Rat der Neun - Gegen das Schicksal - Veronica Roth - E-Book

Rat der Neun - Gegen das Schicksal E-Book

Veronica Roth

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Beschreibung

Er würde für sie sterben. Sie würde für ihn töten.
Das spektakuläre Finale des Weltbestsellers »Rat der Neun« von Veronica Roth!


Das Leben von Cyra und Akos ist vom unausweichlichen Schicksal bestimmt, das die Orakel bei ihrer Geburt geweissagt haben. Demnach wird Akos im Dienst von Cyras Familie sterben. Trotzdem ist seine Liebe zu Cyra ungebrochen. Als deren totgeglaubter Vater Lazmet den Thron wieder für sich beansprucht, scheint Akos' Ende näher denn je. Lazmet beginnt einen brutalen Krieg, und Cyra und Akos sind zu allem bereit, um ihn zu stoppen. Für Cyra könnte das bedeuten, dass sie ihren eigenen Vater töten muss. Für Akos steht das eigene Leben auf dem Spiel. Doch schließlich bestimmt das Schicksal beide Leben auf vollkommen unerwartete Weise …

Band 1: Rat der Neun

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Seitenzahl: 628

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VERONICA ROTH

Rat

der

Neun –

Gegen das Schicksal

Aus dem Amerikanischen

von Petra Koob-Pawis

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

1. Auflage 2019

© 2018 by Veronica Roth

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel »The Fates Divide« bei Katherine Tegen Books, einem Imprint von HarperCollins Children’s Books, New York.

© 2019 für die deutschsprachige Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuch Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem amerikanischen Englisch von Petra Koob-Pawis

Umschlaggestaltung: semper smile, München,

unter Verwendung des Originalcovers, TM & © 2018 by Veronica Roth.

Jacket art by Jeff Huang. Jacket design by Erin Fitzsimmons.

Used with permission. All rights reserved.

Map illustrated by Virgina Allyn.

All other design elements go under: Typography by Joel Tippie.

kk • Herstellung: AJ

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN 978-3-641-21462-3V002

www.cbj-verlag.de

Für meinen Dad Frank, meinen Bruder Frankie und meine Schw,ester Candice: Auch wenn wir nicht blutsverwandt sind, schätze ich mich glücklich, euch meine Familie nennen zu dürfen.

PROLOG

EIJEH

»WARUM SO FURCHTSAM?«, fragen wir uns.

»Sie kommt, um uns zu töten«, antworten wir.

Anfangs hat uns das Gefühl, in zwei Körpern gleichzeitig zu sein, Angst eingejagt. Seitdem der Austausch vollzogen war, haben wir uns jedoch allmählich daran gewöhnt, dass unsere beiden Stromgaben zu einer neuen, einzigartigen Gabe verschmolzen sind. Wir haben gelernt, so zu tun, als wären wir zwei Personen statt einer – aber wenn wir allein und unter uns sind, finden wir große innere Ruhe in der Wahrheit. Wir sind eine Person in zwei Körpern.

Wir befinden uns nicht mehr auf Urek. Dort wussten wir noch, wo wir sind – jetzt treiben wir im Weltraum, dessen Schwärze nur vom Stromfluss durchbrochen wird, der sich wie ein rot schillerndes Band durchs All windet.

Nur eine unserer beiden Gefängniszellen hat ein Fenster. Es ist ein kleiner Verschlag mit nichts außer einer dünnen Matratze und einer Flasche Wasser. Die andere Zelle ist ein Lagerraum, in dem es nach Desinfektionsmittel riecht, scharf und ätzend. Die Dunkelheit wird nur von dem schwachen Lichtschein erhellt, der durch die Ritzen der geschlossenen Lüftungsschlitze oben an der Tür dringt.

Wir strecken zwei Arme aus – der eine kürzer und dunkler, der andere lang und blass. Der erste fühlt sich leicht an, der zweite ungelenk und schwer. Die Wirkung der Drogen hat bei einem Körper bereits nachgelassen, beim anderen nicht.

Das eine Herz hämmert, das andere schlägt weiter in ruhigem Rhythmus.

»Um uns zu töten?«, überlegen wir. »Können wir da sicher sein?«

»So sicher, wie die Schicksale es sind. Sie will unseren Tod.«

»Die Schicksale.« Hier tritt ein Widerspruch zutage. Ein Mensch kann etwas gleichzeitig lieben und hassen. Auf dieselbe Weise lieben und hassen wir die Schicksale. Glauben an sie und doch auch nicht. »Wie hat es unsere Mutter genannt …« Wir haben zwei Mütter, zwei Väter, zwei Schwestern. Aber nur einen Bruder. »Füge dich in dein Schicksal oder trage es oder –«

»Erdulde das Schicksal, hat sie gesagt«, antworten wir. »Denn alles andere ist Verblendung.«

TEIL 1

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KAPITEL 1

CYRA

LAZMET NOAVEK, MEIN Vater und einstiger Tyrann von Shotet, galt seit mehr als zehn Zeitläufen als tot. Auf der ersten Planetenreise nach seinem Tod hatten wir eine Trauerfeier für ihn abgehalten und seine alte Rüstung ins All hinausgeschossen, da es keinen Leichnam gab.

Und doch hatte mein Bruder Ryzek, der jetzt im Bauch des Transportschiffs gefangen war, gesagt: Lazmet Noavek lebt noch.

Meine Mutter hatte meinen Vater manchmal Laz genannt. Niemand außer Ylira Noavek hätte das gewagt. »Laz«, hatte sie dann gesagt, »lass gut sein.« Er war ihrem Wunsch nachgekommen, solange sie nicht allzu oft darauf bestanden hatte. Lazmet hatte sie respektiert, aber nur sie allein, denn nicht einmal seinen engsten Freunden war er mit Respekt begegnet.

Ihr gegenüber hatte er fast so etwas wie Sanftheit an den Tag gelegt, allen anderen gegenüber war er … nun ja.

Mein Bruder – der sein Leben als sanfter Mensch begonnen hatte und erst später so hart geworden war, dass er sogar seine eigene Schwester folterte – hatte von Lazmet gelernt, das Auge eines Menschen herauszuschneiden. Er hatte gelernt, es aufzubewahren und zu konservieren, damit es nicht verweste. Als ich klein war und noch nicht verstand, was die aufgereihten Glasbehältnisse in der Waffenhalle enthielten, hatte ich sie immer wieder betrachtet, wie sie hoch über meinem Kopf im schwachen Licht schimmerten. Augäpfel mit grüner oder brauner oder grauer Iris. Sie waren in der Flüssigkeit geschwommen wie Fische, die in einem Aquarium nach Futter schnappten.

Mein Vater hatte nie irgendwen mit eigenen Händen verstümmelt. Er hatte auch nie jemandem den Befehl gegeben, dies zu tun. Stattdessen hatte er sie mit seiner Gabe dazu gebracht, sich selbst zu verstümmeln.

Man musste einen Menschen nicht immer mit dem Tod bestrafen. Man konnte auch seine schlimmsten Albträume wahr werden lassen.

Als Akos Kereseth später am Tag zu mir kam, war ich gerade auf dem Navigationsdeck. Das kleine Transportschiff brachte uns weg von unserem Planeten, der kurz vor einem Krieg zwischen meinem Volk, den Shotet, und Akos’ Heimatnation Thuvhe stand. Ich saß auf dem Kommandostuhl und wippte vor und zurück, um mich zu beruhigen. Ich wollte Akos erzählen, was ich von Ryzek erfahren hatte, dass nämlich mein Vater – wenn er denn tatsächlich mein Vater war und Ryzek mein Bruder – noch lebte. Ryzek war überzeugt, dass in unseren Adern in Wirklichkeit nicht dasselbe Blut floss und ich gar keine echte Noavek war. Aus diesem Grund hatte ich das Gen-Schloss zu seinen Privaträumen nicht öffnen können und daher war auch mein erstes Attentat auf ihn fehlgeschlagen.

Aber ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Mit dem angeblichen Tod meines Vaters? Mit seinem Leichnam, den man nie gefunden hatte? Mit dem nagenden Gefühl, dass Ryzek und ich uns nicht ähnlich genug sahen, um miteinander verwandt zu sein?

Akos war auch gar nicht in der Stimmung für ein Gespräch. Wortlos breitete er eine Decke, die er irgendwo aufgestöbert hatte, zwischen Kommandostuhl und Wand aus. Wir legten uns nebeneinander auf den Boden und starrten Seite an Seite hinaus ins Nichts. Stromschatten – meine unermüdlichen, qualvollen Begleiter – wanden sich um meine Arme wie schwarze Fäden und sandten dunklen Schmerz bis in meine Fingerspitzen.

Ich fürchtete mich nicht vor der Leere. Sie gab mir das Gefühl, klein und unwichtig zu sein. Weder eines ersten noch eines zweiten Blickes wert. Für jemanden wie mich, der stets fürchten musste, großen Schaden anzurichten, war dieser Gedanke seltsam tröstlich. Wenn ich klein und nichtig war und mich von allen Menschen fernhielt, tat ich niemandem etwas zuleide. Ich wollte nur das, was zum Greifen nahe war, mehr nicht.

Akos verhakte seinen Zeigefinger mit meinem kleinen Finger. Die Schatten verschwanden, sobald unsere Stromgaben aufeinandertrafen.

Ja, was zum Greifen nahe war, reichte mir vollauf.

»Kannst du etwas auf Thuvhesisch sagen?«, bat er mich.

Ich drehte den Kopf zur Seite und sah ihn an. Er blickte zum Fenster hinaus. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Sommersprossen sprenkelten seine Nase und auch eines seiner Augenlider, direkt an den Wimpern. Ich hob meine Hand. Ließ sie unschlüssig über der Decke schweben. Ich wollte ihn berühren und zugleich wollte ich die Sehnsucht nach ihm noch etwas länger auskosten. Schließlich fuhr ich mit der Fingerspitze den Schwung seiner Augenbraue nach.

»Ich bin kein zahmes Vögelchen, das auf Kommando zwitschert«, sagte ich.

»Das war kein Befehl, sondern eine Bitte. Und eine bescheidene noch dazu«, erwiderte er. »Du könntest zum Beispiel meinen vollen Namen sagen.«

Ich lachte. »Ein Teil deines Namens ist Shotet, schon vergessen?«

»Stimmt.« Er schnappte mit dem Mund nach meiner Hand und schlug die Zähne zusammen. Ich war so überrascht, dass ich losprustete. »Als du angefangen hast, unsere Sprache zu lernen, was ist dir da am schwersten gefallen?«

»Die Städtenamen. Sie sind echte Zungenbrecher«, antwortete ich. Akos ließ meine Hand los, um die andere zu ergreifen, meinen Daumen mit den Fingerspitzen der einen Hand und meinen kleinen Finger mit denen der anderen. Er drückte einen Kuss auf meine Handfläche, wo die Haut vom häufigen Training mit der Stromklinge schwielig geworden war. Seltsam, dass diese einfache Geste, diese hauchzarte Berührung einer verhärteten Stelle meines Körpers, mich mit Wärme erfüllen und alle meine Nerven elektrisieren konnte.

Seufzend gab ich mich geschlagen.

»Also gut, dann zähle ich sie eben auf. Hessa, Shissa, Osoc«, sagte ich. »Eine Kanzlerin hat Hessa einmal als das Herz von Thuvhe bezeichnet. Ihr Nachname war Kereseth.«

»Das einzige Mitglied meiner Familie, das jemals unser Volk regiert hat«, sagte Akos und führte meine Hand an seine Wange. Auf den Ellbogen gestützt, beugte ich mich über ihn und ließ meine Haare über unsere Gesichter fallen. Sie waren lang genug dafür, allerdings nur auf der einen Seite, denn die andere war nun von Silberhaut überzogen.

»Lange Zeit gab es nur zwei Familien in Thuvhe, die vom Schicksal gesegnet waren«, sagte ich. »Bis auf dieses eine Mal lag die Führung eurer Nation immer in den Händen der Benesit – wenn die Schicksale überhaupt jemanden als Kanzler benannten. Findest du das nicht merkwürdig?«

»Vielleicht taugen wir nicht zum Regieren?«

»Vielleicht hat das Schicksal es gut mit euch gemeint«, wandte ich ein. »Königsthrone können ein Fluch sein.«

»Mit mir hat das Schicksal es ganz sicher nicht gut gemeint«, sagte er sanft. So sanft, dass ich nicht sofort begriff, was er meinte. Sein Schicksal – das dritte Kind der Familie Kereseth wird im Dienst der Familie Noavek sterben – bestand darin, seine eigene Heimat zu verraten, meiner Familie zu dienen und dabei den Tod zu finden. Wie konnte man darin etwas anderes als eine schwere Bürde sehen?

Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich habe nicht nachgedacht –«

»Cyra«, begann er. Dann hielt er inne und sah mich stirnrunzelnd an. »Hast du dich etwa gerade entschuldigt?«

»Ich kenne die Worte dafür«, erwiderte ich finster. »Es ist nicht so, als hätte ich keine Manieren.«

Er lachte. »Ich kenne das essanderanische Wort für ›Müll‹. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich es richtig anwenden kann.«

»Na gut, dann nehme ich meine Entschuldigung eben wieder zurück.« Ich stupste ihn unsanft an der Nase. Als er, immer noch lachend, zurückwich, fragte ich: »Wie heißt Müll denn auf Essanderanisch?«

Akos sprach es aus. Es hörte sich an wie ein Wort, das von einem Spiegel reflektiert wird – eine Aneinanderreihung von Buchstaben, zuerst vorwärts und dann rückwärts.

»Endlich habe ich deine Schwäche entdeckt«, zog er mich auf. »Ich muss dich nur mit neuen Wissensbrocken füttern und schon bist du abgelenkt.«

Ich dachte über seine Worte nach. »Es schadet wohl nichts, wenn du eine meiner Schwächen kennst … wo es doch so viele davon gibt.«

Er zog fragend die Augenbrauen hoch und ich ging mit flinken Fingern zum Angriff über. Ich kniff ihn in die linke Flanke, direkt unter dem Ellbogen, dann in die rechte, gleich über der Hüfte, und schließlich ins Bein, dort wo die hintere Sehne verläuft – alles Stellen, die er im Kampf manchmal ungeschützt ließ und an denen er besonders empfindlich war. Aber ich neckte ihn sanfter, als ich es mir selbst zugetraut hätte, und meine Berührungen ließen ihn nicht schmerzhaft zusammenzucken, sondern entlockten ihm ein Lachen.

Er packte mich mit beiden Händen an der Hüfte und zog mich auf sich. Seine Fingerspitzen glitten unter meinen Hosenbund und lösten Qualen aus, die mir fremd und zugleich sehr willkommen waren. Ich stützte mich zu beiden Seiten seines Kopfs auf der Decke ab und beugte mich ganz langsam hinunter, um ihn zu küssen.

Wir hatten uns noch nicht oft geküsst, und er war der Erste, den ich überhaupt je geküsst hatte, daher war es jedes Mal eine neue Entdeckung für mich. Ich strich über die feinen Kanten seiner Zähne hinweg und erforschte die Spitze seiner Zunge. Ich spürte ein Knie zwischen meinen und fühlte den sanften Druck einer Hand in meinem Nacken, die mich näher heran, in eine engere und ungestümere Umarmung zog. Ich wagte es nicht, Luft zu holen, denn ich wollte keine Sekunde verschwenden – weshalb es nicht lange dauerte, bis ich nach Atem ringend gegen seinen Hals sank und sein leises Lachen hörte.

»Das nehme ich mal als ein gutes Zeichen«, sagte er.

»Werde bloß nicht übermütig, Kereseth.«

Ich konnte nicht mehr aufhören zu lächeln. Lazmet – und mit ihm alle Fragen zu meiner Abstammung – waren in weite Ferne gerückt. Hier, mitten im Nichts schwebend und an der Seite von Akos Kereseth, war ich sicher.

Und dann: ein Schrei, irgendwo aus der Tiefe des Schiffs. Es war die Stimme von Cisi, Akos’ Schwester.

KAPITEL 2

CISI

ICH WEISS, WAS es heißt, die eigene Familie sterben zu sehen. Denn ich bin Cisi Kereseth.

Ich habe mit angesehen, wie mein Vater auf unserem Wohnzimmerboden gestorben ist. Ich habe mit angesehen, wie Eijeh und Akos von den Soldaten der Shotet verschleppt wurden. Ich habe mit angesehen, wie meine Mutter verblasste wie Stoff im bleichenden Licht der Sonne. Ich weiß, was es heißt, jemanden zu verlieren. Ich kann es nur nicht so zum Ausdruck bringen, wie andere es tun. Meine Stromgabe erlaubt es mir nicht, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Daher bin ich ein bisschen eifersüchtig auf Isae Benesit – meine vom Schicksal zur Kanzlerin von Thuvhe bestimmte Freundin –, die sich ganz ihrer Trauer hingeben kann. Sie lässt sich von ihren Gefühlen mitreißen, bis sie völlig erschöpft ist und wir Schulter an Schulter in der Bordküche des Exilschiffs der Shotet einschlafen.

Als ich aufwache, lehne ich immer noch an der Wand, und mein Rücken ist ganz steif. Ich stehe auf, strecke mich nach links und nach rechts und betrachte Isae.

Sie sieht nicht gut aus, was kein Wunder ist – erst gestern ist ihre Zwillingsschwester Ori gestorben, in einer Arena voller Shotet, die lautstark nach ihrem Blut verlangten.

Sie fühlt sich auch nicht gut an. Die stoffliche Aura um sie herum ist pelzig wie der Belag auf ungeputzten Zähnen. Ihr Blick flackert unruhig durch den Raum und wandert über mein Gesicht und meinen Körper, aber nicht in einer Weise, die einen zum Erröten bringt. Ich versuche, sie mit meiner Gabe zu beruhigen, und sende ein samtweiches Gefühl aus, das sich vor ihr entrollt wie ein Faden aus Seide. Es scheint keine große Wirkung zu haben.

Die Gabe, die mir der Strom geschenkt hat, ist seltsam. Ich werde nie wissen, was Isae im Innersten empfindet – aber ich kann ihre Stimmung spüren, denn sie erfüllt die Luft wie etwas Stoffliches. Ich kann ihre Gefühle nicht beherrschen, aber ich kann sie behutsam in eine andere Richtung lenken. Oft sind mehrere Anläufe nötig und manchmal muss ich mir auch etwas Neues einfallen lassen. Daher versuche ich es nun mit Wasser statt mit Seide. Ich lasse eine Welle über sie hinwegbranden.

Vergeblich. Sie ist zu angespannt. Manchmal sind Gefühle so übermächtig, dass ich nicht dagegen ankomme.

»Cisi, kann ich dir vertrauen?«

Das thuvhesische kann ist ein merkwürdiges Wort. Es bedeutet kann und soll und muss, alles zugleich. Die Bedeutung hängt vom Zusammenhang ab und man kann sie nur erschließen. Das führt immer wieder zu Missverständnissen, weshalb die Bewohner anderer Welten unsere Sprache gerne mit Glatteis vergleichen. Das mag stimmen, aber oft scheuen diese Leute einfach die Mühe.

Als Isae Benesit mich in meiner Muttersprache fragt, ob sie mir vertrauen kann, weiß ich daher nicht genau, was sie meint. Dennoch gibt es nur eine Antwort darauf.

»Natürlich.«

»Ich meine es ernst, Cisi«, sagt sie. Ihre Stimme ist dunkel, wie immer, wenn ihr etwas sehr wichtig ist. Ich mag diesen Klang, er erfüllt meinen Kopf mit einem Summen. »Da gibt es etwas, was ich tun muss, und ich hätte dich gerne bei mir. Aber ich fürchte, du wirst nicht –«

»Isae«, falle ich ihr ins Wort. »Was auch immer es ist, ich bin für dich da.« Ich berühre sanft ihre Schulter. »Hörst du?«

Sie nickt.

Ich versuche, nicht auf eines der herumliegenden Messer zu treten, als ich Isae zur Tür folge. Gestern hat sie sich in der Bordküche eingeschlossen, die Schubladen herausgerissen und alles zerstört, was ihr in die Hände gefallen ist. Der Fußboden ist übersät von Stofffetzen und Glasscherben, zerbrochenem Plastik und ausgerollten Bandagen. Ich kann es ihr nicht verdenken.

Meine Gabe hält mich davon ab, etwas zu tun oder zu sagen, was anderen Menschen Unbehagen bereitet. Nach dem Tod meines Vaters konnte ich daher nur weinen, wenn ich alleine war. Monatelang war ich nicht in der Lage, ein Gespräch mit meiner Mutter zu führen. Wenn ich damals die Möglichkeit gehabt hätte, wie Isae eine Küche zu verwüsten, dann hätte ich es vermutlich getan.

Schweigend gehe ich hinter Isae her. Wir kommen an Oris Leichnam vorbei. Er ist von Kopf bis Fuß in ein Laken gehüllt, unter dem sich nur die Rundung ihrer Schultern, ihre Nase und ihr Kinn abzeichnen. Schemenhafte Umrisse des Menschen, der sie einmal war. Isae hält inne und holt tief Luft. Sie ist noch entschlossener als zuvor, es fühlt sich an wie grobkörniger Sand. Ich weiß, dass ich sie nicht besänftigen kann, aber aus Sorge um sie unternehme ich dennoch einen Versuch.

Ich sende ihr luftige Federgrasbüschel und glatt poliertes Holz. Warmes Öl und gerundetes Metall. Nichts zeigt Wirkung. Ich reibe mich an ihr auf und das frustriert mich. Wieso gelingt es mir nicht, ihr zu helfen?

Einen Tick lang spiele ich mit dem Gedanken, Unterstützung zu holen. Akos und Cyra sind ganz in der Nähe auf dem Navigationsdeck. Mom ist irgendwo weiter unten im Schiff. Auch Teka, Akos’ und Cyras Rebellenfreundin, ist hier. Sie hat sich über die Sitzbänke ausgestreckt und ihr weißblondes Haar umfließt ihren Kopf. Doch ich kann keinen von ihnen um Hilfe bitten – zum einen, weil der Fluch meiner Gabe mich daran hindert, anderen Menschen Kummer aufzubürden, zum anderen, weil mein Instinkt mir dazu rät, Isae zu beweisen, dass sie mir voll und ganz trauen kann.

Isae führt mich auf das untere Deck, wo es zwei Lagerräume und einen Waschraum gibt. Im Waschraum ist Mom, das höre ich am Plätschern des aufbereiteten Wassers. In einem der Lagerräume – ich habe dafür gesorgt, dass es der mit dem Fenster ist – befindet sich mein Bruder Eijeh. Es hat mir wehgetan, ihn so lange nach seiner Entführung wiederzusehen. Er wirkte so klein im Vergleich zu Ryzek Noavek, der neben ihm aufragte wie eine fahle Säule. Man möchte meinen, dass die Menschen mit den Jahren stärker und dicker werden. Aber nicht Eijeh.

Im anderen Lagerraum – dort, wo das Putzzeug aufbewahrt wird – ist Ryzek Noavek eingesperrt. Allein die Anwesenheit des Mannes, der meine Brüder entführen und meinen Vater umbringen ließ, lässt mich erbeben. Isae bleibt zwischen beiden Türen stehen. Plötzlich wird mir klar, dass sie einen der beiden Räume betreten will. Und ich möchte nicht, dass sie zu Eijeh geht.

Ich weiß, dass er derjenige ist, der Ori getötet hat. Seine Hand hat das Messer geführt. Aber ich kenne meinen Bruder. Er könnte nie jemanden umbringen, schon gar nicht die beste Freundin aus seiner Kindheit. Es muss eine andere Erklärung geben. Ryzek ist der Schuldige, alles andere ist undenkbar.

»Isae«, setze ich an. »Was hast du –«

Sie legt drei Finger auf ihre Lippen, damit ich verstumme.

Isae steht genau in der Mitte zwischen beiden Räumen. Sie versucht, eine Entscheidung zu treffen. Ich merke es an dem leisen Sirren, das sie umgibt. Sie zieht einen Schlüssel aus der Tasche – anscheinend hat sie ihn Teka gestohlen, als diese kurz damit beschäftigt war, sicherzustellen, dass wir auf direktem Weg zum Hauptquartier des Hohen Rats fliegen. Jetzt steckt sie ihn in das Schloss von Ryzeks Zelle. Ich strecke die Hand nach ihr aus.

»Er ist gefährlich«, sage ich.

»Damit komme ich klar«, erwidert sie. Ihr Blick wird weicher, als sie hinzufügt: »Ich werde nicht zulassen, dass er dir etwas antut. Das verspreche ich dir.«

Ich lasse sie gewähren. Etwas in mir ist begierig, ihn zu sehen und dem Ungeheuer endlich Auge in Auge gegenüberzustehen.

Isae öffnet die Tür. Er sitzt ganz hinten an der Wand, mit ausgestreckten Beinen und hochgekrempelten Ärmeln. Er hat lange, knochige Zehen und schmale Fußknöchel. Ich blinzle überrascht. Können die Füße eines sadistischen Tyrannen wirklich so verletzlich aussehen?

Falls Isae eingeschüchtert ist, lässt sie es sich nicht anmerken. Mit verschränkten Händen und hocherhobenem Kopf steht sie da.

»Sieh an«, sagt Ryzek und fährt sich mit der Zunge über die Zähne. »Die Ähnlichkeit von Zwillingen ist immer wieder faszinierend. Du siehst genauso aus wie Orieve Benesit – abgesehen von den Narben natürlich. Seit wann hast du sie?«

»Seit zwei Zeitläufen«, antwortet Isae steif.

Sie spricht mit ihm. Sie spricht mit Ryzek Noavek, meinem schlimmsten Feind, der ihre Schwester entführt hat und dessen Arm an der Außenseite eine lange Reihe von Tötungsmalen aufweist.

»Dann werden sie noch verblassen«, stellt er fest. »Wie schade. Sie ergeben ein schönes Muster.«

»Ja, ich bin ein Kunstwerk«, erwidert sie. »Und der Künstler war ein Fleischwurm aus Shotet, der vorher in einem Abfallhaufen herumgewühlt hat.«

Ich starre sie an. Nie habe ich sie so hasserfüllt über die Shotet sprechen hören. Es passt gar nicht zu ihr.

Fleischwurm ist so ziemlich die schlimmste Beleidigung, die man einem Shotet an den Kopf werfen kann. Fleischwürmer sind abstoßende graue Parasiten, die alles Lebende von innen heraus auffressen. Ungeziefer, gegen das nur othyrische Medizin etwas ausrichten kann.

»Ah.« Sein Lächeln wird breiter und auf seiner Wange bildet sich ein Grübchen. Irgendetwas daran ruft eine Erinnerung in mir hervor. Vielleicht ist es etwas, was er mit Cyra gemeinsam hat, obwohl die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlich sind. »Es liegt also nicht nur an deinem thuvhesischen Blut, dass du solchen Groll gegen mein Volk hegst.«

»Nein.« Sie geht in die Hocke und stützt sich mit den Ellbogen auf den Knien ab. Ihre Bewegungen sind anmutig und beherrscht, aber ich mache mir Sorgen um sie. Isae ist groß und biegsam, aber nicht annähernd so kräftig wie Ryzek, der fast ein Riese ist, wenn auch ein sehr dünner. Eine falsche Bewegung und er könnte sich auf sie stürzen. Was soll ich dann tun? Schreien?

»Mit Narben scheinst du dich ja auszukennen«, sagt sie und deutet mit einem Kopfnicken auf seinen Arm. »Kommt da auch ein Tötungsmal für das Leben meiner Schwester hin?«

Die weiche, blasse Innenseite seines Arms weist keine Narben auf. Sie fangen an der Außenseite an und ziehen sich von unten nach oben. Es sind mehrere Reihen, dicht nebeneinander.

»Warum? Hast du Messer und Tinte dabei?«

Isae kneift die Lippen zusammen. Das Sandpapier-Gefühl, das sie gerade noch ausgestrahlt hat, wird jetzt rau wie zerklüfteter Fels. Instinktiv drücke ich mich gegen die Tür und taste hinter meinem Rücken nach dem Griff. »Beanspruchst du eigentlich öfter Morde für dich, die du gar nicht selbst begangen hast?«, fragt Isae. »Denn soweit ich weiß, warst es nicht du, der mit dem Messer auf der Plattform stand.«

Ryzeks Augen glitzern.

»Ich frage mich, ob du überhaupt je einen Menschen getötet hast oder ob das immer andere für dich erledigt haben.« Sie legt den Kopf schief. »Leute, die im Gegensatz zu dir den Mumm dazu aufbringen.«

Ein Thuvhesi würde diese Worte nicht als Beleidigung wahrnehmen, aber einen Shotet treffen diese Worte bis ins Mark. Auch bei Ryzek zeigen sie Wirkung. Er scheint Isae mit seinem Blick durchbohren zu wollen.

»Cisi Kereseth«, sagt er, ohne mich anzusehen. »Du siehst dem älteren deiner Brüder sehr ähnlich.« Dann dreht er den Kopf und mustert mich abschätzend. »Bist du denn gar nicht neugierig, was aus ihm geworden ist?«

Ich möchte ihm mit kalter Gelassenheit antworten, als wäre er ohne jede Bedeutung für mich. Ich möchte seinem Blick mit unerbittlicher Härte begegnen. Ich möchte tausend Rachefantasien zum Leben erwecken wie Rauschblumen am Blütenfest.

Ich öffne den Mund, bringe aber kein Wort heraus.

Na schön, denke ich und schleudere ihm einen kleinen Schwall meiner Stromgabe entgegen, als würde ich kurz in die Hände klatschen. Inzwischen weiß ich, dass nicht alle Menschen so gut mit ihrer Gabe umgehen können wie ich. Wenn es mir doch nur gelänge, auch den Teil meiner Gabe zu beherrschen, der mich daran hindert, auszusprechen, was ich denke.

Als mein Schwall ihn trifft, entspannt er sich sichtlich. Isae bleibt davon unberührt – zumindest macht sie den Eindruck –, aber vielleicht kann ich auf diese Weise Ryzeks Zunge lösen. Was auch immer Isae vorhat, sie will ihn erst zum Sprechen bringen.

»Mein Vater, der große Lazmet Noavek, hat mich gelehrt, dass Menschen wie Klingen sind. Man kann sie zum Töten einsetzen, aber man selbst ist und bleibt die stärkste Waffe«, sagt Ryzek. »Diese Worte habe ich mir zu Herzen genommen. Sei versichert, Kanzlerin: Auch wenn einige meiner Morde von anderen ausgeführt wurden, bin ich doch stets für den Tod des Opfers verantwortlich gewesen.«

Er beugt sich vor und stützt die Ellbogen auf seine Knie. Seine ineinander verschränkten Hände sind nur einen Lufthauch von Isae entfernt.

»Ich werde das Leben deiner Schwester in meinen Arm ritzen«, sagt er. »Es ist eine hübsche Trophäe für meine Sammlung.«

Ori. Ich weiß, was sie morgens am liebsten trank (Tee aus Harvarinde, der Energie und einen wachen Geist verleiht) und wie sehr sie es hasste, dass ein kleines Stückchen von ihrem Schneidezahn fehlte. Und auch die Rufe der Shotet hallen noch in meinen Ohren: Stirb! Stirb! Stirb!

»Das schafft Klarheit«, sagt Isae.

Sie streckt ihre Hand aus, damit Ryzek sie ergreift. Er sieht sie mit einem merkwürdigen Ausdruck an. Will sie tatsächlich dem Mann die Hand reichen, der gerade zugegeben hat, den Tod ihrer Schwester befohlen zu haben – und auch noch stolz darauf ist?

»Du bist schon seltsam«, sagt er. »Du hast deine Schwester wohl nicht sehr lieb gehabt, wenn du mir jetzt so bereitwillig die Hand gibst.«

Ich sehe, wie die Haut sich über den Fingerknöcheln ihrer anderen Hand spannt. Langsam öffnet sie die Faust. Ihre Finger gleiten an ihrem Bein hinab zu ihrem Stiefel.

Ryzek ergreift die ausgestreckte Hand, doch dann erstarrt er und reißt die Augen auf.

»Ganz im Gegenteil. Ich habe sie über alles geliebt«, sagt Isae. Sie verkrallt sich in seiner Hand und bohrt ihre Fingernägel tief in seine Haut – während ihre andere Hand sich unaufhaltsam dem Stiefel nähert.

Ich begreife erst, was passiert, als es bereits zu spät ist. Mit der linken Hand fährt Isae in den Stiefelschaft und zieht ein Messer hervor, das sie an ihr Bein gebunden hat. Mit der Rechten zieht sie Ryzek zu sich heran. Sie stößt zu und Messer und Mensch treffen aufeinander. Sein ersticktes Stöhnen versetzt mich zurück in unser Wohnzimmer, zurück in meine Jugend, zurück zu dem Blut, das ich weinend vom Boden aufgewischt habe.

Ryzek sackt blutend zusammen.

Ich drücke den Türgriff auf und taumle hinaus in den Gang. Ich schluchze, ich heule und hämmere mit den Fäusten gegen die Wände. Nein, ich tue nichts dergleichen, denn meine Gabe lässt mich nicht.

Das Einzige, was sie mir gewährt, ist ein kurzer, gequälter Schrei.

KAPITEL 3

CYRA

ICH RANNTE IN die Richtung, aus der Cisi Kereseths Schrei gekommen war. Akos war mir dicht auf den Fersen. Um keine Zeit zu verlieren, stieg ich nicht erst die Sprossenleiter hinunter, sondern sprang auf das tiefer gelegene Deck und lief direkt zu Ryzeks Gefängniszelle. Wer auf diesem Schiff außer ihm konnte der Grund sein für diesen Schrei? Im unteren Gang entdeckte ich Cisi, sie war gegen die Wand gesunken, die Tür des Lagerraums stand offen. Aufgeschreckt vom Lärm, kam Teka von der anderen Seite die Leiter heruntergestürmt. Isae Benesit stand in Ryzeks Zelle. Das seltsame Bündel aus Armen und Beinen zu ihren Füßen war mein Bruder.

Akos hatte mit angesehen, wie sein Vater vor ihm auf dem Boden verblutet war, also lag fast so etwas wie Poesie darin, dass es mir jetzt mit meinem Bruder ähnlich erging.

Ryzeks Sterben dauerte sehr lange, was wohl Absicht war. Das blutige Messer umklammernd stand Isae Benesit über ihn gebeugt da, mit wachsamem Blick, aber leeren Augen. Sie wollte den Moment auskosten, den Augenblick des Triumphs über den Mörder ihrer Schwester.

Genauer gesagt über einen Mörder ihrer Schwester, denn Eijeh, der die tödliche Klinge geführt hatte, war noch am Leben und befand sich im Raum nebenan.

Ryzek sah mich an, sein Blick war wie eine Berührung, und plötzlich wurde ich in eine Erinnerung hineingezogen. Aber diesmal war es keine Erinnerung, die er stehlen wollte, sondern eine, dich ich vor mir selbst tief in meinem Innersten verborgen hatte.

Ich befand mich in dem verborgenen Gang hinter dem Waffensaal und spähte durch die Mauerritze. Ich war dort, um ein Gespräch meines Vaters mit einem Shotet zu belauschen, einem zwielichtigen Geschäftsmann, der reich geworden war, indem er ganze Stadtviertel aufkaufte und sie dann verwahrlosen ließ. Es war nicht das erste Mal, dass ich meinem Vater hinterherspionierte, teils aus Langeweile, teils aus Neugier, weil ich herausfinden wollte, was in diesem Haus vor sich ging. Das Treffen hatte jedoch eine schlimme Wendung genommen, wie ich es bis dahin noch nie erlebt hatte. Mein Vater hatte die Hand gehoben und zwei Finger ausgestreckt wie ein zoldanischer Asket, der den Segen spendet. Daraufhin hatte der Geschäftsmann nach seinem eigenen Messer gegriffen. Seine Bewegungen waren ruckartig, er schien dagegen anzukämpfen, aber seine Muskeln versagten ihm den Dienst.

Jetzt setzte er das Messer an seinem inneren Augenwinkel an.

»Cyra!«, zischte jemand hinter mir. Ich zuckte zusammen. Ein noch sehr junger, sommersprossiger Ryzek ließ sich neben mir auf die Knie nieder. Er umfasste mein Gesicht mit beiden Händen. Erst da merkte ich, dass ich weinte. Als jenseits der Wand die ersten Schreie gellten, presste er mir seine Hände an die Ohren und zog mein Gesicht an seine Brust.

Anfangs versuchte ich mich zu wehren, aber er war zu stark. Ich konnte nichts hören außer meinen eigenen Herzschlag.

Schließlich gab er mich frei, wischte die Tränen von meinen Wangen und fragte: »Was hat Mutter immer gesagt? Wer den Schmerz sucht …«

»… findet ihn stets aufs Neue«, beendete ich den Satz für ihn.

Teka hatte mich an den Schultern gepackt. Sie rüttelte mich und wiederholte immer wieder meinen Namen.

Ich sah sie verwundert an und fragte: »Was ist denn los?«

»Deine Schatten …«, begann sie, dann schüttelte sie den Kopf. »Ach, es ist nichts.«

Ich wusste genau, was sie meinte. Meine Lebensgabe spielte wieder einmal verrückt. Schwarze Linien überzogen meine Haut. Seit Ryzek mich im Kellergewölbe der Arena als Werkzeug missbraucht hatte, um Akos zu foltern, hatten sich die Schatten verändert. Sie verästelten sich nicht mehr wie Nerven unter der Haut, sondern krochen über die Haut. Qualen bereiteten sie mir nach wie vor. Mein Blick war verschwommen, und meine Fingernägel hatten tiefe Abdrücke in meiner Handfläche hinterlassen – sichtbarer Beweis, wie schrecklich die Episode meiner Vergangenheit gewesen war.

Akos kniete im Blut meines Bruders und hatte die Finger an Ryzeks Halsschlagader gelegt. Jetzt ließ er die Hand sinken und stützte sich vornübergebeugt auf seine Oberschenkel.

»Es ist vorbei.« Seine Stimme klang belegt, fast so als hätte er Milch in der Kehle. »Nach allem, was Cyra getan hat, um mir zu helfen. Nach allem –«

»Ich werde mich nicht entschuldigen«, unterbrach ihn Isae. Sie riss sich von Ryzeks Anblick los und musterte uns der Reihe nach – Akos, inmitten von lauter Blut; Teka, die mich mit weit aufgerissenen Augen an der Schulter rüttelte; mich und meine schwarz geäderten Arme; Cisi, die an der Wand lehnte, die Hand auf den Magen gepresst. Es roch nach Erbrochenem.

»Er hat meine Schwester ermordet«, sagte Isae. »Er war ein Tyrann und ein Folterer und ein Killer. Ich werde mich nicht entschuldigen.«

»Es geht nicht um ihn. Glaubst du, ich hätte seinen Tod nicht gewollt?« Akos sprang auf. Von den Knien bis zu den Knöcheln waren seine Hosenbeine nass vom Blut. »Natürlich wollte ich seinen Tod! Er hat mir mehr genommen als dir!« Akos baute sich vor Isae auf, und es hätte mich nicht gewundert, wenn er ausgeholt und sie geschlagen hätte. Aber er machte nur eine fahrige Bewegung mit den Händen, mehr nicht. »Ich wollte, dass er davor noch etwas in Ordnung bringt. Ich wollte, dass er Eijeh wieder zu dem macht, der er war, ich …«

Die Erkenntnis traf ihn mit voller Wucht. Ryzek war zwar mein Bruder, aber Akos war derjenige, der seinen Tod betrauerte. Er hatte die Rettung seines eigenen Bruders bis ins Kleinste geplant und beharrlich weiterverfolgt, selbst wenn ihm andere in die Quere gekommen waren. Menschen, die mächtiger waren als er. Und obwohl es ihm endlich gelungen war, seinen Bruder aus Shotet wegzubringen, hatte er ihn nicht retten können. Die Planung, die Kämpfe, die unermüdlichen Versuche … alles umsonst.

Akos sank kraftlos gegen die Wand, schloss die Augen und stöhnte dumpf.

Ich schaffte es, mich aus meiner Trance zu lösen.

»Geh nach oben«, sagte ich zu Isae. »Nimm Cisi mit.«

Für einen Moment sah es so aus, als wollte sie protestieren, doch dann ließ sie ihre Waffe – ein einfaches Küchenmesser – fallen und ging zu Cisi.

»Teka«, sagte ich. »Würdest du bitte Akos nach oben bringen?«

»Willst du …«, begann Teka, hielt dann jedoch inne. »Okay.«

Isae und Cisi, Teka und Akos, sie alle gingen weg und ließen mich mit meinem Bruder allein zurück. Er war direkt neben einem Mopp und einer Flasche Desinfektionsmittel gestorben. Wie praktisch, dachte ich und unterdrückte ein Lachen. Zumindest versuchte ich es. Aber das Lachen ließ sich nicht ersticken. Es schüttelte mich, bis meine Knie nachgaben. Ich fuhr mit den Fingern durch meine Haare und berührte die Silberhaut an der Schläfe, um mir in Erinnerung zu rufen, wie mein eigener Bruder zur Belustigung der Zuschauer meine Haut aufgeschlitzt hatte, wie er kleine Splitter seines Lebens in mich eingepflanzt hatte, als wäre ich ein karger Acker, dessen Boden er mit einem Pflug der Qualen aufreißen musste. Mein ganzer Körper war voller Narben, die ich alle Ryzek Noavek zu verdanken hatte.

Jetzt war ich ihn endlich los, jetzt war ich frei von ihm.

Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, machte ich mich daran, das von Isae Benesit angerichtete Chaos zu beseitigen.

Ryzeks Leichnam jagte mir keine Angst ein und Blut auch nicht. Ich zerrte meinen Bruder an den Beinen hinaus in den Gang. Der Schweiß rann mir über den Nacken und ich rang nach Luft. Ryzek war nicht nur als Lebender schwer gewesen, er war es auch als Toter, und das obwohl er so dünn war. Als Sifa auftauchte – Akos’ Mutter und ein Orakel – und mir zur Hand gehen wollte, sagte ich kein Wort, sondern sah schweigend zu, wie sie ein Laken unter den Leichnam schob und ihn einwickelte. Sie hatte Nadel und Faden dabei und gemeinsam nähten wir das Laken zu einem behelfsmäßigen Leichensack zusammen.

Wie die meisten Völker unseres Sonnensystems bevorzugten die Shotet eine Feuerbestattung. Es galt jedoch als besonders ehrenvoll, während einer Planetenreise im All zu sterben. Wir verhüllten unsere Leichen und ließen lediglich den Kopf unbedeckt, damit die Angehörigen den Verstorbenen sehen und so den Tod des geliebten Menschen akzeptieren konnten. Als Sifa das Tuch vor Ryzeks Gesicht zurückschlug, wurde mir klar, dass sie sich mit unseren Sitten vertraut gemacht hatte.

»Ich sehe so viele Möglichkeiten, wie die Dinge sich entwickeln können«, sagte sie und wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. »Diese Variante habe ich nicht für sehr wahrscheinlich gehalten, sonst hätte ich dich gewarnt.«

»Nein, das hättest du nicht«, sagte ich und hob Ryzek an der Schulter hoch. »Du schreitest nur ein, wenn es dir nützt. Wie es mir dabei geht, kümmert dich nicht im Geringsten.«

»Cyra –«

»Es macht mir nichts aus«, unterbrach ich sie. »Ich habe ihn gehasst. Aber tu nicht so, als würde ich dir etwas bedeuten.«

»Ich tue nicht nur so«, erwiderte sie.

Ich war wie selbstverständlich davon ausgegangen, in ihr etwas von Akos wiederzuerkennen. Was ihre Gestik anging, war vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit vorhanden. Lebhafte Augenbrauen, schnelle, entschlossene Hände. Aber ihr Gesicht, ihre hellbraune Haut, ihre Statur – sie war so anders als er.

Ich konnte nicht einschätzen, wie aufrichtig sie war, also versuchte ich es erst gar nicht.

»Hilf mir, ihn zum Abfallschacht zu bringen«, forderte ich sie auf.

Ich übernahm die größere Last und packte ihn an Kopf und Schultern, sie fasste ihn an den Füßen. Glücklicherweise war der Schacht nur ein paar Schritte entfernt, was es uns leichter machte als erwartet. Wir setzten ihn zwischendurch ab. Ryzeks Kopf rollte hin und her, seine Augen waren offen und starrten geradeaus, aber dagegen ließ sich nichts machen. Ich setzte ihn neben dem Schacht ab und drückte den Knopf, um die auf Hüfthöhe angebrachten Flügeltüren zu öffnen. Zum Glück hatte Ryzek schmale Schultern, sonst hätte er nicht durch die Öffnung gepasst. Gemeinsam bugsierten Sifa und ich ihn in das kurze Rohr und knickten seine Beine ab, damit sich die Türen schlossen. Als das geschafft war, drückte ich den Knopf ein zweites Mal, damit die äußere Luke aufging und der Leichnam durch den Rohrschacht ins All hinauskatapultiert wurde.

»Ich kenne das traditionelle Gebet und kann es aufsagen, wenn du möchtest«, bot Sifa an.

Ich schüttelte den Kopf.

»Dieses Gebet wurde bei der Trauerfeier meiner Mutter gesprochen«, sagte ich. »Nein.«

»Dann lass uns einfach kurz daran denken, dass er sein Schicksal vollendet hat«, schlug Sifa vor. »Er ist von der Hand einer Benesit gestorben. Er braucht sich nicht länger zu fürchten.«

Das war noch wohlwollend genug.

»Ich werde mich erst einmal waschen«, sagte ich. Das Blut an meinen Handflächen trocknete bereits und meine Haut fing an zu jucken.

»Ein Wort noch, bevor du gehst«, hielt Sifa mich zurück. »Ich muss dich warnen. Die Kanzlerin macht nicht nur Ryzek für den Tod ihrer Schwester verantwortlich. Ich vermute, sie hat ihren Rachefeldzug bei ihm angefangen, weil sie die eigentlichen Schuldigen für später aufheben will. Sie wird nicht aufhören, so viel steht fest. Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht verzeiht.«

Ich blinzelte einen Moment, bis ich begriff, worauf Sifa hinauswollte. Sie sprach von Eijeh, der immer noch in dem anderen Lagerraum eingesperrt war. Aber sie meinte nicht nur ihn, sondern auch die anderen, denn in Isaes Augen trugen wir alle Schuld an Orieves Tod.

»Das Schiff ist mit einer Fluchtkapsel ausgestattet«, sagte Sifa. »Wir können Isae hineinverfrachten und sie auf die Reise schicken. Jemand vom Rat kann sie unterwegs einsammeln.«

»Sag Akos, dass er ihr Drogen verabreichen soll«, erwiderte ich. »Ein Kampf ist im Moment das Letzte, was ich gebrauchen kann.«

KAPITEL 4

AKOS

AKOS STAKSTE ÜBER das auf dem Küchenboden verstreute Besteck. Das Wasser war am Kochen, das Arzneifläschchen mit dem Beruhigungsmittel stand bereit, jetzt musste er nur noch die getrockneten Kräuter in das Sieb kippen. Als das Raumschiff ruckelte, trat er versehentlich mit dem Absatz auf eine Gabel und drückte die Zinken platt.

Er verfluchte seine dummen Gedanken, die ihm immer noch vorgaukelten, es gäbe Hoffnung für Eijeh. In dieser Galaxie leben so viele Menschen und alle haben verschiedene Gaben. Da wird doch wohl irgendjemand wissen, wie man Eijeh helfen kann. Eigentlich hatte Akos es satt, sich einer trügerischen Hoffnung hinzugeben. Seit er nach Shotet gekommen war, klammerte er sich daran fest, aber jetzt war er bereit, loszulassen und dem Weg zu folgen, den sein Schicksal für ihn vorgesehen hatte. Auf diesem Weg warteten der Tod, die Noaveks, die Shotet.

Akos hatte seinem Vater versprochen, dass er Eijeh nach Hause bringen würde. Wie es aussah, musste er sich damit zufriedengeben, ihn hierher, in die Weiten des Weltraums, gebracht zu haben. Womöglich war das alles, was er erreichen konnte.

Aber –

»Schluss jetzt«, sagte er zu sich selbst und holte die Kräuter aus dem Küchenschrank, um sie in das Sieb zu streuen. Es gab hier keine Eisblumen, aber Akos kannte die Pflanzen der Shotet inzwischen gut genug, um eine einfache Beruhigungsmixtur zusammenzubrauen. Auf künstlerisches Geschick kam es unter diesen Umständen nicht an. Er führte alle nötigen Schritte durch, fügte den Fenzu-Schalen Teile der Garok-Wurzel hinzu und tropfte Nektar darauf, um den Geschmack zu verbessern. Akos kannte nicht mal die Namen der Pflanzen, aus denen der Nektar gewonnen wurde. Seit seiner Zeit im Trainingscamp der Shotet-Armee außerhalb von Voa nannte er die kleinen Blüten einfach Matschblumen, weil die Blätter so leicht zerfielen. Sie schmeckten süß und das schien auch ihr einziger Nutzen zu sein.

Als das Wasser siedend heiß war, goss er es über das Sieb und erhielt eine trübe braune Brühe, die sich bestens eignete, um das gelbe Beruhigungsmittel zu kaschieren. Seine Mutter hatte ihn gebeten, Isae unter Drogen zu setzen, und er hatte nicht einmal nach dem Grund gefragt. Das Warum war ihm egal, er war froh, wenn er Isae nicht mehr sehen musste. Er bekam das Bild nicht aus dem Kopf, wie sie dastand und darauf wartete, dass Ryzek Noavek verblutete. Als wäre das Ganze nur ein Spektakel. Isae Benesit hatte Oris Gesichtszüge, aber damit hörte die Ähnlichkeit zwischen den beiden auch schon auf. Ori hätte nie seelenruhig zusehen können, wie jemand stirbt, ganz egal, wie sehr sie denjenigen gehasst hätte.

Sobald das Extrakt aufgebrüht und die Droge daruntergemischt war, brachte er das Getränk Cisi, die ganz allein auf einer Bank vor der Schiffsküche saß.

»Hast du auf mich gewartet?«, fragte er.

»Ja«, antwortete sie. »Mom ist zu mir gekommen und hat mich darum gebeten.«

»Gut«, sagte er. »Kannst du das Isae bringen? Der Trank wird sie beruhigen.«

Cisi blickte ihn mit erhobener Augenbraue an.

»Es ist besser, wenn du selbst nicht davon trinkst«, fügte er hinzu.

Sie streckte die Hand aus, aber statt den Becher zu ergreifen, umfasste sie sein Handgelenk. Ihr Blick veränderte sich, wurde schärfer – wie immer, wenn seine Lebensgabe ihre eigene Gabe dämpfte.

»Was ist von Eijeh übrig geblieben?«, fragte sie.

Akos’ ganzer Körper verkrampfte sich. An die Antwort auf diese Frage wollte er nicht einmal denken.

»Jemand, der Ryzek Noavek gedient hat«, sagte er giftig. »Der mich gehasst hat und auch Dad und vielleicht sogar dich und Mom.«

»Wie kann das sein?« Sie runzelte die Stirn. »Er kann uns nicht hassen, nur weil jemand fremde Erinnerungen in ihn hineingepflanzt hat.«

»Woher soll ich das wissen?«, knurrte Akos.

»Vielleicht ist er –«

»Er hat mich festgehalten und zu Boden gedrückt, während sie mich gefoltert hat«, sagte Akos und drückte ihr den Becher in die Hand.

Cisi zuckte zurück, als heißer Tee auf ihre Hände schwappte, und wischte ihre Fingerknöchel an der Hose ab.

»Hast du dich verbrannt?« Akos deutete mit einem Nicken auf ihre Hand.

»Nein«, sagte sie. Die Sanftheit ihrer Lebensgabe spiegelte sich in ihren Gesichtszügen wider. Akos drehte sich weg, er wollte keine Sanftheit.

»Das wird ihr doch nicht wehtun, oder?« Cisi tippte mit dem Fingernagel gegen den Becher, um sich mit einem leisen ding, ding, ding bei Akos Gehör zu verschaffen.

»Nein«, sagte er. »Das Gebräu soll sie davon abhalten, sich selbst etwas anzutun.«

»Dann werde ich es ihr geben«, versprach Cisi.

Akos ächzte leise. Er hatte noch weitere Beruhigungsmittel im Gepäck, vielleicht sollte er etwas davon nehmen. Nie zuvor hatte er sich so erschöpft gefühlt. Er kam sich vor wie ein halb fertiges Tuch, durch dessen dünne Webfäden das Licht scheint. Es wäre so leicht, einfach einzuschlafen.

Statt mit Drogen ins Reich des Vergessens abzugleiten, nahm er eine getrocknete Rauschblume aus seiner Tasche und steckte sie in den Mund, zwischen Wange und Zähne. Sie würde ihn nicht außer Gefecht setzen, sondern nur betäuben. Besser als nichts.

Als Cisi eine Stunde später zurückkehrte, hatte Akos sich mit der Rauschblume in eine Art Schwebezustand versetzt.

»Ich habe es getan«, sagte sie. »Sie ist bewusstlos.«

»Gut«, erwiderte er. »Dann bringen wir sie gleich in die Kapsel.«

»Ich werde sie begleiten«, verkündete Cisi. »Wenn Mom recht hat und wir tatsächlich auf einen Krieg zusteuern –«

»Mom hat recht.«

»Ja«, sagte Cisi. »In diesem Fall stellt sich jeder, der gegen Isae ist, auch gegen Thuvhe. Also halte ich meiner Kanzlerin die Treue.«

Akos nickte.

»Ich nehme an, du tust das nicht«, sagte Cisi.

»Ich bin ein vom Schicksal gesegneter Verräter, schon vergessen?«

»Akos.« Sie kauerte sich vor ihn hin. Er hatte sich auf die Bank gesetzt, die hart und kalt war und nach Desinfektionsmittel roch. Cisi legte den Arm auf sein Knie. Sie hatte ihre Haare etwas nachlässig zurückgebunden, eine Strähne hatte sich gelöst und war in ihr Gesicht gefallen. Seine Schwester war sehr hübsch, ihr Gesicht hatte einen mattbraunen Teint, der ihn an trellanische Töpferwaren erinnerte. Und an Cyra und Eijeh und Jorek. Der Farbton war ihm so vertraut.

»Du musst nichts tun, was du nicht tun willst, nur weil Mom uns so erzogen hat, dass wir an das Schicksal glauben, Orakeln gehorchen und was sonst noch alles«, sagte Cisi. »Du bist ein Thuvhesi. Komm mit mir. Lass die anderen ihren Krieg führen. Wir gehen nach Hause und warten dort ab. Niemand braucht uns hier.«

Tatsächlich hatte er daran gedacht. Er war innerlich so zerrissen wie immer, und das nicht nur wegen seines Schicksals. Sobald die Wirkung der Rauschblumen sich verflüchtigt hatte, würde er sich daran erinnern, wie schön es vor wenigen Stunden gewesen war, mit Cyra zu lachen. Wie warm sie gewesen war, als sie sich an ihn geschmiegt hatte. Er würde sich daran erinnern, dass er – egal, wie gern er in sein Elternhaus zurückkehren, die knarzenden Stufen hinaufgehen, draußen im Hof in den Brennsteinen stochern und beim Brotkneten das Mehl aufwirbeln würde – in der wirklichen Welt weiterleben musste. Und in dieser Welt war sein Bruder Eijeh im Innersten zerstört, er selbst sprach Shotet, und sein Schicksal war immer noch sein Schicksal.

»Erdulde dein Schicksal«, sagte er. »Alles andere ist nur Verblendung.«

Cisi seufzte. »Ich dachte mir schon, dass du das sagen würdest. Verblendung kann manchmal ganz angenehm sein.«

»Pass auf dich auf, okay?« Er ergriff ihre Hand. »Du weißt hoffentlich, dass ich dich nicht gerne alleine ziehen lasse. Das ist so ziemlich das Letzte, was ich will.«

»Ich weiß.« Sie drückte seinen Daumen. »Ich vertraue fest darauf, dass du eines Tages wieder nach Hause kommst und es Eijeh besser geht und Mom endlich mit diesem Orakel-Unsinn aufhört und wir gemeinsam …«

»Ja.« Er rang sich ein Lächeln ab, was ihm auch halbwegs gelang.

Cisi half ihm, Isae in die Raumkapsel zu verfrachten, und Teka zeigte ihr, wie man ein Notsignal absetzt, damit die Idioten vom Hohen Rat, wie Teka sich ausdrückte, die Kapsel orten und sie abholen konnten. Dann gab Cisi ihrer Mutter einen Abschiedskuss und schlang die Arme um Akos Taille, bis ihre Wärme ihn ganz durchdrang.

»Du bist so verdammt groß«, sagte sie sanft, als sie sich schließlich von ihm löste. »Wer hat dir erlaubt, so viel größer zu sein als ich?«

»Das habe ich nur gemacht, um dich zu ärgern«, erwiderte er grinsend.

Dann bestieg sie die Kapsel und schloss die Tür hinter sich. Akos fragte sich, wann er sie wohl wiedersehen würde.

Teka machte sich am Pilotensitz auf dem Navigationsdeck zu schaffen und entfernte mithilfe eines kleinen Stemmeisens, das sie in ihrem Gürtel bei sich trug, die Abdeckung des Kontrollfelds. Dabei pfiff sie vor sich hin.

»Was tust du da?«, fragte Cyra. »Jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um unser Schiff auseinanderzunehmen.«

»Erstens ist es mein Schiff und nicht unseres«, erwiderte Teka und verdrehte ihre blauen Augen. »Fast alle Funktionen, die bisher unser Überleben garantiert haben, habe ich selbst entwickelt. Zweitens: Willst du immer noch ins Hauptquartier des Hohen Rats?«

»Nein.« Cyra setzte sich auf den Platz des Ersten Offiziers rechts von Teka. »Bei meinem letzten Besuch habe ich zufällig ein Gespräch mit angehört, in dem eine Abgesandte von Trella meine Mutter als Dreckstück bezeichnete. Sie dachte anscheinend, ich würde sie nicht verstehen, obwohl sie Othyrisch sprach.«

»Das ist ja mal wieder typisch.« Teka stieß ein kehliges Schnauben aus. Sie zog eine Handvoll Drähte aus dem Kontrollfeld und strich so zärtlich mit den Fingern darüber, als würde sie ein Tier streicheln. Dann griff sie unter die Drähte und hantierte an irgendetwas herum, mehr konnte Akos nicht erkennen, da fast ihr ganzer Arm in der Konsole verschwunden war. Plötzlich flimmerte eine Reihe von Koordinaten über das große Sichtfenster, das den Blick auf den Stromfluss freigab. Die Schiffsnase – vermutlich gab es eine technische Bezeichnung dafür, die Akos nicht kannte, daher war es für ihn einfach die Nase – schwenkte seitlich ab, sodass sie jetzt nicht mehr vom Stromfluss weg, sondern direkt darauf zuflogen.

»Willst du uns nicht endlich sagen, wohin wir fliegen?« Akos stieg die Stufen zum Navigationsdeck hinauf. Auf dem bunt leuchtenden Steuerungsboard reihten sich Schalter, Tasten und Hebel. Es waren so viele, dass Teka von ihrem Platz aus selbst mit ausgebreiteten Armen nicht an alle heranreichen konnte.

»Da wir gemeinsam in diesen Schlamassel geraten sind, spricht wohl nichts dagegen, euch einzuweihen.« Teka fasste ihre hellen Haare am Schopf mit einem dicken Band zusammen, das sie am Handgelenk getragen hatte. Wie sie da auf dem Kommandostuhl saß, mit angezogenen Beinen und in dem viel zu großen Overall eines Technikers, sah sie aus wie ein Kind, das Erwachsensein spielt. »Wir müssen zur Exilkolonie. Und die befindet sich auf Ogra.«

Ogra. Der »Schattenplanet« wurde er genannt. Auf einen Ograner traf man in der Galaxie nur selten, und noch seltener kam es vor, dass ein Schiff sich auch nur in die Nähe dieses Planeten verirrte. Ogra war so weit weg von Thuvhe, wie man sich nur vorstellen konnte. Der Planet befand sich gerade noch im Einflussbereich des Stromflusses, der das gesamte Sonnensystem umgab, aber er entzog sich den Blicken, denn seine dichte, dunkle Atmosphäre war undurchdringlich, und es grenzte fast schon an ein Wunder, dass man dort überhaupt die Funksignale des Nachrichtensenders empfing. Ogra selbst steuerte keinerlei Meldungen zu den Nachrichten bei, daher wusste fast niemand, wie die Oberfläche des Planeten aussah, zumal es kaum Bilder gab.

Tekas Ankündigung ließ Cyras Augen aufleuchten. »Ogra? Wie kommunizierst du mit den Leuten dort?«

»Wenn man verhindern will, dass die Regierungsbehörden mithören, überbringt man Nachrichten am besten mithilfe von Boten«, antwortete Teka. »Deshalb war meine Mutter an Bord des Reiseschiffs. Ihre Aufgabe war es, die Interessen der Exilanten bei den Rebellen zu vertreten. Wir haben versucht zusammenzuarbeiten. Die Exilkolonie ist jedenfalls ein guter Ort, um uns als Gruppe neu zu formieren und herauszufinden, was in Voa vor sich geht.«

»Das kann ich dir sagen«, erwiderte Akos und verschränkte die Arme. »Dort unten herrscht Chaos.«

»Ja, Chaos und es wird noch mehr davon geben«, nickte Teka weise. »Mit einer kurzen Verschnaufpause dazwischen für … weiteres Chaos.«

Akos wollte sich gar nicht so genau vorstellen, wie es in Voa zuging, die Shotet gingen ja davon aus, dass Ryzek Noavek von seiner jüngeren Schwester in aller Öffentlichkeit ermordet worden war. Zumindest hatte es diesen Anschein gehabt, als Cyra plötzlich in der Arena aufgetaucht war, um ihren Bruder zu erstechen, sobald der Schlaftrank seine Wirkung tat, den Ryzek – dafür hatte sie zuvor gesorgt – am Morgen unwissentlich zu sich genommen hatte. Entweder hatte die in Voa stationierte Armee unter der Führung von Vakrez Noavek, Ryzeks älterem Cousin, das Kommando übernommen, oder die Bewohner der Außenbezirke hatten die Straßen erobert und das entstandene Machtvakuum für sich zu nutzen gewusst. So oder so, Akos sah im Geiste die Straßen vor sich, voller Glassplitter, Blutspritzer und im Wind verwehenden Papierfetzen.

Cyra stützte die Stirn in die Hände. »Und Lazmet«, sagte sie.

Tekas Augenbrauen schossen in die Höhe. »Wie bitte?«

»Bevor mein Bruder starb …«, Cyra deutete vage auf die andere Seite des Schiffs, wo Ryzek getötet worden war, »hat er mir gesagt, dass mein Vater noch am Leben ist.«

Cyra sprach nie über Lazmet, daher beschränkte sich Akos’ Wissen auf das, was er als Kind im Geschichtsunterricht gehört hatte, und auf Gerüchte – wobei der Wahrheitsgehalt dessen, was die Thuvhesi sich über die Shotet erzählten, recht zweifelhaft war. Die Noaveks waren an die Macht gekommen, nachdem die Orakel ihre Schicksale offenbart hatten, und das war gerade mal zwei Generationen her. Sobald Lazmets Mutter alt genug gewesen war, hatte sie sich gewaltsam den Thron erobert und dabei ihr Schicksal als Rechtfertigung für die Usurpation angeführt. Nachdem sie bereits mehr als zehn Zeitläufe regiert hatte, ließ sie ihre Geschwister töten, damit niemand ihren eigenen Kindern die Thronfolge streitig machen konnte. Das war die Familie, der Lazmet entstammte, und nach allem, was man so hörte, war er keinen Izit weniger brutal gewesen als seine Mutter.

»Also ehrlich«, stöhnte Teka. »Gibt es in diesem Universum eine Regel, wonach stets irgendein Noavek-Arsch am Leben sein muss?«

Cyra wirbelte herum und starrte sie an. »Und was ist mit mir? Bin ich etwa nicht am Leben?«

»Du bist kein Arsch«, erwiderte Teka. »Wenn du allerdings weiter herumstreiten willst, ändere ich meine Meinung vielleicht noch.«

Cyra wirkte beinahe vergnügt, sie war es offenbar nicht gewohnt, dass man in ihr etwas anderes sah als eine typische Noavek.

»Egal wie die Regeln des Universums in Bezug auf die Noaveks sind«, sagte sie, »mir ist schleierhaft, wie Lazmet noch am Leben sein kann. Ich hatte allerdings nicht den Eindruck, als würde Ryzek lügen. Er hat keinerlei Gegenleistung erwartet, er wollte … vielleicht wollte er mich einfach nur warnen.«

Teka schnaubte. »Und warum? Weil er ganz versessen darauf war, anderen einen Gefallen zu tun?«

»Weil er Angst vor deinem Vater hatte«, sagte Akos. Bei dem wenigen, was Cyra über ihren Bruder erzählt hatte, war es stets darum gegangen, wie sehr er sich fürchtete. Was könnte einem Mann wie Ryzek größere Angst einjagen als der Mann, der ihn zu dem gemacht hatte, was er war? »Das stimmt doch, oder? Er fürchtet sich mehr als jeder andere. Besser gesagt, er hat sich gefürchtet.«

Cyra nickte.

»Wenn Lazmet noch lebt«, sagte sie und schloss blinzelnd die Augen, »dann muss das korrigiert werden. Und zwar so bald wie möglich.«

Dann muss das korrigiert werden. Wie ein mathematisches Problem oder ein technischer Fehler. Akos fragte sich, wie man so über den eigenen Vater sprechen konnte. Es hätte ihn weniger verstört, wenn Cyra sich gefürchtet hätte. Sie brachte es nicht einmal fertig, über ihren Vater als Person zu sprechen. Was hatte sie mit ansehen müssen, dass sie so über ihn redete?

»Lass uns einen Schritt nach dem anderen machen«, sagte Teka ungewöhnlich sanft.

Akos räusperte sich. »Ja, zuerst müssen wir den Eintritt in die Atmosphäre von Ogra überleben. Danach werden wir den mächtigsten Mann, den Shotet je hatte, endgültig aus dem Weg räumen.«

Cyra schlug die Augen auf und lachte.

»Stellt euch auf eine lange Reise ein«, sagte Teka. »Wir fliegen nach Ogra.«

KAPITEL 5

CISI

DIE FLUCHTKAPSEL IST gerade groß genug für uns zwei. Sie bietet kaum Platz, weshalb meine Schulter gegen die gläserne Wand gepresst wird. Ich taste auf dem kleinen Kontrollfeld nach dem Schalter, der das Notsignal aktiviert. Er leuchtet pink und ist einer von insgesamt drei Schaltern direkt vor mir, also gibt es nicht viel zu überlegen. Als ich den Knopf drücke, ertönt ein schriller Pfeifton. Von Teka weiß ich, dass jetzt das Signal gesendet wird. Nun bleibt mir nichts mehr zu tun, als abzuwarten, dass Isae aufwacht, und dabei nicht in Panik zu geraten.

Für ein Mädchen aus Hessa, das die meiste Zeit seines Lebens auf dem Heimatplaneten verbracht hat, war der Aufenthalt auf dem kleinen Transportschiff ziemlich nervenaufreibend. Aber die Fluchtkapsel ist noch einmal etwas ganz anderes. Sie ist wie ein Rundumfenster, die klaren, gebogenen Glasscheiben reichen von meinen Füßen bis über den Kopf und bieten einen freien Blick auf das Weltall, aber vor allem geben sie mir das Gefühl, von der unendlichen Weite verschluckt zu werden. Allein bei dem Gedanken packt mich die Panik.

Hoffentlich wacht Isae bald auf.

Sie ist schlaff auf dem Sitz neben mir zusammengesunken. Die tiefe Schwärze um sie herum lässt den Eindruck entstehen, als gäbe es nur sie allein im Weltall. Ich kenne sie erst seit wenigen Jahren – seit Ori plötzlich verschwand, um sich um ihre Schwester zu kümmern, deren Gesicht von einem Shotet-Messer verstümmelt worden war. Sie ist weit weg von Thuvhe aufgewachsen, auf einem Transportschiff, das stets voll beladen verschiedene Waren von einem Ende der Galaxie zum anderen brachte.

Zum Glück hat Oris Anwesenheit uns anfangs gezwungen, miteinander zu reden. Sonst hätte ich womöglich nie auch nur ein Wort an Isae gerichtet. Sie war auch ohne ihren Titel einschüchternd genug – eine große, schlanke und schöne Gestalt, daran änderten auch ihre Narben nichts – und sie strahlte die Kraft und Stärke einer gut funktionierenden Maschine aus.

Ich kann nicht sagen, wie lange es gedauert hat, bis sie endlich die Augen aufschlägt. Sie verharrt in einem Schwebezustand und starrt ausdruckslos auf das, was vor uns liegt. Und das ist rein gar nichts, abgesehen von ein paar funkelnden Sternen in weiter Ferne. Plötzlich blinzelt sie und sieht mich an.

»Cee?«, fragt sie. »Wo sind wir?«

»Wir sind in einer Fluchtkapsel und warten darauf, dass der Hohe Rat jemand schickt, der uns abholt«, antworte ich.

»In einer Fluchtkapsel?« Sie runzelt die Stirn. »Mussten wir vor irgendetwas fliehen?«

»Ich würde eher sagen, die anderen sind vor uns geflohen«, erwidere ich.

»Hast du mich betäubt?« Sie reibt sich mit der Faust die Augen. Zuerst das linke, dann das rechte. »Du hast mir Tee gegeben.«

»Ich wusste nicht, was drin ist.« Ich bin eine gute Lügnerin und antworte ohne jedes Zögern. Die Wahrheit würde sie nicht akzeptieren – dass ich mit diesem Teil von Akos’ Plan übereinstimme und sie wegbringen will, damit meine Familie für sie außer Reichweite ist. Mom behauptet, Isae würde versuchen, Eijeh auf dieselbe Weise umzubringen wie Ryzek, aber ich will es gar nicht erst darauf ankommen lassen. Ich will Eijeh nicht ein zweites Mal verlieren, ganz egal wie verkorkst er auch ist. »Mom hat die anderen davor gewarnt, du könntest Eijeh etwas antun wollen.«

Isae flucht. »Orakel! Es ist kaum zu fassen, dass wir ihnen immer noch die Bürgerschaft gewähren, angesichts der Loyalität, die deine Mutter ihrer eigenen Kanzlerin entgegenbringt.«

Darauf fällt mir keine Antwort ein. Sifa ist nervtötend, aber sie ist meine Mutter.

»Sie haben dich in die Kapsel verfrachtet«, fahre ich fort. »Daraufhin habe ich ihnen mitgeteilt, dass ich dich begleiten werde.«

Die Narben auf ihrem Gesicht bewegen sich nicht mit, als sie die Augenbrauen hochzieht. Sie reibt sie manchmal, wenn sie sich unbeobachtet glaubt. Sie sagt, es würde helfen, das vernarbte Gewebe zu dehnen, damit die Gesichtspartien wieder geschmeidig werden. Zumindest behauptet das der Arzt. Ich habe sie irgendwann gefragt, warum sie nichts gegen die Narbenbildung unternommen hat. Sie hätte sich auf Othyr einer Rekonstruktionschirurgie unterziehen können. Es ist ja nicht so, als hätte sie nicht die nötigen Mittel. Daraufhin hat sie mir erklärt, sie wolle die Narben gar nicht loswerden, ja sie gefielen ihr sogar.

»Warum?«, fragt sie jetzt nach einer langen Pause. »Sie sind deine Familie. Eijeh ist dein Bruder. Warum bist du mit mir mitgekommen?«

Eine ehrliche Antwort ist nicht einfach. Es gibt so viele Antworten auf ihre Frage und alle entsprechen der Wahrheit. Sie ist meine Kanzlerin und anders als mein Bruder werde ich mich nicht gegen Thuvhe stellen. Sie bedeutet mir etwas, als Freundin, als … was auch immer wir einander sind. Ich mache mir Sorgen, seit ich ihre hemmungslose Trauer gesehen haben, kurz bevor sie Ryzek Noavek getötet hat. Sie braucht Hilfe, um von nun an zu tun, was richtig ist, statt ihren Rachedurst zu befriedigen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, und die Antwort, die ich auswähle, ist eine Mischung aus der Wahrheit und dem, was ich sie hören lassen will.

»Du hast mich gefragt, ob du mir vertrauen kannst«, sage ich schließlich. »Ja, das kannst du. Ich bleibe bei dir, ganz egal, was passiert. Okay?«