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Reflexion macht bewusst. Sie interpretiert Erfahrungen und integriert sie neu. Dieses Buch unterstützt Sie als Führungskraft und hat die Intention, einen dringend notwendigen Such- und Findeprozess bei Ihnen anzustoßen. Der strukturierte Bearbeitungszeitraum von viermal 25 Tagen regt zum Denken, Überdenken und vor allem neu Denken an. Im Verlauf von 100 Tagen entwickeln Sie ein selbstreflektiertes, mutiges Konzept einer selbstverantworteten Führungskunst, die mehr Freiheit und Autonomie mit sich bringt. Dieses Buch ist keine Anleitung zum Glücklichsein oder zu höherer Moral. Es verkündet keine Theorien, predigt keine Modelle und vermittelt keine Erfolgsregeln. Stattdessen stellt es Ihnen vier klare und herausfordernde Fragen, die Sie dazu anregen, sich selbst, andere Menschen und die Organisation oder das Unternehmen, in dem Sie eine Führungsrolle einnehmen oder einnehmen werden, kritisch zu hinterfragen und zu erkunden. Nutzen Sie diese Gelegenheit, um Ihre Führungsfähigkeiten auf eine neue Ebene zu heben und eine authentische, selbstverantwortete Führungskunst zu entwickeln. Inhalte: - Zum individuellen Führungskonzept in 100 Tagen mit den vier Fragen der Führungskunst - Dark Leadership - Machiavellisten und Soziopathen bei der Arbeit - Techniken des aktiven Zuhörens - Sieben Fragearten, Feedbackregel - Gesprächsvorbereitung - Modell des professionellen Verhaltens - VideoempfehlungenNeu in der 2. Auflage: - Neue Video- und Podcastempfehlungen - Neue Beispiele und Übungen - Skizze für einen neuen Führungsansatz
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Seitenzahl: 327
Veröffentlichungsjahr: 2025
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ISBN 978-3-648-17764-8
Bestell-Nr. 10605-0002
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ISBN 978-3-648-17765-5
Bestell-Nr. 10605-0101
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ISBN 978-3-648-17766-2
Bestell-Nr. 10605-0151
Christian Sonnleitner
Reflektiert führen
2. Auflage, Mai 2025
© 2025 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG
Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg
www.haufe.de | [email protected]
Produktmanagement: Kerstin Erlich
Lektorat: Peter Böke
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Für Therese Sonnleitner-Waim
Unterschätze niemals Menschen.
Menschen nicht zu unterschätzen, ist mein Lebensmotto. Es enthält eine philosophische Ethik und eine psychologische Potenzialvermutung. Der zweiten Auflage ist dieses Motto vorangestellt, das die Tonart vorgibt, in der Reflektiert führen geschrieben ist und überarbeitet wurde. Denn in den vergangenen fünf Jahren seit dem Erscheinen der ersten Auflage 2020 ist auf Makro- und Mikroebene so einiges passiert, was uns beunruhigt. Reflektierte Führung, die es schafft, Ethik- und Wirtschaftsziele gleichermaßen zu vereinen, bekommt eine immer größere Notwendigkeit und Legitimität. Reflektiert führen ist dafür ein bescheidener Beitrag für die Leserinnen und Leser der Gegenwart, um der Reflexion wieder den Vorzug zu geben. Mögen Sie selbst beurteilen, wie der Versuch gelingt.
Die zweite Auflage enthält einiges Neues, um noch mehr ein impulsreiches und praktisches Begleitbuch zum persönlichen Führungsentwicklungsprozess zu sein. Damit ist auch schon gesagt, dass dieses Buch ein Gemeinschaftswerk ist, denn alles, was Sie darin finden, verdanke ich den unzähligen Menschen, die mir im Lauf der letzten bald 60 Jahre begegnet sind, und den vielen Autorinnen und Autoren, deren Bücher ich lesen konnte. Dabei schulde ich gerade auch denjenigen Dank und Respekt, die konträr zu mir denken und argumentieren. Ohne sie hätte sich bei mir nie eine eigene Meinung und Haltung entwickelt.
Ich danke den Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen sowie den Klienten der letzten Jahre und auch meinen Studierenden in den Vorlesungen und hoffe, dass Letztere es mir nicht übelnehmen, wenn ich sie zu mehr Allgemeinwissen, wissenschaftlicher Reflexion und einer ausgewogenen Skepsis bewegen will. Bedanken möchte ich mich bei Katharina Steinfeld für den Hinweis auf Luigi Pirandello (Literaturnobelpreis 1934) und seinen grandiosen ernst-komischen Roman »Uno, nessuno e centomila«. Ich nehme Pirandellos Gedanken zur Identität auf und widme der »schiefen Nase« im Rahmen der ersten Frage der Führungskunst einige Seiten. Besonderer Dank gilt meiner Produktmanagerin Kerstin Erlich, meinem Lektor Peter Böke und Felix Hüttl für das Marketing.
Das wäre auch schon der letzte Satz: Glauben Sie mir nichts, was in diesem Buch steht. Sehen und lesen Sie selbst.
München, im Februar 2025
Christian Sonnleitner
Reflektiert führen ist weder ein wissenschaftliches Werk noch ein Ratgeber für besseres Führen. Es ist deutlich anders. Es füllt endlich die Reflexionslücke in der Führungsliteratur. Mehr Selbstdenken in der Führung als Selbstoptimierung, mehr Reflexion als Festhalten an Tools, mehr Fragen als vorgefertigte Antworten, mehr Impulse als Prinzipien, mehr Lebenskunst als nur Führungstechnik, mehr Freiheit als Dogma, mehr Konzentration als operative Hektik, mehr Autonomie als Flow. Die digitalisierte Gesellschaft braucht mehr selbstreflektierte mutige Kreative, die neu denken und anders führen. Dazu möchte dieses Buch ein paar bescheidene Impulse geben, um der Reflexion im praktischen Führen den Vorzug zu geben.
Meinen Dank richte ich an Jörg Philips, Oliver Hackl, Felix Hüttl, Lara Niemeyer, Tim Kahle, Alexander Stevens, Jutta Thyssen von der Haufe-Lexware GmbH & Co. KG und meinem Lektor Peter Böke.
München, im August 2020
Christian Sonnleitner
Ab hier erfolgt ein Wechsel von der Wir- und Sie-Form zur Du-Form der Anrede, nicht um sich anzubiedern, sondern um einen möglichst persönlichen Reflexionsprozess und gedanklichen Dialog zu ermöglichen. – Wie arbeitest du am besten mit diesem Buch? Wie funktioniert das mit den 100 Tagen? Angefangen zu lesen hast du offenbar bereits. Wenn du diese Textstelle erreicht hast, bist du schon über die Einleitung hinausgekommen und hast Grundgedanken gelesen. Du hältst ein Buch mit überschaubarem Umfang in der Hand. Der Text enthält neben der Einleitung und dem Anhang vier Teile. Jeder dieser Teile stellt ein Quartal dar und ist mit einer der vier Fragen der Führungskunst überschrieben.
Du findest darin alles, was dir hilft, die Frage zu beantworten. Die Fragmente und Textabschnitte bestehen aus Gedankenanstößen, Impulsen, offenen Fragen, Reflexionen, Zitaten, Orientierungshinweisen, Provokantem wie Informationen und Fakten. Auch einige QR-Codes findest du am Schluss des Buches, die zu Videos und Podcasts über einzelne Führungsaspekte führen. Wähle für den Zeitraum der Lektüre 100 Tage. Das Buch könntest du auch in drei Stunden lesen. Gründlichkeit und Auseinandersetzung mit den Fragen und Inhalten geht vor Geschwindigkeit. Der Wunsch: Mach es richtig oder gar nicht. Ideal ist es, wenn ein Mentor oder Coach dich bei der Lektüre von Reflektiert führen begleitet.
Was du in den Händen hältst, ist eine fortlaufende Erzählung. Eine Geschichte aus kurzen Textabschnitten, Fragmenten nicht unähnlich, lädt dich zur Lektüre ein. In der Regel werden zehn Zeilen pro Abschnitt nicht überschritten. Das ist der Rhythmus, der Taktschlag von Reflektiert führen: Zehnzeiler. Lass dich einfach durch die Texte treiben. Wo es langweilig wird, gehe weiter. Komm später wieder auf Besuch. Wo es dich aber anstrengt oder gar nervt – dort solltest du bleiben. Dann ist ein Punkt angesprochen, bei dem es sich zu verweilen lohnt. Es wird Fragmente geben, die dir auch nach Monaten im Gedächtnis geblieben sein werden, andere wirst du vergessen haben. So entsteht deine persönliche Führungskunst, denn du schreibst deine eigene Geschichte weiter.
Führungskunst, vier Fragen der FührungskunstDie vier Fragen bilden die vier Quartale des Lesebuchs. Setze dir zum Ziel, das Programm von Reflektiert führen beispielsweise in 100 Tagen zu absolvieren, viermal 25 Tage. Im Übrigen lege selbst fest, wie lange ein Quartal dauert. In jedem Quartal findest du zu der jeweiligen Frage viele, meist in sich geschlossene Zehnzeiler und Anregungen. Alles steht durch den Kitt der vier Fragen miteinander in Verbindung, und du bist die Intelligenz, die diese Fragen durchdringen und beantworten wird. Glaube nichts, ergründe alles.
Wer bin ich?
Vor allem junge Menschen am Beginn zum Erwachsenwerden stellen sich diese Frage. Aus einer gewissen Verunsicherung oder manchmal auch Euphorie oder Verzweiflung heraus geht die Frage aufs Ganze. Es ist eine Übergangszeit: vom Kind zur Frau oder zum Mann. Haben wir uns gefunden, stellen wir uns schon wieder in Frage. Es ist eine Zeit der Unruhe, aber auch des Neubeginns. Die Frage Wer bin ich? ist zentral für alle Phasen unserer Entwicklung als »sich selbst deutende Tiere«, in denen es um Neuorientierung und Wachstum geht. Zum Führungsverständnis passt sie dann, wenn wir unsere eigene Einstellung erforschen, uns reflektieren, sortieren und neu orientieren wollen. Überleg einmal: Kann man Verantwortung für Menschen übernehmen, kann man sie führen, ohne über sich zumindest einigermaßen Bescheid zu wissen?
Was erwartet dich?
Das erste Quartal der 100 Tage wird das intensivste der vier sein. Indem du dir die erste Frage in immer neuen Variationen stellst, lernst du deine Persönlichkeit kennen und beginnst, sie zu verstehen. Die Fragen sollen aktiv machen. Begreife es als sportliche Herausforderung, dich selbst im Kontext deiner sozialen und persönlichen Wirklichkeit zu hinterfragen. Du wirst immer ins Schwarze treffen. Was erwartet dich in den folgenden Zehnzeilern? Neben philosophischen Gedanken werden wir unterschiedliche Erwartungen klären, die uns betreffen. Zur Führungskunst gehört unbedingt die Beschäftigung mit wunden Punkten, mit Stärken natürlich, aber auch mit Schwächen. Wie frei sind wir? ist eine besonders wichtige Frage.
Weitere Inhalte des ersten Quartals
Mit Fragen zu unserer Einstellung und Haltung bewegen wir uns ins zentrale Geschäft der Führungskunst. Sogar die Sinnfrage wird gestellt und dabei überlegt, was eine souveräne Persönlichkeit auszeichnet. Werte dürfen nicht fehlen. Was sind Werte? Was haben sie mit uns, was mit dem Unternehmen zu tun? Wie gehen wir mit Regeln um? Neben der allfälligen Wertediskussion dreht sich das erste Quartal auch um Strukturen und Funktionen, die uns umgeben. Wir sind nicht allein, sondern beruflich und privat eingerahmt von Organisationsformen, die uns und unsere Kommunikation prägen, von Partnerschaft über Familie und Verein bis zur NGO, zum mittelständischen Unternehmen oder Konzern. Wir sind nicht allein: Wir erleben Verbundenheit mit anderen und Beeinflussung durch andere. Dies alles und mehr. Appetit bekommen?
Es geht los: erste Phase, erster Versuch, erstes Glück
Bei unserer Orientierung bauen wir unbewusst darauf auf, was wir von uns zu wissen meinen und wovon wir bereits überzeugt sind. Es lohnt sich, das ebenfalls kritisch zu beäugen und uns auf die Suche nach unseren sogenannten blinden Flecken zu machen, die zwar andere, aber wir selbst nicht wahrnehmen. Plane dir in den nächsten Tagen eine Stunde ein – nur eine einzige. Suche einen ruhigen und ansprechenden Ort auf, mache einen Spaziergang. Die Aufgabe: Auseinandersetzung mit der Frage Wer bin ich? Lasse deinen Gedanken zunächst freien Lauf. Beobachte dich dabei, was in dir geistig (deine Gedanken betreffend), emotional (alle aufkommenden Gefühle inbegriffen) und körperlich (Empfindungen, die gerade eine Rolle spielen) vorgeht. Nimm dir zur Vertiefung ein paar der Zehnzeiler vor oder wähle einen Gedanken aus, der dir gerade wichtig ist. Versuche dabei, in der Gegenwart zu bleiben.
Der Prozess geht los: Mal über sich selbst nachdenken
Wer bin ich? ist die Schlüsselfrage der Selbstreflexion. Indem wir sie uns stellen, beginnt ein elementarer Prozess. Dieser (Reflexions-)Prozess ist uns Menschen eigentümlich und vielleicht sogar vorbehalten. Selbstreflektierend, über uns selbst nachdenkend, verfolgen wir ein Erkenntnisinteresse: uns selbst zu begegnen, eine Antwort auf die Frage, wer ich sei, zu erhalten usw. Die Motivation kann ganz unterschiedlich sein, je nachdem was wir mit der gewonnenen Erkenntnis tun. Wir, unterwegs zur Mona Lisa in uns und zu unserer eigenen Führungskunst, wollen wissen, was wir für eine PersönlichkeitFührungspersönlichkeit sind, die führt. Andere starten diesen Prozess als Wissenschaftler und untersuchen dessen Eigentümlichkeiten, andere wollen Zufriedenheit, Problemlösung oder ein Verständnis, ob das »Ich« nur eine Illusion ist usw. Versuche also, dir in dieser Stunde der Selbstreflexion über deine Motivation und dein Erkenntnisinteresse klar zu werden.
Nachdenken – was ist das gleich nochmal?
Nachdenken ist wie ein innerer Dialog, der nicht nach schnellen Antworten sucht. Es ist die Kunst, den Raum zwischen Impuls und Reaktion zu weiten. Nachdenken bedeutet, die eigene Sicht zu hinterfragen, ohne sich zu verurteilen. Es schafft Ordnung im Chaos und gibt den Dingen ihren rechten Platz. Nachdenken verlangt Geduld: Nicht jede Frage will sofort beantwortet werden.
Es ist die Begegnung mit sich selbst – eine Übung in Mut und Offenheit. Dabei sind Fehler keine Stolpersteine, sondern Einladungen, genauer hinzusehen. Nachdenken ist ein leiser Akt der Schöpfung, der Kraft und Klarheit bringt. Es ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um in einer komplexen Welt zu bestehen. In der Führungskunst ist es der erste Schritt zu Selbstführung und Weisheit. Mit Victor FranklFrankl, Victor gesprochen, sollten wir weniger darüber nachdenken, was wir vom Leben zu erwarten haben, viel mehr reflektieren, was das Leben von uns erwartet.
Nachdenken in der Führungskunst
Nachdenken beginnt mit Innehalten – ein Moment der Stille, um anzukommen. Es ist das Beobachten der eigenen Gedanken, ohne sie gleich zu bewerten. Stelle Fragen: Was bewegt mich? Was habe ich übersehen? Was ist wirklich wichtig? Entwickle kleine Szenarien und betrachte sie aus verschiedenen Perspektiven. Erkenne Muster in deinen Überlegungen – wo führt dich dein Denken immer wieder hin? Halte Ideen fest, nicht um sie festzuschreiben, sondern um sie weiterzuentwickeln. Nachdenken ist das bewusste Zulassen von Zweifeln, aber auch das Suchen nach Klarheit. Nutze äußere Impulse: ein Gespräch, ein Buch, eine unerwartete Beobachtung.
Überlege, was dich ins Handeln bringt – und was dich vielleicht noch aufhält. Nachdenken heißt, die Zeit zu nutzen, um innerlich aufgeräumter weiterzugehen.
Lasse die Frage wirken: Wer bin ich?
Großen Respekt vor den drei Wörtern brauchst du nicht aufzubringen. Respekt gilt dir selbst, also diesem Ich, das wir erforschen wollen. Denke an die letzten Jahre oder wichtige Zäsuren deines Lebens. Denke an das Auf und Ab deiner Entwicklung. An die Menschen, die dir nahe sind oder waren. An große oder kleine Erfolge. Die schönen und schmerzhaften Erfahrungen. Was ist unverzichtbar für mich? Anerkennung, Erfolg, gutes Auskommen, Freunde, Lebenspartner? Wenn das alles nicht mehr da wäre, was würde übrigbleiben? Das nackte Ich? Wer hat dich für deinen aktuellen Beruf eingestellt und warum? Warum hast du dich für deinen Beruf, für diese Firma entschieden?
Bei der Frage Wer bin ich? zählen auch Gefühle
GefühleGefühle geben Sinn, Richtung, Orientierung mitten im gegenwärtigen Leben, im Jetzt meines Daseins. Wie fühlt sich das an, ich zu sein? Gut? Neutral? Nicht so gut? Gefühle kommen und gehen, die Person bleibt. Wichtig für das Selbstverständnis sind sie allemal. Denn sie zeigen etwas Sensationelles. Sie zeigen, dass wir leben und nicht nur aus Gedanken bestehen. Zum Leben gehören Freude und Schmerz, Liebe und Ablehnung, Sympathie und Antipathie. All das zeichnet deine Persönlichkeit aus. Und damit spielt es auch für dich als Führungskraft eine Rolle. Als Führungskraft bist du kein klinisch sauberer Avatar einer beruflichen Rolle, außer du willst das so. Wer bist du?
Klartext: Was sind Gefühle?
GefühleSobald das Wort Gefühl fällt, entsteht spontan Unklarheit: irgendetwas Irrationales. Etwas, was soft ist und »im Bauch« entsteht, so reden wir. Mit der ersten Frage der Führungskunst sortieren wir den Sinn von Gefühlen. Gefühle bestehen aus unseren ganz normalen körperlichen Empfindungen wie Wohlgefühl und Schmerz und unseren Emotionen wie Angst und Furcht, Liebe und Hoffnung, Hass und Ablehnung, Verbundenheit und Sicherheit. Gefühle kommen und gehen. Weißt du noch, was du gestern zu einer bestimmten Uhrzeit gefühlt hast? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dies nicht mehr zu wissen.
Mit Emotionen reagieren wir auf unsere Körperempfindungen und Wahrnehmungen
EmotionenIn meinem Führungsalltag: Welche körperlichen Empfindungen treten regelmäßig bei mir auf? Zu welchen emotionalen Befindlichkeiten führen sie? Welche Emotionen steuern mich in meinem (Führungs-)Verhalten? Was läuft bei mir immer wieder ab? Wo bin ich buchstäblich verhärtet? Welches innere Programm wird aktiviert, wenn ich etwas Bestimmtes erlebe? Vergegenwärtige dir die Reaktionen und inneren Zustände, die entstehen. Denn daraus bilden sich Verhaltensmuster, das bedeutet Reaktionsroutinen. Wenn du diese Muster erkannt hast, entwickelst du dich als Experte deines eigenen Verhaltens weiter. Gefühlskram? Vielleicht. Die Meinung deiner Umwelt über dich hängt allerdings wesentlich davon ab.
Können wir unsere Gefühle verändern?
EmotionenGefühleNeben dem sicher aufschlussreichen Selbststudium der eigenen Reaktionsroutinen stellt sich die Frage, ob und wie wir unsere Gefühle verändern können. Wer will nicht eher positive Emotionen sein Eigen nennen? Unser Selbststudium wird gezeigt haben oder noch zeigen, dass wir in Gewinnsituationen gut drauf sind, bei erlebten Verlusten weniger gut. Durch einen Perspektivenwechsel, mit dem wir uns in der Folge genauer auseinandersetzen, gelingt es uns zumindest manchmal, einen Verlust in einen Gewinn zu verwandeln. Das lässt sich üben. Wichtig ist aber anzuerkennen, dass auch sogenannte negative Gefühle – wie Enttäuschung, Trauer, Einsamkeit, Zorn, Hass und Wut – ihre Berechtigung haben. Ignorieren wir sie, kommen sie wieder. Akzeptanz und Bereitschaft, sie zuzulassen, ist die beste Methode, an ihrer Vergänglichkeit zu arbeiten. Insofern können wir das Entstehen unserer Gefühle beeinflussen, aber nicht kontrollieren.
Unterschätze niemals Menschen
Das Motto dieses Buchs ist Aussage und Bekenntnis zugleich. Es beschreibt eine philosophische Gewissheit und Lebenshaltung, die dem Guten den Vorzug gibt. Es ist also eine ethische Aussage. Sich selbst als Ich zu verstehen, das Subjekt von Wissen, Gewissheit und Überzeugung ist, hat mit Egozentrik nichts zu tun. Es ist eher eine Zumutung und Verantwortung, die sich daraus ergibt. Wir sind in der Lage, Unterscheidungen zu treffen und etwas zu verstehen. Uns selbst und anderen Potenzial zuzutrauen und danach zu leben, also in die Entwicklung der Persönlichkeit zu investieren, ist ein Lebenskonzept. Es unterscheidet sich von der Auffassung, dass wir oder unser Ich eigentlich nur das Produkt biochemischer Vorgänge im Gehirn sind. Das Motto Unterschätze niemals Menschen ist dann besonders hilfreich, wenn wir an uns selbst zu zweifeln beginnen oder unsere negativen Vorurteile entdecken und andere im Maß unserer SelbsterhöhungSelbsterhöhung herabstufen.
Die Entfaltung unserer Person am Scheideweg: Growth Mindset und Fixed Mindset
Die beiden Begriffe, Growth MindsetGrowth Mindset und Fixed MindsetFixed Mindset, sprechen für sich. Sie gehen in ihrer Bestimmung und Dichotomie auf die Psychologin Carol Dweck zurück und sind ein verbreitetes Konzept aus der Forschung zur Persönlichkeitsentwicklung. Es fußt darauf, dass unsere Intelligenz prinzipiell erweiterbar ist, jeder neue Dinge lernen kann. So weit so gut. Ob ein Mensch daran arbeitet, seine Intelligenz zu erweitern, also dazuzulernen (und anderes bewusst zu verlernen), ist sowohl Entscheidung wie Prozess. Die Growth Mindset-Theorie beschreibt diesen Prozess als dynamisches Selbstbild. Mit anderen Worten: Je offener du für neue Erfahrungen bist, Dinge zu hinterfragen und dich neu auszuformulieren, je klarer du das Potenzial in dir entdeckst, desto leichter wird es dir fallen, Neues zu lernen: Wissen, Technik, Selbstmanagement und Handlungsorientierung. Dieser reflexiv-optimistische Ansatz ist auch in den Fragen der Führungskunst wiederzufinden.
Die Wildnis in uns. Was wir von Buddha über Growth Mindset lernen können (1)
Das psychologische Konzept des Growth MindsetGrowth Mindset ist gut und überall verfügbar. Weniger bekannt, aber vielleicht ähnlich impulsstark ist eine Lehrrede des BuddhaBuddha (um 500 v. Chr.) aus der Mittleren Sammlung, die Cetokhila SuttaCetokhila Sutta, die den Titel »Die Wildnis im Gemüt«Wildnis im GemütWildnis-Gleichnis trägt. Sie kann als Programm der Selbstreflexion gelesen werden. Es geht ums »Gemüt«. Buddha meint damit die innere Landschaft, die uns durch IntrospektionIntrospektion und AchtsamkeitAchtsamkeit zugänglich ist. Sie schließt die Dweck’sche Intelligenz mit ein. Bei der Erforschung deines Gemüts wirst du, so Buddha, fünf »Wildnisse« entdecken. Sie sollten überwunden werden. Diese fünf Wildnisse bestehen in Ungewissheit über den eigenen Entwicklungsweg und den »Lehrer«, den wir dafür brauchen, voller Zweifel und unentschlossen. Im CoachingCoaching wird dies »Besucherverhalten« genannt: Wir schauen uns viel an, buchen Seminare oder einen Coach, fragen (zu) viele Menschen um Rat.
Unklar und lost in space. Was wir von Buddha über Growth Mindset lernen können (2)
Wildnis im GemütDie zweite Wildnis, in die wir uns bei der Selbstreflexion verirren können, ist die Unklarheit über den Inhalt. Wir konsultieren die unterschiedlichsten Konzepte und betrachten Modelle des Erfolgs, lassen uns fremdsteuern. Wir stochern lustvoll im Nebel und lassen uns unsere Annahme, dass der Inhalt nicht so wichtig sei, bestätigen. Die dritte Wildnis ist BuddhaBuddha zufolge das fehlende ZugehörigkeitsgefühlZugehörigkeitsgefühl zu einer Sangha, dem spirituellen Team. Übersetzt für unseren Zusammenhang sind dies die privaten Teams, Gruppen, Kreise, Familien, die uns positiv rückkoppeln auf geteilte Werte und Selbstwirksamkeit.
Prokrastination und Ablehnung. Was wir von Buddha über Growth Mindset lernen können (3)
Wildnis im GemütProkrastinationDie vierte Wildnis ist der Dschungel der »Lustlosigkeit zu üben«: Wir prokrastinieren die Arbeit an der ersten Frage der Führungskunst, wir kümmern uns um vieles, aber nicht um unsere eigene Entwicklung. Das erinnert ein wenig an die Martha-Maria-Divergenz des Neuen Testaments. Die beiden ungleichen Schwestern Martha und Maria aus Betanien verhalten sich recht unterschiedlich. Martha, die sich um zu viele Details kümmert, versus Maria, die »lauscht und zuhört«. (Nach innen gerichtetes) Lauschen und Zuhören sind relevante Merkmale der Selbstreflexion. Die fünfte WildnisWildnis-Gleichnis schließlich ist die Umgangsweise mit unseren Gefährten. Wie gehen wir im privaten und beruflichen Bereich mit den Menschen um, mit denen wir zu tun haben: Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitenden, Kunden, Stakeholder.
Die Möglichkeit der Entwicklung. Was wir von Buddha über Growth Mindset lernen können (4)
Das dynamische Growth-Programm, das BuddhaBuddha für uns auflegt, besteht in der Überwindung der Wildnis in uns. Die Überwindung entspricht modern gesprochen der Persönlichkeitsentwicklung. Sich selbst zu entwickeln ist möglich, davon spricht das Wildnisgleichnis. Du bist eingeladen, dich Schritt für Schritt mit fünf Growth-Elementen auseinanderzusetzen und sie einmal gründlich zu reflektieren. Schritt 1: konsequente, regelmäßige, hingebungsvolle SelbstreflexionSelbstreflexion, um den »Lehrer« in dir zu entdecken. Du selbst, dein Potenzial, ist ein Entfaltungsraum. Du weißt, was gut für dich ist, du bist der Experte deines Verhaltens. Schritt 2: Das, was du entdeckt und dir nun vorgenommen hast, dein »Dhamma« sozusagen, dein Lehrbuch: Beachte konsequent die von dir selbst erkannten Grundsätze, Regeln, Verhaltensweisen.
Die Rettung kommt vom Menschen. Was wir von Buddha über Growth Mindset lernen können (5)
Schritt 3 fokussiert die Zugehörigkeit zu einem Team, einer Gruppe oder Gemeinschaft wie zum Beispiel Arbeitsteams, Vereine, Gruppen jedweder Art, Familien oder Freundeskreise. Du lernst: Ich bin nicht allein, sondern bezogen auf andere. Andere können mich genauso unterstützen, wie ich es zu tun beabsichtige. Du gibst deine selbstgewählte Isolation, Einsamkeit oder dein Einzelgängertum auf und zeigst, wie sehr du andere willst und brauchst. Die Rettung kommt vom Menschen. Schritt 4: Üben! Du hast feste Zeiten in deinem Kalender, eine Morgen- oder Abendroutine der Selbstreflexion, übst dich in Dankbarkeit, schreibst ein Erfolgstagebuch, kommst mit dir ins Reine. Was immer du entscheidest, welchen Weg nach Rom du gehen möchtest, tue es. Tue es aber konsequent und regelmäßig.
Klar in der Sache, freundlich im Ton. Was wir von Buddha über Growth Mindset lernen können (6)
Der letzte, fünfte Schritt ist der respektvolle, vielleicht sogar zärtlich-liebevolle, auf jeden Fall entgegenkommende Umgang mit den Menschen, mit denen du tagaus, tagein Umgang hast. Prüfe dich täglich, wie du dich verhalten hast. Warst du freundlich zum Kassierer im Supermarkt und zur Bäckerin, der du ein Brot abgekauft hast? Hast du deine Mitarbeitenden freundlich begrüßt, warst vielleicht sogar humorvoll und hast deine ZugehörigkeitZugehörigkeit gezeigt? Wie formulierst du deine E-Mails und Nachrichten – mit Anrede und freundlichem Ton, höflich und doch klar? Womit habe ich andere verletzt, womit etwas Positives erreicht? Was ist dein Fazit, was merkst du dir für den nächsten Tag?