Ratte und Bärenfräulein - Lotte Ingrisch - E-Book

Ratte und Bärenfräulein E-Book

Lotte Ingrisch

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Beschreibung

Ein Dialog zwischen den Welten. Componist, Visionär, Hadesgänger: Gottfried von Einem sah Tote, hörte die Musik des Lichtes und lächelte, als er starb. Lotte Ingrisch, von ihm liebevoll "Ratte" genannt, begleitete ihr wildes, bacchantisches "Bärenfräulein" durch alle Abenteuer und Wunder seiner Jenseitsreise. Aus den Protokollen dieser Zwiegespräche zwischen den Bereichen der vermeintlich Lebenden und der angeblich Toten wurde ein tiefsinnig entzückendes, von Humor und Gedanken sprühendes Buch, das den Leser immer wieder auflachen lässt.

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Seitenzahl: 333

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www.langen-mueller-verlag.de

© für die Originalausgabe und das eBook: 2016 LangenMüller in der

F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel

Umschlagmotiv: Michael Horowitz

Satz und eBook-Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-7844-8261-3

»Ich fragte meinen Freund Arnold Keyserling

vor vielen Jahren, ob er nicht jemanden kenne,

der ein Opernlibretto schreiben könnte.

Er meinte ja und bestellte mich zum Mittagessen.

Ich ging dort hin, es saß eine rothaarige Dame auf dem Sofa

und kicherte völlig kindisch vor sich hin.

Später haben wir dann geheiratet.«

(Aus Gottfried von Einems Autobiographie »Ich hab unendlich viel erlebt«)

Arnold und Willi Keyserling

danken in Liebe

für das gemeinsame Leben

Die Ratte und das Bärenfräulein

Gottfried von Einem

24.1.1918 – 12.7.1996

»Ich bin überall. Bin das Blatt, bin das Licht, bin die Erde.

Ich bin die Luft, die brennende, glühende Luft.«

(21.9.1982 in Ossiach)

»Man muß lernen, mit den Toten zu sprechen –

und mit den Lebenden zu schweigen.«

(29.1.1987 am Rindlberger Kamin)

»Es ist so schön, weil ich zwischen Tod und Leben fühle.

Ich weiß mich jetzt in beiden von unendlicher Liebe

strahlend umfangen.«

(Rindlberger Komponierzettelchen vom 2.8.1987)

»Enden werde ich leise ins Licht entschwindend,

mit allem schwerelos verbunden.

Es wird erfüllte Stille sein.«

(Rindlberger Komponierzettelchen vom 29.12.1987)

»Wieso hab’ ich das Gefühl, unter freiem Himmel

zu sitzen? Die Materie wird immer durchlässiger für mich.«

(Im Oberdürnbacher Zimmer am Donnerstagabend,

als er zu sterben begann)

»Ich habe mich mit mir selbst vereint.«

(13.7.1996 in Wien)

Vorwort von Hado Fischer-Barnicol

Hado Fischer-Barnicol, Universitätsprofessor, Religions- und Kulturwissenschaftler, Leiter des Instituts für interkulturelle Forschung. Er starb 1999, und zu seinem Begräbnis kamen die Vertreter sämtlicher Religionen. Und davor hat er mir noch die Vorstellung dieses Buches geschenkt. Ich bewahrte sie als private Gabe, doch nun soll sie öffentlich werden. Möge sie helfen, wenigstens einige Menschen aus ihrem geistigen Elend zu befreien!

Bei der Vorstellung eines Buches, eines sehr merkwürdigen zudem, das in Gefahr ist, wegen seiner Merkwürdigkeit, seines seltsamen, obskuren Inhaltes, als »okkulter« Text aufzufallen, ist es angebracht, vorab ein Wort zu seiner literarischen Qualität zu sagen:

Es ist ungewöhnlich gut geschrieben. Die Autorin dieser Aufzeichnungen ist, wie man weiß, eine bezaubernde Schriftstellerin hohen, poetischen Rangs, und wie immer der kluge Gottfried von Einem sich ihr und durch sie posthum mitgeteilt haben mag, als der Komponist, der es gewagt hat, Büchner, Kafka, »Weltliteratur« zu vertonen, er hat gewußt, wem er es zutraut, ihn und sein Erleben diesseits und jenseits der Schwelle zur Sprache zu bringen. Aus den Protokollen dieser Zwiegespräche zwischen den Bereichen der vermeintlich Lebenden und der angeblich Toten ist ein tiefsinnig entzückendes, von Humor und Gedanken sprühendes Buch geworden. Der Freund, der die beiden erleben durfte, diesen graziösen, bacchantischen Bären, der schwermütig, ausgelassen, zärtlich, gelegentlich aber auch spitze, funkelnde Zähne zeigend, seine Tage durchtanzte, und diese wunderbar kindliche Ratte, die sich unversehens in eine hochsensible Fledermaus verwandeln kann, die unfehlbar sicher das Dunkel durchfliegt, ohne anzustoßen, mitunter sich sogar als die Eule der Minerva erweist, deren Flug bekanntlich erst in der Dämmerung zwischen Tag und Nacht beginnt … er kann nicht ohne immer wieder aufzulachen dieses Buch lesen: es ist das beste Portrait des Gottfried von Einem, das sich denken läßt.

Es ist das Dokument einer lebendigen Beziehung über den Tod hinaus. Die sich für klug und nüchtern halten, als »Agnostiker« ausgeben, rundum skeptisch, nur nicht gegenüber der eigenen Skepsis, mögen diese Aufzeichnungen als träumerische Poesie empfinden, zumal sie wirklich poetisch sind. Ihnen gilt es als ausgemacht, daß die Anwesenheit mit dem Tode verschwindet, erlischt, wie Rauch eines Feuers verfliegt, wie die Wolken im Nordwind, zu nichts geworden, denn der Tod sei doch das Nichts. Das glauben sie zu wissen. Senecas wache, kritische Aufmerksamkeit, entweder Ende oder Übergang sei der Tod, verschafft ihnen zu wenig Gewißheit. Sind sie doch ebenso wie die Gnostiker, von den Juden die »Wisserischen«, von den Alemannen die »Wisserles« genannt, mit fragloser Gewißheit zu wissen, daß uns gemeinhin verborgene Wesen und Welten nicht gibt, kein pränatales »woher« und kein postmortales »wohin«, nur dieses bißchen Am-Leben-Sein zwischen zufälliger Zeugung und letztem Atemzug. Agnostiker ertragen die »Schwebe zwischen gewissen Ungewißheiten und ungewissen Gewißheiten«, in der wir uns – wie Pascal betont – unserer Natur gemäß befinden, nicht. Mit Gnosis, der Vernunft vertrauendem Entschlossensein im Erkennen, hat solcher Agnostizismus so wenig zu tun wie der Gnostizismus – twins, Zwiesel, Zwillinge aus der gleichen Unaufrichtigkeit des Denkens entsprungen wie Exoterismus und Esoterismus, Rationalismus und Irrationalismus, die gleichermaßen davon überzeugt sind, auch dort noch zu wissen, wo es keine sicheren Gewißheiten gibt und geben kann. Ebenso blindlings wird gezweifelt wie – leider Gottes – fraglos »geglaubt« wird, wiewohl fast alle diese – naturgemäß – offenen Fragen wenig oder gar nichts mit dem eigentlichen Glauben, der sich dem absoluten Geheimnis anvertrauenden Erfahrung des rückhaltlosen Erschlossenseins zum unsichtbaren Licht, zu tun haben.

Präexistenz vor der Zeugung, Fortleben nach dem Tode, Wiedergeburt in anderen Existenzen – was wir mißverständlich unter »Reinkarnation und Karma«, sei es im Sinn der phytagoräischen, der indischen, der jüdischen Überlieferungen zu verstehen meinen, werden von denen, die in diesen Überlieferungen leben, nicht als »religiöse« Erfahrungen, nicht als Glaubenssätze verstanden. Es sind Themen der Vergewisserung von naturgegebener Wirklichkeit, des vernünftigen Erfragens und sinngemäßen Verstehens dessen, was konkret zu erfahren ist. Wenn man will, auch wissenschaftlich, »philosophisch« – nicht »theologisch«. Deswegen ruft unsere Abwehr dieser Probleme, die geflissentlich Augen und Ohren und alle Denksinne vor Geburt und Tod verschließt, so tiefes, penetrant kritisches Mißtrauen in Asien und Afrika hervor: was sind das für Anthropoiden, die gerade die wesentlichen Lebens- und Todes-Fragen nicht aufkommen lassen? Aus Angst? Aus dogmatischen Voreingenommenheiten, die das säkulare vom kirchlichen Denken (das gute Gründe hatte, Aussagen zu verweigern) übernommen hat? Oder aus Furcht vor der simplen Einsicht, daß viele, die am Leben sind, eigentlich tot sind – da wäre es entsetzlich, wenn die Toten leben würden – wie es entsetzlich ist, daß Engel nicht schlafen, sodaß wir bei Tag und bei Nacht unausgesetzt »im Angesicht« leben. Daß die Beziehungen zwischen uns, in denen wir uns als Ich und Du vorfinden, mit dem Tode nicht ausfallen, als könne man dieses »Zwischen«, in dessen Aufleuchten wir einander erkennen, ausblasen wie eine Kerze – das ist nach wie vor für zwei Drittel aller Menschen, nur nicht für uns hochzivilisierte und in besonderer Weise dekultivierte Europäer, selbstverständlich. Wie ich in mir, wenn ich einsam bin, insgeheim zusammen bin mit allen meinen Freunden, mit denen, die ich liebe und deren Liebe zu mir mich leben läßt – so werden wir auch nicht allein gelassen von den Verstorbenen. Das ist normal, daseins- und naturgemäß, wir Menschen leben und denken miteinander, sind in Gemeinschaft, die immer eine Gemeinschaft der Sichtbaren und der Unsichtbaren, eine innere und eine äußere, eine Kommunikations- ja, im letzten (hier setzt das »religiöse« Gewahren ein) eine Kommunions-Gemeinschaft ist. Abnorm, außergewöhnlich, unnatürlich ist nur, daß wir uns diesen Dimensionen unserer Erfahrung entziehen und vorenthalten. Von den eigentlichen Glaubenserfahrungen ganz zu schweigen, metaphysisch und so auch metapsychisch sind wir Analphabeten geworden.

Das selten eingestandene, aber latente Mißtrauen uns gegenüber – richtiger sollten wir es mit dem klugen Araber, einem führenden Politiker und frommen Muslim, ein »Vakuum des Vertrauens« nennen, in dem man nicht einmal sicher sein kann, ob es denn die Mühe wert ist, unsereinem zu mißtrauen, hat seinen Grund in diesem für alle anderen beängstigenden Fremdsein unseres so offenkundig um Dimensionen des konkreten Erlebens verkürzten Selbstverständnisses, das Erfahrungen, die ungewiß bleiben müssen, gar nicht erst aufkommen läßt. Aber täuschen wir uns nicht, zu ihnen gehört auch das Vertrauen, die Treue, die Hoffnung, der Glaube, die Liebe und nicht zuletzt der Mut, sich auf die Vernünftigkeit der Vernunft zu verlassen, die Tapferkeit des wahrhaft kritischen Denkens.

Lotte Ingrisch und Gottfried von Einem provozieren mit diesem Gespräch über die Schwelle hinweg also nicht nur naheliegende Überlegungen der Bewußtseins- oder der Parapsychologie. Nach den Kriterien, die wir diesen – im deutschen Sprachraum merkwürdig unterbelichteten – Wissenschaften entnehmen können, ist dieses Zwiegespräch zwischen »Ratte und Bärenfräulein« als Artikulation einer durch das Sterben Gottfrieds nicht unterbrochenen innigen Beziehung – im Unterschied zu vielen anderen »Jenseits«-Mitteilungen – recht zuverlässig aufgezeichnet worden – weil in ihm die Fragen, die sich auftun, eingesehen und offen gelassen werden. Das geschieht auf tiefsinnige und humorvolle Weise, im Glanz der Liebe. Deren Bekundung sollte uns über alle psychologischen Bedenken hinaus nachdenken lassen, dankbar für ein bezauberndes Buch, im Sinn des bärenhaft paradoxen Eingeständnisses: Ich spreche sprachlos zu dir. Jenseits der Sprache gibt es weder Gewißheit noch Zweifel.

Gottfried von Einem hat seinen Tod überlebt

Unser Landhaus in Oberdürnbach steht direkt unter dem Haus von Gottfried von Einem und Lotte Ingrisch, und aus der Nachbarschaft ist bald eine Freundschaft geworden.

In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag, also dem 11. zum 12. Juli 1996, ist Gottfried in Oberdürnbach gestorben. Als ich mich Sonntag Abend, das war der 14. Juli, ins Bett legte, sah ich auf einmal ein intensives Grün. Zuerst ohne Struktur, dann fing es an, sich zu bewegen, von oben nach unten, und ich erkannte es als Weinlaub. Sah deutlich die Weinblätter, während ich gleichzeitig zu schweben schien. Horizontal zuerst und dann vertikal. Aha, denk’ ich, das ist ja die Terrasse von Gottfried und Lotte!

Gottfried war auf der Terrasse, doch sah er nicht aus wie sonst. Kein Bart, keine weißen Haare. Aber ich weiß auch nicht, wie ich selbst nun aussah. »Was ist eigentlich«, fragte Gottfried, »geschehen? So sag mir doch, Dietmar, was ist passiert?« Er fragte sehr eindringlich. Und obwohl ich doch um ihn trauerte, war ich jetzt ohne Gefühl. »Du bist gestorben«, sagte ich beinhart. »Das tut mir zwar leid für dich, aber du mußt es zur Kenntnis nehmen.«

Gottfried war deprimiert und enttäuscht. Der Zeitpunkt kam ungelegen, er hatte noch etwas vor. Wie Lotte mir später sagte, war er erst am Donnerstag Nachmittag nach Oberdürnbach gekommen, um hier sein Streichtrio zu beenden. Er hat, wie ich aus Gesprächen mit ihm weiß, den Tod nicht gefürchtet. Doch war er nicht gerade begeistert, ausgerechnet jetzt gestorben zu sein.

Ich war vollkommen nüchtern. Ich habe derartiges zuvor weder erlebt noch geglaubt. Während des Erlebnisses empfand ich weder Angst noch Euphorie. Ich blieb völlig gelassen und erzählte, nachdem es vorüber war, alles sogleich meiner Frau Uli.

Dipl.-Ing. Dietmar Pindeus

Dr. Ulrike Pindeus

Im Dezember 1995 erwarb ich von Gottfried von Einem und Lotte Ingrisch das Haus in Rindlberg, in dem beide fast 25 Jahre lang gelebt hatten. Bald darauf starb Gottfried von Einem. Nach umfangreichen Modernisierungen fuhr ich am 1. September 1996 allein in nunmehr mein Rindlberger Haus, verließ es um 19 Uhr, um ein Abendessen im Nachbardorf einzunehmen, und kehrte um 20 Uhr zurück. Zu meiner Überraschung brannte in Gottfried von Einems Componierzimmer im ersten Stock Licht. Ich ging hinauf, drehte es ab und begab mich in mein direkt darunter befindliches Schlafzimmer, in dem vor mir Lotte Ingrisch geschlafen hat. Ich ging zu Bett, da hörte ich über mir Schritte. Beunruhigt nahm ich meine Pistole und durchsuchte zuerst das Componierzimmer und danach das ganze Haus gründlich nach vermeintlichen Einbrechern. Da ich nichts fand, ging ich wieder in mein Schlafzimmer, doch sperrte ich diesmal die Tür hinter mir zu und nahm sicherheitshalber die Pistole mit in mein Bett. Da hörte ich abermals Schritte! Sie kamen vom Componierzimmer über die Treppe herunter durch die verschlossene Tür direkt zu mir. Ich nahm eine Bewegung im Zimmer wahr und wollte nach meiner Pistole greifen, vermochte es aber nicht. Ich war wie paralysiert, während die Schritte sich meinem Bett näherten und es umkreisten. Meine rechte Hand wurde von einer anderen ergriffen und mein Arm bis über den Ellbogen hinauf abgetastet. Plötzlich empfing ich einen so starken elektrischen Schlag, daß es mich im Bett hochriß, und gleichzeitig erlangte ich die Herrschaft über meinen Körper zurück. »Herr von Einem«, rief ich, »Sie sind immer willkommen!« Damit war der Spuk zu Ende. Ich rief sofort meinen Freund, den Verleger Prof. Ulrich Schulenburg, an und erzählte ihm alles. Ich habe nie zuvor an Geister geglaubt.

Primarius Dr. Sava Kiprov

Prof. Ulrich Schulenburg

Who is who

DAS BÄRENFRÄULEIN ist auch unter dem Namen Gottfried von Einem bekannt. Componist und Vulkan. Durch den Tod nicht erloschen! Gehört der Rasse der wenigen Gottheiten an. Aber auch der königlichen Kobolde, der dionysischen Nachtmeerfahrer, der verschwiegenen Helfer. Wenn er lacht, ist er unwiderstehlich, und er lacht gern. Noch immer! Der unsterbliche Feuerbär ...

DIE RATTE tritt einerseits unter dem Pseudonym Lotte Ingrisch auf und ist andererseits eine EULE. Sie hat, wie im Märchen, einen Bären geheiratet, der ihr – statt Blumenkränzen – Rattenschwänze flocht.

DER WOLF war als Jörg Mauthe Stadtrat und Chronist jenes heimlich unheimlichen Österreich, das sich nur Sonntagskindern auf Kreuzwegen zeigt. Er war mein erster Jenseitiger.

TEILHARD DE CHARDIN, Visionär der kosmischen Evolution, mutierte, wie es scheint, noch nicht zum magischen Tier. Ein Schicksal, das er mit dem berühmten amerikanischen Naturwissenschaftler BUCKMINSTER FULLER teilt.

DIE HOFBURG in Wien ist das Kaiserschloß. Bären haben, was Höhlen betrifft, eigenartige Wünsche. So gerieten wir unter die Habsburger, und Gottfried wurde der erste demokratische Hofcomponist.

SANKT KRINGEL ist unser geliebtes Rindlberg, das in mehr als fünfundzwanzig Jahren für uns zum Tor in die Unterwelt wurde. Wir saßen am Kamin, schauten ins Feuer und tranken den Toten zu.

BIRNBAUM heißt auf Landkarten, die keine Kosenamen verzeichnen, Oberdürnbach und liegt an der Grenze vom Wald- zum Weinviertel. Und auch noch an einer anderen Grenze, die Gottfried von Einem in der Nacht vom 11. zum 12. Juli 1996 überschritt.

TOTTENDORF oder, wegen der dort begrabenen Katze Dudelinchen, Dudendorf liegt siebenhundert Meter von Jörg Mauthes Mollenburg mit der wölfischen Asche entfernt. Zuletzt hat Gottfried sich ein Haus am Bach gewünscht und wohl schon den Styx gemeint. Von Herzen hoffe ich, daß Bär und Wolf bei mir einziehen! Ich wäre sonst sehr allein.

Hofburg, 13. Juli 1996, abends

RATTE: Bärenfräulein, bist du da?

BÄRENFRÄULEIN: Wo soll ich sonst sein, vielleicht auf dem Mond?

RATTE: War das Sterben schlimm?

BÄRENFRÄULEIN: So lustig auch nicht.

RATTE: Ich glaub’, ich hab’ dir nicht sehr geholfen.

BÄRENFRÄULEIN: Doch, hast du. Nicht in einem von dir kontrollierten Bewußtseinszustand, aber wir haben ja noch mehrere im Repertoire.

RATTE: Und daß ich dich nicht mit der Rettung ins Krankenhaus bringen ließ? Ich wollte dein Sterben nicht stören.

BÄRENFRÄULEIN: Na, Gott sei Dank! Ich hätte die Nacht unter keinen Umständen überlebt.

RATTE: Und jetzt?

BÄRENFRÄULEIN: Ich muß mich erst daran gewöhnen.

RATTE: Ist es so, wie ich dir immer gesagt habe?

BÄRENFRÄULEIN: Nein, ganz und gar nicht. Ich bin total verstört.

RATTE: Lieber, geliebter Bär! Was kann ich tun?

BÄRENFRÄULEIN: Halte den Kontakt! Es ist ziemlich merkwürdig, auf einmal kein Zentrum zu haben. Ich fühle mich wie ein Luftballon mit zerrissener Schnur.

RATTE: Ich soll dich halten, festhalten?

BÄRENFRÄULEIN: Vorläufig, Rattchen.

RATTE: Mamachen, den Schweif?[1] Hast du sie getroffen? Oder Dürrenmatt, Blacher, deinen Vater …

BÄRENFRÄULEIN: Ja, ich hab’ sie getroffen. Alle.

RATTE: Aber?

BÄRENFRÄULEIN: Es hat mir nichts mehr bedeutet.

RATTE: Siehst du Licht?

BÄRENFRÄULEIN: Blödsinn! Ich seh’ dich, die Wohnung, die Katzen.

RATTE: Nehmen die Katzen dich wahr?

BÄRENFRÄULEIN: Nur Dudelinchen. Und mein kleiner Schaka.

RATTE: Und ich?

BÄRENFRÄULEIN: In einem anderen Teil deiner selbst, der dir nur selten zugänglich ist. Unsere Kommunikation findet DORT statt. Was du tippst, ist nur Abfall von jenem Material.

RATTE: Kann ich etwas tun, um dich besser zu übertragen?

BÄRENFRÄULEIN: Nein. Der Teil, der tippt, ist nicht der Teil, der kommuniziert.

RATTE: Ich ließe mir noch immer den Kopf für dich abschlagen. Sag, was kann ich dir Liebes tun?

BÄRENFRÄULEIN: Bleib bei mir, und laß mich bei dir bleiben. Es ist gut, wenigstens eine Adresse zu haben.

RATTE: Ich liebe dich, Fräulein.

BÄRENFRÄULEIN: Liebe ist so eine windige Sache. Jetzt halte ich nicht mehr so viel davon. Miteinander Personen bilden und später Welten – das scheint es zu sein.

Hofburg, 17. Juli 1996

RATTE: Bärenfräulein, bist du da?

BÄRENFRÄULEIN: Ja, Rattchen. Noch immer.

RATTE: Aber auch hoch in einer Sonne? Du hast es gesagt?

BÄRENFRÄULEIN: Beides. Die Gleichzeitigkeit der Zustände wirst auch du noch erfahren.

RATTE: Bist du noch immer verstört?

BÄRENFRÄULEIN: Ja und nein. In einem Zustand verstört, in einem anderen pures Licht.

RATTE: Hast du die Maya-Welt verlassen?

BÄRENFRÄULEIN: Natürlich nicht. Könnte ich mich sonst mit dir unterhalten? Und ja, verlassen hab’ ich sie auch. Ein zwiespältiger Zustand. Ich fühle mich wie eine Amphibie des Seins.

RATTE: Möchtest du wieder leiblich lebendig sein?

BÄRENFRÄULEIN: Um Himmels willen, nein! Das war nie, und zuletzt schon gar nicht, ein Genuß. Ich bin froh, daß ich diese Stadien hinter mir habe.

RATTE: Liebes Fräulein, möchtest du mit mir verbunden bleiben?

BÄRENFRÄULEIN: Wir existieren in einem gemeinsamen Organismus, du und ich. Nicht stofflich! Es gibt eine immaterielle Biologie.

RATTE: Hoch in einer Sonne zu sein bedeutet den Zustand der Erleuchtung?

BÄRENFRÄULEIN: Die Zuständlichkeit. Ich kann sie noch nicht halten. Könnte ich es, wäre ich – vergib, Rattchen – jetzt nicht mehr bei dir.

RATTE: Ahnst oder siehst du schon einen Weg?

BÄRENFRÄULEIN: Als ich ihn suchte und vermißte, dachte ich in vergangenen Kategorien. Es gibt keine Wege, und es gibt keinen Weg. Das ist literarische Geographie.

RATTE: Wäre es in Ordnung, wenn ich mich künstlich von meinem Leib trennte, um wieder ganz bei dir zu sein?

BÄRENFRÄULEIN: Na ja. Hübsch wäre es schon. Aber ein Körper hat so viele Ausgänge! Womöglich landest du in einer Welt der Frösche oder Brennnesseln, und was hab’ ich davon?

RATTE: Glaubst du, wir landen in einer gemeinsamen Welt?

BÄRENFRÄULEIN: Nein. Es gibt nämlich keine Welten. Religiöse Literatur. Es gibt Zuständlichkeiten, und sie wechseln.

RATTE: Die jenseitigen auch?

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