Redeangst? - Siegfried Lachmann - E-Book

Redeangst? E-Book

Siegfried Lachmann

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Beschreibung

Freies Reden vor Publikum - eine Horrorvorstellung für viele Menschen. Doch Siegfried Lachmann vermittelt in seinem Buch, dass solche Redesituationen weder etwas Schlimmes sind noch einen vor Aufregung bis an den Rand der Verzweiflung treiben müssen. Denn Lachmann weiß, wovon er spricht: Vor über drei Jahrzehnten litt er selbst unter Lampenfieber, steckte in einer absoluten Redekrise - bis er sich durch diverse Techniken „freigeredet“ hat. Diese Techniken - mittlerweile bekannt als die „siegfriedlachmann-Methode“ - sind Inhalt dieses Buches. Damit auch Sie bald angstfrei vor Publikum sprechen können.

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Seitenzahl: 166

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Siegfried Lachmann

REDEANGST?

Nicht mit mir!

Impressum

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß §44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

Bei Fragen zur Produktsicherheit gemäß der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit (GPSR) wenden Sie sich bitte an den Verlag.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner.studio

© 2025 – GMEINER studio

in der GMEINER-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2025

Korrektorat: Stefanie Stoltenberg

Layout & Gestaltung: Veronika Buck

E-Book: Mirjam Hecht

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN 978-3-7801-8038-4

Widmung

Blicke ich auf meine Entwicklung als Redner zurück, geht mein Dank an zwei Personen, die mich in diesem Bereich sehr positiv beeinflusst haben.

Dr. Herbert Narbuntowicz

Durch sein tiefgründiges Wissen und die besondere Art, diese Kenntnisse an uns Schüler weiterzugeben, war dies wie ein Katapultstart in meinem Start ins rhetorische Leben, der mich um Längen nach vorne brachte.

Wolfgang Formatschek

Auf das Fundament von Dr. Narbuntowicz konnte einige Jahre später Wolfgang Formatschek aufbauen. Ich bin dankbar für jede Minute mit seinem Wesen, uns Rhetorik zu vermitteln und fit zu machen.

Der Mix aus den Inhalten beider Trainer sowie der daraus resultierende eigene Erfahrungsschatz haben es mir ermöglicht, die »siegfriedlachmann-Methode« zu entwickeln und weiterzugeben.

Das hybride Buch

Haben Sie schonmal den Begriff »Hybrides Buch« gehört? Dabei handelt es sich um ein ergänzendes Medium zum Buch. Sie haben das Buch in gedruckter Form vor sich, zum anderen wird es durch Inhalte im Internet ergänzt – insbesondere auf meiner Webseite www.siegfriedlachmann.de.

Das heißt: An verschiedenen Stellen im Buch finden Sie Hinweise und Verlinkungen zu meiner Webseite. Dort werden die angesprochenen Themen durch zusätzliche Texte, Audio-Dateien oder Videoclips vertieft. Die digitale Version geht jedoch noch einen Schritt weiter: In Zukunft werden dort kontinuierlich neue Inhalte erscheinen, die das Thema Redeangst tiefer beleuchten und erweitern.

Zum Hintergrund: Ein Buch ist immer eine Momentaufnahme. Neue Entwicklungen oder Erkenntnisse können in der Regel erst in einer Neuauflage berücksichtigt werden. Über die begleitende Webseite jedoch ist es möglich, zeitnah auf aktuelle Erkenntnisse einzugehen und Ihnen diese zur Verfügung zu stellen. Für Sie bedeutet das einen kostenfreien Zusatznutzen.

Siegfried Lachmann

Zu diesem Buch

Siegfried Lachmann gelingt es mit seinem Buch, das Thema Redeangst in ein neues Licht zu rücken. Auf der Grundlage zahlreicher Seminare, Workshops und Coachings zeigt er Strategien auf, die Mut machen, Redeangst aktiv anzugehen. Wenn wir verschiedene Möglichkeiten sinnvoll bündeln und nutzen, erscheint Redeangst plötzlich in einem völlig neuen Verständnis. Das Geheimnis liegt in einer sachlichen, nüchternen Herangehensweise: Welche Veränderungen sind notwendig, damit Reden und Vorträge künftig Freude bereiten können?

Dazu gehören eine positive Grundeinstellung, die Bereitschaft, alte Überzeugungen zu überdenken, und die Offenheit für Neues. Ebenso wichtig ist die Erkenntnis, dass kontinuierliches Üben und Trainieren unverzichtbare Bausteine für den Erfolg darstellen. Wird vorhandenes Wissen klug eingesetzt, entsteht ein positiver Kreislauf: Erfolgserlebnisse stärken das Selbstvertrauen, und dieses Gefühl der Sicherheit motiviert zu weiteren Erfolgen. Viele Teilnehmer seiner Veranstaltungen haben diese Erfahrung bereits bestätigt.

Siegfried Lachmann ist unter anderem Trainer für Rhetorik, Autor, Redner und professioneller Sprecher. Aus eigenen negativen Erfahrungen heraus begann er, sich intensiv mit der Rhetorik auseinanderzusetzen. Schritt für Schritt entwickelte er dabei seine eigene Methode – die »siegfriedlachmann-Methode«. Zahlreiche Menschen haben sich bereits mit ihr auseinandergesetzt und geübt. Dann haben sie erfolgreich ihre persönlichen Rednerwege eingeschlagen. Heute lebt Lachmann in Süddeutschland.

Vorwort

Ich erinnere mich noch gut an jene Momente, in denen mir das Herz bis zum Hals schlug, die Hände feucht wurden und mir der Gedanke kam: »Wenn ich jetzt nur irgendwo verschwinden könnte …« – das war Redeangst in ihrer reinsten Form. Dieses lähmende Gefühl, wenn alle Blicke auf einen gerichtet sind und man glaubt, jeder Gedanke, jedes Wort müsse perfekt sein.

Doch genau diese Situationen wurden zu meinen größten Lehrmeistern. Ich habe gelernt, dass Redeangst kein Feind ist, den man bekämpfen muss, sondern ein Signal – ein Hinweis auf das, was uns wirklich wichtig ist. Sie zeigt uns, dass wir etwas zu sagen haben, das Gewicht hat. Und dass wir lernen dürfen, uns und unsere Stimme neu zu entdecken.

Dieses Buch ist aus vielen Begegnungen entstanden – mit Menschen, die denselben Knoten im Bauch spüren, dieselbe Anspannung vor einem Auftritt, dieselbe Unsicherheit in Momenten, in denen sie eigentlich stark wirken wollen. Es sind Menschen, die reden möchten, aber sich oft nicht trauen.

Ich möchte Ihnen Mut machen: Redeangst ist überwindbar. Nicht über Nacht, aber Schritt für Schritt. Sie ist kein Lebensurteil, sondern ein Entwicklungssignal. Wenn Sie verstehen, woher sie kommt, was sie Ihnen sagen will und wie Sie mit ihr umgehen können, wird aus Angst Selbstvertrauen. Und aus Unsicherheit entsteht Präsenz.

Dieses Buch begleitet Sie auf diesem Weg. Es ist kein theoretisches Werk, sondern ein praktischer Begleiter. Sie werden darin viele Übungen, Impulse und Beispiele finden – aus meiner eigenen Erfahrung, aus der Arbeit mit Gruppen, Seminaren und Einzelcoachings. Alles, was Sie brauchen, ist die Bereitschaft, sich auf diesen Prozess einzulassen.

Ich lade Sie ein, sich selbst neu zu begegnen – mit Offenheit, Geduld und einem Schuss Humor. Denn wer lernt, über sich selbst zu schmunzeln, hat schon den ersten großen Schritt getan.

Vielleicht werden Sie am Ende feststellen: Die Bühne ist gar kein gefährlicher Ort. Sie ist ein Platz, an dem Sie wachsen dürfen – mit Ihrer Geschichte, Ihrer Stimme und Ihrer ganzen Persönlichkeit.

In diesem Sinne:

Trauen Sie sich – es lohnt sich.

Siegfried Lachmann

Hinweis

Zur besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulinum verwendet, wobei beide Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

Vorwort / Samuel Wiens

Ich war 19 Jahre alt, Student und voller Fragen über das Leben, meine Identität und meinen Auftrag. Damals empfahl mir mein Mentor Wesley, mit einem Deutschen zu sprechen, der sich gerade im Land befand: »Sprich doch mal mit Lachmann, der kann dir bestimmt weiterhelfen.« Wir scherzten über den Namen  – »Lachmal oder Lachmann?« – und ich fragte mich, ob jemand mit so einem fröhlichen Namen meine ernsten Zweifel wohl verstehen würde.

Doch Siegfried Lachmann nahm sich Zeit für mich. Er hörte zu, stellte herausfordernde Fragen und öffnete mir neue Perspektiven. Ich spürte Respekt – und Vertrauen. Am Ende lud er mich zu einem Rhetoriktraining ein: »Ich bringe Menschen das Sprechen bei«, sagte er schlicht. Ich dachte: Warum sollte ich das brauchen? Ich kann doch reden!

Erst später verstand ich: Reden zu können ist nicht dasselbe wie gut zu sprechen. In seinem Seminar wurde mir bewusst, dass mein Auftreten zwar laut, aber nicht echt war. Das Training mit Lachmann öffnete mir die Augen. Es war intensiv, präzise und befreiend – und es wurde zum Ausgangspunkt meiner eigenen Reise.

Seitdem begleite ich Menschen, die mit zitternder Stimme anfangen – und nach wenigen Stunden mit Klarheit, Leidenschaft und Mut sprechen. Ich sehe Studierende, Lehrer und Führungskräfte, die durch Worte wachsen und andere inspirieren. Und immer wieder erinnere ich mich an jenen Satz, den Siegfried einmal sagte: »Nach zwanzig Jahren Praxis lernt man, hinzuhören.«

Von der Frucht des Mundes wird der Mensch satt; vom Erfolg der Lippen lebt er (Sprüche 18, 20–21). Dieser Vers begleitet mich bis heute – als Erinnerung daran, wie viel Macht Worte haben.

Dieses Buch ist für alle, die sich nicht länger von ihrer Angst beherrschen lassen wollen. Für alle, die etwas zu sagen haben – und es endlich aussprechen möchten. Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug.

Denn Reden ist nicht nur Technik – es ist Begegnung, Berufung, Beziehung.

Wir leben in einer Zeit, in der deine Stimme ein Segen sein kann.

Trau dich zu sprechen – Siggis Buch wird dir dabei helfen.

Ich wünsche dir, dass du beim Lesen nicht nur Strategien findest, sondern dich selbst.

Und dass du am Ende sagen kannst:

»Redeangst? Nicht mit mir.«

Herzlich aus Paraguay,

Samuel Wiens Bartel

Kapitel 1: Was ist Redeangst – und warum betrifft sie so viele?

In diesem Kapitel schauen wir auf die Gründe und die Entstehung von Redeangst. Dabei reift die Erkenntnis, dass Redeangst ein Thema vieler Menschen ist. Das ist der erste Schritt hin zum Weg zur Selbsterkenntnis: Ich bin damit nicht allein!

Ob im Job, in der Schule, bei einem Familienfest oder einer spontanen Situation im Alltag – das Sprechen vor anderen Menschen ist für viele eine echte Herausforderung. Für einige bedeutet es sogar eine regelrechte Qual: zitternde Hände, trockener Mund, Blackout. Redeangst betrifft mehr Menschen, als man denkt. Und sie ist kein Zeichen von Schwäche – sondern von Menschlichkeit. Deswegen können Sie auch sagen: »Ich befinde mich in guter Gesellschaft! Ich bin damit nicht allein!«

Auch wenn ich mich seit Jahrzehnten mit der Rhetorik beschäftige und diese selbst in vielen Veranstaltungen regelmäßig praktiziere, bin auch ich nicht zu 100 Prozent vor der Redeangst gefeit. Ob die Präsentation im Meeting, ein Vortrag vor Publikum oder ein einfaches Statement in einer Runde: Ich stelle immer wieder fest, dass vieles in erster Linie von meiner Vorbereitung sowie von meiner Tagesform abhängt. Manches Mal ist es auch die Umgebung, in der ich mich befinde und vor der ich spreche. Mich ergreift sie also auch, diese Redeangst. Aber ich habe Wege gefunden, mit ihr zu leben und mich mit ihr zu arrangieren. Hilfreich waren mir dabei u. a. folgende Sichtweisen:

»Angst ist ein schlechter Ratgeber.« Unbekannt

Diese Volksweisheit hat mir geholfen, indem ich es mit der Metapher »Angst ist kein Feind, sondern ein Wegweiser« für mich passender gemacht habe. Bedeutete zukünftig für mich: »Die Angst zeigt dir, dass dir etwas wichtig ist.«

»Man wächst mit seinen Aufgaben.« Ernst Reinhard

Dieses »Wachsen an seinen Aufgaben« führte zu einer der wesentlichsten Erfahrungen, die ich auf meinem Weg zum Redner gemacht habe: »Üben – Üben – Üben!« Redeangst ist Teil des Wachstumsprozesses und vermindert sich in seiner Wirkung, je mehr ich daran arbeite. Wie ein Sportler an seinen Disziplinen wächst, wachse ich als Redner, je mehr ich es tue. Reden lernt man durch Reden.

»Wer den Wind nicht ändern kann, muss die Segel anders setzen!« Aristoteles

Ich habe damals begonnen, mich mit der Angst zu arrangieren. Die Angst ganz wegmachen, das geht nicht. Sie ist ein Teil meines Lebens. Aber ich habe dann in vielen kleinen Schritten gelernt, mit ihr zu segeln.

»Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern der Entschluss, dass etwas anderes wichtiger ist.«Ambrose Redmoon

Wie viel Raum habe ich in meinen jungen Jahren der Redeangst gegeben! Als Kind habe ich dank meiner Eltern die Chance erhalten, zwei Musikinstrumente zu lernen. Klassisch startete ich wie viele Kinder mit der Blockflöte. Das wurde mir bald zu langweilig und zu eintönig. Ich durfte Klavier spielen lernen. Nach circa zwei Jahren gehörte ich zu den Auserwählten, die einmal im Jahr vor den Schülern und Eltern der Lehranstalt auftreten durfte. Die Angst vor und während dieser Auftritte hat mich beinahe umgebracht. Hatte ich dann aber meine Stücke fein säuberlich heruntergespielt – und dass meistens auch zu meiner vollsten Befriedigung – durchströmte mich ein Gefühl der Glückseligkeit. Der Applaus war jedes Mal wie ein Befreiungsschlag, war er doch die Belohnung für harte Arbeit. Er war wie ein warmer Sommerregen. Zwar kurz, aber tat so gut. Und spornte zu Weitermachen an. Es war, ist und bleibt so:

»Vor die Tugend haben die Götter den Schweiß gesetzt!« Hesiod

»Der Weg entsteht beim Gehen.« Antonio Machado

Das passt auch nochmal zu der Aussage: »Üben – Üben – Üben!« Sicherheit entsteht durch das Tun, oder wie hier zitiert: »Beim Gehen!« Je mehr ich Schritt für Schritt gehe und dabei einen Fuß nach dem anderen setze, desto sicherer werde ich. Das haben wir übrigens alle bereits hinter uns. Denn als Kind haben wir gelernt zu gehen. Heute laufen wir normalerweise ohne Probleme. Das liegt daran, weil wir nach dem Hinfallen einmal mehr aufgestanden sind, als liegen zu bleiben.

Durch das stetige Gehen lerne ich neue Wege und Möglichkeiten kennen. Und sie mit verschiedenen Techniken auch zu optimieren. Das habe ich dann in späteren Jahren auch bei Wettkämpfen festgestellt. Die Halbmarathons zu beenden, funktionierte nur durch das ständige und disziplinierte Trainieren. Auf das Reden übertragen bedeutet das: Sicherheit auf der Bühne wächst mit der stetigen Erfahrung – und nicht etwa durch Vermeidung.

Zu Beginn meiner Redetätigkeit war das durchaus ganz schlimm. Und da blende ich mal kurz zurück in die Anfangsjahre, und zwar in die Jahre meiner Schulzeit. Da spürte ich förmlich, dass das öffentliche Sprechen mit großer Anspannung oder sogar Angst verbunden ist. Die sogenannte Redeangst, mit der ich ab da Bekanntschaft machte, zählte und zählt zu den häufigsten Ängsten überhaupt. Sie ist sogar noch häufiger als Angst vor Spinnen oder engen Räumen.

Es war wieder mal Prosazeit in unserer Schulklasse. Und wir erhielten den Auftrag unserer Lehrerin, bestimmte Zeilen auswendig zu lernen, sie einzustudieren und am nächsten Tag vor der Klasse aufzusagen. Und mit dem Aufsagen war nicht nur gemeint, dies vom Platz aus zu tun. Nein, es wurde schon gewünscht, den gesprochenen Text mit einem gewissen Anteil an geeigneter Körpersprache zu untermalen. Mir wurden die Zeilen aus Joseph von Eichendorffs »Es war, als hätt‹ der Himmel die Erde still geküsst!« zuteil.

»Nun denn«, dachte ich mir. »Zwölf Zeilen werden ja wohl bis morgen zu schaffen sein.« Daheim angekommen, machte ich mich nach dem Mittagessen kurz daran, die Zeilen ins Kurzzeitgedächtnis zu brennen. »Bis morgen müssten die dann abrufbereit sein«, so mein Denken. Nach einer knappen dreiviertel Stunde kam ich umgezogen aus meinem Zimmer, fertig, um mit den Freunden kicken zu gehen. Doch ich hatte die Rechnung ohne meine Mutter gemacht. Die hatte als eingeschworener Eichendorff-Fan mitbekommen, dass ich sein schönstes Naturgedicht eingeübt hatte. Doch war ihr meine Form des Vortrags viel zu roh. Sie schalt mich liebevoll mit Sätzen wie:

»Ein kostbarer Tropfen versickert im staubigen Boden.«

Kurz zusammengefasst: Sie war entsetzt, mit welcher Lieblosigkeit ich mir ›ihren‹ Eichendorff einverleibt hatte. Fußball war für heute vorerst gestrichen. Jetzt war ein intensives Eichendorff-Poesie-Coaching angesagt. Mit aller Liebe ging sie mit mir die zwölf Zeilen durch. Zeigte mir durch ihre Gestik und Mimik, wie der Dichter das damals wohl gemeint zu haben schien. Und übte und übte und übte. Immerhin war ich nach zwei Stunden so fit mit der Nummer, dass sie mir dieses Kompliment mit auf den Weg gab: »Mein Sohn, wenn du das so morgen vorträgst – dann kann ich dir garantieren, werden dir über 50 Prozent der Mädels zu Füßen liegen!«

An dem Abend ging ich mit 110 Prozent Motivation ins Bett. Am nächsten Morgen nach dem Aufstehen waren davon noch 90 Prozent übrig. In der Lehranstalt angekommen noch 70 Prozent, zur Frühstückspause noch 50 Prozent. Ganze 20 Prozent waren davon übrig, als ich nach der Pause wieder das Klassenzimmer betrat. Denn ich wusste: »Jetzt bin ich dran!« Und genau so war es. Also begab ich mich mit gesenktem Kopf nach vorne, drehte mich um und nahm Blickkontakt auf. Allerdings nicht mit dem Publikum, sondern mit dem Fußboden. Dieser war – ich sehe es heute noch vor mir – ein grauer Industrie-Fußboden-PVC mit schwarzer Maserung. Ins Publikum traute ich mich gar nicht erst zu schauen. Wusste sowieso, was da war: Augenpaare von gespannten Schülern, die jetzt nur darauf warteten, was Lachmann abliefert. Und weg waren die Motivation und jeglicher Erfolg des gestrigen Coachings mit Deutschlands größtem Eichendorff-Fan. Was ich wohl schaffte, war das Gedicht vorzutragen – unterstützt durch einen hochroten Kopf! Ziel war für mich heute Morgen, mich schleunigst wieder auf meinen Platz zu begeben. »Augen zu und durch« war das Motto. Jegliche Inbrunst, jede Form gestikulierter Ausdrucksweise oder mimen- hafter Ausschmückung aus dem gestrigen Coaching: Nichts mehr da! Und ich hätte mir beinahe in die Hose gemacht.

Die Redeangst hat mich in jungen Jahren weiterhin stark begleitet. Holte mich bei diversen Veranstaltungen immer wieder ein. Die finale und ausschlaggebende Situation, in der ich dachte: »Jetzt reichts!«, war eine Begebenheit in unserer damaligen Gemeinde. Da meinte unser Pastor eines Sonntagabends: »Du Siggi, ich bin kommenden Sonntag nicht da. Habe auch keine Vertretung gefunden. Da bist nur du mir noch eingefallen. Bedeutet: Nächsten Sonntag predigst du!« Ich war so perplex, dass ich zunächst nicht begriff, was er mir da sagen wollte. Nach einer kurzen Pause erwiderte ich: »Nee du, das mache ich nicht!« Um es kurz zu machen: Nach einigem Hin und Her willigte ich ein. Also bereitete ich mich irgendwie auf den kommenden Sonntagabend vor. Betete sehr viel. Und je näher dieser Termin rückte, desto schlechter und jämmerlicher fühlte ich mich. Am Sonntag selbst bekam ich Durchfall, hatte Magenschmerzen, konnte keinen Bissen runterbringen … Und irgendwie mehr schlecht als recht erfüllte ich meinen Auftrag. Ich war alles andere als zufrieden. Nach diesem Abend stellte ich mir ernsthaft die Frage: »Politiker in unserem Land können reden. Hans-Joachim Kulenkampff und ein Dieter-Thomas Heck schaffen das. Mein Pfarrer in der Kirche ebenso. Warum ich nicht?« Und das führte dazu, dass ich begann, mich mit dem Thema der Rhetorik ernsthaft und eingehend zu beschäftigen. Und nicht nur das. Ich leckte Blut und wollte mehr und mehr wissen. Dieses Thema hat mich dann nicht mehr losgelassen – bis heute.

Doch woher kommt sie, diese Redeangst? Warum ist sie so verbreitet? Und was kann man tun, um sie zu bewältigen?

Was ich auf dem Weg zur Minderung der Redeangst gelernt habe war, dass sich diese Angst aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt.

Gedankenkomponente (kognitive Ebene)

Was denke ich über mich und die Redesituation? Die Gedanken überholen sich und schlagen Purzelbäume. Da ist es manchmal so, dass wir keinen klaren Gedanken mehr denken können. Und unsere Gedanken haben Macht.

Wie oft habe ich selbst diese negativen Selbstgespräche geführt, die aus keiner Sackgasse herausführen, sondern immer tiefer rein. Satzfragmente wie »Ich blamiere mich« oder »Ich bin nicht gut genug« sind da vielleicht noch die schwächsten Thesen.

Vor mancher Rede gingen bei mir in meinem Innern die Lichter aus und mein Kopfkino startete mit Filmtiteln wie »Alle werden lachen« und »Ich verliere den Faden – das packst Du nie!«.

Die Hilfe suchte ich dann im Perfektionismus. Also betete ich Sätze runter wie »Ich darf mir keinen Fehler erlauben« oder »Du musst gut sein!« – und dann kamen die Fehler erst recht.

Wenn ich dann in einer Rede voll und sicher in Fahrt war und wollte mir schon weiter Mut zusprechen, sah ich wieder in einige Gesichter, die mich regungs – und bewegungslos anstarrten und wohl nur zusahen, wie mühevoll ich da vorne auf der Bühne stand und mein Programm runterspulte. Während die Gesichter mich weiter mit der gleichen starren Mimik ansahen, kam die weltberühmte Frage in mir auf: »Was denken die anderen über mich?«

Diese inneren Überzeugungen und Fragen wirken oft automatisiert und lösen weitere Stressreaktionen aus.

Gefühlskomponente

Eine weitere Komponente, die sich stark auf emotionaler Ebene abspielt, ist die sogenannte Gefühlskomponente. Auch hier habe ich in meinem Leben festgestellt, dass die Tagesform stark beeinflusst. Welche Erlebnisse umgeben mich gerade? Lebe ich in Frieden mit mir selbst und auch in Beziehungen? Welche Erfahrungen habe ich im vorzutragenden Thema schon gemacht? Und wie waren überhaupt die Erfahrungen der vergangenen Veranstaltungen?

Und wenn das punktierte Erlebnisse waren – im Gesamten können die uns manches Mal ordentlich aus der Bahn werfen. Da wären zum Beispiel:

Angst vor Ablehnung, Bloßstellung oder MisserfolgScham und UnsicherheitNervosität, Anspannung, innere Unruheoft auch eine Mischung aus Aufregung und Versagensangst

Körperkomponente

Mit der Körperkomponente betreten wir die physiologische Ebene. Und da ist es sehr interessant, was neben den emotionalen gefühlsmäßigen Auswirkungen auch im Körper geschieht.

Begleiterscheinungen, die ich nur zu gut kenne: Herzklopfen, Zittern, Schweißausbrüche. Diese Reaktionen können sich abwechseln mit Kurzatmigkeit, trockenem Mund oder einem Kloß im Hals.

Manchmal fühlte es sich an, als würde mir alles im Mund zusammenkleben – kein Wasser der Welt schien schnell genug zu helfen. Und dieser berühmte Kloß im Hals lässt sofort den Gedanken aufblitzen: »Das sehen und hören jetzt bestimmt alle!«

Manche Redner bekommen plötzlich einen hochroten Kopf – das Blut schießt spürbar in alle Richtungen. Eben noch blass, und im nächsten Moment wie ausgewechselt. Doch keine Sorge: Nach einer gewissen Zeit – bei jedem unterschiedlich – beruhigt sich der Körper wieder, und die natürliche Farbe kehrt zurück.