Qualität in Pfarreien - Thomas Wienhardt - E-Book

Qualität in Pfarreien E-Book

Thomas Wienhardt

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Beschreibung

Kirche hat einen Auftrag. Sie soll das Licht Christi in der Welt wahrnehmbar machen (LG 1). Woran machen wir aber fest, dass die Pfarreien diesen Auftrag erfüllen? Wie muss die Pastoral in den Pfarreien gestaltet werden, um der gewünschten Wirkung möglichst nahezukommen? Pfarreien unterscheiden sich in Vorgehensweise und Wirkung. Der Autor erarbeitet Qualitätskriterien für Pfarreien, um pastorales Handeln zukunftsfähig zu gestalten. Er bietet ein Qualitätsmodell für die Pastoral an und zeigt auf, welches Gewicht die einzelnen Handlungsansätze entfalten. Die Mitarbeitenden vor Ort können sich daran gerade bei Veränderungsprozessen und in Zeiten gesellschaftlichen Wandels orientieren. In Literatur und in Interviews angebotene Kriterien wurden in einer Erhebung unter 397 Pfarreien aus dem deutschsprachigen Raum mit 1711 befragten Personen überprüft.

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Thomas Wienhardt

Qualität in Pfarreien

Herausgegeben vonProf. Dr. Matthias Sellmannund Dr. Martin Pott

AngewandtePastoralforschung

03

Thomas Wienhardt

Qualität in Pfarreien

Kriterien für einewirkungsvolle Pastoral

echter

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.

©2017 Echter Verlag GmbH, Würzburgwww.echter.de

Umschlaggestaltung Peter Hellmund

ISBN 978-3-429-03980-6 (Print)ISBN 978-3-429-04887-7 (PDF)ISBN 978-3-429-06298-9 (ePub)

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Hinführung

1 Grundlegung: Kirche und Qualität

1.1 Die Kirche und ihr Auftrag

1.1.1 Kirche als Sakrament

1.1.2 Der Auftrag

1.1.3 Volk Gottes und Communio

1.1.4 Grundeigenschaften (notae ecclesiae) und Grundvollzüge

1.1.5 Sakrament des Geistes - Kirche und Welt

1.1.6 Grundgestalten von Kirche

1.1.7 Gemeinsames und besonderes Priestertum

1.1.8 Zusammenfassung - Damit Kirche wirkt

1.2 Das methodische Raster: EFQM

1.2.1 Qualitätsmanagement - ein Überblick

1.2.2 Das EFQM-Modell für Excellence

1.2.3 Kann TQM auf Kirche vor Ort angewandt werden?

1.2.4 Anwendung

2 Wirk- und Handlungskriterien für die Entwicklung von Pfarreien

2.1 Kriterien der Situationsbeschreibung

2.1.1 Die (Post-)Modernisierung der Gesellschaft

2.1.2 Indikatoren der Wirksamkeit

2.1.3 Zusammenfassung

2.2 Lehramtliche Aussagen

2.2.1 Ergebniskriterien

2.2.2 Handlungskriterien

2.2.2.1 Leitung

2.2.2.2 Mitarbeitende

2.2.2.3 Pastorale Planung

2.1.2.4 Partnerschaften und Ressourcen

2.2.2.5 Pastorale Prozesse und Dienste

2.3 Gemeindetheologische Grundmodelle

2.3.1 Gemeindemodelle

2.3.2 Pastoralpläne, Umstrukturierungen und ihre Empfehlungen

2.3.3 Ergänzender Blickwinkel: Kleine Christliche Gemeinschaften

2.3.4 Überblick

2.4 Pastoral-relevante Beratungsliteratur

2.4.1 Ergebniskriterien

2.4.2 Handlungskriterien

2.4.2.1 Leitung

2.4.2.2 Mitarbeitende

2.4.2.3 Pastorale Planung

2.4.2.4 Partnerschaften und Ressourcen

2.4.2.5 Pastorale Prozesse und Dienste

2.5 Weitere Ansätze

2.5.1 Qualitätsentwicklung in derverbandlichen Caritas und in der KTK

2.5.1.1 Caritas

2.5.1.2 Der Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK)

2.5.2 Qualität in der Seelsorge

2.5.2.1 Qualität in der Seelsorge – Evangelische Kirche im Rheinland

2.5.2.2 Qualität in der Seelsorge – Pastoralkommission Österreichs

2.5.3 Die Gemeindewachstumsbewegung

2.5.4 Die Natürliche Gemeindeentwicklung

2.5.5 Erkenntnisse aus dem National Church Life Survey (NCLS) Australien

3 Expertenbefragung – die Sichtweise der pastoral Handelnden

3.1 Qualitative Interviews

3.2 Was ist „gut“? – Ergebniskriterien

3.2.1 Mitarbeiterbezogene Ergebnisse

3.2.2 Gesellschaftsbezogene Ergebnisse

3.2.3 Mitgliederbezogene Ergebnisse

3.2.4 Institutionelle Ergebnisse

3.3 Wie geht „gut“ sein? – Befähigerkriterien

3.3.1 Leitung

3.3.2 Mitarbeitende

3.3.3 Pastorale Planung

3.3.4 Partnerschaften und Ressourcen

3.3.5 Pastorale Prozesse und Dienste

3.4 Zusammenfassung: eine Vielzahl an Blickwinkeln

4 Wie sehen wirkungsvolle territoriale Gemeinden aus?

4.1 Quantitative Erhebung – Fragebogenkonstruktion

4.1.1 Synopse der verschiedenen Wirkungs- und Handlungskriterien

4.1.2 Zusammenstellung des Fragebogens

4.2 Quantitative Erhebung – Ergebnisse

4.2.1 Überblick

4.2.2 Grundbausteine pastoralen Wirkens – typische Merkmale aus der Faktorenanalyse

4.2.2.1 Befähiger-Faktoren

4.2.2.2 Ergebnis-Faktoren

4.2.2.3 Rahmenbedingungen und weitere Ergebnisvariablen

4.2.3 Ähnliche Pfarreien und ihre Wirkmuster – Erkenntnisse aus der Clusteranalyse

4.2.3.1 Überblick

4.2.3.2 Die Cluster und ihre Befähigerfaktoren

4.2.4 Bewertung der Unterschiede zwischen den Clustern und die Bestimmtheit des Modells

5 Qualität in Pfarreien

5.1 Bisherige Vorgehensweise

5.2 Eine Masse an Kriterien und die Messbarkeit

5.3 Was machen erfolgreiche Pfarreien anders?

5.4 Ein Qualitätsmodell

5.5 Tradition und Moderne

5.6 Qualität in der Pastoral – theologische Voraussetzungen

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vorgehensweise

Abbildung 2: Schritt 1

Abbildung 3: EFQM-Kriterienmodell

Abbildung 4: Anteile an der Leistungserbringung

Abbildung 5: Pastorales Qualitätsmodell

Abbildung 6: Schritt 2a

Abbildung 7: Schritt 2b

Abbildung 8: Personengruppen

Abbildung 9: Familienstand

Abbildung 10: Altersverteilung

Abbildung 11: Milieu-Verteilung insgesamt

Abbildung 12: Führung: Persönlichkeitstypen

Abbildung 13: Rätestruktur im Mittel pro Cluster

Abbildung 14: Darstellung der Faktorwerte der Cluster

Abbildung 15: Anzahl der Pfarreien pro Cluster

Abbildung 16: Cluster 1 – Ergebnis-Faktoren

Abbildung 17: Cluster 1 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 18: Cluster 2 – Ergebnisfaktoren

Abbildung 19: Cluster 2 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 20: Cluster 3 – Ergebnisfaktoren

Abbildung 21: Cluster 3 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 22: Cluster 4 – Ergebnisfaktoren

Abbildung 23: Cluster 4 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 24: Cluster 5 – Ergebnisfaktoren

Abbildung 25: Cluster 5 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 26: Cluster 6 – Ergebnisfaktoren

Abbildung 27: Cluster 6 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 28: Cluster 7 – Ergebnisfaktoren

Abbildung 29: Cluster 7 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 30: Cluster 8 – Ergebnisfaktoren

Abbildung 31: Cluster 8 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 32: Cluster 9 – Ergebnisfaktoren

Abbildung 33: Cluster 9 – weitere Ergebnisvariablen (standardisiert)

Abbildung 34: Leitungsstil

Abbildung 35: Leit-Bilder

Abbildung 36: Sendung

Abbildung 37: Analyse

Abbildung 38: Ziele

Abbildung 39: Selbstverständnis

Abbildung 40: Bedeutung Ehrenamt

Abbildung 41: Kultur des Miteinanders

Abbildung 42: Spirituelle Haltungen

Abbildung 43: Formen der Pastoral

Abbildung 44: Gottesdienst-Gestaltung

Abbildung 45: Musik

Abbildung 46: Musik – Items

Abbildung 47: Musik – Detail

Abbildung 48: Kontinuität

Abbildung 49: Kontinuität – Items

Abbildung 50: Gewinnung von Ehrenamtlichen

Abbildung 51: Rätestruktur - Arbeitsstil

Abbildung 52: Gruppen - Arbeitsstil

Abbildung 53: Kontakte/Erstkontakte

Abbildung 54: Kontakte/Erstkontakte - ehrenamtlich

Abbildung 55: Pfarrbüro

Abbildung 56: Zusammenarbeit

Abbildung 57: Ressourcen

Abbildung 58: Einfluss Katholikenzahlen

Abbildung 59: Schritt 3

Abbildung 60: Differenzen zwischen Cluster 3 und 6

Abbildung 61: Ein pastorales Qualitätsmodell

Abbildung 62: Tradition und Moderne - Vergleich der Cluster

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Untersuchte Pfarreien je Land

Tabelle 2: Verteilung befragter Pfarreien auf die Bistümer

Tabelle 3: Befragte Hauptberuflicheje Land

Tabelle 4: Vergleich der Verteilung zur Bevölkerung in Deutschland

Tabelle 5: Befragte und Milieu-Verteilung

Tabelle 6: Milieuverteilung und Cluster

Tabelle 7: Pfarrei-Daten

Tabelle 8: Stadt - Land

Tabelle 9: Pfarrer

Tabelle 10: Pfarreien und Pfarrgemeinderatsmitglieder

Tabelle 11: Beschwerden und Pfarrei-Identität

Tabelle 12: Teilnahme- und Kirchgang-Häufigkeit

Tabelle 13: Teilnahme am Gottesdienst

Tabelle 14: Taufen, Trauungen, usw

Tabelle 15: Präsenz Kommunionkinder usw

Tabelle 16: Pastorales Gremium

Tabelle 17: Cluster 1

Tabelle 18: Cluster 2

Tabelle 19: Cluster 3

Tabelle 20: Cluster 4

Tabelle 21: Cluster 5

Tabelle 22: Cluster 6

Tabelle 23: Cluster 7

Tabelle 24: Cluster 8

Tabelle 25: Cluster 9

Tabelle 26: Führungstyp

Tabelle 27: Wie oft trifft sich das pastorale Gremium pro Jahr?

Tabelle 28: Umfang der Öffnungszeiten Pfarrbüro

Tabelle 29: Bestimmtheitsmaße

Tabelle 30: Ergebniskriterien (“Faktoren”)

Tabelle 31: Weitere Ergebniskriterien

Tabelle 32: Cluster 6 - Gewichte der Befähiger

Tabelle 33: Cluster 3 - Gewichte der Befähiger

Tabelle 34: Cluster 5 - Gewichte der Befähiger

Tabelle 35: Befähigerkriterien eines pastoralen Qualitätsmodells

Tabelle 36: Ergebniskriterien eines pastoralen Qualitätsmodells

Vorwort

Es handelt sich in dieser Studie um eine wissenschaftliche Arbeit. Methodisches Vorgehen und Herleitungen brauchen Raum. Ein Praktiker muss aber vieles davon nicht wissen.

Daher werden an dieser Stelle in knapper Weise zentrale Erkenntnisse zusammengefasst. Zugleich finden sich Verweise, wo man im Detail nachlesen kann. Zur erleichterten Bewegung durch das Buch dient auch eine wiederkehrende Abbildung (siehe Abbildung 1).

Wer sich mit Fragen der Herleitung und Methodik weniger beschäftigen möchte, für den sind v.a. die Kapitel 4 und 5 relevant.

1. Eine Masse an Kriterien und die Messbarkeita) Eine Vielfalt an KriterienWoran sollen sich Praktiker orientieren? Wer in einer Pfarrei engagiert ist, haupt- oder ehrenamtlich, braucht Kriterien, anhand derer das eigene Tun überprüft werden kann. Die Literatur bietet viele Kriterien an. Was die Praktiker selbst als Maßstäbe nutzen, sind u. U. ganz andere Kriterien. So kommen die Kirchgängerzahlen genauso so vor wie Begeisterung, Bekanntheit, Rückzug aus dem Pfarrgemeinderat, Abgrenzung gegenüber anderen Pfarreien, Kontaktqualität, Stimmung, positives Erleben, Auskunftsfähigkeit usw. In Literatur und Praxis werden unstrukturiert viele Kriterien angeboten, anhand derer überprüft werden kann, ob das Tun von Pfarreien wirkungsvoll ist. Diese Wirk-, oder auch Ergebniskriterien bleiben unbewertet nebeneinander stehen. Diskussionen über die Richtigkeit pastoraler Ansätze bleiben ebenfalls offen.Was für die Wirkkriterien gilt, gilt mindestens genauso für die Handlungsempfehlungen (anders gesagt für die „Befähigerkriterien“). Auch hier lässt sich eine Vielzahl solcher Handlungskriterien in der Literatur und im Gespräch mit Praktikern ausmachen. Aber es bleibt offen, was am Wichtigsten ist. Auch die Trennlinie zwischen beiden Kriterienarten (Ergebnis- und Befähiger-) erscheint immer wieder unscharf.Ein erstes Ergebnis ist demnach, dass es eine Vielzahl an Kriterien für die Pastoral gibt. In dieser Form bekommen die Pfarreien aber keine Orientierung für ihre Arbeit.

b) Wirkungen sind greifbarDurch die Kirche soll das Licht Christi spürbar werden. Kann das „gemessen“ werden? Das erscheint widersprüchlich. Andererseits kann das Licht Christi auch nicht ohne Wirkung sein. Die Menschen sollten dadurch in Bewegung kommen, z. B. indem sie sich Gott wieder zuwenden oder sich für die Nächsten einsetzen. Es gibt also Wirkungen, die sich zeigen und die man damit in Verbindung bringen kann, oder anders gesagt, es finden sich Indikatoren, mit denen die Wirkung pastoralen Handelns fassbar wird. Es sind nicht zwingend die Mengenangaben (z. B. die Anzahl der Firmlinge), die über ein positives Wirken einer Pfarrei Aufschluss geben. Denn auch das, was im Innern eines Menschen passiert, z. B. der Bezug zur Kirche oder die Verankerung im Glauben, sind relevante Wirkungen, um die es der Kirche geht. Damit richtet sich der Fokus auf die Frage: Was sind passende Indikatoren bzw. welche Kriterien gibt es, die die Wirkungen (indirekt) greifbar machen?Das Wirken von Kirche kann nicht nur aufgrund der Menge produzierter Veranstaltungen oder anhand der Anzahl von Firmlingen erfasst werden. Auch Kirchenbezug, Religiosität, christlicher Glaubensinhalt usw. spielen eine Rolle. Das Modell der IGC hilft, dies zu systematisieren. Es unterscheidet für diesen Zweck zwischen Outcome (Wirkung auf die Gesellschaft), Impact (subjektiv empfundene Wirkung), Effect (objektiv wahrnehmbare Wirkung) und Output (Menge an erbrachten Leistungen).Zugleich können vier relevante Stakeholder-Gruppen unterschieden werden. Die Idee dahinter ist, dass nicht für jeden Betrachter das gleiche Kriterium ausschlaggebend ist.Die Beurteilung von Wirkung kann nicht aus einem Kriterium heraus vorgenommen werden. Dieses Modell hilft die Wirkung von Pastoral in seiner Komplexität zu erfassen.

c) Zentrale BausteineDie empirische Erhebung unter nahezu 400 Pfarreien (mit über 1700 Fragebögen) ergibt wichtige Bausteine für pastorales Handeln und für die Beurteilung von Wirkung. Es fügen sich die vielen Items, die aus der Literatur und den Interviews zusammengestellt wurden, zu zentralen Faktoren zusammen. So kann z. B. der Führungsstil letztlich zwischen einem „Kommunikativen Teamworker“, „Unternehmerischen Mitarbeiterführer“, „Problemlösende kirchliche Autorität“, „Frommen Vorbild“, „Vorsichtigen Akteur“, usw. unterscheiden. Auf der Wirkungsebene kann z. B. im Bereich von Glaubensinhalten zwischen christlichen und neoreligiösen Inhalten oder auch humanistischen Sichtweisen unterschieden werden.

Ekklesiologische Grundlegung: Kapitel 1

Das Modell der IGC und zur Frage der Messbarkeit: Kapitel 1.2

Unbewertete Sammlung und Auflistung der in der Literatur und in den Köpfen der Praktiker angebotenen Kriterien: Kapitel 2 und 3

Eine Zusammenfassung angebotener Wirk- und Handlungskriterien: Kapitel 4.1 und Anhang 3

Zentrale Bausteine für Handlungs- und Wirk-Kriterien: Kapitel 4.2.2

2. Qualitätskriterien erfolgreicher Pfarreiena) Es gibt erfolgreiche Pfarreien!Die Studie zeigt, es gibt deutliche Unterschiede, wie Pfarreien wirken! Das Spektrum reicht von tief negativ bis sehr positiv. Das zeigen die Gruppen, in die sich die einzelnen Pfarreien nach deren Wirkung zuordnen lassen. Dabei kristallisieren sich insbesondere zwei positiv wirkende Pfarreitypen heraus - einer davon ist traditionell ausgerichtet, der eine gewisse Distanz zur Moderne aufweist, während der zweite Pfarreitypus einen breiten Milieu-Querschnitt integrieren kann.

b) Was machen erfolgreiche Pfarreien besser?Wenn man weiß, welche Pfarreien positiv wirken, kann man auch nachsehen, was sie wie tun und kann ggf. davon lernen. Anders gesagt lassen sich damit Ansatzpunkte für eine wirkungsvolle Pfarreiarbeit identifizieren. Dabei verhalten sich die Gestalter der wirkungsvollen Pfarreien insbesondere in den Bereichen Teamwork, Nutzerorientierung, Innovation bzw. zielorientiertes Arbeiten deutlich anders.Nimmt man all das bisher gesagte, lässt sich das in die Form eines Qualitätsmodells bringen. Dabei stellt das Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) eine Grundlage dar, das auch hier anwendbar erscheint. Übertragen und angepasst auf die Pastoral benennt es entsprechende Handlungsund Wirkkriterien (und zugehörige Voraussetzungen). Die Wirkkriterien geben den Bewertungsmaßstab vor. Die Handlungskriterien enthalten im Modell positive Ansätze. Werden diese beachtet, so ist es wahrscheinlich, dass die betrachtete Organisation langfristig auf einem guten Weg ist. Allerdings muss man dauerhaft am Ball bleiben und man kann nicht von einem Automatismus ausgehen.Die Ergebnisse werten die Qualität der Arbeit und zeigen somit auf, wo Weiterentwicklungspotential oder -notwendigkeiten bestehen. Das sollte dann zu kreativen Lernprozessen und ggf. innovativen Ansätzen führen.Es werden am Ende 26 übergeordnete Handlungskriterien angegeben, die positiv mit den Wirk-Bausteinen aus Kapitel 4.2.2 verknüpft sind und die in den Kapiteln 4.2.2 und 4.2.3 bereits detailreicher beschrieben sind.

Passung des Instruments EFQM: Kapitel 1.2

Pfarrei-Typen und ihr unter-schied-liches Vorgehen: Kapitel 4.2.3

Was nehmen erfolgreiche Pfarreien sehr ernst? Kapitel 5.2

Qualitätskriterien für Pfarreien: Kapitel 5.3

3. Tradition und Moderne sowie Theologie und ÖkonomieDiese Studie beschäftigt sich auch mit weiterführenden Fragen zum Verhältnis von traditionell und modern orientierten Pfarreien sowie von theologischem Auftrag der Pfarreien und Methoden wie Management oder Marketing. Auch die Frage, ob es in der Kirche „Erfolg“ geben kann, wird gestellt.Die Erhebung verweist erneut auf die Gleichzeitigkeit von traditionell und modern orientierten Pfarreien und verweist auf die Differenz in ihren Vorgehensweisen.Was die Studie auch deutlich macht: Der theologische Auftrag muss Instrumente wie des Managements normieren. D. h., Kirche muss entsprechende Vorgaben machen. Sie muss theologisch fundierte Maßstäbe vorgeben. Dazu können die identifizierten Wirkkriterien hilfreich sein.

Vgl. Kapitel 1.2, 5.2, 5.4, 5.5

Danke!

An dieser Stelle sei den vielen Unterstützerinnen gedankt, die es mir ermöglicht haben, über diejahre hinweg, diese Studie umzusetzen.

Der Diözese Augsburg, insbesondere Herrn Generalvikar Harald Heinrich für die zeitweise Freistellung wie auch für die Unterstützung bei der Studie und der Drucklegung. Herrn Prof. DDr. Paul-Michael Zulehner für die nachhaltige, stets positive und anregende Begleitung wie auch für die vielseitige organisatorische Unterstützung, Herrn Prof. Dr. Johann Pock für seine wichtigen Hinweise am Ende der Arbeit, Herrn Prof. Matthias Seilmann für die Unterstützung bei der Durchführung der Erhebung sowie bei der Veröffentlichung - in diesem Zusammenhang auch an seine damalige Mitarbeiterin Anna Heiliger, die mir organisatorisch bei der Befragung der Pfarreien zuarbeitete. Vielen Dank an all die anderen Unterstützer: Prof. Dr. August Laumer und Prof. Dr. Hildegard Wustmans für ihre positivkritischen Ergänzungen zum Text, Prof. Dr. Bernhard Spielberg für die Bewerbung der Studie, Prof. Dr. Klaus Kießling für seine Rückmeldungen auf den Fragebogen, Dr. Klara A. Csiszar vom Institut für Weltkirche und Mission für Ihre positiven Anmerkungen, Dr. Tobias Kläden und Dr. Hubertus Schönemann, KAMP, für deren Rückmeldungen und Hinweise, Dr. Ottmar John, DBK, für organisatorische Hinweise bei der Durchführung der Studie, Rudolf Schmid von der KEB Ingolstadt für die Vermittlung von Interviewpartnerinnen, sowie insbesondere Dr. Anne Stempel de Fallois aber auch Frau Monika Thaller für die umfangreiche Redaktionsarbeit. Ganz herzlich danke ich auch all den Mitarbeiterinnen in den Diözesen, die bereit waren, diese Studie mitzutragen und selbstverständlich allen Interviewpartnerinnen und Befragten, die sich auf die vielen Fragen einließen. Ein großer Dank geht an meine Familie, die dieses Projekt ermöglichte!

Ohne die vielen Unterstützer wäre diese Arbeit so nicht umsetzbar gewesen!

Hinführung

Die Situation in unseren Pfarreien ist momentan von vielen Herausforderungen geprägt. Trotzdem gibt es weiterhin viele engagierte Menschen, die sich mit Überzeugung für die Kirche vor Ort einsetzen. Einige können mit den Herausforderungen gut umgehen. Andere tun sich mit diesen Herausforderungen schwer.

Die Moderne bringt diese Herausforderungen für die Pfarreien bzw. Gemeinden vor Ort mit sich. Zwischen Tradition und Moderne muss fortwährend vermittelt werden. Das Tun der Kirche findet in der heutigen Gesellschaft statt, hier muss das Handeln greifen, hier muss sie den Menschen nahe sein. Damit geht ein erhöhter Orientierungsbedarf einher. Das machte Klostermann bereits 1981 aus: Es fühlen sich viele, die in der Pastoral tätig sind,

„hinsichtlich der Fruchtbarkeit und damit der Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit verunsichert (…).“1

Unterschiedliche Autoren unterstreichen das in ähnlicher Weise. Die Pastoral braucht verstärkt Orientierung. In Literatur und in der Praxis werden dazu eine Reihe von Hinweisen gegeben, aber

„eine Konkretisierung in überprüfbaren Daten und Fakten dagegen fehlt weitgehend.“2

Orientierung ist nötig. Dann erst kann die Wirkung pfarreilicher Arbeit beurteilt werden. In anderen Kontexten wird von Erfolg gesprochen. Allerdings ist Erfolg als Begriff pastoral bisher nicht verfügbar.3

„Als dringend ausbaubedürftig erweist sich das Feld der Wirkungs- und Erfolgsmessung kirchlicher Aktivitäten. Vermutlich gäbe es bereits ein jähes Erwachen, wenn man z.B. Gottesdienstbesucher danach befragen würde, was bei ihnen von einer Predigt ‘hängengeblieben’ ist oder wovon sie bei Kommunion bzw. Abendmahl erfüllt sind.“4

Wenn man nicht weiß, ob man sich mit dem eigenen Tun grundsätzlich in der richtigen, d. h. wirkungsvollsten Spur befindet, weil man für eine brauchbare Überprüfung keine sinnvollen Kriterien zur Verfügung hat, dann kann man die Orientierung verlieren. Mitarbeitenden fehlt ein solcher unterstützender Kompass, der solche Kriterien anbietet, um die Wirkung des eigenen Handelns zu überprüfen. Gerade für die hauptberuflich in der Pastoral Engagierten besteht immer mehr die Gefahr, in eine Situation zu kommen, die entweder die Motivation nimmt oder sogar krankmachende Effekte zeigt. Das machen z. B. die folgenden zwei Zitate deutlich:

„Für die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergibt sich aus dieser Situation eine Rollenunsicherheit und häufig bei den ‘Hauptberuflichen’ auch eine Berufsunzufriedenheit, die sich im Gefühl von Überforderung und oft auch in entsprechenden aggressiven oder depressiven Reaktionen äußert. Sie werden noch verstärkt durch die weltweit und hierzulande spürbare Umorientierung und Unsicherheit, wie sich der zeitgemäße Dienst der Kirche an und in der Welt vollzieht.“5

„Die kirchliche Lage in unseren Ländern ist sehr zwiespältig; die Stimmung - z. T. gerade beim kirchlichen Personal - ist über weite Strecken sehr gedrückt und missmutig. Ich erlebe bei manchen, wie Kirche krankmachend wirkt.“6

Es lassen sich verschiedene Ursachen ausmachen. Ein wichtiger Punkt wird von Papst Franziskus darin gesehen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedenen Versuchungen (z.B. Pessimismus, Rückzug ins Private, Konflikte, Anerkennungssucht) erliegen (EG 78-109, 266). Andere verweisen auf Ursachen, die sie auf die Art der Ausbildung zurückführen:

„Die Unfähigkeit von vielen akademisch ausgebildeten Theologen, ergebnisorientiert Sitzungen durchzuführen, ihre Gemeindearbeit effektiv zu planen und ihre Planung entsprechend umzusetzen, hat etwas mit der Art und Weise zu tun, wie sie ausgebildet worden sind.“7

Hinzu kommen Rollenveränderungen, die beim Eintritt in das Tätigkeitsfeld so nicht vorgesehen oder gewünscht waren. Gerade die Rolle des Priesters in den Pfarreien hat sich gewandelt. „Vom Seelsorger zum Manager“ ist ein oft gehörter Slogan. Das gilt nicht nur für die katholische, sondern auch für die evangelische Kirche in Deutschland:

„In der Gemeinde besteht ein Großteil der Tätigkeiten von Pfarrerinnen und Pfarrern offensichtlich aus Management. Wenn sie das schon machen müssen, sollten sie dafür auch ausgebildet sein. Damit sie sich dann aber nicht in vielerlei verlieren, bedarf es der Mühe um eine geistliche Identität. Geschieht hier nicht eine Verortung des Engagements, werden Pfarrerinnen und Pfarrer den großen Spielraum ihrer Tätigkeit zufällig und beliebig füllen.“8

Das kann zu einer Überforderung der Einzelnen führen.

„Schließlich leiden Pfarrer wie Manager unter der Zumutung der Allzuständigkeit. Beide sind letztlich für alle Belange des Unternehmens zuständig, sind Krisenmanager, Repräsentanten nach außen, verantwortlich für die Betriebsorganisation und das Betriebsklima und müssen auch zahlreiche repräsentative Verpflichtungen wahrnehmen.“9

Die Situation ist noch ein Stück komplexer. So kommen z. B. die Laiengremien und deren Gestaltungspotential bzw. -qualität in den Blick, das an vielen Stellen nicht ausreichend erscheint:

„Was (…) als relativ einfach beschrieben wurde, scheitert in der Praxis jedoch daran, daß Pfarrgemeinderäte, die vorrangig ein solches Leitungsorgan für die Pfarrgemeinde bilden könnten, sich nicht in der Lage fühlen oder fähig und bereit sind, eine solche Leitungsfunktion zu übernehmen.“10

Kirche wird mehr als Struktur wahrgenommen, die v. a. verwaltet und zu wenig nah bei den Menschen ist. Dazu nochmals Papst Franziskus:

„Außerdem müssen wir zugeben, dass, wenn ein Teil unserer Getauften die eigene Zugehörigkeit zur Kirche nicht empfindet, das auch manchen Strukturen und einem wenig aufnahmebereiten Klima in einigen unserer Pfarreien und Gemeinden zuzuschreiben ist oder einem bürokratischen Verhalten, mit dem auf die einfachen oder auch komplexen Probleme des Lebens unserer Völker geantwortet wird. Vielerorts besteht eine Vorherrschaft des administrativen Aspekts vor dem seelsorglichen sowie eine Sakramentalisierung ohne andere Formen der Evangelisierung.“ (EG 63)

Das Ziel

Für die Arbeit in den Pfarreien gibt viele Herausforderungen und Hürden. In dieser „stürmischen“ Zeit wäre es sehr wünschenswert, das eigene Tun besser einschätzen zu können und ggf. alternative Handlungsprioritäten genannt zu bekommen. Das eigene Tun braucht Orientierung.

Es stellen sich also die folgenden Fragen: Was heißt wirkungsvolle Pfarreiarbeit? Kann man die Ergebnisse pastoralen Handelns erfassen und wenn ja, wie? Wie wird pastorales Handeln in der Pfarrei möglichst wirkungsvoll? Welche Kriterien gibt es, an denen sich Mitarbeitende orientieren können, um so die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns abzuschätzen?

Damit richtet sich der Blick auf die Wirkungen pastoralen Handelns und zugleich auf die Frage, was in der Pastoral verändert werden muss, damit diese Wirkungen möglichst positiv ausfallen. Es braucht eine Art Kompass, mit Hilfe dessen das eigene Tun Orientierung findet, ob man grundsätzlich auf dem richtigen Weg ist, auch wenn man vielleicht Umwege gehen muss oder sich die erhofften Wirkungen momentan nicht einstellen. Manche Ursachen, die gesellschaftlich bedingt sind, wie z. B. die demographische Entwicklung, können gar nicht beeinflusst werden, wohl aber die Qualität des eigenen Tuns. So gehen im Falle der jugendpastoral die Zahlen insgesamt zurück, was z. T. am demographischen Effekt liegt. Aber eine andere Ursache kann u. U. in der Qualität pastoralen Handelns zu finden sein. Diese Ursache müsste dann dringend bearbeitet werden. Aber dazu braucht es dann Qualitätskriterien, die deutlich machen, welcher Handlungsansatz hilfreich ist und daher verfolgt werden sollte.

Es braucht also ein Herangehen, das die Wirkungen pastoralen Handelns greifbar macht und zugleich darüber informiert, welches Tun mit welchen Wirkungen in Verbindung steht und daher auch gefördert werden müsste. Gerade die Frage nach den relevanten Wirkungen erscheint schwierig: Welche Wirkungen sollten in den Blick genommen werden? Sind es die Kirchgängerzahlen? Oder sollte man sich an Austritten oder Eintritten orientieren? Müsste man nicht eigentlich den inneren Glauben der Menschen irgendwie eruieren? Ist es überhaupt möglich, Wirkungen kirchlichen Tuns zu erfassen? Erst wenn die Frage geklärt ist, ob und wie Wirkungen in der Pastoral fassbar sind, kann auch darüber gesprochen werden, was Handlungsempfehlungen sein können.

Insbesondere für die Gestalter der Pastoral wäre es hilfreich zu wissen, wo man ansetzen müsste, damit Pastoral vor Ort möglichst wirksam ist. Eine spannende, aber zugleich schwierig zu erhaltende Information. Denn nach der Frage, ob „Erfolg“ überhaupt erfassbar ist, stellt sich gleich die Frage, wie das genau gehen könnte. Dazu ist bisher wenig spezialisierte Forschung vorhanden. Diese Arbeit möchte daher eine „Schneise schlagen“, die für nachfolgende Diskussionen eine Orientierung sein kann. Das Ziel der nachfolgend beschriebenen Forschungsarbeit ist es also, die Wirkungen der Pastoral und das Handeln in der Pastoral systematisch greifbar zu machen und miteinander so zu verknüpfen, dass die Handelnden für ihr Tun Kriterien und damit Orientierung erhalten.

Das Vorgehen

Im Hauptteil dieser Arbeit werden die drei folgenden Fragen gestellt und beantwortet:

1. Welche Wirkungskriterien und Handlungsansätze können ausgemacht werden? Dazu wird auf lehramtliche und pastoraltheologische Veröffentlichungen zurückgegriffen, ergänzt durch die Sichtweisen von 18 Interviewpartnern.

2. Welche Wirkungskriterien sind hilfreich und welche Handlungsansätze sollten im gemeindlichen Alltag verfolgt werden? Dem dient eine empirische Befragung. Insgesamt waren Fragebögen von 397 Pfarreien11 und, damit verbunden, 1711 Personen auswertbar.

3. Welche Qualitätskriterien zeigen sich somit für die Arbeit in den Pfarreien? Am Ende der Arbeit werden Handlungskriterien benannt, die für die Gestaltung der Pastoral vor Ort von Nutzen sind.

Bevor allerdings auf Wirkungs- und Handlungskriterien geschaut werden kann, muss in einem Grundlagen-Teil (Kapitel 1) zunächst die Voraussetzung kirchlichen Handelns betrachtet werden. Was macht Kirche aus? Was ist ihr Selbstverständnis? Was ist ihr Auftrag? Das ist unbedingte Voraussetzung, um auf Wirkungsweisen und in der Folge auf Handlungskriterien zu blicken.

Die Vorgehensweise der nachfolgenden Teile benötigt einen methodischen Rückgriff auf ein vorhandenes Instrument, um die Fragestellungen systematisch und belastbar begründet auszurichten. Es wird auf das Instrument der Qualitätsentwicklung zurückgegriffen, so wie es im sogenannten „Total Quality Management“ (TQM) mit dem Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) entwickelt wurde. Allerdings ist dieses Instrument ursprünglich für Unternehmen entwickelt worden. Das stellt eine gewisse Hürde dar. Einerseits muss geklärt werden, inwieweit es überhaupt im kirchlichen Kontext angewandt werden kann. Das geschieht in einem eigenen Teil vor dem eigentlichen Hauptteil. Andererseits kann das Instrument nicht „eins zu eins“ angewandt werden, sondern es braucht eine Übertragung auf den pastoralen Kontext. D. h., das Instrument dient zunächst einer systematischen Sortierung, die inhaltliche Füllung muss aber letztlich für den gedachten Anwendungskontext erst noch vorgenommen werden (vgl. Kapitel 5) - und zwar gemäß des Auftrags, den Kirche wahrnimmt. Der Auftrag modifiziert die Anwendbarkeit.

In Kapitel 2 wird zunächst auf die Analyse der Situation geschaut. Dieses Teilkapitel dient einem zweifachen Zweck. Einerseits wird damit nochmals deutlich, wo momentan Orientierungsbedarf besteht. Es stellt also eine knappe Situationsanalyse im Überblick dar. Andererseits geht es hier v. a. um die Wirkungskriterien, die dort Anwendung finden. Denn eine Situationsanalyse beinhaltet auch Wirkungskriterien, die die Situation beurteilbar machen. Es schließt sich der Blick in die Literatur an. Sowohl lehramtliche wie auch pastoraltheologische Literatur und angrenzende Ansätze werden befragt, welche Handlungsleitlinien empfohlen und welche Wirkkriterien angegeben werden. Es folgt der Blick in die Gedankenwelt der mit der Pfarreiarbeit Verwobenen. In Interviews geben die Pastoralpraktiker ihre Verständnisse, Herangehensweisen und damit impliziten Ansätze wieder.

All das fließt in einen Fragebogen ein, der in Pfarreien vor Ort zum Einsatz kam. Auf diese Weise konnte eine Gruppe gut wirkender Pfarrgemeinden identifiziert werden, die mit Hilfe des Fragebogens dann auch Auskunft gibt, wie deren Pfarreien die Pastoral vor Ort gestalten.

Auf diese Weise kann am Ende ein Ansatz für ein Qualitätsmodell entworfen werden, das eine erste Orientierung zur Gestaltung einer wirkungsvollen Gemeindearbeit liefert.

Der Blickwinkel wird auf Pfarreien12 beschränkt. Es braucht eine Fokussierung, um methodisch vernünftig auf einen Gegenstand zugreifen zu können. Schließlich nutzt das Qualitätsmodell den Pfarrgemeinden. Es werden sich für sie einige Handlungskriterien zeigen, die offenbar deutlich bessere Wirkungen als andere hervorbringen.

Die Vorgehensweise stellt sich also folgendermaßen dar:

Abbildung 1: Vorgehensweise

Um die Gedanken vom Eingang nochmals aufzunehmen: Die Chance einer Qualitätsbetrachtung kann z. B. darin liegen, dass Mitarbeitende mehr Potential für das eigene Handeln gewinnen. Dazu gehört, dass echte Würdigung stattfinden kann oder dass Mitarbeitende vor Überforderung geschützt bzw. ihre Motivationen erhalten werden können. Das geistliche Leben kann wieder genügend Raum entfalten. Außerdem passiert Verständigung über gelungene Vorgehensweisen, wovon alle profitieren können.13

Noch eine Nachbemerkung: Sollte darauf verzichtet worden sein, die weibliche wie männliche Form zu verwenden, so ist grundsätzlich beides mitbedacht worden. „Mitarbeiter“ meint dann auch die Mitarbeiterinnen.

1 Klostermann (1981), S. 49

2 Schaller(2000),S.250

3 Vgl.Tetzlaff(2005),S.123

4 Raffée(1995),S.172

5 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.) (1995), S. 8

6 Karrer (2001b), S.119

7 Abromeit(2001),S.16

8 Abromeit(2001),S.ll

9 Abromeit(2001),S.13

10 Vögele (1998), S.219

11 Vereinzelt finden sich auch Kirchorte in der Stichprobe, also eine Strukturebene innerhalb einer Pfarrei, die sich um eine Kirche in der Pfarrei organisiert und meistens über einen eigenen Ortsausschuss verfügt, der in einem Pfarrei-Gremium vertreten ist.

12 Vereinzelt auch Kirchorte als eine Strukturebene innerhalb einer (großen) Pfarrei.

13 Vgl. Latzel (2010), S. 107-110

1 Grundlegung: Kirche und Qualität

Im ersten Abschnitt der Grundlegung wird auf den Auftrag von Kirche eingegangen, der sich seit dem II. Vatikanischen Konzil mit dem Begriff Sakrament verbindet.

Abbildung 2: Schritt 1

Im zweiten Teil der Grundlegung wird ein Instrument eingeführt, das nachfolgend zur Anwendung kommen soll, um das weitere Vorgehen zu strukturieren. Dieses Instrument hat seinen Urspurng in einem anderen Kontext, wird aber bereits in einigen Handlungsfeldern der katholischen Kirche zum Einsatz gebracht. Es ist also naheliegend, darauf zuzugreifen. Neben einer Erläuterung und Einführung soll es auch um eine theologische Fundierung gehen.

1.1 Die Kirche und ihr Auftrag

1.1.1 Kirche als Sakrament

Kirche ist durchaus greifbar. In das Gebäude „Kirche“ kann jeder hineingehen . Man erhält einen Eindruck von dem, was Kirche sein soll, der je nach Baustil variiert. Je nach persönlichen Geschmack spricht der jeweilige Stil mehr oder weniger an.

Kirche ist auch in einem anderen Sinne greifbar. Es sind die Bilder, die über die Medien vermittelt werden. Man bekommt Amtsträger zu Gesicht oder in aktuellen Serien Klosterschwestern, mit denen man erfundene Geschichten miterleben kann. Und es sind offizielle Vertreter der Kirche vor Ort, mit denen man bei der Feier von Sakramenten oder auch bei einer Beerdigung in Kontakt kommt. Aus der Kirche können Menschen ein- aber auch austreten.

Kirche ist greifbar. Für ethische Kommissionen sind Kirchenvertreterinnen wichtige, kritisch-reflektierte Mitarbeiterinnen. Für die Entwicklungszusammenarbeit zeigt sich ein großes weltweites Netzwerk an kirchlichen Strukturen. Auch gesellschaftspolitisch ist die kirchliche Struktur territorial wie auch z. B. mit Verbänden sehr breit aufgestellt. Allein die Caritas entfaltet ein großes Gewicht, das die Gesellschaft mit gestaltet.

Kirche ist sichtbar. Sie ist da, sie agiert und wirkt, und das schon seit langer Zeit. Es gibt ein einheitliches „Gewand“, das sie erkennbar macht. Es gibt Regeln, nach denen das Miteinander intern funktioniert, Positionen und Aufgaben sind ebenfalls auszumachen. Kirche hat einen Auftrag und damit eine Mission, für die sie steht und die sie erfüllen möchte. Man kann also soziologisch festhalten, dass Kirche eine Institution unserer Gesellschaft darstellt.

Unter dieser Perspektive unterscheidet sich Kirche nicht von anderen Institutionen. Nur Auftrag und spezifisches Tun unterscheidet sie.

„Auf analoge Weise läßt sich dieses Institutionsverständnis auch auf die Kirche übertragen. Die Kirche zeigt sich in ihrem institutionellen Charakter soziologisch dort am deutlichsten, wo ihre geschichtlich gewordenen, ‘typischen’ Grundvollzüge in einem gewissen Sinn ‘formalisiert’ worden sind, wo also ihre Verkündigung und Lehre (Martyria), ihr gottesdienstlichsakramentales Leben (Liturgie) und ihr Dienst an den Armen in Gemeinde und Gesellschaft (Diakonia) eine ‘objektive’, gegenüber den einzelnen Glaubenden relativ eigenständige, allgemein verbindliche und repräsentative Form annehmen. ‘Verbindlich’ meint: Dieses Handeln bringt den Sinngehalt des Glaubens der Gemeinschaft normativ zur Geltung. ‘Repräsentativ’ besagt: Es geschieht stellvertretend und im Namen der ganzen Gemeinschaft. In solchen Handlungsweisen tritt die Kirche als Gemeinschaft im Glauben in relativer Eigenständigkeit den einzelnen Glaubenden und anderen gesellschaftlichen Gebilden in ihrer Umwelt gegenüber; hier ‘objektiviert’ sie sich in einer die einzelnen übersteigenden Form, so daß auch rechtlich gültig gesagt werden kann: Die Kirche verkündet das Evangelium, sie bekennt ihren Glauben, sie betet und feiert Gottesdienst, sie dient den Menschen, sie erläßt Normen und Weisungen usw.“ 14

Diese Wahrnehmung ist völlig richtig. Aber es ist wie bei einer Münze - es gibt genauso eine zweite Seite, deren Missachtung dazu führt, dass man die Münze als ganze nicht wahrnehmen würde.

Auch Kirche ist sozusagen „zweiseitig geprägt“. Hätte sie nur die soziologische Dimension, so könnte sie nicht die ihr eigentlich zugedachte Aufgabe erfüllen. Sie ist Teil der Gesellschaft, darin muss sie wirken. Dazu braucht sie die institutionelle Gestalt. Aber durch diese Gestalt wirkt letztlich etwas Größeres, das dahintersteht.15

Kasper verweist zur Beschreibung dieses Phänomens von Kirche auf ein Bild, das schon die Kirchenväter verwendet haben: auf den Mond. Der Mond würde nachts nicht zu sehen sein (wie das bei der Mondfinsternis der Fall ist), wenn er nicht von der Sonne beschienen würde. Dieses Licht wirft er auf die Erde zurück, er wird für unsere Augen sichtbar. So ist es auch mit der Kirche. Sie selbst leuchtet nicht von sich aus, sondern weil sich etwas auf ihr spiegelt. Zumindest sollte dieses Leuchten durch sie deutlich werden. Das ist ihr Grundmoment, sie ist ein Reflektor, sie verweist auf etwas, das über ihr steht.16 Das Konzil formuliert in Lumen Gentium zu Beginn:

„Darum ist es der dringende Wunsch dieser im Heiligen Geist versammelten Heiligen Synode, alle Menschen durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten (…). (LG 1)

Kirche ist „mehr“. Sie ist komplex, denn in ihr zeigt sich etwas, das sich in rechtlichen Institutionen oder Organisationen wie Parteien und Vereinen nicht zeigt. Dort geht es um geregelte Einheiten, die letztlich kollektives Handeln vereinfachen sollen. Kirche ist per se anders. Es gibt die sichtbare Seite mit ihren Regeln, der Hierarchie, den Gemeinden und Gemeinschaften, aber es gibt genauso gut das göttliche Element, das durch all diese Elemente wahrnehmbar werden soll. Die institutionelle Seite soll dazu beitragen, dass sich die Gesellschaft immer mehr einem heilvollen Zustand annähert. Das Konzil beschreibt dies mit der Aussage von der komplexen Wirklichkeit:

„Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt und trägt sie als solches unablässig (…); so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst (…). Deshalb ist sie in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16) (…).“ (LG 8)

Somit ist die Zweiseitigkeit der „Münze“ ein Konstitutivum von Kirche. Wie eine Münze ist Kirche nicht schon der Zweck an sich, sondern dient einem Zweck. Sie ist ein Instrument, ein Werkzeug. Es ist da, es muss entsprechend seiner Funktion eingesetzt werden. Allein die Präsenz des Werkzeugs verweist schon auf das Veränderungspotential, das mit dem Werkzeug verbunden ist. Dies sind Bilder, die versuchen den Auftrag und die Wirklichkeit von Kirche zu beschreiben.

Kirche ist nicht nur Werkzeug, sondern auch Zeichen. Das II. Vatikanische Konzil spricht in der Beschreibung des Wesens der Kirche davon, dass Kirche „in Christus gleichsam das Sakrament“ (LG 1) ist.

„Die Übertragung des Sakramentsbegriffs vermag den klassischen Gegensatz zwischen der Vorstellung der Kirche als unsichtbarer Gnadengemeinschaft und gesellschaftlichen Gebilde zu überbrücken. Innere und äußere Dimension der Kirche verhalten sich zueinander wie die innere Wirklichkeit des Sakramentes (res sacramenti) und die äußere Zeichengestalt (sacramentum tantum). Die Kirche ist nicht eine um sich selbst kreisende und auf ihren Erhalt als gesellschaftliche Institution fixierte Religionsgesellschaft. Die Kirche ist vielmehr im Heilswillen Gottes verankert.“17

Ein Sakrament fungiert als ein Zeichen und Werkzeug und verweist auf etwas anderes, etwas, das nicht unmittelbar sichtbar ist, sondern mit einer Handlung oder einem Gegenstand verbunden ist, so wie Bilder auf Erinnerungen verweisen und Personen wieder sehr lebendig werden lassen. Ein Sakrament verweist auf die Zuneigung Gottes, es macht durch rituelles Handeln die Nähe Gottes zugänglich und erfahrbar. Kirche als Sakrament hat die Aufgabe, als ein Realsymbol auf die Gnade zu verweisen, um so Veränderung zu bewirken. Kirche ist nicht das Licht Christi selbst, sondern der Widerschein.18

Nicht die Kirche, sondern „Christus ist das Licht der Völker“ (LG 1). Sie ist „nur“ Zeichen und Werkzeug. Als Zeichen verweist sie auf die eine transzendente Wirklichkeit, auf Gott und auf sein Heilswirken. „Werkzeug“ beschreibt ihren Dienstcharakter, ihre Instrumentalität: Kirche dient dem Reich Gottes und dem von Gott für die Menschen gewollten Heil. Sie hat einen universalen Heilsauftrag für die Menschen - als „Sakrament des menschlichen Heils“ (LG 59).19 Oder anders gesagt:

„Die Existenz der Kirche ist Proexistenz. Die Kirche ist nicht für sich, sondern für andere da; Kirche gibt es um des Menschen, um der Menschen willen.“20

Kirche ist somit nicht schon das Heil oder Christus selbst, vielmehr verweist sie auf Christus. Zugleich kann das Heil durch sie gefunden werden, Christus wird durch die Kirche gegenwärtig.21 Die folgenden drei Zitate erläutern dies:

„Als ‘Sakrament’ vergegenwärtigt die Kirche die heilende Liebe Gottes in Jesus Christus ‘totum, sed non totaliter’; d. h. sie vermittelt den (geistgewirkten) Gehalt der Liebe Gottes in seiner ganzen Fülle (vgl. Eph 1,23), aber von ihrer (menschlich-endlichen und sündigen) Gestalt her nur in unvollkommener Weise. Das völlige Zusammenstimmen beider Seiten bleibt der vollendeten Gestalt des Reiches Gottes Vorbehalten.“22

„Die sakramentale Wesensbestimmung der Kirche besagt also, dass die Kirche Zeichen und Werkzeug ist für Christus und sein eschatologisches Heil. Durch sie soll das Mysterium, das Christus ist, geschichtlich aufleuchten; die Kirche soll Christus ihre Stimme, ihre Hände und ihre Herzen leihen, damit er durch sie in der Geschichte der Menschen wirksam gegenwärtig sein kann als Hoffnung auf die künftige Vollendung.“23

„Als Volk Gottes und als rechtlich-gesellschaftlich organisiertes Volk Gottes ist die Kirche aber nicht nur Heilsanstalt, sondern die Fortsetzung, die bleibende Gegenwart der heilsgeschichtlichen Aufgabe und Funktion Christi, seine Gegenwärtigkeit in der Geschichte, sein Leben, eben Kirche im eigentlichen und vollen Sinn.“24

Das Verständnis als Sakrament hebt also die komplexe Wirklichkeit von Kirche hervor.25 Mit dieser Wirklichkeit ist das Reich Gottes, das Heil für die Welt schon anfanghaft präsent, auch wenn es erst eschatologisch gesehen zur Vollendung kommt (LG 3, 5, 9).26 Auch das kann durch den Vergleich mit einem Werkzeug verständlich werden: mit dem Einsatz eines geeigneten Werkzeugs z. B. für den Hausbau wird Stein für Stein das Ziel vollendet. „Sakrament“ ist mit Kasper ein „begriffliches Mittel“27, um auszudrücken, dass Christus der Ursprung und Bezugspunkt der Kirche ist und sie zugleich zum Dienst an den Menschen beauftragt ist.28 Der Geist wirkt dabei in der Institution, d. h. auch durch die formalisierten Vorgänge.29 Diese institutionalisierten Formen existieren von Anfang an, z. B. Taufe, aber auch Leitungsamt oder Konzilien.30

1.1.2 Der Auftrag

Nun bliebe ein Werkzeug unnütz, wenn nicht klar wäre, wofür man dieses Werkzeug gebrauchen kann. Genauso ist ein Zeichen, z. B. ein Straßenschild, unwichtig, wenn es nicht eine Aufgabe erfüllen würde. Das gilt auch für die Kirche. Die Kirche hat ihren Ursprung bei Christus und hat sich nachösterlich gesammelt, um den „umfassenden Heilswillen Gottes“31 zu verwirklichen.

„Vor allem aber wird dieses Reich offenbar in der Person Christi selbst, des Sohnes Gottes und des Menschensohnes, der gekommen ist, ‘um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für die Vielen’ (Mk 10,45). Als aber Jesus nach seinem für die Menschen erlittenen Kreuzestod auferstanden war, ist er als der Herr, der Gesalbte und als der zum Priester auf immerdar Bestellte erschienen (vgl. Apg 2,36; Hebr 5,6; 7,17-21) und hat den vom Vater verheißenen Geist auf die Jünger ausgegossen (vgl. Apg 2,33). Von daher empfängt die Kirche, die mit den Gaben ihres Stifters ausgestattet ist und seine Gebote der Liebe, der Demut und der Selbstverleugnung treulich hält, die Sendung, das Reich Christi und Gottes anzukündigen und in allen Völkern zu begründen. So stellt sie Keim und Anfang dieses Reiches auf Erden dar. Während sie allmählich wächst, streckt sie sich verlangend aus nach dem vollendeten Reich; mit allen Kräften hofft und sehnt sie sich danach, mit ihrem König in Herrlichkeit vereint zu werden.“ (LG 5)

Die Kirche hat also einen Auftrag, eine Mission, die sie erfüllen soll. Sie ist gesandt, um das „Reich Gottes anzukündigen und in allen Völkern zu begründen“ (LG 5).

„Aber die Kirche mit all ihren Institutionen ist ein Mittel für die Menschen, und diese sind ihr Zweck.“32

Das Werkzeug dient auf diese Weise einer Verbesserung der Zustände in der Welt. Schon für die Propheten im Alten Testament gehört die kritische Wahrnehmung des Sozialen zu ihrem Glauben. Es ist ein Gebot der Nächstenliebe, dass sich Kirche für einen positiven Fortschritt unserer Gesellschaften einsetzt. Das drückt sich auch in der Option für die Armen aus.33

„Das Ziel der Mission ist die eschatologische Einheit der Völker, die Beförderung von Frieden und Gerechtigkeit unter den Menschen und damit die Heraufführung der einen Welt in Frieden und Freiheit.“34

„Darum hat die Kirche von Anfang an bis zum heutigen Tag ihre Mission immer so verstanden, dass sie im pädagogischen, diakonischen und politischen Bereich am Aufbau einer humanen Welt und eines friedlichen Zusammenlebens der Menschen mitwirkt.“35

Natürlich ist die Heilssendung an den konkreten Problemen zu verwirklichen. Zugleich ist das Heil im christlichen Verständnis immer etwas Größeres, das von Gott her kommt. Indem man als Glaubender Christus nachfolgt, wird man ihm ähnlich. Man empfängt so die Liebe Gottes und kann darauf antworten. Als Glaubender ist man gleichzeitig aufgefordert, dies wieder in die Gemeinschaft zurückzugeben.36

„Erst dann, wenn die Einsammlung der ganzen dazu bereiten Menschheit zur Einheit mit Gott und untereinander geglückt ist, hat auch die Kirche ihr Ziel erreicht (…). Indem sie identisch wird mit der ganzen versöhnten Menschheit, findet sie selbst zu ihrer eigenen vollen Identität. (…) So nimmt (…) die Kirche dieses Reich in seinem ganzen Sinngehalt als durch Christus in der Welt angekommener Friedens-, Gerechtigkeits- und Lebenswille Gottes ‘realsymbolisch’ vorweg; sie darf im Vollzug der Nachfolge Jesu bereits in der Geschichte die Antizipation des alle Geschichte transzendierenden und vollendenden Reiches Gottes sein.“37

Kirche ist pilgerndes Volk Gottes, eine Weggemeinschaft, die auf die Vollendung hofft, die ein gemeinsames Ziel vor Augen hat. Kirche ist von den Menschen in ihr geprägt, daher kann das Ziel nicht abschließend erreicht werden.38 Kirche ist Teil der Welt, sie ist kein fertiger Idealzustand, sondern auf dem Weg. Das endgültige Heil bleibt also unerreicht und kann erst letztlich durch das göttliche Element geschenkt werden.39

„Die Kirche steht im Zeichen des schon erschienenen und doch noch nicht vollendeten Heils. Die Einheit, der Friede und die Versöhnung mit Gott und der Menschen untereinander (…) sind in der Kirche in vorläufiger und antizipatorischer Weise schon präsent, und sie sollen durch die Kirche als Zeichen und Werkzeug allen Menschen zuteil werden.“40

Das Werkzeug „Kirche“ hört zu diesem Zweck zunächst auf das Wort Gottes, um dann die Impulse aufzunehmen und umzusetzen. Liturgie, Verkündigung und Diakonie sind dazu wichtige Handlungsbereiche, um die Liebe Gottes den Menschen zuteil werden zu lassen.

„Die Liebe Gottes wird in Jesu Proexistenz offenbar; sie ist Gottes innerstes Wesen. (.,.,) Liebe kann ja nicht bei sich selber bleiben; (…) sie will sich selbst verströmen und sich selbst mitteilen. (…) das Heil, welches die Kirche bezeugt, ist Gottes Selbstmitteilung; es ist Gott selbst und die Gemeinschaft mit ihm (…).“41>

Der Auftrag an die Kirche geht also vom Beispiel Jesu aus, der selbst mit seinem Leben und seiner Hingabe für andere ein leuchtendes Beispiel gegeben hat, dem die Glaubenden nachzufolgen aufgerufen sind. Die Mission der Kirche lebt also von und aus der Liebe Gottes, die den Menschen zuteil werden soll. Das Reich Gottes und seine Herrlichkeit sind wünschenswerte Idealzustände, die es lohnt anzustreben.42 Sie enthalten einen wesentlichen Mehrwert, der das Leben erst richtig erfüllt.

„Deshalb ist die der Kirche aufgetragene Mission Epiphanie der Herrschaft und Herrlichkeit Gottes in der Geschichte.“43

„Sie soll die Wunden heilen, welche die Entfremdungen unter den Menschen und im Menschen geschlagen haben; in ihr soll die neue Schöpfung in zeichenhafter Weise schon jetzt Sichtbar werden.“44

Als „Sakrament des universellen Heils“45 hat Kirche einen Dienst an und in der Welt zu leisten. Gott neigt sich seiner Schöpfung zu. Das war und ist in besonderer Weise mit Jesus zu erfahren. Am Beispiel Jesu wird auch deutlich, wie Kirche ihren Dienst für das Heil in der Welt umsetzen kann.46 Konkret greifbar wird dieser Auftrag mit Hilfe von theologischen Schlüsselbegriffen, die sich in der kirchlichen Praxis wiederfinden: wie z. B. „Frieden“ im Sinne einer größeren „heilen“ Ordnung, „Befreiung“ aus einer „sündhaften“ Struktur oder die „Option für die Armen“, „Hoffnung“ gegen Hoffnungslosigkeit, „Leben“ aus dem Glauben heraus gegen vielfältige Lebensgefährdungen (z. B. Orientierungslosigkeiten, Frustrationen, Manipulationen, Zwänge, aber auch die Art und Weise des Sterbens) oder auch „Heilwerden“ an Leib und Seele (als ganzheitlicher Blick auf den Menschen).47

Um den eigenen Auftrag als Kirche ausfüllen zu können, wirkt der Geist Gottes in der Kirche, wenn auch nicht nur in ihr. Die Kirche ist gefordert, die Zeichen der Zeit und die darin enthaltene Botschaft für das Wirken der Kirche stets wahrzunehmen und zu bedenken. Sie muss diese entgrenzende Kraft des Geistes immer wieder neu als Gabe empfangen und sich dadurch herausfordern lassen. Der Geist fordert immer wieder heraus, das Evangelium neu in die jeweilige Zeit und Kultur hineinzutragen.48

„Er rüttelt die Kirche auf (…), indem er Erneuerungsbewegungen anstößt, die bewährte alte Formen erneuern und neue Formen der Frömmigkeit und des geistlichen Lebens erschließen, und der Kirche, oft nach Zeiten der Krise, neu einen Weg in die Zukunft eröffnen.“49

Kirche soll ihren Auftrag in der Gesellschaft verwirklichen. Dazu ist sie Sakrament. Ihre konkreten Aufgaben können dabei vielfältig sein, um das Sich-Durchsetzen des Heilswillens Gottes zu befördern: so z. B. als einende und befriedende Kraft in der Gesellschaft aufgrund ihrer Transzendenzverwiesenheit, in ihrer Orientierungsbzw. Sinngebungsfunktion aufgrund von Jesu Tod und Auferstehung oder z. B. als ethisch-kritische Kraft mit alternativen Sichtweisen.50

1.1.3 Volk Gottes und Communio51

Nach Klinger ist das Zweite Vatikanische Konzil

„das Programm einer Ekklesiologie des Volkes Gottes.“52

Kirche als Zeichen und Werkzeug zeigt sich im Verständnis des letzten Konzils weniger als „Staat“ oder societas perfecta.53 Das II. Vatikanische Konzil spricht vom pilgernden Gottesvolk, das im Neuen Testament die alttestamentliche Volk-Gottes-Theologie aufnimmt und fortführt. Die Kirche ist dieses Volk Gottes, das universal ausgerichtet ist.54 Es ist eine Gemeinschaft, die in Gott ihren Ursprung hat, die sich im Hier und Heute zeigt und damit historisch, anfällig für sündhaftes Tun, anwesend und greifbar ist.55 Laut Bucher sprengt die Rede vom „Volk Gottes“ jede Verengung auf institutionelle Fragen und wendet sich dem Menschen zu.56

Kasper erachtet den Begriff Communio als grundlegend. Demnach ist Kirche eine Gemeinschaft, die das Wesen der Kirche näher beschreibt. Es gilt die grundsätzliche Teilhabe aller am Mysterium.57 Durch die Taufe wird der Glaubende hineingeführt in diese Gemeinschaft, dem Volk Gottes und bekommt auf diese Weise Anteil am sakramentalen Wesen der Kirche. So entsteht kirchliche Gemeinschaft, das Volk Gottes.

„Koinonia/communio bedeutet ursprünglich nämlich nicht Gemeinschaft, sondern participatio/Teilhabe, näherhin Teilhabe an den von Gott geschenkten Gütern des Heils: Teilhabe am Heiligen Geist, am neuen Leben, an der Liebe, am Evangelium, vor allem aber an der Eucharistie.“58

Alle haben aufgrund der Taufe Anteil am Propheten-, Priester- und Königsamt Jesu.59 Mit Klinger verweist gerade der Begriff „Volk Gottes“ auf die grundlegende Gleichheit der Getauften und darauf, dass Kirche gemeinsam agieren muss.60 Alle sind gesandt und sind für die Ausgestaltung der Kirche und deren Mission mitverantwortlich.61 Somit gilt eine grundsätzliche Gleichberechtigung, womit nicht unterschiedliche Rollen und Aufgaben ausgeschlossen werden.62

„Kirche wird vielmehr verstanden als die von Gott geschaffene Communio aller Menschen in der gemeinsamen Teilhabe am Glauben sowie an den Heilsmitteln und Heilsdiensten.“63

Communio ist auch eine Anfrage an den kommunikativen Stil dieser Gemeinschaft bzw. an die Art des Miteinanders. Dazu gehört das gegenseitige Wahrnehmen und Zuhören, ein gegenseitiges Ergänzen und das gemeinsame Agieren.64

Communio wird ebenfalls bezogen auf die Beziehung von Ortskirchen und Universalkirche verstanden. Die Ortskirchen sind selbst als Kirche zu verstehen, aber sie stehen in Beziehung, in Gemeinschaft mit anderen Ortskirchen. Als Ortskirche gehört sie bei relativer Selbständigkeit zu einer größeren Einheit, die sich in der katholischen Kirche durch den Primat des Papstes zeigt. Auch die Hierarchie gehört zur Communio, die ihre spezifische Aufgabe erfüllt.65

1.1.4 Grundeigenschaften (notae ecclesiae) und Grundvollzüge

Vier wichtige Eigenschaften der Kirche zeigen sich bereits im Glaubensbekenntnis, wenn von der „einen, heiligen, katholischen und apostolischen“ Kirche die Rede ist.

„Diese vier theologischen Grundeigenschaften der Kirche gelten seit der Patristik als die Erkennungszeichen der wahren Kirche Jesu Christi, die sie von allen häretischen und schismatischen Gemeinschaften unterscheidet.“66

Als solche sind sie mit Siebenrock mehr „Zielgestalt“ als bereits umgesetzte Realität, sie sind also auch eine Aufgabe.67 Sie sind „inhaltlich-theologische Grundeigenschaften“68. Sie beschreiben die universale Kirche, für die sichtbare Institution „Kirche“ sind sie Aufgabe und zeigen sich eher als Kriterien zur Reflexion des eigenen Handelns.69

Einheit

Die Redeweise von der „einen Kirche“ ist zunächst eine ontologische. Christen folgen Christus nach, sie haben Anteil am „Leib Christi“, Anteil am Volk Gottes. Das verbindet sie mit Jesus und damit mit dem Vater und untereinander. Christen bilden also eine Einheit.70

Ontologisch gesehen gilt, dass Kirche „eins ist“, also eigenständig existiert in Abgrenzung nach außen.

„Als nicht mit den anderen Seienden, mit der Welt oder seiner Umwelt einfach identisches, ist es es selbst, geht sein eigenes Sein nicht im Sein der anderen Seienden auf.“71

Zum anderen ist ontologisch eine Innenseite mitgedacht: Es gibt intern eine stimmige Einheit, eine innere Klarheit, die die Abgrenzung nach außen erst möglich macht.72 So gesehen ist ontologisch bereits das Christsein einend.

„Man kann also zunächst von einer ontologisch notwendigen Einheit aller Christen sprechen, die als solche aber nicht notwendig ihren Ausdruck finden muss in institutionell sichtbaren Gemeinden. Allerdings tendiert die Wirklichkeit dahin, sich auch zur Erscheinung zu bringen. Die Grundeinsicht in die faktisch notwendige Einheit aller Christen begründet vom Anfang des Christentums an eine Dynamik der Ortsgemeinden auf die Praxis der Einheit aller Gemeinden der bewohnte Welt, der oikoumené, hin.“73

Kirche subsistiert in den verschiedenen Ortskirchen.74 Das letzte Konzil spricht davon, dass die eine Kirche in der römisch-katholischen Kirche subsistiert.

Kirche bleibt trotz aller Spaltungen das eine Volk Gottes.75

„Hier hat das Konzil mit dem alten patristischen Modell der Kirche als ‘Communio ecclesiarum’ eine Möglichkeit eröffnet, um die vom Geist geschenkte Einheit auch auf der Ebene der gesellschaftlichen Vielheit von kirchlichen Gemeinschaften zu realisieren.“76

Die katholische Kirche hat von Anfang an über formalisierte Elemente (z. B. Taufe, Eucharistie, Glaubensbekenntnis, Ämter, Synode) verfügt, mit denen sie ihre Identität und damit ihr Sein durch die Zeit hindurch deutlich machen konnte. Daraus erwächst eine Einheit. Der Geist wirkt durch solche formalisierten Strukturen, die der Einheit dienen sollen. Auch durch Charismen wirkt der Geist, deren Vielfalt einen gemeinsamen Raum bzw. Rahmen in der Kirche brauchen. Institutionelles wie Charismen können sich gegenseitig korrigieren und so den Blick auf geistreiches, heilvolles Handeln als Kirche öffnen. Die übergeordneten Institutionen ermöglichen dabei die größere Einheit. Gerade Formalisierungen haben dabei die Chance, gemeinsame Räume abzustecken, in denen ein gemeinsames Agieren möglich wird. Zugleich braucht auch die Institution Menschen mit Charisma, d. h. Begabungen, diedem Grundanliegen heute Wirkkraft verleihen.77

Heiligkeit

Die Kirche an sich besteht aus sündigen Menschen. Aber Gottes Liebe kommt durch die Kirche zum Ausdruck, besonders in den Sakramenten und hier besonders in der Eucharistie. Die Kirche hat auf diese Weise Anteil an der Heiligkeit Gottes.78

„Im Empfang dieser ‘heiligen Gaben’ konstituiert sich die Kirche als ‘Gemeinschaft der Heiligen’, als ‘Communio Sanctorum’.“79

Gemeint ist dies in Form einer Teilhabe an den Sakramenten und damit am Leib Christi. Oder anders gesagt, ist damit die „Teilhabe am Heiligen“80 gemeint, das insbesondere in den ,,‘sancta’, den heiligen Zeichen der eucharistischen Mahlgemeinschaft“81, präsent wird. Gott ist die Quelle des Heiligen. Daraus bildet sich die Gemeinschaft der Geheiligten, die aber zu einem entsprechenden Leben herausgefordert sind, wodurch die „sancta“ erst ihre Wirkung entfalten.82 Mit diesem Verständnis verbindet sich noch eine eschatologische Bedeutungsebene, indem nicht nur die lebenden Gläubigen gemeint sind, sondern auch die bereits „Vollendeten“.83

Zugleich gilt, dass Kirche durch Menschen geprägt wird und so immer der Sünde ausgesetzt ist. Entgegen dem Wunsch, die Heiligkeit im Handeln spürbar zu machen, zeigt sich stattdessen die Fehlbarkeit. Kirche erreicht nie von sich aus die endgültige Heiligkeit, um die sie sich immer wieder neu bemühen muss und wozu das Leben stets herausfordert. Kirche ist also „ecclesia semper reformanda“.84

„Z. B. manifestiert sich diese ‘strukturelle Sündigkeit’ der Kirche dann, wenn eine allgemeine Mittelmäßigkeit und Sattheitjeden radikalen, an die Wurzel der glaubenden Existenz gehenden Anruf des Evangeliums für immer mehr Gläubige fast a priori abfängt; oder wenn sich eine Kirche bzw. eine Gemeinde so sehr in einem binnenkirchlichen ‘Milieu’ einschließt und dabei in einer institutionellen Selbstgenügsamkeit aufgeht, daß sie nicht mehr wirklich offen ist für die realen Nöte der Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche (…).“85

So spricht auch das II. Vatikanische Konzil davon, dass die Kirche sündhaft ist und stets der Reinigung bedarf (LG 8). Das Wirken der Kirche kann ihre Heiligkeit verdecken und doch bleibt die Kirche das Volk Gottes, denn der Kern der Kirche ist ein heiliger. Auf das Wirken des Geistes sollte darum geachtet werden, um wieder auf die Spur des Heiligen zu kommen.86 Mit Siebenrock ist Heiligkeit unter dem konziliaren Verständnis von katholisch zu verstehen, demnach es Heiligkeit auch außerhalb der Kirche geben kann, wenn Menschen vom Geist Christi erfüllt handeln.87

Katholizität

Mit „katholisch“ im ursprünglichen Sinn ist die universale Kirche gemeint. Gott will das Heil der ganzen Schöpfung zukommen lassen;

„dazu dient ihm das (empirisch so partikuläre) Volk Gottes, (…) das schließlich in seiner universal-sakramentalen Präsenz überall anzutreffen ist, wo Menschen sich vom Geist der Liebe Gottes erfüllen lassen (…).“88

„Katholisch“ enthält demnach auch die Aufgabe, dass die Botschaft des Glaubens eine universelle Zugänglichkeit bei den Menschen erreicht. „Katholisch“ ist ein Auftrag.

Die Katholizität „ist damit jenes opus hominum, das im tripolaren Spannungsfeld zwischen göttlicher Forderung, menschlichem Versagen und göttlicher Versöhnung und Beistandsverheißung je geschichtlich neu zu gewinnen ist.“89

Die universale Kirche subsistiert laut Konzil in der katholischen Kirche, die institutioneil und sakramental in Kontinuität zur Urkirche steht (LG 8).

Nach Kehl wird die universale Kirche in Form konzentrischer Kreise gedacht, die nach außen hin einen abnehmenden Bezug zur sichtbaren Institution Kirche haben. Im Zentrum zieht letztlich Christus alles an sich und will zum Heil führen.90

Wenn Menschen den Glauben bzw. seine Grundanliegen wirklich leben, wird die universale Kirche sichtbar (Werkzeugcharakter), die größer als die sichtbare katholische Kirche zu denken ist. Dagegen kann es im Extremfall sein, dass sich die institutioneil sichtbare Kirche rein auf äußere Zeichenhaftigkeit beschränkt, weil die Mitglieder den Glauben nicht wirklich leben. Das Zeichen ist trotzdem gegeben, muss sich aber nicht zwingend im Handeln zeigen.

„Während bei der universalen Kirche die Werkzeugfunktion direkt und unmittelbar ist und die Zeichenfunktion ambivalent bleibt, ist dies bei der institutionellen Kirche gerade umgekehrt. Durch ihre institutionelle Verfasstheit und durch die ausdrückliche Verkündigung der biblischen Botschaft und Jesu Christi sowie durch die liturgische Feier der Sakramente besteht das spezifische sakramententheologische Merkmal der institutionellen Kirche gerade in der eindeutigen sakramentalen Zeichenhaftigkeit (signum). Hingegen ist die Werkzeugfunktion hier nur mittelbar, nämlich gebunden an ihre Zeichenhaftigkeit und abhängig davon, ob ihre Mitglieder auf allen Ebenen den Glauben nicht nur bekennen und verkünden (Orthodoxie), sondern auch tatkräftig leben (Orthopraxie).“91

Als „Gemeinschaft der Glaubenden“ braucht die Institution Kirche also auch „orthopraktisch Glaubende“, damit sich ihre Werkzeugfunktion ausprägt.92

Apostolizität

Kirche muss sich immer wieder neu in die Zeit hinein aktualisieren, sie bekommt ihre Identität erst im Bezug zum Ursprung, zu Christus. Darum muss Kirche an der Tradition anknüpfen, die von den Aposteln her kommt. Sie muss auf diese Weise den Kern ihres Glaubens bewahren, der über die Zeit hinweg nicht verloren gehen darf.93 Natürlich muss der Glaube im Heute neu verstanden und damit auch interpretiert werden. Glaube trifft hier auf andere Zusammenhänge, eine gewisse „Übersetzungsleistung“ ist notwendig. Apostolisch ist dies dann, wenn die Überlieferung inhaltlich authentisch bewahrt bleibt. Dazu gehört im katholischen Verständnis die Teilhabe an der apostolischen Leitungsvollmacht, d. h. die apostolische Sukzession.94 Dabei geht es nicht nur um die Lehre, sondern genauso um das Handeln im Sinne der Apostel:

„Wahrhaft apostolisch ist die Kirche erst, wenn sie in der Nachfolge der Apostel - und d. h. in der Nachfolge Jesu - lebt und wirkt, wenn sie also den ‘Aposteln’, den Erstzeugen und Erstzeuginnen und damit Jesus Christus selbst im orthopraktischen Glaubensvollzug die Treue hält.“95

Apostolizität ist insofern ein Korrektiv, das Kirche im Blick behalten muss. Lehre und Praxis brauchen den Bezug zum Ursprung.96

Grundvollzüge

Die Grundeigenschaften von Kirche sind Grundkriterien. Sie sind „Kennzeichen“ von Kirche. Im Unterschied dazu können die Grundvollzüge

„verstanden werden als Handlungsformen, in denen diese vier wesenskonstitutiven Kennzeichen in der Praxis der Kirche ihre konkrete und erfahrbare Gestalt gewinnen.“97

Diese Ausdrucksformen in der Praxis der Kirche, d.h. die Grundvollzüge, sind also wesentlicher Teil der Praxis von Kirche. Denn damit orientiert sie sich am Handeln Jesu und baut auf seine Präsenzzusagen auf (z.B. in der Weltgerichtsrede, Mt 25,31-46), in denen er sein Bei-Sein verspricht, wenn die Jünger ihm in seinem Sinne nachfolgen. Sie waren auch schon Teil der Praxis der ersten Gemeinden: Apg 2,42-45 beschreibt, dass die ersten Christen an dieser Praxis der Grundvollzüge festhielten.

„Gemeinschaft, Beten, Brechen des Brotes (d.h. Feier des Herrenmahles), Bewahrung der Lehre der Apostel und Hilfe für Bedürftige“98

waren markante Merkmale der Ur-Gemeinden. Diese Praxisformen halten sich als Orthopraxie durch: als Umsetzungsform des Glaubens der Gläubigen. Die Notae“, d. h. die Kennzeichen der Kirche, das Handeln Jesu, seine Präsenzzusagen, die urgemeindliche Praxis und die orthopraktische Umsetzung durch die Gläubigen stecken laut Haslinger die theologische Grundlage für die Bedeutung der Grundvollzüge ab.99

Die Grundvollzüge (Martyria, Leiturgia, Diakonia, Koinonia) sind gegeneinander nicht eindeutig abgrenzbar, wenngleich sie den praktisch-kirchlichen Vollzug differenzieren, und auch nicht untereinander hierarchisierbar. Sie sind zu leben, wodurch Kirche an ihrem Ursprung auch im Heute anschließt.100 Koinonia hat als Grundfunktion ihren Ansatzpunkt bei der fundamentalen Beziehung zwischen Gott und Mensch, die in der Konsequenz auch ein gelingendes, solidarisches Miteinander unter den Menschen herausfordert.101 Martyria, oder auch Verkündigung, beinhaltet die Bezeugung des Glaubens im Heute und den Versuch, das „Größere“ den Menschen verständlich wahrnehmbar zu machen. Dabei geht es nicht nur um Predigt, sondern auch um Gespräche, Katechese, Religionsunterricht, Begegnungen, Rituale, Kommunikationsformen u. v. m. Dabei sollte die Botschaft auf eine Weise erinnert werden, dass sie den Menschen anspricht und anregt.102 Leiturgia oder auch Liturgie erinnert und vergegenwärtigt das Heilsgeschehen. Liturgie ist „Feier“ der Gemeinde. Liturgie ist zentraler Raum spiritueller Vertiefung des Glaubens, an dem alle Getauften partizipieren sollen. Die gottesdienstlichen Formen müssen den Voraussetzungen der Menschen Rechnung tragen.103 Diakonischer Dienst im Sinne Jesu meint an der Seite der Armen und Benachteiligten zu stehen. Übliche Machtmechanismen müssen somit hinterfragt werden.104

Gott kommt den Menschen entgegen. Gott kann also wahr- und aufgenommen werden. Dazu gibt es verschiedene Wege, z. B. das Hören auf biblische Texte, gipfelt aber in der Feier der Eucharistie. Gläubige antworten letztlich auf die Erfahrung dieses Entgegenkommens. In der Liturgie wird die kirchliche Gemeinschaft zu dem, was sie inhaltlich ausmacht. Der Gottesdienst erinnert an Jesus und macht ihn gegenwärtig. Der Mensch erfährt Heiligung und Heilung. Daraus erwächst die Motivation, davon zu erzählen. Die Verkündigung trägt die Botschaft nach außen, sie legt also Zeugnis ab und gibt sie weiter. Im diakonischen Handeln antwortet der Gläubige auf Gott, indem er die Not der Menschen wahrnimmt und Antworten auf deren Leiden und deren Bedürftigkeit sucht. Dazu gehört sowohl ein soziales Einzelengagement als auch ein politisches Wirken. Dabei ist der Gläubige in eine Gemeinschaft (Koinonia) hereingenommen, die von einem guten Miteinander und einem guten gegenseitigen Beistehen geprägt sein sollte: einem Beachten der gegenseitigen Würde und damit des gemeinsamen Priestertums.105

1.1.5 Sakrament des Geistes - Kirche und Welt

Kirche ist gleichsam Sakrament und hat als solches eine trinitarische und damit auch eine pneumatologische Seite.106 Es ist der Geist, der uns in der Kirche Christus immerwieder neu vergegenwärtigt.

„Die Kirche ist also von ihrem Ursprung her beides: Stiftung Jesu Christi und deren Verwirklichung im Geist. Sie ist Institution und Ereignis. Sie besagt Bindung an den konkreten Ursprung und zugleich geistliche Freiheit zu deren schöpferisch-geschichtlicher Vergegenwärtigung. (…) Sie ist in einem sichtbaren menschlichen Gefüge die wirksame Gegenwart und geschichtliche Existenzform des Geistes Jesu Christi. Sie ist biblisch gesprochen ‘Bau im Heiligen Geist’ (1 Kor 3,16 f.; Eph 2,22), dogmatisch formuliert ‘Sakrament des Geistes’.“107

Kirche verweist als Sakrament auf etwas Größeres und ist auf das Reich Gottes angelegt. Sie hat eine „Mission“, einen Auftrag, der sich nach außen, zu den Menschen hin richtet.

Kirche agiert als solches nicht in einem bisher „gottlosen Lebensraum“. Dieser Rahmen ist vielmehr der Rahmen der Schöpfung Gottes, sie begegnet also Menschen,

„die Subjekte ihrer Geschichte mit Gott sind und bleiben. Die Menschen haben bereits eine Geschichte mit Gott, bevor sie vom kirchlichen Handeln in all seinen Dimensionen berührt und angesprochen werden (…).“108

Kirche ist laut Kasper gefordert, auf die schöpferische Kraft des Geistes, die auch außerhalb der Kirche wirkt, zu achten, d. h., die Zeichen der Zeit wahrzunehmen. Und zugleich ist sie damit gefordert, aus diesem Geist heraus zu leben. Das ist nötig, um ihren Auftrag immer besser zu erfüllen. Weil der Geist in der gesamten Schöpfung aktiv ist, muss Kirche auf die Zeichen der Zeit wie auch auf die Entwicklungen in der Gesellschaft achten und fragen, was das für das Wirken der Kirche im Heute bedeutet.109

„Als Christen haben wir also keinen Grund, den Geist in die Mauern der Kirchen eingesperrt zu denken. Im Gegenteil, wir sollen aufmerksam hinhören auf die ‘Fremdprophetie’ des Geistes in den ‘Zeichen der Zeit’. Durch sie kann uns, wie das II. Vatikanum anerkennt, der Geist selbst den Geist des Evangeliums in neuer und tieferer Weise erschließen.“110

Der Blick auf Christus und sein Wirken hilft, das Wirken des Geistes erkennen zu können. Diese pneumatologische Sichtweise fordert zu einer positiven Beziehung von Kirche und Welt bzw. Gesellschaft heraus.

Das Konzil spricht dabei den einzelnen gesellschaftlichen Bereichen ihre jeweilige Autonomie zu: