Quasi - SchwarzRund - E-Book

Quasi E-Book

SchwarzRund

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Beschreibung

Die queere Dominikanerin Wendolyn arbeitet in einer Werkstatt und versucht wie alle in Berlin nebenbei Projekte zum laufen zu bringen. Ihre Schwester Sarah landet in Spanien, bereit im Land ihrer Unterdrücker ihren Facharzt zu machen. Ihr Cousin Sebastian gibt in Santo Domingo alles um mit antirassistischen Videos berühmt zu werden. Als die dominikanische Republik ihnen und tausenden anderen die Staatsbürgerschaft aberkennt, sehen die drei ungleichen Verwandten sich gezwungen ihre Unterschiede zu überwinden um sich der Gefahr der Staatenlosigkeit zu stellen.Diese Novelle bringt nahe wie Migration die Perspektive auf die Heimat verändert und Familiengefüge sich über Kontinente verbinden können. Wie unterschiedlich Schicksalsschläge über Sprachbarrieren hinweg das Leben der drei beeinflussen ist der Kern, um den den herrum sich die afroqueere Erzählung spinnt, welche sich einer Moral, Lehre oder Antwort verwehrt.

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Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Vowort
Literatur
Quasi
Biografie

Quasi

SchwarzRund

Afroqueere Novelle

Ach je Verlag

©2022 Ach je Verlag

Ein Imprint des Amrun Verlages, Traunstein

© 2015 SchwarzRund

Korrektorat: Fatma Tuna

([email protected] | IG: @kanakademikerin)

Grafik: Zanko Loreck (zankoloreck.de)

Coverillustration: SchwarzRund

TB ISBN 978-3-947720-68-2

E-Book ISBN 978-3-95869-483-5

Vorwort

Ich könnte mir die allergrößte Mühe geben, mit dem strengsten Lektorat arbeiten und jedes Füllwort, so sehr es mir auch am Herzen liegen mag, streichen: Ich würde einen Teil meiner Leser*innenschaft weiterhin uninformiert zurücklassen. Diese Einleitung kann, will und wird nicht der Geschichte der Dominikanischen Republik und Haitis – la isla – gerecht werden. Ich werde den Mut zur Lücke wagen und, wie an dem Tag, an dem ich diese Geschichte geschrieben habe, darauf hoffen, Menschen den Impuls zu geben, sich mit der Geschichte meiner Heimat, der Dominikanischen Republik, die so eng mit der Geschichte Europas verbunden ist, zu beschäftigen.

2015 wurden über Nacht tausende Dominikaner*innen staatenlos, ein dark-skinned Schwarzer Mann wurde erhängt. All das war in deutschen und englischen Nachrichten zunächst kaum Thema. Busse standen in den Hauptstädten, Kinder wurden über die Grenze nach Haiti gefahren und ich fühlte mich wortlos – denn wie sollte ich erklären, was ich selbst kaum begreifen konnte? In meiner Familie gibt es ultranationale Dominikaner*innen, die darauf bestehen, nicht Schwarz zu sein, es gibt dark-skinned Personen, die nach diesen Nächten über Monate verschwunden waren und es irgendwie wieder über die Grenze nach Hause schafften.

Doch in meinem hochpolitisierten Umfeld wurde darüber nicht gesprochen, ich merkte: Es reicht nicht, eine Schlagzeile zu teilen, es fehlt das grundsätzliche Verständnis für die komplizierte Verbindung zweier Länder, deren Großteil der Population versklavte Vorfahren hatte und doch zwei gänzlich gegensätzliche Wege im Prozess der Befreiung beschritt. Während Haiti als erstes Schwarzes Land bereits 1804 gegründet wurde, wird 2019 in Orange ist the New Black das Dominikanisch-Sein noch immer folgendermaßen charakterisiert:

»Dominicans talk a lot and play baseball and are always like ›I’m super not black‹ even though Haiti is the exact same island«. (»Dominikaner*innen reden viel, spielen Baseball und sind immer so ›Ich? Ich bin absolut nicht Schwarz!‹, obwohl Haiti auf der exakt gleichen Insel liegt.«)

Daran ist absolut alles wahr, abgesehen von dem vielen Reden – wir haben nur sehr viel zu sagen. Du kannst entweder jetzt in die Geschichte eintauchen und später ins Vorwort zurückkommen, oder weiterlesen.

Race in der dominikanischen Republik

Im Rahmen meines Masterstudiums versuche ich genau das, was nicht benannt werden darf, zu benennen: Wie kann ein Land, dessen genetische Herkunft zu 94 % auf dem afrikanischen Kontinent liegt, so sicher sein, kollektiv und individuell etwas zu lange in der Sonne gewesen zu sein? Wie kann gerade dieses Land sich eine Insel teilen mit Haiti, welches sogar beantragte, in die Afrikanische Union aufgenommen zu werden? Die Antwort liegt in verschiedenen historischen Abschnitten der Geschichte, die Schuld in der Kolonialisierung, dem Kapitalismus und bei einzelnen Personen, die nicht wahrhaben wollten, was der Blick in den Spiegel verrät: Die Dominikanische Republik ist ein Schwarzes Land, mit Schwarzen Bewohner*innen und der traumatischen, erzwungenen Überreise über den Atlantik, der Familien prägt. Drei Faktoren möchte ich für das dominikanische Paradoxon benennen, allesamt sind Teil der versteckten Seite der Moderne. Denn Europas Industrialisierung, Entdeckungsdrang und Verbesserung des Lebensstandards gehen einher mit der Versklavung und Ausbeutung Afrikas, dem kulturellen und physischen Genozid an den Taíno und der Zerstörung des Selbstverständnisses. Diese verdeckte Seite, wie Mignolo sie nannte, ist nicht ein bedauerlicher Nebeneffekt, sondern Bedingung von Kolonialismus, Kapitalismus und Industrialisierung gewesen.

1. Outsourcing der Versklavung

Um diesen Punkt zu verstehen ist es wichtig, alles, was du über Race in Deutschland und den USA weißt, zu vergessen. In der Dominikanischen Republik gab es eine komplexe Ausdifferenzierung von großen Weißen, kleine Weißen, Schwarzen Menschen, die versklavt wurden und jenen, die als Stellvertreter*innen für weiße Plantagenbesitzer*innen Schwarze Menschen versklavten. Oft waren es uneheliche Kinder zwischen Weißen und Schwarzen Versklavten, sie waren meist heller als die neu eingetroffenen Afrikaner*innen. Dies führte dazu, dass diese light-skinned Schwarzen Menschen selbst anbauen durften. Sie gaben ihr Geld allerdings weniger freizügig aus, als die kleinen Weißen. Somit wurde es über die Generationen aus kapitalistischen Gründen attraktiver, einen gut gestellten, hellen Schwarzen Menschen zu heiraten, als einen schlecht gestellten, kleinen Weißen. Doch lag hierin auch eine Gefahr: Schließlich waren sie trotz allem alltäglich im Kontakt mit den neuen Versklavten und es galt eine Allianz jener, die Geld und jener, die berechtigte Wut haben, zu verhindern. Durch die Zugeständnisse von Rechten wurde eine neue Klasse geschaffen: die der Schwarzen, die gerade hell genug waren. Somit konnten dark-skinned Schwarze Menschen weiterhin versklavt werden, ohne das unwillige, große Weiße sich gezwungen sahen, selbst in der Dominikanischen Republik leben und arbeiten zu müssen, um Aufstände zu unterbinden. Die Kolonialisierung des Bewusstseins lautete wie folgt: Solange du nicht versklavt bist, ergo dich nicht Schwarz nennst, kannst du es zu etwas bringen.

2. Trujillo und die Idee des fix the race

Trujillo wird gerne der ›verrückteste‹ Diktator Lateinamerikas genannt. Das ist zwar ableistisch und doch kann auch ich mich der Bezeichnung nicht ganz entziehen. Er wurde 1930 – mithilfe US-amerikanischer Truppen – ins Amt geputscht und regierte die Dominikanische Republik bis zu seiner Ermordung 1961. Seltsame Geschichten gibt es über ihn, zu viele, aber das ›Verrückte‹ war die angebliche Widersprüchlichkeit. Doch scheint sein Handeln sehr kohärent unter der Prämisse, der er selbst Nachkomme von Haitianer*innen unterlag: mejorar la raza, verbessere die Rasse. Hier eher zu übersetzen mit dem ebenso faschistisch konnotierten: verbessere den Volkskörper. Durch ihn wurde der Hass auf dark-skinned Personen zur politischen Leitdoktrin. Obwohl er großer Bewunderer Hitlers rassistischer Politik war, war er einer der wenigen Staatsoberhäupter, der den vor allem weißen Jüd*innen Zuflucht bot. Das ist kein Widerspruch, denn sein Rassismus fußte nicht vornehmlich auf Religionszugehörigkeit, sondern auf der Helligkeit der Bürger*innen. Die hellen Jüd*innen erlebten eine Verschiebung der rassistischen Fremdzuordnung: galten sie in Deutschland als schädlich für den arischen, weißen Volkskörper, wurden sie zur Aufhellung desselbigen in der Dominikanischen Republik instrumentalisiert und genossen aufgrund des zugeschriebenen Weiß-Seins Privilegien.

3. Europäische Schönheitsideale