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Im Oberschwaben des Jahres 1819 machen gefährliche Gestalten die Gegend zwischen den ehemaligen Reichsstädten Biberach und Ravensburg unsicher. In diesem unruhigen Jahr fällt die junge Susanna einem der Räuber buchstäblich vor die Füße. Dieser nimmt sie zu seiner Bande mit und schon bald ist Susanna gezwungen, ihr Leben auf Gedeih und Verderb auf der gesetzlosen Seite der Gesellschaft zu fristen. Dabei ist es für Susanna äußerst wichtig, niemandem den wirklichen Grund zu offenbaren, warum sie im Wald unter Räubern lebt. Dieses Geheimnis zu wahren wird immer schwieriger, da der Mann, der sie aufgelesen hat, sie zunehmend fasziniert. Auch dieser lebt allerdings mit einer Fassade, hinter der er sich schon jahrelang versteckt hält. Genau wie Susanna.
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Seitenzahl: 737
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Sabine Maucher
Räuberliebchen
Impressum
Autorin: Sabine Maucher Titel: Räuberliebchen Untertitel: Ein historischer Roman aus der wilden Zeit Oberschwabens Titelbild: (Vorderseite, Rückseite und Buchrücken) „Die Räuberbande des Schwarzen Veri“. Gemälde von Johann Baptist Pflug (Inv. Nr. 11428, Museum Biberach) Umschlaggestaltung: Jochen Baumgärtner, vr Satz und Lektorat: Patrick Schumacher, vr Endkorrektorat: Annett Giebelhausen, vr E-Book-Erstellung: Alwina Schweizer, vr EPUB: ISBN 978-3-89735-010-6
Die Publikation ist auch als gedrucktes Buch erhältlich. 400 S., Broschur. ISBN 978-3-89735-833-1.
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
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1819
Biberach
Im Siechentor, morgens
Karl
Als das erste Morgenlicht sich durch die winzigen Maueröffnungen des Stadtturms hindurchkämpft, regt sich die Frau in meinen Armen und schlägt die Augen auf. Wir liegen beide auf dem nackten Lehmboden, dessen Feuchtigkeit sich während der Nacht bereits in all meinen Knochen festgesetzt hat. Ich trage, wie alle anderen Männer hier, schwere Hand- und Fußeisen. An diesen wurden weitere Ketten befestigt, die in eingeschraubten Ringen an der von Moder feuchten Wand dieses verdammtes Turmes eingehängt wurden. Offensichtlich wollte man bei unserer Unterbringung kein Risiko eingehen. Alles in allem ist dies eine Umgebung, die gesundem Schlaf nicht gerade förderlich ist.
„Du hast die Augen überhaupt nicht zugemacht“, flüstert sie.
„Ich wollte keinen Moment mit dir versäumen. Es war das letzte Mal, dass wir zusammen sind“, antworte ich in der gleichen Lautstärke, um die anderen um uns herum nicht aufzuwecken.
Sie wischt sich entschlossen mit den Resten meines Hemdes die Augen und kriecht höher an mir hinauf. Als sie mein rechtes Ohr erreicht hat, haucht sie hinein. Ihr Atem ist, trotz der klammen Umgebung, angenehm warm und voller Leben. Noch. „Das ist nicht das Ende, das verspreche ich dir“, raunt sie.
„Sie werden bald kommen, um mich zu holen. Wenn ich nicht mehr bei dir bin, wirst du daran denken, dass ich dich sehr liebe? Versprich mir, dass du keine Dummheiten mehr machst und mich gehen lässt. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn sie dir meinetwegen noch einmal etwas antäten.“
Als sie meinen erstaunten Gesichtsausdruck sieht, streichelt sie meine geschundene Schläfe. „Das machen sie immer so“, erklärt sie mir. „Sie holen sich immer erst die Frauen, um sie über ihre Männer auszuhorchen. Sie denken, dass die Frauen die schwächsten Glieder der Kette sind, die sie zerbrechen möchten.“
„Ich kann das nicht zulassen“, widerspreche ich. „Ich werde mich anbieten, an deiner Stelle …“ Bei dem Gedanken, was sie ihr antun könnten, während ich hier sitze, festgekettet wie ein Hund steigt zusätzliche Panik in mir auf.
Sie schüttelt ihren Kopf mit den zerzausten Löckchen. „Das wäre in meinem Fall vollkommen zwecklos, glaube mir. Halte du nur durch, bis wir uns wiedersehen, denn das werden wir ganz bestimmt.“
„Was meinst du damit“, flüstere ich. Mir kommt ein schrecklicher Gedanke. „Du meinst doch nicht … etwa im Jenseits?“
„Nein“, antwortet sie entschieden, „das meinte ich damit nicht.“
Sie versucht sich aufzurichten, wird aber durch meine Fesseln daran gehindert.
„Wenn du so gut sein würdest“, murmelt sie. Ich hebe meine Arme und sie schlüpft unter meiner Handfessel hindurch. Sofort ist mir, als würde ein Teil von mir fehlen. Sie richtet sich auf und dehnt ihr Rückgrat, wie ich es viele Male im Wald gesehen habe. Dabei stemmt sie die Hände in die untere Hälfte ihres Rückens und drückt ihren Busen in dem mittlerweile vollkommen verschlissenen und eindeutig zu engen Mieder ansprechend nach oben. Sie bückt sich und berührt mit den Händen ihre Fußspitzen.
„Was für eine schöne Vorstellung“, sagt Baste, Sebastian Kellermann, den sie neben mir angekettet haben. „Damit solltest du im Zirkus auftreten.“
„Behalte deine schmutzigen Gedanken für dich“, antwortet Anna und grinst.
Nur wenig später kommen tatsächlich zwei Polizisten, um sie abzuholen. Als der eine, vom Typ her ein bulliger Schlachtermeister, sie am Arm packt, faucht sie ihn an: „Nimm sofort deine Pratze von mir.“
Unwillkürlich mache ich einen Schritt nach vorne, werde aber durch die Fußkette sofort an der Bewegung gehindert.
„Und wenn nicht, was dann?“, fragt der Metzger und leckt sich genüsslich die Lippen.
Daraufhin richtet sie sich zu ihrer vollen Größe auf und reicht ihm damit gerade bis vor die Brust.
„Dann wirst du das bitter bereuen“, antwortet sie mit ihrer eiskalten Stimme. Diese kenne ich mittlerweile zwar schon gut, aber sie nötigt jedesmal erneut Respekt ab.
Etwas davon scheint auch bei dem Schlachtermeister anzukommen, denn er lässt ihren Arm los.
Schon auf dem Weg zur Tür, wendet sie sich noch einmal um und sieht meinen Gesichtsausdruck.
„Bitte“, sagt sie zu dem zweiten Mann, der jung und anständig aussieht. „Ich möchte mich nur schnell verabschieden.“
Als dieser nickt, kommt sie zu mir zurückgelaufen und schlingt ihre Arme um meinen Hals. Sie küsst mich lange und süß.
„Ich bereue nichts“, sagt sie mir sehr leise ins Ohr. Sie löst sich von mir und geht sehr aufrecht zwischen ihren Bewachern zur Tür.
Ich kann hören, wie sie die steile Treppe hinuntersteigen, und als unten die schwere Außentür des Turms zuschlägt, ist mir klar, dass sie sie endgültig wegbringen. Weg von diesem Turm und weg von mir. Als ich zu einer der Schießscharten kriechen will, um wenigstens einen allerletzten Blick auf sie werfen zu können, werde ich schon wieder von meiner Fußfessel daran gehindert. Darüber außer mir, versuche ich immer wieder, diese aus der Wand zu stemmen, was mir aber natürlich nicht gelingen will.
Ich komme zu mir, als ich die Gesichter von Baste und Jerg erkenne, die mich festhalten.
„Loslassen, ich muss unbedingt …“, keuche ich.
„Mann“, brummelt Baste, „das bringt doch nichts. Du schadest dir damit nur selbst, siehst du“, und damit zeigt er auf meinen Knöchel, wo unter dem Eisen bereits das Blut hervorrinnt.
Baste hat natürlich Recht.
Während ich mit dem Rücken an der klammen Wand unseres Gefängnisses kauere, bin ich froh darüber, denn das lenkt mich wenigstens etwas von meinem inneren Schmerz ab, unter dem ich inzwischen das Gefühl habe, zu zerreißen.
Susanna
Nachdem mich die beiden Polizisten in der Wachstube abgeliefert haben, nehmen sie an der Tür Aufstellung. Onkel will offenbar den amtlichen Weg einhalten. Er wird wohl sehr böse mit mir sein. Leider nicht ganz zu Unrecht, wie ich mir eingestehen muss. Das erkenne ich auch an der Tatsache, dass die beiden Wachen ganz offensichtlich nicht eingeweiht sind und mich beäugen, als könnte ich im nächsten Moment durchs Fenster davonfliegen. Nach der Nacht im Turm fühle ich mich noch schmutziger und erschöpfter als sonst, und das obwohl ich einige Zeit in Karls Armen geschlafen habe.
Oh, Gott, Karl!
Ich hoffe nur, er wird irgendwann in der Lage sein, mir das Ganze hier zu verzeihen. Sein Gesichtsausdruck, als ich gegangen bin, und er dachte, sie würden mir etwas antun, war schon wieder so voller Liebe und Verzweiflung, dass es meine ganze, nicht unerhebliche Willenskraft brauchte, ihn zu verlassen. Ich werde mir sehr viel Mühe geben, wenn ich ihn um Verzeihung bitte.
Schließlich habe ich ihn verraten und belogen, was bei seinem Stolz keine kleine Sache ist. Ich werde mich sehr anstrengen, aber es wird nicht leicht werden. Bei der Vorstellung, welche Form diese Anstrengungen annehmen könnten, wird mir schwindelig.
Ich stolpere zu einem der unbequemen Holzstühle und setze mich seufzend hin.
Kurz darauf wird es im Gang unruhig und die Wachsoldaten nehmen Haltung an.
Onkel betritt die Stube. Er befiehlt: „Ihr könnt gehen.“
„Aber Euer Gnaden“, entgegnet der Jüngere von ihnen, er ist derjenige, der mich hat Abschied nehmen lassen. „Es ist Vorschrift, das bei dem Verhör von weiblichen Delinquenten immer mindestens ein Zeuge dabei ist, wegen, Ihr wisst schon, wegen …“ Dabei errötet er bis unter die Wurzeln seiner blonden Haare, die er im Nacken ordentlich zu einem kurzen Zopf gebunden hat.
Ganz offensichtlich ist hier jemand, der noch nicht völlig verroht ist, wenn er sich um ein Häuflein Elend wie mich Sorgen macht. Ich mustere ihn unauffällig unter gesenkten Lidern. Er ist ungefähr in meinem Alter, mittelgroß mit regelmäßigen Gesichtszügen, blauäugig und hellhäutig. Sein fetter Kollege jedenfalls grinst schon wieder lüstern zu mir herüber.
Scheinbar verlegen schaue ich auf meine Fingernägel. Dabei stelle ich fest, das drei davon abgebrochen sind, und sich unter allen anderen der Waldboden der letzten Wochen angesammelt hat. Wenn wir hier fertig sind, werde ich zu Hause zuerst einmal ein wirklich langes Bad nehmen.
Auch Onkel schaut überrascht.
„Wie ist dein Name, Soldat?“, fragt er.
„Joseph Epple, Euer Gnaden“, antwortet der Junge.
„Nun, Joseph Epple“, meint Onkel. „Ich werde mir deinen Namen merken. Es ist gut zu wissen, dass wenigstens einer meiner Leute die Grenzen kennt, die sein Beruf ihm auferlegt. Aber ich kann dich beruhigen, dem Frauenzimmer hier droht von meiner Seite nicht die geringste Gefahr. Daher könnt ihr jetzt beide trotzdem gehen.“
Er nickt zur Tür hinüber. Als diese sich geschlossen hat, wendet er sich mir zu. Er mustert mich.
„Ich bin sehr wütend“, meint er und sieht auch so drein. „Wie konntest du nur schon wieder ausreißen? Und dass meine Mutter das auch noch unterstützt hat! Es ist mir sowieso rätselhaft, wie Vater es mit euch allen aushält. Der arme Mann wird schließlich auch nicht jünger!“
Ich bemühe mich, so reumütig wie möglich drein zu sehen. – Und sage nichts.
„Du brauchst gar nicht so bußfertig zu gucken“, fährt er in seinem strengsten Ton fort. „Das mag vielleicht bei deiner Großmutter Wirkung zeigen, aber ich falle nicht darauf herein.“
Dann stützt er seinen Kopf auf die unter dem Kinn gefalteten Hände. „Du kannst jetzt mit deinem Bericht loslegen. Ich bin ganz Ohr. Ich rate dir allerdings, dir damit Mühe zu geben.“
Wieder lasse ich mir mit meiner Antwort Zeit.
„Ja nun, sie sind alle Räuber und Mordbrenner. Bis auf einen“, sage ich nach einer Weile.
„Du meinst wohl den dunkelhaarigen Halbwilden, der sich der Festnahme widersetzt hat?“, antwortet er und kann jetzt, zu meiner ungeheuren Erleichterung, ein Grinsen nicht mehr ganz unterdrücken. „Erzähl mir mehr von ihm.“
Ich beuge mich leicht nach vorne, um ihm einen guten Einblick in die Reste meines Korsetts zu ermöglichen. Als ich sehe, wie Onkels Blick unwillkürlich nach unten wandert, beginne ich, Mut zu fassen. Die Männer sind doch alle gleich! Ich hole tief Atem und stelle meine Bedingungen.
„Wie um alles in der Welt kommst du nur darauf, dass ich auf deinen verrückten Plan eingehe?“, ruft er. Er mustert mich eingehend. „Vielleicht brauche ich deine Aussage ja gar nicht. Wir werden alle Gefangenen schließlich noch ausgiebig befragen.“
„Das wäre ohne mein Zutun ja gar nicht möglich“, entgegne ich. „Durch mich hast du schließlich erst die wirklich großen Fische an die Angel bekommen. Karl Stetter hat niemals irgendjemandem etwas angetan, im Gegenteil. Hätte er mich nicht beschützt, dann …“
Ich breche ab. Ich werde Onkel ganz sicher nicht alles erzählen, was passiert ist. Ich spüre, wie ich rot werde.
„Dieser Kerl scheint dir ja richtig viel zu bedeuten, wenn du dafür die schweren Geschütze auffährst“, antwortet er. Dabei wirft er noch einmal einen vielsagenden Blick in meinen Ausschnitt.
Ich werde röter, ich kann bereits spüren, wie meine Ohrläppchen anfangen, zu brennen.
„Soll ich deiner Mutter erzählen, dass du dich mit einem Vaganten eingelassen hast?“, fragt mein Onkel im Plauderton.
„Was du nur immer meinst“, antworte ich steif vor Schrecken, als ich mir die Reaktion meiner Mutter auf diese Eröffnung hin vorstelle, „wenn das hier vorbei ist, werde ich ihn höchstwahrscheinlich niemals wiedersehen. Ich bitte dich daher nochmals, ihn freizulassen. Gleichgültig was er bei dem Verhör antworten wird. Du könntest es als Entlohnung für meine Bemühungen ansehen.“
„Hmm“, meint er und wirft mir jetzt einen seiner Adlerblicke zu.
„Ich werde sehen, was ich tun kann. Schließlich hast du diesmal eine Menge riskiert.“
Das ist so gut wie ein Zugeständnis. Ich stehe auf und küsse ihn auf die Wange. „Ich danke dir sehr“, murmele ich unterhalb seines rechten Ohres. „Leider ist da noch etwas.“
„Das dachte ich mir schon“, seufzt er. „Diese zärtlichen Zuwendungen gibt es bei dir leider niemals umsonst. Was noch?“
„Du hast ja wohl das Mädchen gesehen, das hochschwanger ist. Die Kleine ist erst siebzehn und ihr einziges Verbrechen besteht darin, dass sie versucht hat, sich und ihr Ungeborenes am Leben zu erhalten. Wenn man sie ins Gefängnis oder ins Arbeitshaus steckt, wird sie das ganz sicher umbringen, ausgehungert wie sie ist. Wenn man ihr allerdings die Möglichkeit bieten würde, sich und ihr Kind auf ehrliche Weise durch zubringen, bin ich überzeugt, dass sie es schaffen wird. Ich wünsche, dass sie sofort aus diesem nassen Loch da oben herauskommt.“
„Ich werde mit deiner Großmutter darüber sprechen“, antwortet er. „Sie oder eine ihrer Freundinnen können da bestimmt helfen.“
Dann sieht er mich streng an. „Aber ich mache keine weiteren Zugeständnisse. Gegen alle anderen wird es zum Prozess kommen.“
„Selbstverständlich“, murmele ich. „Darum ging ja das Ganze.“
Karl
Am Nachmittag desselben Tages, kommen die Wachen zurück. Ich bin inzwischen über Empfindungen wie Hunger, Durst oder Erschöpfung weit hinaus. Die Verzweiflung Anna verloren zu haben, erfüllt jede Pore in meiner Haut und jeden Gedanken in mir. Bei der Vorstellung, was gerade mit ihr geschieht, während ich hier hilflos wie ein Hund angekettet bin, versuchte ich mehrmals durch die Wand des Turmes zu brechen. Dies, zusammen mit den Schlägen, die mir der Soldat bei der Gefangennahme übergezogen hat, und meine mittlerweile auf das gefühlt Doppelte angeschwollene Nase bringt allmählich mein Gehirn zum Dröhnen.
„Wer ist hier Karl Stetter?“, fragt der Fette.
Als ich mich zu erkennen gebe, nickt er seinem Kollegen zu.
Dieser löst die Kette, die meine Fußfesseln mit der Wand verbinden. Sie nehmen mich in die Mitte und wir gehen los.
Als wir die steile Wendeltreppe hinuntersteigen, bricht die Wunde unter dem Fußeisen sofort wieder auf und fängt an, munter zu bluten. Trotzdem bemühe ich mich, Schritt zu halten und nicht zu sehr am Leben zu hängen. Zu meinem Erstaunen führen sie mich nicht in den Keller, wo sie in der Regel ihre Werkzeuge zur Wahrheitsfindung aufbewahren, sondern über die Außentür ins Freie, wo eine strahlende Herbstsonne von einem azurblauen Himmel scheint. Nach der Nacht und dem Tag in der Dunkelheit des Turmes komme ich ins Straucheln. Der junge Wachsoldat fasst nach meinem Ellenbogen und hält mich fest.
„Danke“, keuche ich, während ich versuche, in der Senkrechten zu bleiben.
„Kein Grund den Schurken auch noch zu verhätscheln“, brummt der Fette.
„Siehst du nicht, dass der hier gleich ohnmächtig wird?“, antwortet der andere. „Du kannst ihn dann gerne alleine ins Oberamt tragen. Ich für meinen Teil ziehe es vor, wenn er selbstständig dorthin läuft.“
Sie nehmen mich wieder in die Mitte und wir marschieren durchs Städtchen. Überall wird ungeniert gegafft, dabei werden Kinder hinter den Röcken ihrer Mütter versteckt. Einige der ganz mutigen Bürger spucken vor mir aus, werden aber sofort von den Wachen zurückgedrängt.
Die endgültige und vollkommene Demütigung. Ich ziehe meinen Kopf zwischen die Schultern und bete darum, das mich der Boden verschlingen möge. Ganz offensichtlich wird mein Gebet nicht erhört, denn schließlich haben wir das Gebäude des Oberamtes erreicht. Der junge Wachmann reißt die Tür auf, während mir der Fette einen gemeinen Stoß in den Rücken gibt. Dieser bringt mich über der Schwelle schon wieder ins Stolpern. Sie führen mich in eine einfache, aber saubere Stube, die mit einer Holzwand abgeteilt ist, deren Tür einen Spalt offensteht. An einem Tisch sitzt ein Mann, der bei unserem Eintreten aufblickt. Er ist mittleren Alters, hat schwarze Haare und buschige Augenbrauen. Er trägt Zivil, einen grauen Anzug mit einer Seidenweste sowie ein weißes Hemd mit dem modischen Halsbinder, der fast bis an die Ohren heranreicht, und sieht im Gegensatz zu mir, elegant und ausgeruht aus. Ich erkenne ihn von unserer Festnahme her wieder, es ist der Anführer der hiesigen Polizei. In einer der Fensternischen steht eine Frau, die ich aber im Gegenlicht nicht richtig sehen kann. Flüchtig frage ich mich, was sie hier wohl zu suchen hat. Nicht dass das eine Rolle spielen würde. Seit sie Anna geholt haben, spielt nichts mehr eine Rolle für mich.
„Du bist Karl Stetter?“, fragt er und als ich „jawohl, Euer Gnaden“, antworte, entlässt er die beiden Wachen mit einem Nicken. Die Frau in der Fensternische dreht sich um und tritt neben den Mann, dabei mustert sie mich prüfend. Sie hat Annas silberne Augen. Die Büttel müssen heftiger zugeschlagen haben, als ich dachte, denn ich fange ganz offenbar an, mir die Dinge einzubilden. Ansonsten ist sie klein und mollig und wesentlich älter als ich zunächst angenommen hatte, da ihre Haare, die sie im Nacken in einem Knoten zusammengefasst hat, bereits mit vielen hellen Strähnen durchzogen sind.
„Nun“, fragt der Mann und räuspert sich. „Wie du dir vorstellen kannst, haben wir dein Püppchen, wie war doch noch gleich der Name“, er sieht kurz in seine auf dem Tisch liegenden Papiere und raschelt darin herum, „ach ja, Anna Beutelin heute Morgen etwas genauer befragt.“
Bei der Nennung von Annas Namen ziehen sich seine Mundwinkel unwillkürlich nach oben.
„Es hat nicht viel gebraucht und sie hat alles zugegeben.“
Anna, er spricht von Anna! Sie haben ihr wehgetan! Schon wieder einmal bricht mir der Angstschweiß aus allen Poren.
„Gleichgültig, was sie ausgesagt hat, es war alles gelogen. Sie ist völlig unschuldig“, entgegne ich. „Es war der reine Zufall, dass sie bei der Verhaftung überhaupt noch im Lager war.“
„Das sehe ich nicht so“, antwortet er kühl. „Ihr seid alle schuldig wie die Sünde, auch eure Weiber.“
„Nicht Anna“, antworte ich, „und auch nicht die Kleine, die ihr hochschwanger in euren Turm gesperrt habt. Bitte, Sie müssen diese beiden freilassen.“ Ich versuche, durchzuatmen, um mich zu beruhigen. „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich zumindest Anna schon längst bei ihrer Familie abgeliefert gehabt.“
Jetzt sehen sich die beiden erstaunt an.
„Und was hat diesen klugen Plan verhindert?“, fragt der Mann ironisch. „Es wäre besser gewesen.“
Zum ungefähr einhunderttausendsten Mal bereue ich, auf Anna gehört zu haben. Aber ich werde niemals zugeben, dass ich mich von einem Mädchen ihrer Größe habe um den Finger wickeln lassen.
„Das spielt keine Rolle“, brummle ich mürrisch. Jetzt kann ich sehen, dass die Frau lächelt, als ob ich ihr etwas bestätigt hätte. Freut mich, wenn sie hier etwas lustig findet. „Bitte, ich flehe sie an, lassen Sie sie gehen“, wiederhole ich.
Der Mann denkt anscheinend nach, während ich schon wieder ein Stoßgebet zum Himmel schicke, dass er sich hat erweichen lassen. Gerade als ich zu hoffen beginne, beugt er sich nach vorne und sagt: „Wenn ich es mir überlege, was hättest du mir denn im Gegenzug anzubieten?“
„Ich besitze nichts außer den Lumpen, die ich am Leib trage“, antworte ich, einigermaßen verzweifelt. „Die können Sie gerne haben.“
„Nun“, meint er, „ich hätte da eher an gewisse Informationen gedacht. Wenn du bereit bist, eure Verbrechen zu gestehen, könnte ich darüber nachdenken. Dadurch würdest du allerdings dich und deine Kameraden ganz sicher an den Galgen bringen. Wenn ich mit deiner Aussage zufrieden bin, verspreche ich dir, dass deiner Süßen keines ihrer Löckchen gekrümmt werden wird. Ich könnte mich sogar dazu durchringen, die kleine Schwangere in den Spital abzuschieben. Die haben dort nämlich eine Abteilung für Witwen und Waisen. Wie ich gehört habe, ist die Kleine ja beides. Das würde ihr in ihrem Zustand das Zuchthaus ersparen. Was meinst du dazu?“
Das Dröhnen in meinem Kopf verstärkt sich. Wenn ich gestehe, hängen sie mich und alle anderen auf. Kein sehr angenehmes Ende. Aber andererseits werden sie das wahrscheinlich auch ohne meine Aussage tun. Und wenn ich Anna damit freibekäme und Marie ein Dach über dem Kopf hätte, wäre es wenigstens nicht umsonst. Und außerdem würde das meinen bohrenden Schmerzen über Annas Verlust ein sicheres Ende machen.
„Ich werde alles aussagen, was sie zu hören wünschen“, antworte ich entschlossen und schaue auf.
Die beiden wechseln gerade wieder einen vielsagenden Blick.
Hinter der Holzwand wird jetzt deutlich Atem geholt. Offensichtlich hält sich dahinter jemand verborgen. Und wenn schon.
„Du hast verstanden, dass das für dich einem Todesurteil gleichkommt?“, fragt er nach.
Durch das Rauschen in meinem Kopf kann ich mittlerweile kaum noch hören, was er sagt. Trotzdem bin ich nicht bereit, aufzugeben. Ich stelle mich so gerade hin, wie es meine Fesseln und mein dröhnender Schädel erlauben. Seltsamerweise fängt jetzt auch noch das Zimmer an, sich zu verdunkeln, obwohl die Sonne noch immer durch die Butzenscheiben in die Stube scheint und helle Kringel auf die Bretter des Fußbodens malt.
„Das habe ich verstanden, Euer Gnaden“, antworte ich. „Aber Sie müssen auch etwas verstehen: Ich werde mein Leben nicht sinnlos wegwerfen. Ehe ich mein Geständnis unterschreibe, muss ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen können, dass es den Fräulein gut geht und sie in Freiheit sind. Dazu gehört, dass ich sie vorher noch einmal sprechen kann, bevor, bevor …“
Jetzt muss ich schlucken, bei dem Gedanken, dass das dann endgültig das letzte Mal sein wird, das ich Annas Gesicht in dieser Welt zu sehen bekommen werde.
„Du kannst damit aufhören, den Jungen zu foltern“, sagt in diesem Moment eine sanfte weibliche Stimme. Sie gehört der älteren, nein alten Frau.
„Bist du dir sicher?“, fragt der Polizist.
„Ich bin mir sicher“, antwortet sie. Dann schlendert sie durch das sich immer mehr verdunkelnde Zimmer auf mich zu. Als sie an die Tür der Holzwand vorbeikommt, klopft sie mit ihren Fingerknöcheln leicht daran. Darauf öffnet sich diese ganz und eine zweite, in ein modisches pflaumenblaues Kostüm gekleidete, junge Frau steht im Rahmen und blickt zu mir herüber.
Erschöpfung, Todesangst und das Rauschen in meinem Kopf scheinen mein Gehirn lahm gelegt zu haben. Obwohl sie mir vage bekannt vorkommt, kann ich mich nicht erinnern, woher ich sie kenne.
„Junger Mann“, sagt die Frau und sieht mir in die Augen.
„Darf ich dir meine Enkelin Susanna Dollinger vorstellen?“
Ich höre, am Rascheln ihres Kleidersaumes über den Holzdielen, dass die Frau näher kommt. Dabei steigt mit der Duft von Rosenwasser in die Nase. Mein Kopf fährt hoch.
„Habe ich dir nicht gesagt, dass wir uns wiedersehen werden?“, fragt Anna.
Jetzt hat mich die in das Zimmer hereinkriechende Dunkelheit erreicht und schlägt über mir zusammen. Das letzte, das ich wahrnehme, ehe ich ins Nichts falle, sind Annas silberne Augen, die mich besorgt und liebevoll ansehen.
Zehn Jahre früher
Karl
Nachdem die Schmerzen auf meinem unteren Rücken von der letzten Erziehungsmaßnahme meines Vaters etwas nachgelassen hatten, habe ich beschlossen, mich in unserem Garten in eines meiner Verstecke zurückzuziehen. Ich habe davon mehrere, in denen ich mich aufhalte, um ungesehen weinen zu können. Dies ist der einzige Trost, der mir zuteil wird, da meine Mutter es die letzten Jahre über vorgezogen hat, mich zu ignorieren. Als ich jünger war, hatte ich lange Zeit inständig gehofft, dass sie mich, nachdem mein Vater mit mir fertig zu sein beliebte, wenigstens hinterher in die Arme nehmen und trösten würde. Eine Hoffnung, die sich allerdings niemals erfüllt hat. Jedenfalls nicht, so lange ich denken kann. Dann war ich nach einer besonders schlimmen Tracht Prügel durch Zufall auf diese Lösung gekommen. Ich hatte festgestellt, dass es mir, wenn ich mich genügend ausgeheult hatte, besser ging. Nicht, dass es mir in diesem baufälligen Kasten, den die hiesigen Dorfbewohner Schloss nennen, jemals gut gegangen wäre. Aber immerhin bin ich danach meistens so weit, dass ich mein Leben wieder ertragen kann. Um es bis zum nächsten Mal, bei welchem ich erneut die liebevolle Aufmerksamkeit meines Vaters erregen würde, auszuhalten.
Als ich heute auf die Mauer, die unser Grundstück umgibt, zusteuere, scheint es, als wäre jemand meinem Vorhaben zuvorgekommen, denn mit einem Mal höre ich lautes Weinen.
Ich biege Gestrüpp und Unkraut um und erkenne ein Kind, das auf dem Boden kauert und laut vor sich hin jammert. Es trägt ein Kleidchen aus einem hellen Material, auf dem sich bereits einige dunkle Flecken abzeichnen. Um die Mitte herum hat es allerdings ein winziges Mieder aus leuchtend blauem Stoff. Ganz offenbar ein weibliches Kind. Die Kleine hält mit der linken Hand ihren rechten Unterarm umklammert und ist so mit sich beschäftigt, dass sie mich nicht bemerkt. Wäre in diesem Moment ein Einhorn, eines dieser mystischen Tiere, die in den Geschichten vorkommen, die mir mein Lehrer manchmal zu lesen gibt, an mir vorbei galoppiert, ich könnte nicht erstaunter sein. In meinem ganzen fünfzehnjährigen Leben bin ich noch nicht mit anderen Kindern zusammengekommen. Sieht man einmal von den nichtssagenden gesellschaftlichen Anlässen ab, die ich mit meinen Eltern besuchen muss.
Selbstverständlich gehe ich zu meinem eigenen Bedauern auf keine Schule, sondern werde von Lehrern zu Hause in allen Fächern, die ein Jugendlicher meines Standes erlernen muss, unterrichtet. So ist mir auch diese Art der Kontaktmöglichkeit zu andern Kindern stets verwehrt geblieben.
Da ich mich bemühe, schnell erwachsen zu werden, um dieses Haus hier, in dem ich im besten Fall geduldet werde, möglichst bald verlassen zu können, habe ich mir ein für mein Alter steifes und würdevolles Benehmen angewöhnt. Nicht zuletzt um Fremde nicht in die Hölle, in der ich lebe, blicken zu lassen. Dies gelingt mir, je älter ich werde, immer besser. Bei Gesellschaften, zu denen wir als Familie eingeladen werden, und die nicht einmal mein Vater auszuschlagen wagt, werde ich stets für meine Haltung und meine Manieren gelobt.
Nun ja, jedenfalls bin ich, wie gesagt, noch keinem anderen Kind so nahegekommen wie der Kleinen da vor mir. Flüchtig frage ich mich, ob sie vielleicht vom Himmel gefallen ist. Aber das ist ja Unsinn, niemand fällt aus dem Himmel und schon gar nicht hier in das Gestrüpp unseres Gartens.
Als ich in ihrer Reichweite bin, räuspere ich mich, was sie dazu bringt, aufzublicken.
Sie hat außergewöhnliche Augen von einem sehr hellen Graublau, mehr grau als blau mit silbernen Sprenkeln darin. Da ihr Tränen über die Wangen laufen, sieht es aus, als würde sie silberne Tropfen weinen. Sehr ungewöhnlich.
Nicht dass ich bis jetzt irgendeine Erfahrung mit weiblichen Tränen hätte, aber selbst mir fällt auf, dass das ungewöhnlich ist. Mit einem Mal habe ich meine Schmerzen vergessen. Als sie mich sieht, stößt sie einen erschrockenen Laut aus und versucht aufzustehen. Dabei drückt sie sich mit dem Rücken gegen unsere Schlossmauer, als ob sie dadurch in sie hinein schmelzen könnte.
Sie ist wesentlich kleiner und jünger als ich und plötzlich komme ich mir sehr erwachsen vor.
„Es ist schon gut“, sage ich zu ihr. „Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.“
Beim Klang meiner Stimme hört sie zu jammern auf. Sie blickt auf und studiert mein Gesicht. Was immer sie dort sieht, es scheint sie zu ermutigen, denn sie hält mir ihr pummeliges Ärmchen hin und meint klagend: „Ich habe mir meinen Arm aufgerissen. Schau nur, es blutet ganz furchtbar.“
„Oh“, mache ich und kann ein Lächeln nicht mehr ganz unterdrücken, denn sie ist einfach zu süß, „erlaubst du mir, dass ich ihn mir ansehe?“
Als sie nickt, knie ich mich vor sie hin und nehme vorsichtig ihr Handgelenk zwischen meine Finger. Dann drehe ich ihren Arm und erkenne an der Innenseite ihres Unterarms einen hässlichen Riss, der zwar munter blutet, aber nicht sehr tief aussieht. Ich ziehe ein Taschentuch aus meiner Hosentasche und falte es zu einem länglichen Streifen.
„Es ist nicht so schlimm“, tröste ich sie.
Ich wickle ihr das Tuch um den Unterarm und binde einen ordentlichen Knoten. Die Augen auf mein Werk gerichtet frage ich: „Verrätst du mir, wo du herkommst und was du hier tust?“
„Ich äh …“, stammelt sie. Sie hört sich jetzt verlegen an.
Noch immer auf meinen Knien blicke ich zu ihr auf. Sie hat ein ovales Gesichtchen, mit einem energischen kleinen Kinn, zwei schulterlange, sehr dünne, hellblonde Zöpfchen, die mit Bändern in der gleichen Farbe wie ihr Mieder abgebunden sind, und diese wasserklaren silbernen Augen. Dazu ist sie gerade dabei zu erröten, was sie noch hübscher aussehen lässt. Plötzlich habe ich keine Lust mehr, sie auszufragen. Im Gegenteil, ich ertappe mich bei dem Wunsch, sie möglichst lange in meiner Nähe zu behalten. Ich könnte sie in die Küche mitnehmen, und Hilde, unsere Köchin bitten, uns Milch und Kekse vorzusetzen. Schließlich ist heute ein heißer Tag und …
„Wir spielen hier Verstecken“, sagt die Kleine gerade und reißt mich dabei aus meiner Träumerei.
„Die anderen werden mich bald gefunden haben.“
„Die anderen?“ frage ich erstaunt. „Welche anderen?“
Sie zuckt ihre rundlichen Schultern.
„Ich verpetze niemanden“, antwortet sie, mit einem Male sehr ernst. Dabei sieht sie drein, als würde sie das Gewicht dieser Aussage buchstäblich zu Boden drücken. „Das würden mir die Buben niemals verzeihen und oh je …“, sie schlägt sich eine Patschhand vor den Mund.
Ich stehe von meinen Knien auf, dabei stelle ich fest, das ich von einem Ohr zum anderen grinse. Eine Erfahrung, die ebenfalls neu für mich ist und sich ausgesprochen gut anfühlt. Es ist, als würde die Last, die ich Tag und Nacht mit mir herumschleppe, sich ein klein wenig heben.
„Das macht nichts“, versichere ich ihr. „Bei mir ist dein Geheimnis gut aufgehoben. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich schwöre es, wertes Fräulein.“
Ich nehme ihre andere Hand und lege sie auf meine Brust. Gerade als sie zaghaft mein Lächeln erwidert, höre ich hinter uns Geräusche. Augenblicke später teilt sich das Gestrüpp und drei Jungen kommen auf uns zugelaufen.
Zwei davon sind blond und helläugig wie sie, der dritte hat dunkle Haare. Von den blonden ist der eine jünger und der andere älter als ich, der dunkelhaarige ist in meinem Alter.
Dieser stürzt sich sofort auf mich und brüllt: „Was fällt dir ein, nimm sofort deine Finger von ihr.“
Überrascht zögere ich den einen Moment zu lange, den er sich zu Nutze macht, um mich mit beiden Händen vor die Brust zu stoßen. Aus dem Gleichgewicht gebracht, stolpere ich nach hinten
Zu meiner weiteren Überraschung baut sich das Mädchen vor ihm auf und fährt ihn an: „Lass ihn in Ruhe, du blöder Affe, siehst du nicht, dass er mir nur helfen wollte?“
So eine Stimme hätte ich dem winzigen Ding niemals zugetraut.
Daraufhin ballt der Junge angriffslustig seine Fäuste und ruft: „Versteckst dich wohl gerne hinter den Röcken von kleinen Mädchen, wie?“
Als ich auf ihn losgehen will, werde ich von einem Gewicht behindert, das sich an meinen rechten Arm gehängt hat. Ich schaue an mir hinunter und blicke direkt in die silbernen Augen der Kleinen, in denen schon wieder Tränen schwimmen.
„Bitte“, flüstert sie, „prügle dich nicht mit ihm. Ihr könntet beide verletzt werden und …“
„Er hat mich beleidigt“, erkläre ich ihr, nicht den anderen, „ich kann das nicht so einfach auf mir sitzen lassen und …“
Dabei versuche ich, mich ihrem Griff zu entwinden, aber sie klammert sich fest.
„Meine, hmm, Schwester hat Recht“, schaltet sich da eine weitere Stimme ein. Sie gehört dem Ältesten der drei und ist schon ziemlich tief, offenbar ist er im Stimmbruch schon wesentlich weiter als wir drei anderen.
Er nimmt jetzt den dunkelhaarigen am Arm und zieht ihn außer Reichweite.
„Ich entschuldige mich für meinen aufbrausenden Bruder, junger Herr und ich entschuldige mich dafür, dass wir hier unbefugt eingedrungen sind“, sagt er in höflichstem Ton.
Als er mir in die Augen sieht, ist mir klar, dass er erkannt hat, wer ich bin. Sein jüngerer Bruder hört auf, in seinem Griff herumzuzappeln und ruft: „Was ist denn in dich gefahren, dass du mit einem mal so geschwollen daher redest? Der Kerl hat Susa angefasst und …“
„Ihr wisst, dass das hier Privatbesitz ist?“, frage ich den Älteren.
„Privatbesitz, Privatbesitz!“, äfft mich der dunkelhaarige Junge nach, „soll ich dir sagen, was du mit deinem Privatbesitz machen kannst?“ Daraufhin verstärkt der Blonde seinen Griff, ich kann es sehen, und der Jüngere zuckt zusammen.
„Es tut mir leid“, sagt er und deutet eine Verbeugung an, „wir werden hier unverzüglich verschwinden.“ Er wirft einen auffordernden Blick in die Runde. „Sofort!“, sagt er zu den anderen. Dabei ist die Autorität in seiner Stimme nicht zu überhören.
„Aber …“, setzt das Mädchen an.
Daraufhin kommt der jüngste Bruder zu ihr und löst ihre Hand von meinem Arm. Seltsam, ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie sich noch immer an mir festgehalten hatte.
„Wilhelm hat recht“, sagt er sanft. „Wir wollen machen, dass wir von hier wegkommen.“
Während die anderen bereits der Mauer zusteuern, entwindet sie sich dem Griff des sie festhaltenden Jungen und kommt zu mir zurück. Sie bleibt vor mir stehen und blickt mit ihren hellen Augen von unten zu mir auf. Ich spüre, wie sich mein Herzschlag beschleunigt.
„Ich danke dir sehr für“, hier zögert sie einen Moment, „für alles. Es tut mir so leid, aber meine, hmm, Brüder werden mir nicht erlauben, dass ich bei dir bleibe.“
„Sie könnten auch noch bleiben“, murmele ich lahm. „Wir könnten alle zusammen … etwas spielen.“
Als ich es ausgesprochen habe, dämmert es mir, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wie das gehen sollte. Schließlich habe ich ja noch niemals mit anderen Kindern auch nur andeutungsweise gespielt.
„Besser nicht, Baron“, sagt da die Stimme des ältesten Jungen. Ganz offensichtlich ist auch er zurückgekehrt, um nach seiner Schwester zu sehen.
„B … Baron“, stottert die Kleine und blickt jetzt erschrocken drein.
Ihr in ihre klaren Augen sehend, lächle ich und sage nichts.
„Du kommst jetzt endlich mit, oder willst du uns alle in ernsthafte Schwierigkeiten bringen?“, fragt er sie.
Daraufhin schüttelt sie ihren Kopf, dass die hellen Zöpfchen fliegen. „Will ich nicht“, murmelt sie.
Worauf er beschützend seinen Arm um ihre Schultern legt und sie zu den anderen zieht.
Dort angekommen, bücken sich alle und schlüpfen nacheinander durch ein Loch in der Mauer. Dieses war mir bis jetzt an dieser Stelle noch gar nicht aufgefallen, da es von innen durch das hier überall wuchernde Gestrüpp verdeckt wird. Womit klar wäre, wie sie es fertiggebracht haben, auf das Grundstück meines Vaters zu gelangen. Als die Kleine an der Reihe ist, dreht sie sich, schon beinahe in Freiheit, noch einmal um. Sie hebt, als sie mich noch immer an der gleichen Stelle stehen sieht, ihre Hand zum Gruß. Dann schlüpft auch sie durch die Maueröffnung und entschwindet meinem Blick. Als ich mich abwende, stelle ich zu meiner Überraschung fest, dass ich noch immer Herzklopfen habe.
Susanna
Auf unserem Heimweg beratschlagen die Buben lautstark das weitere Vorgehen, während ich in Gedanken mit dem dunkelhaarigen Jungen beschäftigt bleibe. Wie traurig er dreingesehen hat! Zumindest zu Anfang. Nachdem er mir so sorgfältig meinen Arm verbunden hatte, ist er zunehmend fröhlicher geworden. Nur schade, dass wir von meinen Vettern und meinem Bruder gestört wurden, ich wäre zu gern geblieben, um ihn näher kennenzulernen. Vielleicht hätte er mir ja erzählt, warum er so verzweifelt gewesen ist, und vielleicht hätte ich ihm ja dadurch helfen können. Wie ich nämlich aus eigener Erfahrung weiß, hilft es manchmal schon, wenn man von seinen Problemen erzählen kann. Ich komme zu mir, als mich jemand unsanft am Arm rüttelt und schaue in das aufgebrachte Gesicht von Thomas, der mir von allen meinen vielen Vettern der liebste ist. Dieser und sein Bruder Wilhelm sind die Söhne meines Onkels, der wiederum der nur wenig jüngere Bruder meines Vaters ist. Dass dessen Kinder älter sind als Benni und ich liegt daran, dass Onkel sehr früh, jedenfalls etliche Jahre vor meinem Papa, geheiratet hat. Da wir uns alle, bis auf Thomas, recht ähnlich sehen, geben wir uns Fremden gegenüber oft als Geschwister aus, um langwierige Erklärungen zu vermeiden. Die dritte im Bunde, ihre Schwester und meine beste Freundin Dorothee, hatte sich heute geweigert, mit uns zu kommen.
„Puh“, hatte sie gemeint, „es ist viel zu heiß, um draußen herumzurennen. Mit Buben in dieser Hitze Verstecken zu spielen, gehört sich sowieso nicht für ein wohlerzogenes Fräulein. Und außerdem hat Mama mir versprochen, heute den Kreuzstich mit mir zu üben.“
„Für was für ein Fräulein?“, hatte ich ehrlich verwirrt gefragt. Dann hatte es mir gedämmert und ich hatte laut herausgelacht. „Ach so, du sprichst von dir“, hatte ich gesagt, nachdem ich damit fertig war und in ihr entrüstetes Gesicht gesehen hatte.
„Ich spreche von uns beiden“, hatte sie hochnäsig geantwortet. „Du wirst nämlich langsam auch zu alt um …“
In diesem Moment hatte Thomas seinen Kopf zur Türe hereingestreckt und gefragt: „Wer kommt mit?“
Bereits auf dem Weg zur Türe hatte ich Doro die Zunge herausgestreckt und dabei gedacht, dass ich nahezu alles tun würde, um bei diesem schönen Sommerwetter einem Sticknachmittag im Haus zu entkommen. Und so hatten wir wieder einmal beschlossen, auf dem Schlossgelände des Barons Verstecken zu spielen. Das hatten wir zunächst alle sehr genossen, sogar Wilhelm, der manchmal so ungeheuer erwachsen tut, seit er seine Lateinschule besucht. Ihn habe ich im Verdacht, dass es ihm ab und zu immer noch Spaß macht, mit uns Jüngeren zu spielen, um für kurze Zeit, seiner ganzen Lernerei entkommen zu können. Jedenfalls hatten wir schon eine ganze Weile gespielt und ich hatte einige mir bis dahin unbekannte, wirklich gute Verstecke gefunden, als wir auf den jungen Baron gestoßen waren und Thomas sich beinahe …
„Hast du mitbekommen, was wir gerade gesagt haben?“, fragt mich der gerade. Als er mein Gesicht sieht, ruft er: „Himmel noch mal, komm endlich zu dir. Dieser Baronschnösel ist nichts für dich. Am besten, du vergisst ihn gleich wieder.“
„Susa“, sagt Benjamin sanft. Er ist mein jüngerer Bruder. „Wir haben gerade beschlossen, zu niemanden ein Wort von dieser Geschichte zu verlieren. Auch nicht zu Oma. Diese wird es ganz bestimmt Opa erzählen und das wird die entsprechenden Strafpredigten und mehr nach sich ziehen. Das wollen wir alle gerne vermeiden. Hast du das verstanden?“
Als ich nicke, fährt er fort: „Wenn Oma dich danach fragt, sagst du, du hättest dir beim Spielen den Arm aufgerissen. Das ist nicht einmal gelogen. Versprichst du das?“
„Ich verspreche es“, antworte ich automatisch.
Nachdem mich die Jungen bei Oma abgeliefert haben und ihrer Wege gegangen sind, wickelt mir diese das Taschentuch meines Retters von meinem Arm.
„Das muss ausgewaschen und versorgt werden“, meint sie. „Was in aller Welt habt ihr jetzt schon wieder angestellt?“
Ich bemühe mich, mich an meine Anweisungen zu halten. „Wir haben Verstecken gespielt“, antworte ich.
„Hmm“, macht Oma und mir ist klar, dass sie nicht bereit ist, so schnell aufzugeben. Als sie wenig später meinen Unterarm in heißes Wasser, vermischt mit einem ihrer Kräutersude taucht, brennt der Riss höllisch. Ich ziehe hörbar die Luft zwischen die Zähne.
„Strafe muss sein“, meint Oma.
Ich blicke auf und sehe, dass sie lächelt.
„Was ist passiert?“, fragt sie und mustert mein Gesicht, nicht meinen Arm, „zu deiner Information, ich bin nicht bereit, mich mit Ausreden abspeisen zu lassen.“
Ich überlege. Eigentlich würde ich nichts lieber tun, als Oma, meiner Vertrauten und Freundin, von dem dunkelhaarigen Jungen erzählen, aber ich habe es den anderen versprochen, dass ich nichts verrate.
„Oma“, sage ich nach einer kleinen Weile, „versprich mir, dass du nichts weitererzählst. Ich möchte auf keinen Fall, dass man die Buben bestraft, nur weil ich meinen Mund nicht halten konnte. Wenn du mir das nicht versprichst, sage ich nichts.“
Jetzt ist es an ihr zu überlegen.
„Junge Dame“, antwortet sie, „eigentlich sollte ich mich nicht von dir erpressen lassen, aber da du aussiehst, als würdest du gleich platzen, wenn du es mir nicht erzählen darfst … Also gut, ich verspreche, dass was du mir anvertrauen wirst, nur unter uns beiden bleibt.“
„Oma“, sage ich und spüre, wie ich rot werde, „ich habe heute einen Jungen kennengelernt. Er war ja so freundlich zu mir, so überaus freundlich.“
Zu meiner Überraschung sieht Oma jetzt äußerst alarmiert drein. „Hat er dich angefasst?“, fragt sie recht streng.
„Er hat mir den Riss da verbunden“, setze ich hastig hinzu, um sie milder zu stimmen.
„Das meinte ich nicht“, antwortet sie. „Kind, wenn er dich irgendwie belästigt hat, musst du es mir sagen.“
„Er hat mich nicht belästigt“, widerspreche ich sofort. Da ich gerade erst neun Jahre alt geworden bin, ist mir allerdings nicht ganz klar, was Oma meint. Aber etwas ist mir sonnenklar, dass dieser Junge nichts getan hat, was ich als lästig empfunden habe.
„Als die anderen dazugekommen sind, hätte er sich beinahe mit Thomas geprügelt. Er war ja so stolz und mutig und er“, fahre ich fort und überlege einen Moment, „Oma, er hatte die traurigsten Augen dieser Welt.“
„Hmm“, macht sie erneut. „Und wo seid ihr auf dieses Prachtexemplar getroffen?“
Dies ist ja nun eine wirklich kritische Frage.
„Irgendwo“, murmele ich, worauf Oma energisch „Susa!“, ruft.
„Im Schlossgarten von Westerstetten. Wilhelm behauptet jedenfalls, dass es der junge Baron gewesen wäre“, antworte ich verlegen.
Daraufhin bleibt sogar Oma die Sprache weg. Zumindest für einen Moment. Als sie sie wiedergefunden hat, zischt sie: „Im Schlossgarten von Westerstetten! Der junge Baron! Seid ihr eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“
„Oh“, sage ich. „Wir spielen öfters dort im Park, da gibt es ja so viele Verstecke, wie sonst nirgendwo.“
„Susanna“, antwortet sie mit einem Male sehr ernst. „Höre mir gut zu. Ich habe dir versprochen, nichts zu sagen. Ich werde mich daran halten, obwohl deine Vettern wahrlich dafür einen Denkzettel verdient hätten, dass sie dich und Benni in eine solche Lage gebracht haben. Aber im Gegenzug musst du mir auch etwas versprechen. Ihr dürft nie wieder an diesem Ort spielen, nie mehr. Das ist sehr gefährlich. Was meinst du wohl, was passiert wäre, wenn man euch erwischt hätte?“
„Was wäre denn passiert?“, frage ich kleinlaut.
„Dann wäre es bestimmt nicht bei einer Tracht Prügel für die Buben geblieben“, erklärt sie. „Man hätte euch alle höchstwahrscheinlich eingesperrt, zumindest Thomas und Wilhelm sind bereits in dem Alter, in dem sie die Härte des Gesetztes hätten zu spüren bekommen. Wie denkst du wohl, hätte im Übrigen dein Onkel auf die Nachricht reagiert, dass er seine beiden Söhne hätte verhaften müssen? Und nebenbei nimmt es der Adel mit den Gesetzen nicht so genau, schon gar nicht auf seinem eigenen Grund und Boden.“
Ich bin zu Tode erschrocken. Oma, die sonst nichts aus der Ruhe bringen kann, so aufgebracht zu sehen.
„Wir haben dort nur Verstecken gespielt“, wiederhole ich zaghaft.
„Das ist gleichgültig“, antwortet sie. „Ihr seid auf das Grundstück der herrschaftlichen Familie eingedrungen. Das ist ein Rechtsbruch, der streng bestraft wird. Versprich mir, dass ihr das nie wieder tun werdet.“
Sie hebt meine Kinn an und sieht mir mit ihrem zwingenden Blick in die Augen bei dem einem nichts übrig bleibt, als zu gehorchen.
„Ich verspreche es“, murmele ich, mit dem sicheren Gefühl, schon wieder einmal ein Versprechen nicht einhalten zu können.
Als Oma mir wenig später meinen Arm trocken tupft und neu verbindet, fällt mir etwas ein: „Sein Taschentuch“, sage ich, „gib es mir, ich will es behalten.“
„Du bekommst es zurück, wenn es gewaschen ist“, antwortet Oma, „du kannst dich auf mich verlassen.“
Elsa
Heute habe ich etwas getan, was ich schon lange Jahre nicht mehr gemacht habe.
Ich habe das Taschentuch, mit dem Susa ihr aufgerissenes Ärmchen verbunden hatte, mit in mein Boudoir, wie mein Ehemann es zu nennen beliebt, genommen. Dies ist ein kleines Zimmer, das ich, seit wir als junges Ehepaar hier eingezogen sind, für mich reserviert habe, und in dem ich unter anderem Gegenstände aufbewahre, die ich über die Jahre sorgfältig verborgen gehalten habe.
Nur Gustav weiß darüber Bescheid, schließlich habe ich keine Geheimnisse vor meinem Ehemann. Nun ja, fast keine.
Ich nehme meine Kristallkugel, das Geschenk meiner lang verstorbenen Tante, aus ihrem Versteck und stelle sie in ihre Halterung. Ich setze mich auf den Hocker davor, und schließe meine Augen. Ich halte das verdreckte Taschentuch, das Susa um ihren Arm gewickelt hatte, in der Hand und konzentriere mich, wie ich es in meiner Jugend gelernt habe. Als ich meine Augen wieder öffne und in die Kugel vor mir blicke, erscheint das Bild sofort.
Allerdings ist es, als würde ich durch eine Art dicken, weißlichen Nebel blicken, die Gestalten darin bleiben undeutlich. Das Geschehen muss also weit in der Zukunft liegen. Immerhin, ich erkenne ein Paar, das sich eng umschlungen hält. Er ist sehr groß und dunkelhaarig, und muss seinen Kopf tief nach unten beugen, um sie zu küssen.
Sie ist klein und wohl geformt und hat kurze graublonde Löckchen, die ihr offen auf ihre Schultern fallen. Als sie seinen Kuss erwidert, ist mir klar, dass dies Susanna ist. Schließlich würde ich meine Enkelin überall, zu jeder Zeit und an jedem Ort wiedererkennen. Als ich die beiden ineinander geschmiegten Gestalten betrachte, erfüllt mich ihre Leidenschaft und Liebe. Dann verschwimmt das Bild vor meinen Augen und ich komme zu mir. Und fühle mich benommen. Ich hatte schon ganz vergessen, wie schwindelig mir danach sein kann. Ganz offenbar bin ich aus der Übung. Um mich zu erholen, lege ich mich auf die Recamiere, die ich eigens für diesen Zweck habe aufstellen lassen. Dabei wird mir klar, dass der Junge, dem dieses Taschentuch gehört, eine wichtige Rolle im Leben der erwachsenen Susanna spielen wird. Unwillkürlich muss ich an ihren schwärmerischen Blick denken, und ihren zärtlichen Tonfall, mit dem sie über ihn gesprochen hat und der so ganz und gar untypisch für sie ist. Es mag noch viele Jahre entfernt sein, aber Susa und dieser Junge werden sich als Erwachsene wiedersehen.
Das ist beider Schicksal, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Ich beschließe, das Ganze zunächst einmal für mich zu behalten.
Wer weiß, vielleicht erlebe ich ja die Erfüllung dieser Vision gar nicht mehr, denn immerhin bin ich schon vielfache Großmutter. Darüber hinaus muss ich meinem Ehemann ja nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich wieder einmal mit dem Verbotenen gespielt habe. Dies ist eine Sache, die er zwar duldet, die ihm aber in den langen Jahren unserer Ehe immer unheimlich geblieben ist. Nein, nein, da ist es schon besser, ich behalte alles für mich.
Susanna
Den ganzen Sommer über habe ich versucht, den dunkelhaarigen Jungen wiederzusehen. Dazu war ich gezwungen, mich in unregelmäßigen Abständen in den Schlossgarten zurückzuschleichen, wo wir auf ihn getroffen waren. Ich bin dabei äußerst, wirklich äußerst vorsichtig gewesen, und habe stets darauf geachtet, mich selbst gut hinter Gestrüpp und Sträuchern zu verbergen. Zu meiner großen Enttäuschung habe ich ihn nicht wieder zu Gesicht bekommen. Obwohl ich manchmal wirklich Stunden damit verbracht habe, zu warten, eine Beschäftigung, die mir von Natur aus stets schwer fällt. Außer irgendwelchen Bediensteten, die durch das mit zwei runden Säulen abgestützte Portal das Schloss betraten und manchmal wieder verließen, habe ich allerdings niemals irgendjemanden dort zu Gesicht bekommen.
Da meine beiden Elternteile, jeder für sich, wie immer mit ihrer Berufsausübung beschäftigt sind, ist es für mich kein Problem, Nachmittage lang zu verschwinden. Mein Vater ist der beliebteste Friseur und Peruquer der Stadt und meine Mutter besitzt das dazu passende Kleidergeschäft. Dieses hat sie zu einem Modesalon nach französischem Muster ausgebaut und die Kundinnen rennen ihr die Türen ein. Jedenfalls die, deren Ehemänner sich das leisten können. Da das Geschäftsleben meiner Mutter die größte Zeit ihres Tagesablaufs in Anspruch nimmt, ist sie froh, dabei möglichst wenig von Benni und mir zu sehen. Benni wurde, seit er laufen kann, in den Kreis unserer Cousins aufgenommen, von deren Mütter ja immer mindestens eine zu Hause und somit für Notfälle erreichbar ist. Und von mir nimmt Mama natürlich an, dass ich mich bei Oma aufhalten würde. Womit sie ja Recht hat. An den Tagen allerdings, die ich im Schlossgarten von Westerstetten zubringe, gehe ich Oma bewusst aus dem Weg. Schließlich plagt mich hinterher mein schlechtes Gewissen über alle Maßen. Ich habe schließlich das ihr gegebene Versprechen mehrere Male gebrochen. Und das auch noch mit voller Absicht!
Als der Sommer in den Herbst und schließlich in den Winter übergeht, beginne ich zunehmend, den Jungen mit den traurigen Augen zu vergessen.
Karl
„Junger Herr“, sagt mein Lehrer zu mir, „Sie haben wirklich ein Gespür für Zahlen.“
Wir sind in meinem Schulzimmer und er hatte mir gerade einige recht knifflige Aufgaben gestellt.
Ich mag Herrn Gutermann sehr, ist er doch der einzige Mensch, der mir in meinem jungen Leben bis jetzt mit Freundlichkeit und Achtung begegnet. Darüber hinaus ist er ein wirklich guter Lehrer, der es versteht, mich für seinen Unterricht zu begeistern.
Wie er das fertigbringt, ist mir selbst nicht ganz klar. Ich weiß nur, dass ich mich stets bemühe, die von ihm gestellten Aufgaben zu lösen. Diese sind immer an der Grenze dessen, was ich bewältigen kann, und vielleicht fordert mich ja gerade das heraus. Mache ich etwas falsch, so bestraft er mich, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, nicht, sondern wir besprechen gemeinsam, wo die Fehler liegen und wie man sie umgehen kann. Als ich mich das erste Mal verrechnet hatte, hatte er gesagt: „Sie haben hier einen Fehler gemacht, junger Herr.“
Ich muss wohl zusammengezuckt sein, denn er hatte mir ins Gesicht gesehen und hinzugefügt: „Aber das macht nichts. Wenn Sie schon alles können würden, brauchten Sie mich ja wohl nicht mehr, oder?“
Dabei hatte er mir zugezwinkert.
Gerade als ich dachte, ich hätte mir das eingebildet, hatte er hinzugefügt: „Ich hatte diese Aufgabe absichtlich so schwierig gestellt, damit ich einen Eindruck davon bekomme, wie weit Sie schon mit Ihren Rechenkünsten sind. Und ich muss sagen, ich bin beeindruckt. Alles in allem haben Sie sich durchaus achtbar geschlagen.“
„Wirklich?“, hatte ich ungläubig geflüstert, da er der erste Mensch war, der mich gelobt hatte.
„Aber ja“, hatte er geantwortet und mich angelächelt. „Wollen wir jetzt diese Sache hier zusammen noch einmal von Anfang an durchgehen?“
Wie schon gesagt, ich mag ihn sehr. Jedenfalls habe ich bei ihm mehr gelernt, als bei all seinen Vorgängern zusammengenommen.
„Ein Gespür für Zahlen?“, wiederhole ich. „Was meinen Sie damit?“
Er überlegt einen kurzen Moment.
„Nun, viele junge Männer können zwei und zwei zusammenzählen“, erklärt er. „Aber nur wenige haben, wie ich es nenne, ein Gespür für Zahlen. Diese sehen eine Zahlenreihe und wissen das Ergebnis, ohne groß nachrechnen zu müssen, bei kniffligeren Aufgaben beginnt sich der Lösungsweg wie von selbst in ihren Köpfen zu entwickeln. Ist etwas wirklich schwierig, so gehen sie das Problem von seiner logischen Seite an und geben keine Ruhe, bis sie es gelöst haben. Ich bin mir sicher, dass Sie zu dieser Sorte Menschen gehören. Habe ich Recht?“
Natürlich hatte er mit allem Recht, was er gesagt hatte. Schließlich liebe ich Zahlen und alles, was damit zusammenhängt.
Nicht zuletzt weil Zahlen neutral sind, sie sind weder gut noch böse. Es gibt nichts Befriedigenderes für mich, als ihnen auf die Schliche zu kommen und sie unter meinen Willen zu zwingen, gleichgültig wie sperrig sie sich auch aufführen. Ich nicke daher heftig.
„Junger Herr“, meint mein Lehrer, „erlauben Sie mir, dass ich mich ausnahmsweise zu Ihnen setze?“
„Selbstverständlich“, murmele ich.
Daraufhin quetscht er sich mit seiner nicht unerheblichen Leibesfülle auf meine Schulbank. Sofort umweht mich der Geruch nach Tabak, der immer von ihm ausgeht, und hüllt mich seltsam tröstend ein. Er legt seine Hände vor sich auf das Schreibpult und faltet diese. Mit schief gelegtem Kopf mustert er mich von der Seite.
„Karl“, meint er nach einer Weile, und nennt mich zum ersten Mal, seit wir uns kennen, bei meinem Vornamen. „Es sieht so aus, als ob unsere gemeinsame Schulzeit ihrem Ende zugeht. Baron, Sie werden allmählich zu alt, um noch von einem Hauslehrer unterrichtet zu werden.“
Ich bekomme einen gehörigen Schrecken.
„Ihr Herr Vater hat mich zu sich gebeten“, sagt er und jetzt ist mir, als ob ich einen Tritt in den Magen erhalten hätte. „Er hat mich nach Ihren Fortschritten gefragt und ich war wohl … etwas zu enthusiastisch. Ich habe den Vorschlag gemacht, dass er Sie an einer weiterführenden Schule, in der junge Männer Ihres Standes unterrichtet werden, anmelden sollte. Ich habe mich sogar erkühnt, eine spätere wissenschaftliche Ausbildung nicht auszuschließen. Mit ihrem wachen Verstand würde das eine Herausforderung darstellen, der Sie gewachsen sein werden.“
„Wie hat er darauf reagiert“, flüstere ich, während mir nichts Gutes schwant.
Jetzt legt er mir eine Hand auf die Schulter und sieht mir in die Augen. Die seinen sind von dem hier üblichen hellen Blaugrau. Das war mir in den drei Jahren unserer Bekanntschaft noch gar nie aufgefallen.
„Leider nicht so, wie ich gehofft hatte“, antwortet mein Lehrer. „Er hat gesagt, dass ich überflüssig wäre, wenn ich Ihnen nichts mehr beibringen könnte.“
„Aber das stimmt nicht“, widerspreche ich sofort. „Ich muss noch so viel lernen, wir sind ja noch nicht einmal …“
Ich springe von meiner Bank auf und balle meine Hände zu Fäusten.
„Junger Herr, lieber Karl es tut mir ja so leid“, sagt er ruhig. „Aber mein Unterricht endet mit dem heutigen Tage.“
„Wie, was?“, stottere ich auf ihn heruntersehend. Er begegnet meinem Blick und hält ihm stand. Ich glaube Mitgefühl darin zu erkennen. Er seufzt.
„Es ist auch meine Schuld, ich hätte Ihre Fähigkeiten nicht so sehr preisen sollen. In der Regel freuen sich Väter darüber, wenn man die Söhne lobt.“
„Mein Vater nicht“, entgegne ich und bereue sofort, etwas über unser Verhältnis preisgegeben zu haben.
„Das ist mir jetzt auch klar, leider zu spät. Aber ich hatte ja keine Ahnung …“ Er lässt den Satz unvollendet.
Dann steht er ebenfalls auf. Er hält mir seine Hand hin, die ich zögernd ergreife. Schließlich ist es das erste Mal, dass ein anderer Mann mir seinen Handschlag anbietet.
„Jedenfalls war es eine Ehre und eine Freude für mich, Sie unterrichtet zu haben“, sagt er und drückt sie leicht. „Gleichgültig wie sich die Dinge entwickeln werden, geben Sie nicht auf. Sie haben beachtliches Potential in sich, das Sie durchhalten lassen wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie freundschaftlich an mich zurückdenken würden.“
Damit lässt er meine Hand los und verneigt sich leicht. Als er sich aufrichtet, fällt mir ein, dass er tatsächlich mit einer Sache recht hatte. Nämlich dass ich erwachsen bin. Oder jedenfalls so gut wie.
Er geht zurück an sein Pult und beginnt, seine Bücher in der großen Tasche, die er stets mit sich herumschleppt, zu verstauen. Als er diese schließt und auf die Türe zugeht, spüre ich das drohende Unheil sich wie eine schwarze Wolke über mir zusammenballen. Ich blicke tatsächlich auf und bin für einen Moment überrascht, dass nichts zu sehen ist. Kein noch so kleines Wölkchen. Dann rufe ich mich zur Ordnung. Wie denn auch, schließlich sind wir ja in einem geschlossenen Zimmer.
„Einen Moment noch, Herr Gutermann“, rufe ich. Selbst in meinen Ohren höre ich mich erstickt an. „Hat mein Vater sich geäußert, was er mit mir, ich meine wie er sich meine Zukunft vorstellt?“
Herr Gutermann dreht sich bereits im Türrahmen noch einmal zu mir um.
„Sicherlich nicht, junger Herr“, sagt er dann. „Das ist ja nun eine Sache, die mich wirklich nichts angeht.“ Dann verbeugt er sich noch einmal und geht.
Als er verschwunden ist, wollen mich meine Beine nicht mehr länger tragen. Ich sinke auf meine Schulbank und vergrabe mein Gesicht in meinen Armen. Gerade als ich anfangen will zu weinen, fällt mir ein, dass ich mir vorgenommen hatte, das niemals wieder zu tun. So bleibe ich eine lange Weile sitzen, während ich darum kämpfe, meine Tränen zurückzuhalten.
Mein Vater verliert keine Zeit. Er bestellt mich noch am selben Abend des Tages, an dem sich Herr Gutermann von mir verabschiedet hat, zu sich.
„Du bist lange genug über deinen Büchern gehockt“, sagt er bei meinem Eintreten und baut sich drohend vor mir auf. Als ich jünger war, pflegte mir das stets zusätzlich Angst einzujagen. Seltsamerweise in letzter Zeit immer weniger. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich mittlerweile beinahe schon so groß bin wie er, und dass er mir bereits Dinge angetan hat, die schlimmer kaum mehr kommen können.
„Habe deinen Tintenspritzer entlassen“, knurrt er. „Den brauchst du nicht mehr.“
Ich neige meinen Kopf und sage nichts, während sich mein Magen beginnt, schmerzhaft zusammenzuziehen.
„Er hat gemeint, dass du ein helles Köpfchen bist“, fährt er fort. „Damit wird es dir sicherlich ein Leichtes sein, dich von nun an alleine durchzubringen. Schließlich habe ich dich lange genug durchgefüttert.“
Jetzt blicke ich doch erstaunt auf und stelle fest, dass er wütend auf mich herunterglotzt. Da er mir nahe ist, kann ich seine Alkoholfahne riechen. Das ist ein schlechtes Zeichen, da er, wenn er getrunken hat, dazu neigt, noch unberechenbarer zu sein als sonst.
„Du wirst keine weitere Nacht mehr unter meinem Dach verbringen“, sagt er. Es hört sich undeutlich an. Anscheinend hat er mehr getrunken als üblich, da man ihm normalerweise seinen Rausch nicht anmerkt.
Ich erschrecke. Schlagartig wird mir klar, dass ich in den letzten fünfzehn Jahren zumindest ein Dach über dem Kopf und regelmäßige Mahlzeiten auf dem Tisch hatte. Nun ja, jedenfalls mehr oder weniger regelmäßige, wenn man von denjenigen absieht, die er mir als Teil einer Strafe vorenthalten hatte. Was nicht wenige waren.
„Aber Vater …“, setze ich an.
„Ich werde ein letztes Mal großzügig zu dir sein“, unterbricht er mich mürrisch. Er bückt sich und hebt etwas vom Boden auf. „Hier“, knurrt er und wirft mir ein Bündel vor die Füße. Durch diese Bewegung aus dem Gleichgewicht gebracht, taumelt er rückwärts. Er zieht sich einen Stuhl heran und fläzt sich hinein.
„Das da kannst du mitnehmen“, brummt er.
Ich bücke mich und nehme es hoch. Es enthält, so weit ich erkennen kann, einige wenige Kleidungsstücke. Meine Bestürzung nimmt zu.
„Du wirst dieses Haus auf der Stelle verlassen“, sagt er.
„Aber wohin soll ich …“, stammle ich.
„Ist mir egal“, schnauzt er mich an. „Geh meinetwegen zur Hölle oder dorthin, wo der Pfeffer wächst.“
Während sich meine Bestürzung in Panik verwandelt, wuchtet er sich von seinem Stuhl hoch und kommt auf mich zu. Instinktiv weiche ich zur Seite, um aus seiner Reichweite zu kommen, aber er geht dieses Mal an mir vorbei auf die Tür zu. Dort angekommen reißt er diese auf und brüllt „Hans“ in den Gang hinaus.
Nur Augenblicke später betritt Hans Schneider, sein Leibdiener und Saufkumpan die Szene.
„Begleite meinen Sohn hinaus“, befiehlt mein Vater hoheitsvoll.
Der so Angesprochene nickt und nimmt meinen Arm. Ich versuche ihn abzuschütteln, aber im Gegensatz zu meinem Vater ist er stocknüchtern und stark wie ein Bulle.
„Wenn der junge Herr mir folgen wollen“, sagt er höflich. Und zieht mich in seinem Klammergriff mit sich. Als ich in meinen Bemühungen aufblicke, sehe ich, wie mein Vater grinst. Ein sehr hämisches und triumphierendes Grinsen. „Du gehst besser freiwillig“, sagt er, „oder es wird mir ein Vergnügen sein, dich hinauszuprügeln.“ Daraufhin höre ich auf, mich zu wehren.
Der Kammerdiener schleift mich durch unseren Flur bis zur Außentür, ohne auch nur für einen Augenblick seinen Griff zu lockern. Dort angekommen öffnet er diese und gibt mir einen heftigen Stoß. Damit beschäftigt, mein Gleichgewicht wieder zu finden, höre ich, wie er das Bündel hinter mir dreinwirft. Dieses landet mit einem dumpfen Plumps auf dem Boden neben mir. Hans schlägt unsere Haustür vor meiner Nase zu und ich kann hören, wie er die Tür von innen mit dem dafür bestimmten Riegel sichert.
Trotz meiner Angst blitzt schlagartig der Gedanke in mir auf, das dies der Augenblick ist, in welchem ich alles, was ich aus tiefstem Herzen hasse, hinter mir lassen kann. Dieser ist zwar überraschend und ohne dass ich mich darauf vorbereiten konnte, über mich gekommen … aber trotzdem … Ich beschließe die Gelegenheit zu nutzen.
Am nächsten Morgen allerdings ist dieser Anfall von Wagemut verflogen. Ich habe die Nacht in einem Heuschober zwar nicht unangenehm verbracht, bin jetzt aber hungrig und spüre wie zusätzlich noch ein anderes Gefühl an meinen Innereien zu nagen beginnt. Das Gefühl entpuppt sich als Verzweiflung, da ich nicht die geringste Ahnung habe, was ich tun kann, um zu überleben.
Etwas verspätet fällt mir ein, dass ich bis jetzt keinen Gedanken an meine Mutter verschwendet hatte. Vielleicht hätte sie mir ja gestern Abend beigestanden und …