Raus aus der Insulin-Falle - Bernhard Dickreiter - E-Book

Raus aus der Insulin-Falle E-Book

Bernhard Dickreiter

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Beschreibung

Insulinresistenz … das ist doch sowas wie Diabetes, oder? Falsch, denn während letztere bereits seit der Antike dokumentiert ist und heute zu den weitverbreitetsten Volksleiden der westlichen Zivilisation zählt, ist die Insulinresistenz noch weniger bekannt und bleibt oft unentdeckt. Dr. med. Bernhard Dickreiter möchte das ändern und setzt mit diesem Buch ganz bewusste Impulse, um ganzheitlich der Vorgängererkrankung von Diabetes, Adipositas & Co. entgegenzuwirken. Er beantwortet die wichtigsten Fragen nach Ursachen und Auswirkungen einer Insulinresistenz und zeigt, wie Betroffene durch eine gezielte Ernährungsumstellung, mehr Bewegung und bewusste Entspannung aus der Insulin-Falle herausfinden – für einen gesünderen Lebensstil und leichteren Alltag.

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Seitenzahl: 204

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die »überraschende« Diagnose eines Diabetes

Ich doch nicht! Ich lebe doch gesund! Das waren die ersten Gedanken, die der 48-jährigen Lena durch den Kopf schossen, als sie von ihrem Hausarzt überraschend die Diagnose Typ-2-Diabetes erhielt. Auf der Geburtstagsfeier meiner Nichte setzte sie sich neben mich und schilderte mir ihre gesundheitlichen Probleme. Solche »Sprechstunden« sind für mich keine Seltenheit, und so nutzte auch Lena das Familienfest für ein ärztliches Beratungsgespräch. Nach ihren Schilderungen litt sie in den letzten Monaten in beiden Füßen an Missempfindungen, die bis zur Mitte der Waden hinaufreichten. Das Kribbeln und das Kältegefühl empfand sie als sehr störend. Auch ihre allgemeine Leistungsfähigkeit hatte nachgelassen. Sie war bei Weitem nicht mehr so fit wie früher.

Nach der Auswertung ihrer Laborwerte teilte der Hausarzt ihr die Diagnose mit: Typ-2-Diabetes, mit einer bereits deutlichen peripheren Polyneuropathie (Nervenschädigung) an beiden Beinen. Bei Lena hatte demnach der Typ-2-Diabetes bereits Folgeschäden an den Nerven beider Füße und Unterschenkel ausgelöst, bevor er überhaupt diagnostiziert wurde.

»Wie kann es sein«, fragte mich Lena, »dass ich von meiner Zuckerkrankheit nichts bemerkt habe und es bei mir trotzdem schon zu solchen Schäden gekommen ist?«

Als Internist und Chefarzt einer Rehaklinik habe ich jahrzehntelang Patienten mit Typ-2-Diabetes behandelt. Die vielfältigen Folgeerkrankungen und schwerwiegenden Komplikationen dieser Stoffwechselerkrankung waren mir weitreichend bekannt. »Bis ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert wird«, erklärte ich Lena, »besteht bei den Betroffenen in aller Regel seit längerer Zeit eine ausgeprägte und dauerhafte Störung des Glukosestoffwechsels. Blutzucker und Insulin sind bereits chronisch erhöht, ohne dass die Betroffenen direkte Beschwerden verspüren.«

In dieser Phase besteht bereits ein Prädiabetes mit einer Insulinresistenz oder ein Typ-2-Diabetes. Während einer Insulinresistenz kommt es infolge des gestörten Glukosestoffwechsels zu einer oft fortgeschrittenen Verzuckerung von Proteinen (Eiweißen) und Lipiden (Fetten) im Körper. Die Folge: Erhebliche negative Veränderungen in den Blutgefäßen, in der extrazellulären Matrix (Zellzwischenraum) und in den Zellen. Diese unbemerkten »Verzuckerungen« bergen eine große gesundheitliche Gefahr, denn sie führen bereits vor der Diagnose zu Schädigungen der Blutgefäße, der Nerven und der Zellen. Genau das war bei Lena der Fall. Zum Zeitpunkt ihrer Diagnose hatte sie schon solche Verzuckerungen. Über diesen Sachverhalt war sie total überrascht und fand ihn gleichsam erschreckend. Nie hatte sie von der schwerwiegenden Problematik einer Insulinresistenz gehört. »Da denkt man, man lebt ziemlich gesund, und dann kommt so was aus heiterem Himmel!« Lena schüttelte den Kopf.

Aber hier irrte sie sich. Ihre bisherige Lebensweise war eben nicht gesund. Ja, sie rauchte nicht und trank kaum Alkohol, aber sie ernährte sich vorwiegend von schnellen Kohlenhydraten wie Weißbrot, Pizza und Nudeln. Rasch mal beim Bäcker etwas Süßes zum Kaffee – das gehörte bei ihr genauso dazu wie die fehlende Bewegung in ihrem Alltag. Manchmal kam es vor, dass sich Lena die ganze Woche über kaum bewegte, da sie alle Wege mit dem Auto zurücklegte. Ihre stetige Gewichtszunahme hatte sie auf die beginnenden Wechseljahre geschoben.

»Und was wäre jetzt die beste Therapie für mich?«, fragte sie.

Zu ihrem Erstaunen erklärte ich ihr, dass es in der Therapie unterschiedliche Auffassungen und Herangehensweisen gebe. In der ärztlichen Behandlung des Typ-2-Diabetes steht oft die medikamentöse Einstellung des Blutzuckers im Vordergrund. Fallen dann in den Laboruntersuchungen die Blutzuckerwerte im Blut relativ normal aus, so scheint alles gut zu sein. Der erhöhte Blutzucker ist jedoch nur ein Teil der gesamten Problematik, und dessen medikamentöse Absenkung ist keineswegs eine ursächliche Therapie. Die fatale Annahme: »Sind die Blutzuckerwerte weitgehend normalisiert, dann ist alle im Lot«, trifft aber leider nicht zu. Diabetes-Medikamente senken zwar den Blutzucker, setzen jedoch nicht an den Ursachen der Insulinresistenz und des Typ-2-Diabetes an. Folglich handelt es sich hierbei lediglich um eine Symptomtherapie. Die starke Fixierung auf den Blutzucker in der Behandlung des Typ-2-Diabetes rief schon früh Kritiker auf den Plan. Denn: Wohin leiten die Medikamente die Glukose aus dem Blut? Die Glukose löst sich ja nicht einfach in Luft auf.

»Aber«, sagte ich zu Lena, »die viel wichtigere Frage lautet: Wodurch wird eine Blutzuckererhöhung überhaupt ausgelöst?«

Damit kein Missverständnis aufkam, erklärte ich ihr, dass eine kurzfristige, medikamentöse Therapie nach der Diagnose eines Typ-2-Diabetes zur Vermeidung akuter Komplikationen natürlich sinnvoll ist. Zur Heilung der Insulinresistenz und des Typ-2-Diabetes sowie zur Vermeidung von Folgekomplikationen ist langfristig jedoch eine ursächlich wirksame Therapie notwendig. Diese besteht vereinfacht gesagt vor allem aus einer gesunden Ernährung und ausreichend körperlicher Bewegung. Die konsequente, tägliche Umsetzung dieser beiden Faktoren führt recht bald zu einem besseren Glukosestoffwechsel. Umgekehrt führt eine fortwährende Fehlernährung in Kombination mit einem Bewegungsmangel sehr rasch in eine Insulinresistenz und mit der Zeit in einen Typ-2-Diabetes.

»Wenn du deine gesundheitlichen Probleme in den Griff bekommen willst«, verdeutlichte ich Lena, »musst du selbst aktiv werden. Du musst dich in die Therapie einbringen.«

Meine ernsten Worte verfehlten nicht ihre Wirkung. Als wir uns am Ende der Familienfeier verabschiedeten, hatte Lena verstanden, dass sie ihre Lebensweise ändern muss. Nur so hat sie die Chance, ihren Typ-2-Diabetes wieder loszuwerden und somit geheilt zu werden. Ansonsten wird sie dasselbe Schicksal erleiden wie heute Millionen ihrer Landsleute: chronisch krank infolge einer Insulinresistenz, eines Typ-2-Diabetes und deren Folgeerkrankungen.

Von einer seltenen Krankheit zum Volksleiden

Das Schicksal von Lena ist kein Einzelfall. Mit einer Insulinresistenz oder einem Typ-2-Diabetes hat sie viele Leidensgenossen. Patienten mit einer Glukosestoffwechselstörung sind heute in Arztpraxen sehr zahlreich vertreten – in Zukunft sicher noch viel zahlreicher. Dabei war der Typ-2-Diabetes in Deutschland einmal eine seltene Erkrankung. 1950 lag den Statistiken nach die Anzahl der Patienten mit dieser Erkrankung bei nahezu gleicher Einwohnerzahl wie heute bei unter fünfhunderttausend. In den folgenden Jahrzehnten stiegen mit dem zunehmenden Wohlstand die Fallzahlen Jahr für Jahr kontinuierlich an, sodass es heute laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft über 10 Millionen diagnostizierte Patienten mit Typ-2-Diabetes sind. Zusätzlich muss aber noch von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden, da eine Insulinresistenz oder ein Typ-2-Diabetes bei vielen schon besteht, jedoch noch nicht diagnostiziert wurde – wie auch im Fall von Lena. Damit kommt dieser Erkrankung die Bedeutung einer schwerwiegenden Volkskrankheit zu, die viel Leid erzeugt und für das Gesundheitssystem eine große ökonomische Herausforderung darstellt.

Weltweit beläuft sich die Anzahl der Patienten mit einem Typ-2-Diabetes auf über fünfhundert Millionen. Aber wie konnte es zu diesem erschreckenden Massenphänomen kommen? Was sind die Ursachen dieser fatalen Entwicklung?

Die Zivilisationskrankheiten, zu denen auch der Typ-2-Diabetes zählt, werden vor allem durch die moderne Lebensweise verursacht. Auf eine Zeit großen Mangels folgte ab ca. 1955 eine Periode des zunehmenden Wohlstands. Sie brachte mit sich: eine vermehrte Fehl- und Überernährung, einen zunehmenden Bewegungsmangel, eine chronische Stressbelastung und eine mangelnde Regeneration. Die Veränderung der Lebensweise führte zu einem Wandel des Krankheitsspektrums: von den früher häufigen Infektionskrankheiten hin zu den heutigen zahlreichen chronischen Zivilisationskrankheiten.

Der Wohlstand entwickelte sich langsam, sodass sich der Wandel des Krankheitsspektrums ebenfalls langsam vollzog. Auch dauerte es damals in der Regel bei den Betroffenen Jahrzehnte, bis eine Zivilisationskrankheit, z. B. eben Typ-2-Diabetes, ausbrach. Aus diesem Grund wurde vor nicht allzu langer Zeit der Typ-2-Diabetes noch als Altersdiabetes bezeichnet, da nahezu ausnahmslos ältere Personen von dieser Erkrankung betroffen waren. In den letzten Jahren zeigte sich jedoch, dass zunehmend jüngere Erwachsene und bereits auch schon Kinder betroffen sind. Diese Entwicklung ist relativ neu, und so gab es gute Gründe für den Namenswechsel: Von der Bezeichnung Altersdiabetes hin zu der heutigen Bezeichnung Typ-2-Diabetes.

Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes – wie gehört das zusammen?

Ernährungsfehler, die wiederholt oder dauerhaft zu einem erhöhten Blutzucker führen, bewirken eine vermehrte Ausschüttung von Insulin in der Bauchspeicheldrüse und damit einen erhöhten Insulinspiegel im Blut. Mit der Zeit verliert das Insulin jedoch seine Wirkung, da die Zellen nicht mehr gut darauf ansprechen, sodass das Einschleusen der Glukose in die Zellen zunehmend vermindert oder gestört ist. Das Insulin senkt den Blutzucker nun nur noch unzureichend, wodurch die Bauchspeicheldrüse noch mehr Insulin produziert – was früher oder später in den Typ-2-Diabetes führt.

Bei der modernen Lebensweise spielen sich die krankhaften Veränderungen im Organismus in viel kürzeren Zeiträumen ab. Deshalb erhalten immer mehr Betroffene in sehr viel früheren Lebensjahren die Diagnose einer Insulinresistenz oder eines Typ-2-Diabetes. Bei einigen jungen Menschen und auch bei Kindern ist die gleiche Entwicklung zu beobachten: Die Anzahl der Kinder mit Typ-2-Diabetes wird mittlerweile auf mehrere Tausend in Deutschland geschätzt. Auch die Folgeerkrankungen und Folgekomplikationen wie Nervenschäden, Nierenschäden, Netzhautschäden (Retinopathie), Durchblutungsstörungen der Beine, Herz-Kreislauf-Schäden mit Arteriosklerose (Gefäßverengung), Herzinfarkt und Schlaganfall treten deshalb immer mehr auch bei jüngeren Patienten auf. Diese Entwicklung ist verheerend. Kinder waren früher fast ausschließlich von dem sogenannten Typ-1-Diabetes betroffen, der völlig andere Ursachen hat.

Gesunde und krankmachende Kohlenhydrate

»Was für ein Zucker ist denn Glukose, und was sind gute und schlechte Kohlenhydrate?«, wollte Lena während unseres Gesprächs von mir wissen. Sie blickte auf ihren Teller, auf den sie sich vom Buffet Salat, Gemüse und Kartoffelsalat angerichtet hatte. »Manchmal«, sagte sie, »hört man ja die folgende Empfehlung: ›Essen Sie viel Gemüse und Salat, aber lassen Sie die Kohlenhydrate weg.‹ Also mache ich das hier gerade richtig?«

»Jein«, sagte ich.

Diese Empfehlung ist sachlich und fachlich so nicht richtig. Sowohl für das Verstehen der Insulinresistenz und des Typ-2-Diabetes als auch für deren Prävention und Therapie sind gründliche Kenntnisse über die Kohlenhydrate unerlässlich.

Was sind eigentlich Kohlenhydrate?

Pflanzen bauen mithilfe von Sonnenenergie aus Kohlenstoff und Wasser unterschiedliche Zuckerbausteine auf. Von dem Kohlenstoff stammt die Bezeichnung Kohlenhydrate. Der häufigste Baustein ist Glukose, die von den Pflanzen zu unterschiedlich langen Ketten wie zu Stärke (Glykogen) oder Cellulose verknüpft wird. Somit hat man es bei Kohlenhydraten mit einzelnen Zuckerbausteinen (z. B. Glukose, Fruktose) sowie mit unterschiedlich langen Zuckerketten zu tun. Daraus resultiert die folgende Einteilung in einfache und komplexe Kohlenhydrate:

Einfache Kohlenhydrate. Darunter werden einzelne Zuckerbausteine (Monosaccharide), wie Glukose, Fruktose, Galaktose, oder die Verbindung von zwei Zuckerbausteinen (Disaccharide), wie z. B. Saccharose aus Glukose und Fructose, verstanden.

Komplexe Kohlenhydrate. Darunter werden lange Ketten mit vielen Zuckermolekülen verstanden. Diese bestehen aus Hunderten oder gar aus Tausenden von Glukosemolekülen, die unterschiedlich lange und unterschiedlich verknüpfte Ketten bilden. Sie kommen zum Beispiel im Salat oder im Gemüse vor und benötigen viel Zeit für ihren Abbau durch die Verdauung oder sind überhaupt nicht verdaulich.

Glukose kommt demnach in Nahrungsmitteln in sehr unterschiedlichen Arten vor. Deshalb trifft die Empfehlung »Essen Sie viel Gemüse und Salat, aber lassen Sie die Kohlenhydrate weg« schlicht nicht zu. Denn wie wir gerade gesehen haben, bestehen auch Gemüse und Salat aus Kohlenhydraten. Die große Bedeutung der Einteilung – einfache oder komplexe Kohlenhydrate – liegt in den unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit der Glukose nach einer Nahrungsaufnahme im Blut erscheint. Nach dem Verzehr von Süßigkeiten (Mono- und Disaccharide) und von Stärke (Weißmehlprodukte, Kartoffeln, Reis usw.) gelangt Glukose sehr schnell – innerhalb von wenigen Minuten – ins Blut. Beim Verzehr von Salat und Gemüse müssen die langen Ketten dagegen erst durch die Verdauung aufgespaltet und zerlegt werden. Dies benötigt Zeit, weshalb die Glukose aus komplexen Kohlenhydraten sehr viel langsamer und später im Blut erscheint. Das macht den entscheidenden Unterschied! Hinzu kommt, dass einige kohlenhydrathaltige Pflanzenfasern (Ballaststoffe) aus Salat, Gemüse oder Obst überhaupt nicht verdaut und abgebaut werden können.

Schnell ins Blut einschießende Glukose lässt den Blutzucker sehr rasch und unnatürlich hoch ansteigen. Als Reaktion darauf wird übermäßig viel Insulin ausgeschüttet, das die Glukose in die Zellen treibt und den Blutzucker nun sehr stark absenkt. Zwei Stunden nach einer solchen Mahlzeit kommt es deshalb oft zu einer Unterzuckerung im Blut, die eine Heißhungerattacke auslöst. Dann besteht der Drang, schnell etwas Süßes zu essen, und der Betroffene gerät dadurch rasch in eine »Kohlenhydratmast« mit einer kontinuierlichen Gewichtszunahme.

Eine andauernde Fehlernährung mit schnellen Kohlenhydraten führt zu dauerhaften Blutzucker- und Insulinerhöhungen. Dadurch werden anhaltende krankmachende Veränderungen ausgelöst: eine Insulinresistenz und letztlich ein Typ-2-Diabetes. Für die praktische Medizin macht deshalb die Einteilung in »schnelle und langsame Kohlenhydrate« anstelle von »einfachen und komplexen Kohlenhydraten« deutlich mehr Sinn. Denn das entscheidende Kriterium ist: Wie schnell schießt die Glukose nach dem Essen ins Blut und wie stark wird der Blutzucker dadurch in die Höhe getrieben. Für den Speiseplan ist bedeutsam, dass sich viele schnelle Kohlenhydrate in Süßigkeiten, Süßgetränken, Kartoffeln, Reis und Weißmehlprodukten wie Brot, Brötchen, Kuchen, Nudeln usw. finden. Viele langsame Kohlenhydrate dagegen in Gemüse, Salat, Nüssen und Obst.

In der Evolutionsbiologie (Entwicklungsbiologie) nahm der Mensch fast ausschließlich langsame Kohlenhydrate zu sich. Der Verzehr von schnellen Kohlenhydraten kam so gut wie nie vor, denn er stand die meiste Zeit schlicht nicht zur Verfügung. Nur selten hatten unsere Vorfahren in der Urzeit die Gelegenheit, etwas Honig oder große Mengen süßer Früchte zu verzehren. Aus diesem Grunde sind der Glukosestoffwechsel und die Blutzuckerregulation des menschlichen Organismus lediglich für den Verzehr von langsamen Kohlenhydraten ausgelegt. Nicht jedoch für die heute in großen Mengen tagtäglich verzehrten schnellen Kohlenhydrate.

Die Veränderung der ursprünglichen Ernährungsweise hin zu den schnellen Kohlenhydraten vollzog sich in mehreren Schritten. Zu der ersten größeren Veränderung in der Ernährung kam es durch den Getreideanbau vor ca. 10 000 Jahren. Zu der zweiten massiven Veränderung kam es vor ca. 150 Jahren mit dem zunehmenden Verzehr von Süßigkeiten, Süßgetränken und von Lebensmitteln aus Auszugsmehlen. Zu der dritten Veränderung kam es vor wenigen Jahrzehnten durch die allgemeine Bewegungsarmut, welche die krankmachenden Auswirkungen des zunehmenden Verzehrs von schnellen Kohlenhydraten stark beschleunigte. Mit diesen Veränderungen trat in der Bevölkerung das Phänomen der Insulinresistenz und des Typ-2-Diabetes immer häufiger auf.

Glykämischer Index (GI)

Vor ca. 40 Jahren führten die Erkenntnisse über die langsam und schnell resorbierbaren Kohlenhydrate zu der Einteilung der Nahrungsmittel nach dem sogenannten glykämischen Index. Zunächst wurde die Wirkung von 50 Gramm reiner Glukose auf den Blutzuckeranstieg bestimmt. Dieser Wert entspricht dem Maximalwert des Blutzuckeranstiegs für 50 Gramm Glukose – reiner geht es nicht – und wurde als Referenzwert mit 100 angegeben. Anschließend wurde der Blutzuckeranstieg bei Lebensmitteln gemessen, die 50 Gramm Kohlenhydrate zuführen, und der dadurch ausgelöste Blutzuckeranstieg prozentual an dem Referenzwert ausgerichtet.

Im glykämischen Index werden demnach die Lebensmittel in einer Skala von eins bis hundert nach der Wirkung auf den Blutzuckeranstieg im Vergleich zu 50 Gramm Glukose (GI von 100) eingeteilt. Ein hoher glykämischer Index bedeutet, dass die Glukose sehr schnell, und ein niedriger glykämischer Index, dass die Glukose sehr langsam im Blut erscheint.

Ein GI unter 50: Das Lebensmittel hat einen niedrigen GI.

Ein GI von 50 bis 70: Das Lebensmittel hat einen mittleren GI.

Ein GI von 70 bis 100: Das Lebensmittel hat einen hohen GI.

So weisen Kichererbsen einen GI von 10 und Äpfel einen GI von 39, Weißbrot dagegen einen GI von 95 und Reis einen GI von 89 auf. Der GI dient somit zur raschen Orientierung, wie schnell Glukose nach dem Verzehr von bestimmten Lebensmitteln im Blut ansteigt.

Der Nachteil des GI ist, dass er den Bezug auf die normalerweise gegessenen Portionen des Lebensmittels unberücksichtigt lässt. Er bezieht sich auf 50 Gramm Kohlenhydrate in einem Lebensmittel, unabhängig der üblichen Portionsgröße. So finden sich 50 Gramm Kohlenhydrate zum Beispiel in etwa 270 Gramm Kartoffeln, in 600 Gramm Aprikosen, in 460 Gramm Linsen oder in 600 Gramm Wassermelone. Wer verspeist aber 600 Gramm Wassermelone? So lässt eine normale Portion trotz des hohen GI den Blutzucker nicht wesentlich ansteigen. Dieser mangelnde Bezug des GI zur tatsächlichen Portionsgröße führte zur Einteilung der Lebensmittel nach der Glykämischen Last (GL).

Glykämische Last (GL)

Die glykämische Last kombiniert den glykämischen Index mit der Menge der Kohlenhydrate in einer üblichen Nahrungsportion. Dadurch ist die GL deutlich stärker realitätsbezogen als der GI. Sie wird bestimmt, indem man den GI eines Lebensmittels mit den Kohlenhydraten in Gramm einer üblichen Portion multipliziert und durch 100 dividiert.

Interessanterweise haben nahezu alle naturbelassenen Nahrungsmittel eine niedrige GL. Die berühmten Ausnahmen sind der Honig und sehr süße Früchte. Verarbeitete Lebensmittel bekommen in der Regel durch die Verarbeitung eine hohe GL. Das ist ein Grund, weshalb wir die Nahrung so natürlich wie möglich belassen sollten, denn diese entspricht einer artgerechten Ernährung.

Die Typen des Diabetes mellitus

Diabetes mellitus steht für eine Störung des Glukosestoffwechsels. In der Medizin wurden die Symptome erstmalig von dem griechischen Arzt Galen (129–200 n. Chr.) beschrieben. Der Name Diabetes leitet sich aus dem Griechischen – »Durchfließen« – ab. Er rührt vom vermehrten Harndrang dieser Patienten. »Mellitus« kommt von meliotos, das »honigsüß« bedeutet und von dem süßen Geschmack des Urins dieser Patienten abgeleitet wurde. Der erhöhte Blutzucker läuft gewissermaßen in der Niere über und findet sich in großen Mengen im Urin, der dadurch einen süßen Geschmack aufweist. Ein Diabetes mellitus kann durch unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden.

Typ-1-Diabetes

Der Typ-1-Diabetes betrifft nahezu ausschließlich Kinder und Jugendliche. Es handelt es sich hierbei um eine primäre Störung des Immunsystems, die zu einer Autoimmunerkrankung führt. Dabei greifen Abwehrzellen die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse an und zerstören sie. Innerhalb kürzester Zeit kommt es zu einem totalen Ausfall der Insulinproduktion und zu einem absoluten Insulinmangel mit einer starken Erhöhung des Blutzuckers. Patienten mit einem Typ-1-Diabetes sind von Anfang an auf die Gabe von Insulin angewiesen, da dieser Diabetes mit einem totalen Ausfall von Insulin beginnt. Der Anteil des Typ-1-Diabetes beträgt am gesamten Diabetesspektrum etwa fünf Prozent und ist damit im Gegensatz zum Typ-2-Diabetes relativ selten.

Typ-2-Diabetes

Der Typ-2-Diabetes ist gekennzeichnet durch eine Insulinresistenz, wodurch die Glukose nicht ausreichend in die Zellen eingeschleust werden kann. In der Folge kommt es zu einer dauerhaften Erhöhung des Blutzuckers. Die Bauchspeicheldrüse verstärkt da-raufhin die Insulinproduktion, um den Blutzucker doch noch zu senken. Somit geht der Typ-2-Diabetes zunächst längere Zeit mit einem erhöhten Insulin im Blut einher. Erst viel später, mit zunehmender Erschöpfung der insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse, kommt es zu einem Insulinmangel. Die Verursachung des Typ-2-Diabetes wird in einer Fehl- und Überernährung, in mangelnder Bewegung, chronischen Stresseinflüssen usw. gesehen, welche schleichend in den Typ-2-Diabetes führen. Über 90 Prozent aller Patienten mit Diabetes sind von dem Typ-2-Diabetes betroffen. In dem vorliegenden Buch wird in erster Linie auf den Typ-2-Diabetes eingegangen.

Typ-3-Diabetes

Diese sehr seltene Form entsteht aufgrund verschiedener Erkrankungen des Pankreas (Bauchspeicheldrüse), wie z. B. nach einer Entzündung mit Gewebezerstörung, nach Pankreastumoren, zystischer Fibrose, Hämochromatose usw. All diesen Erkrankungen ist gemeinsam, dass sie mit einer Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen im Pankreas einhergehen. Bei den Patienten mit einem Typ-3-Diabetes ist deshalb früh eine Insulintherapie notwendig.

Typ-4-Diabetes (Schwangerschaftsdiabetes)

Als Typ-4-Diabetes wird ein Diabetes bezeichnet, der einmalig in der Schwangerschaft auftritt und sich nach der Geburt wieder einreguliert.

Der Typ-3- und der Typ-4-Diabetes machen zusammen weniger als fünf Prozent der gesamten Diabetesfälle aus.

Glukagon und Insulin – die Hauptregulatoren des Glukosestoffwechsels

Theodoridus Dobzkansky (1900–1975) wird folgender Satz zugeschrieben: »Nichts in der Biologie macht Sinn, außer man betrachtet es im Lichte der Evolution.« Tatsächlich ist die heutige Glukose- und Insulinproblematik nur tiefgründig zu verstehen, wenn sie unter dem Blickwinkel der Evolutionsbiologie des Menschen gesehen wird. Der menschliche Organismus wurde über Millionen von Jahren für die Erhaltung seiner Gesundheit und für sein Überleben immer weiter optimiert. Die Optimierung an die jeweiligen Lebensbedingungen wie Ernährung, Bewegung, Natureinflüsse, Stresssituationen und vieles mehr erklärt seine Selbstorganisation und Selbstregulation, aber auch seine Bedürfnisse. Aus diesen Zusammenhängen wird deutlich, dass unsere Gesundheit ernsthaft bedroht ist, wenn völlig neuartige Faktoren wie eine nicht artgerechte Ernährung, mangelnde körperliche Bewegung, Umweltgifte, chronische Stresseinflüsse usw. auf unseren Organismus einwirken.

Mit zunehmender Industrialisierung fand in den letzten 200 Jahren ein rasanter Wandel unserer Lebensweise statt, die zu einer Diskrepanz zwischen den körpereigenen Regulationssystemen, der genetischen Ausstattung und der heutigen Lebensweise führte. Das ist die Hauptursache für die massenhafte Zunahme an chronischen Zivilisationskrankheiten, zu denen auch die Insulinresistenz und der Typ-2-Diabetes gehören. Durch die Evolutionsbiologie lässt sich die krankmachende Wirkung einer dauerhaften Glukose- und Insulinerhöhung nachvollziehen: Sie ist der Schlüssel, um die Ursachen der Erkrankung und deren Symptome zu verstehen und eine ursächlich ausgerichtete Prävention und Therapie erstellen zu können.

Wie verhält es sich mit dem Blutzucker?

Unter dem Begriff Blutzucker wird in der Medizin die Konzentration der Glukose im Blut verstanden. Beim Gesunden bewegt sie sich in recht engen Grenzen von ca. 80 bis 100 mg Prozent. Die Blutzuckerregulation läuft nach folgendem Muster ab: Nach dem Essen steigt die Glukose im Blut je nach Art der Speisen mehr oder weniger stark an. Daraufhin wird in der Bauchspeicheldrüse entsprechend mehr oder weniger viel Insulin ausgeschüttet. In Nüchternphasen muss der Blutzucker also angehoben und nach dem Essen wieder abgesenkt werden. Der Blutzucker sollte dabei weder zu stark nach oben noch zu stark nach unten ausbrechen. Eine andauernde Entgleisung nach oben führt nach und nach in die Insulinresistenz und über Jahre in den Typ-2-Diabetes. Eine erhebliche Entgleisung des Blutzuckers nach unten führt dagegen rasch zu einer Bewusstlosigkeit, da Glukose für das Gehirn überlebenswichtig ist.

Insulin senkt den Blutzucker. Auf den Zellmembranen (Zellwänden) befinden sich Insulinrezeptoren, an die das Insulin ankoppelt und das Einschleusen von Glukose aus dem Blut in die Zellen ermöglicht. In der Folge normalisiert sich im Blut die Glukosekonzentration. Je mehr Glukose im Blut, also je höher der sogenannte Blutzucker, desto mehr Insulin wird benötigt, um die Glukose in die Zellen zu transportieren. Dieser Sachverhalt verdeutlicht die Abhängigkeit zwischen dem Blutzucker und der Höhe des Insulins. Bei einem Mangel an Nahrung oder bei andauernden körperlichen Aktivitäten kann der Blutzucker aber auch deutlich nach unten absinken. In diesem Fall wird rasch das Hormon Glukagon in der Bauchspeicheldrüse ins Blut ausgeschüttet. Das Glukagon fördert sowohl die Freisetzung von Glukose aus den Zuckerspeichern in der Leber als auch die Neubildung von Glukose in der Leber. Auf diese Weise wird der Blutzucker wieder rasch zur Norm angehoben.

Die beiden Hormone – Insulin und Glukagon – werden in der Medizin meist als Gegenspieler bezeichnet. Tatsächlich sind sie jedoch Partner, welche sich gemeinsam bemühen, den Blutzucker immer wieder zur Norm zurückzuregulieren.

Nach einer ungesunden Mahlzeit mit schnell verdaulicher und resorbierbarer Glukose kommt es im Blut zu einem akuten und starken Anstieg des Blutzuckers. Dieser Anstieg stellt die Blutzuckerregulation vor ein großes Problem, denn der Organismus versucht daraufhin, durch eine übermäßige Ausschüttung von Insulin die Glukose aus dem Blut in die Zellen zu treiben und somit den erhöhten Blutzucker wieder zu normalisieren. Die heutige Ernährungsweise führt in großen Teilen der Bevölkerung häufig zu einer sehr schnellen und übermäßigen Erhöhung des Blutzucker- und des Insulinspiegels. Nach wiederholten »glukoselastigen« Mahlzeiten besteht die Gefahr einer dauerhaften Erhöhung der Glukose und des Insulins im Blut.

Glukose- und Insulinkurve in Abhängigkeit von der Art der verzehrten Kohlenhydrate© Anna Dickreiter

Der Kampf des Körpers

Eine dauerhaft ungesunde Ernährung mit zu viel schnell verdaulicher und resorbierbarer Glukose zwingt den Körper, den chronisch erhöhten Blutzucker mithilfe einer stärkeren Insulinausschüttung zu korrigieren – also Glukose vermehrt in die Zellen zu schleusen. Den Zellen wird mit der Zeit die dauernde Einschleusung von Glukose jedoch zu viel, sie entwickeln eine Insulinresistenz. Das bedeutet: Sie reduzieren die Anzahl ihrer Insulinrezeptoren und regeln deren Empfindlichkeit herunter. Damit drosseln sie den weiteren Einstrom von Glukose. Jetzt kann das Insulin die überschüssige Glukose nicht mehr in die Zellen hineinbefördern. In der Folge staut sich die Glukose sowohl vermehrt in die Zellumgebung (extrazelluläre Matrix) wie auch ins Blut zurück. Die Blutzuckerregulation ist entgleist: Der Blutzucker ist dauerhaft erhöht und veranlasst die Bauchspeicheldrüse, nun ebenso dauerhaft vermehrt Insulin auszuschütten.

Bei einer chronisch entgleisten Blutzuckerregulation besteht also ein überhöhter Insulinspiegel im Blut. Mit zunehmender Dauer der Entgleisung geht die Insulinresistenz in einen Typ-2-Diabetes über, in dessen Spätphase die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse erschöpfen, sodass ihre Insulinproduktion immer mehr abnimmt. Somit folgt auf die Phase der erhöhten Insulinproduktion im späteren Verlauf die Phase der verminderten Insulinproduktion mit einem Insulinmangel.

Sowohl bei der Insulinresistenz als auch bei dem sehr viel späteren Insulinmangel ist das Einschleusen von Glukose in die Zellen gestört. Der Blutzucker ist in beiden Fällen dauerhaft erhöht. Was wie eine Folge erscheint, steht jedoch auch am Anfang der Entgleisung: die erhöhten Glukose- und Insulinspiegel. Das gefährliche, krankmachende Duo ist evolutionsbiologisch betrachtet ein neues Problem. Denn in der Geschichte der Menschheit bestand interessanterweise so gut wie nie die Gefahr einer akuten oder andauernden Überhöhung des Blutzuckers. Vielmehr gab es bis vor 10 000 Jahren keine Getreideprodukte und bis vor 150 Jahren so gut wie keine Süßigkeiten und keine Süßgetränke. Wohl aus diesem Grund ist der Mensch gegen eine Entgleisung des Blutzuckers nach oben nicht geschützt und wird deshalb krank.

Die Gefahr, dass der Blutzucker beim Menschen zu stark absinkt, bestand dagegen evolutionsbiologisch schon immer. Ein Blutzuckerabfall kann durch einen Mangel an Nahrung, vor allem bei einem gleichzeitig vermehrten Verbrauch von Glukose durch körperliche Aktivität auftreten. In einer solchen Situation wird rasch das Hormon Glukagon ausgeschüttet, das einerseits die Neubildung von Glukose vor allem aus Eiweiß und andererseits deren Freisetzung aus den Glykogenspeichern (Glukosespeicher) der Leber anregt. Beides lässt den Blutzucker wieder ansteigen. Somit ist der menschliche Organismus nach unten gut geschützt, nicht aber nach oben.

Heutzutage ist die häufigste Ursache für eine Unterzuckerung die Einnahme von blutzuckersenkenden Medikamenten oder das Spritzen von Insulin – vor allem, wenn gleichzeitig die Nahrungsaufnahme reduziert wird oder ganz ausfällt. Das führt rasch in eine Unterzuckerung – ein medizinischer Notfall – mit einer drohenden Bewusstlosigkeit.