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England im Herbst 1013: Um den dänischen Gefangenen Hakon bei Hofe abzuliefern, reist der junge Engländer Ælfric of Helmsby nach London. Die Stadt liegt in Trümmern, denn dem schwachen König Ethelred gelingt es nicht, sein Reich gegen die ständigen Wikingerüberfälle zu schützen.
Doch anders als England und Dänemark sind Ælfric und Hakon keine Feinde - während der gefährlichen Reise sind sie zu Freunden geworden. Bald schon gehören sie zum inneren Kreis um die machtbewusste Königin Emma. Aber der Widerstand der Engländer droht zu brechen, und als der dänische König stirbt, steht bald ein noch gefährlicherer Feind vor den Toren ...
Von der Bestseller-Autorin der Warringham-Saga
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Seitenzahl: 1328
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Über dieses Buch
Titel
DRAMATIS PERSONAE
Karte
1. TEIL: 1013–1014
Zitat
Helmsby, Oktober 1013
London, Oktober 1013
Beodericsworth, Oktober 1013
London, Oktober 1013
Rouen, November 1013
Rouen, Dezember 1013
Fécamp, Februar 1014
Winchester, April 1014
Compton, April 1014
Helmsby, Mai 1014
2. TEIL: 1016–1017
Zitat
Malmesbury, April 1016
London, April 1016
Helmsby, Mai 1016
London, Mai 1016
Ashingdon, Oktober 1016
Malmesbury, Oktober 1016
London, November 1016
Helmsby, Dezember 1016
Helmsby, Februar 1017
Fécamp, Juli 1017
London, Dezember 1017
3. TEIL: 1026–1027
Zitat
Falaise, Mai 1026
Metcombe, Juni 1026
Winchester, Juni 1026
Rouen, August 1026
Winchester, September 1026
Falaise, Januar 1027
Mantes, Januar 1027
London, März 1027
Helmsby, April 1027
Fécamp, April 1027
Winchester, Mai 1027
Fécamp, Juli 1027
4. TEIL: 1035–1041
Zitat
Helmsby, Juni 1035
Nicäa, Juli 1035
Shaftesbury, November 1035
Winchester, November 1035
Rouen, Juni 1036
Helmsby, Juni 1036
Fécamp, November 1036
St. Margaret’s at Cliffe, Januar 1037
Winchester, Februar 1037
Guildford, Februar 1037
Ely, Februar 1037
Helmsby, Februar 1037
Winchester, Februar 1037
Helmsby, Juni 1039 – 2 Jahre später
Brügge, Dezember 1039
Helmsby, März 1040
Brügge, März 1040
Canterbury, Juni 1040
Helmsby, November 1041
Rouen, November 1041
Nachbemerkung und Dank
Über Rebecca Gablé
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Impressum
England im Herbst 1013: Um den dänischen Gefangenen Hakon bei Hofe abzuliefern, reist der junge Engländer Ælfric of Helmsby nach London. Die Stadt liegt in Trümmern, denn dem schwachen König Ethelred gelingt es nicht, sein Reich gegen die ständigen Wikingerüberfälle zu schützen.
Doch anders als England und Dänemark sind Ælfric und Hakon keine Feinde - während der gefährlichen Reise sind sie zu Freunden geworden. Bald schon gehören sie zum inneren Kreis um die machtbewusste Königin Emma. Aber der Widerstand der Engländer droht zu brechen, und als der dänische König stirbt, steht bald ein noch gefährlicherer Feind vor den Toren …
Von der Bestseller-Autorin der Warringham-Saga
REBECCA GABLÉ
RABENTHRON
Historischer Roman
Es folgt eine Aufstellung der wichtigsten Figuren, wobei die historischen Personen mit einem * gekennzeichnet sind.
Ælfric of Helmsby
Penda, sein Sohn
Dunstan, Ælfrics Onkel, Thane of Helmsby
Offa, Dunstans Sohn
Thurstan, der Dorfpfarrer von Helmsby
Eanfled, seine Frau
Agilbert, der Steward
Hildebert, sein Sohn und Nachfolger
Hakon Gunnarsson, Ælfrics dänischer Gefangener
Emma von der Normandie*, Königin von England
Ethelred* »der Unberatene«, König von England, Emmas 1. Gemahl
Edward*, ältester Prinz aus Ethelreds zweiter Ehe mit Königin Emma
Godgifu*, Prinzessin aus Ethelreds zweiter Ehe mit Königin Emma
Alfred*, jüngerer Prinz aus Ethelreds zweiter Ehe mit Königin Emma
Athelstan*, Kronprinz aus Ethelreds erster Ehe
Edmund* »Eisenseite«, Prinz aus Ethelreds erster Ehe und König von England
Edith*, seine Frau
Edward* »der Exilant« und Edmund* Ætheling, ihre Söhne
Edwig* »Wolfszahn«, noch ein Prinz aus Ethelreds erster Ehe
Knud »der Große«*, König von Dänemark, England und Norwegen, Emmas 2. Gemahl
Hardeknud*, Knuds und Emmas Sohn
Gunhilda*, Knuds und Emmas Tochter
Ælfgifu of Northampton*, Knuds Gemahlin (zeitgleich mit Emma)
Sven*, ihr Sohn
Harold »Hasenfuß«*, ihr Sohn
Edlynn of Compton, Königin Emmas Hofdame
Mildred of Compton, ihre Schwester
Edric »der Raffer«*, Ealdorman of Mercia
Ulfcytel »der Kühne«*, Ealdorman of East Anglia
Thorkil »der Lange«*, Anführer der Jomswikinger und Earl of East Anglia
Erik »der Troll« Hakonsson*, Earl of Northumbria
Godwin Wulfnothsson*, Earl of Wessex
Harold Godwinson*, sein Sohn
Rowena of Bosham, Godwins Halbschwester
Edith »Schwanenhals«*, Thorkils Tochter und Harolds Frilla, seine Ehefrau nach dänischem Recht ohne kirchlichen Segen
Leofric, Earl of Mercia*, der vornehmlich wegen seiner Frau Godiva* berühmt geworden ist, deren Geschichte im Roman aber leider keinen Platz hatte
Eilmer of Malmesbury*, ein abenteuerlustiger Mönch
Ælfsige*, Abt von Peterborough
Lyfing*, Erzbischof von Canterbury
Wulfstan*, Erzbischof von York
Ednodus*, Erzbischof von Canterbury
Ælfric »der Bussard« of Patrington*, Erzbischof von York
Stigand*, Hofkaplan, Bischof von Winchester, Erzbischof von Canterbury und vielleicht Königin Emmas Geliebter
Eadsige*, Erzbischof von Canterbury
Gunnor*, Herzogin der Normandie, Königin Emmas Mutter
RichardII.*, ihr Sohn, Herzog der Normandie
Robert*, Erzbischof von Rouen, ebenfalls ihr Sohn
RichardIII.*, Sohn RichardsII., Herzog der Normandie
RobertI.*, ebenfalls ein Sohn RichardsII., genannt »der Prächtige« oder »der Teufel«, je nach Geschmack, Herzog der Normandie
Herlève de Falaise*, RobertsI. Frilla
William*, genannt »der Bastard« oder »der Eroberer«, je nach Geschmack, Sohn RobertsI. und Herlèves de Falaise
Osbern de Crépon*, Herzogin Gunnors Neffe und Kämmerer
Jehan de Bellême, Herzog Roberts Gefolgsmann und Williams Beschützer
Walter de Falaise*, Herlèves Bruder und ebenfalls Williams Beschützer
Als die Nachricht zu den Schiffen kam, wo der König sich aufhielt, herrschte nichts als Bestürzung. Doch der König ging einfach heim und gab all die Schiffe leichtfertig auf.
Angelsachsenchronik 1009
»Du wirst tun, was ich sage, oder ich verkaufe deinen Bengel in die Sklaverei, Ælfric, ich schwör’s bei Gott.«
Ælfric spürte ein Durchsacken in der Magengegend, denn er wusste, es war seinem Onkel todernst mit dieser Drohung. Er biss die Zähne zusammen, damit seine Furcht sich nur ja nicht auf seinem Gesicht abmalte. Es war eine Kunst, in der er lebenslange Übung besaß.
Penda stand neben ihm und blickte zu ihm auf, die stahlblauen Augen riesig und voller Unruhe. Ælfric schob ihn hinter sich, als könne er ihn mit seinem breiten Kreuz beschützen, und der Sechsjährige klammerte eine Hand in das Hosenbein seines Vaters.
Ælfric sah seinem Onkel in die Augen. »Du hast kein Recht, den Gefangenen zu fordern, denn er gehört mir.« Er rang darum, ruhig zu klingen und seinen Zorn ebenso zu verbergen wie seine Furcht, denn sein Onkel war ein Mann, der jeden Widerspruch für Respektlosigkeit hielt und Respektlosigkeit mit Grausamkeit ahndete.
Doch noch ehe Onkel Dunstan antworten konnte, trat dessen Sohn einen halben Schritt vor. »Er kann von dir fordern, was immer ihn gut dünkt, denn er ist der Thane of Helmsby«, sagte er schroff. »Eine Tatsache, an die man dich anscheinend immer wieder erinnern muss, Vetter. Woran liegt das nur?«
»So wie man dich ständig daran erinnern muss, dich nicht in Dinge einzumischen, die dich nichts angehen, Offa«, konterte Ælfric. »Woran liegt das nur?«
Leises Gelächter plätscherte hier und da durch die dämmrige, verräucherte Halle, wo die Männer des Thane mit ihren Familien beim Frühstück saßen.
Offas sonderbar bartlose Wangen röteten sich. »Du verfluchter …«
Doch sein Vater brachte ihn mit einer gebieterisch erhobenen Hand zum Schweigen, ohne Offa auch nur eines Blickes zu würdigen. Nicht zum ersten Mal kam Ælfric der Verdacht, dass der Thane für seinen einzigen Sohn und Erben nicht mehr übrighatte als für den Rest der Welt.
»Der König hat ein neues Heregeld erhoben, um seine Söldnerarmee zu bezahlen, die die Dänen zurück übers Meer jagen soll«, erklärte der Thane seinem Neffen nüchtern. »Helmsby musste dreißig Pfund aufbringen, und darum brauchen wir Geld. Dein Gefangener ist ein gesunder, bärenstarker junger Kerl und wird auf dem Sklavenmarkt in Norwich zwei Pfund einbringen. Also gib ihn heraus. Du schuldest deiner Familie Loyalität, Ælfric, vergiss das nicht. Und Helmsby.«
Einen Moment sahen sie sich in die Augen. Dunstans waren dunkel, wirkten im matten Dämmerlicht schwarz, und das Lodern darin war kein Widerschein des Herdfeuers. Es gab nicht gerade viel, das Onkel Dunstan entflammen konnte, denn der war ein nüchterner, grüblerischer Mann. Doch er brannte für Helmsby, den Stammsitz seines Hauses. Und Ælfric wusste, dass der Thane ganz und gar erbarmungslos war, wenn es darum ging, Helmsbys Sicherheit zu wahren und seinen Wohlstand zu mehren. Ælfric verstand auch, dass man so sein musste, um in kriegerischen Zeiten wie diesen einen Landsitz mit vier Dörfern und ein paar Hundert Bauern zu schützen. Und er ahnte, dass es diese schier unlösbare Aufgabe war, die seinen Onkel so hart und bitter gemacht, sein Gesicht wie eine Felslandschaft zerfurcht und sein Haar vor der Zeit weiß und schütter gemacht hatte. Trotzdem schauderte Ælfric, als er in den schwarzen Augen las, wozu sein Onkel fähig war.
Und was ist mit deiner Loyalität gegenüber der Familie?, hätte er ihn gern gefragt, doch er sparte seinen Atem. Für ein, zwei Herzschläge hielt er den Blickkontakt noch. Dann nickte er knapp, hob Penda hoch und setzte ihn sich auf die Schultern. »Es muss einen besseren Weg geben, Onkel.«
Und damit wandte er sich ab.
»Untersteh dich, uns hier einfach so stehen zu lassen, Ælfric, was fällt dir ein!«, schnauzte Offa in seinem Rücken.
Ælfric ignorierte ihn und ging mit langen Schritten zur Tür in der gegenüberliegenden Stirnwand. Aus dem Augenwinkel sah er die Blicke der Männer an den Tischen links und rechts: manche respektvoll, andere neugierig, die meisten undurchschaubar und grimmig, und mit einem Mal war es so still in der Halle geworden, dass das Rascheln der Binsen unter seinen Schuhen ihm eigentümlich laut erschien.
Ælfric stieß den rechten Flügel der schweren Tür auf und trat in den sonnigen, windigen Herbsttag hinaus, während Penda auf seinen Schultern routiniert den Kopf einzog, um nicht an den Türsturz zu stoßen.
Sie überquerten die ewig schlammige Wiese im Innenhof, vorbei am Backhaus, dem Brunnen und dem Viehstall und gelangten auf der Westseite zum Tor in der gewaltigen Buchenhecke, welche die Halle von Helmsby umfriedete. Auf der linken Seite des Haupttors ragte ein überdachter Wachturm auf, wo einer der Männer des Thane Tag und Nacht Ausschau nach Rauchsäulen am Horizont oder anrückenden Feinden hielt. Hildebert, der Sohn des Stewards, stand dort oben und winkte ihnen zu. Dann machte er Eselsohren links und rechts an seinem Kopf und streckte die Zunge heraus, sodass Penda lachen musste.
Erst als sie jenseits des Tores den schmalen Pfad Richtung Dorf einschlugen, fragte der Junge: »Ist der Thane böse auf uns, Vater?«
»Auf mich«, verbesserte Ælfric. »Auf dich nicht.«
»Aber er hat gesagt, er will mich in die Sklaverei verkaufen«, widersprach sein Sohn.
Ælfric musste für einen Moment die Augen zukneifen und nahm die kleinen, mäßig sauberen Hände des Jungen in seine. »Ich weiß.«
»War es nur Spaß?«
Ælfric antwortete nicht sofort.
Mit fünfzehn war er Vater geworden, selbst noch ein Knabe, wie er heute oft dachte, auch wenn er vor dem Gesetz mündig gewesen war. Sein eigener Vater war sieben Monate vor Ælfrics Geburt in der großen Schlacht bei Maldon gefallen, und so war das einzige Vorbild, das Ælfric gehabt hatte, ausgerechnet das, welchem er auf keinen Fall folgen wollte: sein Onkel Dunstan. Also hatte er andere Väter und ihre Söhne beobachtet, um zu lernen, wie ein Vater sein sollte, die Bauern im Dorf genauso wie die Männer des Heorthwerod – der Herdtruppe –, die im Dienst seines Onkels standen, ihm in die Schlacht folgten und mit ihren Familien in dessen Halle lebten. Zu den vielen guten Vorsätzen, die Ælfric gefasst hatte, zählte auch der, dass er seinen Sohn niemals belügen wollte. Kinder wurden viel zu oft angelogen, fand er, denn die Welt war nun einmal grausam, und das konnte man gar nicht früh genug lernen, weil man darauf vorbereitet sein musste. Wie die meisten seiner Vorsätze hatte er auch diesen dann und wann gebrochen, aber jetzt sagte er Penda die Wahrheit.
»Nein, es war kein Spaß. Der Thane braucht Geld. Dringend. Und weil die ständigen Kämpfe gegen die Dänen in den letzten Jahren alles aufgebraucht haben, was er hatte, ist er verzweifelt genug, sich an seinem eigenen Blut zu versündigen.«
»Hä?«
»Seinen Großneffen in die Sklaverei zu verkaufen, meine ich, statt seine Familie zu beschützen, wie das Gesetz und Gott es von uns fordern.«
»Aber ich bin doch noch viel zu klein für schwere Arbeit und würde gar nichts einbringen«, widersprach Penda mit diesem halb vorwurfsvollen, halb nachsichtigen Tonfall, den er für Erwachsene reserviert hatte, die Unsinn redeten.
»Doch, mein Sohn, du würdest jede Menge einbringen«, entgegnete Ælfric, und plötzlich verursachte der frische Oktoberwind ihm eine Gänsehaut auf den Armen. »Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Denn ich lasse nicht zu, dass es dazu kommt. Das weißt du, oder?«
»Natürlich, Vater«, beteuerte Penda hastig, doch man konnte hören, dass ihn Zweifel plagten. So klein er auch sein mochte, wusste er schon, dass das Wort des Thane in Helmsby Gesetz war.
Und Ælfric wusste es auch.
Der Pfad ins Dorf war auf beiden Seiten von Wiesen gesäumt, ehe er nach vielleicht hundert Schritten in ein Wäldchen eintauchte. Eine struppige Grasnarbe wuchs zwischen den zwei Furchen, die Ochsenkarren in die schwarze, feuchte Walderde gegraben hatten. Die Luft war erfüllt von würzigen Herbstdüften, und die Oktobersonne schien durch das schon lichte Laubdach und ließ sein Rot, Braun und Gelb leuchten, während der frische Wind die bunten Blätter abriss und am Boden in raschelnden Wogen vor sich hertrieb. Lachend versuchte Penda, die fallenden braunen Eichenblätter einzufangen, ehe er nach rechts auf den Wegrand zeigte. »Sieh mal, Vater! Ein Fliegenpilz!«
Ælfric blieb stehen, hob den Jungen von den Schultern und stellte ihn auf die Füße. Andächtig bewunderten Vater und Sohn das leuchtend rote Prachtexemplar mit den weißen Flecken, die wie winzige Hagelkörnchen aussahen.
»Cnebba sagt, in jedem Fliegenpilz wohnt ein Wichtel«, berichtete Penda.
Cnebba war der älteste Krieger in Helmsby. Er ritt nicht mehr mit dem Thane in die Schlacht, sondern saß meist in der Halle am Feuer, erzählte den Kindern Märchen und den Männern Geschichten von den großen Taten ihrer Väter, die, so argwöhnte Ælfric, dann und wann auch dem Märchenreich entstammten.
»Und was glaubst du?«, fragte er seinen Sohn.
»Ich denke, man müsste Fenster oder wenigstens eine kleine Tür im Pilz sehen, wenn es stimmte«, antwortete Penda weltmännisch. »Aber vielleicht essen die Wichtel ja die Fliegenpilze.«
»Wie in aller Welt kommst du darauf?«
»Na ja, weil viele so angenagt aussehen. Wie der da.« Er wies auf einen ziemlich ramponierten Pilzhut weiter links. »Vielleicht können Wichtel ja essen, was für Menschen giftig ist. Sie sind ja ganz anders als wir.«
»Möglich«, räumte der Vater ein, und gemächlich setzten sie sich wieder in Bewegung. »Es heißt, die Berserker essen Fliegenpilze, um sich zu berauschen und schmerzunempfindlich zu machen.«
»Wer sind die Berserker?«, wollte Penda wissen.
»Die wildesten der Nordmänner. Sie kleiden sich in zottelige Bärenfelle und versetzen sich in Raserei, bis sie in ihre Schilde beißen, weil sie nicht wissen, wohin mit ihrer Wut.«
Penda musste lachen. »Und dann?«
»Dann fallen sie johlend über ihre Nachbarn oder andere Nordmänner und besonders deren Frauen her. Weder Schwert noch Feuer hält sie auf. Nur niederknüppeln kann man sie, wenn man es schafft, lebend nah genug an sie heranzukommen.«
»Unsere Krieger sollten auch Fliegenpilze essen, ehe sie gegen die Dänen ziehen«, schlug Penda vor. »Dann würden sie bestimmt nicht so oft verlieren.«
»Vielleicht. Aber kein Rausch hilft gegen einen feigen Zauderer auf dem Thron.«
Penda zog erschrocken die Luft ein. »Aber so was darf man doch nicht über den König sagen, Vater!«, schalt er.
»Nein, ich weiß«, stimmte Ælfric reumütig zu. Er zerzauste ihm den lockigen Blondschopf, dankbar, dass der Junge die furchtbare Drohung des Thane schon vergessen zu haben schien.
Es war nur eine halbe Meile von der Halle ins Dorf, und als die Bäume zurückblieben, führte der Pfad zwischen zwei lang gezogenen Äckern hindurch. Auf dem linken säten die Sklaven des Thane unter den strengen Blicken des Stewards Hafer. Auf dem Feld rechts des Weges ging es weitaus fröhlicher zu. Es gehörte Grimbald, einem der angesehensten Bauern in Helmsby, der mit seinen Söhnen und Knechten zusammen die Wintergerste in die Erde brachte. Er winkte Ælfric und Penda von der Feldmitte aus zu und brüllte: »Wie wär’s mit einem Schluck Met?«
»Ist das ein Angebot oder ein Auftrag?«, rief Ælfric zurück.
Grimbald lachte dröhnend. »Wofür hältst du mich, Ælfric, mein Junge? Meine Goda hat uns eben einen Krug gebracht. Herrlich süffig und genug für uns alle.«
»Danke, Grimbald, aber ich muss heute passen.«
Der gutmütige Bauer hob ergeben beide Hände. »Manchen Leuten ist eben nicht zu helfen …«
Ælfric und Penda schlenderten weiter, vorbei an den ersten Katen, welche die Bauern mit ihren Familien und ihrem Vieh bewohnten und die inmitten heckengesäumter Obst- und Gemüsegärten standen. Das ungefähre Zentrum des Dorfes bildete die hölzerne St.-Wulfstan-Kirche, die das Ziel ihres Weges war.
St. Wulfstan war ein liebevoll gezimmertes, hübsches Kirchlein, unter dessen Altar eine Reliquie des Heiligen verwahrt wurde, den jenseits von Yare und Ouse niemand kannte, den hier aber alle Menschen glühend verehrten. Seine Kirche war indes ein wenig zu klein geraten, und wenn sonntags die Bauern mit ihren Familien und der Thane mit seinem gesamten Haushalt die Messe besuchten, standen die Leute dichter als Heringe im Fass.
Gleich neben der Kirche lebte Vater Thurstan mit seiner Familie in einem Häuschen, das den Katen der Bauern nicht unähnlich war, und jenseits des Gartens lugten die ersten Kreuze des Friedhofs über die niedrige Buchenhecke.
Eanfled, Vater Thurstans Frau, war dabei, mit ihrer Kinderschar Haselnüsse und die letzten Brombeeren zu ernten.
»Ah, Ælfric.« Sie richtete sich auf und strich sich lächelnd mit dem Handgelenk eine honigblonde Haarsträhne von der Wange. Sie trug ein langärmeliges Unterkleid aus ungefärbtem Leinen, darüber ein ärmelloses Trägerkleid aus waidblauer Wolle mit einem geflochtenen Gürtel, dazu ein pfiffig gebundenes Kopftuch gleicher Farbe. Sie war zwanzig Jahre jünger als der Pastor und hübsch genug, dass Ælfrics Herz regelmäßig stolperte, wenn er sie sah.
»Eanfled.«
»Und Penda!«, rief sie aus, als hätte sie den kleinen Jungen gerade erst entdeckt. »Ich nehme an, du möchtest keine Brombeere?«
»Doch!«, bekundete Penda entschieden und lief zu ihr hinüber. Er steckte sich die fette, schwarze Beere in den Mund, die sie ihm reichte, und sah sich suchend um. »Wo ist Pinsel?«, fragte er kauend.
Pinsel war das zahme Eichhörnchen der Pfarrerskinder.
Elga, Eanfleds achtjährige Tochter, pflückte die Haselnüsse im Nachbarstrauch geschickt und schnell mit beiden Händen und ließ sie in den kleinen Korb fallen, den sie an ihren Gürtel gebunden hatte. »Wir haben ihn den ganzen Tag noch nicht gesehen. Er hat jetzt viel zu tun und muss Vorräte für den Winter sammeln.« Sie überlegte einen Augenblick und fügte dann hinzu: »Genau wie wir.«
»Geh nur hinein, Ælfric«, lud Eanfled ihn ein. »Er wartet schon auf dich. Penda kann hierbleiben und uns helfen.«
Ælfric nickte ihr zu und trat ins Haus. Drinnen war es dämmrig, denn die Küche – der Hauptraum der Kate – hatte nur ein einziges kleines Fenster, das halb vom Haselstrauch zugewachsen war.
»Thurstan?«
»Ich bin hier.« Der hagere Priester kam aus der angrenzenden Schlafkammer und zog unter der Tür den Kopf ein, denn er war groß – einer der wenigen Männer in Helmsby, die nicht zu Ælfric hochschauen mussten. Er legte dem jüngeren Mann für einen Augenblick die Hand auf den Arm und wies dann einladend auf die Küchenbank. »Was hat er gesagt?«
»Dass er Penda in die Sklaverei verkauft, wenn ich ihm den Dänen nicht gebe.«
Thurstan setzte sich ihm gegenüber auf einen Schemel und bekreuzigte sich. »Das ist gegen das Gesetz.«
»Wirklich?«, erwiderte Ælfric stirnrunzelnd. »Aber selbst wenn. In East Anglia ist niemand mehr übrig, um das Gesetz des Königs aufrechtzuerhalten.«
»Nein«, stimmte Thurstan zu. »Darum herrschen Gottlosigkeit und Habgier, und die Furcht vor dem nächsten Dänenüberfall macht die Menschen gnadenlos. Auch deinen Onkel.«
Ælfric starrte auf die buckelige Tischkante hinab. »Ich weiß. Deswegen brauche ich deine Hilfe.« Er blickte auf. »Schon wieder.«
»Du kannst dir meiner Hilfe immer gewiss sein. Was in meiner Macht steht, werde ich tun, das weißt du. Und es besteht kein Grund, mir zu danken. Dein Vater hat mir bei Maldon das Leben gerettet, ich schätze, das habe ich dir schon hundert Mal gesagt.«
Ælfric schüttelte den Kopf. »Öfter.«
Sie tauschten ein Grinsen.
Vor zweiundzwanzig Jahren war Thurstan als tatendurstiger Krieger mit dem jungen Thane of Helmsby – Ælfrics Vater – und dem guten Dutzend seiner Herdtruppe in die Schlacht gezogen. Er als Einziger war zurückgekehrt. Und irgendwo unterwegs auf dem langen, einsamen Heimweg hatte Thurstan zu Gott gefunden.
Es war die katastrophalste all der verlorenen Schlachten gegen die dänischen Seefahrer gewesen. Lord Byrthnoth, der Ealdorman of Essex, hatte zu den Waffen gerufen, um die englische Küste gegen die einfallenden Wikinger zu verteidigen. Aber die Dänen waren über viertausend Mann stark, und den nicht einmal tausend Engländern blieb wieder einmal nur der Heldentod. So groß waren indes die Ruhmestaten von Byrthnoth und seinen furchtlosen angelsächsischen Kriegern, dass noch heute Lieder über diese Schlacht gesungen wurden. Und so erdrückend war die Niederlage gewesen, dass König Ethelred den Dänen zum ersten Mal Geld gezahlt hatte, damit sie sein Land verschonten und heimsegelten. Zehntausend Pfund in Silber. Zehntausend Pfund … Und die Dänen hatten das Silber dankend genommen, waren davongesegelt und drei Jahre später zurückgekommen.
»Also?«, fragte der Priester, angelte den Alekrug von der nahen Herdbank und schenkte zwei der Holzbecher voll, die hier immer in der Tischmitte bereitstanden. »Was hast du vor?«
Ælfric antwortete nicht direkt. »Du hast meinen Dänen gesehen. Seine Waffen, sein Pferd. Er ist ein Mann von Rang, oder?«
Thurstan wiegte den Kopf hin und her. »Das ist bei den Dänen immer schwer zu sagen. Auch die Einfachsten unter ihnen erbeuten kostbare Waffen und Pferde, mit denen sie sich dann schmücken. Außerdem ist er jung. Nicht älter als du, würde ich schätzen. Aber …« Er zögerte.
»Aber?«
»Etwas an seiner Haltung. Der Hochmut, diese … Kühnheit in seinem Blick. Ja, ich nehme an, du hast recht. Er ist ein Mann von Rang.«
»Hm«, machte Ælfric. »Dann wäre es ein Fehler, ihn in Norwich auf dem Markt zu verscherbeln, um Helmsbys Beitrag zum Heregeld zu bestreiten. Er muss vor den Ealdorman of East Anglia oder wenigstens vor den Shire-Reeve gebracht werden, damit sie herausfinden können, wer er ist und wie mit ihm zu verfahren ist. Wer weiß, womöglich zahlt der verfluchte dänische König ein Lösegeld für ihn.«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Die Dänen zahlen kein Lösegeld. Nicht ihre Art. In Gefangenschaft zu geraten ist in ihren Augen eine Schande. Und wer sich entwaffnen und gefangen nehmen lässt, statt ehrenvoll zu fallen, muss sich selbst helfen, um seine Ehre wiederherzustellen, verstehst du? Ich frage mich immer noch, wie du das angestellt hast. Wie konntest du ihn überwältigen?«
Ælfric winkte ungeduldig ab. »Er ist ein gewöhnlicher, sterblicher Mann, kein Kriegsgott aus alten Liedern. Und man kann jeden Mann überwältigen, wenn man schnell genug ist. Na schön, ich hatte auch Glück.«
Er war allein auf der Jagd gewesen, hatte sein Pferd an einen Baum gebunden und zu Fuß die Fährte eines Rehbocks verfolgt, der ihm jedoch entwischt war. Als er zurückkam, war der einsame dänische Reiter in der kostbaren Rüstung gerade abgesessen und schickte sich an, Ælfrics Pferd zu stehlen. Sein Helm baumelte am Sattelknauf. Vielleicht hatte er ihn abgenommen, weil es ein warmer Tag war. Jedenfalls war er ungeschützt und abgelenkt, sodass Ælfric sich unbemerkt anschleichen konnte. Und als er einen halben Schritt hinter dem jungen Dänen stand, hatte er gefragt: »Was hast du mit meinem Gaul zu schaffen?«
Erwartungsgemäß war der Däne herumgewirbelt, die knochige Rechte am Heft, doch ehe er das Schwert auch nur halb aus der Scheide ziehen konnte, hatte Ælfric ihn mit einem Fausthieb an die Schläfe niedergestreckt. Und dann hatte er da im raschelnden Laub gelegen, der junge dänische Krieger – bewusstlos, bleich, mit geschlossenen Lidern und eigentümlich wehrlos. Das hatte Ælfric so wütend gemacht, dass er sich nur mit Mühe davon abgehalten hatte, dem Besinnungslosen da und dort die Kehle durchzuschneiden.
Stattdessen hatte er ihm die Waffen abgenommen, die Hände mit Bogensehne gefesselt und ihn nach Einbruch der Dunkelheit zu Thurstan gebracht, weil er keine Ahnung hatte, was er mit ihm anfangen sollte.
»Wie dem auch sei«, sagte der Priester nun und hob kurz die Linke. »Der Shire-Reeve von Norfolk ist Wigulf of Swaffham, der ein alter Freund deines Onkels ist. Also wäre es vermutlich ein Fehler, zu ihm zu gehen. Und der Ealdorman of East Anglia …« Er brach seufzend ab.
»Was ist mit ihm? Ist er ein Schurke?«
»Im Gegenteil. Sein Name ist Ulfcytel, und er ist einer der tapfersten Männer, die wir haben. Aber deswegen ist er im Süden und kämpft gegen die Dänen und ihren König Sven, Gott versenge seinen Gabelbart und verfluche seine Seele.«
»Aber, aber, Vater …«, spöttelte Ælfric. Dann drehte er versonnen seinen Becher zwischen den Händen. »Ich wünschte, Ealdorman Ulfcytel hätte Helmsby zu den Waffen gerufen. Ich wünschte, der Thane würde uns auch gegen die Dänen und ihren teuflischen König Sven in den Kampf führen, statt in seiner Halle zu sitzen und ins Feuer zu starren und einfach gar nichts zu tun.«
»Ja, ich weiß, Ælfric«, antwortete Thurstan. »Aber die Wahrheit ist, dein Onkel ist des Kämpfens müde.«
Ælfric schnaubte verächtlich.
»Denk nicht, er wäre der Einzige«, fuhr der Pfarrer fort. »Viele Männer in England haben es satt, jeden Frühling aufs Neue die Segel der dänischen Schiffe an ihrer Küste auszumachen oder die dänischen Horden johlend und brennend in ihre Dörfer und Hallen einfallen zu sehen und ihr Blut im Kampf gegen sie zu vergießen, während der König auf seinem Thron hockt und anscheinend nie etwas anderen tut, als Geld von seinen Untertanen zu fordern, um entweder die Dänen zu bestechen oder die Söldner zu bezahlen, die uns dann doch nie beschützen. König Ethelred hat … vollkommen versagt.«
Man konnte merken, dass Thurstan nur mit Mühe seinen Zorn im Zaum hielt, denn auch er war es leid, die Menschen in Helmsby und in ganz East Anglia in ständiger Angst und Not leben zu sehen. Darüber hinaus war der glücklose Ethelred schon bei der Schlacht von Maldon König gewesen und hatte auch dort durch Abwesenheit geglänzt.
»Vielleicht wird es Zeit, dass Ethelred den Thron für einen seiner Söhne räumt«, schlug Ælfric vor.
»Davon hat er ja reichlich«, gab Thurstan zurück. »Aber taugen sie mehr als er? Was haben die Prinzen bislang getan, um uns vor den ständigen Überfällen zu beschützen?« Er legte den knochigen Unterarm auf den Tisch und neigte sich ein wenig vor, als wolle er Ælfric ein Geheimnis anvertrauen. »Es gibt Männer in England, die denken, dass Sven Gabelbart vielleicht der bessere neue König von England wäre.«
Ælfric trank einen Schluck und fragte dann: »Sollte ich jetzt empört aufspringen und dich darauf hinweisen, dass es Verrat ist, so etwas auch nur auszusprechen?«
Thurstan verzog einen Mundwinkel. »Das kannst du halten, wie du willst. Aber wenn Sven England gewonnen hat, wird er es nicht mehr ständig überfallen. Doch wenn ein anderer es versuchte, wäre Sven stark und kriegerisch genug, das Land zu verteidigen. Und der Schrecken hätte ein Ende.«
Ælfric stierte verdrossen in seinen Becher. »Und ist es das, was mein Onkel denkt? Zieht Helmsby deswegen nicht gegen die Dänen?«
»Es würde allerhand erklären, oder?«
»Nun, wenn es so ist, will ich mir kein Urteil über die mangelnde Königstreue des Thane anmaßen«, log Ælfric. »Aber auf diesem Weg könnte ich ihm nicht folgen.«
»Warum nicht?«
»Weil es ehrlos ist.« Ælfric dachte einen Augenblick nach. »Und weil es das Opfer meines Vaters und all der anderen Gefallenen sinnlos machen würde.«
Thurstan schüttelte den Kopf. »Du musst achtgeben, dass du nicht all deine Entscheidungen für deinen Vater oder sein Andenken triffst. Denn er ist tot und kehrt nicht zurück, ganz gleich, was du tust. Du musst dein Leben leben.«
Ælfric wischte den Einwand mit einer knappen Geste beiseite. »Aber ist es denn nicht das Vorbild der Väter und Vorväter, das uns zeigt, welchen Weg wir gehen sollen?«
»Du hast recht, Vorbilder und das Wort Gottes weisen uns den Weg. Aber nur Letzteres ist unfehlbar. Und wenn Erstere seit Generationen immer wieder in die Katastrophe geführt haben, dürfen wir dann nicht zweifeln? Ist es nicht das, wofür Gott uns einen Verstand und freien Willen gegeben hat? Also ist es wirklich so verwerflich, wenn der Thane sich die Frage stellt, ob Helmsby und ganz England mit einem dänischen König nicht eventuell besser gedient wäre?«
Ælfric verschränkte die Arme auf der Tischplatte. »Wozu will er dann meinen Dänen oder meinen Sohn oder womöglich alle beide in die Sklaverei verkaufen für König Ethelreds verfluchtes Heregeld?«
Thurstan wies mit dem Zeigefinger auf Ælfric. »Gute Frage.«
Der Haselstrauch vor dem Fenster raschelte, und im nächsten Moment schwang Pinsel sich von einem der Zweige auf den Fensterrahmen. Mit einem beherzten Satz landete er neben Ælfric auf dem Tisch, kletterte an seinem Arm empor und vollführte oben angekommen eine flinke Drehung, sodass der buschige Schwanz über Ælfrics bärtige Wange fegte. Grinsend hob der junge Mann das putzige Kerlchen von seiner Schulter und setzte es auf dem Tisch ab. »Du bist ein richtiger Draufgänger, he?«
Pinsel steckte frech die Nase in seinen Becher.
»Genau wie du«, bemerkte der Pfarrer, hob das Eichhörnchen vom Tisch und stellte es auf den festgestampften Lehmboden, wo es in unschwer durchschaubarer Absicht zwischen die Vorratsfässer am Herd huschte. »Dein Onkel ist ein harter und verbitterter Mann, der vielleicht nicht immer nur gute Entscheidungen trifft. Aber du weißt genau, dass er stets das Beste für Helmsby und die Menschen hier will. Und du schuldest ihm nun einmal Loyalität und Respekt. Ich weiß, es ist dir noch nie leichtgefallen, dich ihm unterzuordnen, Ælfric, aber vielleicht musst du dir nur ein bisschen mehr Mühe geben.«
»Und als Nächstes wirst du sagen: ›Du musst auch an deinen Sohn denken, Ælfric.‹«
»An ihn und an deine unsterbliche Seele, denn deine Rebellion ist Überheblichkeit. Überheblichkeit ist Hochmut, und Hochmut eine Todsünde.«
Ælfric nickte knapp. »Du sagst, der Thane hat das Recht, die Ratschlüsse des Königs in Zweifel zu ziehen, aber wenn ich die Ratschlüsse des Thane in Zweifel ziehe, ist es Hochmut? Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen.« Er leerte seinen Becher mit einem ordentlichen Zug und stand auf. »Nun, ich schätze, ich werde Ealdorman Ulfcytel schon finden. So groß kann England schließlich nicht sein, oder? Und Penda werde ich mitnehmen.«
»Bist du noch bei Verstand? Du willst ein fünfjähriges Knäblein mit auf eine Reise ins Ungewisse nehmen?«
»Er ist sechs.«
»Ælfric, sei vernünftig, du kannst nicht ein Kind und einen Gefangenen hüten, das ist Irrsinn. Lass den Jungen hier. Ich sorge schon dafür, dass der Thane ihn zufriedenlässt.«
»Der Thane vielleicht«, gab Ælfric zurück. »Aber Offa gewiss nicht.«
Auf dem Rückweg machten sie einen kleinen Umweg über den Friedhof, wo Goldhaarastern und Kronwicken im langen Gras blühten und der Efeu an den Grabsteinen und den teils krude, teils vortrefflich gezimmerten Holzkreuzen emporkletterte. Im Schatten einer einsamen Ulme blieben sie an einem der Gräber stehen und bekreuzigten sich im selben Moment.
Ælfric blickte zu der stachligen Hagedornhecke hinüber, die zwischen Kirche und Gottesacker breit und ungepflegt wucherte. Das herbstbunte Laub leuchtete in Gelb- und Kupfertönen, betupft mit dem satten Rot der Beeren.
Derweil setzte Penda sich im Schneidersitz ins Gras. »Gott segne dich, Mutter«, grüßte er und erzählte ihr dann von Eanfleds Brombeeren, von Pinsels Kletterkünsten und davon, dass der Thane wütend auf Vater sei.
»Gott segne dich, Leofrun«, sagte auch Ælfric, dem es hier im Gegensatz zu seinem Sohn immer unbehaglich zumute war. Denn ganz gleich, wie sehr er sich bemühte, er konnte sich einfach nicht mehr an Leofrun erinnern.
Sie waren beide vierzehn gewesen, als er sie in der Walpurgisnacht zur Feenquelle gelotst und zum Klang des sachten Plätscherns unter dem drallen Milchmond verführt hatte. Ein Bauernmädchen aus Helmsby mit langen weizenblonden Zöpfen, knochig und mager nach einem Hungerwinter. Er entsann sich, dass er im Mondlicht jede einzelne ihrer Rippen hatte sehen können, als er ihren Kittel über die Schultern abwärts streifte. Aber das Gesicht, die Augen, der Klang ihrer Stimme oder das Gefühl ihres Körpers unter dem seinen – all das hatte er vergessen, und das beschämte ihn.
Als sie ihm kurz nach Beginn der Erntezeit gestanden hatte, dass sie schwanger war, hatte er sie geheiratet. Der Thane hatte ihn in die Scheune geführt und mit einer Weidenrute verprügelt, um ihm das Vorhaben auszutreiben, aber Ælfric hatte Leofrun trotzdem geheiratet. Er war mündig, und sie war die Tochter eines freien Mannes und obendrein schwanger, darum konnte der Thane es nicht verbieten. Aber bis auf den heutigen Tag war Ælfric nicht sicher, ob er es getan hatte, um eine anständige Frau aus Leofrun zu machen oder um seinem Onkel die Stirn zu bieten. Ganz gleich, wie oft und wie lange er über diese Frage gegrübelt hatte, er fand nie eine Antwort. Und dann war Leofrun in einer bitterkalten Januarnacht bei Pendas Geburt verblutet.
Die Frauen hatten ihn nicht zu ihr gelassen, aber er hatte vor der Kate im knöchelhohen Schnee gestanden mit klappernden Zähnen und einem Knoten im Bauch, bis ihre Schreie verstummten und die Tür sich schließlich öffnete. Die zahnlose alte Hebamme hatte ihn hereingewinkt, und Ælfric war so steif gefroren, dass er über die Türschwelle gestolpert und der Länge nach hingeschlagen war. Er landete mit dem Gesicht im dreckstarrenden Bodenstroh und erahnte im gelblichen Schimmer der Binsenlichter einen Haufen blutiger Lumpen genau vor seiner Nase. Erschrocken war er aufgesprungen und hatte instinktiv die Arme ausgestreckt, als eine der Frauen ihm den unvorstellbar winzigen Säugling hinhielt. Ungeschickt hatte Ælfric ihn auf den linken Arm gebettet und die Rechte um den Kopf mit dem goldschimmernden Flaum gelegt und sich gefragt, was passieren würde, wenn er ihn fallen ließe, und erst da hatte er die reglose Gestalt auf dem Bett mit dem Laken über dem Gesicht entdeckt.
»… und Alric hat Guthric beim Haschen ein Bein gestellt, und Guthric ist mit dem Gesicht gegen die Stallwand gefallen, und seine Nase hat geblutet und geblutet und geblutet und ist ganz krumm seitdem«, berichtete Penda. »Und Alric hat gesagt, er bricht mir mehr als nur die Nase, wenn ich ihn verpetze. Das wollte ich ja gar nicht, aber jetzt hält er mich bestimmt für einen Feigling, wenn ich es nicht tue.« Empört stieß er die Luft aus, schien noch einen Moment zu überlegen und nickte dem Grabkreuz dann zu. »Ich glaub, das war alles. Mehr hab ich heute nicht zu erzählen, Mutter.« Er sah zu seinem Vater hoch. »Fertig.«
Ælfric streckte ihm die Hand entgegen. Penda sprang auf die Füße und legte die Linke in die Rechte seines Vaters, aber Ælfric führte ihn nicht gleich zurück zum Pfad. Stattdessen hob er ihn auf seinen Arm, sodass sie Auge in Auge waren. »Jetzt hör mir gut zu, Penda.«
Große, stahlblaue Augen blickten ihn unverwandt an. Vertrauensvoll. »Ja?«
Ælfric atmete tief durch. »Wir gehen fort. Heute Nacht. Und du darfst keiner Menschenseele ein Wort davon sagen.«
Penda nickte feierlich. »Ist gut.«
»Ich mein’s ernst, mein Sohn. Ich weiß, es fällt dir schwer, ein Geheimnis zu bewahren, denn du bist redselig und offenherzig, aber heute darfst du das nicht sein. Schwöre mir hier an ihrem Grab bei der Seele deiner Mutter, dass ich dich ein paar Stunden allein lassen kann und bei meiner Rückkehr nicht feststellen muss, dass du dich verplappert hast.«
Ohne zu zögern, malte Penda mit dem rechten Daumen ein Kreuz auf sein Herz und hob dann die ausgestreckte Hand. »Ich schwöre bei der Seele meiner Mutter.«
Ælfric nickte. »Gut.«
Penda fragte nicht nach dem Zweck oder dem Ziel ihrer Reise. Was er wissen wollte, war: »Muss ich mich für immer von ihr verabschieden oder kommen wir irgendwann zurück?«
»Ich weiß es nicht«, musste Ælfric bekennen. »Ich hoffe, dass wir wieder heimkehren, aber ich kann es nicht versprechen.«
»Oh.« Penda nickte bedächtig. »In Ordnung.«
»Dann lass uns gehen. Es gibt noch viel zu tun.«
Doch der Junge zögerte. »Willst du … willst du dich denn nicht am Grab von deiner Mutter verabschieden?«
Das traf Ælfric unvorbereitet, denn bislang hatte der Junge noch niemals nach seiner Großmutter gefragt. Doch nach einem winzigen Zögern sagte er ihm auch in dieser Sache die Wahrheit: »Meine Mutter liegt nicht in Helmsby begraben. Womöglich lebt sie sogar noch. Die Dänen haben sie gestohlen, weißt du.«
Penda zog erschrocken die Luft ein und schlug sich die Linke vor den Mund. »Wann?«, kam es undeutlich hinter den kleinen Fingern hervor.
»Vor zehn Jahren.«
»Wie alt warst du da?«
Ælfric musste überlegen. »Elf.«
»Also schon groß.« Es klang erleichtert.
Ælfric lächelte. »Du hast recht.«
Er und sein gleichaltriger Vetter Offa – damals noch in inniger Freundschaft verbunden – hatten nach Jahren mit Kinderbögen und Holzstöcken endlich die ersten Übungsschwerter bekommen – stumpf natürlich, aber aus schwerem Stahl. Und sie lieferten sich damit von früh bis spät heldenhafte Zweikämpfe, erpicht darauf, so schnell wie möglich große Krieger zu werden. Denn wieder einmal war König Sven in England eingefallen.
Im Jahr zuvor hatte König Ethelred Befehl gegeben, alle Dänen in England zu töten, nachdem er ein Gerücht gehört hatte, diese hätten den Plan gefasst, ihn zu ermorden. Und so waren an Sankt Brictius, einem grauen, bitterkalten Novembertag, überall im Land englische Soldaten und der eine oder andere wütende Mob über dänische Siedlungen hergefallen und hatten die Bewohner abgeschlachtet. Keine Wikinger und Piraten, die mordend und brennend Englands Küsten heimsuchten, hatte Vater Thurstan Ælfric einmal mit Bitterkeit in der Stimme erklärt, sondern Handwerker und Bauern, die sich in England niedergelassen und englische Frauen geheiratet und ein ganz gewöhnliches Leben geführt hatten.
Mit der ihm eigenen Unzulänglichkeit hatte König Ethelred nicht einmal das Massaker an den ahnungslosen dänischen Siedlern ordentlich durchgeführt, denn längst nicht alle Dänen in England hatten ihr Leben verloren. Wohl aber Pallig Tokesson, der dänische Ealdorman of Devonshire – der dem englischen König stets treu gedient hatte – und seine Frau Gunnild. Unglücklicherweise war Gunnild die Schwester des dänischen Königs. Und so war es keine große Überraschung, dass Sven Gabelbart eine Flotte ausgerüstet hatte und im Frühling darauf in England eingefallen war, um Rache zu nehmen.
Wie der schwere Schlag eines Schmiedehammers hatte seine Rache Helmsby getroffen. Als der Thane mit seinen Männern ans Ufer des Ouse geritten war, um den feindlichen Schiffen aufzulauern, kamen die Dänen in ihrem Rücken zu Fuß durch die Fens und schlachteten alles ab, was sich rührte, egal ob Mensch oder Vieh. Ælfric und Offa hatten überlebt, weil Thurstan sie in dem Kellerloch unter der Falltür im Fußboden der Halle versteckt hatte, das normalerweise Diebe und sonstiges Gesindel beherbergte, bis sie zum Gerichtstag des Shire-Reeve gebracht wurden. Und so hatten sie dort im Dunkeln gehockt, hatten die Schreie und das Waffenklirren gehört und sich gefürchtet.
Als die Dänen abgezogen, der Thane und seine Männer zurückgekommen waren und die beiden Jungen aus ihrem Versteck geholt hatten, waren ihre Mütter verschwunden, genau wie alle anderen Frauen, Kinder und Sklaven, die kein sicheres Versteck gefunden hatten. Und danach war Helmsby ein anderer Ort geworden. Selbst als die verbrannten Katen und Vorratshäuser wieder aufgebaut waren, war es, als lägen immer noch bitterer Brandgeruch und graue Asche auf den Herzen der Menschen.
»Schande, diese dämliche Vettel hat den Hammel schon wieder verbrannt«, brummte Offa und warf den verkohlten Fleischklumpen zurück auf den Holzteller, von dem sich alle am Tisch bedienten.
»Hm?«, machte Ælfric an seiner Seite abwesend, streifte das Kotelett in der Linken mit einem Blick und nahm zum ersten Mal wahr, wie der Bissen schmeckte, den er im Mund hatte. Hastig schluckte er ihn herunter. »Du hast recht. Widerlich.«
»Die alte Hulda muss eine Schwäche für den Geschmack von verbranntem Fett haben«, befand Offa.
»Ihr solltet lieber dankbar sein, dass überhaupt Fleisch auf den Tisch kommt«, wies Cnebba sie zurecht, der sie und ihre Väter vor ihnen im Waffenhandwerk unterwiesen hatte und inzwischen fast blind und so steinalt war, dass es einem gruselig davon werden konnte.
»Du hast gut reden, Ohm«, konterte Offa. »Du bekommst alle Tage in Brühe getränktes Brot und weiche Hühnerleber, zahnloser Tattergreis, der du bist.«
»Ein schwacher Trost für die Qualen des Alters, glaub mir, Bübchen.« Aber der Schalk lauerte in seinen Mundwinkeln, und er aß das eingeweichte dunkle Brot mit sichtlichem Genuss.
Es war voll und laut in der großen Halle des Thane of Helmsby. Sie war ein imposanter Bau von zwanzig Schritt Länge und zwölf Schritt Breite. Die Pfosten und Riegel des Fachwerks waren mit einem Gemisch aus Stroh und Lehm ausgefacht, um Kälte und Feuchtigkeit draußen zu halten, und reich geschnitzte Stützpfeiler trugen das offene Giebeldach, wo der Qualm des Langfeuers durch zwei Öffnungen in den Strohschindeln entweichen konnte. Das zweiflügelige Eingangstor in der nördlichen Stirnwand war grün gestrichen und mit Jagd- und Kampfszenen bemalt. An der Südseite war mit einer Bretterwand über die gesamte Breite der Halle eine Kammer abgeteilt, die dem Thane als Schlafgemach und zur Aufbewahrung seiner Schatullen, Waffen und Kriegsbeute diente. Vor dieser Zwischenwand stand der lange Tisch, welcher der Familie und den Ratgebern des Thane vorbehalten war. Die Männer der Herdtruppe und ihre Familien wie auch das Gesinde hatten ihre Plätze an aufgebockten Tischen zwischen den Stützbalken an den Seitenwänden.
Die Talglichter auf den Tischen und das Langfeuer, über dem zwei Eintopfkessel und ein jetzt leerer Bratspieß hingen, rußten um die Wette. Die etwa vier Dutzend Menschen erfüllten die verräucherte Halle mit Stimmengewirr, aus dem dann und wann ein Fluch, ein Lachen oder Hundegebell hervorstachen. Doch trotz der Fülle und des Radaus war sie eine vornehme und eindrucksvolle Halle: Die Rundschilde des Heorthwerod, die entlang der Wände aufgereiht hingen, zierten sie mit ihrer bunten Bemalung und sprachen von der Wehrhaftigkeit der Bewohner, die bronzenen Becher auf der Familientafel schimmerten matt und wiesen dezent darauf hin, dass Dunstan of Helmsby kein armer Mann war.
»Und?« Offa ruckte herausfordernd das Kinn in Ælfrics Richtung. »Gibst du deinen Dänen nun heraus? Wie hast du dich entschieden?« Er schien eher neugierig als wütend.
»Noch gar nicht«, antwortete Ælfric und streifte den Thane zwei Plätze weiter mit einem kurzen Blick. Doch sein Onkel war in eine gedämpfte und dennoch hitzige Debatte mit Agilbert, seinem Steward, vertieft und hatte Ælfric seit Beginn der Mahlzeit mit völliger Missachtung gestraft.
»Wo ist er denn überhaupt, dein Däne?«, wollte Cnebba wissen. »Versteckst du ihn in der alten Schäferhütte auf der Ginsterweide? Oder in einer der Flachsrotten?«
»Nein und nein«, kam Offa Ælfrics Antwort zuvor. »Da habe ich nachgesehen.«
Bei Sankt Oswald, dachte Ælfric erschrocken. Er hatte die alte Hütte in Erwägung gezogen, denn sie war ein stabiles, fensterloses Blockhäuschen und lag weit außerhalb des Dorfes. Er hatte geglaubt, alle außer ihm hätten sie längst vergessen, weil die Ginsterwiese sumpfig geworden war und die Schäfer sie deshalb seit Jahren mieden.
»Vermutlich hat er ihn irgendwo tief im Wald an einen Baum gekettet oder Ähnliches«, fuhr Offa fort, hob den Becher an die Lippen und sah Ælfric über den Rand hinweg unverwandt an. Als er wieder absetzte, fügte er hinzu: »Und die viel interessantere Frage ist, wo steckt Penda?«
Ælfric biss von dem Hammel ab, damit er nicht antworten musste, und kaute mühsam.
»Ich schätze, er hat ihn bei Vater Thurstan gelassen«, sagte Cnebba. »Und das ist recht so, denn der Thane wird nicht wagen, ein unschuldiges Kind dort wegzuholen für seinen teuflischen Plan.«
»Halt dich raus, du alter Zausel«, knurrte Offa.
Cnebba schenkte ihm ein zahnloses Lächeln. »Ich kann sagen, was, wann und zu wem ich will, du Milchbart …«
Offa winkte gelangweilt ab und neigte den Kopf vertraulich Ælfric zu. »Ich an deiner Stelle würde dem Thane den Gefangenen geben, weißt du«, riet er gedämpft.
»Neue Drohungen, Vetter?«, gab Ælfric gelangweilt zurück.
»Ich mein’s nur gut mit euch«, beteuerte der. »Denn Vater ist es ernst, glaub mir.«
Ælfric warf sein Hammelkotelett den beiden zotteligen Jagdhunden zu, die vor der Tafel in Lauerstellung in den Binsen lagen. Beide erwachten augenblicklich zu Leben, sprangen auf und rangen knurrend und bellend um das Fleischstück.
Ælfric verschränkte die Finger auf der klobigen Tischplatte, strich mit dem rechten Daumen über den Goldring am linken und betrachtete seinen Vetter einen Augenblick. Offa war einen Kopf kleiner als er, aber kompakt und muskulös. Das glatte dunkelblonde Haar fiel auf massige Schultern, und die dunklen Augen waren fesselnd, wenn sie so mutwillig funkelten wie jetzt.
»Auf einmal so freundschaftlich, Vetter?«, fragte Ælfric. »Du musst mich für ziemlich beschränkt halten, wenn du glaubst, dass ich darauf hereinfalle.«
»Oh, du bist alles andere als beschränkt«, widersprach Offa. »Aber du bist ein arroganter Bastard, der insgeheim glaubt, Helmsby gehöre von Rechts wegen ihm und es sei nur ein Irrtum des Schicksals, dass es an meinen Vater und damit an mich gefallen ist, und dafür möchte ich dir manchmal die Zähne einschlagen.«
Nun, womöglich war es ein Irrtum des Schicksals, dass dein Vater mit einem gebrochenen Bein zurückbleiben musste und nicht mit nach Maldon gezogen ist, lag Ælfric auf der Zunge, denn der bessere Bruder fiel dort in der Schlacht. Und womöglich hast du recht und ich bin ein arroganter Bastard, weil ich das denke, aber ich weiß trotzdem, dass es so ist.
Was er sagte, war indes nur: »Ich schätze, Gott begeht keine Irrtümer, Vetter.«
Offa deutete ein Achselzucken an. »Ich will nur, dass du begreifst, in welche Schwierigkeiten du dich bringst, wenn du nicht nachgibst. Dich selbst und deinen Jungen. Ich bin in dieser Sache auf deiner Seite, Ælfric.« Es war ein eindringliches Flüstern, der Blick teilnahmsvoll.
Ælfric musste einen Moment mit sich ringen, um Offa nicht die Faust ins Gesicht zu schmettern. »Das weiß ich zu schätzen«, erwiderte er. »Aber ich denke, ich muss noch eine Nacht darüber schlafen.«
Als die Mägde die Schalen und Platten abgeräumt hatten und die letzten Becher geleert waren, rüsteten die Menschen sich allmählich für die Nacht. Während die Männer die Bänke aufstapelten, die schweren Tischplatten von den Böcken hoben und an die Wände lehnten, breiteten die Frauen die Decken im Bodenstroh aus. Der Thane stand von seinem Platz an der Mitte der Tafel auf, nahm der hübschen schottischen Sklavin die Holzschalen aus den Händen, die sie eingesammelt hatte, stellte den windschiefen Stapel achtlos auf dem Tisch ab und verschwand mit dem Mädchen in seiner Kammer.
Entlang der Wände legten die Menschen sich schlafen. Mütter vergewisserten sich, dass die Kinder sich ordentlich in ihre Woll- und Felldecken wickelten, ehe sie sich zu ihren Männern legten. Binsenlichter wurden ausgeblasen, und allmählich kehrte Ruhe ein.
Als Neffe des Thane stand Ælfric ein Platz gleich am Feuer zu. Auch er hatte sein Nachtlager aufgeschlagen und sich auf seinem marderpelzgefütterten Mantel ausgestreckt. Den Kopf auf die zusammengerollte Decke gebettet, sah er ins Feuer, das fast vollständig heruntergebrannt war. Nur die letzten Scheite glommen noch hier und da, und langsam kroch die Kälte aus dem strohbedeckten Holzboden. Er deckte sich trotzdem nicht zu, denn er wollte nicht riskieren, einzuschlafen.
Auch Offa auf der anderen Seite der Feuerstelle hatte Gesellschaft. Eine der jungen Sklavinnen, die er vor zwei Wochen vom Markt in Norwich mitgebracht hatte, war unaufgefordert zu ihm unter die Decke gekrochen, hatte Ælfric beobachtet, und erweckte nun glaubhaft und ziemlich geräuschvoll den Anschein, als gefiele ihr, was der Sohn des Thane mit ihr tat.
Ihr Vater war ein Bauer aus Suffolk, den die Dänenüberfälle in so bittere Armut gestürzt hatten, dass ihm nichts anderes übrig geblieben war, als zwei seiner fünf Kinder an einen fahrenden Sklavenhändler zu verkaufen, hatte sie der Köchin an einem der ersten Tage voller Bitterkeit erzählt, als Ælfric zufällig in der Nähe stand, und er hatte sie insgeheim zu ihrem Zorn beglückwünscht. Aber was immer sie an Kampfgeist besessen haben mochte, hatte sich mittlerweile in Rauch aufgelöst. So war es immer mit denen, die das Unglück hatten, Offa ins Auge zu fallen, der sich gern damit brüstete, dass er auch die Kratzbürstigste binnen einer Nacht zähmte. Da Ælfric das zweifelhafte Vergnügen hatte, gleich auf der anderen Seite des Feuers zu liegen, wusste er nur zu gut, wie sein Vetter das machte, und er hatte so manche Nacht damit zugebracht, seinem schlafenden Sohn die Ohren zuzuhalten, während Offa sich mit einer seiner jungfräulichen Neuerwerbungen vergnügte. Heute war die grässliche Vorstellung indes nur kurz, denn der Sohn des Thane hatte nicht viel vom verbrannten Hammel gegessen und dafür mehr als üblich vom Met getrunken. Das war Ælfric nicht entgangen, hatte er seinen Vetter doch ebenso wie seinen Onkel den ganzen Abend aufmerksam beobachtet.
Als es schließlich auch auf Offas Seite still geworden war, schien die ganze Halle im Tiefschlaf zu liegen. Ælfric lauschte konzentriert, aber er hörte nichts mehr bis auf Cnebbas dröhnendes Schnarchen, dann und wann das Rascheln eines unruhigen Schläfers oder das Stöhnen und Murmeln der Träumenden. Trotzdem wartete er noch. Wenigstens eine Stunde, schärfte er sich ein, besser zwei. Vielleicht gab Offa ja nur vor zu schlafen. Met oder kein Met, er war kein Idiot und hatte den ganzen Abend geargwöhnt, dass Ælfric irgendetwas im Schilde führte. Also lieber zwei Stunden warten. Bis Offas Misstrauen besänftigt oder Opfer seiner Schläfrigkeit geworden war.
Als Ælfric schließlich geräuschlos aufstand, war das Feuer erloschen, die Halle kalt und stockfinster. Einen Moment blieb er stehen und lauschte konzentriert. Dann hob er den guten Mantel auf, warf ihn sich über die Schultern und wandte sich zum Ausgang. Tausende Male hatte er diesen Raum durchquert. Er wusste genau, wo die sechs Pfosten aufragten, die das Dach stützten, wo die Bänke aufgestapelt wurden, die schmalen Tische mit dem Kochgeschirr und den angestochenen Alefässern standen. Also warum sollte er ausgerechnet heute Nacht irgendetwas anstoßen, auf dass es polternd umkippte?
Er atmete tief durch, mahnte sich zur Ruhe und setzte sich in Bewegung. Ohne Missgeschicke erreichte er die schwere zweiflügelige Tür und zog die rechte Seite nur gerade so weit auf, wie nötig war, um hindurchzuschlüpfen, denn wenn man den Flügel weit öffnete, quietschten die Angeln auf den letzten paar Zoll.
Ælfric trat in die stille Nacht hinaus, zog die Tür hinter sich zu und stellte fest, dass es draußen bei Weitem nicht so finster war wie in der Halle, denn es war Vollmond, und der Allmächtige hatte zumindest eines von Ælfrics Gebeten erhört: Der Himmel war klar.
Danke, Gott.
Genau gegenüber der Halle stand ein Speicherhaus. Ælfric glitt in seinen Schatten und bewegte sich dann hinter den hölzernen Wirtschaftsgebäuden am Fuß der zwei Mann hohen Hecke entlang. Gleich neben dem Haupttor lag der Pferdestall, wo Mægla ihn erwartete.
»Der Junge schläft wie ein Toter«, berichtete er gedämpft und reichte Ælfric die Waffen, die er für ihn gehütet hatte.
Ælfric legte das Schwertgehenk um, nahm den lederbezogenen Schild mit dem Bronzebuckel, steckte Kopf und Arm durch den Haltriemen und warf sich den Schild auf den Rücken.
»Deine beiden Gäule sind fertig, und hier drin ist alles, was du mir aufgetragen hast«, fuhr Mægla fort und streckte Ælfric einen prall gefüllten Beutel entgegen.
»Hab Dank, Mægla«, Ælfric schloss den stämmigen Gefolgsmann seines Onkels kurz in die Arme. »Das werde ich nicht vergessen.«
»Ja, ich hoffe nur, du lebst lange genug, um es mir eines Tages zu vergelten«, gab Mægla krötig zurück.
Er war mit Ælfric und Offa zusammen aufgewachsen, und wenngleich Offas Vetter, weil ihre Mütter Schwestern gewesen waren, hatte Mægla sich schon in der Vergangenheit gelegentlich als Ælfrics verlässlicher Verbündeter erwiesen, wenn es darum ging, dem Thane oder dessen Sohn ein Schnippchen zu schlagen. Doch längst nicht alle Männer in Helmsby dachten wie Mægla. Gerade die älteren Angehörigen der Herdtruppe folgten Dunstan willig und schüttelten die Köpfe über dessen Neffen, der sich so schwer damit tat, zu gehorchen und sich unterzuordnen. Aber Mægla war eben ein wenig anders.
»Du musst nur das Tor hinter uns verriegeln und beteuern, dass du nichts gehört und gesehen hast«, betete Ælfric ihm noch einmal vor. »Ich habe schon vor dem Essen ein Tau an den First des Viehstalls geknotet und über die Hecke geworfen. Es wird aussehen, als hätte ich mich dort abgeseilt. Und weil die Halle zwischen dem Tor und dem Viehstall liegt, wird jeder dir glauben, dass du von deinem Posten aus nichts sehen konntest, denn …«
»Ja, schon gut«, unterbrach Mægla und legte ihm einen Moment die Hand auf den Unterarm. »Jetzt mach dich auf den Weg, Ælfric.«
Der nickte und klopfte ihm kurz auf die stämmige Schulter. Dann ging er in den Stall, wo seine beiden Pferde wie versprochen fertig gesattelt standen: sein treuer Vidar, ein Dunkelfuchs mit weißen Fesseln an der Vorderhand, und der Braune des Dänen. Ælfric befestigte den Beutel hinter Vidars Sattel, ehe er im Dunkeln die knarrende Leiter zum Heuboden erklomm, wo Ifa, der junge Stallknecht, und sein Weib schliefen.
Letztere wartete schon an der Luke und legte ihm den schlafenden Penda in die Arme. »Hier. Geht mit Gott, Lord Ælfric.«
Er dankte ihr und trug seinen Sohn nach unten. Mægla hatte die Pferde inzwischen ins Freie geführt. Penda im rechten Arm, saß Ælfric auf. Den Zügel des erbeuteten Braunen wickelte er um seinen Sattelknauf, und auf sein Zeichen öffnete Mægla das Tor in der Hecke und winkte ihn hindurch.
»Viel Glück, Mann«, murmelte er zum Abschied. »Bei Gott, ich möchte nicht mit dir tauschen.«
»Nein, ich weiß«, gab Ælfric lächelnd zurück. »Hab Dank, Mægla. Gott schütze dich.«
Er ritt aus dem Tor, ohne zurückzuschauen.
Verborgen hinter der verwilderten Hagedornhecke des Friedhofs lag ein Grubenhäuschen. Es war kaum mehr als ein altersgraues Strohdach über einem Erdloch, doch die buckeligen Wände der Grube waren mit Bruchsteinen ausgekleidet, und es hatte eine stabile Tür, denn Vater Alcuin, Thurstans Vorgänger, hatte in dem Grubenhäuschen seine zwei Silberleuchter und den bronzenen Messkelch mit den bunten morgenländischen Edelsteinen verwahrt. Bis wenige Tage nach der Schlacht von Maldon – als Helmsby mit angehaltenem Atem auf Nachricht und auf die Heimkehr des Thanes und seiner Männer wartete – eine Horde Dänen eingefallen war. Damals war das Grubenhaus hinter der Kirche noch nicht überwuchert gewesen, und drei der Dänen hatten es entdeckt und aufgebrochen, Silberleuchter und Messkelch gestohlen und Vater Alcuin dann dort geblendet, kastriert und schließlich zu Tode gefoltert, weil sie gerne wissen wollten, ob er nicht eventuell anderswo noch weitere Schätze versteckt hielt.
Danach war das Grubenhaus in Helmsby als Unglücksort verschrien gewesen, und die Leute glaubten, der Geist des armen Vater Alcuin suche dort in Neumondnächten nach seinen geraubten Schätzen. Niemand wollte es mehr betreten, und so war es dem Hagedorn ebenso wie dem Vergessen anheimgefallen. Doch Ælfric kannte es, weil Vater Thurstan es ihm vor ein paar Jahren einmal gezeigt hatte, und Ælfric hatte keine Angst vor Geistern.
Er ritt um die Kirche und das Pfarrhaus herum und hielt schließlich an der Rückseite des Hagedorns, stieg aus dem Sattel und bettete Penda behutsam ins feuchte Gras.
Der Junge regte sich und murmelte schlaftrunken: »Wo ist meine Decke?«
»Schsch«, machte sein Vater beschwichtigend. »Schlaf weiter. Wenn wir aufbrechen, nehme ich dich unter meinen Mantel.«
Penda rollte sich zusammen, ohne richtig aufzuwachen.
Ælfric kramte eine dünne Seilrolle aus dem Beutel hinter dem Sattel und hängte sie sich über die Schulter. Dann zog er den Schlüssel zum Grubenhaus unter dem Gewand hervor. Drei ungleichmäßige Stufen führten zu der stabilen Holzbohlentür hinab. Ælfric hatte den Eingang notdürftig freigeschnitten, als er seinen bewusstlosen Gefangenen hier eingesperrt hatte, und das dicke, schwarze Vorhängeschloss schimmerte matt im Mondlicht. So lautlos wie möglich steckte er den Schlüssel hinein und sperrte auf, zog dann eilig das Schwert mit der Rechten, während er mit der Linken die Tür aufstieß.
»Komm heraus. Schön langsam.«
Nichts.
Ælfric ging rückwärts die Stufen hinauf. »Los, komm schon. Auch wenn du mich nicht verstehst, bin ich sicher, du weißt, was eine offene Tür zu bedeuten hat.«
In der Schwärze hinter der Türöffnung rührte sich absolut gar nichts.
Einen verrückten Moment lang fragte Ælfric sich, ob Vater Thurstan den Dänen hatte laufen lassen oder dort drinnen tot in seinem Blut lag, weil er dem Gefangenen Essen gebracht hatte. Aber er verwarf den Gedanken gleich wieder, denn er war sicher, es gab nur den einen Schlüssel.
»Na schön«, grollte er. »Wenn du hoffst, dass ich zu dir hereinkomme und du mich im Dunkeln anfallen kannst, hast du dich getäuscht. Ich zähle bis zehn, und wenn du dich bis dahin nicht zeigst, sperr ich dich wieder ein und werf den Schlüssel in den Sumpf. Eins. Zwei. Drei …«
Bei »Sieben« erahnte er eine Bewegung jenseits der Türöffnung, hob seine Klinge und verstummte.
Vornübergebeugt trat der junge Däne langsam durch die niedrige Tür in die mondhelle Nacht hinaus, die Kleider zerrissen und schmutzig, das vormals glatt rasierte Kinn von einem dunklen Bartschatten bedeckt. Und die Hände waren immer noch gefesselt, erkannte Ælfric ebenso befriedigt wie erleichtert. Er war ein klein wenig stolz auf seinen Knoten, und nicht ohne Schadenfreude dachte er, dass die zwei Tage in dem finsteren Loch mit gefesselten Händen und ohne Nahrung seinem Gast vermutlich wie zwanzig vorgekommen waren.
Doch was immer der Gefangene an Kälte, Hunger, Durst und vielleicht auch Furcht ausgestanden haben mochte, seiner Miene war nichts davon anzusehen. Er war ein Mann in Ælfrics Alter und genauso groß wie er. Ein schmales Lederstirnband hielt ihm das schulterlange dunkle Haar aus dem Gesicht, in dem sich einfach überhaupt nichts regte. Die Nacht war zu dunkel, um Farbe oder Ausdruck der Augen auszumachen, aber der Däne schaffte es, allein mit seiner Haltung Hochmut und Geringschätzung auszudrücken.
»Kannst du verstehen, was ich sage?«, fragte Ælfric.
Er bekam keine Antwort.
»Na schön, mir ist es gleich.«
Ælfric schloss die Lücke zwischen ihnen, setzte dem Gefangenen die Schwertspitze an die Kehle, und als der den Kopf zur Seite bog, trat er ihm die Füße weg. Der Däne landete hart auf der Seite, stieß einen gedämpften Fluch aus, und ehe er sich aufrichten konnte, hatte Ælfric das Seil an die Handfesseln geknotet und trat wieder ein paar Schritte zurück.
»Steh auf.«
Der Däne gehorchte.
»Wer ist das, Vater?«, fragte Pendas helle Stimme plötzlich neben ihm, und sie wirkte laut und durchdringend in der stillen Nacht.
»Leise«, warnte Ælfric gedämpft und sah für einen Lidschlag auf ihn hinab, ehe er den Blick wieder auf den Dänen heftete. »Das ist unser Gefangener, Penda. Du und ich bringen ihn zum Ealdorman of East Anglia.«
»Wo ist denn der Ealdorman of East Anglia?«, wollte Penda wissen.
Gute Frage, dachte Ælfric ein wenig unbehaglich. »Wir werden ein paar Tage unterwegs sein, um ihn zu finden, schätze ich, und ich sage dir jetzt, was die wichtigste Regel bis dahin ist: Du darfst nie in die Nähe dieses Mannes gehen, in Ordnung? Er ist ein dänischer Lump und gefährlich.«
»Ein Berserker?«, fragte Penda, hin- und hergerissen zwischen Faszination und Schrecken.
Ælfric sah ein winziges Hohnlächeln über das ebenmäßige Gesicht des Dänen huschen, der zumindest dieses eine Wort verstanden hatte. Ælfric setzte ihm die Klinge wieder an die Kehle. »Du wärst gut beraten, dich nicht über meinen Sohn lustig zu machen, sonst kannst du bis ans Ziel unserer Reise weiter fasten.«
Mit einem Ruck zerrte er den Dänen zu den Pferden hinüber und knotete den Strick an Vidars rechten Steigbügel.
Der Gefangene blickte kurz zu seinem Braunen hinüber.
Ælfric schüttelte den Kopf. »Du wirst laufen. Und dein Klepper wird verkauft, sobald wir …«
»Ælfric«, unterbrach Thurstans Stimme ihn – gedämpft, aber dennoch schneidend.
Der junge Helmsby stieß ungeduldig die Luft durch die Nase aus und wandte den Kopf. »Sieh an. Geistlicher Beistand. Bist du gekommen, um uns deinen Segen zu geben?«
»Auch«, erwiderte der ältere Mann mit einem milden Hirtenlächeln, blickte von Ælfric zu Penda und weiter zu dem Gefesselten, der ihn unverwandt ansah.
Thurstan streckte ihm die Linke entgegen, und ehe Ælfric ganz begriff, was er sah, hielt der Däne ein Stück Brot in den Händen und verschlang es mit zwei gierigen Bissen.
»Fabelhaft …«, knurrte Ælfric.
Thurstan legte ihm die Hand auf den Oberarm und raunte ihm eindringlich zu: »Vergiss nicht, dass du ein Christenmensch bist. Ich verlasse mich darauf, dass du diesen Mann unterwegs anständig behandelst.«
Ælfric riss sich los, nahm Penda auf den Arm und stieg mit ihm in den Sattel. »Ich gebe lieber kein Versprechen ab, das ich womöglich nicht halten kann«, antwortete er frostig.
Der Priester schüttelte mit einem betrübten Seufzen den Kopf, doch als er wieder zu ihm aufschaute, lächelte er. »Möget ihr auf eurem Weg Freunde finden, die Führung der Engel und das Geleit der Heiligen.«
»Ich fürchte, ich bringe schlechte Neuigkeiten, mein König«, sagte Edric und verneigte sich vor Ethelred. Er hatte eine von Natur aus volltönende Stimme, doch jetzt hielt er sie gesenkt, so als stünde er an einem offenen Grab.