Rationale Zugänge zum Buddhismus - Harald Bechberger - E-Book

Rationale Zugänge zum Buddhismus E-Book

Harald Bechberger

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Beschreibung

Buddhismus und Aufklärung - das geht gut zusammen. Der Autor greift die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit auf und vermittelt anschaulich den Kern buddhistischen Denkens, auf den sich alle Lehrwege beziehen. In einer Zeit des Glaubensverfalls gehen wichtige Orientierungen verloren, die zu den Grundpfeilern menschlichen Lebens gehören. Die buddhistische Lehre mit ihrer rationalen Frage nach Ursache und Wirkung bietet insbesondere dem Vernunftmenschen westlicher Kulturprägung Ansatzpunkte, für sich eine neue Verankerung des Lebens zu finden. Zahlreiche Grafiken erleichtern den Zugang zu dieser uns ungewohnten Geisteshaltung, Parallelen zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen bauen überraschende Brücken zu unserer Wissenschaftsgläubigkeit. In 'Mushotoku', dem absichtslosen Gut-Sein, tun sich neue Begründungen für ein gemeinwohlorientiertes Leben in persönlicher Freiheit auf. Der Leser wird bis an das Tor geleitet, an dem die individuelle buddhistische Praxis beginnt. Neben einem Besuch in einem Zen-Dojo werden Möglichkeiten aufgezeigt, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, die bei den ersten Schritten behilflich sein kann. Das Buch ist mit 33 Farbseiten aufwendig gestaltet, bietet ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein Glossar mit wichtigen Namen und Fachbegriffen, das auch Verweise in Pali/Sanskrit enthält, um in weiterem Literaturstudium Anschluß finden zu können.

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Seitenzahl: 115

Veröffentlichungsjahr: 2022

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RATIONALE ZUGÄNGE ZUM BUDDHISMUS

FÜR MADS UND FRED

Dr. phil. Harald Bechberger

Rationale Zugänge zum

Buddhismus

Impressum

September 2022

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Text Cover Grafik © Copyright by Dr. Harald Bechberger

Bilder   © Krystyna Beata Kokot Bechberger, Acryl 30 x 30 cm

Verlag  harald.bechberger(at)me.com, Boppard am Rhein

Vertrieb  epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

Die auf dem Titelfoto abgebildeten Steinhaufen sind Verehrungshügel, die an Stupas erinnern und überall auf der Welt von Gläubigen errichtet werden, wie hier auf Kos (Griechenland) – zur Freude kommender Wanderer, daß schon vor ihnen Gleichgesinnte des Weges kamen. Ein Stupa ist ein buddhistisches Bauwerk, das Buddha selbst und seine Lehre, den Dharma, symbolisiert. In ihm bewahren Buddhisten ihnen heilige Dinge auf.

Inhaltsverzeichnis

1 - BUDDHISMUS – ERSTE BERÜHRUNGEN

FÜRWENISTDIESES BUCHGESCHRIEBEN?

UNSERE BUDDHA-NATUR: WIRSINDVOLLKOMMEN, SOWIEWIRSIND.

MUSHOTOKU – EINEEINZIGARTIGE SICHTDES MENSCHEN

WASIST ‚MUSHOTOKU‘?

BEGRIFFLICHES UMDENKEN

BUDDHISTISCHES METHODENWISSENBEREICHERTWESTLICHE WISSENSCHAFTSRATIONALITÄT

2 - BUDDHAS GRUNDLEGENDE ERKENNTNIS – IST EINFACH

DREI DASEINSMERKMALE: VERGÄNGLICHKEIT – NICHT-SELBST – LEIDEN

DIE ANATTA-LEHREVOM NICHT-SELBST

UNSER WISSENSCHAFTSDILEMMA: GEISTIMMERNOCHNICHTNATURWISSENSCHAFTLICHNACHGEWIESEN

Ich und Selbst – zwischen Materie und Nicht-Materie

Wahrheits-Dogma und Wirklichkeits-Leiden

Die introspektive Methode

3 - UNTERSCHEIDE KÖRPER – GEIST – WESEN

KÖRPERMITSECHS SINNEN(SINNES-TOREN)

BEWUßTSEIN(SKANDHAS)

Der Bewußtseinsvorgang

Die Fünf Skandhas: die Lehre vom Bewußtsein

PERSON: DERPSYCHO-PHYSISCHE ORGANISMUS

WESEN – MEHRALSDERPSYCHO-PHYSISCHE ORGANISMUS

4 - UNTERSCHEIDE: URSACHE UND WIRKUNG

DASLOGISCHE PRINZIPVON URSACHEUND WIRKUNG

WISSENSCHAFTLICHER DISPUT

FORMELDES BEDINGTEN ENTSTEHENS

DAS KARMA-GESETZDERWIRKENDEN TAT

Phase I: Ursächliches Tun – Potentielles Karma

Phase II: (Nach-)Wirkendes Tun – Resultierendes Karma

Phase III: Ursache – Potentielles Karma

Exkurs: Gesetz der Wahlverwandtschaften

Phase IV: Wirkung – Resultierendes Karma

5 - DER WEG IN DIE TRANSZENDENZ BEDINGTEN ENTSTEHENS

6 - VOR DEM TOR DES UNSAGBAREN - MIMETISCHE PRAXIS

7 - DER WEG IN DIE PRAXIS

DAS DBU-SEMINAR „ZUFLUCHTZUDENDREI JUWELEN“

ORDINATIONUND BODHISATTVA-GELÖBNIS

INTERVIEWMITDER LEITERINDES ZEN-DOJO TRIER

8 - BUDDHISMUS UND GESELLSCHAFT: SIND BUDDHISTEN ASOZIAL?

ZUM SCHLUß – DAS HERZ-SUTRA(HANNYA SHINGYO)

LITERATURVERZEICHNIS

GLOSSAR – AUSWAHLWICHTIGER BEGRIFFEUND NAMEN

ÜBERDEN AUTOR

VERLAGSHINWEIS

QUELLENVERZEICHNIS

1 - Buddhismus – erste Berührungen

Für wen ist dieses Buch geschrieben?

Die wenigen Buddhisten in Deutschland sind nicht mehr als ein Regentropfen in der Pfütze abgestandener Wertorientierungen des 21. Jahrhunderts. Wird diese Pfütze ganz austrocknen?

Die Heraufkunft des Nihilismus ist von FRIEDRICH NIETZSCHE (1844-1900) lange vorhergesehen worden. Doch erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs findet eine bis heute anschwellende Austrittswelle aus unseren christlichen Kirchen statt, die ihren Bevölkerungsanteil auf nun unter die Hälfte gedrückt hat: Der Ungläubige hat im heimatlosen Gläubigen seinen Bruder gefunden und im massenhaften Zustrom des kulturfremden Islams eine weitere Entwurzelung erfahren.

Unseren Frauen – in Gestalt der erfolgreichen Frauenbewegung - ist die Rolle zugefallen, die Kultur- und Zivilisationsfrage in den schärfsten Kontrast zu stellen:  zu einer männlichen, Kleriker-beherrschten Hierarchen-Welt, einerlei  ob Christen, Juden oder Islamisten, die immer noch ihren in brutalster Kolonialgeschichte gehärteten, gemeinsamen Wertekanon ausleben, der geprägt ist von Frauenfeindlichkeit, Ausgrenzungs- und Vernichtungs-Phantasien Anders- und Nichtgläubiger und die mit Beherrschungs-Attitüde und hoher Gewalt-Affinität Folgschaft einfordern, nach Höherem als Quasi-Staatlichkeit streben: nach grenzenloser Weltherrschaft. Die in Deutschland wachsende, seltsame Verbindung der christlichen Kirchen mit dem Islam folgt der Logik, das religiöse Herrschaftsmodell aus alt- und mittelalterlichen Zeiten nur gemeinsam gegen den Geist der Aufklärung in demokratischen Gesellschaftsordnungen machtvoll behaupten zu können. Gleichzeitig läuft der zeitgenössische deutsche Buddhismus Gefahr, ein Besserwisser-Buddhismus zu werden.

Für viele Menschen hat der Werteverfall zu einem unbefriedigenden Dasein und neuer Suche nach Spiritualität geführt. Welchen Platz kann ein friedlicher und urständig-gemeinwohlorientierter Mensch in dieser sich auflösenden Wertewelt noch finden? Hier kommt auch Buddha ins Blickfeld. Menschen, die in das schwarze Loch der Orientierungslosigkeit fallen und kein Oben und Unten mehr sehen, können im Buddhismus erfahren, daß dieses Loch nur ein schwarzer (Zen-)Kreis ist, der eine „Lösung“ anzubieten hat: Buddhist zu sein, kann auf vielfältige Weise gelingen. Mißlingen kann es nicht.

Die deutschsprachige Kultur mit seiner ausgeprägt idealistischen und existentialistischen Philosophie-Tradition hat eine natürliche Offenheit zum Buddhismus. Der Weg führt über den kritischen Verstand abendländischer Prägung, hier ist der Leser „abzuholen“ und in die berauschende Schönheit der buddhistischen Ideenwelt einzuführen, der letztlich die Worte ausgehen. Dabei kann es nicht darum gehen, eine deutsche Kopie „des Buddhismus“ gleichwelcher Prägung zu entwickeln, sondern individuell, als Einzelwesen, für sich den Weg Buddhas zu finden und auf unseren fiebrigen Straßen zu gehen.

Das vertrauensvolle Einlassen des kritischen Geistes auf ein vertrauenswürdiges Geistesobjekt ist die rechte Einstellung zu dieser Lektüre.

Unsere Buddha-Natur: Wir sind vollkommen, so wie wir sind.

In unserem Kulturkreis ist es eher die Ausnahme, sich die „buddhistische Idee“ schon als Kind über Vorleben und Nachleben anzueignen. In der Regel wird der Mensch im Laufe seines abendländisch geprägten Lebens irgendwann auf den Weg Buddhas stoßen und vielleicht neugierig werden. Das Angebot ist verwirrend vielfältig: Es reicht vom Theravada, dem Weg der Älteren, die sich auf die ursprünglichen Lehren des historischen Buddha (Pali-Kanon) berufen, später auch Hinayana oder ‚Kleines Fahrzeug‘ genannt, über Mahayana oder ‚Großes Fahrzeug‘, weil es möglichst viele Wesen zur Erleuchtung führen will und zwei noch heute bedeutsame Schulen hervorbrachte, das Madhyamaka (der ‚Mittlere Weg‘) und das Chittamatra (die Nur-Geist-Schule). Auf dem Weg seiner Verbreitung von Indien aus verschmolz der Buddhismus mit bestehenden Religionen, so in China mit dem Konfuzianismus und Taoismus und in Japan mit der Staatsreligion des Shintoismus. So entstanden weitere Lehrrichtungen, darunter noch heute bedeutsam Zen und Reines Land. Beim Zen etwa wird die Lehre vorrangig durch Gesten und Handlungen übertragen, durch ein direktes und intuitives Erfassen der Wirklichkeit. Es war der indische Meister BODHIDHARMA, der die Lehre nach China trug und dort den berühmten Shaolin-Tempel gründete, der Quelle des Kung-Fu. In Tibet wiederum verschmolz im 8. Jahrhundert die polytheistische Urreligion des Bön zum Vajrayana, dem Tantrischen Buddhismus (Diamant-Fahrzeug) mit Ahnenkult und Schamanismus.

Dieser kurze Abriß soll nicht die Verwirrung des Lesers steigern, vielmehr mit einigen bekannteren Begriffen ein Netz auswerfen und Neugier einfangen: Hinter all dem steht der große SIDDHARTHA GAUTAMA (563 – 483 v. u. Z.) - der erste Buddha: der Erwachte, der Erleuchtete, dessen Lehre von Indien aus in die Welt ging.

An den Wurzeln dieser Geschichte sind einige Ereignisse bedeutsam, die der kritische Leser zur Einschätzung der Authentizität der jeweiligen Lehre bedeutsam finden wird, da zu jener Zeit noch keine Bücher geschrieben, sondern Lehrtexte auswendig gelernt wurden.

Buddha ist über 80 Jahre alt geworden und konnte viele Jahrzehnte als Lehrer wirken. Direkt nach seinem Verlöschen kam eine Versammlung von etwa 500 Arahants (Erleuchteten) zusammen, um seine Lehre zu sichern – es war das 1. Buddhistische Konzil, gehalten im indischen Rajagaha. Etwa 100 Jahre später um das Jahr 350 v. u. Z. fand in Vesali das 2. Buddhistische Konzil statt, um Meinungsverschiedenheiten zu klären: Es kam zum Bruch zwischen den orthodoxen Theravadin, die auf strenges Einhalten von Buddhas Unterweisungen pochten, und den nicht-orthodoxen Mahasanghika-Anhängern, die zentrale Regeln lockern wollten. Der Mahayana-Buddhismus spaltete sich ab. Um das Jahr 268 – 232 v. u. Z. berief König Ashoka das 3. Buddhistische Konzilin Pataliputra mit etwa 1000 Mönchenein, um dem eingetretenen Sittenverfall Einhalt gebieten zu können. Das Konzil fügte den beiden Lehr-Sammlungen Vinaya (Ordensregeln) und Sutta (Lehrsätze) als dritte Sammlung die Abidhamma (Höhere Lehrreden) hinzu; fortan bestand der Pali-Kanon des Thearavada-Buddhismus aus den „Drei Körben“ (Tripitaka).

In einer Zeit des Verfalls - etwa zwischen 43 und 17 v. u. Z. - begannen Mönche in Sri Lanka, die mündlich überlieferten Texte niederzuschreiben, um ihren Bestand zu sichern: der Pali-Kanon entstand, der uns weitgehend noch heute vorliegt und als verläßlichste Quelle des Dharma (der Lehre) gelten darf. So konnte die Quintessenz der Lehre Buddhas gesichert und den mannigfachen Wegen ihrer Vermittlung geöffnet werden.

Die langjährige Leiterin des Zen-Dojos in Trier resümiert: „Die Geisteshaltung der verschiedenen Buddhismus-Richtungen hat ihre Wurzel in den Kulturen, in den Praktiken, in der Tradition. Wobei sich die Geisteshaltung aus meiner Sicht final gar nicht so stark unterscheidet, sondern eher der Weg zu dieser Geisteshaltung. Und hier denke ich an meine Erfahrung, die ich durch jetzt dreißig Jahre Praxis von Zazen habe. Am Ende berufen sich alle auf Buddha, die 4 Edlen Wahrheiten, den 8-fachen Weg, die 12 Innen u. a.. Aber die Wege dahin und die enge Umsetzung, sprich Praxis im Alltag, in den Tempeln, der Lehre Buddhas sind teilweise (sehr) verschieden.“{1} Jenseits der Sprache und Worte liegt eine tiefere Wirklichkeit. „In der Stille erhebt sich der unsterbliche Geist, und wortlos kommt die Freude.“{2}, schreibt Zen-Meister Taisen Deshimaru (1914-1982).

Mushotoku – eine einzigartige Sicht des Menschen

Der Buddhismus ist ursprünglich weder Religion noch Philosophie. Er kennt keinen Gott und keine Moral, liefert weder Weltbild noch Gesellschaftslehre. Buddha war Menschenkenner und Psychologe. Und das macht ihn so interessant, konzentriert er sich doch auf unser Ego mit seinem Weltschmerz und stellt Erlösung in Aussicht.

Meditation, Achtsamkeit, Manager in Pferde-begleiteten Selbsterfahrungs-Kursen … Menschen mit abendländischen Wurzeln suchen nach Anknüpfungspunkten, auch zum christlichen Glauben, wollen vergleichen, ja müssen mit ihrem vorgeprägten Denken enorme Verstehens-Schwierigkeiten überwinden, um zum Kern eines zweitausendfünfhundert Jahre alten Gedankens vordringen zu können: Was können wir vom Buddhismus erwarten? Was nicht? Was ist anders?

Für Buddha ist der Mensch im kulturell unbeschlagenen ‚Rohzustand‘ kein Sünder, dem man Vorschriften machen müßte, etwa mit den Zehn Geboten, damit er in Gesellschaft erträglich und zivilisiert wird, den man einem Gott unterwerfen müßte, der zuverlässig das angstvolle Einhalten der Regeln überwacht durch ein implantiertes Über-Ich unter kirchlicher Regentschaft.

Für Buddha ist der Mensch von Natur aus ‚gut‘, nicht im moralischen Sinne, sondern als Wesen, das intuitiv nichts Schlechtes tut, weil es sich mit allem verbunden weiß und in dieser organisch-verbundenen Intelligenz über dem Nutzendenken eines Einzelnen steht. Mushotoku – das absichtslose Gut-Sein i. S. v. sozialem Funktionieren im Weltverbund, steht am Anfang des Wesenhaften, des Wesentlichen. So ist jeder ein Buddha, der sich seines ursprünglichen Wesenseins wieder erinnern kann. „Man kann sogar sagen, dass jeder Mensch schon im Besitz der Buddhanatur ist.“{3} Dazu müssen meist erhebliche Barrieren aus dem Weg geräumt werden, letztlich mit dem Ziel, das Leiden – an sich selbst – zu überwinden.

Dieser Mensch braucht keine Moral des „Du sollst …“, weil er aus eigener Einsicht seiner natürlichen Mitte heraus handelt: Er ist ein mit allem verbundenes, sozial eingebettetes Wesen und sägt den Ast nicht ab, auf dem er sitzt. Dieses natürliche Verhalten ist im Tierreich weit verbreitet und bedarf keiner besonderen kognitiven Anstrengung. Wir aber haben den Geist, der dumme Fragen stellt (und viel Dummes gelernt hat).

Wer von Buddha eine Philosophie oder Weltanschauung erwartet, wird enttäuscht. Kann der Mensch ohne irgendeinen Bezug zur Transzendenz nicht leben? „Woher kommen wir - wohin gehen wir?“ sind Fragen, die man nicht stellen soll, weil sie nicht beantwortet werden können und vom Weg der Leidensbefreiung nur ablenken. Statt eines Weltbildes gibt Buddha Lebenshilfe, er ist konsequent Psychologe.

Verwirrend ist die Vielfalt buddhistischer Schulen und Deutungen über Kleine und Große Fahrzeuge oder die Dritte Drehung des dharma-Rades (der Lehre). All dies erschwert den Zugang zur ursprünglichen Lehre. Buddha kennt keine Götter (wohl aber der tibetische Buddhismus), er hat absichtsvoll keine Kirche gegründet, keine Jünger legitimiert, seine Lehre weiterzutragen, sondern klar gesagt: Höre auf keinen Meister, suche selbst nach Einsicht in Ursache und Wirkung. Das hier anklingende Bekenntnis zur Rationalität, zum Gebrauch des eigenen Verstandes, öffnet den Buddhismus unserem wissenschaftlich aufgeklärten Denken. Kein Dogmatismus und keine Gesinnung versperren den Weg zur Erkenntnis.

Beim ersten Verstehen mag sich Angst entwickeln, Buddha fordere ein Loslassen, eine Selbstaufgabe, ein Verschwinden im Nirwana. Ein Zen-Meister sagt: „Ich sage immer, Zazen ist wie in seinen Sarg steigen. Wenn man in seinen Sarg steigt, ist man vollkommen friedlich, es ist Nirvana. Es ist nicht nötig, Angst davor zu haben, es ist sehr friedlich.“{4}

Nach einigem Studium wird deutlicher, daß es tatsächlich um Existentielles geht: um deine Existenz, um Leben und Tod! Es ist sehr schwierig, das zu überwindende Anhaften oder Anhangen zu verstehen, um den Wiedergeburtenkreislauf verlassen zu können. Gemeint ist das Anhaften an Formen, Erscheinungsweisen, Ich-fokussierten Einbildungen. Es hat zu tun mit dem Festhalten an einer dualistischen Sichtweise. Wir können zunächst nicht anders, als Tag und Nacht zu unterscheiden, bevor wir erkennen, daß es nur Erscheinungsformen des Gleichen, von Eins sind, der Zeit, die Formen wandelt, an denen wir haften. Wenn wir uns von diesen ego-zentrierten Formbildungen leeren, können wir unsere Ich-Fixierung verlieren, wieder Eins werden, was manche auch Inter-Sein nennen, worin eine globale oder gar kosmische Verbundenheit anklingen mag. Auf den Zen-Mönch THICH NHAT HANH (1926, verstorben am 22. Januar 2022) geht das Bildnis zurück, das Leben des einzelnen Menschen sei eine Welle, die immerzu auch Wasser ist.