Psychoanalytisch-interaktionelle Therapie struktureller Störungen - Ulrich Streeck - E-Book

Psychoanalytisch-interaktionelle Therapie struktureller Störungen E-Book

Ulrich Streeck

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Beschreibung

Patientinnen und Patienten mit strukturellen Störungen sind vor allem mit gravierenden Problemen konfrontiert, sich selbst zu regulieren sowie ihre zwischenmenschlichen Beziehungen zu gestalten und aufrechtzuerhalten. Sie sind damit von sozialer Isolation bedroht oder durch massive Beziehungsprobleme belastet. Dies erhöht das Risiko von psychischen und körperlichen Folgeproblemen. In der Regel ist ein therapeutischer Zugang durch die klassische psychoanalytische Technik nicht oder nur sehr begrenzt möglich. Der therapeutische Blick richtet sich in der psychoanalytisch-interaktionellen Therapie über den Tellerrand individueller unbewusster psychischer Dispositionen hinaus vorrangig auf die unbewusste Beziehungs- und Interaktionsdynamik. Ulrich Streeck baut auf einer reichen klinischen Erfahrung auf und hebt die Besonderheiten dieser Behandlungsmethode überzeugend hervor.

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Herausgegeben vonFranz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Ulrich Streeck

Psychoanalytisch-interaktionelle Therapiestruktureller Störungen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

© 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,Theaterstraße 13, D-37073 GöttingenAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Paul Klee, Entwurf für einen Mantel, 1931/akg-images

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-647-90095-7

Inhalt

Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

1 Vorbemerkungen: Interaktion und Interpersonalität im Fokus

2 »Durch die nämliche Technik zu erledigen«?

3 Strukturelle Störungen

3.1 Struktur und psychische Funktionen

3.2 Strukturelle Störungen und schwere Persönlichkeitsstörungen

3.3 Beeinträchtigungen psychischer Funktionen – strukturell verankert oder konfliktbedingt?

3.4 Klinische Erscheinungsbilder struktureller Störungen

4 Verinnerlichte Beziehungserfahrungen und prozedurales Beziehungswissen

4.1 Brauchen Psychotherapeuten Kenntnisse über soziale Interaktion?

4.2 Was Psychotherapie ist und was der Psychotherapeut tut, zeigt ihm sein Patient

4.3 Körperliches Verhalten – Botschaften aus dem seelischen Binnenraum?

5 Psychotherapie nahe am sozialen Alltagsleben: Die psychoanalytisch-interaktionelle Arbeitsweise

5.1 Zwischen Patient und Psychotherapeut

5.2 Zur Haltung des Psychotherapeuten

5.3 Aktivität des Psychotherapeuten

5.4 Den Patienten zu akzeptieren bedeutet keineswegs, nur freundliche Gefühle zu haben

5.5 Der Patient spricht über Beziehungen

6 Wie »körperliches Wissen« therapeutisch erreicht werden kann

6.1 Soziale Resonanz und »Antworten« des Psychotherapeuten

6.2 Gegenübertragung und abgestimmte »Antworten«

6.3 Authentisch, aber selektiv

7 Interpersonelle Beziehungen und Verhaltenserwartungen in der Gruppe

8 »Der Mensch erkennt sich nur im Menschen …«

Literatur

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.

Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 70 bis 80 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.

–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.

–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.

–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.

–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Soziale Arbeit, Arbeit mit Geflüchteten und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Familien, Gruppen, Eltern-Säuglings-Kleinkind-Psychotherapie.

–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorwort zum Band

Patientinnen und Patienten mit strukturellen Störungen, die oft mit gravierenden Problemen der Selbstregulation und der Beziehungsregulation konfrontiert sind, entziehen sich in der Regel einem therapeutischen Zugang durch die klassische psychoanalytische Technik. Sie haben Probleme, zu anderen Menschen eine ausreichend stabile und vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, und sind damit entweder von sozialer Isolation bedroht oder durch massive Beziehungsprobleme belastet. Dies erhöht das Risiko von psychischen und körperlichen Folgeproblemen. Die psychoanalytisch-interaktionelle Therapie stellt die interpersonellen Störungen in den Mittelpunkt ihrer Vorgehensweise. Psychoanalytische Traditionen werden dabei mit den Erkenntnissen der Mikrosoziologie verknüpft.

Die Anfänge der Methode gehen auf Heigl-Evers und Heigl zurück, die im Rahmen der stationären Psychotherapie erkannten, dass ihre schwer beeinträchtigten Patienten von der klassischen Psychoanalyse nicht erreicht wurden. So kristallisierte sich schließlich die psychoanalytisch-interaktionelle Methode für Patienten mit schweren strukturellen Störungen heraus. Sie wird als Einzel- und Gruppentherapiemethode konzeptualisiert.

Der Autor baut auf eine reiche klinische Erfahrung auf und hebt die Besonderheiten dieser Behandlungsmethode überzeugend hervor. Ein Kapitel über strukturelle Störungen dient der Begriffsklärung, wobei die Definition von psychischer Struktur nach Rudolf gewählt wird. Die psychische Struktur ist ein Konstrukt, dem beobachtbare psychische Funktionen zugrunde liegen. Die Beschreibung struktureller Störungen mit Fallbeispielen macht nicht nur den Unterschied zwischen Konfliktdynamik und struktureller Bedingtheit von Symptomen deutlich, sondern zeigt die klinisch wichtige Tatsache auf, dass strukturelle Störungen in manchen Umwelten auch ausgeglichen werden können und erst beispielsweise nach einem notwendigen Entwicklungsschritt in ein anderes Lebensmilieu zum Ausdruck kommen können, ohne dass die Umweltbedingungen die Symptome im engeren Sinne verursacht haben. Deutlich wird, dass Patientinnen und Patienten mit strukturellen Störungen in ihrem Lebensalltag massiv beeinträchtigt sind – und therapeutischer Hilfe bedürfen.

Ein eigenes Kapitel widmet sich dem Beziehungswissen und den implizit »verkörperlichten« Beziehungserfahrungen. Diese Erkenntnisse führen zur Überlegung, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ein Verständnis für soziale Interaktion benötigen, denn beide Interaktionspartner lesen auch das Verhalten des jeweils anderen aus den nonverbalen Interaktionen, indem der Ausdruck des einen zum Eindruck für den anderen wird – und vice versa. »Was der Psychotherapeut tut, zeigt ihm sein Patient.«

Kapitel 5 beschreibt die psychoanalytisch-interaktionelle Arbeitsweise als auf soziales Alltagsleben bezogen. Wichtige praktische Hinweise und Fallvignetten bereichern den Text. Schließlich geht es auch darum, wie »körperliches Wissen« therapeutisch erreicht werden kann. So können therapeutische Intentionen die interpersonellen Aspekte im Verhalten des Patienten aufgreifen, um schließlich das implizite leibgebundene und kultur- oder milieuvermittelte Beziehungswissen des Patienten zu erreichen und zu verändern.

Ein klar und gut lesbar geschriebenes Buch, das den therapeutischen Horizont zu erweitern vermag.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

1 Vorbemerkungen: Interaktion und Interpersonalität im Fokus

Die psychoanalytisch-interaktionelle Therapie wurde für die Behandlung von Patienten mit strukturellen Störungen aus der Psychoanalyse entwickelt. Strukturelle Störungen zeigen sich vor allem in den oft gravierenden Problemen, die die Patientinnen und Patienten damit haben, sich selbst zu regulieren und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen zu gestalten und aufrechtzuerhalten. Ausreichend stabile und vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen sind von großer Bedeutung für die seelische und für die körperliche Gesundheit. Unfreiwillig sozial isoliert zu sein oder mit hochgradig gestörten und instabilen Beziehungen zu leben, geht mit einem ungleich höheren Risiko einher, nicht nur psychisch, sondern auch körperlich krank zu werden (vgl. Egle et al., 2016). Im Vergleich zu Personen mit stabilen interpersonellen Beziehungen ist zudem die Lebenserwartung signifikant verkürzt. Darum stehen in der psychoanalytisch-interaktionellen Therapie die Probleme der Patienten mit anderen und anderer mit ihnen, interpersonelle Störungen oder »Störungen des Sozialen« (Sullivan, 1980; vgl. Möller, Laux u. Deister, 1996), abgesehen von den Problemen in der Beziehung zu sich selbst, im Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Bedingungen und Umstände es sind, die das Zusammensein der Patienten mit anderen dermaßen belasten und beeinträchtigen. Was geschieht zwischen den Patienten und anderen Menschen, sodass nähere Beziehungen gemieden werden, Konflikte leicht eskalieren und Beziehungen immer wieder scheitern oder gar in Katastrophen münden? Um das zu beantworten und im Weiteren möglichst hilfreiche Mittel und Wege zu finden, die den Betroffenen dazu verhelfen, in ausreichend befriedigender Weise am sozialen Leben teilzunehmen, genügt es nicht, den Blick allein auf ihre psychische Verfassung zu richten. Das Augenmerk muss darüber hinaus dem gelten, was sich zwischen dem Patienten und anderen abspielt. Der Therapeut muss seine Aufmerksamkeit auch dem jeweiligen interpersonellen Geschehen widmen: Wie gehen der Patient und die Personen in seinem sozialen Umfeld miteinander um? Wie regulieren sie ihre Beziehungen? Auf welche kommunikativen Mittel stützen sie sich dabei? Wie zeigen sie sich wechselseitig, dass sie und wie sie einander verstehen? Wie antwortet der eine, nachdem der andere zuvor dieses oder jenes getan oder gesagt hat? Meist sind die beteiligten Personen nicht in der Lage, diese Fragen zu beantworten. Ebenso ist ihnen in der Regel auch nicht bewusst, was eigentlich dazu führt, dass es immer wieder zu den Problemen in interpersonellen Beziehungen kommt, und welche Rolle dabei die Mittel und Methoden spielen, mit deren Hilfe sie das jeweilige Beziehungsgeschehen regulieren und gestalten.

Diese unbewusste Beziehungs- und Interaktionsdynamik steht im Folgenden im Mittelpunkt. Der Blick richtet sich über den Tellerrand individueller unbewusster psychischer Dispositionen hinaus auf interaktives und interpersonelles Geschehen sowie auf die vielfältigen, insbesondere auch körperlichen oder leiblichen Mittel, denen wichtige Funktionen für die nicht bewusste Abwicklung zwischenmenschlicher Begegnungen und Beziehungen zukommen.