Raumschiff Promet - Zu den Sternen 52: Projekt Cyberjohn - Andreas Zwengel - E-Book

Raumschiff Promet - Zu den Sternen 52: Projekt Cyberjohn E-Book

Andreas Zwengel

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Beschreibung

Beim ersten Parakonflug der Space Rocket Company havariert das Raumschiff Marco Polo. Dabei kommt der Vater des elfjährigen Zachary Kort ums Leben. Zachary versucht daraufhin, die dunklen Machenschaften von Dex Coleman, dem Chef der Company, aufzudecken. Als dieser sich wehrt und auch vor extremen Maßnahmen nicht zurückschreckt, muss Zachary sein Elternhaus verlassen und untertauchen. Doch sein Wunsch nach Gerechtigkeit bleibt bestehen und führt ihn schließlich in die Grauzonen von Managua.

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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2025

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In dieser Reihe bisher erschienen:

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation

5020 Achim Mehnert Das Attentat

5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt

5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij

5023 Gerd Lange Das fremde Ich

5024 Andreas Zwengel Geheimwaffe Psychomat

5025 Andreas Zwengel Im Bann der roten Sonne

5026 Andreas Zwengel Das Schiff der S-herer

5027 Gerd Lange Das Eindenker-Tribunal

5028 Andreas Zwengel Der Bote des Todes

5029 Gerd Lange & Andreas Zwengel Alarm im Solsystem

5030 Andreas Zwengel Negor in Not

5031 Andreas Zwengel Im Reich des Orff

5032 Andreas Zwengel Orffs Sonnenreigen

5033 Andreas Zwengel Der falsche Orff

5034 Andreas Zwengel Entscheidung auf Baranad

5035 Gerd Lange Im Licht der drei Monde

5036 Andreas Zwengel Planet der Bestien

5037 Andreas Zwengel Mysteriöse Vergangenheiten

5038 Andreas Zwengel Wächter des Schwarzen Imperiums

5039 Andreas Zwengel Der Raub der Moranerin

5040 Andreas Zwengel Transition ins Gestern

5041 Andreas Zwengel Überfall auf Wasp

5042 Gerd Lange Auf der Suche nach Moran

5043 Gerd Lange Ximenas Martyrium

5044 Manfred H. Rückert Das Geheimnis von Jiron

5045 Andreas Zwengel Die Körperlosen

5046Manfred H. Rückert Gefahr für Sperrkreis 1

5047 Andreas Zwengel Das Erbe der Agaren

5048 Andreas Zwengel Das Bangor-Desaster

5049 Gerd Lange Überfall auf Riedle

5050 Manfred H. Rückert Die Hölle von Bangor

5051 Manfred H. Rückert Bewahrer des Friedens

5052 Andreas Zwengel Projekt Cyberjohn

PROJEKT CYBERJOHN

RAUMSCHIFF PROMET – ZU DEN STERNEN

BUCH 52

ANDREAS ZWENGEL

INHALT

Projekt Cyberjohn

Andreas Zwengel

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

Copyright © 2025 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Andreas-Hofer-Straße 44 • 6020 Innsbruck - Österreich

Redaktion: Gerd Lange

Exposé: Gerd Lange

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati, Mario Heyer

Logo: Mark Freier

Alle Rechte vorbehalten

eBook Satz: Gero Reimer

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-368984-587-2

5052 vom 04.10.2025

PROJEKT CYBERJOHN

Raumschiff Marco Polo, 21.07.2092, 11:28 Uhr Bordzeit

Frierend kam Vidar Kort im Triebwerksraum der Marco Polo zu sich. Der große Mann wollte sich aufsetzen, aber sofort wurde ihm so übel, dass er lieber darauf verzichtete. Er musste die Besinnung verloren haben und konnte sich dies nur als Folge der Transition erklären. Sie hatte dem Ortungs- und Triebwerksspezialisten offenbar stark zugesetzt.

Vorsichtig bewegte er sich über den Boden auf seinen Sitz zu, um sich daran hochzuziehen. Er schaffte es in eine knieende Position, dabei blickte er auf die Spiegelung seines Gesichts in einem ungenutzten Holoschirm. Von Vidars braunem, halblangen Haar, das er stets aus der Stirn nach hinten gekämmt trug, waren einige Strähnen nach vorne ins Gesicht gefallen. Seine zwischen ihnen hindurch erkennbaren trüben braunen Augen waren in diesem Moment von besonders dunklen Augenringen umgeben. Es ging ihm überhaupt nicht gut. Die möglichen Folgen einer Transition waren ihm zuvor in aller Ausführlichkeit geschildert worden, aber dass sie so heftig ausfallen konnten, hatte er nicht erwartet.

Wie war es wohl dem Rest der Besatzung ergangen? Er versuchte den Bordfunk zu erreichen und rutschte fast dabei um ein Haar von seinem Sitz. In letzter Sekunde konnte er sich noch festklammern.

Hinter ihm öffnete sich das Schott zum Triebwerksraum, Valerie Fisher kam herein. Die Bordärztin der Marco Polo war ebenfalls noch etwas klapprig auf den Beinen. Ihre Haut wirkte blasser als sonst, was ihre vielen Sommersprossen besonders zur Geltung brachte.

Valerie musterte ihn prüfend und stellte schnell eine Diagnose. Aus ihrer Tasche nahm sie einen Injektor und verabreichte Vidar ein Stärkungsmittel. „Das wird dich schnell wieder auf die Beine bringen“, versprach sie.

Vidar war zu schwach, um ihr zu antworten, doch das Mittel zeigte schnell Wirkung. Innerhalb von Sekunden fiel die Schwäche von ihm ab, er konnte sich aufrichten, um sich wieder richtig auf seinem Sitz niederzulassen. „Das war heftig“, keuchte er.

Valerie strich ihr rötliches, halblanges Haar auf beiden Seiten des Kopfes zurück. „Das kannst du laut sagen.“

„Wie ist es den anderen ergangen?“

„Alle in der Schiffszentrale haben mehr oder weniger unter dem Transitionsschock gelitten.“

„Dabei war das doch nur eine Kurzstrecke. Unser Ziel liegt nur sechs Lichtjahre von Terra entfernt.“ Vidar atmete tief durch und fühlte sich stark genug, um sich zu erheben.

Bernards Pfeilstern war der nächstgelegene Einzelstern in Terras Umgebung. Das Sonnensystem wurde von der HTO nie angeflogen, weil seine Planeten aufgrund ihrer Sonnennähe uninteressant waren. Aber es war ideal für Testflüge der Space Rocket Company, die SRC musste hier nicht befürchten, irgendwelche Besitzansprüche zu verletzen.

Valerie überprüfte seine Werte und war nicht zufrieden damit. „Nach der Injektion sollte das Ergebnis eigentlich besser sein.“

„Ich komme mir gerade wie ein ziemlicher Schwächling vor“, beklagte sich Vidar.

„Darauf hast du keinen Einfluss“, beruhigte ihn die Bordärztin. „Es liegt ja nicht an deiner Stärke oder Entschlossenheit, wie sich eine Transition auf deinen Organismus auswirkt. Es gibt genügend Berichte, wonach selbst die härtesten Kerle unter dem Transitionsschock eingeknickt sind.“

Vidar nickte, fühlte sich aber dadurch kaum besser. Als sich das Schott öffnete und Kommandant Tillmer Newbert eintrat, war ihm sein Zustand sofort peinlich.

„Wie schlimm ist es?“, erkundigte sich Newbert bei seiner Bordärztin.

„Heftiger als bei den anderen“, antwortete sie.

„Geht es wieder?“, fragte der Kommandant in Vidars Richtung.

„Es muss.“

Es war der erste interstellare Flug eines Raumschiffes der Space Rocket Company überhaupt. Die Marco Polo war bisher nur mit DeGorm-Triebwerken ausgestattet gewesen. Speziell Vidar Kort hatte mit dem Schiff nach der Erweiterung auf Borul-Triebwerke vorher nur zwei kurze Testhüpfer unter der Anleitung eines HTO-Mitarbeiters innerhalb des Solsystems absolviert. Die waren beide wesentlich unspektakulärer verlaufen.

„Wir gehen kein Risiko ein“, entschied Newbert. „Bring ihn auf die Medo-Station und check ihn komplett durch. Wenn wir unsere Instrumente so peinlich genau kontrollieren, sollten wir das mit unserer Besatzung erst recht tun.“

Der Kommandant blickte den beiden hinterher, wie sie den Triebwerksraum verließen, und ging dann zurück in die Zentrale. Dort meldete Funktechniker Pirmin Pillay über Hypercom der SRC in Kapstadt die erfolgreich verlaufene Transition. Er verschwieg dabei nicht die Pro-bleme, die manche Besatzungsmitglieder durch die Transition erlitten hatten.

„In Ordnung. Schauen wir uns erstmal um“, befahl Newbert.

Pillay machte sich sofort an die Arbeit. Der untersetzte Ortungs- und Funktechniker ermittelte mit den Schiffssensoren die näheren Daten für die sechs Planeten, von denen vier Barnards Pfeilstern in Sonnennähe umkreisten. Den Beinamen Pfeilstern verdankte diese Sonne dem Astronomen Edward Emerson Barnard, der 1916 entdeckt hatte, dass sie eine besonders große Eigengeschwindigkeit beim Durchqueren des Weltraums besaß. Sie war eine Rote-Zwerg-Sonne mit Spektraltyp M4 und wurde von vier Planeten in sehr engen Radien umkreist. Diese waren alle kleiner als die Erde und sollten wegen ihrer geringen Entfernung zur Sonne klimatisch zu heiß für die Entwicklung von Lebensformen sein. Es konnte sich nur um reine Felsplaneten handeln. Interessant für die Besatzung der Marco Polo waren deshalb nur die beiden äußeren, gerade eben erst entdeckten Gesteinsplaneten, die ihre Sonne weit genug entfernt umkreisten, um etwas mehr zu bieten.

Newbert stand hinter Pirmin Pillay und betrachtete die Ergebnisse auf der Holo-Anzeige, als sich Valerie über Bordcom aus der Medo-Station meldete. Sie klang angespannt. „Ich habe Vidar gründlich untersucht und dabei ist er mir kollabiert.“

„Das ist selbst für einen Transitionsschock eine heftige Reaktion“, sagte Newbert alarmiert.

„Ich habe ihn an den RoboDoc angeschlossen und versuche, ihn zu stabilisieren. Offenbar spielt seine Immunabwehr verrückt.“

„Gib mir sofort Bescheid, wenn sich etwas ergibt, Valerie.“ Tillmer Newbert war ein geselliger und lockerer Kommandant, mit dem man gut auskam, wenn alles glatt lief. Bei Problemen konnte er jedoch in Sekundenschnelle umschalten und zu einem kühl kalkulierend reagierenden Profi werden. Er erwartete von jedem Crewmitglied vollen Einsatz und Mut zu eigenständigem Handeln.

Auf der Medo-Station warf die Bordärztin einen besorgten Blick auf ihren Patienten. Vidars Symptome passten nicht zu den bisher dokumentierten Reaktionen auf Transitionen, besonders in ihrer Heftigkeit. Sie hatte nicht erwartet, dass man dieser umfangreichen Liste medizinischer Symptome noch etwas hinzufügen konnte.

Mit einem Piepsen verkündete der RoboDoc den Abschluss seiner Analysen. Valerie ging zu ihm hinüber und betrachtete die Werte. Nach einer Schrecksekunde handelte sie sofort und entschlossen. Sie rief die Sicherheitstronik der Medo-Station auf und trennte ihren Bereich vom Rest des Schiffes. Damit waren ihr Patient und sie selbst isoliert.

Diese Maßnahme blieb in der Zentrale nicht unbemerkt, sofort meldete sich Kommandant Newbert bei ihr. „Was ist geschehen?“

„Die gesundheitlichen Probleme von Vidar sind ernster als befürchtet“, berichtete die Bordärztin. „Die Untersuchung hat einen unbekannten Krankheitskeim entdeckt.“

„Wie gefährlich ist er?“

„Das kann ich noch nicht sagen. Bisher ist es nicht gelungen, ihn zu identifizieren. Ich muss ihn zuerst genauer untersuchen und das kann eine Weile dauern. Bis dahin will ich kein Risiko eingehen.“

Newbert dachte nach. „Könnten wir alle davon befallen sein?“

„Bisher hat niemand außer Vidar irgendwelche Symptome gezeigt.“

Der Kommandant dachte einen Moment nach. „Vidar war letzte Woche bei einer theoretischen Schulung für die neuen Triebwerke bei der HTO-Konkurrenz in Kanada. Könnte er sich dort den unbekannten Krankheitskeim eingefangen haben?“

„Das ist gut möglich“, sagte Valerie. „Da treffen eine Menge Leute von überall her aufeinander. Wenn man überlegt, was für ein Großaufgebot an Raumschiffen und Hilfsmannschaften der HTO sich momentan damit beschäftigt, auf Negor den Nekroniden medizinische Unterstützung und Aufbauhilfe zu bieten, sind die Möglichkeiten einer Ansteckung praktisch unbegrenzt.“⁠1

„Aber ich habe noch von keinem anderen Zwischenfall dieser Art gehört“, sagte der Kommandant.

„Vielleicht sind wir die Ersten und entdecken gerade etwas völlig Neues.“

„Bitte etwas weniger Begeisterung“, tadelte Newbert seine Bordärztin. „Wie gehen wir weiter vor?“

„Ich bleibe weiter mit Vidar in Isolation, bis ich mehr herausgefunden habe“, erklärte Valerie Fisher. „Ich habe ihn in einen heilsamen Tiefschlaf versetzt.“

„Das bedeutet, wir müssen vorerst auf seinen Einsatz im Triebwerksraum verzichten?“

„So sieht es aus.“

„Was meinst du, Valerie, sollen wir den Flug vorsichtshalber abbrechen?“

Die Bordärztin überlegte nur kurz. „Ich glaube, das wird noch nicht nötig sein. Zumindest, solange bei unserer Crew keine derartigen Symptome auftreten.“

„Dann hoffen wir mal, dass die Isolation rechtzeitig erfolgt ist.“ Newbert seufzte. „Das stellt uns natürlich vor das Problem, dass eventuell jemand den Triebwerksraum übernehmen muss, der auf Transitionen nicht ausgebildet ist. Halte mich bitte über alle Entwicklungen auf dem Laufenden.“

Kommandant Newbert informierte die übrigen Besatzungsmitglieder über den Zustand des Triebwerksspezialisten. Pilotin Sheila Govender stieß einen leisen Fluch aus und Pirmin Pillay blickte besorgt drein. Alles, was ansteckend war, beunruhigte ihn sofort.

Newbert verkündete, dass er in Absprache mit Valerie entschieden hatte, die Mission fortzusetzen. Schließlich erhielt der Testflug des Prospektorenschiffes Marco Polo viel Aufmerksamkeit. Ein Abbruch bedeutete keine Katastrophe, aber da es sich bei ihrer Reise nach Barnards Pfeilstern um eine Premiere für die SRC handelte, konnten Medien und Konkurrenten schnell von einem Rückschlag sprechen. Deshalb wollte Newbert einen vorzeitigen Rückflug vermeiden. Allerdings nicht auf Kosten der Gesundheit seiner Crew.

„Wir werden also planmäßig weitermachen. Sollte sich aber der Zustand von Vidar verschlechtern oder einer von uns ähnliche Symptome zeigen, werden wir sofort nach Terra zurückkehren.“

„Ich vertraue auf Valeries Einschätzung“, sagte Sheila, die Pilotin war seit frühester Kindheit mit der Bordärztin befreundet. Die große Frau mit den grauen Augen drehte sich zu ihrem Kommandanten um. „Womit beginnen wir?“

„Wir werden zunächst die beiden äußeren Planeten inspizieren, ob sich dort gewinnbringende Bodenschätze für die SRC finden lassen“, erklärte Newbert. „Aber da jederzeit das Aus für unsere Reise kommen kann, werden wir mehrere Punkte auf unserer Checkliste gleichzeitig abhaken. Ich möchte mit einer Transition über eine kurze Strecke prüfen, ob sich die Borul-Triebwerke auch ohne Besetzung des Triebwerkspostens von der Zentrale aus einwandfrei bedienen lassen.“

„Und das mit einem Besatzungsmitglied weniger“, klagte Sheila. Sie strich über die lange blonde Strähne, die aus ihrem ansonsten dunkelbraunen Kurzhaar herausragte und rechts von der Stirn seitlich bis hinter das Ohr frisiert war. Seit Studienzeiten war die Strähne ihr Markenzeichen. Wer Sheila Govender kannte, kannte auch ihre ungewöhnliche Frisur.

„Betrachten wir es als zusätzliche Herausforderung“, gab sich Newbert lockerer, als er in dieser Situation tatsächlich war.

Die drei Besatzungsmitglieder in der Zentrale machten sich an die Vorbereitung für die Kurztransition.

„Sieht alles gut aus“, meldete Sheila Govender. „Wir beginnen unter optimalen Bedingungen.“

Der Kommandant nickte zufrieden. „Dann los!“

Nach der Beschleunigungsphase verschwand die 125 Meter lange Marco Polo für die interplanetare Kurzstrecke im Parakon. Das Raumschiff materialisierte aus dem Zwischenkontinuum in ein absolutes Chaos. Ein erneuter Transitionsschock traf die Besatzung mit unerwarteter Härte. Alarmsignale aller Art erfüllten die Zentrale und quälten die Ohren der Anwesenden. Die Anzeigen flackerten und lieferten keine Außensicht.

„Analyse!“, forderte Newbert mit gepresster Stimme.

„Die Sprungtriebwerke haben einwandfrei gearbeitet“, berichtete Pillay hektisch. „Jedoch hat die Zielkoordination nicht wie gewünscht funktioniert.“

„Wie konnte das geschehen?“

„Mein Fehler“, gestand Sheila Govender. „Ich muss bei der Eingabe der Daten in die Sprungsteuerung etwas falsch gemacht haben. Die Koppelung der Positionsdaten des fünften Planeten mit den Sprungparametern ist fehlgelaufen.“

„Verdammt“, flüsterte Newbert.

„Vidar wäre das sicher nicht passiert“, fügte die Pilotin hilflos hinzu.

Tillmer Newbert erwiderte nichts. Vorwürfe und Schuldzuweisungen brachten ihnen momentan überhaupt nichts. Die Logik der beiden Navigationserfordernisse war anscheinend eine andere als bei den DeGorms. Dort wirkte sich eine solche Fehlberechnung nicht sonderlich aus, weil es ein kontinuierlicher Ortswechsel war und sich Fehler während eines Normalraumfluges jederzeit berichtigen ließen. Bei einem in Nullzeit stattfindenden Parakonsprung dagegen zeigte auch die geringste Abweichung sofortige Auswirkungen.

„Oh nein“, stöhnte Pirmin Pillay, der gebannt seine Ortungsinstrumente betrachtete.

Newbert und die Pilotin mussten nicht nachfragen, sie sahen es in diesem Augenblick selbst, weil die Außensicht wieder funktionierte. Die Marco Polo war wenige Dutzend Kilometer über dem Planeten rematerialisiert und raste der Oberfläche entgegen. Sheila Govender versuchte noch, das Raumschiff mit den DeGorm-Triebwerken abzufangen, doch die Marco Polo flog mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Der abrupte Wechsel vom Weltall in die Atmosphäre eines Planeten überforderte die Systeme.

„Verdammt!“, entfuhr es Kommandant Newbert angesichts des Planeten, der ihr gesamtes Sichtfeld ausfüllte.

Funktechniker Pillay gelang es noch, ein Notsignal über die Geheimfrequenz an die Space Rocket Company zu senden. Zehn Sekunden später bohrte sich das Raumschiff fast ungebremst in die Oberfläche des fünften Planeten von Barnards Pfeilstern.

* * *

Südafrika, Kapstadt, Stadtteil Green Point,

24.07.2092, 07:42 Uhr

„Zachary!“

Während sich ihr Ehemann Vidar auf Raumschiffen herumtrieb, musste Loris Kort ihren bockigen Sohn bändigen. Natürlich blieben die unangenehmen Aufgaben an ihr hängen. Sie war es, die Zac zu Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit und Disziplin erzog, während Vidar meist nur die schönen Momente mit dem gemeinsamen Sohn genoss. Vater und Sohn verband das Interesse an Troniken und Coms mit dem Ergebnis, dass Zac schon mit seinen elf Jahren ein hervorragender Spezialist im Umgang mit den technischen Errungenschaften der 2090er Jahre war. Eine Karriere in diesem Bereich schien ihm vorbestimmt.

Doch das interessierte Zac genauso wenig wie auch alle anderen Dinge, die für Loris von großer Bedeutung waren, wie beispielsweise ein gemeinsames Frühstück und gesunde Ernährung. Zac stürmte in die Küche, an dem gedeckten Tisch vorbei und zum Speisenautomaten, aus dessen umfangreichem Sortiment er zielsicher die ungesündesten Produkte auswählte. Im Stehen verschlang er mehrere fettige Synthie-Pizzastreifen, praktisch ohne zu Kauen. Stattdessen spülte er sie mit ultrasüßem Powerdrink hinunter.

Loris blickte auf ihr eigenes Frühstück, das aus Seetang-Toast und sündhaft teurem, speziell veredeltem Kaffee aus Privatanbau bestand. Sie kämpfte gegen den Drang an, ihrem Sohn einen Vortrag über die richtige Ernährung zu halten, denn davon wollte Zac nichts hören. Im Grunde musste sie sich keine Sorgen darüber machen, dass er Fett ansetzte, denn der Junge verbrannte Kalorien wie in einem Hochofen. Zac war schon für seine jungen Jahre ungewöhnlich groß, breitschultrig und besaß ein kantiges Gesicht mit ausdrucksstarken grauen Augen. Es war abzusehen, was für ein gutaussehender Mann er einmal sein würde. Loris fürchtete allerdings, dass er es aufgrund seines Aussehens später zu einfach haben würde. Mit der Folge, dass er schon jetzt diese Bequemlichkeit ausnutzte und sich an alle Annehmlichkeiten gewöhnte. „Willst du nicht noch ein paar Vitamine zu deiner Mahlzeit?“, fragte sie bemüht neutral. Sie war nun mal Biomedizinerin und konnte nicht aus ihrer Haut.

„Heute nicht“, antwortete er und leerte seinen Becher.

„Nur so, als exotische Zugabe, um deinen Körper zu überraschen?“

„Mom, nicht schon wieder“, beschwerte sich Zac genervt.

Es ist einfach hoffnungslos, dachten beide gleichzeitig.

Loris war mit 191 Zentimetern ungewöhnlich groß für eine Frau. Sie achtete neben guter Ernährung auch auf elegante Kleidung und gepflegte Umgangsformen. Schon in ihrer Kindheit war sie entschlossen und zielstrebig gewesen. Mit eiserner Disziplin hatte sie es zur leitenden Biomedizinerin für Gesundheitswissenschaften an der University of Cape Town gebracht. Die UCT war die älteste Universität im Süden des afrikanischen Kontinents. Deshalb gehörte die Familie Kort auch zu den Spitzenverdienern im Lande und konnte sich einen gehobenen Lebensstandard und ein großes Apartment in einer privilegierten Wohngegend leisten. Loris hatte nie vergessen, wie viel Arbeit und Entbehrungen mit dem zurückgelegten Weg verbunden waren. Sie befürchtete, dass ihr Sohn es später einmal zu leicht haben würde. Sie wollte nicht, dass Zac zu einem verwöhnten jungen Erwachsenen heranwuchs, wie die Kinder ihrer Kollegen, die keine Leistung kannten, sondern nur Ansprüche hatten.

Zacs Vater war ihr dabei keine Hilfe. Vidar Kort nahm alle Annehmlichkeiten bedenkenlos an, weil sich seine Gedanken ohnehin nur um Technik drehten. Insbesondere um Triebwerke. Essen war für ihn nur Energiezufuhr und je schneller Zubereitung und Verzehr vonstattengingen, umso besser war es für ihn. Kleidung diente ihm nur dazu, seinen Körper zu bedecken und gegen Kälte zu schützen. Unterhaltungen führte er ausschließlich über sein Fachgebiet. Und dieses Verhalten hatte auf Zachary abgefärbt, denn der Junge vergötterte seinen Vater. Warum auch nicht? Schließlich verhielt sich Vidar nicht wie ein Erziehungsberechtigter, sondern wie ein sehr viel älterer Kumpel seines Sohnes.

„Hat Dad sich schon gemeldet?“, fragte Zac, um das Thema zu wechseln. Sein Vater war vor drei Tagen zu einem Raumflug mit der Marco Polo aufgebrochen und sie wunderten sich, dass er noch nichts von sich hatte hören lassen. Das war sehr untypisch, denn Vater und Sohn waren eng miteinander verbunden. Zac kam mit seinem lockeren Vater immer viel besser zurecht, als mit seiner übertrieben strengen Mutter, die ständig nur an ihm herumkritisierte. Jedenfalls empfand er es so.

„Er steht bestimmt gerade in seinem Triebwerksraum und unterhält sich mit einem Kollegen über unterschiedliche Raumschiffantriebe“, sagte Loris verärgert. „Da kann man schon mal seine Familie vergessen.“

„Mom“, sagte Zac ruhig. „Sie haben bestimmt eine Menge zu tun.“

„Wundert mich nicht, dass du ihn verteidigst.“ Sie klang nun weniger verärgert als traurig.

Eigentlich hatten seine Eltern miteinander vereinbart, dass Vidar sich jeden Tag melden sollte, während er auf dem Testflug war. Nicht nur, um Frau und Sohn zu beruhigen. Vidar wusste doch genau, wie sehr Zac auf Informationen über diesen Raumflug brannte. Er wollte alles darüber wissen und das nicht erst bei der Rückkehr seines Vaters.

„Er wird sich bestimmt bald melden. Er weiß doch, dass wir uns Sorgen machen, wenn er unterwegs ist“, tröstete Zac seine Mutter.