Räuberherz - Julianna Grohe - E-Book + Hörbuch

Räuberherz E-Book und Hörbuch

Julianna Grohe

4,8

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Beschreibung

Als wäre sie in eine schräge Version von "Die Schöne und das Biest" geraten, findet sich Ella in der Villa eines reichen Mannes wieder. Statt jedoch mit tollen Kleidern und Schmuck verwöhnt zu werden, soll sie putzen, während ihr Entführer eine Traumfrau nach der anderen mit nach Hause bringt. Welches Geheimnis verbirgt er? Weshalb sind manchmal Stimmen im Haus zu hören, obwohl niemand in der Nähe ist? Und warum gibt es diese seltsamen elektrischen Schläge, wenn sie aus Versehen seine Haut berührt? Ella ahnt, dass seine Hartherzigkeit nichts als Fassade ist. Doch was wird sie dahinter finden? Vielleicht etwas viel Gefährlicheres? "Verdammt! Kochen, putzen, waschen, bügeln - und das alles für diesen super-arroganten Schönling? Ein Traum. Genau so hab ich mir den Rest meines Lebens vorgestellt ..."

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Seitenzahl: 589

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Zeit:13 Std. 43 min

Sprecher:Marion Dreiseitel

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Räuberherz

Julianna Grohe

Copyright © 2017by

Astrid Behrendt

Rheinstraße60

51371 Leverkusen

http: www.drachenmond.de

E-Mail: [email protected]

Lektorat: Kornelia Schwaben-Beicht

Korrektorat: Michaela Retetzki

Layout: Michelle N. Weber

Umschlagdesign und Titelbild:

Alexander Kopainski

Bildmaterial: Shutterstock

ISBN 978-3-95991-218-1

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Prolog

1. Gothic-Girl

2. (Alb-)Traum auf zwei Beinen

3. Die alte Villa

4. Hund, Katze, graue Maus

5. Unheimlicher Besuch

6. Kribbeln auf der Haut

7. Im Gärtnerhaus

8. Honey

9. Das Geheimnis der Tiere

10. Weihnachtszeit

11. Sommerwetter

12. Neue Erkenntnisse

13. Umgehauen

14. Die Vorleserin

15. Schlimmer als ein Vampir

16. Raptor Formae

17. Nichts wie weg

18. Sehn-süchtig

19. Gut und böse

20. Grace

21. Geständnisse

22. Heimkehr

23. Zurück in der Schule

24. Shards

25. Rückkehr zur Villa

26. Hoffnungen

27. So nah

28. Eiskalt

29. Erlöst

30. Fünf Monate später …

Dank und so …

Über die Autorin

Bücher von Julianna Grohe

Prolog

Das Mädchen, das er ausgewählt hatte, stapfte in der Dämmerung mit gesenktem Kopf die Straße entlang, die Kapuze der schwarzen Jacke tief ins Gesicht gezogen.

Endlich. Er wusste, sie war perfekt für seinen Plan: nichtssagend, ordentlich, zuverlässig, hartnäckig, leidensfähig und vor allem … allein. 

Sie würde nicht schwach werden – und dann würde er es hoffentlich auch nicht.

Als das Mädchen um die Ecke gebogen kam, war er mit einem Satz ins Gebüsch gesprungen. Er war stark und schnell – sie würde keine Chance haben, ihm zu entkommen. Kein Normalsterblicher hatte das. Aber seine Stärke war zugleich seine größte Schwäche. Verursacht durch diesen unbezähmbaren Hunger, der ihn zum Rauben zwang. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Bitterer Selbsthass durchströmte ihn, erfüllte ihn mit Dunkelheit, nahm ihm die Luft zum Atmen, während sein Herz vor gespannter Aufregung schneller pumpte. Er krallte seine Hand um einen Ast, als wollte er jemanden würgen.

Am liebsten hätte er der Kleinen zugerufen: »Verschwinde von hier! Renn so schnell du kannst, bevor es zu spät ist! Lauf um dein Leben!« Aber er blieb stumm und biss die Zähne zusammen. Weil er keine andere Wahl hatte.

Doch wenn er Erfolg haben und das neue Medikament wirken würde, könnte das alles bald der Vergangenheit angehören.

Dann wäre er endlichfrei.

Und das Mädchen ebenso, denn dann würde er es nicht mehr brauchen.

Raschelnd wirbelte eine Bö das trockene Laub auf. Ein Straßenschild ganz in der Nähe bewegte sich quietschend im Herbstwind. Das Mädchen wischte sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.

Er wusste, dass sie freundlich war. Dieser düstere Grufti-Look passte überhaupt nicht zuihr.

Er hatte sie beobachtet, genau studiert. Seit Tagen schon. Er musste sichergehen, denn einen Fehler durfte er sich nicht erlauben.

Morgen. Morgen war Halloween. Da würden all die gruseligen, gefährlich aussehenden Gestalten durch die Stadt geistern.

Doch niemand wusste, dass er die gefährlichste von allen war. Verdammt dazu, ein Ungeheuer zusein.

Wenn er raubte.

Gothic-Girl

Beim ersten Mal, als ich den Schatten in der Dämmerung sah, dachte ich mir noch nichts Böses dabei. Es war sicher nur ein seltsam gewachsener Busch, der da auf der Anhöhe stand, wo kein Laternenlicht mehr hinreichte. Nichts, was mich ängstigen sollte, schließlich war ich kein kleines Kind mehr, sondern schon beinahe siebzehn Jahre alt – und in gefühlten Jahren sogar deutlich älter. Aber trotzdem überkam mich beim Anblick der dunklen Silhouette ein ungutes Gefühl.

Fröstelnd zog ich den Reißverschluss meiner zerschlissenen Jacke weiter nach oben, während der Herbstnebel die Häuser und Bäume von Brookville langsam, aber unaufhörlich verhüllte.

Obwohl ich mich nicht fürchten wollte, beschleunigten sich wie von allein meine Schritte, bis ich endlich die richtige Auffahrt erreichte. Ich versteckte mich hinter einem Baumstamm und wartete ab, ob mir jemand folgte. Aber da war niemand. Und dennoch ziepte es unruhig in meinem Magen.

Dass ich so schreckhaft war, lag bestimmt daran, dass morgen Halloween war und alle Leute schon eifrig ihre Häuser schmückten, um einander das Gruseln zu lehren. Ein bisschen freute ich mich sogar auf die beleuchteten Kürbisse, Skelette und Spinnennetze.

Eilig huschte ich durch das raschelnde Herbstlaub zur Hintertür.

»Kack, verdammter!«, fluchte ich, als ich auf den bröckeligen Steinstufen zur Veranda stolperte. Ohne Licht konnte man kaum etwas erkennen.

Mit Schwung warf ich mich gegen die unverschlossene Tür, von der die Farbe schon zum größten Teil abgeblättert war, bis sie sich mit einem lautstarken Knarzen öffnete. Ich schlüpfte hinein, drückte sie wieder zu und schob rasch den Riegel vor. Endlich zu Hause.

Sofern man diese verlassene Ruine ein Zuhause nennen konnte. Irgendeinen Erbschaftsstreit gab es da, hatte ich gehört, weshalb in dem Gebäude seit einigen Jahren niemand mehr wohnte – zumindest so lange, bis ich hier einfach eingezogenwar.

Damit ganz sicher niemand hereinkommen konnte, schob ich zusätzlich einen gusseisernen Beistelltisch vor die Tür und ließ dann meinen Rucksack von der Schulter rutschen. Dabei fiel der dicke Wälzer aus der Bibliothek heraus, in dem ich draußen bis zum Einbruch der Dämmerung gelesen hatte. Geliehene Bücher kosteten zum Glück nichts.

Ich schlurfte in das ehemalige Wohnzimmer und zündete die Laterne an, die einen schwachen Lichtschein auf das Lager warf, das ich hier aufgeschlagen hatte. Viel besaß ich ja nicht. Dann schüttete ich mir den letzten Rest Cornflakes in eine Schüssel.

Es gab keine Milch dazu, aber das machte mir nichts aus. Auf Luxus konnte ich gut verzichten, solange ich nur nicht wieder zu meinem Vater zurückmusste. Nur … wie es weitergehen sollte, wenn der Winter kam, wusste ich nicht.

Nachdem ich auch den letzten Krümel aus der Schüssel geleckt hatte, nahm ich das Buch wieder zur Hand. Tauchte ein in eine andere Welt, eine Welt, die mir half durchzuhalten, die mir half, der Wirklichkeit zu entfliehen und die unheimlichen Geräusche des alten Hauses auszublenden.

Ich liebte Romane. Durch sie entstanden die wunderbarsten Geschichten, Gedanken und Bilder in meinemKopf.

Erst als meine Augen vom Lesen bei Kerzenlicht tränten, legte ich das Buch beiseite, zog mein Nachthemd an und kroch in den Schlafsack. Dann löschte ich das Licht und machte mich auf eine weitere harte Nacht gefasst, denn eine Isomatte war auf Dauer kein Matratzenersatz und in der Dunkelheit ließen sich die quälenden Gedanken nicht mehr vertreiben.

Ich dachte an die Schule, die ich übernächstes Jahr unbedingt erfolgreich beenden musste, an meine Großeltern, bei denen ich aufgewachsen war, und an meinen unberechenbaren Vater, der mich vor drei Wochen beinahe erwürgt hätte.

Ich schüttelte mich, um all die Bilder aus meinem Kopf zu verbannen, und überlegte stattdessen, wie ich mir etwas zu essen beschaffen könnte.

Als mein Wecker in der Früh klingelte, kroch ich mühsam aus dem Schlafsack. Montag. Jeder Knochen tat mirweh.

Alles wie gehabt, dachte ich gequält.

Wenn ich auch nur ansatzweise geahnt hätte, dass sich am heutigen Tag mein ganzes Leben ändern sollte, wäre ich nicht zur Schule gegangen, sondern hätte so schnell wie möglich das Weite gesucht. Wäre in eine andere Stadt gezogen, in ein anderes Land. Oder besser gleich auf einen anderen Kontinent!

Der Morgen begann schon miserabel mit einem knurrenden Magen. Wenn ich hungrig war, war ich unausstehlich, aber zum Glück war niemand da, an dem ich meine schlechte Laune hätte auslassen können.

Das Wasser aus der Regentonne, mit dem ich mir die Zähne putzte und mich wusch, war eiskalt, und obendrein war seit gestern auch noch mein Deo aufgebraucht. Unglücklich schnupperte ich an meinem schwarzen Hoodie mit dem Aufdruck Darkness is my illumination, den ich nun schon den dritten Tag hintereinander anziehen musste. Außer Deo benötigte ich dringend Waschpulver und Shampoo.

Seufzend zog ich mich an, überdeckte meine Sommersprossen und Pickel mit jeder Menge blass machendem Make-up, trug sorgfältig den geliebten schwarzen Lippenstift auf und machte mich auf den Weg – die Zeit für das Frühstück sparte ich ja ein. Zum Glück war es nicht weit, denn die Hausruine lag auf meinem ehemaligen Schulweg.

Es war noch dunkel, und die Sträucher am Straßenrand warfen bizarre Schatten auf den Gehweg. Unwillkürlich schaute ich zu der Stelle, an der mir am Vortag der große menschenförmige Busch aufgefallenwar.

Er war noch da, was dafür sprach, dass es tatsächlich eine Pflanze war. Aber … Ich kniff die Augen zusammen. … hatte sich der Schatten gestern nicht ein bisschen weiter rechts befunden, direkt am Weg? Ein Schauer lief mir über den Rücken.

Es muss eine optische Täuschung sein, beschloss ich tapfer und ging eilig weiter den Berg hinab.

Vielleicht war nicht nur Halloween schuld. Seit meine Großeltern vor einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren und ich zu meinem Vater hatte ziehen müssen, war ich viel zu ängstlich geworden.

Unbehelligt erreichte ich die Brookville Highschool, zog mir die Kapuze des Hoodies über die ungewaschenen Haare, holte meine Sachen aus dem Spind und schlich mit gesenktem Blick zum Klassenraum. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre unsichtbar. Das wäre cool! Dann könnte ich herkommen und lernen, ohne dass meine Mitschüler mich bemerken würden, oder ich könnte den Lehrern jede Menge Streiche spielen.

Aber leider war ich das nicht, stellte ich wieder einmal fest, als ich mich auf meinen Stuhl fallen ließ und mein Nebenmann Daniel mich lautstark mit »Iiiih! Ach, du bist’s nur« begrüßte.

Ich schnaubte genervt und holte meine Schulsachen aus der Tasche. Vielleicht ließ er mich ja in Ruhe, wenn ich ihn ignorierte.

Natürlich nicht. Daniel hatte heute wohl mal wieder extraschlechte Laune und brauchte ein Opfer. »Ey, Ella, warum nimmst du die Kapuze nicht mal ab, damit wir deine zauberhafte Visage bewundern können?«

Vereinzelt ertönte hämisches Gekicher, woraufhin ich meinen Kopf noch tiefer senkte und tat, als würden mich meine Aufzeichnungen vom letzten Mal brennend interessieren. Dabei huschte mein Blick, ohne dass ich es wollte, zu Lucas, dem Mädchenschwarm der Klasse, und mein Herz klopfte schneller. Er saß schräg vor mir und ließ sich von Annabell anhimmeln. Blond, langbeinig, Cheerleader – noch Fragen?

Ich hätte auch gerne diesen Bambi-Augenaufschlag draufgehabt, mit dem sie Lucas gerade bedachte, aber ich hatte keine Ahnung, wie man flirtete. Im Grunde wusste ich noch nicht einmal, wie man freundlichwar.

»Will Ella sich den Tag versauen, muss sie nur in den Spiegel schauen!«, trompetete Daniel jetzt quer durch die Klasse.

»Gibt’s dich auch in witzig?«, entgegnete ich verletzt.

Leider hatte er recht. Ich war keine Schönheit. Meine normalerweise kastanienbraunen Haare trug ich seit einigen Wochen zum Zeichen der Rebellion pechschwarz getönt, meine Haut war pubertär unrein, mein Busen ein Witz. Dazu gesellten sich kleine Röllchen am Bauch.

Ich war im vergangenen Jahr bei meinem Vater etwas moppelig geworden. Süßigkeiten waren ein hervorragender Seelentröster. Aber zumindest das Speckproblem würde sich in den nächsten Tagen von ganz allein erledigen, wenn es mir nicht gelang, Essen zu beschaffen.

Nur meine kleine Nase, die mochte ich. Und meine Augen. Sie besaßen lange Wimpern und hatten einen warmen Braunton.

Einen Teufel würde ich tun und die Kapuze absetzen, damit Lucas auch noch meine fettigen Haaresah!

Sehnsüchtig wünschte ich mich an ein ruhiges Plätzchen, an dem ich mein Buch weiterlesen konnte, anstatt mich von Daniel ärgern zu lassen, der nun auch noch grinsend versuchte, meine Federtasche vom Tisch zu stoßen und mich dabei »Goth-Ella« nannte, was er so ähnlich wie »Godzilla« klingenließ.

Meine Oma hatte immer gesagt, ich würde mich in meinen Büchern verkriechen. Vielleicht hatte sie recht gehabt. Aber was sollte ich sonst auch tun, wenn die Wirklichkeit einfach ätzendwar?

In diesem Moment ließ mein Magen ein protestierendes Grummeln hören, dessen Lautstärke einen ausgewachsenen Bären in die Flucht getrieben hätte. Gott, hatte ich Hunger! Und natürlich hatte Daniel es gehört und lachte sich scheckig.

»Ich glaub, unsere Goth-Ella ist endlich auf Diät! Bestimmt hat sie Schiss, dass unser Abschlussfoto aus der Luft aufgenommen werden muss, damit ihr Hintern mit draufpasst!«

Beinahe wäre mir Dampf aus den Ohren gekommen. »Wenn ich deine Visage sehe, gefällt mir mein Arsch gleich viel besser!«, zischte ich zurück und hätte mich am liebsten mit ebenjenem auf ebenjene gesetzt. Wenn man mich in die Enge trieb, vergaß ich regelmäßig mein gutes Benehmen. Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb es Daniel so viel Freude bereitete, mich zu ärgern.

»Tja«, tönte nun Lucas, der sich zu uns umgedreht hatte, herablassend. »Wie man sich füttert, so wiegtman.«

Gekränkt senkte ich den Kopf. Warum, verdammt noch mal, war mir seine Meinung wichtig, wo ich doch genau wusste, dass er sich nichts aus mir machte – sich nie etwas aus mir machen würde? Leider hatte er mit seinen Worten auch noch recht, denn ich war nur  durch all den Billigfraß und meine Sorgen so pummelig geworden. Schön für Lucas, dass er das wohl alles nicht kannte.

Ein Mädchen mit aschblondem Pixie Cut betrat den Raum und ließ sich auf den Platz neben mir fallen. Jenna.

»Hi, Ella«, begrüßte sie mich fröhlich und holte ihre Bücher hervor.

Jenna war meine beste Freundin. Doch seit dem Tod meiner Großeltern war unsere Freundschaft etwas abgekühlt, was meine Schuld war. Ich hatte mich zurückgezogen. Aber wie sollte ich auch mit ihr über meinen spielsüchtigen Vater reden? Etwa so: »He, Jenna, die grünblauen Abdrücke an meinem Hals … das meinte mein Dad nicht so. Er war nur ein bisschen aufgebracht, weil ich mein Sparbuch vor ihm versteckthabe.«

Nein. Darüber konnte ich nicht sprechen, obwohl mir klar war, dass Jenna mit ihrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn sich heftig über ihn aufgeregt und mich sofort unterstützt hätte.

Doch die Scham war größer.

Ich log einfach, wenn Jenna fragte, wie es zu Hause lief. Wir verabredeten uns kaum noch, und wenn, dann nur bei ihr. Viel Zeit hatte ich nach der Schule ja nicht, denn mein Vater hing lieber im Spielkasino herum, als zu arbeiten oder sich um den Haushalt zu kümmern. So blieb alles an mir hängen, denn ich hatte es gerne ordentlich. Und dann war da noch die Schule. Ich lernte wie besessen, denn auf keinen Fall wollte ich so enden wie mein Vater, der fast unser gesamtes Geld verschleudert hatte. Da fehlte die Zeit für Freundschaften, schließlich benötigte ich für das College ein Stipendium.

»Hi«, antwortete ich Jenna mit gesenktem Blick. Ich mochte sie. Richtig gerne. Aber all die Lügen standen wie eine Mauer zwischen uns. Nicht einmal ihr hatte ich erzählt, dass ich von zu Hause abgehauenwar.

Es war ein Schock gewesen, als ich bemerkt hatte, dass mein Vater das Sparbuch doch noch gefunden und alles verspielt hatte, was ich von meinen Großeltern geerbt und mit Ferienjobs und Zeitungsaustragen angespart hatte. Da war mir endgültig der Kragen geplatzt. Ich wollte unbedingt studieren, aber wovon sollte ich das nun bezahlen? Mit seiner beschissenen Spielsucht hatte er mir meine Zukunft versaut.

Ich konnte es bei ihm nicht länger ertragen. Also hatte ich meine Sachen gepackt und war abgehauen.

Jenna schnupperte in meine Richtung, und ich schloss gequält die Augen. »Äh, Ella … irgendwie müffelst du«, sagte sie leise. Jenna war nicht der Typ, der jemanden vor anderen bloßstellte.

Ich biss mir auf die Lippe. »Ja, tut mir echt leid, mein Deo waralle.«

Daniel hatte uns trotzdem gehört. »Boah! Ella, du Stinktier! Uäh!« Er stöhnte übertrieben laut, sodass auch der Letzte im Raum es mitbekam.

»Iiih! Puh! Würg!«, ertönte es von einigen Mitschülern.

Lucas lachte besonders laut. Ich ballte unter dem Tisch die Fäuste.

»He, Stinkerella! Soll ich dir mal ein Deo besorgen?«, grölte Daniel.

Ja, bitte! »Haha. Witzig. Hast wohl dein Clownskostüm grad in der Reinigung?«, murmelte ich und senkte den Kopf, damit niemand die heiße Röte bemerkte, die mein Gesicht überzog.

»Daniel, es ist nicht nett von dir, Ella zu ärgern«, schaltete Jenna sich ein. »Überleg doch mal, wie du dich dabei fühlen würdest!«

»Ach, lass den Blödmann nur«, winkte ich ab. »Das kratzt mich nicht.« Schließlich war ich ein coolerGoth!

Es war wirklich nett von Jenna, sich für mich in die Bresche zu werfen. Immer fand sie passende Worte. Leider ging mir Diplomatie vollständig ab, und bei Daniel hätte sie ja doch nichts genützt. Der war einfach von Kopf bis Fuß ein Kotzbrocken.

Zum Glück betrat in diesem Moment endlich Mr Brewster, unser Biolehrer, das Klassenzimmer, und die anderen ließen mich inRuhe.

Als stinkender, wortkarger Streber mit Pickeln hatte man es hier nicht leicht. Nur noch die beiden letzten Jahre auf der Highschool beenden, dann habe ich meinen Abschluss und kann fort von hier, dachte ich und unterdrückte einen Anfall von Verzweiflung. Endlich fort aus Brookville, dem langweiligsten Ort des gesamten Staates Pennsylvania.

»Willst du nachher mein Deo benutzen?«, flüsterte Jenna mir zu. »Ich habe es in der Sporttasche.«

Dankbar schenkte ich ihr ein schwaches Lächeln. »Das wäretoll!«

Nur … viel helfen würde es nicht, denn es war wohl mittlerweile auch mein Pulli, der stank. Ich brauchte wirklich dringend neues Waschmittel.

»Ella Bowen, nimm bitte die Kopfbedeckung ab!«, befahl Mr Brewster, nachdem er uns begrüßt hatte. »Es regnet hier drinnen ausgesprochen selten.«

Missmutig zog ich die Kapuze herunter.

»Haha!«, lachte Daniel, als er meine fettigen Haare sah. »Du siehst aus wie mit ’nem Böller frisiert!«

»Habt ihr kein Klo zu Hause, oder warum lässt du deine ganze Scheiße hier ab?!«, zischte ich wütend zurück.

»Ruhe da hinten!«, unterbrach uns der Lehrer und begann, uns mit dem Thema ›Stoffwechsel‹ zu beglücken.

Ich unterdrückte ein Gähnen und bemühte mich, dem Unterricht zu folgen.

»Hast du Lust, heute Abend bei mir Halloween zu feiern?«, flüsterte Jenna mir zu, während Mr Brewster gerade den energetischen Verlauf einer Enzymreaktion an die Tafel zeichnete. »Heather, Vicky, Finley und Noah kommenauch!«

Es war wirklich nett von ihr, mich trotz allem einzuladen. Sofort wusste ich wieder, warum Jenna meine Freundin war. Aber obwohl ich echt Lust gehabt hätte, musste ich absagen.

»Oh Mann, sorry, Jenna, aber mein Dad zwingt mich, mit ihm zur Halloweenparty seines Kumpels zu gehen. Es tut mir leid, ich wäre tausendmal lieber zu dir gekommen!« Verlegen puhlte ich an dem Kreuz, das ich mir mit einem schwarzen Stoffband um den Hals gebunden hatte.

Dass mein Vater gar keine Freunde besaß, wusste Jenna zum Glück nicht.

Ich hätte so ziemlich alles dafür gegeben, mal wieder einfach nur ›Ella‹ zu sein und mit Freunden eine unbeschwerte Party feiern zu können. In Wahrheit besaß ich jedoch weder ein Kostüm noch konnte ich das allerkleinste Häppchen zum Büfett beisteuern.

»Ella Bowen, hättest du die Güte, dein Privatgespräch zu unterbrechen und mir stattdessen zu verraten, wo das Temperaturoptimum für die Wirkung von Enzymen beim menschlichen Organismus liegt?«, fuhr der Lehrer michan.

Ich schenkte ihm ein freches Grinsen und flötete: »Aber gerne doch, Mr Brewster! Bei achtundneunzig Komma sechs Grad Fahrenheit. Sind die Temperaturen höher, verlieren die Enzyme ihre Aktivität aufgrund der für Eiweiße charakteristischen Zerstörung der Tertiärstruktur.«

Erstaunt nickte der Lehrer und knöpfte sich einen anderen Schülervor.

Jenna warf mir einen bewundernden Seitenblickzu.

»Hab ich gestern noch im Biobuch gelesen«, flüsterte ich achselzuckend. Meistens reichte es, wenn ich mir eine Seite ein Mal ansah, um die Informationen zu speichern.

»Du bist zwar so fett, dass du ’ne eigene Postleitzahl brauchst, aber von Bio haste echt Ahnung!«, beehrte Daniel mich mit seinem zweifelhaftenLob.

»Ach, geh doch ein bisschen auf dem Highway spielen!«

Er war wirklich ein Arschloch. Gedanklich drosch ich ihm mehrmals in die blasierte Fresse. Zum Glück war Jenna an meiner Seite und ließ sich auch von meinem merkwürdigen Verhalten in letzter Zeit nicht vertreiben.

Als es endlich klingelte, sprangen Jenna und ich auf und verließen gemeinsam den Raum. Auf dem Weg zur nächsten Stunde gab sie mir von ihrem Brot ab, als ich log, dass ich mein Essen dummerweise vergessen hätte. Das besänftigte meinen schmerzenden Magen ein wenig. Irgendwann würde ihr auffallen, dass ich mein Essen seit Tagen ständig vergaß.

In der Mittagspause saßen wir, wie meistens, gemeinsam mit Victoria, Heather, Noah und Finley an einem Tisch in der Cafeteria.

Victoria flirtete heftig mit einem Jungen vom Nachbartisch, was wir großzügig ignorierten. Als die anderen ihr Mittagessen vertilgten, behauptete ich, nichts essen zu wollen, während ich verstohlen die Hand auf meinen Bauch presste und hoffte, dass er nicht wieder anfangen würde, laut zu knurren.

»Ich weiß gar nicht, wie ihr diesen Fraß herunterbekommt«, tönte ich schlecht gelaunt. »Die Nudeln sind ein einziger verkochter Klumpen! Da grille ich mir lieber heut Abend ein paar knusprige Käfer!« Betont lässig schaute ich in die Runde. Ich liebte es, mit dem Gothic-Image zu spielen. Lieber ein schräger Vogel, als bemitleidet zu werden.

»Bäh, Käfer!« Jenna rümpfte die Nase. Dann verzog sich ihr Gesicht zu einem schelmischen Grinsen, das mich besorgt auf meiner Unterlippe kauen ließ. »Was ist denn nun eigentlich mit dem Augenbrauenpiercing, das du dir schon so lange machen lassen willst, Ella?« Herausfordernd blickte sie michan.

»Na ja, du weißt doch, dass mein Ohrläppchen sich gerade wieder entzündet hat!«, verteidigte ich mich halbherzig und errötete, denn in Wirklichkeit hatte ich höllische Angst vor Schmerzen und betrachtete Tattoos und Piercings lieber bei anderen. »Ich warte besser noch ein bisschen.«

Jenna war mein wandelndes Gewissen, die Freundin, die mein Wertesystem auf nette Art wieder zurechtrückte, wenn ich auf dumme Gedanken kam. Das ging so weit, dass ich meinte, ihre mahnende oder ermunternde Stimme zu hören, selbst wenn sie nicht in der Nähe war. Vermutlich kompensierte ich damit die fehlenden Eltern …

Mit wissendem Blick ließ Jenna das Thema auf sich beruhen und lenkte das Gespräch auf die bevorstehende Halloweenparty, während ich mich über die Reste ihrer Nudeln hermachte, die sie nicht geschafft hatte.

»Muss man ja nicht wegwerfen«, nuschelte ich auf die irritierten Blicke der anderen hin mit vollemMund.

Nach der Schule entwickelten meine Beine ein Eigenleben und machten sich ganz von selbst auf den Weg zum Discounter – dabei hatte ich keinen müden Cent mehr in der Tasche. Vor allem das Regal mit den Backwaren zog mich magisch an. Es war niemand in der Nähe, der mich hätte sehen können. Schon wollte ich die Hand nach einem knusprig frischen Brötchen ausstrecken, als in meinem Kopf die andere Stimme erklang, die ich manchmal zu hören meinte: Die Stimme meiner Großmutter. »Ella, du bist ein gutes Kind. Du hast das Herz auf dem rechten Fleck. Du bist nicht wie dein Dad und wirst es auch niesein.«

Das hatte sie stets gesagt, wenn mein Vater wieder einmal bei uns aufgetaucht war und um Geld gebettelt hatte. Ich hatte mich so für ihn geschämt.

Meine Mom war an Krebs verstorben, als ich noch sehr klein war, und weil mein Vater nicht mit mir zurechtkam, hatten meine Großeltern mich zu sich genommen. Es war allein ihr Verdienst gewesen, dass ich bisher nicht auf die schiefe Bahn geraten war und nur gute Noten nach Hause brachte.

Seufzend ließ ich die Klappe vor den Brötchen wieder zufallen. Es musste einen anderen Weg geben.

Schon seit Tagen suchte ich nach einem Job. Aber niemand wollte mir auf die Schnelle Arbeit geben, und um auf den Strich zu gehen, war ich nicht verzweifelt genug.

Während ich noch überlegte, wandte ich mich verunsichert um, denn es fühlte sich so an, als ob mich jemand beobachten würde. Aber da war niemand.

Hatte mich vielleicht der Kaufhausdetektiv im Visier? Er brauchte sich nicht zu sorgen, ich würde nicht stehlen. Stattdessen verließ ich mit hängendem Kopf den Laden.

In der Main Street war ein guter Platz, das wusste ich, weil ich dort schon Bettler gesehen hatte.

Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, hockte ich mich auf das Gehwegpflaster, beschriftete eine herausgerissene Heftseite mit ›ICH HABE HUNGER‹ und legte sie vor meinen Rucksack – in der Hoffnung, dass eine gute Seele mir etwas zuwerfen würde.

›Ich habe Hunger‹ klang gut, fand ich. Das erweckte Mitleid. So machten es die anderen Bettler doch auch. Besser noch wäre ›Mein Hund hat Hunger‹ gewesen. Das hatte ich letzte Woche vor dem Supermarkt bei einem Obdachlosen gesehen. Aber leider besaß ich keinen. Vielleicht sollte ich mir einen zulegen, wenn das Bettelgeschäft gut lief. Hunde waren toll! Als ich noch klein war, hatten meine Großeltern einen Terrier, der in meinem Bett schlafen durfte.

Voll Elan setzte ich meinen herzzerreißendsten Blick auf, mit dem Erfolg, dass ein Kind im Skelettkostüm seine Mutter fragte: »Warum guckt das Mädchen so komisch? Muss die malPipi?«

So weit zu meinem Welthungerhilfe-Blick. Ich stieß die Luft aus und ließ meine Brauen zurück in Normalposition rutschen.

Eine Stunde später hockte ich immer noch dort und musste den mitleiderregenden Blick nicht mehr spielen, als es begann, unangenehm kühl zu werden. Lauter lustig oder gruselig maskierte Gestalten zogen vorüber. Sicher unterwegs zu einer großartigen Halloweenparty, dachte ich neiderfüllt und unterdrückte das Zähneklappern.

Ich wagte nicht, darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn zufällig einer meiner Mitschüler auf dem Weg zu einer Party vorbeikäme – womöglich sogar Lucas – und mich hier erkannte.

War da am Ende schon jemand? Zwar konnte ich kein bekanntes Gesicht entdecken, hatte jedoch nach wie vor das unbestimmte Gefühl, dass ich beobachtet wurde. Verstohlen linste ich unter der Kapuze hervor, aber da war nichts Auffälliges.

Ganz im Gegenteil. Es war, als wäre ich doch noch unsichtbar geworden. Keiner beachtete mich, und wenn doch, dann machten die Leute einen großen Bogen, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Hätte sich mein Selbstbewusstsein nicht längst irgendwo in unterirdischen Höhlen versteckt, wäre es mir spätestens jetzt abhandengekommen.

Nur selten einmal erbarmte sich jemand und warf ein paar Cent auf meinen Rucksack, aber das war nicht genug.

Traurig starrte ich auf den Gehweg.

»He, Püppchen, verschwinde hier!«, wurde ich auf einmal lautstark angepöbelt.

Erschrocken schaute ich hoch. Ein armselig gekleideter Kerl mit verhärmtem Gesicht und zugeschwollenen Augen stand direkt vor mir. Hastig rappelte ich mich auf, denn er sah nicht gerade danach aus, als wollte er nett zu mirsein.

»Das is’ mein Platz, verzieh dich, sonst setzt’s was!«, drohte er mit glasigem Blick.

»Oh! Ich wusste gar nicht, dass Ihnen das Kaufhaus gehört!«, zwitscherte ich liebenswürdig und schnappte mir meinen Rucksack mit dem kümmerlichen HäufchenGeld.

»Hä?«, fragte er irritiert. Ironie war wohl nicht so sein Ding. »Sieh zu, dass du hier wegkommst, sonst mach ich dir Beine!«

»Nein danke, die habe ich schon.« Ich wandte mich zum Gehen, denn noch mehr Ärger konnte ich wirklich nicht gebrauchen.

»He, du!«, rief er mir auf einmal unerwartet freundlich hinterher. »Nun sei nich’ gleich beleidigt! Willste auch was?« Er hielt mir ein winziges Tütchen mit Pulver darin entgegen. »Bin ja kein Unmensch.« Er lachte keuchend.

»Was ist das?« Argwöhnisch trat ich näher.

»Reine Glückseligkeit, meine Kleine«, behauptete er. »Das Ende aller Sorgen, die pure Freude. Ein paar Krümel hiervon und alles wird gut, das versprech ichdir.«

»Drogen!« Abwehrend hob ich die Hand. »So was nehme ich nicht!«

»Psst!«, zischte er und ließ die Tüte hastig wieder in seiner Tasche verschwinden. »Stell dich nich’ so an, du bescheuerte Göre! Was hast du denn gedacht, was esist?«

»Lass man stecken«, erklärte ich ihm. »Es reicht, so auszusehen wie ich. Keine Lust, so auszusehen wiedu!«

Dann machte ich, dass ich davonkam, bevor er begriff, dass ich ihn gerade beleidigt hatte.

Vielleicht war ich doch nicht für die Bettlerszene geeignet.

Vor einem anderen Geschäft fand ich einen neuen Platz, doch auch hier waren die Leute nicht freigiebiger.

Endlich, nach einer frustrierenden weiteren halben Stunde, war das Glück mir doch noch hold. Eine nett aussehende alte Dame kam auf mich zu. »Also wirklich, Mädchen!« Sie blieb stehen und schaute missbilligend auf mich herab. »Was sitzt du denn hier bei der Kälte auf dem Boden?«

Ich hob den Kopf und bemühte mich noch einmal um einen herzzerreißenden Blick, in der Hoffnung, dass ich wenigstens sie erweichen konnte.

»Aber, Kindchen, du bist ja noch blutjung! Wo sind denn deine Eltern, um Himmels willen?«

»Äh … tot?«, stotterte ich verlegen. »Jedenfalls zu fünfzig Prozent.«

Verwundert runzelte sie die Stirn. »Na, komm erst einmal mit. Hast du Hunger? Dumme Frage«, beantwortete sie es selbst, »das steht ja auf deinem Schild, und du bist keine Lügnerin, oder?«

Stumm schüttelte ich den Kopf und fühlte mich ein wenig schäbig, weil ich durchaus oft log. Vor allem in letzterZeit.

»Was hältst du von einer Pizza? Da drüben gibt es Stücke auf dieHand.«

Ich rappelte mich auf. Für Pizza hätte ich töten können. »Oh ja!«, entfuhr es mir. Taumelnd kam ich zum Stehen, weil meine Glieder so steif gefroren waren.

»Hoppla! Langsam, Liebes.« Die alte Dame ging neben mir her zum Imbiss. »Bist du etwa von zu Hause ausgerissen? Hast du denn niemanden, der dich sucht?« Sie schaute mich so voll Mitleid an, dass ich den Blick abwenden musste.

Verlegen knetete ich den Gurt meines Rucksacks. Wer sollte mich schon vermissen? Mein Vater lebte in seiner eigenen Welt. Ihm war vermutlich noch nicht einmal aufgefallen, dass ich nicht mehr dafür sorgte, dass seine stinkenden Socken gewaschen wurden und eine warme Mahlzeit auf den Tischkam.

»Du möchtest nicht darüber reden, oder?«, fragte sie und musterte mich prüfend.

»Lieber nicht«, gestand ich verlegen.

»In Ordnung. Was hättest du gerne auf deiner Pizza?«

Wir waren vor dem Imbiss angekommen, und der intensive Geruch nach frisch gebackenem, knusprigem Teig und italienischen Kräutern ließ mich fast in die Knie gehen.

Alles! »Salami bitte«, sagte ich, denn das war die günstigste Variante.

Sie bestellte die Pizza und eine Cola gleich dazu. Dann musterte sie mich. »Nimmst du Drogen?«

»Nein!«, stieß ich hervor. »So etwas würde ich niemals tun!« Schon das zweite Mal heute, dass jemand dachte, ich wäre ein Junkie! Sah ich wirklich so miesaus?

»Das ist gut, meinKind.«

Der Verkäufer reichte mir das Pizzastück und dieCola.

»Gehst du zur Schule?« Lächelnd beobachtete meine Wohltäterin, wie ich das Essen in Sekundenschnelle verschlang und die Cola gierig hinterherschüttete.

Ich nickte als Antwort mit vollem Mund und musste ein Rülpsen unterdrücken. »Mhm!«, bestätigteich.

Sie schien zufrieden. »Da hat aber jemand wirklich Hunger, nicht wahr? Noch ein Stück?«

Es gelang mir einfach nicht, der Höflichkeit halber ›Nein‹ zu sagen, und als ich mich nicht wehrte, bestellte sie kurzerhand das Gleiche noch einmal.

Schließlich leckte ich mir satt über die Lippen und grinste zufrieden. »Das war lecker! Danke!«

»Es war mir ein Vergnügen.« Sie lächelte gütig. »Weißt du, dass es Wohngruppen für Jugendliche gibt, die – egal aus welchen Gründen – nicht zu Hause bleiben können?«

»Nein!«, antwortete ich überrascht. Ich hatte gedacht, ich würde in ein Heim am anderen Ende Pennsylvanias gesteckt werden und müsste fort aus Brookville, wenn ich mich weigerte, bei meinem Vater zu leben. Das könnte die Lösung für mich sein! Dann würde ich sogar auf meiner Schule bleiben können.

»Meine Tochter arbeitet in solch einer Einrichtung, ich möchte dir gerne ihre Telefonnummer geben.« Die fremde Dame holte einen Kugelschreiber und einen alten Einkaufszettel aus ihrer Handtasche und notierte auf dessen Rückseite eine Nummer. »Versprich mir, dass du sie anrufen wirst!«, sagte sie und steckte mir, zusätzlich zu dem Zettel, noch einen Zehnerzu.

»Ich werde anrufen!«, stieß ich hervor. »Danke!« Mehr konnte ich nicht sagen, weil meine Kehle plötzlich so engwar.

»Dann werde ich von dir hören, Kindchen. Bis bald und allesGute!«

Sie winkte und ging davon, während ich begann, mein mühsam Erbetteltes zu zählen. Jetzt würde es für den Einkauf reichen. Zufrieden betrat ich den Discounter. Mittlerweile ging bereits die Sonne unter. Mir schauderte ein wenig bei dem Gedanken, gleich in das verfallene Haus zurückkehren zu müssen, denn ein paar der verkleideten Gestalten, die die Straßen immer zahlreicher bevölkerten, sahen wirklich gruseligaus.

Bedächtig legte ich Brot, Äpfel, Käse, Seife, Haarwaschmittel und Waschpulver in meinenKorb.

Als ich eben nach einem Deodorant griff, ließ mich eine tiefe Männerstimme direkt hinter mir zusammenzucken. »Da hatte ich also recht, dass du nichts stehlen würdest.«

Erschrocken fuhr ich herum und musterte den Fremden vor mir argwöhnisch.

Er war bestimmt einen ganzen Kopf größer als ich, sodass ich zu ihm aufsehen musste, und trug einen langen, dunklen Mantel und halbhohe Stiefel. Nachtschwarz glänzende Haare, die einen Hauch zu lang waren, umspielten seinen Kopf. Ich blinzelte nervös, denn er sah aus wie die etwas ältere Version des männlichen Hauptdarstellers eines Highschool-Liebesfilms.

Der Typ war heiß. Verdammt heiß! Er sah sogar noch besser aus als Lucas. Die Frauen mussten ihm zu Füßen liegen.

»Herzen kann man stehlen!«, entfuhr es mir zusammenhanglos.

Ella, reiß dich zusammen, ermahnte ich mich, aber ich konnte nicht anders als ihn anzustarren, denn er war die Sorte Mann, die einem nachts sehnsüchtige Träume bescherte …

Er war so perfekt, dass er seinen Lebensunterhalt problemlos als Model hätte verdienen können. In Gedanken sah ich ihn auf einem Zeitschriftencover nur mit Designerunterwäsche bekleidet. Ich schluckte und schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben.

Als Gott diesen Mann erschuf, hatte er angeben wollen, so viel standfest.

Das Faszinierendste jedoch waren seine leuchtenden Augen, die von langen dunklen Wimpern gerahmt wurden. Sie mussten blau sein, aber es wirkte eher, als wären sie aus schimmerndemEis.

Mir kam der Vampir aus einem meiner Romane in den Sinn. Der war auch überirdisch schön gewesen, und seine Augen hatten sogar die Farbe gewechselt.

Wie gebannt schaute ich den Mann an, bis mir klar wurde, dass er Halloween-Kontaktlinsen tragen musste. Niemand hatte solche Augen.

Der Fremde musterte mich abschätzig. »Herzen …«, echote er, als hielte er mich für schwachsinnig.

Und irgendwie kam ich mir auch so vor, während ich angesichts dieses Prachtexemplars um Worterang.

»Äh, ich wollte sagen, dass ich noch nie in meinem Leben gestohlen habe!«, stotterte ich. War er etwa der Ladendetektiv und hatte mich vorhin schon beobachtet?

»Gut.« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um undging.

Verwirrt blickte ich ihm hinterher. Warum hatte er mich angesprochen? Der Typ war echt unheimlich, und ich war froh, dass er wegwar.

Auf dem Heimweg kamen mir in der Dunkelheit zwei Jugendliche entgegen, die sich als Vampir und Zombie verkleidet hatten. Der eine hatte eine klaffende Wunde im Gesicht, deren blutrote Farbe verblüffend echt wirkte. Sie rannten an mir vorbei, da es zu regnen begonnen hatte, und wünschten mir ein fröhliches Halloweenfest. Mit einem Anflug von Neid grüßte ich zurück und eilte weiter.

Nachdem die beiden in einem dunklen Hauseingang verschwunden waren, befand sich außer mir niemand mehr auf der Straße. Nur aus den hell erleuchteten Fenstern, die bizarre Lichtflecken auf den Gehweg warfen, drangen Gelächter und Musik heraus.

Obwohl weit und breit niemand zu sehen war, meinte ich, hinter mir Schritte zu hören. Doch jedes Mal, wenn ich stehen blieb und mich umschaute, verstummte das Geräusch. Wieder hatte ich das beklemmende Gefühl, beobachtet zu werden. Mit klopfendem Herzen stapfte ich schneller den Berg hinauf und wischte mir fahrig mit dem Ärmel über das regennasse Gesicht.

Als ich endlich die Auffahrt zu dem verlassenen Haus erreichte, bemerkte ich auf der Anhöhe wieder diesen eigenartigen Schatten, der wie eine menschliche Gestalt wirkte.

Es sind nur Büsche, beruhigte ich mich. Sei kein Angsthase, Ella Bowen! Wer würde sich zwei Tage hintereinander an den gleichen Platz stellen, noch dazu, wo es mittlerweile in Strömengoss?

Da – eben hatte sich etwas bewegt!

Mit vor Furcht rebellierendem Magen hetzte ich zum Haus. Erst als ich die Tür hinter mir geschlossen, verriegelt und den gusseisernen Tisch davorgeschoben hatte, beruhigte sich mein Herzschlag.

Nachdem ich die Laterne entzündet hatte, zog ich mein nasses Zeug bis auf die Sneakers aus, das Schlafshirt über und wusch erst einmal alle meine Oberteile in einem Eimer. Sie würden morgen noch feucht sein, also musste ich so früh wie möglich zur Schule gehen und den Händetrockner in der Toilette benutzen, um sie trocken zu föhnen.

Nach dem Unterricht würde ich gleich die Tochter der netten alten Dame anrufen. Vielleicht würde ich dann bald in eine fröhliche WG einziehen, in der es genug zu essen, fließend Wasser und eine Heizung gab, und konnte meinen Schulabschluss machen, ohne zurück zu meinem Vater zu müssen.

Draußen peitschte der Sturm den Regen gegen die Spanplatten, mit denen die Fenster vernagelt worden waren, und trieb feuchte Kälte in das marodeHaus.

Als ich gerade gedankenversunken mein schwarzes Lieblingsshirt mit der Aufschrift Ach wie gut, dass niemand weiß, auf wen & was ich alles scheiß wusch, war auf einmal ein lautes Geräusch von der Tür her zu hören. Da war jemand! Entsetzt sprang ich auf und starrte zur Tür. Meine Beine zitterten. 

Einen Augenblick lang war alles still. Dann dröhnte ein lautes Krachen durch das gesamteHaus.

Jemand rammte mit solcher Wucht gegen die Tür, dass der schwere Beistelltisch mit ohrenbetäubendem Knall auf der Seite landete und quer durch den Flur rutschte. Die Flamme der Laterne flackerte vom Luftzug, und im nächsten Moment füllte eine hochgewachsene Männergestalt den Türrahmenaus.

»Was wollen Sie?«, stieß ich mit bebender Stimme hervor, während mein Herzschlag wie ein Presslufthammer dröhnte.

Gehörte er zu den neuen Hausbesitzern und wollte einfach nur nach dem Rechten sehen? War er ebenfalls ein Obdachloser, der eine Bleibe benötigte? Oder … war er jemand, der ein wehrloses Opfer suchte? Ein Räuber? Vergewaltiger? Vielleicht sogar ein Mörder?!

Zitternd versuchte ich, im schwachen Laternenschein das Gesicht des Fremden zu erkennen.

»So allein in diesem Haus?«, fragte er mit gefährlich ruhiger Stimme, die mir ein Schaudern über den Rücken jagte.

»Quatsch, ich bin nicht allein!«, log ich verzweifelt. »Meine Freunde müssen jeden Moment zurückkommen. Wir wollten hier unsere Halloweenparty feiern, weil es so schön gruseligist!«

»Freunde?« Er lachte gehässig. »Komisch, die habe ich hier noch nicht gesehen! Wo waren sie denn in den letzten Tagen?« Mit raubtierhafter Geschmeidigkeit trat er näher. »Nein. Niemand wird kommen, um dir zu helfen«, verkündete er mit grausamer Gelassenheit.

Er war es, der mich auf dem Heimweg beobachtet hatte! Es traf mich wie ein Blitzschlag.

Erfüllt von blankem Entsetzen wollte ich fliehen, doch ich kam nicht einmal bis zum Türrahmen, da hatte er mich bereits am Shirt gepackt. Ein schmerzhafter Ruck am Hals stoppte mich. Ich taumelte mit dem Rücken gegen seine massive Gestalt und wäre gestürzt, wenn er mich nicht immer noch festgehalten hätte. Ein ersticktes Schluchzen entfuhr mir, als mir klar wurde, dass ich gegen ihn keine Chance hatte.

Höhnisch lachend hob er die Hand und berührte mich mit den Fingern leicht an der Schläfe. Etwas, das sich wie ein elektrischer Schlag anfühlte, ließ mich erzittern. Und während mir noch durch den Kopf schoss, dass mir sein Duft bekannt vorkam, knickten meine Beine wie Strohhalme unter mir weg. Alles drehte sich vor meinen Augen, und es gelang mir nicht mehr, mit ihnen einen Punkt zu fixieren.

Weder mein Körper noch mein Kopf gehorchtenmir.

Ich hörte Worte, die ich nicht verstand. »Ganz ruhig, ich werde dir nicht wehtun.«

Hände hielten mich unter den Achseln. Arme hoben mich hoch, als wäre ich leicht wie eine Feder.

Eine helle Stimme, die leise wimmerte. War das meine?

Ich wusste, dass ich mich wehren müsste, es wenigstens versuchen sollte, aber ich war wie gelähmt.

Wilde Muster rasten auf michzu.

Dann wurde mir schwarz vor Augen.

(Alb-)Traum auf zwei Beinen

Ah«, stöhnte ich gepeinigt, als ich langsam wieder zu mir kam, und rieb mir die schmerzende Stirn. Ein modriger Geschmack lag auf meiner Zunge, und ich fühlte mich zutiefst elend. Als ich mühsam die Augen aufschlug, erblickte ich über mir eine dunkle Holzdecke.

Eine dunkle Holzdecke? Wo kam die denn her? Wo war ich? Und was, um Himmels willen, war passiert?

Nur langsam kehrte die Erinnerung zurück. Ich war in der Hausruine gewesen, hatte gerade meine Wäsche geschrubbt und … Scheiße! Der fremde Mann! Mit einem Schlag war alles wieder da. Was hatte er mit mir gemacht?! Zischend sog ich den Atem ein. War ich überhaupt noch in Brookville? Panisch wollte ich aufspringen, doch ein heftiger Schwindel erfasste mich, sodass ich zurückfiel – glücklicherweise weich. Das Zimmer drehte sich vor meinen Augen.

Bis auf mein hektisches Keuchen war es totenstill. Krampfhaft zwang ich mich, ruhiger zu atmen. Ein, aus. Und noch einmal. Bloß nicht zu viel nachdenken, sonst würde mich die Panik überrollen.

Nur langsam gelang es mir, den Blick zu fokussieren. Ich lag auf einem Bett in einem Alkoven.

Als ich mich behutsam aufsetzte, stellte ich fest, dass ich immer noch nur mein Schlafshirt und die Sneakers trug. Der schwere goldbraune Vorhang am Bett stand offen, sodass ich das Zimmer überblicken konnte. Außer mir war niemandhier.

Zitternd schaute ich mich um. Es war ein behaglich eingerichteter Raum mit viel dunklem Holz und einer geschmackvoll gemusterten Tapete. Außer dem Bett und einer Schrankwand über eine gesamte Wandfläche gab es einen Sessel, der aussah, als wäre er eine Antiquität, daneben einen Beistelltisch. Auf dem Dielenboden lag ein gemusterter Teppich, an den Wänden hingen mehrere goldgerahmte Landschaftsbilder, und an der Decke glitzerte ein riesiger Kronleuchter mit elektrischen Kerzen. Meine Großmutter wäre entzückt gewesen, denn die gesamte Einrichtung erinnerte an ihre Lieblingsfilme, die auf alten Landsitzen spielten.

Warum zur Hölle befand ich mich in diesem Zimmer, das aussah, als sollte man sich darin wohlfühlen?

Mühsam stand ich auf und stützte mich am Schrank ab, denn immer noch drehte sich alles um mich. Mir war übel, als hätte ich zu viel Alkohol getrunken. Vorsichtig ging ich zum Fenster und schaute hinaus.

Ich befand mich im ersten Stock eines Hauses. Draußen stand die Sonne tief am Himmel und beschien einen sorgfältig gepflegten Garten, nein, es war eher ein Park, denn ich konnte weit und breit keine Begrenzung erkennen. Wie lange war ich ohnmächtig gewesen, wenn es jetzt bereits Nachmittagwar?

Egal, wie elend ich mich fühlte, ich musste hier sofort raus! Wer konnte schon sagen, wann der Fremde zurückkehren würde und was er dann mit mir vorhatte?!

Ich öffnete die beiden Fensterflügel und spähte hinunter. Wenn ich mich weit hinauslehnte, konnte ich einen der Zweige des Baumes neben dem Haus erreichen. Die sahen eigentlich ganz stabil aus, auch wenn der Herbstwind sie kräftig durchrüttelte. Durchs Haus die Flucht zu wagen, wäre dumm, denn irgendwo dort würde sich der Entführer herumtreiben.

Ungelenk kletterte ich auf das Fensterbrett, hielt mich am Rahmen fest und lehnte mich so weit es ging hinaus. Scheiße, war das kalt hier oben im Nachthemd! Wackelig schob ich mich noch ein Stück weiter und ergriff den nächsten Ast, der mir recht stabil erschien. Probehalber rüttelte ich daran.

Was waren schon meine Alternativen? Lieber riskierte ich ein paar Prellungen, als hier hilflos abzuwarten, was als Nächstes geschehen würde.

Was wollte der Fremde von mir? Warum hatte er mich entführt? War er jemand, der anderen gerne Schmerzen zufügte? Wollte er Lösegeld? Oder Schlimmeres?!

Ich musste so schnell wie möglichweg!

Es kostete mich all meinen Mut, den Ast zu packen und mich nach draußen zu schwingen. Er krachte bedrohlich unter meinem Gewicht. Gerade noch konnte ich einen kräftigeren Ast ergreifen, bevor der erste vollständig abbrach.

Keuchend saß ich nun im Baum und rieb mir meine aufgeschürften Knie. Verdammt, tat dasweh!

Mit zusammengebissenen Zähnen kletterte ich hinab. Das letzte Stück musste ich mich fallen lassen, und dann endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen. Mein Herzschlag hätte jedes Messgerät gesprengt.

Hektisch sah ich mich um. Das Gebäude, dem ich eben entkommen war, war eine große, düstere Jugendstilvilla. So schnell ich konnte, rannte ich durch den Garten auf den angrenzenden Waldzu.

Zwar war da noch ein anderes Häuschen, nahe bei der Villa, aber dort wollte ich nicht hin. Bei meinem Glück wohnte da jemand, der mit dem Hausherrn verwandt war oder für ihn arbeitete, und ich konnte nicht riskieren, seinen Handlangern in die Fänge zu geraten.

Mein Atem ging keuchend, und meine Beine flogen nur so dahin.

Ich hetzte durch das herbstfeuchte Unterholz und betete, dass meine Flucht noch nicht bemerkt wordenwar.

Irgendwann sah ich in der Ferne grauen Stein durch die Bäume blitzen und hielt hoffnungsvoll darauf zu. Aber als ich näher kam, erkannte ich, dass es eine Mauer war. Eine unüberwindbar hohe Mauer – oben zusätzlich gesichert durch Draht.

Verzweifelt folgte ich ihrem Verlauf und hatte schließlich, als ich eine ganze Weile später erneut die baumgesäumte Auffahrt zu der Villa erblickte, traurige Gewissheit: Die Mauer umschloss das gesamte Grundstück. Mittlerweile hatte es zu dämmern begonnen.

Aber noch war nicht alles verloren, denn ein mächtiges, verschnörkeltes Eisentor befand sich links von mir am Ende der Allee aus alten, knorrigen Bäumen. Erneut schöpfte ich Hoffnung. Nicht einmal Stromleitungen oder Stacheldrähte waren zu sehen.

Wenn ich es schaffte, darüberzuklettern, war ich frei. Ich rannte los. Jede Sekunde, die ich vertrödelte, konnte mein Verderbensein.

Es hätte mich stutzig machen müssen, dass das Tor nicht besser gesichert war. Wer würde solch eine unüberwindbare Mauer um ein Grundstück ziehen und dann das Tor vergessen? Aber auf welche Art das Tor gesichert war, hätte ich mir nicht im Traum vorstellen können.

Und es war auch wirklich zu verrückt, denn kaum hatte ich die Auffahrt von der Seite her betreten, schnellte einer der Alleebäume direkt vor mir herunter. Bumm! Wie eine Fliegenklatsche knallte er mit voller Wucht so dicht vor mir auf die Erde, dass einer der Zweige meine Wange streifte und einen schmerzhaften Kratzer hinterließ.

Zu Tode erschrocken, sprang ich zurück.

Was zum Teufel war das? Wenn ich auch nur einen Schritt weiter gewesen wäre, hätte er mich mit voller Kraft erwischt!

Verwirrt schaute ich den Baum an, der sich sofort wieder aufgerichtet hatte. Das konnte nicht sein! Ich musste mich getäuscht haben. Um sich schlagende Gewächse gab es in Fantasyromanen, aber doch nicht in Wirklichkeit!

Noch einmal tastete ich mich vor, und sogleich schnellte der Baum erneut auf die Erde, als wäre sein Stamm aus Gummi.

Tränen der Verzweiflung brannten in meinen Augen. Es hätte so leicht sein können. Und jetzt sollte meine Flucht an einem beschissenen knorrigen Baum scheitern?

Vielleicht war es nicht auf der gesamten Allee so, und ich konnte auf der anderen Seite hindurch? Ich hob einen Stein auf und warf ihn zum Test mitten auf die Auffahrt.

Rums! Diesmal klatschten von beiden Wegseiten Bäume herab.

In einer anderen Situation hätte ich vermutlich applaudiert, denn das hier war wirklich phänomenal.

Noch einmal versuchte ich es, diesmal an einer anderen Stelle, und stellte fest: Die Bäume konnten sogar zielen!

Ich startete einen letzten Versuch und warf einen Stein direkt gegen das Tor. Vielleicht befanden sich die auslösenden Kontakte nur auf demWeg?

Diesmal krachten die beiden letzten Bäume so kompromisslos gegen das Tor, dass es ohrenbetäubend schepperte.

»Ich sehe, du hast Spaß mit meinen Hainbuchen«, ertönte gleich darauf eine amüsierte Männerstimme direkt hintermir.

Mit einem Aufschrei fuhr ich herum und streckte die Hände abwehrend vonmir.

Aber als ich sah, wer da stand, sanken sie hilflos herab.

Er war es. Das heiße Unterwäschemodel aus dem Supermarkt. Er war mein Entführer!

Ich schätzte ihn auf etwa fünfundzwanzig Jahre. Sein unwiderstehlicher Duft und der Blick seiner merkwürdig intensiv blauen Augen, der unverwandt auf mir lag, schädigten meinen Verstand nachhaltig.

»Alles gesehen?«, fragte der Fremde grimmig. »Dann kannst du deinen Mund wieder schließen.« Er verdrehte die Augen, woraufhin ich feuerrot anlief.

Mir war noch nie zuvor ein Mann begegnet, der so viel Macht, Arroganz und Gefahr zugleich ausstrahlte.

»Der … Vampir!«, stammelte ich fassungslos.

Er hob die Augenbrauen, als wäre ich ein kleines Kind, das sich ausgesprochen lächerlich benahm. »Nein. Kein Vampir.«

Natürlich nicht. Das war mir auch klar, aber mein Hirn verweigerte leider jegliche konstruktive Zusammenarbeit mit meinem Sprachzentrum.

»Sie … Sie haben mich … entführt!«, stieß ich zittrig hervor, während er mich weiterhin abwartend musterte. Ich musste mich zwingen, ein- und auszuatmen.

»Korrekt.«

Ohne nachzudenken, holte ich aus, um ihm mit voller Wucht zwischen die Beine zu treten.

Wie er es schaffte, auszuweichen und meinen Fuß auf halbem Wege abzufangen, war mir schleierhaft, denn in meiner Panik war ich wirklich schnell gewesen. Aber als ich auf einem Bein herumhüpfen musste, um das Gleichgewicht zu halten, merkte ich, dass ich etwas sehr Dummes getan hatte. Schraubstockartig hielt er meinen Knöchel gepackt. Es brannte an der Berührungsstelle.

»Hören Sie auf!«, schrie ich und schlug nach ihm, woraufhin er mich mit einem verächtlichen Lachen losließ.

Keuchend stand ich vor ihm und fühlte mich hilflos. Ich war auf diesem beschissenen Grundstück gefangen, und es gab offensichtlich niemanden, der mir hätte zu Hilfe kommen können.

»Warum haben Sie mich entführt?«, krächzteich.

»Weil ich dich brauche«, entgegnete er, als wäre damit allesklar.

Er brauchte mich?! Instinktiv trat ich einen Schritt zurück. Wie meinte er das? Wollte er mich tatsächlich vergewaltigen?

»Nein!« In Panik wirbelte ich herum und floh Richtung Wald. Lief so schnell wie noch nie zuvor in meinem Leben. Als ich mich umsah, konnte ich ihn nicht entdecken. Trotzdem hetzte ich weiter, rannte und rannte. Zweige schlugen mir ins Gesicht, Steine ließen mich straucheln, bis ich ein besonders dichtes Gebüsch entdeckte und zitternd hineinkroch. Hier würde er mich so rasch nicht finden können. Mittlerweile hatten sich etliche weitere Kratzer zu meiner bisherigen Ausbeute hinzugesellt.

»Verdammt, verdammt, verdammt!«, wimmerte ich tonlos.

Was hätten die Heldinnen meiner Bücher an meiner Stelle getan? Bestimmt hätten die eine glänzende Idee gehabt und sich geschickt aus der Affäre gezogen. Aber in meinem Schädel herrschte leider nur gähnende Leere. Mein Herz wummerte und drohte, die Brust zu zersprengen.

»Denkst du nicht, wir haben jetzt genug Fangen gespielt?«, ertönte in diesem Moment die spöttische Stimme des Fremden und ließ mich vor Schreck schrill aufschreien. Er musste direkt neben dem Gebüsch stehen. Wie hatte er mich so rasch entdeckt? »Es ist ein wenig kindisch, findeich.«

Ich schluchzte laut auf und kroch rücklings von ihm weg, wie eine Krabbe auf der Flucht, bis mir klar wurde, dass ich genauso gut gleich aufgeben konnte.

Das Spiel waraus.

Krampfhaft unterdrückte ich die Tränen und kam heraus. Mein Bauch fühlte sich an, als hätte jemand mit der Faust hineingeschlagen. Ich hatte keine Chance.

»Wollen Sie mich vergewaltigen?«, flüsterte ich um Atem ringend und starrte dabei auf seine dunklen Stiefelspitzen. Was redete ich denn da? Mein Gehirn konnte nicht vernünftig arbeiten, denn es kostete mich alle Konzentration, nicht an dem Angstkloß in meinem Hals zu ersticken.

Für einen Augenblick herrschte Stille, dann begann er schallend zu lachen. Verstört sah ichauf.

»Dich?!«, höhnte er, als er sich endlich wieder beruhigt hatte. »Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel gesehen?« Er schüttelte sich und trieb mir mit seinen Worten heiße Röte ins Gesicht. »Ich liebe echte Frauen, keine pubertierenden Halbwüchsigen. Frauen mit Schönheit, Grazie und Esprit. Mit dir würde ich nicht mal in einem Bett schlafen, wenn du eine Hämorrhoide an meinem Allerwertesten wärst!«

Okay. Das war deutlich.

Aber war das jetzt gut oder schlecht für mich? Ich rieb mir über die blutigen Kratzer an meinen Armen und blickte ihm verwirrt in die kalten Augen. »Was wollen Sie dann vonmir?«

»Du sollst hier arbeiten. Meiner Freundin unter die Arme greifen, den Haushalt erledigen.«

Erstaunt blinzelte ich. Arbeiten? Ungläubig warf ich einen Blick auf die riesige alte Villa, über der unheilvoll ein Schwarm schwarzer Vögel kreiste. »Weshalb nehmen Sie sich dann keine Angestellten? An Geld scheint es Ihnen ja nicht zu mangeln!«

Er wirkte belustigt. »Zu viele Geheimnisse, die ausgeplaudert werden könnten. Ich habe … nun, sagen wir mal … spezielle Vorlieben.«

Angeekelt verzog ich das Gesicht, denn sofort kamen mir Bilder von gefesselten Frauen und Peitschen in denSinn.

Wie wollte er verhindern, dass ich etwas ausplauderte? Oh … Ich verstand. »Ich soll … für immer hierbleiben?!«, rief ich entsetzt.

»So istes.«

»Aber …«, ich schluckte, »… aber was, wenn ich das nichtwill?«

»Dann muss ich dich töten. Deine Entscheidung. Du wirst dieses Grundstück nicht lebend verlassen.«

Er hatte es so emotionslos dahingesagt, dass ich mir im ersten Moment nicht sicher war, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Der Herbstwind blies sein nachtschwarzes Haar wild durcheinander, während er mich und meine aufgerissenen Augen kalt musterte.

Im Gegensatz zu ihm war ich alles andere als emotionslos. Töten! Der war ja totalirre!

Doch sosehr ich auch danach suchte: Kein Funken Humor war in seinem Gesicht zu erkennen. Der Typ meinte es bitterernst!

Ich schlang die Arme um meinen Bauch, um die innere Kälte zu vertreiben, die bei seinen Worten in mir emporkroch. Meine Körperfunktionen gerieten völlig durcheinander. Abgesehen davon, dass mein Herz raste, rumorte es in meinem Magen.

»Bitte … ich müsste mal …«, begann ich gequält.

»Nein«, fuhr er mich an. »Das musst du allein entscheiden.«

Verständnislos blickte ich ihn an und presste meine Beine zusammen. »Mach ich doch! Bitte. Eseilt!«

»Richtig. Dann sag einfach, wie du dich entschiedenhast.«

»Ich muss aufs Klo!«, brüllte ich ihn an, weil es das Letzte war, was ich gebrauchen konnte, wenn ich mir vor diesem kriminellen Schönling in die Hose machte.

Überrascht blinzelte er. So was war er wohl von seinen Schönheit-, Grazie- und Esprit-Puppen nicht gewohnt. Dann drehte er sich um, bedeutete mir, ihm zu folgen, und ging mit großen Schritten zur Villa, vorbei an Rosenbeeten, einem moosbewachsenen Springbrunnen und steinernen Fabeltierfiguren mit scheußlichen Fratzen.

Die Villa war ein altes Gemäuer aus grauem Stein. Viele Giebel, Erker, Vorsprünge, die hohen Bogenfenster und sogar zwei Türme gaben ihr etwas Schlossartiges. Links und rechts vom Eingang wachten zwei Greife aus Stein. Mir schauderte, als ich in ihre toten Augen blickte, während ich hinter meinem Entführer herhastete.

Er öffnete die massive Eingangstür und bedeutete mir, einzutreten. Es verschlug mir glatt die Sprache, als ich die weitläufige Eingangshalle sah und mich in einen historischen Roman hineinversetzt fühlte. Vertäfelte Wände, antike Möbel, ein riesiger Kronleuchter und eine breit geschwungene Treppe hinauf in den ersten Stock empfingen die Besucher. Sogar eine alte Ritterrüstung stand in derEcke.

Hier setzte sich der Stil des Zimmers, in dem ich aufgewacht war, fort. Das Zimmer, welches – das sickerte langsam in mein überfordertes Hirn – wohl meines sein sollte.

Der Fremde hielt mir eine weitere Tür auf, hinter der sich ein Gäste-WC befand. Mit so viel Abstand wie möglich drückte ich mich an ihm vorbei und verschloss die Tür hektisch mit dem Schlüssel.

Auf dem Klositz brach ich zusammen. Wimmerte hysterisch in meine Faust hinein, damit er es nicht hörte, während ich vor und zurück schaukelte, als könnte ich mich dadurch selbst beruhigen.

In was für einen Horrorstreifen war ich da bloß hineingeraten? War mein Leben nicht schon beschissen genug?!

Ganz fest krallte ich meine Hände ineinander. Bestimmt wollte er mich in Sicherheit wiegen, mir erst Hoffnung machen, um dann zuzusehen, wie sie erlosch, wenn ich begriff, dass er mich doch umbringen würde. Er musste total verrückt sein, wenn er auf den Gedanken kam, mich zu entführen und als Sklavin zu halten.

Ob er mich im Garten verscharren würde, wenn ich nicht spurte? Hatte er da vielleicht schon das Loch ausgehoben, welches mein Grab sein sollte? Ich presste die Hand auf den Mund, um mein Entsetzen daran zu hindern, sich Gehör zu verschaffen. Je länger ich an dieses Loch dachte, desto schlimmer wurdees.

Ich musste mich dem, was draußen auf mich wartete, stellen, sonst würde ich in wenigen Augenblicken durchdrehen. Doch ich durfte ihm nicht zeigen, wie groß meine Angst war, beschloss ich, während ich spülte und mir dann die Hände wusch. Ich musste mich zusammenreißen, durfte mir keine Unachtsamkeit, keinen Fehler leisten, wenn ich aus dieser Sache irgendwie heil herauskommen wollte.

Energisch wischte ich mir mit dem Handrücken die Tränen ab und spritzte Wasser in mein rot verheultes Gesicht.

Okay. Da war dieser finstere Schönling – und da war ich. In jedem meiner geliebten Bücher wäre das der Moment gewesen, wo er sich auf wundersame Weise unsterblich in die Protagonistin hätte verlieben müssen. Doch stattdessen fand er mich potthässlich und verlangte, dass ich als Sklavin für ihn schuften sollte. Andernfalls würde er mich töten. Und vielleicht auch, wenn ich estat.

Tolle Ausgangslage.

Verdammt, ich war ein Mädchen, das mit Typen wie Daniel fertigwurde und auf dem T-Shirt Mein Leben, meine Regeln stehen hatte. Ich würde das irgendwie schaffen. Hoffte ich. Nach einem tiefen Atemzug schloss ich die Türauf.

Im Flur wartete der Fremde immer noch aufmich.

»Okay, Mister«, sagte ich, um hundert Prozent herausfordernder, als ich mich fühlte. »Ich hab ein paar Fragen.« Zum Beispiel, ob Sie sie noch alle beisammenhaben.

Spöttisch hob er die Augenbrauen. »Das war wohl zu befürchten.« Mit einer nachlässigen Handbewegung bedeutete er mir, ihm zu folgen, und ging voraus in ein Wohnzimmer. Nein, das war kein Zimmer, das war ein Saal! In diesen Raum hätte das gesamte Haus meines Vaters hineingepasst.

Was hätte ich jetzt dafür gegeben, stattdessen dort sein zu können. Gegen diesen Typen war mein Vater ein Lämmchen!

Er schaltete eine Stehlampe an und warf anschließend ein paar Holzscheite in das Kaminfeuer, das aufloderte und den Raum in warmgoldenes Licht tauchte. Als er sah, dass ich steif im Türrahmen stand, deutete er auf eines der beiden weinroten Sofas.

Mit geradem Rücken sank ich in die Polster. Er setzte sich mir gegenüber, verschränkte die Arme und musterte mich mit kaltem Blick. Mir wurde unangenehm bewusst, dass ich noch immer im Nachthemdwar.

»Was genau soll ich hier arbeiten?« Zum Glück war das Licht gedämpft. Nervös knetete ich meine Hände.

»Ich erwarte, dass du die Mahlzeiten zubereitest, abwäschst, putzt und die Wäsche machst.« Seine Eisaugen ließen mich nichtlos.

»Diesen ganzen alten Kasten putzen? Das schaff ich niemals alleine!«

Verstohlen sah ich mich um. Allein diesen Raum zu säubern, würde bestimmt Stunden dauern. Vitrinen mit Geschirr, Kommoden mit hübsch arrangierten Stillleben aus Tischlampen, Kerzenleuchtern, Vasen und Nippes darauf, ein Tischchen mit eingelassenem Schachbrett, ein riesiger alter Globus, ja sogar ein Wappen über dem Kamin.

An der Holztäfelung hingen Ölgemälde, die meiner Meinung nach in ein Museum gehörten: edle, kostbar gekleidete Damen, forsche Ritter, Landschaften. Und dann die schweren alten Teppiche, die ich vermutlich gar nicht allein bewegen konnte.

Bei dieser prunkvollen Umgebung fühlte man sich doch gleich wie Aschenputtel im Ballsaal. Aber auf den gruseligen Prinzen hätte ich gern verzichtet.

»Es werden nicht alle Räume bewohnt, und die Gästezimmer müssen nur selten gereinigt werden. Sechs Stunden am Tag wirst du arbeiten, inklusive Vorbereitung von Frühstück und Abendessen. Das ist wohl nicht zu viel verlangt.«

Ein Schnauben entfuhr mir, das ich aufgrund meines Selbsterhaltungstriebs sofort unterdrückte. Nicht zu viel verlangt?! Jede Sekunde, die ich gezwungen wurde, hierzubleiben, war zuviel!

Seine Augen waren bei meinem Schnauben schmal geworden, doch er fuhr ohne Kommentar fort. »Sonntags hast du frei, und nachmittags kannst du tun, wo immer dir der Sinn nach steht, fernsehen, spazieren gehen, lesen oder auch baden. Baden wäre übrigens eine guteIdee.«

Böse funkelte ich ihn an. Wenn er mich nicht entführt hätte, bevor ich in den Genuss der neuen Seife und des Deos gekommen wäre, würde ich auch besser aussehen und riechen und nicht in einem ausgeleierten Schlafshirt vor ihm sitzen.

Aber die Sache mit dem Lesen gefielmir.

»Sie werden mir nicht wehtun und auch sonst nichts von mir verlangen außer diesen Haushälterinnen-Job?«, fragte ich misstrauisch.

»So istes.«

Kritisch beäugte ich ihn, um herauszufinden, ob er log. Ich konnte es beim besten Willen nicht sagen, aber mein Gehirn weigerte sich, die andere Möglichkeit weiter durchzuspielen.

»Bekomm ich Gehalt?« Keine Ahnung, woher ich den Mut zu dieser Frage nahm, aber schon im gleichen Moment fiel mir ein, dass er mir ja nie Gelegenheit geben würde, es auszugeben.