei freudig fiepte, zu übertönen. Margeaux und Thierry winkten ihm lächelnd zu, und Aimé machte sich, den Dackel im Schlepptau, auf den Weg zu seiner Frau. Er kam regelmäßig vorbei, um Hilde einfach nur in den Arm zu nehmen. Das vergangene Jahr hatte ihnen allen verdeutlicht, dass das Leben ein Geschenk war und dass man keinen Moment davon verschwenden durfte.

»Bleibt es dabei, dass wir heute Abend zu meinem Vater gehen?« Margeaux blickte Thierry fragend an.

»Selbstverständlich, er muss unbedingt die neue Macaron-Kollektion kosten und sein Urteil dazu abgeben!«

Er trank seinen Kaffee leer, steckte das letzte Stück seines Croissants in den Mund und stand auf: »Ich muss zurück in die Bäckerei, Chérie. Wir sehen uns heute Abend.«

Er beugte sich über den Tisch und gab ihr einen Kuss. Eigentlich sollte es nur ein kurzer Abschiedskuss sein, aber dann wurde daraus doch ein intensiver, zärtlicher Kuss. Seine Hand strich über ihre Wange und schob ihr lockiges dunkelblondes Haar zur Seite. Heute Morgen trug sie es offen und nicht zu einem praktikablen Dutt oder einem schicken Chignon gebunden wie sonst so oft. Er liebte ihr Haar und strich es sanft zur Seite. Unwillig machte er sich los und blickte sie entschuldigend an.

Sie lächelte und wedelte ihn mit den Händen davon: »Geh schon, du Arbeitstier, ich hole dich dann um acht heute Abend ab.«

Versonnen schaute sie ihm hinterher, als er zügig zum Tor ging, er sah wirklich zum Anbeißen aus! Es war gut, dass sie nun endgültig zueinander gefunden hatten, auch wenn sie manchmal wehmütig an ihre Zeit mit Frank in Deutschland zurückdachte. Der sturköpfige Deutsche und sie waren immer ein hervorragendes Team gewesen und hatten sich oft ohne Worte verstanden. Das Gefühl zwischen Kollegen bei der Polizei war mit nichts zu vergleichen, denn schließlich vertraute man einander sein Leben an.

Deutschland – Februar

Sein Handy klingelte schrill, und er schreckte hoch. Wieso, verdammt noch mal, war er eingeschlafen? Er war nur kurz losgefahren, um ein paar Sachen für sie zu holen, dann hatte er sich aufs Sofa gesetzt, auf dem er als Kind jeden Abend Sesamstraße geschaut hatte, und war wohl eingeschlafen.

Zwei Tage und Nächte hatte er im Krankenhaus an ihrem Bett sitzend verbracht. Das machte sich nun wohl bemerkbar. Er war einfach erschöpft, schalt sich aber einen verantwortungslosen Idioten, hier zu schlafen, während wer weiß was im Krankenhaus passieren konnte. Das Pflegepersonal hatte versucht, seine Mutter zu erreichen, aber sie ging wieder mal nicht an ihr Handy. Möglich, dass die Nummer nicht mehr stimmte. Auch das vergaß sie, regelmäßig mitzuteilen. Sie blieb dann einfach unerreichbar und verschwunden.

Er hatte sich damit arrangiert, irgendwie. Seine Oma auch, obwohl er oft das Gefühl hatte, dass sie litt, wenn über seine Mutter gesprochen wurde. So vermied er es mit der Zeit, sie zu erwähnen, und nur wenn es sich nicht vermeiden ließ, sprach er über sie. Wobei er beileibe kein Fan des Totschweigens war. Erst im vergangenen Jahr hatte er bei seiner Arbeit gesehen, was alles passieren konnte, wenn man nicht über wichtige Dinge sprach. Er schaute auf das Display und sah die Nummer der Klinik. Rasch nahm er das Gespräch an, und seine Finger zitterten dabei.

Stuttgart – Februar

»Herrgott, Frank«, wetterte die schmale Frau neben ihm, »kannst du dich endlich mal wie ein Erwachsener benehmen?«

Er rollte genervt mit den Augen, schwieg und drückte fester auf das Gaspedal, und der Wagen schoss nach vorn. Er hatte das mobile Blaulicht auf dem Dach positioniert, und das Martinshorn trötete in die Abendstille. Das SWAT-Team war informiert und würde sie am Tatort erwarten.

Ein durchgeknallter Familienvater hatte sich mit einem Kleinkind in seiner Wohnung verschanzt. Auf die Mutter hatte er zuvor mehrfach eingestochen und sie dann im Treppenhaus quasi entsorgt. Die junge Frau war noch vor Ort gestorben. Es galt, den Mann davon abzuhalten, noch ein weiteres Tötungsdelikt zu begehen, denn er hatte bereits damit gedroht, »das Wechselbalg aufzuschlitzen«.

Frank hatte den Kopf hängen lassen, als der Befehl von oben gekommen war. Das Opfer war wohl die Großnichte eines Baden-Württembergischen Landespolitikers, und dieser hatte eine große Welle bei Franks Chef gemacht. Er war zum Wagen getrottet und seine Partnerin an ihm vorbeigeflitzt. Sie war schon angeschnallt gewesen, bevor er die Fahrertür des Fahrzeuges erreicht hatte. Sie hatte alle Notwendigkeiten für einen Einsatz dieser Art heruntergeleiert wie ein Fachbuch. Er hatte derweil den Scheibenwischer angestellt, obwohl es nicht regnete, und mit dem Kopf die Wischbewegung mitgemacht, während er seine Zunge angewidert aus dem Wundwinkel hatte hängen lassen. Ja, sie hatte recht, das war irgendwie kindisch, aber er hatte weder Lust auf sie noch auf diesen dämlichen Einsatz, bei dem sie nichts zu gewinnen haben würden, denn was hatte der Mann schon zu verlieren? Er hatte bereits einen Menschen getötet.

Seit er im letzten Jahr von seinem »Frankreich-Urlaub« zurückgekommen war, nervte ihn der Job nur noch mehr. Sie waren ein tolles Team gewesen: Margeaux, der alte Franzose, der Hacker und er. Er hatte Margeaux im Anschluss nur noch mehr vermisst. Schon vor diesem Zwischenfall in der Provence war er geradezu unerträglich für neue Partner gewesen, aber jetzt hatte seine Abwehr eine neue Qualität erlangt, denn am liebsten hätte er das drahtige, kurzhaarige Ding auf dem Beifahrersitz mit ihrer Beflissenheit aus dem Auto geworfen. Aus dem fahrenden, wohlgemerkt. Aber er beherrschte sich.

Als sie das Ortseingangsschild von Wangen passiert hatten, schaltete er das Horn aus und ein paar Straßen später auch das Blaulicht. Der Täter sollte nicht durch ein riesiges Polizeiaufgebot erschreckt werden und dann eine Übersprunghandlung begehen. Wobei sich wieder der Gedanke in Franks Kopf drängte, dass der Mann bereits getötet hatte. Frank ging davon aus, dass der zweijährige Junge nicht das leibliche Kind war. Also würde er ihn wahrscheinlich so oder so töten und im Anschluss sicher auch sich selbst.

Er merkte, dass es ihm egal war, und das erschreckte ihn kurzzeitig. Was war nur mit seinem Rechtsempfinden geschehen? Schon als Kind war es ihm wichtig gewesen, dass Recht gesprochen wurde, denn er hatte einfach zu viel Unrecht ertragen müssen. Mehr als es für eine Kinderseele gut gewesen war, und damals hatte er sich irgendwann geschworen, dass er dafür Sorge tragen würde, dass der Gerechtigkeit Genüge getan würde. Nicht nur in seinem ganz speziellen Fall, sondern allgemein. Das hatte ihn dazu gebracht, sich in der Schule anzustrengen und dann zur Polizei zu gehen.

Und jetzt? Jetzt führte er sich wieder auf wie der trotzige Junge von damals. Er nahm es ja selbst wahr und verachtete sich dafür, aber irgendwie nervte ihn einfach alles.

Er wünschte sich Margeaux zurück. Sie hatten im Auto immer über alles sprechen können, was ihnen auf der Seele gebrannt hatte. Hatten Profile der Täter erstellt und Pläne ersonnen, wie sie sie drankriegen konnten. Meist war es ihnen gelungen. Einerseits hatte es an Margeaux’ Fähigkeiten gelegen, die Mimik des Gegenübers zu entschlüsseln und dadurch quasi einen Schritt voraus zu sein, aber auch ihre Teamarbeit war ein großer Schlüssel zum Erfolg gewesen. Ihre Aufklärungsrate gigantisch. Kaiser und Surfin waren das Vorzeigeteam des Bundeslandes gewesen. Dann war Angerer in ihr Leben geplatzt und Margeaux’ Mutter an Krebs erkrankt und gestorben.

Beides zusammen hatte seine Partnerin gebrochen, denn der Stress war einfach zu groß gewesen. Sie hatte den Dienst quittiert und war verschwunden. Auch aus seinem Leben. Und das war etwas, was er nicht so gut verarbeitet hatte. Als sie ihn wegen der blutigen Selbstmorde in der Provence, die Angerers Muster entsprachen, kontaktiert hatte, war er wieder er selbst geworden. Aber in Stuttgart zurückgerutscht in seine bockigen Kindheitsstrukturen. Die junge Kollegin neben ihm konnte ein Lied davon singen, wie es war, wenn ein erwachsener Mann nicht mehr für rationale Argumente erreichbar war, und meist trug sie es mit Fassung. Heute war es wohl zu viel, und so entwickelte sich ein ärgerlicher Disput zwischen Ihnen. Weder sprachen sie über den Fall noch ersonnen sie eine Strategie, sie zankten sich einfach nur. Überrascht sahen sie einander an, als sie in die Zielstraße einbogen und das Aufgebot des dunkel gekleideten SWAT-Teams sahen. Sie stolperten wütend aus dem Auto, zogen ihre schusssicheren Westen an und ließen sich sodann vom leitenden Beamten updaten. Der Ärger vernebelte noch ihren Blick. So etwas war im Einsatz nie gut.

Waffengewalt

Der Schuss explodierte aus dem Lauf, ohne dass im ersten Moment klar war, wie es hatte geschehen können. Blut, Fleisch und eine breiige Masse flogen durch den Raum auf sein Gesicht und seine Hände. Der Mann sackte zusammen, schlug mit dem zerborstenen Schädel auf dem Boden auf und blieb regungslos liegen. Ein Auge war durch den Schuss vollkommen zerstört, das andere stand blicklos offen. Er war tot.

Die alte Jagdwaffe hatte nun einen Menschen das Leben gekostet.

So, als erwachte der Körper aus einer Trance, öffnete sich die Hand unvermittelt, und die Waffe fiel. Erbrochenes war zu riechen. Die Gedanken im Vorfeld hatten einen wirklichen Umgang mit dem Tod, den die Waffe bringen würde, nicht gänzlich umfasst. Verteidigung war das Motiv, nur deshalb war die Waffe zum Einsatz gekommen.

Deutschland – Februar

»Sie sollten besser kommen, sie möchte ihnen unbedingt etwas sagen und hat schon mehrfach nach ihnen gefragt«, hörte er die Schwester sagen.

Er schnappte sich die Tasche, die er gepackt hatte, und rannte zum Auto. Mit quietschenden Rädern sauste er vom Hof. Beinahe rammte er eine Mülltonne, die auf dem Bürgersteig stand, und ein älterer Nachbar sprang erschrocken zur Seite, schüttelte den Kopf, zeigte ihm einen Vogel und rief: »Wir sind hier doch nicht bei der Formel 1!«

Aber der Bursche im Auto sah und hörte ihn nicht. Krachend warf er den Gang ein und fuhr ohne Entschuldigung davon. Er wollte nur bei ihr sein, sie sollte nicht allein sterben. Die Schwester hatte eine düstere Andeutung gemacht, und er hatte nun noch mehr Angst. Er schaffte die Strecke zum Krankenhaus in Rekordzeit, parkte den Wagen nachlässig und rannte los. Als er ihr Zimmer betrat, sah er das ganze Elend. Sie war in den Kissen und Decken kaum noch zu sehen, und die piependen Maschinen taten ihr Übriges, um den Zustand sehr bedrohlich wirken zu lassen.

Mühsam öffnete sie die Augen, als er schwer atmend neben ihrem Bett zusammensackte. Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. Dieser Junge, dieses Geschenk Gottes war immer ihre ganze Freude gewesen, auch wenn er einen wirklich komischen Beruf gewählt hatte, den sie irgendwie nicht verstand.

Sie ergriff seine Hand und zog ihn zu sich: »Junge … da … ist … etwas … dass du … wissen … musst!« Die Worte kamen langsam und sehr leise aus ihrem Mund.

Er beugte sich über sie: »Bitte, das hat doch noch Zeit, du musst dich schonen!«

»Nein, ich … muss … es …«, ihre Stimme brach ab, und sie musste röchelnd husten. Es klang schleimig und anstrengend.

Er stützte sie und hielt sie im Arm. »Ich hab dich lieb, Oma«, brach es unvermittelt aus ihm heraus, und Tränen schossen ihm in die Augen. Ihr Kopf sank zur Seite, und sie schlief erschöpft wieder ein. Er bleib sitzen und hielt Wache. Er wusste, es war eine Totenwache, denn er konnte sehen, wie das Leben immer mehr aus der einst agilen alten Dame entwich.

Stuttgart und Wangen – Februar

Er versuchte, den Ärger in sich zu kontrollieren. Sonst half ihm das Kickboxen dabei, aber hier konnte er wohl kaum jemandem den Fuß in die Nieren rammen und die Faust auf die Nase hauen. Er betrachtete die Narben auf seinen Knöcheln, die ihn an das Grauen seiner Kindheit und Jugend stets wie ein Mahnmal erinnerten. Meist brachte ihn das zur Besinnung, aber auch das half heute nicht.

Er wusste rational, dass seine Partnerin eine gute Polizistin war, sie war genau und absolut zuverlässig, aber sie war eben nicht Margeaux.

Und wenn die Pferde mit ihm durchgingen, dann war er für aufschlussreiche Erklärungen nicht erreichbar. Die junge Frau schaffte es auch nicht, mit ihm in Resonanz zu gehen, sondern fütterte seinen Ärger nur noch mehr an. Er versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was der leitende Beamte von sich gab, aber irgendwie hatte er das Gefühl, nur die Hälfte mitzubekommen. Auf sein Gefühl konnte er sich momentan nicht verlassen, denn er wusste von Margeaux, dass Ärger das gesamte System schwächte, und nur fünf Minuten davon reichten aus, um geschlagene sechs Stunden im Körper nachzuschwingen. Der Länge des Streits mit seiner Kollegin nach zu urteilen, würde der Ärger dann wohl die nächsten Wochen ein Teil von ihm bleiben.

»Wie ist die geplante Vorgehensweise ihrerseits?«, hörte er den Beamten fragen.

Frank spürte, wie es ihm die Sprache verschlug, denn er konnte irgendwie keinen klaren Gedanken fassen. Dann vernahm er die konzentrierte Stimme seiner Partnerin: »Wir werden nun persönlich mit dem Täter Kontakt aufnehmen. Herr Kaiser hat Erfahrung mit Deeskalationen in solchen Fällen.« Sie nickte Frank aufmunternd zu.

Dankbar nahm er den Ball auf. »Die Handynummer von Herrn Kauler wurde uns bereits von der Zentrale übermittelt«, er atmete kurz erleichtert auf, da ihm der Name des Kindesentführers wieder eingefallen war, »ich werde ihn kontaktieren, um eine Beziehung zu ihm aufzubauen, in der Hoffnung, dass er das Kind nicht tötet oder zu Schaden kommen lässt!«

Die Stimme seines Chefs Werner Walter klang ihm im Ohr: »Immer wenn es um Kinder geht, habe ich ja ein komisches Gefühl bei Ihnen, Kaiser, schaffen Sie es auch wirklich, objektiv zu bleiben?«

Frank schüttelte leicht den Kopf, um die Stimme zu vertreiben. Er tippte auf die Nummer in der Nachricht auf seinem Display, schaltete das Telefon laut und wartete ab. Das Freizeichen erklang, zermürbend oft tutete es vor sich hin. Nichts geschah. Das war nicht ungewöhnlich, denn der Täter durchlief nun eine Prozesskette aus Emotionen und rationaler Abwägung, soweit dies in seinem Zustand möglich war.

Er hatte getötet und war wahrscheinlich vollgepumpt mit Adrenalin – und hoffentlich nur damit. Den Recherchen nach zu urteilen könnte er auch Drogen konsumiert haben, denn denen gegenüber schien er nicht abgeneigt zu sein. Das Vierparteienhaus war von den Einsatzkräften bereits geräumt worden, und unweit konnte man die verstörten Bewohner in Decken gehüllt stehen sehen.

Es war bitterkalt. Frank rieb sich kurz die Hände und tippte erneut auf sein Handy. Wieder erklang der Ruf, und nichts geschah.

Der Beamte des SWAT-Teams warf ihm einen Blick zu: »Wenn er nicht bald reagiert, müssen wir stürmen. Das Kind ist schon zu lange in seiner Gewalt!«

Frank tippte erneut.

Nach dem zweiten Signalton war ein Knacken zu hören, und der Täter bellte: »Was wollt ihr Arschlöcher von mir?«

»Herr Kauler, mein Name ist Frank Kaiser von der Kripo Stuttgart«, stellte sich Frank vor und gab seiner Stimme einen neutralen Klang, »ich möchte wissen, wie ich Ihnen helfen kann?«

Ganz bewusst ließ er das Kind erst einmal außen vor, doch Kauler machte ihm einen Strich durch die Rechnung. »Ich will einen Vaterschaftstest«, brüllte er, »und wenn das Balg nicht meins ist, dann kann es zu seiner Mutter!« Er lachte böse. »Wenn es meins ist, lassen Sie uns einfach in Ruhe!«

Frank atmete tief ein und aus. Das würde ein sehr langer Tag werden.

Avignon – Februar

»Salut, Chérie!« Julien nahm Margeaux in den Arm und gab ihr die für die Provence typischen drei Wangenküsse. Dann wandte er sich Thierry zu und begrüßte auch ihn. Hier gab es zwischen Menschen, die einander nahestanden oder mochten bezüglich der Begrüßung keinen Unterschied. Auch Männer gaben einander die Wangenküsse. Der Hund wurde ebenfalls ausführlich begrüßt, bekam aber nur Streicheleinheiten.

Julien geleitete die drei zur Theke. Margeaux saß immer gern auf den Barhockern mit dem Blick in die Küche. Ihr Vater verschwand kurz, um sich die Hände zu waschen. Hundehaare im Essen würde niemand mögen. Thierry stellte die Pappkisten mit den Macarons vor sich ab. Er war sehr gespannt, was sein Beinahe-Schwiegervater, der bei Größen wie Eckhart Witzigmann und Paul Bocuse gelernt hatte, dazu sagen würde. Das Urteil des »Chez Louise«-Besitzers, eines der anerkanntesten Bistrorants in Avignon, war ihm extrem wichtig. Man konnte wunderbar mit ihm fachsimpeln, und er war professionell genug, um sein Feedback so zu geben, dass Menschen es annehmen konnten. Julien war von Anfang an einer der Küchenchefs gewesen, die allein durch die offene Küche die Unart des brüllenden Chefs der Gegenstände nach seinen Mitarbeitern wirft, verbannten. Aber allgemein widersprach es auch seiner Persönlichkeit, gewalttätig oder übermäßig laut zu werden. Er blieb mit seinen Leuten im Gespräch, band sie in Prozesse ein und war einfach getragen von einer wertschätzenden Grundhaltung. So hatte er kaum mit Fluktuation zu kämpfen und konnte eine gleichbleibend herausragende Qualität abliefern.

Der Guide Michelin war schon auf ihn aufmerksam geworden, aber Julien brauchte keine weitere Publicity. Das »Chez Louise« war immer gut gebucht, da es sowohl für Einheimische als auch für Touristen eine Gaumenfreude war, dort zu speisen und den Service zu genießen. Die wunderbare Einrichtung, die alt, neu, klassisch und modern geschmackvoll miteinander verband, hatte seine verstorbene Frau Marie-Louise noch mitgestaltet. Juliens Großvater und seine Schwiegermutter Annabelle, Margeaux’ Großmutter, hatte ihn damals nicht nur bestärkt, diesen Schritt zu gehen, sondern ihn auch finanziell unterstützt. Sonst hätte er sich den Traum vom eigenen Lokal niemals erfüllen können.

Die Lage in Avignon war hervorragend. Nicht weit vom Zentrum entfernt, aber doch weit genug vom Trubel des Place de l’Horloge. Mit einer großen Platane im Innenhof lud das »Chez Louise« zum Verweilen ein. Die köstlichen Kreationen der Küche, die ebenfalls das Klassische mit dem Modernen verbanden, taten das Ihrige dazu.

Heute war das Gros der Gäste schon durch, und nach dem Aperitif würden Margeaux und Thierry sich die Schürzen umbinden und mit Julien in der Küche ihr Essen entstehen lassen. Das kreative Miteinander brachte oft so großartige Gerichte hervor, dass Julien sie häufig leicht angepasst auf die Karte des »Chez Louise« übernahm. So auch Margeaux’ legendäres Karamellhühnchen, das im letzten Jahr entstanden war, bevor sie Angerer das erste Mal im Gefängnis besucht hatte.

Julien kam von der Toilette zurück, machte noch eine kleine Runde durch das Restaurant, um mit den letzten verbleibenden Gästen zu plauschen und diese dann zu verabschieden.

Im Anschluss kam er an die Theke, nahm sein Glas in die Hand und prostete den beiden zu. »Wollen wir? Ich habe nämlich Hunger«, erklärte er und begab sich in Richtung Küche. Margeaux und Thierry folgten ihm. Willi legte sich brav in sein Körbchen und rollte sich zufrieden ein. Julien hatte den kleinen Dackel im letzten Jahr besorgt, um Margeaux seelisch zu unterstützen. Der Tod von Marie-Louise hatte in ihrer beider Leben eine unschließbare Lücke hinterlassen, aber er hatte weitergemacht, während seine Tochter einfach aufgegeben hatte. Der rötliche Dackel hatte auch sein Herz im Sturm erobert und hatte im »Chez Louise« seinen ganz eigenen Platz.

Julien öffnete das Kühlhaus und brachte ein frisches Lammkarree zum Vorschein.

Margeaux klatschte erfreut in die Hände: »Wollen wir es klassisch zubereiten und dann ein bisschen Pfiff dazugeben? Ich hätte da spontan eine Idee!«

»Von mir aus«, Julien sah grinsend zu Thierry, der sein Lächeln erwiderte, »du darfst das Heft in die Hand nehmen, und wir sind gespannt, was dabei herauskommt!«

Er sah die Freude in ihrem Gesicht und war vollkommen zufrieden. Sie hatte seinen Bezug zu Lebensmitteln geerbt und sich dazu eine eigenständige Kreativität angeeignet. Er hatte nicht vergessen, wie er sie Anfang des letzten Jahres in Stuttgart in ihrer Wohnung vorgefunden hatte, als die Depression Einzug in ihr Leben gehalten hatte.

Sie war gerade wieder aufgeblüht, als ihre polizeiliche Vergangenheit sie eingeholt und in Gefahr gebracht hatte, und da stand nun sein Mädchen und strahlte über das ganze Gesicht, weil er eine Lammkrone im Kühlhaus hatte!

Sie nahm sich ein Blech vom Regal und ging damit ins Kühlhaus wie zum Einkaufen. Als sie wieder herauskam, zierten Süßkartoffeln, Kichererbsen, weiße Schokolade, Karotten, Sellerie, Orangen, frische Kräuter und Orangenmarmelade ihr Blech. Sie war voller Tatendrang, und ihre Augen glänzten.

»Papa«, wandte sie sich an Julien, »kannst du die Krone anbraten und dann binden, bitte!«

»Oui, Chef!«, salutierte er.

»Thierry, du bist für das Gemüse verantwortlich, ich möchte Brunoise aus den Karotten und dem Sellerie.« Auch Thierry nickte militärisch. »Ich kümmere mich derweil um die Kichererbsen und die Beilagenkarotten«, erläuterte sie ihr Tun.

Einträchtig standen sie in der Küche und verrichteten die jeweiligen Aufgaben. Julien briet das Lamm mit etwas Fett in einer Casserole an. Dann überglänzte er es noch: Er übergoss es immer wieder mit dem durch das Braten entstandenen Sud mittels eines Löffels. Es duftete großartig in der Küche.

»Was machen eigentlich deine deutschen Freunde?«, fragte Julien seine Tochter, während er die Krone wendete.

»Frank das Übliche«, Margeaux säuberte die Karotten, »Polizeidienst eben. Rastet regelmäßig aus und verschleißt einen Partner nach dem anderen.« Sie zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Irgendwie wartet er wohl immer noch darauf, dass ich zurückkomme und wir wieder ein Team sind, so wie früher.«

Julien hob fragend den Blick, während er mit dem Löffel Fett und Bratensaft über das Lamm schöpfte.

»Das kommt für mich nicht infrage, ich habe wirklich Aufregung genug gehabt in den letzten Jahren«, Margeaux schüttelte vehement den Kopf, »außerdem bin ich glücklich!«

Sie warf Thierry einen liebevollen Blick zu, den dieser erwiderte, und schnitt dabei versiert ihr Gemüse weiter.

»Bitte jetzt das Lamm herausnehmen, Papa, binden, und dann in den Ofen damit.«

Julien tat wie geheißen. »Was ist mit dem jungen Computergenie«, fragte er weiter, während er mit geübten Handgriffen die Kordel band.

Thierry hörte auf, die Karotten zu würfeln, schaute von Margeaux zu Julien und schmunzelte: »Du meinst Margeaux’ ganz persönlichen Fan?«

»Hey«, Margeaux schubste ihn spielerisch an der Schulter, »er ist noch jung und voller Begeisterung für vieles! Ich habe länger nichts von ihm gehört. Soweit ich weiß, ist er wieder in die Nähe seiner Oma gezogen. Unser kleines Abenteuer letztes Jahr hat ihm gezeigt, wie wichtig es ist, mit den Menschen, die man liebt, Zeit zu verbringen! Deshalb stehen wir drei übrigens jetzt hier!« Sie gab ihrer Stimme einen strengen Unterton, zog die Augenbrauen zusammen und drückte die Innenseiten etwas nach unten, was sie etwas bedrohlich wirken ließ: »Und wenn wir nicht verhungern wollen, dann quatscht ihr jetzt nicht so viel, sondern arbeitet!«

Julien und Thierry blickten sich an und begannen zu lachen. Julien packte das Lamm, das nun einer Krone glich, auf ein Blech und schob es bei niedriger Temperatur in den Backofen, um das Fleisch dort schonend zu Ende zu garen.

Margeaux löschte derweil den Bratensud mit Grand Marnier ab und flambierte das Ganze geschickt, um den starken Alkoholgeschmack zu reduzieren. Dann gab sie einen großzügigen Schluck Weißwein hinzu, legte das von Thierry und ihr sehr fein gewürfelte Gemüse hinein, goss immer wieder, wenn sich die Flüssigkeit reduziert hatte, mit Lammfond auf und ließ alles gemütlich vor sich hinköcheln. Zum Schluss schüttete sie die Soße durch ein Sieb und stellte die kleinen Gemüsewürfel warm. Die Schokolade und die Orangenmarmelade, die sie anschließend hinzufügte, taten das Ihrige, um die Konsistenz und den Geschmack des sämigen Suds zu unterstützen.

Bald füllte das Gelächter der drei die gesamte Küche, und die Zeit flog nur so dahin. Julien stampfte aus den von Margeaux gekochten Süßkartoffeln und Kichererbsen ein Püree. Hier legte er besonderen Wert darauf, sich an das zu halten, was er bei Bocuse über das Geheimnis der französischen Küche gelernt hatte: Butter, Butter, Butter. So wurde aus einer zerstampften Kartoffel eine wahre Gaumenfreude.

Thierry schwenkte derweil gemütlich einige halbierte Babykarotten in ausgelassener Butter und Orangensaft, um diese zu karamellisieren.

Sie richteten das saftig gegarte Fleisch als einzelne Koteletts auf dem Püree an, fügten die Gemüsewürfel und die Babykarotten sowie die sämige Soße hinzu. Die weiße Schokolade und die Marmelade gaben der Soße eine köstliche Tiefe. Der verlockende Speisenduft ließ ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Margeaux nannte das Gericht »Agneau à l’orange«, und es war so lecker, dass sie alle die letzten Tropfen Soße mit den Fingern aus dem Topf leckten.

 

Julien gab im Anschluss noch sein fachmännisches Urteil zu Thierrys mitgebrachten Macarons ab. Er äußerte eine Idee zur Geschmacksintensivierung: Thierry sollte in die Basilikummasse einige wenige junge Tomatenblätter einarbeiten. Der Bäcker war begeistert von dieser Anregung und plante gleich am folgenden Tag einen neuen Versuch für seine außergewöhnliche Kreation.

Dann brachen das Paar und der Hund auf in Richtung Weiler: Hameau les Bouisses lag zwischen Barbentane und Boulbon nahe dem Kloster Frigolet, sie hatten somit gute zwanzig Minuten Autofahrt vor sich.

Zu Hause angekommen gingen sie noch eine rasche Runde mit dem Hund und genossen die kühle klare Nachtluft, eng umschlungen kehrten sie ins Haus zurück und beschlossen, einander im Schlafzimmer noch zu wärmen. Sie schlossen die Tür hinter sich, und der Dackel war darüber gar nicht amüsiert, hatte aber mittlerweile gelernt, dass er in solchen Momenten im Flur auf der Fußmatte zu bleiben hatte.

Thierry stellte sich hinter sie und ließ seine Hände über ihre Arme gleiten, dann öffnete er den Reißverschluss, und Margeaux streifte das schwarze schmal geschnittene Kleid rasch ab. Sie trug feine Spitzenunterwäsche und halterlose Strümpfe. Thierry stockte der Atem, als er seinen Blick über ihren Körper streifen ließ, er spürte, wie sein Körper reagierte, und befreite sich von Hose und Shorts. Dann presste er sich an sie und umfasste mit seinen Händen fordernd ihre Brüste. Sie stöhnte auf, wand sich aus seinem Griff und drehte sich zu ihm um. Langsam öffnete sie sein Hemd, Knopf für Knopf, und ihre Hand glitt dabei sanft über seine Brust und seine definierten Bauchmuskeln. Sie kam seiner hoch aufgerichteten Leibesmitte dabei immer näher, und er atmete erwartungsvoll stoßweise ein und aus. Sie kniete sich vor ihn und heizte seine Lust noch mehr an. Er umfasste zärtlich ihr Gesicht.

Provence – September, 29 Jahre zuvor

Wer seine Sünden verheimlicht, hat kein Glück, wer sie bekennt und meidet, findet Erbarmen.

Sprüche 28,13

Sie kamen von der Jagd, die Saison war gerade eröffnet worden und alle waren vollgepumpt mit Adrenalin. Das Töten hatte einfach eine irre Wirkung. Man fühlte sich wie Gott. Als sie in die Bar eingekehrt waren, war ihnen das Mädchen hinter der Theke kaum aufgefallen, so sehr waren sie mit sich und dem Erfolg des Tages beschäftigt gewesen. Einige Drinks später aber hatten sie sie im Fokus gehabt.

Sie bestellten vielleicht auch gerade deshalb eine Runde nach der anderen, damit sie an ihren Tisch kam, sich vorbeugen musste und sie so auf ihre Brüste glotzen konnten, die dabei fast aus dem Top purzelten. Betrunken warfen sie sich Blicke zu und feixten. Die harten Drinks und das Adrenalin ließen die Hemmschwelle sinken. Die fünf Männer, allesamt anerkannte Mitglieder der Gesellschaft – ein Hotelier, ein Versicherungsmakler, ein Inhaber eines Autohauses, ein Arzt und ein Möbelhändler – waren im Rausch.

 

Das gerade neunzehnjährige Mädchen hinter der Theke war noch neu in der Provence. Die junge Deutsche wollte ihr Französisch aufbessern und reiste für ein Jahr durch Frankreich. Ihre Eltern hatten sie darin bestärkt, diesen Schritt zu wagen, auch um ihr Selbstbewusstsein aufzupeppen, denn sie gab sich ein wenig schüchtern.

Es war ein heißer spätsommerlicher Tag gewesen, und daher trug sie noch die leichte Kleidung des Tages. In Gedanken versonnen dachte sie an den jungen Mann, den sie vor einigen Tagen auf ihrem Streifzug durch Salon-de-Provence kennengelernt hatte. Bisher hatte sie eher wenig Kontakt zu Jungs gehabt, sie hatte fleißig für ihr Abitur gelernt, ein paarmal heftig geknutscht und auch rumgefummelt. Es hatte ihr gefallen, so berührt zu werden, aber den finalen Schritt wollte sie mit einem Jungen gehen, in den sie wirklich verliebt war. Ein Lächeln glitt über ihre Lippen, als sie an den stattlichen jungen Franzosen dachte. Sie war tatsächlich ein bisschen verliebt in ihn, und er könnte derjenige welche sein.

Die besoffenen Typen von Tisch drei wurden immer lauter, aber die Rechnung war bereits gigantisch, und das würde sicher auch ein tolles Trinkgeld bedeuten, also lächelte sie freundlich, wenn sie zu ihnen ging. Als Mitternacht verstrichen war, hatte ihr Chef sie zum Abrechnen geschickt, und tatsächlich hatte sie dreihundert Francs Trinkgeld bekommen. Das war unglaublich viel Geld und mehr, als sie an diesem Abend durch das Kellnern verdient hatte.

Die Gruppe brach lärmend auf. Sie räumte die restlichen Gläser ab und machte kurz darauf Schluss. Ihr kleines Zimmer in Les Baux-de-Provence, der Ort war ein touristisches Highlight und schien zeitweise nur aus Touristen zu bestehen, befand sich unweit des Lokals.

Raschen Schrittes ging sie durch die Nacht, noch immer glücklich über ihr prall gefülltes Portemonnaie. Auf dem kleinen Platz, der vor dem Weg zum berühmten Château gelegen war, bemerkte sie eine Bewegung, und plötzlich war sie umringt von den fünf Kerlen von Tisch drei. Sie standen um sie herum, und die Gier in ihren Blicken machte sie sofort bewegungslos vor Angst. Sie wollte schreien, doch der Ton, der sich aus ihrer Kehle löste, glich mehr einem Krächzen, und dann ging es auch schon los.

 

Die kleine Wildkatze hatte dreihundert Francs von ihnen bekommen, es musste ihr doch klar gewesen sein, dass sie diese Menge Trinkgeld abzuarbeiten hatte.

Der Alkohol putschte die Männer auf, und man konnte bereits die Ausbeulungen in den Hosen erkennen, als sie das Mädchen in dem kurzen Rock und dem aufreizenden Top einkesselten. Sie blieb bewegungslos stehen, und das war doch schon einmal ein gutes Zeichen, dass sie es auch wollte. Immer wenn sie ihnen einen Drink hingestellt hatte, hatte sie gelächelt, sich dann umgedreht und kokett mit dem Hinterteil gewackelt. Sie wollte es! Eine nimmersatte Hure, die eine Gruppe von fünf ausgewachsenen Kerlen ins Visier genommen hatte.

Sie riss den Mund auf und krächzte. Der Reigen war eröffnet.

 

Er hielt ihren Kopf und schob ihr sein Ding tief in den Rachen. Sie wehrte sich, aber zwei seiner Kumpels hielten die zappelnde Schlampe fest im Griff. Er würde ihr in den Mund spritzen und sich dann für eine zweite Runde klarmachen, während seine Kumpels sich mit ihr vergnügten.

Der hinter ihr stehende Mann drückte sie gegen sich. Sein erigiertes Geschlechtsteil berührte ihren straffen Po, und der Blick, den er in die Runde warf, wurde von Gier verdunkelt. Wie auf ein unausgesprochenes Kommando rückte die Gruppe jetzt enger zusammen. Alle Männer berührten sie an den unmöglichsten Stellen, schweigsam und laut atmend. Die Augen des Mädchens waren weit geöffnet, und sie wehrte sich.

Der würden sie es zeigen, sie waren richtige Männer, starke Jäger, und sie hatte schließlich das Geld ohne Zögern angenommen. Zu viert fassten sie sie an den Beinen und den Schultern, der fünfte Mann hielt jetzt ihren Mund verschlossen. So schleppten sie sie auf den nachts unbewachten Weg in Richtung Château. Sie würden schon ein passendes Örtchen finden, um ihr Manieren beizubringen.

 

Der Atem der Männer, die ihren Körper fest gepackt hatten, roch nach Schnaps, und sie wusste, sie würde noch heute sterben.

Stuttgart – Februar

»Kaiser! Was haben Sie sich dabei gedacht! Haben Sie überhaupt gedacht, verdammt noch mal!!« Walters Fragen waren Aussagen, die er mit Ausrufzeichen nur so spickte. Vor allem, wenn er sauer war, und das war er wohl gerade.

Frank blieb stehen und wartete.

»Wie konnten Sie so unvorsichtig sein! Das Kind hätte sterben können und Sie auch!«

Frank sagte noch immer nichts. Retrospektiv gesehen hatte sein Chef vollkommen recht, aber in der Situation war es ihm klug und mutig erschienen.

Nach zähen Verhandlungen hatte der Kindesentführer Hunger bekommen und einer Pizzabestellung zugestimmt. Für ihn ein Bier dazu, für das Kind einen Apfelsaft.

Der unter Eile angetriebene Vaterschaftstest war da und zeigte leider ein unschönes Ergebnis. Das Kind war von einem anderen Mann. Das würde den Tod des Jungen bedeuten, und so zögerten sie die Ergebnisbekanntgabe hinaus.

Die Pizza war bestellt, und normalerweise hätte ein Beamter des SWAT-Teams die Uniform des Boten angezogen, um diesen nicht in Gefahr zu bringen und mehr über die Bedingungen direkt vor Ort zu erfahren. Aber Frank hatte sich hingestellt und vehement darauf bestanden, dass dies seine Aufgabe war. So war er mit den Pizzakartons und der Tüte mit den Getränken vor der Wohnungstür gelandet. Der Entführer hatte sich über die Übergabe des Essens wohl nicht genügend Gedanken gemacht, sich zu sicher gefühlt mit dem Kleinkind als Pfand. Er hatte die Tür einen Spalt geöffnet und ein langes Küchenmesser in der Hand gehalten. »Stell das Zeug ab und verschwinde!«, hatte er den vermeintlichen Boten angeherrscht.

Frank hatte beflissen genickt und versucht, möglichst angstvoll auszusehen, er hatte von Margeaux gelernt, wie weit er die Augen dazu aufreißen musste und welche Anspannung auf dem Unterlid liegen sollte.

Das Kind hatte im Hintergrund unvermittelt zu kreischen begonnen. Der Entführer war kurz erschrocken zusammengezuckt, und Frank hatte eine einmalige Chance kommen sehen. Mit Schwung hatte er dem Mann die Tür vor den Kopf gerammt. Da dieser auf einen Angriff nicht eingestellt gewesen war, hatte er kurz mit den Armen gerudert und war dabei einen Schritt rückwärts getaumelt. Frank hatte die Tür vollends geöffnet und mit einer geschickten Kickboxbewegung das Messer aus der Hand von Kauler geschlagen. Als Nächstes hatte er dem Täter einen Kinnhaken verpasst, sodass dieser krachend zu Boden gegangen war. Dann hatte er den am Boden liegenden Mann geschickt auf den Bauch gedreht und sich rittlings auf ihn gesetzt. Das Kind hatte mittlerweile ohrenbetäubend laut geschrien, und in Franks Ohrstecker war der Teufel los gewesen.

Einige Sekunden später waren die schwarz gekleideten SWATler, die sich im Treppenhaus postiert gehabt hatten, neben ihm gestanden, hatten die Wohnung gesichert und Kauler in Gewahrsam genommen. Einige waren stumm vor Staunen gewesen, andere ganz klar verärgert. Der leitende Beamte hatte ihm mit beherrschter Stimme zu verstehen gegeben, was er von diesem Alleingang hielt, und seine Partnerin war vollkommen ausgeflippt. Sie war ein gutes Mädchen, eine gewissenhafte Polizistin und egal, wie er sich benahm, sie wollte von ihm lernen. Allerdings nicht, wie man ein potenzielles Opfer und sich selbst in Gefahr brachte.

So stand er nun vor Walter und ließ sich schelten. Er hatte in seinem Leben bereits Schlimmeres erlebt, und so machte ihm die Standpauke nicht wirklich etwas aus.

Er verstand die Argumente seines Chefs, stand aber auch zu seinem Handeln. Er hatte die Situation jederzeit im Griff gehabt, dessen war er sich vollkommen sicher.

»Es wird wohl besser für uns alle sein, wenn sie ein paar Wochen besonderen Erholungsurlaub nehmen!«

Jetzt wurde Frank wach: »Was? Sie suspendieren mich, obwohl ich ein Kind gerettet und einen Gewalttäter dingfest gemacht habe?«

»So kann man es auch sehen! Allerdings tendiere ich eher zum Erholungsurlaub! Auch für die Kollegen und die Presse!« Walter machte seinen Standpunkt unmissverständlich klar: »Diese Art von Aktionismus macht uns nicht unbedingt vertrauenswürdig!«

Er zog einen Mundwinkel ein und verdeutlichte so auch noch mimisch seine Missachtung. Dann unterbrach er den Blickkontakt und machte Frank klar, dass das Gespräch beendet war. Kaiser nestelte seinen Ausweis und seine Waffe hervor, denn wenn er ehrlich war, hatte er mit der Suspendierung schon irgendwie gerechnet und alles Notwendige dabei. Er legte alles auf Walters Schreibtisch und ging hoch erhobenen Hauptes zur Tür hinaus aus dem Revier und zu seinem Auto.

Er fuhr direkt zum Sportstudio und schlug und trat mehr als eine Stunde auf den Sack sein, bis seine Hände wehtaten und er kaum noch Luft holen konnte. Dann ging es ihm besser.

Provence – September, 29 Jahre zuvor

Das Mädchen lag nun vor ihnen am Boden. Sie hatten ihr die Kleider quasi vom Leib gerissen, und der junge, glatte Körper leuchtete verführerisch im Mondlicht. Sie versuchte, sich zu wehren. Irgendwie war Jean, der ihr zuvor den Mund zugehalten hatte, zum Anführer des Rudels geworden. Er befahl den anderen, ihre Beine zu spreizen und ihre Schultern nach unten zu drücken. Damit sie nicht schreien konnte, hatte er ihr ihr Top in den Mund gestopft, nachdem er sie schon mal etwas anderes hatte kosten lassen. Er glitt zwischen ihre Beine und rammte ihr sein Ding rein. Das Shirt dämmte ihren Schrei, als er sie hart nahm, und ihre Reaktion machte ihn wild. Die Jungs, die ihm gierig und bewundernd zusahen, und der faltenfreie Körper mit den hochstehenden Brüsten, ließen ihn brünstig zustoßen. Ihre Gegenwehr brach ab, und er sah seine Kumpels die Hosen öffnen und ihre Waffen bereitmachen. Er hatte rasch genug davon, sie in der Missionarsstellung zu nehmen, und würde seine Pracht gleich in ihren anderen Öffnungen versenken, daher machte er erst einmal Platz.

 

Sie war nicht tot, wünschte es sich aber von ganzem Herzen. Einer nach dem anderen fiel über sie her, teilweise machten sie sich sogar zu dritt an ihr zu schaffen, und der Schmerz war unbeschreiblich. Ein vierter packte sie am Haar und riss ihren Kopf zurück, sodass der jeweilige Peiniger, der ihren Mund penetrierte, eine bessere Position hatte. Ihre Knie waren zerschunden, der Schmerz in Vagina und After war schier unerträglich. Die fünf Männer heizten sich gegenseitig an, wer wohl tiefer und härter in sie eindringen könnte. Mehrfach wollte sie sich übergeben, weil der Brechreiz ausgelöst wurde, aber es gelang ihr nicht und sie musste den sauren Magensaft immer wieder schlucken. Die Männer schienen all ihre Hemmungen außer Kraft gesetzt zu haben und keinerlei Mitgefühl zu kennen. Während sie ihr all diese unerträglichen, unaussprechlichen Dinge antaten, prahlten sie mit dem Tod, den sie am vergangenen Tag in die Tierwelt gebracht hatten, was ihre Begierde nur noch weiter anzutreiben schien.

Sie fühlte, wie sich Schwäche in ihr breitmachte und der Schmerz ihr das Bewusstsein raubte.

»Was ist mit der nimmersatten Schlampe?«, hörte sie noch die raue Stimme des Anführers, »hat sie jetzt endlich genug?« Er lachte hämisch, und die anderen fielen in das Gelächter ein.

 

Paul blickte stolz an sich herab, sein Penis ragte noch immer hoch auf. Dann lag es wohl nicht an ihm, dass es zu Hause kaum noch funktionierte, sondern an seiner frigiden Alten. Dann erschrak er, als er das Blut auf seinem Geschlechtsteil und seinen Oberschenkeln sah. »Blutet die etwa?«, warf er in die Runde.

»Wie eklig ist das denn«, kommentierte ein anderer mit alkoholschwangerer Stimme, und sie wandten sich angewidert ab und begannen, sich anzuziehen.

»Wir fahren zu mir ins Hotel, da können wir duschen«, bot Jean, der Hotelbesitzer, an. Die Gruppe nickte zustimmend.

»Was, wenn die deutsche Hure zur Polizei geht?«, richtete Paul die Frage an seine vier Kumpanen.

»Warum sollte sie? Sie hat uns angemacht, Geld von uns genommen, ist halb nackt durch die Nacht gelaufen«, zählte Jean auf, »und außerdem kennt uns hier eh niemand! Also! Wir fahren!«

Die Männer folgten ihm und ließen den zerschundenen, blutenden Körper des Mädchens achtlos liegen.

Einer drehte sich noch einmal kurz um, jetzt, wo das Adrenalin langsam verflog, meldete sich sein Gewissen. Aber die Dynamik der Gruppe zog ihn weiter.

 

Das Mädchen fror und aus ihrem geschändeten After rann Blut. Sie spürte nichts mehr. Ihr Herzschlag verlangsamte sich.

Hameau les Bouisses – Februar

Margeaux startete mit ihrer typischen Laufrunde in den Tag, den zufriedenen Dackel mit seinen fliegenden Ohren im Schlepptau. Hilde, die es sich nicht nehmen ließ, jeden Morgen geschäftig im Haus zu werkeln, bereitete derweil das Frühstück zu, und später würde Margeaux noch einige Berichte zu ihren Observierungen schreiben. Zudem hatte sie ihrem Vater versprochen, das Lammrezept in Worte zu fassen, damit sie es reproduzieren konnten. Die Luft war frisch und klar, die Sonne schien mild, und der Himmel strahlte blau. Margeaux strahlte ebenfalls.

Ihre Nacht mit Thierry war überwältigend gewesen. Er war ein leidenschaftlicher, wunderbarer und standhafter Liebhaber. Sie genoss jeden Moment mit ihm.

Zurück am Haus saß sie noch einen Moment auf den Stufen und dachte über ihr Leben nach. Die kurze Laufhose rutschte nach oben, und die Narbe auf ihrem Oberschenkel wurde sichtbar. Sie hatte einige Wochen gebraucht, bis das Bein wieder belastbar gewesen war und sie sich von dem Übergriff auch psychisch wieder erholt hatte. Im September des vergangenen Jahres war es dann so weit gewesen. Sie war zu ihrer ersten Laufrunde aufgebrochen. Sie hatte Willi damals zu Hause gelassen, nicht nur weil sie sich erst einmal ganz auf sich selbst konzentrieren wollte, sondern auch weil gerade die Jagdsaison begonnen hatte. In der Provence war das, vor allem an den Wochenenden, für die Einheimischen ein sicheres Zeichen, im Haus zu bleiben. Jeder Depp konnte mit einer Waffe in der Hand durch die Campagne rennen! Viele Freunde oder Familienmitglieder trafen sich dann bis an die Zähne bewaffnet und schossen auf alles, was sich bewegte. Einige Jahre zuvor hatte jemand die schwarze Stute ihres Nachbarn angeschossen und war, ohne sich zu melden, verschwunden. Michel und seine Frau Suzette waren durch das schrille Schreien des Pferdes aufmerksam geworden, und der schnellen Hilfe des Tierarztes aus Bulbon war es zu verdanken gewesen, dass die Stute überlebt hatte. Seitdem waren alle Bewohner der Montagnette noch vorsichtiger.