Rasen und Wiesen im naturnahen Garten - Ulrike Aufderheide - E-Book

Rasen und Wiesen im naturnahen Garten E-Book

Ulrike Aufderheide

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  • Herausgeber: pala
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Es gibt fast keinen Garten ohne Rasen und meist macht der Rasen Probleme. Ulrike Aufderheide zeigt, dass sich die meisten Probleme von selbst lösen, wenn statt dem Einheitsgrün mit nur wenigen Grasarten artenreiche Blumenkräuterrasen und Blumenwiesen angelegt werden. Wöchentliches Mähen, Rasenkrankheiten, Düngen und Wässern werden der Vergangenheit angehören. So bleibt viel Zeit, um den Garten zu genießen und die interessanten Wildpflanzen und Tiere kennenzulernen, die im lebendigen Garten heimisch werden. Aber auch wer seinen konventionellen Rasen (noch) nicht umwandeln möchte, wird mit diesem Buch Rasenprobleme besser verstehen und Lösungen finden, ohne die Umwelt und den Geldbeutel zu belasten. Schritt für Schritt begleitet dieser Ratgeber bei der Neuanlage und der Pflege. Auch interessante Gestaltungsideen wie Duftteppiche oder Blumenschotterrasen werden vorgestellt.

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Ulrike Aufderheide

Rasen und Wiesen im naturnahen Garten

Neuanlage • Pflege • Gestaltungsideen

illustriert von Margret Schneevoigt

So blüht der grüne Teppich auf

Mähen, wässern, Moos entfernen: Rasen gibt es in fast jedem Garten und meist macht er nicht nur viel Arbeit, sondern auch Probleme.

Sie möchten Ihren Garten genießen? Einfacher und problemfreier wird die Rasenpflege, wenn ein artenreicher Blumenrasen das reine Grün ersetzt. So bleibt Zeit, zu entspannen und interessante pflanzen und Tiere kennen­zulernen, die im lebendigen Garten heimisch werden.

Sie träumen von einer bunten Blumenwiese? Mit der richtigen Bodenvorbereitung und der passenden Samen­mischung blühen Flächen, die nicht betreten werden, auf. So bereichern Sie sich und Ihren Garten mit Blüten, Schmetterlingen - und Lebensfreude!

Sie suchen nach Pflegetipps für Ihren Rasen?Professioneller Rat hilft, Rasenprobleme besser zu verstehen. So finden Sie Lösungen, ohne die Umwelt und den Geldbeutel zu belasten.

Naturnahe Planung für kleine und große Gärten Die Gartenplanerin Ulrike Aufderheide begleitet Schritt für Schritt bei der Neuanlage und pflege von Blumenrasen und Blumenwiesen, begrünten Hängen, Duftteppichen, Schotterrasen und begrüntem Pflaster.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Kein Garten ohne Rasen?

Von Natur aus artenreich

Jenseits von Rasen, Rosen und Kirschlorbeer

Ehrenrettung für den Rasen: Rasen als natürlicher Lebensraum

Die Naturgeschichte der Rasen und Wiesen

Kleine Kulturgeschichte des Rasens

Rasen oder Wiese: Wo liegt der Unterschied?

Wiesen und Weiden in der Landschaft

Mehr als ein grüner Teppich: Vielfalt der Rasen und Wiesen im Garten

Konventioneller Zierrasen

Spiel- und Gebrauchsrasen

Die naturnahe Alternative: Blumen- und Kräuterrasen

Duftteppiche

Belastbare Rasen: Schotterrasen, Rasengittersteine, Fugenpflaster

Blumenwiesen im Garten

Extensive Begrünungen auf Magerstandorten – nicht nur im Garten

Rasen und Wiesen planen

Den Standort untersuchen

Rasenflächen in die Gartenlandschaft integrieren

Blumenwiesen als Gestaltungselement

Rasen und Wiesen anlegen

Umwandlung oder Neuanlage?

Die Neuanlage durch Aussaat

Auf die Mischung kommt es an: Auswahl des Saatgutes

Pflege im ersten Jahr

Umwandlung mit Initialpflanzungen

Rasen auf befestigten Flächen

Blumenschotterrasen

Rasengittersteine

Pflasterfugen begrünen – buntes »Rasenpflaster«

Mit und ohne Gräser: Duftrasen

Rasen und Wiesen als Hangbefestigung

Das i-Tüpfelchen zum Schluss: Blumenzwiebeln

Rasen und Wiesen pflegen

Naturnah schneiden: nur so viel wie nötig

Blumenrasen mähen

Blumenwiese mähen

Der richtige Zeitpunkt

Konventionelle Rasen biologisch pflegen

Nichts als Moos? Rasenprobleme naturnah lösen

Spontanbesiedler tolerieren und fördern

Veränderung der Artenzusammensetzung verstehen und steuern

Moos bekämpfen oder willkommen heißen?

Ungebetene Wühler: Maulwürfe und Wühlmäuse

Es geht auch ohne: Alternativen zum Rasen

Offene Böden

Bodendecker statt Rasen

Der Moosgarten

Wasserflächen

Nachwort

Die Autorin

Anhang

Die Pflanzenvielfalt der Rasen und Wiesen

Literaturtipps

Bezugsquellen

Kein Garten ohne Rasen?

Es gibt fast keinen Garten ohne Rasen und fast immer macht der Rasen Probleme. Da klagt der eine über zu viel Moos im Rasen, die andere über Erdhäufchen, Gänseblümchen oder Löwenzahn. Mähen, vertikutieren, aerifizieren, nachsäen, düngen: Ein Rasen macht Arbeit ohne Ende und erfordert teure Geräte. Im Gartenschuppen findet sich manchmal schon ein ganzer Fuhrpark.

Sie würden viel lieber Ihren Garten genießen, statt lärmende Geräte zu bedienen? Sie sind es leid, im Garten einen Intensivpatienten zu haben, der wie ein Schwerkranker ständig mit Tinkturen, Pülverchen und Geräten behandelt werden muss? Sie würden stattdessen gerne interessante Tiere in Ihrem Garten beobachten und einen Beitrag gegen den Artenschwund leisten?

Naturnahe Gärten bieten genau das. In ihnen werden einheimische Pflanzen verwendet, weil sich im Laufe der Evolution unsere Tiere und unsere Pflanzen aneinander angepasst haben, sodass sie nun zusammenpassen, so wie ein Schlüssel in ein Schloss passt. Wer einheimische Pflanzen auswählt, holt sich die dazu passenden Tiere gleich mit in den Garten. Damit eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, vor unserer Haustür Wildtiere wie Hummeln, Schmetterlinge oder Igel und pflegeleichte, dekorative Pflanzen wie Wiesensalbei, Storchschnabel oder Königskerze zu erleben. Naturgärtner leisten so gleichzeitig einen Beitrag zum Naturschutz im besiedelten Raum. Zusätzlich versuchen Naturgärtner auch, aus allen Funktionsflächen einen Lebensraum zu machen. Dächer, Wände, Wege, Plätze, Sitzbänke – all das können wir so bauen, dass nicht nur wir sie nutzen und uns an ihrer Schönheit freuen, sondern auch so, dass dort gleichzeitig Pflanzen und Tiere leben und beobachtet werden können.

In diesem Buch möchte ich zeigen, dass die meisten Rasenprobleme von selbst verschwinden, wenn wir statt »Monokulturen« mit nur wenigen Grasarten, die nach den Regeln der Intensivlandwirtschaft gepflegt werden, artenreiche Blumenkräuterrasen und Blumenwiesen in unseren Gärten anlegen. Rasenkrankheiten, Moosbekämpfung, Düngen, Vertikutieren, wöchentliches Rasenmähen, das alles wird der Vergangenheit angehören. Dafür werden Sie viele interessante Wildpflanzen kennenlernen und es werden liebenswerte Tiere in Ihren Garten einziehen, die um die Intensivpatienten Ihrer Nachbarn einen weiten Bogen machen.

Aber auch wenn Sie Ihren konventionellen Rasen (noch) nicht umwandeln wollen, werden Sie nach der Lektüre dieses Buches besser verstehen, warum und wie Rasenprobleme entstehen. Sie werden Lösungen finden, die auf chemische Pflanzenbehandlungsmittel und Kunstdünger verzichten.

Von Natur aus artenreich

Jenseits von Rasen, Rosen und Kirschlorbeer

Mein Garten – zwei Worte, und schon sehen wir paradiesische Bilder vor unserem inneren Auge. Blüten in den unterschiedlichsten Farben, bunt oder in harmonischen Farbklängen, grüne Wände und grüne Teppiche. Wir tragen wohl alle das ganz eigene Bild unseres Paradiesgärtleins in uns, das Bild unseres Traumgartens. Dies innere Bild des Gartens spiegelt wider, wie verschieden wir sind, es spiegelt unsere Individualität. Wenn wir uns umschauen, sehen wir aber das Gegenteil. Offensichtlich gibt es eine vorherrschende Konvention, wie ein Garten auszusehen hat, egal wie groß die Fläche ist, egal wer den Garten nutzt: Rasen in der Mitte, Hecken an den Rändern, ein oder mehrere Blumenbeete. »Rasen – Rosen – Kirschlorbeer«, so könnten wir die Gartenkonvention unserer Zeit überzeichnend nennen.

Eine solche Gartengestaltung hat fatale Effekte. Einer davon: Ein Garten mit einer zentralen Rasenfläche wirkt immer klein, egal, ob er 10, 100 oder 1000 Quadratmeter groß ist, denn der Blick findet auf der grünen Rasenfläche keinen Halt. Erst an den Grundstücksgrenzen, dort, wo die Hecken und vielleicht noch die Blumenbeete zu sehen sind, findet das Auge etwas Interessantes. Wenn ich aber immer nur die Grenzen sehe, wird der Garten immer klein wirken, selbst wenn ich die Rasenfläche vervielfachen könnte. Soll ein Garten groß und weit wirken, dann befinden sich im Inneren des Gartens Gestaltungselemente, die das Auge anziehen und halten. In einem gut gestalteten Garten sind die Grenzen undeutlich. Die Wege führen das Auge auf möglichst langen Strecken zu den Blickpunkten im Garten und darüber hinaus. Dieses Gestaltungsprinzip funktioniert auch in Minigärten. Nur bedeutet das dann meist den Verzicht auf Rasen.

Aber selbst kleinste Gärten werden nach dem Rasen-Rosen-Kirschlorbeer-Prinzip gestaltet. Die Gartenkonvention unserer Zeit scheint übermächtig zu sein.

Ein anspruchsvoll gestalteter Garten, besonders wenn er naturnah sein soll, ist meist schon daran zu erkennen, dass die Rasenflächen nicht die Hauptrolle im Zentrum des Gartens spielen. Und ist ein naturnaher Rasen nicht sowieso ein Widerspruch in sich? Steht das wiederholte Mähen nicht im Gegensatz zu einem achtsamen Umgang mit der Natur, der versucht, Pflanzen und Tieren direkt am Haus möglichst viel Raum zu schaffen, der Natur einen Teil davon zurückzugeben, was wir ihr durch den Hausbau genommen haben? Wäre also ein naturnaher Garten an der Abwesenheit von Rasen zu erkennen?

NaturErlebnisGarten in Zimmergröße (30 qm): Die Rasenfläche wird durch einen kleinen Teich als Hingucker ersetzt.

Viele Naturgärtner halten aufgrund dieser Überlegungen Rasenflächen für ein Zugeständnis an die Gartenkonvention oder an die Ansprüche der Fußball spielenden Kinder. Der ideale Naturgarten braucht keinen Rasen – so lautet das Motto der Naturgartenfraktion.

Woher kommt aber dieses starke Bild, das beim Wort »Garten« bei den meisten Menschen eine Rasenfläche vor dem inneren Auge erscheinen lässt? Warum ziehen englische Parks mit ihren weiten Rasenflächen so viele Menschen an, während sich an französischen Gärten mit Schnitthecken und Blumenbeeten die Geister scheiden?

Rasenflächen sind keine naturentfremdete Modeerscheinung in der Gartengestaltung des Industrie- und Computerzeitalters. Menschen brauchen Weite und Geborgenheit, egal, ob sie sich in der Natur aufhalten oder ob sie sich in ihrem Garten wohlfühlen wollen. Und auch unsere Tier- und Pflanzenwelt braucht eine Mischung von bergenden Gehölzstrukturen und offenen, rasen- und wiesenartigen Flächen.

Landschaften, die reich an unterschiedlichen Vegetationsformen sind, wie markante Einzelbäume, Hecken und Strauchgruppen, Säume, Rasen und Wiesen, empfinden wir als angenehm. Die traditionelle bäuerliche Kulturlandschaft zeichnet sich durch diesen Strukturreichtum aus und ist die »schöne Landschaft« schlechthin. Gleichzeitig sind traditionelle Kulturlandschaften aber auch besonders artenreich.

Leider haben traditionell bewirtschaftete schöne Landschaften inzwischen Seltenheitswert. In den letzten fünfzig Jahren wurden sie »flurbereinigt« und sie mussten oft Baugebieten oder intensiver Landwirtschaft weichen. Reste stehen unter Natur- oder Landschaftsschutz. Hier suchen wir Erholung im Urlaub oder bei Tagesausflügen.

Ehrenrettung für den Rasen: Rasen als natürlicher Lebensraum

Die Alpen sind eines der bevorzugten Feriengebiete Europas, beim Wandern in den Bergen finden wir Erholung. Wir genießen den Duft der Tannen und Alpenrosen, die klare Luft, die weite Sicht. Das Läuten der Kuhglocken auf den Almen ist für viele gleichbedeutend mit Urlaub. Almen sind ein gutes Beispiel dafür, dass traditionelle Kulturlandschaften sehr artenreich sind, dass sie uns ästhetisch ansprechen, gerade weil wir hier Rasen finden.

Rasen im ursprünglichen Sinne ist mehr als nur kurz geschnittenes Gras auf einer Fläche, die einmal in der Woche mit dem Rasenmäher gepflegt werden muss. Auch auf den Weiden der Almen findet sich, solange Vieh darauf grast, ein kurz gehaltender Bewuchs. Er besteht allerdings nicht nur aus Gräsern, sondern auch aus Kräutern. Im Gegensatz zu den Rasenflächen unserer Gärten ist er auch nicht überall gleich hoch, weil das Vieh zwar ständig, dafür aber an verschiedenen Stellen weidet. Wo selten geweidet wird, zum Beispiel in der Nähe von Dornbüschen, kommen Gräser und Kräuter zur Blüte, Säume entstehen. Manche Kräuter werden auch gar nicht gefressen, weil sie den Tieren nicht schmecken oder unbekömmliche Inhaltsstoffe haben. Sie können deshalb auf der gesamten Fläche blühen. Dazu gehören Thymian, Arnika, Hauhechel und Disteln.

Eine beweidete Fläche ähnelt tatsächlich einem Rasen, weil sie regelmäßig kurz gehalten wird. Biologen bezeichnen sogar alle Flächen mit niedrigem Bewuchs aus Kräutern, Gräsern und Zwerggehölzen als Rasen, auch wenn dort gar nicht geweidet wird, beispielsweise auf den Felsbandrasen.

Aber auch wenn wir den Blick wieder weiten und die Almlandschaft als solche betrachten, dann wirken Weiden wie die Rasenflächen eines Gartens oder eines Parks. Im Grunde finden wir auf einer Alm alles, was auch einen vollständigen Garten ausmacht: Bäume, Büsche, Blumen und Rasen, weiten Blick und geborgene Fleckchen unter Bäumen.

Leider wird die Fläche der blütenreichen Almwiesen und -weiden immer kleiner. Die Bewirtschaftung der Almen lohnt sich wirtschaftlich nur noch durch die Förderung durch die Europäische Union und auch das nicht für alle Bauern. So werden immer mehr Almen aufgegeben, die einst blütenreichen Weiden verbrachen, Baumsämlinge kommen auf und Wald entsteht.

In einigen Mittelgebirgslandschaften ist diese Entwicklung schon sehr weit fortgeschritten: Wenn wir die lieblichen Schwarzwaldtäler, die rauen Ebenen der Eifel oder die dramatischen Felsformationen der Sächsischen Schweiz, die die Künstler vergangener Zeiten malten, heute suchen, dann finden wir oft dunkle Wälder und Forste.

Immer ist die Bewaldung einst offener Landschaften mit der Aufgabe der traditionellen Bewirtschaftung verbunden. Wenn Nutztiere aus schwer zu bewirtschaftenden Grenzertragsstandorten verschwinden, wenn keine Rinder, Pferde, Schafe, Ziegen und Gänse mehr grasen, dann verschwindet zumeist der weite Blick in die Landschaft, dann verschwinden die Weiderasen.

Die Naturgeschichte der Rasen und Wiesen

Es ist doch erstaunlich, dass die halboffenen Landschaften mit ihren Rasen und Wiesen so artenreich sind. Denn sie sind ja anscheinend alles andere als »natürlich«. Sie sind abhängig von einer bestimmten Art der Bewirtschaftung, sie können nur existieren, wenn Menschen das Land bearbeiten, wenn Tiere Flächen beweiden und wenn auf Wiesen Winterfutter produziert werden muss. Müsste nicht eigentlich die Landschaft, die entsteht, wenn der Mensch überhaupt keinen Einfluss mehr nimmt, besonders artenreich sein? Denn während die meisten Tier- und Pflanzenarten, die heute bei uns existieren, seit Hunderttausenden oder sogar Millionen von Jahren in Europa leben, gibt es Menschen und ihre Einflüsse auf die Landschaft erst seit einigen hunderttausend Jahren. Homo sapiens, unsere Menschenart, gibt es in Europa sogar erst seit 40 000 Jahren.

Die Antwort auf diese Frage wird deutlich, wenn wir die Tierwelt betrachten, unter deren Einfluss sich die Pflanzenarten, die wir heute bei uns finden, entwickelt haben. Nehmen wir zum Beispiel unsere Eichenarten. Es gibt sie seit 13 Millionen Jahren. Wenn wir uns anschauen, mit welchen Tierarten die Eichen zusammen in Europa vorkamen, dann verstehen wir unmittelbar, warum halboffene Landschaften mit ihren Rasen so artenreich sind. Die letzten zehntausend Jahre ausgenommen, lebten immer große Pflanzenfresser in Europa. Elefanten, Wildrinder, Wildpferde, zeitweise sogar Flusspferde und Nashörner weideten zwischen Eichen, Linden und Ahornbäumen. Unser Erdzeitalter, das Quartär, kann geradezu als das Erdzeitalter der Gräser, Wiesen und Rasen bezeichnet werden. Die vergangenen zwei Millionen Jahre sind geprägt durch einen Wechsel von Kaltzeiten und Warmzeiten, wobei die Kaltzeiten viel länger dauerten als die Warmzeiten. Nur in den Warmzeiten gab es die klimatischen Voraussetzungen für das Gedeihen von Bäumen, konnten Wälder entstehen. Zumeist war Mitteleuropa aber von Kältesteppen geprägt. Über diese grasreichen Kältesteppen zogen die Herden der Mammute, Wollnashörner, Riesenhirsche, Rentiere und anderen Grasfresser.

Aber auch in den Warmzeiten gab es große Weidetiere: Waldelefanten, Nashörner, Damhirsche. Flächen, die bevorzugt beweidet wurden, entwickelten sich, wenn sie besonders oft beweidet wurden, zu Rasen, oder wenn die Herden dort nur selten fraßen, zu höherwüchsigen Säumen und Gebüschen. Wo gar nicht geweidet wurde, entstanden Baumgruppen und Wälder. Über die gesamte Zeit unseres Erdzeitalters betrachtet, ist Europa ein Kontinent der offenen und halboffenen Landschaften.

Am Ende der letzten Eiszeit starben fast alle großen Pflanzenfresser aus. Damit brach für etwa 5000 Jahre eine Zeit an, in der es vermutlich nur wenige Grasfluren in Mitteleuropa gab. Nur noch wenige Arten wie Wildpferde, Auerochsen, Elche, Rehe, Hirsche und Biber konnten die Bewaldung von offenen Flächen verhindern.

Mit der Einführung des Ackerbaus vor 7000 Jahren änderte sich wieder das Landschaftsbild: Wälder wurden gerodet, um Ackerflächen für Getreide und andere Feldfrüchte zu gewinnen. Auf den Flächen außerhalb der Felder weideten jetzt Kühe, Pferde, Schafe, Gänse und Ziegen. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die Kulturlandschaft, die damals entstand, der ursprünglichen mitteleuropäischen Naturlandschaft einer Warmzeit, die Wildtierherden ernährte, nicht unähnlich war. Deshalb sind traditionelle Kulturlandschaften auch so artenreich: Sie bieten Biotope, die von Artengemeinschaften besiedelt werden können, die sich über Hunderttausende, ja Millionen von Jahren entwickelt haben.

Wir finden solche Landschaften heute noch dort, wo sich Kühe und Pferde auf großen Flächen frei bewegen dürfen, wo wegen der geringen Besatzdichte auch Bäume und Sträucher wachsen können. Das sind vor allem die Almen in den Alpen und einige andere, meist unter Naturschutz gestellte große Weidegebiete, die von mehreren Hofstellen genutzt werden, sogenannte Allmende- oder Hudeweiden. Reste dieser gemeinschaftlich genutzten Weiden, die bis zum 18. Jahrhundert in Mitteleuropa eine verbreitete Wirtschaftsform waren, sind zum Beispiel die Weidfelder im Südschwarzwald oder das Borkener Paradies in Norddeutschland.

Traditionell bewirtschaftete Kulturlandschaften mit Wiesen, Bäumen und Sträuchern werden als besonders schön empfunden. Solche halboffenen Landschaften entstehen auch ohne Mäher und Motorsäge dort, wo sich Weidetiere auf großen Flächen frei bewegen können.

Kleine Kulturgeschichte des Rasens

Der Anfang war naturnah

Der Englische Garten in München: ein weiter Blick über Hügel und Täler. Wasserflächen, Gruppen von Bäumen und Sträuchern, markante, einzeln stehende Baumgestalten. Auf den Rasenflächen, wo im Sommer die Sonnenanbeter lagern, grasen im Herbst und Winter Graugänse.

Englischer Garten in München. Über diesen Blick sagte Werner Heisenberg im Jahr 1958 anlässlich des achthundertsten Stadtgeburtstags: »der Blick vom Monopteros über die blumenübersäten Wiesen des Englischen Gartens bis zur Frauenkirche«. Heute finden sich hier eher artenarme Strapazierrasen. Im Nordteil des Englischen Garten werden die Flächen von Schafen beweidet. Dort kann man die blumenübersäten Flächen noch finden.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Englische Garten von Friedrich Ludwig von Sckell geplant und gebaut. Die Anlage war einer der ersten öffentlich zugänglichen Parks in Europa. Die Gestaltung der Gärten und Parks als »Landschaftsgärten« entstand zuerst in England. Der englische Gartenstil ist ein Kind der Umbrüche am Ende des 18. Jahrhunderts und spiegelt sie gleichzeitig wider.

Die Aufklärung entdeckte die Würde und das Recht des Individuums und begründete dies aus der Natur des Menschen. Damit war aber auch das Recht und die Würde der Natur an sich und die Schönheit der Landschaft in den Blickpunkt gerückt worden. Die Landschaftsmalerei als eigene Kunstgattung blühte auf. Wenn wir solche Landschaftsbilder heute betrachten, sehen wir naturnahe, traditionelle, beweidete Kulturlandschaften. Interessant ist, dass die Landschaftsmalerei in dem Moment entstand, als eine radikale Veränderung der Landschaften Mitteleuropas einsetzte. Mit der sogenannten »Markenteilung« wurden nach und nach die Allmenden, die gemeinschaftlich genutzten Weiden, aufgelöst. Der Landbesitz wurde nun einzelnen Individuen zugesprochen. Die in der freien Landschaft weidenden Viehherden verschwanden, die Waldweide wurde verboten. Zu dieser Zeit erst entstand die Trennung zwischen Landwirtschaft und Forstwirtschaft. Die uns heute so geläufige Unterscheidung von Wald und Feld ist damit kaum mehr als zweihundert Jahre alt.

Aber die Landschaftsmaler hielten sie noch fest, die weiten Blicke, Gebüsche und markanten Einzelbäume, wie sie nur auf großen beweideten Flächen entstehen können. Und die Landschaftsgärtner versuchten, solche Bilder in Gärten und Parks Wirklichkeit werden zu lassen. Sie imitierten die traditionelle Kulturlandschaft – und damit auch unwissentlich die europäische Naturlandschaft – in dem Moment, als die Verarmung der Biodiversität begann.

Dabei war der englische Landschaftsgarten mit seinen weiten Rasenflächen eine bewusste Gegenbewegung zur Gartenkultur des Barocks und des Rokokos. Diese sogenannten französischen Gärten waren als dekorative Fortsetzung des Schlosses geplant worden, die Muster ihrer Beete ähnelten denen der Teppiche und Wanddekorationen im Schloss. Die Gartengestalter nutzten farbige Sande und Kiese genauso wie Blumen als »Farben«, mit denen sie die Felder füllten, die meist durch Buchshecken eingefasst waren, so als würden sie diese ausmalen. Natürlich war auch Grün eine beliebte Farbe. Um Flächen grün »auszumalen« wurden Rasen angelegt, die mit der Sense kurz gehalten wurden. Der Gartenbereich in unmittelbarer Nähe zum Schloss, in dem die Rasenflächen vorherrschten, hieß Parterre à l’angloise.

Die Gärten des Barocks und Rokokos dienten dazu, die herausgehobene Stellung des Schlossbesitzers als Herrscher zu unterstreichen. Die englischen Landschaftsgärten sollten dagegen die Schönheit der Natur erlebbar machen und sie zugleich überhöhen.

Auf den Rasen und Wiesenflächen der englischen Gärten und Parks weideten Nutztiere, vor allem Schafe. Dies hatte zwei Gründe: Einmal war es zu aufwendig, alle Flächen mit der Sense zu mähen. Zum anderen verstanden sich die Erbauer der Parks nicht nur als Landbesitzer, sondern auch als Landgestalter und Verbesserer der Landwirtschaft. In der Regel wurden nur die Rasenflächen in der Nähe des Wohnhauses regelmäßig mit der Sense gemäht, um ein gleichmäßiges Erscheinungsbild zu erreichen.

Die ursprüngliche Abstammung des englischen Rasens von Weideflächen ist nicht nur theoretischer Natur, sondern auch ganz real: Wenn eine Rasenfläche neu angelegt werden sollte, wurden Rasensoden von Weideflächen (nicht von Mähwiesen) abgestochen und auf einer vegetationsfreien Fläche ausgelegt. Um die vorher auf der Fläche wachsenden Pflanzen zu vernichten, wurde der Boden sogar mit kochend heißem Wasser begossen.

Die andere damals zur Verfügung stehende Technik, die Aussaat von Heublumen – samenhaltiges Material, das in einem Heulager auf dem Boden zusammengefegt werden kann –, war eine Technik, von der in den Ratgebern der damaligen Zeit abgeraten wurde. Nur Rasensoden von Weiden würden die angestrebte dichte Narbe ergeben.

Genauso waren wohl auch in den Zeiten vor der Aufklärung die weniger stilprägenden Rasenflächen in den Gärten des Mittelalters, Barocks und Rokokos angelegt worden: Man stach auf Viehweiden Rasensoden aus und legte sie auf gut vorbereiteten, unkrautfreien Böden aus, walzte die Flächen, wässerte sie und schnitt sie regelmäßig mit der Sense. Wobei die Weiden der damaligen Zeit eher mager und kräuterreich waren, sie hatten nichts mit den dichten, dunkelgrünen, fetten Löwenzahn-Weidelgras-Flächen zu tun, auf denen heutzutage das Vieh in der Regel weidet.

Auf mittelalterlichen Gemälden können wir solche Rasenflächen manchmal im Hintergrund erkennen und wir sehen zu unserer Überraschung: Sie sind übersät mit Blumen. Auf dem Bild »Maria mit dem Kind vor der Rasenbank« von Stephan Lochner aus dem Jahr 1440 (in der Alten Pinakothek in München, ganz in der Nähe des Englischen Gartens zu sehen) machen viele Blumen – zumeist Mariensymbolpflanzen wie Margeriten, Primeln, Nelken, Wegerich, Löwenzahn, aber auch Erdbeeren – aus der Rasenfläche einen Blütenteppich. Auch der englische Dichter Geoffrey Chaucer (1343 – 1400) schrieb in »The Legend of Good Women«: »das …, weiche, süße Gras, mit Blumen herrlich bestickt, die voller Süße und Duft waren, …«

Wenn wir Rasensoden sehen wollen, wie sie früher zur Anlage von Rasen benutzt wurden, können wir Albrecht Dürers Aquarell »Das große Rasenstück« aus dem Jahre 1503 betrachten und bekommen eine ungefähre Ahnung, wie blütenreich die Rasen früher waren.

Mit dem Blütenreichtum und der Beweidung blieb den Landschaftsgärten natürlich auch ein Großteil der biologischen Vielfalt der traditionellen Kulturlandschaft erhalten. Der Kot der Weidetiere ist die Grundlage ganzer Nahrungsketten. Extensiv bewirtschaftete Weiden sind damals wie heute übersät mit blühenden Kräutern wie Margerite, Kleines Habichtskraut, Oregano, Wiesensalbei, Hahnenfuß, Thymian, Sonnenröschen, Braunelle und Fingerkraut. Damit ist die Nahrungsgrundlage für eine vielfältige Insektenfauna gegeben, die wiederum weitere Tierarten ernährt. So gab es im Englischen Garten in München etliche Lachseeschwalben, eine heute äußerst selten gewordene Seeschwalbenart, die sich von großen Insekten, Reptilien und Kleinsäugern ernährt.

Der Nordteil des Englischen Gartens in München wird inzwischen wieder von einer Schafherde gepflegt, und es ist erstaunlich, wie artenreich diese Flächen sind. Hier blühen Wiesenmargeriten, Wiesenflockenblumen, Wiesenwitwenblumen, Skabiosenflockenblumen, Rundblättrige Glockenblumen, Karthäusernelken und Herbstzeitlosen.

Eine Frage bleibt noch zu beantworten: Warum gefällt uns die traditionelle Kulturlandschaft mit ihren Rasen, Wiesen, Blumen, Sträuchern und Bäumen so sehr? Warum finden wir nur Landschaften und Gärten schön, die beides bieten: Geborgenheit und Weite? Die Antwort liegt wohl in der Evolution des Menschen: Die Menschheit entstand in Afrika in einer halboffenen beweideten Landschaft. An diesen Landschaftstyp sind wir angepasst. Im dichten, dunklen Wald fehlt uns