Ready for Love - Dieses Mal für immer - J. L. Berg - E-Book
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Ready for Love - Dieses Mal für immer E-Book

J. L. Berg

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Beschreibung

Sie zerstörte seine Welt, als sie ihn verließ. Kann er ihr jemals verzeihen?

Mia Emerson hat in ihrem Leben schon viele Entscheidungen getroffen, die sie jetzt bereut. Ganz oben auf ihrer Liste steht, dass sie ihre große Liebe Garrett Finnegan vor acht Jahren ohne Vorwarnung verlassen hat. Er ist immer noch der einzige Mann, den Mia je geliebt hat und auch Garrett konnte die Frau seiner Träume nie vergessen. Als die beiden sich wieder begegnen, merken sie, dass die alte Anziehung immer noch stark ist. Doch Garrett hat sich geschworen, sein Herz besser zu schützen und nun muss Mia ihre ganze Kraft zusammen nehmen, um die Geheimnisse zu offenbaren, die sie seit acht Jahren verheimlicht.

"Wenn du second-chance-love stories liebst, ist dieses Buch ein MUST READ!!!" Good Reads Review

Band 3 der Ready-Reihe von USA-Today-Bestseller-Autorin J. L. Berg

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Seitenzahl: 463

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungProlog123456789101112131415161718192021222324252627EpilogPlaylist für »Ready for Love – Dieses Mal für immer«DanksagungDie AutorinDie Romane von J. L. Berg bei LYXImpressum

J. L. BERG

Ready for Love

Dieses Mal für immer

Roman

Ins Deutsche übertragen von Sonja Häußler

Zu diesem Buch

Mia Emerson hat in ihrem Leben schon viele Entscheidungen getroffen, die sie jetzt bereut. Ganz oben auf ihrer Liste steht, dass sie ihre große Liebe Garrett Finnegan vor acht Jahren ohne Vorwarnung verlassen hat. Er ist immer noch der einzige Mann, den Mia je geliebt hat, und auch Garrett konnte die Frau seiner Träume nie vergessen. Als die beiden sich wieder begegnen, merken sie, dass die alte Anziehung immer noch stark ist. Doch Garrett hat sich geschworen, sein Herz besser zu schützen, und nun muss Mia ihre ganze Kraft zusammen nehmen, um die Geheimnisse zu offenbaren, die sie seit acht Jahren verheimlicht.

Für meine Eltern. Danke, dass ihr mir gezeigt habt, dass Liebe zwar nicht immer einfach ist, es sich aber lohnt, um sie zu kämpfen. Ich liebe euch.

PS: Danke, Dad, dass du keines meiner gewagt-frechen Bücher gelesen hast. Bitte halte das auch in Zukunft so!

Prolog

Garrett

Vor acht Jahren

Alles, was ich sehen konnte, war weiß und blau. Es dehnte sich bis außerhalb meines Sichtfelds aus, säumte den ganzen Rasen, als wäre das ganze Fußballfeld in einem Meer aus Satin explodiert.

Ich war ein Highschool-Absolvent – endlich.

Stolze Eltern umarmten ihre Söhne und Töchter, gratulierten ihnen zu ihrem Erfolg und wünschten ihnen eine strahlende, glückliche Zukunft. Meine Mitabsolventen hatten sich versammelt, standen Schulter an Schulter auf der riesigen Grünfläche und waren stolz und absolut erleichtert. Endlich hatten wir es geschafft. Hinter uns lagen zwölf Jahre und vor uns unendlich viele Möglichkeiten für die Zukunft. Bei dem Gedanken lächelte ich. Es gab nur einen Menschen, den ich in meiner Zukunft haben wollte, so bald wie möglich und für immer.

Als meine Eltern ungefähr das hundertste Foto schossen, entdeckte ich sie. Schokoladenbraunes Haar fiel über ihren Rücken herab und bildete einen Kontrast zu dem blendend weißen Kleid, das sie trug. Sie blickte auf, und quer über das Feld hinweg trafen sich kurz unsere Blicke, dann lächelte sie.

Mia Emerson. Meine Mia.

Sie war das erste Mädchen gewesen, das mir im ersten Highschool-Jahr aufgefallen war, und das einzige Mädchen, dem ich seither meine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Sie war mein Ein und Alles, und ich konnte es gar nicht erwarten, den Rest meines Lebens mit ihr zu verbringen. Das war nicht unbedingt das Leben, das sich unsere Eltern für uns vorgestellt hatten, und ich wusste, sie würden den Plänen, die wir geschmiedet hatten, nicht zustimmen, aber alles würde sich ergeben. Mit Mia an meiner Seite würde sich immer alles ergeben.

Und morgen würde das alles anfangen.

Mit einem leichten Zögern kam sie schüchtern auf meine große Gruppe Familienangehöriger zu, die lachten und sich laut unterhielten. Sie war meinen Eltern gegenüber immer ein wenig befangen, auch wenn sie dazu keinen Grund hatte. Mein Vater und meine Mutter mochten sie, und nichts konnte das ändern, nicht einmal die Bombe, die wir morgen früh platzen lassen würden.

»Mia!«, begrüßte meine Mom sie stürmisch, indem sie sie in eine feste Umarmung zog. »Herzlichen Glückwunsch, Liebes!«

»Danke, Mrs Finnegan.«

»Wie oft soll ich es dir noch sagen, Kleines? Hier gibt es keine Mrs Finnegan. Du kannst mich Mom oder Laura nennen.«

Mia bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln und nickte.

Als Mia meiner Familie zum ersten Mal begegnet war, hatte sie nicht gewusst, wie sie auf sie reagieren sollte. Ihre Familie war ganz anders. Sie liebten sie auf ihre eigene Weise, aber mit Umarmungen und dem Zeigen von Gefühlen tat sich die Familie Emerson schwer. Mia kam aus reichem Hause, und in ihrer Familie wurde alles auf eine ganz bestimmte Weise gehandhabt. Meine Familie, gefühlsbetont und mit einem eher mittleren Einkommen gesegnet, wirkte im Vergleich zu ihrer wie die Beverly Hillbillies – vor allem was ihre Mutter betraf.

»Garrett, leg den Arm um Mia. Ich mach noch schnell ein Foto von euch!«, sagte Mom und hielt wieder ihre Digitalkamera hoch.

Mein Vater grinste und drückte meine Mom, die mit dem Finger über dem Auslöser wartete, bis wir uns in Pose geworfen hatten. Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln, und ich schlang den Arm um Mias Taille. Wenn meine Mutter Foto sagte, dann bedeutete das, dass wir eine Ewigkeit hier stehen würden, das wusste ich. Laura Finnegan war nicht in der Lage, nur ein Foto zu machen. Aber das machte mir nichts aus. Mom knipste munter drauflos, während wir lächelten und lachten. Am liebsten hätte ich Mia für immer im Arm gehalten.

»Okay, okay, Mom! Ich glaube, es reicht! Die Kamera wird noch kaputtgehen, wenn du so viele Bilder von ihm machst!«, witzelte meine ältere Schwester Clare hinter uns.

Ich drehte mich um und sah sie streng an; da lachte sie. Ihr Bauch war so groß wie ein Basketball und hüpfte auf und ab, als sie das Gesicht abwandte, um ihr Lachen zu verbergen. Würde sie noch dicker werden, würde sie bestimmt einen ganzen Wurf Babys zur Welt bringen und nicht nur eines, wie sie dauernd behauptete. Ihr Mann Ethan beugte sich vor und drückte einen zärtlichen Kuss auf ihren Kugelbauch. Meine große Schwester würde Mutter werden. Das machte mir ein wenig Angst. Ich starrte einen Moment zu lange auf ihren Bauch und fragte mich …

»Hey, ich muss mit meinen Eltern zu Abend essen. Holst du mich später ab?«, sagte Mia plötzlich und riss mich damit aus meinen abschweifenden Gedanken.

Ihre leuchtenden blaugrünen Augen fanden meine, und ich nickte, während ich sie an mich zog.

»Ich werde da sein«, versprach ich, dann beugte ich mich vor und küsste sie sanft.

Unser Kuss zog sich ein wenig in die Länge, und sie wurde verlegen; kichernd schob sie mich weg. Meine Eltern wussten bereits, dass wir bis über beide Ohren ineinander verliebt waren. Glaubte sie wirklich, ich würde die Finger von ihr lassen, nur weil meine Mom in der Nähe war?

Mia warf mir ein durchtriebenes Grinsen zu, das Rache versprach, in deren Genuss ich später bestimmt noch käme. Ich blickte ihr nach, als sie wegging und in der Menge aus blauem und weißem Satin verschwand.

Hätte ich gewusst, dass ich sie zum letzten Mal sah, hätte ich sie niemals gehen lassen.

Ich hätte um sie gekämpft. Ich hätte etwas getan – alles hätte ich getan.

Ich hätte alles getan, ich hätte nicht nur dagestanden und ihr nachgesehen, wie sie verschwand … für immer.

1

Garrett

Ich keuchte, schnappte verzweifelt nach Luft, während ich mich mühsam in die Realität zurückkämpfte. Der Sauerstoff füllte meine Atemwege zu schnell und brannte einen feurigen Pfad in meine überforderten Lungen. Ich spürte, wie ich nach etwas griff, festhielt … mich bemühte, nicht loszulassen.

Lass sie nicht gehen. Nicht noch einmal. Komm zurück, Mia. Komm zurück!

Ich riss die Augen auf und fand mich in meinem vollgestopften, leblosen Zimmer wieder, zurück in der Gegenwart.

Zurück in der Hölle.

Ich hatte diesen Tag noch unzählige Male durchlebt. Ich erlebte immer wieder, was als perfekter Tag in meiner Vergangenheit angefangen hatte, und wachte dann in der Hölle, zu der mein Leben geworden war, wieder auf. Es war wie ein kranker, verdrehter Fluch, der mir auferlegt worden war, um mich daran zu erinnern, wie mies das Schicksal einem mitspielen konnte.

Die Laken fühlten sich auf meinem schweißgebadeten Körper kühl an und mein Herz lief noch immer einen Marathon. Einen Marathon, den ich nicht gewinnen konnte. Nacht für Nacht wachte ich vom gleichen Albtraum auf, mein Herz raste, während ich wieder und wieder versuchte, in meinen Träumen die Geschichte zu ändern.

Viel Glück dabei, Kumpel.

Diese Hoffnung hatte ich schon vor Jahren aufgegeben. Ich setzte mich auf, fuhr mir mit den Händen über das Gesicht und versuchte, meine Nerven zu beruhigen. Aus dem Augenwinkel sah ich eine fast leere Flasche Tequila auf meinem Nachttisch stehen. Ich spähte durch meine Hände, die ich noch immer vors Gesicht geschlagen hatte; zuerst entdeckte ich den BH, dann das Kleid und zum Schluss die hochhackigen Schuhe. Das alles lag zwischen meinen eigenen Kleidern auf dem Boden verstreut.

Mein Kopf fühlte sich an, als würde darin jemand eine Trommel schlagen, als ich langsam die vergangene Nacht rekonstruierte und mich an die üppigen Mengen Alkohol erinnerte, die ich in mich hineingeschüttet hatte. Nach einem weiteren langen Arbeitstag war ich in eine Bar spaziert, und da war diese Frau gewesen.

Sarah oder Sierra? Es spielte keine Rolle.

Ich sagte ihr, dass sie schön sei und lud sie zu einem Drink ein. Sie lachte über meine lahmen Witze und warf begeistert den Kopf in den Nacken, während ihre Hand auf meinem Schenkel lag. Ihr Lachen war schrill und viel zu perlend. Aber man konnte es mir nie recht machen. Ich hatte ihr noch einen Drink spendiert, und danach fragte ich sie, ob sie noch einen dritten wollte – bei mir zu Hause.

Verdammt.

Ich fuhr mir mit den Händen durch das zerzauste Haar und drehte mich langsam nach rechts, und da war sie – die Besitzerin des Kleides.

Siena oder Samantha?

Sadie?

Ich hatte keine Ahnung.

Ich war kein Spieler. Ich war keiner von diesen Typen, die jede Nacht eine andere Frau abschleppten und am nächsten Tag bei seinen Kollegen damit protzte. Ich schnitzte mir keine Kerben in den Bettpfosten, und eigentlich hasste ich den typischen Ablauf von One-Night-Stands. Aber ich war kein Heiliger, und manchmal wurde mir die Einsamkeit und Stille des Allein-Lebens einfach zu viel; es überwältigte mich so total, deprimierte mich dermaßen, dass ich glaubte zu ertrinken. Und dann endete es so – mit einer namenlosen Frau und einem riesigen Durcheinander, das wieder in Ordnung gebracht werden musste.

Aber hübsch war sie.

Ich bin ein Riesenarschloch.

»Hey …«, fing ich an, dann hielt ich inne, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich sie nennen sollte.

Sie bewegte sich ein wenig, streckte sich wie eine Katze. Da rutschte das Laken, das auf ihr gelegen hatte, herunter und entblößte ihren nackten Körper. Ich wandte mich ab.

»Oh.« Sie kicherte ein wenig. »Guten Morgen, Adam«, schnurrte sie.

Adam, ja klar. Ich sagte nie meinen richtigen Namen, aber diesen hatte ich noch nie verwendet.

Tastend streckte die Hand aus, doch ich sprang aus dem Bett, bevor sie mich berühren konnte. Ich war nüchtern. Keine Berührungen mehr. Ich zog mich an und rannte hin und her, um ihre Kleider einzusammeln. Als ich damit fertig war, riskierte ich es, mich umzudrehen.

Sie hatte sich jetzt aufgesetzt und bedeckte sich mit dem Laken. Sie hatte diesen Blick an sich. So sahen sie mich alle an, wenn ich diese Hundertachtzig-Grad-Wende machte. Sie ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen, und das Selbstvertrauen ihres morgendlichen Schnurrens war wie weggeblasen und durch Unsicherheit und Verlegenheit ersetzt worden.

»Habe ich etwas verpasst? Ich dachte, wir hätten letzte Nacht viel Spaß gehabt«, sagte sie leise.

Ich stieß den Atem aus. »Das hatten wir auch«, sagte ich, auch wenn ich mich nicht mehr daran erinnerte. »Aber du musst jetzt gehen. Tut mir leid.«

Sie nickte schweigend, und ich versuchte, ihre bebenden Lippen zu ignorieren, als ich ihre Kleider aufs Bett legte und hinausging.

Meine Wohnung war klein, fast klaustrophobisch, und man benötigte genau fünf Schritte, um vom Schlafzimmer in die Küche zu gelangen. Wenn ich jemandem eine Besichtigungstour geben wollte, würde sie genau zehn Sekunden dauern. Ich hatte ein Einzelschlafzimmer, das lediglich einem Bett, einem Nachttisch und einer Kommode Platz bot. Es gab ein Badezimmer; Küche und Wohnzimmer gingen ineinander über, sodass man sie fast als einen einzigen Raum bezeichnen konnte. Die Junggesellenbude wurde durch einen kleinen Küchentisch vervollständigt, den die meisten Leute wohl eher als Kartentisch bezeichnen würden.

Meine Schwester Clare hasste diese Wohnung. Sie weigerte sich, hier auf die Toilette zu gehen, weil sie sich so nah beim Sofa befand, dass sie das Gefühl hatte, die Leute könnten sie pinkeln hören. Sie hatte das Wort pinkeln in einem gedämpften Ton gesagt, als wäre es ein Schimpfwort. Ich hatte mich bemüht, nicht zu lachen, aber irgendwie war sie albern. Andererseits hatte sie aber auch recht. Wir konnten sie tatsächlich pinkeln hören, aber das würde ich ihr nicht sagen. Denn dann würde sie mich zwingen umzuziehen.

Nachdem sie mich zum etwa zehnten Mal besucht hatte und sich immer noch weigerte, die Toilette zu benutzen, fragte sie mich schließlich: Warum wohnst du eigentlich in einem solchen Dreckloch, Garrett?

Gute Frage. Ich hatte einen guten Job – einen, mit dem ich eine Wohnung hätte bezahlen können, neben der mein derzeitiges Apartment alt aussehen würde. Aber wozu? Ich war allein. Ich würde immer allein sein.

Als ich mir gerade eine Tasse frisch aufgebrühten Kaffee einschenkte, der Duft seine Wirkung erfüllte und meine schläfrigen Augen richtig aufgingen, tauchte mein geheimnisvolles Date in der Küche auf. Sie sah verlegen aus, zupfte an ihrem zerknitterten schwarzen Kleid herum und starrte zu Boden. Ich gewann den Eindruck, als wäre sie nicht die Sorte Mädchen, die so etwas oft machte.

»Ich gehe dann mal«, sagte sie leise, ihre schüchternen braunen Augen linsten unter einem zerzausten blonden Pony hervor.

»Okay«, antwortete ich und fühlte mich wie das weltgrößte Arschloch.

Sie zögerte einen Moment, offenbar wartete sie ab, ob ich sonst noch etwas zu sagen hatte. Als nichts kam, griff sie nach der Türklinke und machte einen Schritt vorwärts, doch ich hielt sie auf.

»Hey, es tut mir leid. Es ist nur … ich …« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich bin total abgefuckt? Und zwar auf unabsehbare Zeit?

Sie sah mich aus diesen traurigen braunen Augen an, in denen nun Tränen standen – Tränen, die ich verursacht hatte.

»Beantworte mir nur eine Frage. Heißt du wirklich Adam?«

»Nein«, antwortete ich aufrichtig. Ich sagte meinen richtigen Namen nicht. Wozu auch?

Sie blickte mich mit einem fragenden Ausdruck an, als würde sie nach etwas suchen. »Du leidest … wegen einer Frau?«, fragte sie und überraschte mich damit.

Mein Schweigen reichte ihr als Antwort und sie schien sich durch diese Erkenntnis etwas zu beruhigen. Sie fühlte sich besser, wenn sie mich als Opfer betrachten konnte. Na ja, wenigstens etwas.

»Das Tattoo an deinem Arm … ist es für sie?«

Neugieriges Ding, nicht wahr? Ich sollte mich wirklich nicht mehr betrinken.

Ihr Blick wanderte zu dem fraglichen Tattoo hinunter und blieb an der schwarzen Spitze der Schrift hängen, die aus meinem T-Shirt herauslugte.

»Nein«, stieß ich hervor. »Für jemand anderes.«

Das Date war jetzt endgültig vorbei.

Mia

Ich war seit acht Jahren nicht mehr in meiner Heimat Virginia gewesen. Acht Jahre, seit ich den Jungen verlassen hatte, der mir an einem heißen Sommerabend unter dem Sternenzelt mein Herz gestohlen hatte. Acht Jahre, nachdem ich ihm nichts als einen tränenverschmierten Zettel hinterlassen hatte, der alles zerstörte, was wir geplant hatten. Acht Jahre, seit ich die Grenze des Bundesstaates überquert und nie mehr zurückgeblickt hatte. Seit diesem Moment hatte ich mein Leben ruiniert.

Nun führte mich das Schicksal zurück nach Hause. Warum? Das wusste ich nicht, doch ich wurde wie ein Magnet von diesem Ort angezogen und hoffte nur, dass das kein Fehler war.

Virginia war hübsch und malerisch, als ich über die von Bäumen gesäumten Nebenstraßen fuhr, die an kleinen Farmen vorbei und durch gottverlassene Städtchen führten. Hier gründeten meine Wurzeln, in der süßen Südstaatenluft und der geschichtsträchtigen Landschaft. Als ich nach Richmond hineinfuhr, fühlt es sich zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt an, als würde ich nach Hause kommen. Ganz egal, wo ich gewesen war, wo ich mich niedergelassen hatte – nirgends hatte ich mich so zu Hause gefühlt wie hier. Hier gehörte ich wirklich her, und es wurde Zeit, dass ich das akzeptierte.

Nachdem ich ein paar Kilometer in die Stadt hineingefahren war, hielt ich vor dem Haus meiner langjährigen Freundin Olivia Prescott an – oder Liv, wie ich sie immer nannte. Wir hatten schon seit Jahren nichts mehr voneinander gehört. Was meine Schuld gewesen war, nicht ihre. Ich hatte die Brücken zu allen aus meinem früheren Leben abgebrochen, als ich am Tag unseres Highschool-Abschlusses in aller Stille die Stadt verließ. Nach dem, was ich getan hatte, schämte ich mich viel zu sehr, irgendjemandem gegenüberzutreten, selbst denen, die mir am nächsten standen.

Livs Haus war vollkommen anders, als ich es mir vorgestellt hätte. Ihre Familie war reich, genau wie meine. Anfangs waren wir deswegen Freundinnen geworden. Unsere Eltern waren im selben Country-Club, deshalb besuchten wir letztendlich oft dieselben Veranstaltungen. Rasch merkten wir, dass wir viel gemeinsam hatten, deshalb freundeten wir uns schon bald an.

Liv hatte das Country-Club-Leben fast genauso sehr gehasst wie ich. Es war spießig und erdrückend. Jedes Mal, wenn ich dieses protzige vergoldete Gebäude betrat, fühlte es sich an, als würden sich meine Lungen zusammenziehen. Unsere Abneigung gegen diesen Ort hatte ein enges Band zwischen uns geschmiedet, und wir hatten uns immer gegenseitig gesucht, wenn wir gezwungen waren, an Partys oder förmlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Unsere Eltern hielten nichts von unserer Freundschaft. Man erwartete von uns, dass wir uns auf eine bestimmte Art und Weise benahmen, und weder Liv noch ich passten in das Raster der perfekten Tochter. Dass wir befreundet waren, verschärfte die Situation in den Augen unserer Eltern nur noch.

Am Ende hatte ich gegen meine Eltern rebelliert, doch als es endlich so weit gewesen war, war es zu spät, und es hatte mich letztendlich alles gekostet. Was Liv allein durchgemacht hatte, konnte ich mir nur ausmalen. Ich stieg aus dem Auto und sah mir zum ersten Mal Livs Haus genauer an; sie musste wohl das Unmögliche geschafft und getan haben, was ich in jener Nacht vor so langer Zeit hätte tun sollen. Sie war ausgebrochen.

Ihr Haus war klein, zu klein für eine Tochter mit einem fetten Treuhandfonds – was wir beide hatten oder zumindest gehabt hatten. Ihr Treuhandfonds war beträchtlich größer gewesen als meiner, da sie aus einer Familie stammte, deren Name jeder kannte. Meine Familie war wohlhabend – wohlhabender als die meisten –, doch meine Eltern legten es immer darauf an, bedeutender zu erscheinen als sie waren. Mein Vater war Anwalt, und zwar ein sehr erfolgreicher. Ich hatte nie verstanden, weshalb er das Bedürfnis hatte, der reichen Elite der Stadt in den Arsch zu kriechen. Doch das Image zu wahren bedeutete meinen Eltern – oder eher meiner Mutter – alles. Mein Vater liebte mich, stand aber unter dem Pantoffel meiner Mutter. Sie stand stets an erster Stelle. Als ich schließlich wegging, sagte ich meiner Mutter, sie solle zur Hölle fahren, und ließ mein Erbe zurück. Seitdem hatte ich von keinem von ihnen etwas gehört.

Liv wohnte in einem Stadtviertel, das als Bohème-artig bekannt war. Hier lebten viele Künstler und Collegestudenten. Man konnte zu Fuß großartige Restaurants, Läden und Bars erreichen. Die Häuser waren klein, historisch und voller viktorianischem Charme. In den meisten davon wohnten mehrere Parteien, um Unterkunft für die Studenten der nahe gelegenen Universität zu schaffen. Doch Livs Haus sah aus, als würde es ganz ihr gehören, nur ein einziger Name stand auf dem Holzschild mit den knallrosa Buchstaben, das neben der moosgrünen Haustür hing.

Ich klingelte und wartete ab. Mir gefielen die leuchtenden Farben, die sie für die Verkleidung und die Veranda gewählt hatte, und ich hasste es, dass Pflanzen bei ihr überlebten. Ich hatte das genaue Gegenteil eines grünen Daumens. Was wäre das dann? Ein schwarzer Daumen? Wie auch immer – genau das hatte ich. Wenn sie dazu in der Lage wären, würden Pflanzen schreiend vor mir davonlaufen, weil sie wüssten, dass ich ihr absoluter Untergang wäre. Kochen konnte ich auch nicht. Ich war das genaue Gegenstück zu Martha Stewart.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ich wurde in ein Meer aus rabenschwarzen Haaren eingehüllt, als Liv sich auf mich stürzte und ihre Arme um mich schlang.

»Mia!«, kreischte sie und löste sich wieder von mir, um mir ihr typisches Megawatt-Grinsen zuzuwerfen.

Ich hatte Livs Lächeln schon immer geliebt. Es konnte einen ganzen Raum erhellen. Ihr Lächeln war aufrichtig und breitete sich auf ihrem ganzen Gesicht aus. Ihre braunen Augen bekamen dann einen warmen Glanz, auf der rechten Wange zeichneten sich Grübchen ab, und ihre ganze Persönlichkeit schimmerte hindurch. Gott, wie hatte ich sie vermisst!

»Amelia Emerson! Du hast dich überhaupt nicht verändert! Du bist noch genauso dünn und umwerfend wie immer. Aber warte mal«, sagte sie und trat zurück, um mich einen Moment lang zu mustern. »Dreh dich mal um.«

Ich verdrehte die Augen und gehorchte, indem ich mich auf ihrer Vordertreppe um meine eigene Achse drehte. Ich hoffte, die Nachbarn bemerkten dieses kleine Spektakel nicht. Ich würde eine Weile hierbleiben und wollte nicht, dass sie glaubten, Livs durchgeknallte Verwandte wäre zu Besuch gekommen.

»Deine Möpse sind größer geworden!«, verkündete sie praktisch dem gesamten Häuserblock.

»Oh, mein Gott, sind sie nicht!«, sagte ich und verschränkte die Arme über der Brust.

»Sind sie doch«, schoss sie zurück und zog meine Arme weg, um eine bessere Sicht auf die betreffende Region zu bekommen.

Plötzlich fühlte ich mich meiner lang verlorenen Freundin gegenüber underdressed. Sie sah sehr stylish aus – auf eine seltsame Art und Weise. Ganz anders als die Liv, an die ich mich erinnerte. Sie hatte ein fantastisches langes Kleid an, das ihre Kurven umspielte und ihre Figur hübsch betonte. Ihr Schmuck sah handgemacht aus, keine kostspieligen Designerstücke, wie sie unsere Eltern zu kaufen pflegten. Die extravagante Silberkette und die dazu passenden Ohrringe, die sie trug, betonten ihren langen Hals und das schimmernde schwarze Haar. Sie sah ziemlich à la Bohème und künstlerisch aus, aber auf hippe und elegante Art und Weise.

Verglichen mit ihr sah ich echt lausig aus. Da ich schon den ganzen Tag unterwegs war, hatte ich überhaupt nichts Schickes an mir. Ich trug ein verwaschenes Old-Navy-Tanktop und eine Jeans, die ich wahrscheinlich schon seit dem College hatte. Abgesehen von dem Anhänger um den Hals, den ich nie abnahm, trug ich gar keinen Schmuck. Um das ganze Mode-Desaster komplett zu machen, hatte ich Flipflops an den Füßen, die überhaupt nicht zum Rest passten.

Typisch ich.

»Sag, was du willst, aber ich glaube trotzdem, dass sie größer geworden sind. Na so was? Sollten sie in unseren Zwanzigern noch wachsen? Meine haben das bestimmt nicht getan. Ich habe gehört, dass sie größer werden, wenn man schwanger ist, aber das wird mir auf keinen Fall passieren, deshalb werden meine wohl für immer durchschnittlich bleiben. Aber ich habe nie Klagen gehört. Wie sagt man so schön? Eine Handvoll, mehr braucht kein Mensch.«

Einen Moment lang starrte ich sie nur an, völlig aus dem Konzept gebracht durch das, was sie gesagt hatte, doch dann tat ich es mit einem Lachen ab. Kopfschüttelnd sagte ich: »Du hast dich kein bisschen verändert.«

»Oh doch. Merkst du nichts?« Sie warf die Hände nach oben, wie um ihrer Umgebung für die weit reichenden Veränderungen vorzuführen, die sie durchgemacht hatte.

»Ja, darüber musst du mir alles erzählen«, sagte ich und ließ den Zeigefinger kreisen, um ihren gesamten Look einzuschließen.

»Oh, das habe ich vor. Komm rein, lass uns Tee kochen.«

Tee, natürlich trank sie Tee.

Während wir durch ihr Haus gingen, fielen mir die handgeschnitzten Kunstwerke aus Holz an den Wänden auf und die ungewöhnlichen Gemälde, die überall hingen. Unwillkürlich fragte ich mich, wie sich meine privilegierte Freundin von einer Senatorentochter in jemanden verwandelt hatte, der Mondsteine trug und Tee kochte.

Ich setzte mich auf einen Stuhl an ihren abgenutzten Küchentisch und zog die Knie ans Kinn.

»Rollst du dich immer noch zu einer Kugel zusammen, Mia?«

Es war das zweite Mal, dass sie meinen früheren Namen sagte. Als ich mein altes Leben hinter mir gelassen hatte, hatte ich diesen Namen abgelegt. Ich hatte aufgehört, Mia zu sein, als ich weggegangen war, und hatte stattdessen meinen richtigen Namen, Amelia, benutzt.

Mia war der Name, den er mir gegeben hatte, ich konnte es nicht ertragen, ihn zu hören. Ich hatte ihn nicht mehr verdient.

»Man nennt mich jetzt Amelia«, sagte ich schlicht.

»Okay«, sagte sie und warf mir einen seltsamen Blick zu. »Rollst du dich noch immer zu einer Kugel zusammen, Amelia?«

»Ja, ich glaube, manche Dinge ändern sich nie.«

Sie starrte mich lange an, während sie den Teekessel mit Wasser füllte. »Ja, stimmt.«

Unser unbehagliches Gespräch ging für eine Weile in Schweigen über, während sie in der Küche hantierte und Snacks und Tee aus einer komischen Dose holte. Sie war anders, und doch konnte ich Züge meiner alten Freundin erkennen. Einige ihrer Eigenschaften waren dieselben geblieben, etwa wie sie sich auf die Unterlippe biss, als sie ungeduldig darauf wartete, bis das Wasser kochte, und wie sie sich in den Hüften wiegte, wenn sie stand. Wegen dieser albernen Bewegung nannte ich sie früher immer Valley Girl, nachdem wir die Mädchen in Clueless gesehen hatten. Sie hatte dann einfach gelacht und es weiterhin gemacht.

Liv schenkte uns Tee ein – irgendeine seltsame Kräutermischung – und stellte die Tassen zusammen mit einem Teller Kekse auf ein Tablett. Sie brachte alles an den Tisch und setzte sich zu mir. Ich nahm ein wenig Sahne zum Tee und knabberte an einem würzigen Keks.

»Also, reden wir jetzt darüber, weshalb du an unserem Abschlussabend wie eine Wilde davongelaufen und nie mehr zurückgekommen bist? Oder wollen wir das weiterhin ignorieren?«

Ich wusste, dass sie das fragen würde, trotzdem war ich nicht darauf vorbereitet, darauf zu antworten.

»Ich … musste weg. Ich … es tut mir leid, Liv. Ich bin noch nicht bereit, darüber zu reden.«

Ich blickte auf und erwartete, dass sie mich verletzt oder wütend ansah, doch sie strahlte Verständnis aus.

»Okay, damit kann ich leben – solange du irgendwann mal bereit dazu bist.«

»Gut«, sagte ich, wobei ich nicht wusste, ob dieser Tag je kommen würde.

Während wir weiterhin unsere Kekse aßen und an unserem Tee nippten, beschäftigte mich etwas, was ich wissen musste. Und zwar nicht nur das, was Liv seit der Highschool alles gemacht hatte oder ob es in unserer Straße dieses Eiscafé von damals noch gab. Ich musste etwas über ihn erfahren.

»Liv, ich muss es wissen. Lebt Garrett noch hier?«

Seinen Namen laut auszusprechen tat weh. Ich hatte diese kostbaren Silben wohl seit Jahren nicht mehr gesagt. Als er mir über die Lippen kam, fühlte es sich an, als würde er tief in mein Fleisch schneiden. Es fühlte sich rau und zerklüftet an, wie Kies an meinen Stimmbändern, und ich schämte mich, ihn überhaupt auszusprechen.

Sie sah mich mitfühlend an. »Das weiß ich nicht. Nachdem du … nach diesem Abend verfolgte er mich tagelang. Daraus wurden Wochen, in denen er einen Hinweis darauf suchte, wohin du gegangen warst. Als ich ihn endlich davon überzeugen konnte, dass ich genauso im Dunkeln tappte wie er, habe ich nichts mehr von ihm gehört. Er ging fort, ans College, und das war’s dann auch.«

Eigentlich wollten wir zusammen ans College – der Anfang unseres verrückten Lebens, wie er es nannte. Wir hatten alle Kurse zusammen ausgesucht. Er wollte mein intelligenter Architekt werden und ich seine sexy Lehrerin. Doch ich war fortgegangen, und er hatte das allein gemacht.

Jetzt war ich hier. Wohin es ihn wohl verschlagen hatte?

Ich hoffte nur, dass er glücklich war.

2

Mia

Es war eine Woche her, seit ich nach Hause gekommen war, an den Ort, an den ich geschworen hatte niemals mehr zurückzukehren. Als ich vor so langer Zeit in jener Nacht über diese dunkle, verlassene Straße geflohen war, hatte ich mir selbst das Versprechen gegeben, ihm den Gefallen zu tun, nie wieder zurückzukehren. Nachdem ich so viel Schmerz verursacht hatte, hatte er zumindest das verdient.

Warum also jetzt? Warum war ich nach all dieser Zeit zurückgekehrt?

Wieder einmal lief ich davon.

Das schien etwas zu sein, worin ich eine große Begabung hatte. Als die Wände meines sorgfältig aufgebauten Lebens in Atlanta über mir zusammenzustürzen drohten, musste ich raus, deshalb war ich abgehauen. Ich hatte alles gepackt, was ich besaß, und fand mich auf der Interstate auf dem Weg nach Hause wieder. Hier fühlte sich immer alles sicher und geborgen an und ich mochte die Person, die ich hier gewesen war – bevor das Ganze zu Ende gegangen war. Seit ich vor einer Woche hierher zurückgekehrt war, war ich vorübergehend bei Liv eingezogen. Bei Liv zu wohnen war großartig. Nach so langer Zeit und angesichts der Tatsache, wie sehr wir uns beide verändert hatten, hatte ich Angst gehabt, dass es unangenehm werden würde und die Freundschaft, die wir einst hatten, verschwunden wäre. Doch so war es nicht, und wir fanden auf natürliche Weise zu dieser süßesten aller Beziehungen, die irgendwo zwischen besten Freundinnen und Schwestern angesiedelt war. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ich sie vermisst hatte, bis ich sie wiederhatte, und ich glaubte nicht, dass ich mir je würde verzeihen können, sie für so lange Zeit von mir gestoßen zu haben. Dass sie mir nach acht langen Jahren und nur einer E-Mail Zutritt zu ihrem Zuhause und ihrem Leben gewährte, zeigte, was für ein Mensch sie war. So viel Mitgefühl hatte ich nicht verdient.

Sie wollte, dass ich auf Dauer bei ihr einzog, aber ich hatte jahrelang mit anderen zusammengewohnt und wollte mal allein wohnen. Ich brauchte das, allein zu wohnen. Ich war fünfundzwanzig Jahre alt und kannte mich selbst noch kaum. Wer war ich, ohne jemand anderes? Ich war hierhergekommen, weil ich etwas suchte. Das musste es doch wohl sein, oder? Ich musste herausfinden, was.

Ich suchte mir ein großes Haus nicht allzu weit von Liv entfernt aus. Es war alt, man musste Arbeit hineinstecken und wegen der Gegend war es teuer, aber ich nahm es auf der Stelle. Wegen meines im Voraus genehmigten Kredits und meiner beträchtlichen Anzahlung – dank jahrelangen Sparens – würde es in einer Woche mir gehören.

Nachdem wir für das Frühstück heute Morgen unsere letzten Lebensmittel zusammengeworfen hatten, beschlossen wir, auf einen Wochenmarkt zu gehen. Liv sagte, sie würde lieber jede Woche dorthin gehen, um lokale Produkte zu kaufen, als in den Supermarkt. Laut Liv waren die Lebensmittelkonzerne, die die kleinen Bauern unterdrückten, schuld am Niedergang unserer Gesellschaft.

»Wer zum Teufel bist du?«, fragte ich, während wir durch die Straßen bummelten, auf denen Verkäufer alles von Grünkohl über Nüsse bis hin zu Erdbeeren feilboten.

»Ich bin immer noch die Alte. Nur in verbesserter, weltgewandterer Version«, sagte sie. Ihr keckes Lächeln erinnerte mich an die jüngere Liv.

»Wie ist das passiert? Ich meine, du bist doch nicht eines Morgens aufgewacht und hast beschlossen, dass Treuhandfonds ätzend sind und Hanfarmbänder total cool.«

Sie warf mir einen spitzen Blick zu und kicherte. Dann setzte sie ihre Suche nach der perfekten Tomate fort, drückte eine und dann noch eine, während ich zusah.

»Eigentlich lag es am College.« Sie nahm eine saftige rote Tomate und drehte sie in der Hand, dann legte sie sie zusammen mit den anderen, die sie ausgesucht hatte, auf die Waage. Der Mann auf der anderen Seite des Stands nannte ihr den zu bezahlenden Betrag. Sie schloss den Handel ab und wir zogen weiter.

»Ich nahm an einem Soziologiekurs teil. Das war zu dieser Zeit nicht mein Hauptfach, sondern nur eines, mit dem ich die allgemeinbildenden Studienanforderungen erfüllte. In der Vorlesung ging es um afrikanische Gesellschaften und wie sie durch die AIDS-Epidemie zutiefst beeinträchtigt worden waren. Ich erinnere mich noch, dass ich dasaß und diese Bilder in meinem Lehrbuch anstarrte. Mir war todlangweilig. Ich schaute auf meine Fingernägel hinunter und entdeckte, dass mein Very-Berry-Nagellack an einer Stelle abblätterte. Ich war außer mir. Ich war so wütend, weil ich mir erst drei Tage vorher eine Maniküre hatte machen lassen. Meine Professorin stand vor der Klasse und redete von Menschen, die starben, und ich war angepisst, weil mein Nagellack abblätterte. Ich meine, was für eine Zicke bin ich eigentlich? Ich weiß auch nicht, aber ich glaube, in diesem Moment ging mir ein Licht auf.«

»Du warst keine Zicke«, versuchte ich die Freundin, die ich einst kannte, zu verteidigen.

»Nein, das weiß ich jetzt wohl. Ich habe es ganz gut hingekriegt, auch wenn meine Eltern versucht haben, mich in das überheblichste Wesen des ganzen Planeten zu verwandeln. Trotzdem stamme ich aus einem reichen Elternhaus, und das wusste ich. Immer hat sich jemand um mich gekümmert. Da war mein Vater, der meine Ausbildung und meine Miete bezahlte, und ein riesiger Treuhandfonds wartete auf mich, sobald ich einundzwanzig würde. Ich hatte ausgesorgt.«

»Dann bist du also ein Hippie geworden?«

»Nein, du Nuss!« Sie lachte. »Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich meinen Treuhandfonds nicht mehr wollte und dass ich keinen Sinn darin sähe, aufs College zu gehen und mich auf eine Karriere vorzubereiten, wenn es gar nicht nötig wäre, dass ich arbeitete. Ich wollte meinen eigenen Weg gehen. Deshalb habe ich die Hauptfächer gewechselt. Ich gab Business für Soziologie auf.«

»Oh, Mann. Dein Dad muss so sauer gewesen sein.«

»Nun ja, er hat es nicht besonders gut aufgenommen«, sagte sie.

»Und dann bist du Hippie geworden?«

»Oh mein Gott! Ich bin kein Hippie!« Sie kicherte.

»Ich weiß. Ich verarsche dich nur.«

»Na ja, wenigstens das hat sich nicht geändert«, sagte sie und knuffte mir gegen die Schulter.

Wir kauften weiter ein und ich half, indem ich Karotten und frisch gebackenes Brot mitnahm, das himmlisch duftete. Liv hatte wohl keine Witze gemacht, als sie sagte, dass sie den Wochenmarkt regelmäßig besuchte. Fast jeder Verkäufer kannte sie beim Namen und machte ihr einen Sonderpreis oder warf mit einem Zwinkern und einem Grinsen noch ein wenig mehr Gemüse oder eine andere Leckerei mit in die Tüte. Sie umarmte die Verkäufer und fragte nach ihren Familien. Alle hier mochten sie, und das war kaum überraschend.

Nach dem College war Liv auf die Graduiertenschule gegangen und hatte ihren Master gemacht. Jetzt verdiente sie ihren Lebensunterhalt als Familienberaterin. Sie arbeitete mit Familien, die eine schwere Zeit durchmachten, weil sie zum Beispiel mit Scheidung, Tod oder anderen schwierigen Veränderungen konfrontiert waren. Nach allem, was sie erzählt hatte, war es keine leichte Arbeit, aber die Liebe, die sie für andere Menschen hegte, überstrahlte alles, was sie tat.

Mit vollen Taschen machten wir uns auf den Rückweg zum Wagen; wir bahnten uns unseren Weg durch die Menge und erfreuten uns an den sich unterhaltenden Menschen und der leisen Musik, die irgendwo gespielt wurde. Als ich ein Kind lachen hörte, musste ich lächeln. Ich drehte mich um und entdeckte, dass sein Vater es sich gerade über die Schulter warf.

»Garrett! Lass das! Ich bin schon zu alt, um getragen zu werden!« Das Kind lachte.

»Für einen Zweikampf ist man nie zu alt, Connor! Wir müssen dich auf Football vorbereiten!«

Diese Stimme – selbst nach acht Jahren würde ich sie überall wiedererkennen. Mein Magen sackte ab und meine Füße waren wie festzementiert. Ich war wie gelähmt, vollkommen erstarrt. Alles verlangsamte sich. Die Straßengeräusche verblassten, jeder einzelne Einkäufer verschwand, und da sah ich ihn. Er hatte sich den Jungen über die Schulter geworfen. Beide waren außer Atem und lachten über ihr Herumgealbere. Er sah älter aus, aber es war immer noch er. Noch immer hatte er rabenschwarzes Haar, smaragdgrüne Augen und ein umwerfendes Lächeln. Eine schöne Blondine lächelte die beiden an, während sie herumtollten.

Schließlich holte mein Herz mein Gehirn ein, und es fühlte sich an, als würde ein Presslufthammer stark und schnell in meiner Brust schlagen. Meine Hände zitterten und meine Knie fühlten sich plötzlich schwach und puddingartig an. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verstrichen war, seit ich ihn entdeckt hatte.

Minuten? Stunden?

Ich wusste es nicht, aber es konnte nicht lang gewesen sein, denn Liv bemerkte jetzt erst mein verrücktes Verhalten.

»Amelia, ist alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen«, sagte sie. Als ich nicht antwortete, musste sie sich umgesehen haben, denn ich hörte, wie sie nach Luft schnappte. Sie hatte ihn auch entdeckt.

»I-Ich muss weg von hier – sofort«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Bist du dir sicher?«

Ich nickte nur und drehte mich um. Ich konnte ihm nicht gegenübertreten. Wahrscheinlich hasste er mich.

Er hatte ein Kind. Das tat weh. Meine Hand wanderte zu meiner Brust und versuchte, den Schmerz wegzuwischen, der sich dort ausbreitete. Er hatte ein Kind. Das bedeutete, dass die Blondine, die neben ihm stand, wahrscheinlich seine Frau war. Garrett war verheiratet. Es war acht Jahre her. Natürlich war er verheiratet. Ich wusste gar nicht, warum mich das überraschte, aber eigentlich sollte er nicht hier sein. Er war weggezogen. Dann sollte er auch wegbleiben. Ich konnte nicht hierbleiben, wenn er immer noch hier war. Ich konnte nicht atmen, wenn er noch hier war.

»Komm, Süße, lass uns zum Wagen gehen«, sagte Liv sanft, dann packte sie mich am Arm und führte mich zum Auto.

Ich nickte nur knapp und ließ mich von ihr wegführen.

Wir waren noch keine drei Schritte gegangen, da hörte ich die Worte, bei denen mir abrupt das Herz stehen blieb.

»Mia? Mia, bist du das?«

Garrett

Seit der Nacht, in der sie weggegangen war und nichts als eine hastig hingekritzelte Nachricht hinterlassen hatte, die mein Herz in Asche verwandelte, verfolgte mich Mias Gesicht, wohin auch immer ich ging. Ich hatte sie am allerersten Tag meines ersten Studienjahrs im Psychologiekurs gesehen, sie saß in der ersten Reihe, und ich erinnerte mich daran, wie gerne sie einen Abschluss als Kinderpsychologin machen und eventuell unterrichten wollte.

Vielleicht verschafft mir das einen Vorteil gegenüber unseren eigenen Teufelsbraten, hatte sie stets gesagt.

Und ich sah sie jedes Mal, wenn ich flog, am Flughafen. Wenn ich einen Blick auf eine hübsche Brünette mit leuchtend blauen Augen erhaschte, fragte ich mich, wohin sie unterwegs war und mit wem sie sich wohl treffen würde.

Und jetzt hatte ich Connor auf den Schultern und neben mir stand Leah, die ihre Tochter Lily hielt, und ich sah sie auf dem Wochenmarkt wieder. Aus dem Augenwinkel erregte ein brauner Haarschopf meine Aufmerksamkeit, so wie immer. Doch dieses Mal war es anders. Diese Brünette hatte genau das richtige natürliche Kastanienbraun, und die Art und Weise, wie die schimmernden Strähnen die Sonne reflektierten, erinnerte mich an längst vergangene Sommer. Ich wirbelte herum und sah gerade noch ihr Gesicht, bevor sie sich umdrehte und in der Menge verschwand. Mein Herz erkannte sie, noch bevor mein Gehirn es tat; in der Sekunde, in der mein Blick auf sie fiel, fing mein Herz wie wild an zu hämmern.

Ich hatte so viele Jahre damit verbracht, mir diesen Moment auszumalen – den Tag, an dem ich sie wiedersähe. Ich wusste nicht, wie viele Stunden ich damit verschwendet hatte, mich zu fragen, wie es wohl wäre, wenn Mia wieder in mein Leben treten würde. Würde sie angerannt kommen, sich für alles entschuldigen und um Verzeihung bitten? Würde sie noch genauso aussehen? Würde sie mich immer noch begehren, so wie ich sie begehrte? Oder hätte sie auf eine Art und Weise weitergemacht, wie ich es nicht vermochte? Bevor mich Beklommenheit und die Angst vor dem Unbekannten dazu veranlassen konnten, in die andere Richtung zu rennen – geradewegs auf den Schutzraum der Unwissenden und Nichtsahnenden zu –, rief ich ihren Namen.

Sie drehte sich um und ich sah sie – zum ersten Mal seit acht Jahren.

Sie sah zutiefst erschüttert aus, völlig erstarrt und ängstlich. Sie klammerte sich an der Frau neben ihr fest.

Beim näheren Hinsehen erkannte ich Olivia Prescott. Wir waren zusammen auf der Highschool gewesen. Ich hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen, aber ich erinnerte mich wegen Mia an sie. Sie waren beste Freundinnen gewesen, deshalb hatten wir viel Zeit miteinander verbracht. Als ich Olivia zum letzten Mal gesehen hatte, war ich nicht gerade zurechnungsfähig gewesen. Wahrscheinlich schuldete ich ihr eine Entschuldigung.

»Hi, Garrett«, sagte Mia leise. Sie schien nicht überrascht, mich zu sehen. Dies, zusammen mit dem Klammergriff und der Panik auf ihrem Gesicht, veranlasste mich zu der Annahme, dass sie mich zuerst entdeckt hatte … und sie musste wohl gerade die Flucht ergriffen haben, als ich sie rief.

Sie hatte beschlossen zu fliehen, anstatt mir gegenüberzutreten – wieder einmal.

Verdammt, das tat weh.

»Du siehst gut aus«, sagte sie höflich.

»Du auch«, erwiderte ich verlegen.

Jetzt, wo ich wusste, dass sie mich nicht sehen wollte, war ich nicht gerade zum Plaudern aufgelegt. Keines der Szenarien, die ich mir für unser Wiedersehen ausgemalt hatte, umfasste, dass sie versuchte, mir mitten in einer Menschenmenge auszuweichen. Ich fand, dass ich zumindest verdient hätte, dass sie sagte Hey, wie geht es dir, Garrett? Tut mir leid, dass ich direkt, nachdem du mich gefragt hattest, ob ich dich heiraten will, abgehauen bin. Ja, das war echt beschissen von mir.

Wie auch immer.

»Garrett, willst du uns nicht vorstellen?«, fragte Leah, die sich mit erwartungsvollem Blick zu mir umwandte. Sie balancierte Lily auf den Hüften, was immer schwieriger wurde. Lily hatte gerade ihren ersten Geburtstag hinter sich und war ein zappeliges kleines Ding.

»Gah!«, schrie Lily und klatschte in die Hände; das war ihre Version meines Namens. Dann streckte sie mir die Hände entgegen, das universelle Signal für Nimm mich in die Arme!.

Ich nahm Lily und wandte mich wieder zu Mia um. Schweigend sah sie uns an, ihr Blick huschte zwischen Leah und mir hin und her und sie biss sich auf die Lippe. Ich erinnerte mich, dass sie sich immer auf die Lippe biss, wenn sie nervös war. Das machte mich früher immer ganz verrückt. Leider war das heute auch noch so.

»Leah, das sind Mia und Olivia – zwei Freundinnen aus Highschool-Tagen. Mia und Olivia, das ist Leah«, sagte ich schlicht und ergreifend. »Der kleine Kerl hier ist Connor, und die Prinzessin in meinen Armen ist seine kleine Schwester Lily.«

Mia schwieg einen Moment länger, als gesellschaftlich korrekt war, doch schließlich lächelte sie. »Sie sind bezaubernd, Garrett. Wirklich, du hast eine wunderbare Familie.«

Tränen standen ihr in den Augen, und für den Bruchteil einer Sekunde hätte ich mich am liebsten bei ihr bedankt und mich dann zum Gehen gewandt. Ich wollte, dass sie den Schmerz spürte, den ich empfunden hatte, als ich zu ihr nach Hause gegangen war und diesen Brief gefunden hatte, zusammen mit dem Schmerz, der mich seitdem jeden verdammten Tag begleitete, weil ich keinen Weg fand weiterzuziehen.

Einen kurzen Moment lang wollte ich, dass sie glaubte, es wäre leicht für mich gewesen, ohne sie zu leben. Ich wollte sie in dem Glauben lassen, dass sie meine Kinder waren und dass die attraktive Frau an meiner Seite meine Ehefrau wäre. In dieser einen Sekunde des Zögerns glaubte ich, dass alles so leicht wäre, wenn ich einfach weggehen und bei ihr den Eindruck hinterlassen könnte, aus Garrett Finnegan wäre so richtig was geworden.

Aber das tat ich nicht. Ich war kein Volltrottel. Aber in diesem Moment wäre ich gern einer gewesen.

»Oh, tut mir leid, da hast du mich missverstanden«, sagte ich. »Leah ist die beste Freundin meiner Schwester Clare. Du erinnerst dich doch noch an Clare, oder?«

Sie nickte und ich bemerkte, wie sie Olivias Hand drückte.

»Leah ist wie eine Schwester für mich. Wir verbringen Zeit miteinander, aber sie ist definitiv nicht meine Frau. Aber ich denke darüber nach, die hier zur Frau zu nehmen«, sagte ich mit einem Augenzwinkern. Ich pikste Lily den Finger in die Rippen, woraufhin sie kreischte.

»Dann bist du also nicht …«

»Nein, bin ich nicht«, erwiderte ich.

Noch mehr unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen unseren beiden kleinen Gruppen aus. Connor fing an, vor mir einen Stein herumzukicken, und warf mir den Blick zu, den Kinder aufsetzen, wenn sie weitergehen wollen. Es war ein Blick, der im Grunde sagte, dass sie spontan in Flammen aufgehen würden, wenn sie den Ort nicht sofort verlassen durften. Ich kannte dieses Gefühl.

»Na, Mia … was hast du denn seit dem Abschluss so getrieben?«, fragte die ach-so-neugierige Leah.

Sie wusste, wer Mia war, und sie wusste auch, dass ich sie seit der Highschool nicht mehr gesehen hatte. Wir hatten im Laufe der Jahre einige Gespräche, in denen wir uns gegenseitig das Herz ausgeschüttet hatten. Ich hatte Leah nicht sämtliche schmutzigen Details erzählt, aber sie war klug genug, um eins und eins zusammenzuzählen. Bevor sie nicht ein paar Antworten bekäme, würde sie diese Frau nicht aus ihren Fängen lassen.

»Ich bin in Portland aufs College gegangen und habe mich dann in Atlanta niedergelassen, aber letzte Woche bin ich zurück nach Richmond gezogen. Olivia lässt mich bei sich wohnen, bis ich alles mit meinem Kredit für das Haus geregelt habe.«

»Du hast in Oregon studiert?«, sagte ich laut, bevor ich filtern konnte.

»Ja«, erwiderte sie.

Ich brummte vor mich hin und sah weiterhin fasziniert zu, wie Connor den Stein umherkickte. Ich hatte überall nach ihr gesucht. Wir sollten eigentlich zusammen auf ein College in unserem Bundesstaat gehen. Wir hatten sogar schon eine Wohnung gesucht und uns vorgestellt, wie unser Leben aussehen würde, während wir alle Orte abklapperten.

»Was hat dich dazu bewogen zurückzukehren? Die Familie? Arbeit?«, fragte Leah.

»Ähm … ich weiß nicht so recht. Ich habe noch keinen Job … und ich habe auch keine Familie mehr.«

Mit einem Ruck hob ich den Kopf, überrascht über diese letzte Bemerkung. Waren ihre Eltern gestorben? Sie waren, kurz nachdem sie weggegangen war, umgezogen. Ihr Vater hatte eine prestigeträchtige Stelle in New York angenommen, und zu dieser Zeit hatte ich mich allmählich gefragt, ob sie jemals zurückkehren würde.

»Dann suchst du also Arbeit? Was machst du so?«, fragte Leah.

»Ich habe einen Abschluss in Rechnungswesen, aber ich glaube nicht, dass ich wieder in einer Steuerberatungsfirma arbeiten will. Ich suche etwas anderes … egal was.«

Das war nicht das Mädchen, das ich gekannt hatte. Sie sah ähnlich aus. Ihr Haar hatte noch dieselbe Farbe, ihre Augen waren noch immer faszinierend, und ihr Körper … verdammt. Ich fand sie schon früher wunderschön, aber als sie weggegangen war, hatte sie noch den Körper eines Mädchens. Jetzt war sie voll und ganz Frau, und ich war aufrichtig genug zuzugeben, dass ich jeden Zentimeter von ihr begehrte.

Und dennoch.

Obwohl ihr Erscheinungsbild fast dasselbe geblieben war, erinnerte mich jedes Wort, das ihr über die Lippen kam, daran, dass die Frau, die da vor mir stand, nicht das Mädchen war, das mich vor acht Jahren verlassen hatte.

»Nun, in dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, gibt es eine offene Stelle. Würde dich das interessieren?«, fragte Leah.

Ich warf Leah einen finsteren Blick zu, und sie schaute mich ganz unschuldig an, als hätte sie keine Ahnung, dass sie sich da in etwas einmischte.

»Ähm, das kommt darauf an. Was für ein Job ist das?«, fragte Mia mit einem leichten Lächeln. Zum ersten Mal seit acht Jahren sah ich ihr Lächeln wieder, und ich war froh, als ich merkte, dass sich zumindest das nicht geändert hatte.

»Auf der Schwesternstation. Hast du irgendwelche medizinischen Erfahrungen?«

»Auf dem College habe ich in einem Krankenhaus gejobbt«, erwiderte sie.

»Das könnte reichen. Komm doch einfach am Montag vorbei. Ich setze dich auf die Liste für die Vorstellungsgespräche und lege ein gutes Wort für dich ein.«

Mia nickte und bedankte sich bei Leah, dann verabschiedeten wir uns.

Als sich Mia zum Gehen wandte, hielt sie inne. »Leah, in welcher Abteilung arbeitest du?«

»Oh, ich Dummerchen! Auf der Entbindungsstation im zweiten Stock.«

Mia sah einen Augenblick perplex aus, doch sie erholte sich rasch wieder und bedankte sich noch mal bei Leah, bevor sie ging.

Leah, die Kinder und ich gingen zurück zum Auto.

»Na, da hast du dich ja echt wie ein Profi angestellt, Goober. Wolltest du überhaupt mit ihr reden? Du hättest sie doch wenigstens auf einen Kaffee einladen können. Oder sie nach ihrer Telefonnummer fragen. Du hättest irgendetwas unternehmen sollen, damit sie nicht wieder aus deinem Leben verschwindet«, sagte Leah, während sie Lily auf dem Rücksitz anschnallte.

»Ich denke, das hast du bereits für mich erledigt, Miss Einmischerin?«

Sie grinste. »Das heißt: Vielen Dank, liebe Mrs Einmischerin. Später wirst du es mir noch danken.«

Da war ich mir nicht so sicher. Mia wieder in meinem Leben zu haben klang nach einer schlechten Idee. Beim letzten Mal hatte dies damit geendet, dass mein Leben in Trümmern lag. Ich war mir nicht sicher, ob ich eine zweite Runde überleben würde.

3

Mia

»Das war also das«, sagte Liv.

Es war später am Nachmittag, wir saßen in ihrem Wohnzimmer herum und tranken Tee. Sie stand wirklich auf Tee. Sie hatte einen ganzen Schrank voll davon. Wahrscheinlich hielt sie irgendeine exotische Teefirma am Laufen. Das Mädchen war wie eine Besessene, wenn es um das Zeug ging.

Keine Teebeutel für Hippie Liv.

Sie hasste es, wenn ich sie so nannte, deshalb hatte ich es zu meiner Mission gemacht, sie so oft wie möglich so zu nennen.

Sie betrachtete sich selbst als entwickelt.

Was auch immer.

Wenn man dosenweise Teeblätter besaß, kein Fleisch aß und alles in bio kaufte, mochte mir eben gelegentlich das Wort Hippie über die Lippen kommen.

»Ja. Das war das«, erwiderte ich vom Sofa aus.

Ich hatte mich stundenlang nicht gerührt, sondern hatte nur wie ein bedauernswertes verwundetes Reh dagesessen. Ich hatte den Tee getrunken, den Liv in Bechern hereingebracht hatte, die Kekse gegessen, die sie mir in die Hand gedrückt hatte, und wie ein Zombie ins Leere gestarrt.

»Hast du nicht vielleicht etwas Stärkeres als Tee?«, fragte ich schließlich, weil ich meinen Teebedarf für das nächste Jahrtausend gedeckt hatte.

»Du meinst Kaffee oder so?«

Ich blickte meine Freundin an, Schock und Horror waren mir ins Gesicht geschrieben. Sie grinste von einem Ohr zum anderen; sie hatte die Arme um sich geschlungen und sah selbstzufrieden aus.

»Das war hoffentlich ein Witz«, sagte ich drohend.

»Immerhin habe ich damit deine Aufmerksamkeit erregt. Natürlich habe ich Alkohol. Auch Hippies trinken«, sagte sie, wobei sie das Wort betonte, das sie so hasste.

»Wie wäre es, wenn ich uns Drinks mache und du bestellst uns währenddessen eine Pizza? Und dann treffen wir uns in fünf Minuten wieder hier.«

Ich nickte und schaute nach der Telefonnummer des örtlichen Pizzaservice bei uns in der Straße, bei dem wir vor ein paar Tagen schon bestellt hatten. Ich bestellte eine große vegetarische Pizza und mit Käse überbackenes Brot, dann wartete ich. Nach einer Minute oder so wurde mir langweilig. Was haben die Leute gemacht, bevor es Smartphones gab? Haben sie die Wände angestarrt? Das machte ich schon den ganzen Tag und hatte es satt.

Ich nahm mein iPhone wieder und tat das, was ich mir geschworen hatte, niemals zu tun. Ich suchte Garrett auf Facebook. In all der Zeit, in der ich weg gewesen war, hatte ich nie nach ihm gesucht – nicht im Internet, nicht auf Twitter oder Instagram … nichts. Ich hatte nicht wissen wollen, ob er eine Freundin oder eine Ehefrau hat. Ich hatte das Risiko nicht eingehen wollen, möglicherweise Hochzeitsfotos zu sehen oder Urlaubsfotos mit seinen Kindern. Nichts zu wissen war der Schlüssel für mein Überleben gewesen. Aber jetzt wusste ich es, und plötzlich wollte ich alles wissen – es war, als würde plötzlich ein Damm brechen. War er wie geplant aufs College gegangen? Was arbeitet er jetzt? Wie geht es seiner Familie? Ist er glücklich?

Meine Suche erwies sich als völlige Pleite, als ich herausfand, dass sein Profil besser gesichert war als Fort Knox. Das Einzige, was ich sehen konnte, war sein Profilbild, und das reichte aus, um meinen Herzschlag zu verdoppeln. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber er war noch attraktiver geworden, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. All diese jungenhaften Züge, an die ich mich so gut erinnerte, waren durch harte Muskeln, breite Schultern und einen Blick, bei dem mir der Slip in Flammen aufging, ersetzt worden.

»Ich habe mich schon gefragt, wie lange du wohl brauchen würdest«, sagte Liv, als sie mit zwei großen Drinks wieder das Wohnzimmer betrat. Sie reichte mir einen davon, und ich trank sofort einen Schluck; es war mir völlig egal, was es war. Solange Alkohol enthalten war, war es heute Abend genau das richtige Getränk.

»Bist du dir sicher?, sagte ich mir Tränen in den Augen. »Wir können noch warten. Wir müssen es nicht jetzt tun. Du weißt, was alle sagen werden.«

Er sah mir in die Augen, fand mit einem einzigen Blick den Weg direkt in meine Seele.

»Ich will aber nicht warten, Mia. Ich bin jetzt bereit und es ist mir egal, was alle sagen werden. Ich weiß, dass du die Richtige bist, weshalb also warten? Unser gemeinsames Leben hat bereits begonnen. Jetzt müssen wir es nur noch offiziell machen.«

»Er war perfekt«, platzte ich heraus und starrte auf sein Foto, das immer noch mein Display erleuchtete. »Er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten will.«

»Was? Wann?«

»Am Tag vor unserem Abschluss.«

»Und du hast … Nein gesagt?«, fragte sie zögernd.

Ich legte mein Handy weg, nachdem ich das Display ausgeschaltet und meinen Blick von Garrett, der einfach zum Anbeißen aussah, losgerissen hatte. »Ich habe Ja gesagt.«

»Oh. Und warum bist du dann …«

»Weggegangen?«

Sie nickte nur. Das gehörte zu den Dingen, die ich noch nicht bereit war mitzuteilen.

»Mia … ich meine, Amelia … verdammt. Ich nenne dich Mia, okay? Ich kann dich nicht ansehen und anders nennen. Damit musst du eben einfach zurechtkommen.«

»Okay.«

»Okay? Das war’s schon? Ich dachte, du würdest dich mehr dagegen wehren, aber okay. Weißt du, wenn du deine Meinung geändert hast, hättest du es ihm einfach sagen können. Ihr wart achtzehn. Zu heiraten ist in diesem Alter eine große Sache. Himmel noch mal, in unserem Alter auch noch. Ich habe allein bei der Vorstellung schon die Hosen voll. Deshalb habe ich vor, diesen Weg niemals einzuschlagen. Ich werde nie einen Kerl so nahe an mich heranlassen.«

Ich erinnerte mich an den Abend, an dem Garrett mich gefragt hatte.

Wir hatten am Flussufer geparkt und lagen auf einer alten Decke, die er immer im Kofferraum mit dabei hatte. Stundenlang hatten wir zu den Sternen hinaufgestarrt, während wir uns über unser neues Leben unterhalten hatten. Wir hatten Angst davor und waren gleichzeitig aufgeregt. Alles veränderte sich, aber wir waren zusammen und wussten, dass wir alles schaffen konnten, solange wir uns hatten. Wir waren noch so jung und unschuldig, hatten aber schon die Gefühle von Erwachsenen, worauf wir nicht vorbereitet waren.

Mitten in unserer Unterhaltung über Wohnungen sagte er: »Steh auf.«

»Warum?«, fragte sich.

»Tu es einfach!« Er grinste. Dann ließ er sich auf das Knie sinken und ich kicherte, weil ich fand, dass Männer das nur in Filmen machten. Ich kniete mich zu ihm auf die Decke. Die Frösche quakten und das Wasser rauschte, während ich seine Hände hielt. Wir lachten und weinten, als er mir seinen Heiratsantrag machte.

Er flocht mir seine Finger ins Haar und küsste mich zärtlich, bis ich »Ja« sagte.

Dann überraschte er mich total, als er einen Ring herauszog. Ich hatte geglaubt, dass diese ganze Sache nur eine Eingebung des Augenblicks gewesen wäre, aber er hatte es geplant, jede einzelne Minute. Er steckte mir den Ring an den Finger, ein zartes weißgoldenes Band mit einem kleinen Diamanten in der Mitte.

»Es ist nicht viel, aber ich habe dir bereits mein Herz geschenkt, und das hier soll nur ein Platzhalter dafür sein.«

»Das ist perfekt.«

Und das war es auch gewesen.

Ich berührte kurz die Stelle an meiner linken Hand, die jetzt ringlos und leer war. »Ich habe meine Meinung nicht geändert.«

»Was hat dich dann dazu veranlasst wegzulaufen?«

»Ich habe ihn nicht verdient.«

Ich verdiente ihn immer noch nicht.

Garrett

Als ich Leah und die Kinder absetzte, ging ich mit ihnen hinein, um kurz Leahs Mann Declan Hallo zu sagen.