Reich sein - Paul Getty - E-Book

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Paul Getty

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Beschreibung

Reichtum ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch eine Frage des Charakters Reich werden, Reich sein, reich bleiben. Es gibt unzählige Bücher darüber, wie man zu Geld kommt, doch die wenigsten Autoren dieser Werke haben selbst wirklich viel Geld verdient. Anders Jean Paul Getty, den Fortune in den 1960er-Jahren als den »reichsten Mann der Welt« bezeichnete. Wenn er es nicht weiß, wer dann? Hier verrät der milliardenschwere Geschäftsmann die Geheimnisse seines Erfolgs – und liefert eine Blaupause für alle, die in seine Fußstapfen treten wollen. Mit Blick auf seine eigene Biografie zeigt er die Prinzipien auf, mit denen er einer der reichsten und einflussreichsten Männer einer ganzen Dekade wurde. Von seinen blutigen Anfängen auf den Ölfeldern bis hin zu seinem Wirken als großzügiger Philanthrop – Getty zeigt, welche innere Einstellung nötig ist, um seine Ziele zu erreichen, und wie jeder, der bereit ist, Kraft und Mühe zu investieren, Millionär werden kann. Doch Gettys Weisheit geht weit über das Reichwerden hinaus: Ihm geht es um die sehr viel wichtigere Frage, wie man mit Reichtum umgeht – wie man der Verantwortung gerecht wird, die der Reichtum mit sich bringt. Gettys Werk ist Pflichtlektüre für alle, die nicht nur an schnellem Geld interessiert sind, sondern die das Gesamtbild erfassen und das große Ganze versehen wollen – das universelle Basiswissen, die endlosen Verzweigungen und die grundlegenden Philosophien, die das absolute A und O im Geschäftsleben sind.

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»Der reichste Mann der Welt.« FORTUNE

J. PAUL GETTY

REICH SEIN

Die ewigen Erfolgsprinzipien des reichsten Mannes der Welt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2021

© 2021 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Copyright der Originalausgabe: © 1961, 1962, 1963, 1964, 1965 by Playboy

Die englische Originalausgabe erschien zuerst 1961 bei Playboy Press. 1983 erschien eine Ausgabe bei Jove Books in der Berkley Publishing Group, einem Imprint der Penguin Publishing Group, ein Teil von Penguin Random House LLC unter dem Titel How to Be Rich.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with Berkley, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Thomas Gilbert

Redaktion: Rainer Weber

Korrektorat: Hella Neukötter

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-466-1

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-889-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-885-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de.

INHALT

Vorbemerkung

Vorwort

TEIL 1 Wie man Millionär wird

Kapitel 1 Wie ich meine erste Milliarde verdiente

Kapitel 2 Wie man heutzutage eine Million verdient

Kapitel 3 Die Mentalität eines Millionärs

TEIL 2 Wie echte Anstrengung im Berufsleben zum Erfolg führt

Kapitel 4 Was zeichnet eine Führungskraft aus?

Kapitel 5 Die Macht der Gewohnheit

Kapitel 6 Fehler und Fallstricke im Geschäftsleben

Kapitel 7 Die Psychologie einer guten Personalführung

Kapitel 8 Die Beziehung zu Arbeiterschaft und Gewerkschaften

Kapitel 9 Wenn der Geschäftsmann unter Druck gerät

Kapitel 10 Das Ungemach mit dem Unmöglichen

TEIL 3 Der Wert von Meinungsvielfalt, Kultur und Nonkonformismus

Kapitel 11 Die aussterbenden amerikanischen Andersdenkenden

Kapitel 12 Die gebildeten Barbaren

Kapitel 13 Der gleichgeschaltete Mensch

TEIL 4 Die Kunst des Investments

Kapitel 14 Der Wall-Street-Investor

Kapitel 15 Eine realistische Einstellung zu Immobilien

Kapitel 16 Die schönen Künste sind das schönste Investment

TEIL 5 Über Geld und Werte

Kapitel 17 Die Moral des Geldes

Kapitel 18 Individualität ist eine Kunst

Kapitel 19 Ein Bewusstsein für Werte

VORBEMERKUNG

Die vorliegende Übersetzung von J. Paul Gettys How To Be Rich folgt der amerikanischen Erstveröffentlichung von 1961.

Der FinanzBuch Verlag ist sich bewusst, dass einige Bemerkungen und Bezugnahmen des Autors sehr zeitbezogen sind, hat sich aber entschlossen, diesen historischen Text nicht durch Modernisierungen zu verändern.

VORWORT

Im Jahr 1960 traten die Herausgeber des Playboy mit der Bitte an mich heran, eine Artikelserie zum Thema »Männer, Geld und Werte in der heutigen Gesellschaft« zu verfassen.

Zugegeben, ich fand den Vorschlag schmeichelhaft – wer würde das nicht? Andererseits zweifelte ich ernsthaft an meiner Qualifikation für diese Aufgabe. Ich hatte mein ganzes Leben dem Aufbau und der Führung von Wirtschaftsunternehmen gewidmet. Ich bezweifelte, dass diese Erfahrung mich dazu befähigte, mich vor einem Millionenpublikum zu den verschiedensten Themen auszulassen.

Außerdem war ich – und bin es übrigens immer noch – beruflich sehr stark eingespannt. Ich war alles andere als sicher, dass ich die nötige Zeit zum Schreiben finden würde. Und schließlich war ich auch nicht davon überzeugt, dass die Leser des Magazins an dem, was ich zu sagen hatte, sehr interessiert sein würden.

Aber meine Zweifel und Vorbehalte wurden durch, wie mir schien, triftige und überzeugende Argumente und Gründe ausgeräumt.

Erstens war ich mir seit Langem dessen bewusst, dass amerikanische Unternehmen und Geschäftsleute und das gesamte System der freien Marktwirtschaft sehr oft Zielscheibe heftiger Kritik – und auch derben Spotts – gewesen sind. Allerdings hat es bislang nur wenige fundierte Reaktionen und Gegendarstellungen gegeben, die auch an die Öffentlichkeit gedrungen sind.

Zudem habe ich – und viele andere erfolgreiche Geschäftsleute in meinem Bekanntenkreis – schon häufig festgestellt, dass viele junge Menschen heute ohne ausreichende Grundlage und Vorbereitung in ihre Business-Karriere starten. Damit meine ich nicht, dass es ihnen an fachlicher Ausbildung mangelt. Vielmehr geht es darum, dass sie das große Ganze, das Gesamtbild, nicht erfassen. Sie verstehen und erkennen nicht das universell gültige Basiswissen, die grundlegenden Philosophien, die endlosen Implikationen und Verzweigungen – und vor allem die zahllosen Verantwortlichkeiten –, die das absolute A und O des Geschäftslebens in diesem komplexen Zeitalter sind.

Darüber hinaus – und das war bei Weitem nicht die geringste der Überlegungen, die für mich ausschlaggebend waren – hatte ich das Gefühl, dass in unserer heutigen Gesellschaft viel zu viel Wert darauf gelegt wird, reich zu werden, Vermögen anzuhäufen. Wenig oder gar keine Aufmerksamkeit wird der sehr wichtigen Frage gewidmet, wie man mit Reichtum umgeht, wie man der Verantwortung gerecht wird, die der Reichtum mit sich bringt, während man gleichzeitig die damit einhergehenden Privilegien und Vorrechte in sinnvoller Weise genießt.

Schließlich ist »Reichtum« mindestens ebenso sehr eine Frage des Charakters, der Philosophie, der Einstellung und der Haltung wie eine Frage des Geldes. Die »Mentalität« eines Millionärs ist nicht – und kann es in der heutigen Zeit auch nicht sein – lediglich eine Mentalität der Vermögensbildung. Der fähige, ehrgeizige und nach Erfolg strebende Mensch muss verstehen, dass der Begriff »reich« unendlich viele Nuancen in seiner Bedeutung hat. Um sich und seinen Reichtum zu rechtfertigen, muss er wissen, wie er reich ist, wie er also diesen Reichtum lebt, und zwar in praktisch jedem positiven Sinne des Wortes.

Diese Faktoren – und einige andere – haben zu meiner endgültigen Entscheidung beigetragen, der Bitte der Herausgeber nachzukommen.

Ich möchte hinzufügen, dass der Herausgeber und Verleger des Playboy, Hugh M. Hefner, und der Chefredakteur des Magazins, A. C. Spectorsky, mir versprachen, dass ich freie Hand haben würde, zu schreiben, was ich wollte, unabhängig davon, wie unkonventionell, unangepasst oder kontrovers meine Ansichten sein würden. Sie haben dieses Versprechen in den darauffolgenden Jahren treu gehalten – aber ich greife mir selbst vor.

»Ich werde den ersten Beitrag vorbereiten, und dann sehen wir weiter«, sagte ich sinngemäß.

Die Reaktionen haben mich, gelinde gesagt, überrascht. Obwohl das, was ich schrieb, unkonventionell, ja sogar rebellisch war, ist die Resonanz überwältigend positiv gewesen. Offensichtlich teilten viele Menschen meine Ansichten oder hatten darauf gewartet, dass jemand Meinungen äußert, die ihre eigenen tiefsitzenden Zweifel und ihr Unbehagen gegenüber weithin anerkannten Doktrinen und Theorien bestätigen.

Es war für mich eine unschätzbare Genugtuung, dass mein Artikel für den Playboy gut aufgenommen, weithin zitiert wurde und Tausende von wohlwollenden Kommentaren und Zuschriften von Presse und Lesern inspiriert hat. Dieses Buch ist das Ergebnis dieser Reaktionen.

In den Jahren, die seit der Veröffentlichung des ersten Artikels vergangen sind, wurden mir immer wieder drei grundlegende Fragen gestellt – Fragen, die ich hier so einfach und direkt wie möglich beantworten möchte.

Warum habe ich mich in Anbetracht der großen Anzahl von Zeitschriften, die heute in Amerika erscheinen, für den Playboy als das Medium entschieden, in dem ich meine Ansichten zum Ausdruck bringen wollte?

Die Antwort ist einfach: Der Playboy erfreut sich einer sehr großen Leserschaft unter jungen Führungskräften und College-Studenten. Das sind die Unternehmer und Wirtschaftsbosse der Zukunft. Das sind genau die Menschen, die von den Informationen, die ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen in der Geschäftswelt vermitteln kann, profitieren werden. Das sind die jungen Männer und Frauen, deren Denkprozesse durch Ideen und Meinungen angeregt werden können – und sollten –, die nicht unbedingt in Lehrbüchern oder nüchternen, allzu konservativen Publikationen stehen. Ob sie die Ideen annehmen oder ablehnen, ist unerheblich; sie sind imstande zu denken, und sie denken konstruktiv, wenn sie Denkanstöße erhalten. Sie sind, kurz gesagt, genau diejenigen, an die ich jede »Botschaft«, die ich anzubieten habe, richten möchte.

Warum wollte ich überhaupt meine Ansichten zum Ausdruck bringen? Ich habe dies bereits angesprochen, aber ich denke, dass eine Ergänzung angebracht wäre. Ich habe gesagt, dass die Wirtschaft zwar oft öffentlich attackiert wird, dass sie aber nicht sehr oft öffentlich in Schutz genommen wird. Der durchschnittliche Geschäftsmann spricht in der Regel auf Vorstands- oder Aktionärsversammlungen oder bei Mittag- und Abendessen von Handelsverbänden, Handelskammern oder Dienstleistungsunternehmen. Wenn er schreibt, dann meist für Hausorgane oder Fachzeitschriften. Obwohl er eine wesentliche und sehr wichtige Botschaft für die breite Öffentlichkeit hat, erhält oder nutzt er selten die Gelegenheit, sie zu übermitteln. Einfach ausgedrückt, habe ich versucht, eine andere Art der Kommunikation ins Rollen zu bringen – und ich hoffe, dass ich dadurch weitere erfolgreiche Geschäftsleute ermutigt habe, ihre Ansichten gegenüber der breiten Öffentlichkeit zu äußern.

Was hoffe ich, mit meinen Artikeln zu erreichen?

Neben dem, was ich bereits erwähnt habe, habe ich mehrere Hoffnungen und Ziele. Ich möchte junge Geschäftsleute davon überzeugen, dass es keine todsicheren, schnellen und einfachen Formeln für den Erfolg im Geschäftsleben gibt, dass es keine Wege gibt, auf denen man automatisch zum Millionär in seinem Business avancieren kann.

Es gibt keine Tricks, keine magischen Beschwörungsformeln oder Zaubertränke, mit denen ein Unternehmen oder ein Geschäftsmann über Nacht erfolgreich werden kann. Viele Qualitäten und viel harte Arbeit sind nötig, ebenso wie unzählige andere Aspekte, bevor ein Geschäftsmann oder eine Geschäftsfrau Erfolg haben und zum Millionär aufsteigen kann. Die diversen Qualitäten, Aspekte und Faktoren, die andere erfolgreiche Geschäftsleute und ich als wesentlich oder hilfreich empfunden haben, sind Gegenstand dieses Buches.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Zukunft der amerikanischen Wirtschaft, des amerikanischen Volkes – und in der Tat der gesamten freien Welt – in der Bewahrung eines fortschrittlichen und weitsichtigen freien Unternehmertums liegt, das von fortschrittlichen und weitsichtigen Geschäftsleuten geführt wird, die ihre Früchte aus der Verbesserung des Lebensstandards aller ernten werden. Wenn ich durch das Schreiben dieses Buches diese Botschaft weitergegeben habe – und sei es auch nur an einige wenige Aufmerksame –, dann habe ich mein Ziel erreicht und werde reichlich belohnt in Form von persönlicher Genugtuung darüber, dass ich in einem kleinen Maß dazu beigetragen habe, die Prinzipien, an die ich glaube, zu verbreiten und zu stärken.

J. Paul Getty

TEIL 1

WIE MAN MILLIONÄR WIRD

KAPITEL 1

WIE ICH MEINE ERSTE MILLIARDE VERDIENTE

Dieses Buch ist zwar keine Autobiografie, aber die Ansichten, die ich darin zum Ausdruck bringe, sind meine eigenen und sie basieren auf meiner Lebenserfahrung. Ich denke daher, dass eine kurze Beschreibung meines Werdegangs für den Leser von Interesse sein könnte. Wenn ich so etwas wie eine »Business-Philosophie« habe, dann wurde sie auf den Ölfeldern und anderswo in der Ölindustrie geformt.

Nach vielen vergeblichen Monaten der Ölsuche in Oklahoma führte ich schließlich Anfang Januar 1916 meine erste Probebohrung unweit von Stone Bluff durch, einem winzigen Örtchen in Muskogee County.

Am 2. Februar förderte der Bailer – ein Gerät, das das Gestein aus dem Bohrloch entfernt – eine Menge Ölsand zutage. Dies deutete darauf hin, dass wir uns den letzten Phasen der Bohrung näherten; die nächsten 24 Stunden würden zeigen, ob die Bohrung ein Förderoder eher ein Trockenloch war.

Ich war noch sehr jung und ziemlich unerfahren. Meine Nervosität und Aufregung stiegen in geradezu unerträglicher Weise an. Ich wurde für die Männer meiner Bohrmannschaft mehr zum Hindernis als zur Hilfe. Um ihnen aus dem Weg zu gehen und meine eigene Anspannung zu lindern, trat ich einen strategischen Rückzug nach Tulsa an, der nächstgelegenen größeren Stadt. Ich beschloss, dort zu warten, bis die Bohrung abgeschlossen war und die Ergebnisse feststanden. In Tulsa machte mir mein lieber Freund J. Carl Smith, der wesentlich reifer war als ich und nicht so schnell aus der Ruhe geriet, das Angebot, zur Bohrstelle zu fahren und die Arbeiten dort für mich zu beaufsichtigen.

In dem abgelegenen Gebiet, in dem meine Bohrungen durchgeführt wurden, gab es keine Telefone. Die einzige Leitung zwischen Stone Bluff und Tulsa funktionierte nur selten. Daher versprach J. Carl Smith, am nächsten Tag mit dem letzten Zug aus Stone Bluff nach Tulsa zurückzukehren und mich über die neuesten Entwicklungen zu informieren.

Am nächsten Tag ging ich zum Bahnhof von Tulsa und lief unruhig auf dem Bahnsteig hin und her, obwohl ein starker Wind pfiff und ich mehr als eine Stunde zu früh war. Endlich fuhr der Zug in den Bahnhof ein. Endlose Sekunden später stieg die vertraute Gestalt von J. Carl Smith aus einem der Waggons aus. Sein Gesicht strahlte, und meine Hoffnungen stiegen ins Unermessliche.

»Glückwunsch, Paul!«, dröhnte er, als er mich auf dem Bahnsteig sah. »Wir haben deine Quelle heute Nachmittag in Betrieb genommen. Sie fördert 30 Barrel!«

Ich nahm unwillkürlich an, dass er 30 Barrel pro Tag meinte, und meine Freude verflog augenblicklich. 30 Barrel pro Tag – das war doch nur ein Rinnsal im Vergleich zu dem, was die Quellen anderer Ölfirmen zu jener Zeit einbrachten.

»Jawoll«, grinste J. Carl. »Wir holen 30 Barrel pro Stunde hoch …«

30 Barrel proStunde!

Das war ein Unterschied, ein gewaltiger Unterschied. Das bedeutete, dass die Quelle täglich 720 Barrel Rohöl produzierte. Es bedeutete auch, dass ich im Ölgeschäft war – und bleiben würde.

Als Sohn eines erfolgreichen Ölmagnaten war ich seit meiner Kindheit von dem Virus des Ölfiebers befallen. Meine Eltern, George F. und Sarah Getty, und ich besuchten das damalige Gebiet von Oklahoma zum ersten Mal im Jahr 1903, als ich zehn Jahre alt war. Dort konnte mein Vater, ein wohlhabender Rechtsanwalt aus Minneapolis, der Verlockung des Oklahoma-Ölrausches, der damals in vollem Gange war, nicht widerstehen. Er gründete die Minnehoma Oil Company und begann, nach Ölvorkommen zu suchen.

Mein Vater, ein Selfmademan, der in seiner Kindheit extreme Armut erlebt hatte, scheute keine harte Arbeit, nein, er hatte sich nahezu unermüdlich der Arbeit verschrieben, und er hatte auch ein fast unheimliches Talent, Öl zu finden. Nachdem er Minnehoma Oil gegründet hatte, kontrollierte er persönlich die Bohrung von 43 Ölquellen, von denen sich 42 als ergiebig erwiesen!

In den Jahren 1910 und 1911 absolvierte ich eine harte, aber wertvolle Lehre als Bohrarbeiter auf den Ölfeldern, aber erst im September 1914 stieg ich selbst in das Ölgeschäft ein. Ich war erst kurz zuvor in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt, nachdem ich zwei Jahre lang an der Universität Oxford in England studiert hatte. Ursprünglich wollte ich in den diplomatischen Dienst der USA eintreten, aber ich verwarf diesen Plan, um mein Glück als unabhängiger Ölsucher und Unternehmer – als sogenannter Wildcatter – in Oklahoma zu versuchen.

Die Voraussetzungen waren damals sehr günstig. Es war eine Blütezeit für die aufkeimende amerikanische Erdölindustrie. Auf den Ölfeldern herrschte noch immer ein reger, kämpferischer Pioniergeist. The Great Oil Rush, der große Ölrausch, setzte sich mit unverminderter Kraft fort und wurde durch den Krieg, der in jenem Jahr in Europa ausgebrochen war, noch zusätzlich beflügelt. Überall in Oklahoma schossen primitive kleine Siedlungen wie Pilze aus dem Boden. Viele von ihnen trugen Namen wie aus der Anfangszeit des Wilden Westens, wie die der vier »Right«-Städte: Drumright, Dropright, Allright und Damnright.

Straßen und Wege waren nicht gepflastert – im Frühjahr und Winter bestanden sie aus matschigem Lehm und Schlamm, im Sommer aus sonnenverbrannten, zerfurchten Pisten, auf denen ständig Wolken aus rotem oder gelbem Staub aufgewirbelt wurden. Die hölzernen Gehsteige vor den besseren Geschäftslokalen und Spielhallen galten als das Nonplusultra an städtischer Verschönerung.

Die Atmosphäre war vergleichbar mit der, wie sie Historikern zufolge während des Goldrauschs von 1849 in den kalifornischen Schürffeldern vorherrschte. In Oklahoma wurde das Fieber von der Suche nach Öl, nicht nach Gold ausgelöst, und es war eine wahre Epidemie. Es gab in der Tat nur wenige Menschen, die gegen die Ansteckung immun waren. Täglich wurden Vermögen gemacht – und verloren. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein mittelloser Wildcatter, der bis auf die Knochen abgemagert war und weder Bargeld noch einen Kredit hatte, noch ein letztes Mal 100 Fuß tief bohrte und plötzlich auf eine Quelle stieß, die ihn zu einem reichen Mann machte. Eine Pacht, die an einem Nachmittag für ein paar Hundert Dollar verkauft worden war, stieg manchmal bis zum nächsten Morgen auf das Hundertfache oder sogar Tausendfache ihres Werts an.

Auf der anderen Seite gab es aber auch Männer, die alles, was sie besaßen, in Pachtverträge und Bohrungen investierten, nur um dann feststellen zu müssen, dass sie für ihr Geld und ihre Mühen nichts vorzuweisen hatten außer ein paar trockene Bohrlöcher. Pachtverträge, die an einem Tag zu Höchstpreisen gekauft wurden, erwiesen sich am nächsten Tag als völlig wertlos. Es war alles ein Nervenkitzel, ein spannendes Glücksspiel mit schwindelerregenden Einsätzen, und ich stürzte mich hoffnungsvoll ins Getümmel. Ich hatte kein eigenes Kapital; mein persönliches Budget betrug 100 Dollar pro Monat. Mein erstes Jahr war alles andere als profitabel. Regelmäßig wurden große Ölfunde gemeldet, und andere Wildcatter stießen auf gute Quellen und hohe Fördermengen, aber das Glück schien nicht auf meiner Seite zu sein.

Dann, im Spätherbst des Jahres 1915, wurde ein halber Anteil an einer Ölpacht in der Nähe von Stone Bluff in Muskogee County – das Nancy Taylor Allotment – in einer öffentlichen Auktion zum Verkauf angeboten. Ich besichtigte das Grundstück und fand es sehr vielversprechend. Ich wusste, dass andere unabhängige Unternehmer daran interessiert waren, die Pacht zu erwerben, und das beunruhigte mich. Ich hatte nicht viel Geld zur Verfügung – sicherlich nicht genug, um mit den Preisen, die ältere, etablierte Ölsucher bieten konnten, mitzuhalten. Aus diesem Grund bat ich meine Bank, einen ihrer Vertreter für mich beim Verkauf mitbieten zu lassen, ohne meine Identität als wahrer Bieter preiszugeben.

Überraschenderweise erfüllte diese eigentlich recht einfach zu durchschauende Taktik den von mir beabsichtigten Zweck. Bei der Auktion in Muskogee – der Kreisstadt – waren mehrere unabhängige Ölunternehmer anwesend, die den Pachtvertrag erwerben wollten. Das unerwartete Erscheinen des bekannten Bankmanagers, der für mich bot, verunsicherte die Wildcatters. Sie nahmen an, dass die Anwesenheit eines Bankers bei der Auktion nur bedeuten konnte, dass eine große Ölgesellschaft ebenfalls an dem Grundstück interessiert sein müsse und bereit war, jedes Angebot zu überbieten. Die Unabhängigen beschlossen also, dass es zwecklos sei, ein Gebot abzugeben, und so kam es, dass ich mir schließlich die Pacht für 500 Dollar sichern konnte – ein Schnäppchen!

Bald darauf wurde eine Gesellschaft gegründet, um die Durchführung einer Probebohrung auf dem Grundstück zu finanzieren. Ich, als Wildcatter ohne eigenes Kapital, erhielt einen bescheidenen15-prozentigen Anteil an der Gesellschaft. Ich stellte eine schlagkräftige Bohrmannschaft zusammen, und meine Männer und ich arbeiteten daran, den notwendigen hölzernen Bohrturm zu errichten und die eigentlichen Bohrarbeiten voranzutreiben. Ich blieb Tag und Nacht auf der Baustelle, bis die Bohrung in die Endphase eintrat. Dann hielt ich, wie gesagt, die nervliche Belastung nicht mehr aus und floh nach Tulsa, wo mir mein Freund J. Carl Smith schließlich die Nachricht überbrachte, dass die Bohrung erfolgreich verlaufen war.

Die Pacht des Grundstücks wurde zwei Wochen später an eine Erdölgesellschaft verkauft, und ich erhielt 12 000 Dollar als Gewinnbeteiligung. Der Betrag war nicht sehr beeindruckend, wenn man ihn mit den riesigen Summen vergleicht, die andere verdienten, aber er reichte aus, um mich davon zu überzeugen, dass ich als Wildcatter im Ölgeschäft bleiben sollte – und dies tat ich auch.

Mein Vater und ich hatten zuvor eine Partnerschaft geschlossen. Er sollte alle Erschließungen und Bohrungen finanzieren, die ich für die Partnerschaft durchführte und beaufsichtigte. Im Gegenzug sollte er 70 Prozent des Gewinns erhalten, während ich die restlichen 30 Prozent bekam. Nach meinem ersten Erfolg trugen wir die Partnerschaft offiziell und gründeten im Mai 1916 die Getty Oil Company, an der ich einen 30-prozentigen Aktienanteil erhielt.

Viele fantasievolle – und völlig falsche – Berichte über die Geschäftsbeziehung zwischen uns sind in der Presse veröffentlicht worden. Anders als in einigen dieser Artikel dargestellt, hat mein Vater mir nicht mit Geldgeschenken ermöglicht, in der Geschäftswelt Fuß zu fassen. George F. Getty lehnte den Gedanken grundsätzlich ab, dass ein erfolgreicher Mann seinen Sohn verwöhnen oder ihm Geld schenken solle, nachdem dieser alt genug ist, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Mein Vater finanzierte zwar einige meiner frühen Unternehmungen – aber nur auf einer 70/30-Prozent-Basis. Soweit es sich um Pachtkäufe und Bohrungen oder andere Aktivitäten handelte, die ich auf eigene Rechnung durchführte, habe ich diese immer selbst finanziert. Mein Vater stellte weder das Geld für meine privaten Unternehmungen zur Verfügung noch war er an den Gewinnen beteiligt, die ich daraus erzielte.

Bei der Gelegenheit möchte ich noch ein weiteres gängiges Missverständnis ein für alle Mal ausräumen: Angeblich hat mein Vater mir ein riesiges Vermögen vermacht, als er 1930 verstarb. Tatsächlich hinterließ er mir in seinem Testament 500 000 Dollar – eine beträchtliche Summe, das gebe ich zu, aber nichtsdestotrotz nur ein sehr kleiner Teil seines Vermögens. Es war ein symbolisches Vermächtnis. Mein Vater wusste sehr wohl, dass ich bereits mehrere Millionen Dollar selbst verdient hatte, und er hinterließ den größten Teil seines Vermögens meiner Mutter.

Nachdem mein Vater und ich 1916 unsere Partnerschaft offiziell eingetragen hatten, begann ich sofort mit der Prospektion und dem Bohren nach Öl. Mein Enthusiasmus wurde auch dann nicht getrübt, als sich meine zweite Bohrung als ein trockenes Loch erwies. Von da an lag mir das Schürfen im Blut und ich fuhr fort, Pachtverträge zu kaufen und zu verkaufen und Bohrungen durchzuführen. In der Regel fungierte ich als mein eigener Geologe, Rechtsberater, Bohrmeister, Sprengstoffexperte und sogar gelegentlich als Handlanger und Hilfsarbeiter. In den folgenden Monaten hatte ich sehr großes Glück, denn in den meisten Fällen konnten die Pachtverträge, die ich kaufte, mit Gewinn wieder verkauft werden, und wenn ich auf einem Grundstück bohrte, wurde ich meistens fündig.

Es gab keine Geheimnisse, keine mystischen Formeln hinter diesen Erfolgen. Ich arbeitete so, wie fast alle Ölsucher es taten – mit einer entscheidenden Ausnahme. Damals war die Wissenschaft der Erdölgeologie auf den Ölfeldern noch nicht sehr anerkannt. Viele Ölsucher spotteten offen über die Idee, dass ein »verdammter Bücherwurm« ihnen helfen könnte, Öl zu finden. Die große Mehrheit der Ölsucher stand der Geologie als praktischer Wissenschaft bestenfalls skeptisch gegenüber und schenkte Berichten von Geologen wenig Glauben. Ich gehörte zu den wenigen, die an die Geologie glaubten. Ich studierte das Thema bei jeder Gelegenheit eifrig und wandte das Gelernte auf meine Arbeit an.

Als unabhängiger Unternehmer musste ich über ein gewisses Maß an Grundkenntnissen und Fertigkeiten verfügen. Außerdem brauchte ich zuverlässige, loyale und erfahrene Männer in meinen Explorations- und Bohrmannschaften. Aber abgesehen von diesen Dingen glaube ich, dass der wichtigste Faktor, der über Erfolg oder Misserfolg eines Wildcatters entschied, also darüber, ob er eine ertragreiche Bohrung einbrachte oder vor einem trockenen Loch endete, einfach nur Glück war.

Es gab einige, die es nicht für Glück hielten. Einer davon war T. N. Barnsdall, einer der großen Ölpioniere von Oklahoma. Der Multimillionär Barnsdall erläuterte oft seine Lieblingstheorie dessen, was seiner Meinung nach den Unterschied ausmachte.

»Es ist nicht Glück«, behauptete er steif und fest. »Ein Mann hat entweder eine Nase für Öl oder nicht. Wenn er eine hat, dann riecht er das Zeug auch noch in 1 000 Metern Tiefe!«

Vielleicht. Aber ich selbst bezweifle es eher. Ich persönlich war nie in der Lage, das Vorhandensein einer unterirdischen Ölquelle zu erschnüffeln. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass ich jemals mit den übersinnlichen Fähigkeiten eines Wünschelrutengängers ausgestattet war, während ich über eine potenzielle Bohrstelle stapfte. Ich glaube immer noch, dass meine frühen Erfolge hauptsächlich auf pures Glück zurückzuführen sind.

Damit aber keiner auf die Idee kommt, dass Wildcatter nichts anderes zu tun hatten, als darauf zu warten, dass sich das Glücksrad drehte, und dann ihre Gewinne zu ernten, lassen Sie mich sagen, dass das Ölgeschäft nie einfach war. Es war immer mit Arbeit verbunden – harter Arbeit – und es war immer mit unzähligen finanziellen Fallstricken behaftet, besonders in den Anfangszeiten. Manchmal explodierten Bohrlöcher, und die Gewinne – und oft auch das investierte Kapital – wurden mit erschreckender Geschwindigkeit von den kostspieligen Bemühungen aufgefressen, die entstandenen Brände zu löschen.

Trockene Bohrlöcher, technische Pannen und Maschinenausfälle in entscheidenden Phasen, Zank und Rechtsstreitigkeiten um Pachtund Wegerechte – das waren nur einige der unzähligen Probleme und Rückschläge, die die finanziellen Ressourcen des unabhängigen Betreibers häufig bis weit unter die Gefahrengrenze sinken ließen.

Hinzu kam, dass wir alle, die wir unabhängig arbeiteten, oft der starken Konkurrenz und dem Widerstand der großen Ölfirmen ausgesetzt waren. Einige dieser riesigen Firmen hielten sich – im übertragenen Sinne – nicht immer an die Queensberry-Regeln des Boxsports, wenn sie juristische oder finanzielle Machtkämpfe führten, um einen Unabhängigen abzuwürgen, der zu groß zu werden oder zu schnell zu wachsen drohte.

Wildcatters entwickelten Eigenschaften und Techniken, die es ihnen ermöglichten, im Geschäft zu bleiben und mehr zu tun, als sich nur gegen die Giganten der Erdölindustrie zu stemmen. Wir wurden flexibler, anpassungsfähiger und vielseitiger – fähig zur Improvisation und Innovation –, und zwar aus keinem anderen Grund als dem, dass wir es mussten, um zu überleben. Die großen Unternehmen beschäftigten zum Beispiel Unmengen von Spezialisten und Beratern, Verwaltungspersonal und Büroangestellten und boten diesen Leuten große und teure Büros. Wir, die Unabhängigen, fanden unsere Experten unter den hartgesottenen, altgedienten Ölfeldarbeitern, die unsere Prospektions- und Bohrmannschaften bildeten, oder wir verließen uns auf unser eigenes Urteilsvermögen und unsere Erfahrung, um unsere Probleme dann zu lösen, wenn sie auftauchten. Wir erledigten unsere Verwaltungs- und Papierarbeit selbst – und hielten beides auf einem Minimum. Was unsere Büros anbelangte, so reisten diese meistens mit uns in den schlammverschmierten Autos, mit denen wir von einer Bohrstelle zur nächsten fuhren.

Wie ich schon sagte: Ich hatte Glück – großes Glück. In den Monaten, nach denen ich auf dem Gelände des Nancy Taylor Allotment zum ersten Mal auf Öl gestoßen war, machte ich viele profitable Geschäfte und brachte mehrere Förderbohrungen zustande. Die Getty Oil Company florierte. Ich wurde Mitglied im Board of Directors des Unternehmens und zum Schriftführer gewählt, aber das bedeutete nicht, dass ich meine Arbeitskleidung gegen einen schicken Anzug tauschte. Trotz meiner hochtrabenden neuen Titel war meine Arbeit immer noch auf den Ölfeldern – und auf den Bohrtürmen. Meine Rolle in den Angelegenheiten der Firma blieb dieselbe wie zuvor. Ich kaufte und verkaufte Ölpachtverträge, prospektierte und bohrte nach Öl.

Mit dem wachsenden Vermögen der Getty Oil Company wuchs auch mein eigener Reichtum proportional zu meinem 30-prozentigen Anteil an der Firma. All diese Dinge hielten mich sehr beschäftigt – zu beschäftigt, um mehr als nur flüchtig darauf zu achten, wie viel Geld ich tatsächlich verdiente. Dann, eines Tages, hielt ich inne und machte eine detaillierte Bestandsaufnahme meiner finanziellen Situation. Plötzlich wurde mir klar, dass ich einen sehr langen Weg zurückgelegt hatte, um das zu erreichen, was ich mir im September 1914 vorgenommen hatte. Ich hatte den Grundstein für ein eigenes Unternehmen in der amerikanischen Ölindustrie gelegt. Ich war noch nicht ganz 24 Jahre alt, aber ich war ein erfolgreicher unabhängiger Ölunternehmer geworden. Und ich hatte meine erste Million Dollar verdient. Ich war ein Millionär!

Bis dahin hatte sich mein Leben vor allem darum gedreht, erwachsen zu werden, eine Ausbildung zu erhalten und ein Geschäft aufzubauen. Nun stellte ich fest, dass ich genug Geld verdient hatte, um alle persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen, die ich in absehbarer Zeit haben könnte. Ich fasste den eigenwilligen Entschluss, die Arbeit zu vergessen und mich auf meine Freizeit zu konzentrieren, auf die Freude am Leben.

Meine Entscheidung wurde – zumindest teilweise – von der Tatsache beeinflusst, dass in Europa ein Krieg tobte. Obwohl die Vereinigten Staaten noch nicht in den Ersten Weltkrieg eingetreten waren, war ich mir sicher, dass eine amerikanische Beteiligung an diesem Konflikt unvermeidlich war. Ich hatte bereits offizielle Bewerbungen eingereicht, um entweder bei der Air Force – meiner ersten Wahl – oder bei den Bodentruppen, in der Field Artillery zu dienen, wenn die USA dem Krieg beitreten sollten. Ich war mir sicher, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis ich meine Einberufung erhielt, und ich wollte mich entspannen und etwas Spaß haben, bevor sie eintraf.

Meine Mutter, mein Vater und ich hatten seit 1906 unseren ständigen Wohnsitz in Los Angeles, Kalifornien. Ich hatte die Schule und das College in Kalifornien besucht, bevor ich nach Oxford ging und später meine Geschäftskarriere auf den Ölfeldern von Oklahoma begann. Ich liebte Kalifornien und das einfache, ungezwungene und äußerst angenehme Leben, das damals dort herrschte. So war es nur natürlich, dass ich Los Angeles als Ort wählte, um das Geld, das ich auf den Ölfeldern verdient hatte, zu genießen.

»Ich habe ein Vermögen verdient – und ich werde mich zur Ruhe setzen«, verkündete ich meinen verblüfften Eltern lapidar.

Weder Mutter noch Vater waren mit meiner Entscheidung sehr glücklich. Beide hatten in ihrer eigenen Jugend sehr hart gearbeitet. Als sie heirateten, hatte meine Mutter weiter als Lehrerin gearbeitet, um meinem Vater zu helfen, das Geld für sein Jurastudium aufzubringen. Beide glaubten fest daran, dass ein Mensch arbeiten muss, um seine Existenz zu rechtfertigen, und dass ein reicher Mensch sein Geld arbeiten lassen muss, um dessen Existenz zu rechtfertigen. Mein Vater versuchte mir zu vermitteln, dass das Geld eines Geschäftsmannes schlichtweg Kapital ist, das investiert und reinvestiert werden muss.

»Du musst dein Geld einsetzen, um Unternehmen zu gründen, zu führen und auszubauen«, argumentierte er. »Dein Vermögen bietet potenzielle Arbeitsplätze für zahllose andere – und es kann Wohlstand und ein besseres Leben für sehr viele Menschen und auch für dich selbst bedeuten.«

Ich fürchte, ich habe ihm damals nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Später begriff ich die Wahrheit, die in dem lag, was er sagte, aber zuerst musste ich die Dinge auf meine eigene Weise versuchen. Ich besaß einen nagelneuen Cadillac Roadster, schicke Klamotten und hatte alles Geld, das ich benötigte. Ich hatte mich entschieden, dass ich mich vergnügen wollte, und mit diesen Voraussetzungen hatte ich keine Schwierigkeiten, mich Hals über Kopf in den Strudel aus Spaß und Unterhaltung zu stürzen, den Südkalifornien, Los Angeles und Hollywood boten. Obwohl die Vereinigten Staaten in den Krieg eintraten, wurde meine Einberufung erst verzögert, dann durch bürokratische Verwicklungen verschoben, und schließlich wurde mir mitgeteilt, dass meine »Dienste nicht benötigt« würden. So verbrachte ich die Jahre des Ersten Weltkriegs mit jeder Menge Vergnügungen.

Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass ich nur Zeit vergeudete und mich langweilte. Ende 1918 hatte ich die Nase gestrichen voll. Anfang 1919 war ich zurück im Ölgeschäft – nicht wenig beschämt über das »Ich hab’s dir ja gesagt«-Lächeln meines Vaters, als ich ihm mitteilte, dass ich zwar mit 24 Jahren in den Ruhestand gegangen war, aber nun, mit 26 Jahren, den Ruhestand beenden würde!

Bereits 1919 verlagerte sich das Interesse der Ölsucher von Oklahoma nach Südkalifornien, wo neue Fördergebiete entdeckt und erschlossen wurden. Ein großer neuer Ölrausch bahnte sich an, und ich gehörte zu denjenigen, die von Anfang an dabei sein wollten. Mein erster Versuch, in Südkalifornien Öl zu finden, war ein Fiasko: Ich führte meine erste Bohrung in Kalifornien auf der Didier Ranch in der Nähe von Puente durch, aber die Bohrung erwies sich als ein trockenes Loch.

Das Glück, das mir in Oklahoma konstant treu geblieben war, nahm eine kurze Auszeit, aber es ließ mich nicht im Stich. Weitere Versuche erwiesen sich als wesentlich erfolgreicher. Ich führte mehrere Bohrungen in der Gegend von Santa Fe Springs, Torrance, Long Beach und anderen Gebieten im Süden Kaliforniens durch, und die meisten davon erwiesen sich als produktiv, einige davon sogar als sensationell produktiv.

Ich verbrachte die meiste Zeit vor Ort und arbeitete mit meinen Männern auf den Bohrtürmen, eine Angewohnheit, die mir viele schöne und unverhoffte Belohnungen bescherte. Besonders hervorzuheben ist, wie positiv es sich auf die Reaktionen der Bohrmannschaften auswirkte, dass ein arbeitender Chef bei der Arbeit anwesend war. Die Männer fühlten sich als Partner des Chefs bei einem gemeinsamen Projekt und nicht nur als Angestellte eines Unternehmens, das von Managern geführt wurde, die sie noch nie gesehen hatten und die wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben einen Fuß auf eine Bohrstelle gesetzt hatten. Das Ergebnis: Die Arbeitsmoral – und die Produktion – stiegen.

Das war wichtig. Weil in ganz Südkalifornien zu Hunderten neue Bohrlöcher entstanden, herrschte ein akuter Mangel an erfahrenen Arbeitern auf den Ölfeldern. Die Personalchefs der meisten großen Unternehmen lieferten sich ein wildes Gerangel, um die notwendigen Arbeitskräfte für ihre Betriebe zu finden. Sie überboten sich gegenseitig auf dem Arbeitsmarkt und versprachen jedem, der jemals auf einer Bohranlage gearbeitet hatte, besondere Anreize und Vergünstigungen. Die meisten Veteranen ärgerten sich über die Unterstellung, dass sie mit irgendwelchen Annehmlichkeiten bestochen werden müssten, um ehrliche Arbeit zu leisten. Sie zogen es vor, bei unabhängigen Betreibern anzuheuern, die keine ausgefallenen Extras boten, aber ihre Sprache sprachen und Seite an Seite mit ihnen auf den Bohrstellen arbeiteten.

Ich werde nie vergessen, wie ich auf einem Landstück anfing zu bohren, das nicht weit von der Stelle entfernt lag, an der eine große Ölgesellschaft eine Bohrung durchführte. Die Firma hatte ihr Mitarbeiterförderungsprogramm auf die Spitze getrieben und etwas gebaut, das ihre Pressevertreter überschwänglich als den letzten Schrei in Sachen vollintegrierter Bohranlagen bezeichneten. Die gesamte Anlage war bis hinauf zum Turmrollenlager dampfbeheizt. Eine fein säuberlich geharkte Kiesauffahrt führte zur Bohrstelle. Es gab heiße Duschen für die Männer und sogar eine Wäscherei, die ihre Arbeitskleidung wusch, während sie warteten!

Eines frühen Nachmittags, nicht lange nachdem ich meinen Schacht gebohrt hatte, erschien ein griesgrämiger Haudegen auf meinem Grundstück und verkündete, er wolle den Chef sprechen. Als er auf mich verwiesen wurde, kam er herüber und fackelte nicht lange, um mich nach einem Job zu fragen.

»Haben Sie denn gerade Arbeit?«, fragte ich.

»Ja«, kam die säuerliche Antwort.

»Wo?«

»Da drüben«, antwortete das Raubein und nickte mit dem Kopf in Richtung der luxuriösen Bohranlage. Es gab keine gemütlichen Unterkünfte für meine Mannschaft, und das sagte ich dem Mann auch. Und ich fügte hinzu, dass ich nicht verstehen könne, warum er einen Job, der solchen Luxus biete, für einen auf meiner relativ primitiven Anlage aufgeben wolle.

»Ich bin seit vier Monaten auf diesem Bohrturm«, knurrte der kräftige Kerl missmutig. »Und wir sind erst 1 200 Meter tief gekommen!« Ich lachte. 1 200 Meter in vier Monaten war ein lächerlich langsames Tempo für Bohrungen durch die Art von Bodenformationen, die in diesem speziellen Gebiet zu finden waren.

»Was glauben Sie, wie lange ich brauchen werde, um so tief zu kommen?«, fragte ich.

»So wie Sie aussehen – etwa zehn Tage!«, antwortete der Veteran mit einem breiten Grinsen. »Deshalb arbeite ich auch lieber für Sie als für die abgehobenen Weichlinge da drüben …!«

Er bekam den Job und blieb für viele Jahre auf meiner Gehaltsliste. Als Fußnote zu dieser Geschichte möchte ich hinzufügen, dass mein Bohrloch in Rekordzeit gebohrt wurde und sich als sehr ergiebig erwies. Der »letzte Schrei« in Sachen Bohranlagen entpuppte sich als Trockenbohrung und wurde schließlich aufgegeben.

Ein weiteres gutes Beispiel dafür, was gute Teamarbeit und gegenseitiges Vertrauen zwischen dem Boss und der Mannschaft bewirken können, findet sich in der Geschichte, wie meine Männer und ich das »unlösbare« Problem einer bestimmten Ölpacht in den Griff bekamen.

Die Pacht befand sich auf einem winzigen Stück Land inmitten eines Waldes von Ölquellen auf dem reichen Feld von Seal Beach, Kalifornien. Durch einen Zufall war die Pacht von den Firmen, die dort tätig waren, übersehen worden. Eine Firma, an der ich einen beträchtlichen Anteil hielt, erwarb die Pacht, war aber im Begriff, sie als Totalverlust abzuschreiben. Alle waren sich einig, dass mit dem Objekt nichts mehr anzufangen war. Erstens war es ein Grundstück, das kaum größer war als die Grundfläche eines kleinen Hauses. Zweitens verlief das einzige Wegerecht, das den Zugang zu einer Straße ermöglichte, über einen einige Hundert Meter langen, aber nur etwas mehr als einen Meter breiten Streifen Boden. Es war unmöglich, über diesen schmalen Weg Nachschub und Ausrüstung mit dem LKW auf das Grundstück zu bringen. Selbst wenn es möglich gewesen wäre, hätte das winzige Grundstück keinen Platz für einen Bohrturm und eine Bohranlage von normaler Größe geboten. Die Unternehmen, die die angrenzenden Grundstücke gepachtet hatten, weigerten sich, ein Wegerecht über ihre Grundstücke zu gewähren, denn wenn eine Förderbohrung in Betrieb genommen würde, könnte dies die Produktion ihrer eigenen Bohrungen beeinträchtigen, da das Öl aus demselben Vorkommen gepumpt werden würde.

»Vergessen Sie die Pacht«, rieten mir Geschäftspartner, mit denen ich die Angelegenheit diskutierte. »Sie werden dort niemals eine Bohrung hinbekommen – nicht in einer Million Jahren.«

Hartnäckig blieb ich dabei: Es musste einen Weg geben! Ich besprach das Problem mit den Männern, in die ich das größte Vertrauen hatte – den Mitgliedern einer meiner Bohrmannschaften. Sie hörten mir zu, und ihre Reaktion war die gleiche wie meine. Für sie war das Problem eine unwiderstehliche Herausforderung.

»Gehen wir doch mal hin und sehen uns die Sache an, Chef«, brummte ein hartgesottener Bohrmeister. »Wir werden schon einen Weg finden – keine Sorge.« Mehrere Männer und ich machten uns auf den Weg, um die Situation aus der Nähe zu begutachten, und wir stellten fest, dass es tatsächlich ziemlich hoffnungslos aussah.

»Ich denke, wir könnten mit einer verkleinerten Anlage bohren«, überlegte der Bohrmeister, nachdem er die Sache durchdacht hatte. »Wenn man jemanden finden könnte, der sie entwirft und baut, könnten wir sie einrichten – aber ich kann mir nicht vorstellen, wie wir alles, was wir brauchen, über diesen Weg heranschaffen wollen …«

Das Hindernis der engen Wegstrecke schien unüberwindbar, bis mir der Vorschlag des Bohrmeisters, eine Miniaturbohranlage zu errichten, noch einmal durch den Kopf ging. Wenn wir mit einem Miniaturbohrturm arbeiten konnten, warum konnten wir dann unser Transportproblem nicht mit einer Miniatureisenbahn lösen? Es war die perfekte Lösung: eine Schmalspurbahn und ein oder zwei Waggons, auf denen der zerlegte »Baby«-Bohrturm sowie Material und Ausrüstung von der Straße zur Bohrstelle gebracht werden könnten.

Reine Sturheit? Der Wunsch zu beweisen, dass wir in der Lage waren, das zu schaffen, was alle anderen für unmöglich hielten? Möglicherweise – sogar wahrscheinlich. Aber sowohl der Miniaturbohrturm als auch die Miniatureisenbahn wurden beschafft. Ersterer wurde abschnittsweise über Letztere transportiert und in Handarbeit auf dem mikroskopisch kleinen Grundstück montiert. Die Bohrung wurde durchgeführt – und am Ende wurde mit der ungewöhnlichen Aktion ein ordentlicher Gewinn erzielt.

Ich erinnere mich an weitere denkwürdige Einsätze in den 1920er-Jahren. Darunter auch der, den ich auf dem sogenannten Athens Field in den Vororten südlich von Los Angeles durchführte. Ich erwarb das betreffende Grundstück für etwas mehr als 12 000 Dollar. Da ich vollständig auf eigene Rechnung arbeitete und wusste, dass ich meine verfügbaren Barmittel bis zur Fertigstellung der ersten Bohrung ausreizen würde, entschied ich mich, selbst als Bohrmeister zu fungieren. Unter den Männern, die ich für meine Mannschaft anstellte, waren drei der besten Bohrarbeiter in der Ölindustrie: Walter Phillips, Oscar Prowell und »Spot« McMurdo. Wir stellten die erste Bohrung am 16. Februar 1925 in einer Tiefe von 4 350 Fuß mit einer anfänglichen Tagesausbeute von 1 500 Barrel fertig. Kurze Zeit später brachte ich die zweite Bohrung auf dem Gelände für eine anfängliche Produktion von 2 000 Barrel pro Tag in Betrieb. In den nächsten neun Jahren sollten die beiden Bohrungen auf dem Athens-Grundstück einen Überschuss von mehr als 400 000 Dollar erwirtschaften – ein klarer Gewinn, der alle Kosten und Ausgaben weit überstieg.

Noch spektakulärer ist die Geschichte der Cleaver-Pacht in Alamitos Heights, die ich im Oktober 1926 mit einem Scheck über 8 000 Dollar von einem Mann kaufte, der sie nur wenige Tage zuvor für 4 000 Dollar erworben hatte und einen schnellen Gewinn machen wollte.

Am 21. Februar 1927 legte ich Bohrloch Nummer eins an und bohrte anschließend drei weitere Löcher auf dem Grundstück. Alle erwiesen sich als hervorragende Förderquellen und erbrachten insgesamt mehr als 17 000 Barrel pro Tag. Zwischen 1927 und 1939 betrug der Gewinn aus den Bohrungen der Cleaver-Pacht fast 800 000 Dollar – ein 10 000-prozentiger Gewinn auf meine ursprüngliche Investition. Doch innerhalb weniger Wochen nach der ersten Bohrung war ich nicht nur kurz davor, ein Vermögen zu verlieren, sondern auch kurz davor, die Pacht selbst zu verlieren. Hinter diesem scheinbaren Paradoxon verbergen sich zwei Geschichten. Die eine veranschaulicht, womit der durchschnittliche Wildcatter konfrontiert wurde, wenn er sich mit bestimmten großen Ölfirmen anlegte. Die andere beweist, dass einige große Firmen keine Bedenken hatten, einen unabhängigen Betreiber ins Aus zu drängen, während andere bereit und willens waren, ihm eine Chance zu geben – und sogar zu helfen.

Sobald ich in Cleaver das Bohrloch Nummer eins in Betrieb genommen hatte – das beeindruckende 5 100 Barrel pro Tag produzierte –, machte ich mich auf die Suche nach einem Käufer für meine Rohölproduktion. Zu meiner Bestürzung weigerten sich die Firmen, die ich ansprach, mit mir zu verhandeln. Die Motive hinter diesem offensichtlichen Boykott wurden innerhalb weniger Tage auf ärgerliche Weise klar, als ich mehrere Anrufe von Händlern erhielt, die mir anboten, die Cleaver-Pacht zu einem sehr niedrigen Preis zu kaufen. Die Händler weigerten sich jedoch, die von ihnen vertretenen Auftraggeber zu nennen.

Zu diesem Zeitpunkt war ich ein alter Hase in der Erdölindustrie. Ich erkannte alle klassischen Anzeichen, die auf ein gut organisiertes Spiel hindeuteten, bei dem jemand mit den geeigneten Druckmitteln ausgebootet werden soll. Bestimmte Interessenten wollten meine Pacht. Entweder verkaufte ich zu einem lächerlich niedrigen Preis oder ich würde ohne Käufer für das Öl dastehen, das von den Bohrungen auf dem Grundstück gefördert wurde.

Da ich mein Öl nicht verkaufen konnte, musste ich einen Weg finden, es zu lagern. Die einzigen verfügbaren Lagermöglichkeiten in der Gegend von Los Angeles befanden sich in einer stillgelegten Raffinerie – zwei Lagertanks mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 155 000 Barrel, die ich sofort mietete. In der Zwischenzeit, noch während ich vergeblich nach einem Käufer für die 5 100 Barrel Rohöl suchte, die mein Bohrloch Nummer eins alle 24 Stunden produzierte, kam Bohrloch Nummer zwei mit einer Tagesproduktion von 5 000 Barrel hinzu. Kurz darauf folgte Nummer drei mit einer Tagesproduktion von 5 100 Barrel und dann Nummer vier, das Schlusslicht, das täglich 2 100 Barrel förderte. Mit dieser Produktionsrate füllten sich die beiden Lagertanks schnell – aber ich hatte immer noch keinen Absatz für das Öl gefunden. Ich wusste, wenn die Tanks voll waren, würde ich keine andere Wahl haben, als meinen Betrieb einzustellen.

Offensichtlich erzielte ich keine Einnahmen aus den vier Bohrungen. Meine flüssigen Barmittel – die ohnehin schon durch die Bohrkosten belastet waren – schwanden schnell, da ich für die Miete der Tanks und den Transport des Rohöls mehrere Meilen von den Bohrlöchern bis zur Lagerungsstätte bezahlen musste. Die Situation hätte leicht zu einem finanziellen Desaster werden können. Ich beschloss, einen Frontalangriff auf einen der größten aller großen Ölkonzerne zu unternehmen: Shell Oil. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass Sir George Legh-Jones, der damalige Präsident der Shell Company, gerade zu Besuch in Los Angeles war. In meiner Verzweiflung setzte ich alles auf eine Karte, bat um einen Termin für ein persönliches Gespräch mit ihm und bekam die Zusage, dass er sich freuen würde, mich während seines Aufenthalts zu empfangen.

Sir George, ein warmherziger, freundlicher Mann, hörte sich aufmerksam an, was ich zu sagen hatte. Der sich vertiefende finstere Blick, der sich über sein Gesicht zog, als er mir zuhörte, war der einzige Beweis, den ich brauchte, um zu erkennen, dass seine Firma nicht an dem Boykott beteiligt war und dass er solche Taktiken aus ganzem Herzen missbilligte. Als ich zu Ende gesprochen hatte, lächelte er mir beruhigend zu.

»Entspannen Sie sich«, grinste er. »Wir werden Ihnen helfen.«

Als Einstieg würde seine Firma die nächsten 1 750 000 Barrel Rohöl kaufen, die von meinen Ölquellen auf der Cleaver-Pacht gefördert wurden, sagte Sir George. Außerdem würde eine Pipeline gebaut werden, um meine Bohrlöcher mit dem Pipelinenetz der Shell Oil Company zu verbinden – und die Bauarbeiten sollten schon am nächsten Tag beginnen.

Sir George und die Shell Oil Company hielten ihr Wort. Shells Arbeitstrupps trafen am nächsten Morgen in aller Frühe auf meinem Cleaver-Gelände ein und begannen mit der Verlegung der Pipeline. Der Boykott war gebrochen – und die Cleaver-Pacht konnte sicher und profitabel abgeschöpft werden!

Als sich die 1920er-Jahre dem Ende zuneigten, vollzog sich in der amerikanischen Erdölindustrie ein radikaler Wandel. Sie wurde immer komplexer, die Kosten für die Suche und Förderung von Öl stiegen immer weiter an. Für den Erwerb von Pachtverträgen, Maschinen und Anlagen sowie für die Finanzierung von Explorationen und Bohrungen waren wesentlich höhere Investitionen erforderlich. Die meisten oberflächennahen Ölvorkommen in bekannten Ölgürteln waren gefunden und wurden ausgebeutet. Um Öl zu finden, war es notwendig, in immer entfernteren Gebieten zu suchen und immer tiefer zu bohren.

In dieser Zeit kam es zu vielen Fusionen und Zusammenschlüssen von Ölgesellschaften. Einige unabhängige Betreiber blieben auf der Strecke. Andere verkauften sich an große Ölkonzerne. Es herrschte zudem eine seltsame, unheilvolle Stimmung, die sich durch die gesamte US-Wirtschaft zog. Der Aktienmarkt verzeichnete fantastische Höchststände, doch es gab auch Warnungen und Vorahnungen über bevorstehende wirtschaftliche Turbulenzen.

Es war eine schwierige Zeit für alle Wildcatters und eine besonders schwierige für mich. Ich musste mich um meine eigenen wie Pilze aus dem Boden schießenden Geschäftsinteressen kümmern – meine Pachtverträge, Förderstätten und Unternehmen. Im Laufe der Jahre hatte ich auch große Aktienpakete an den Unternehmen meines Vaters gekauft. Nun begann seine Gesundheit zu schwinden, und ich sah mich zunehmend gezwungen, mich aktiv in die Leitung dieser Unternehmen einzubringen.

Im Jahr 1929 kam es zu einem schweren Börsencrash. Im folgenden Jahr erlitt mein Vater einen Schlaganfall. Obwohl er über 75 Jahre alt war, kämpfte er mehrere Wochen lang tapfer und verbissen gegen den Tod an, aber der Kampf ging schließlich am 31. Mai 1930 verloren. Meiner Mutter und mir blieb nur wenig Zeit zum Trauern. Wir mussten sein Geschäft am Laufen halten und seine Firmen weiterführen. Die Regierung drängte auf eine schnelle Begleichung der Erbschaftssteuern auf den Nachlass. Diese und viele andere Angelegenheiten verlangten meine sofortige Aufmerksamkeit und alles wurde durch den wirtschaftlichen Faktor der ausufernden Rezession erschwert. Viele rieten mir, alles zu liquidieren – nicht nur den Besitz meines verstorbenen Vaters zu verkaufen, sondern auch meine eigenen Firmen und Beteiligungen.

»Die Geschäftslage kann nur noch schlimmer werden«, prophezeiten sie. »Die Wirtschaft wird völlig zusammenbrechen!«

Ich sah die Situation ganz und gar nicht so. Die Wirtschaft der Nation, davon war ich überzeugt, war im Wesentlichen solide – auch wenn sie in naher Zukunft nachgeben könnte, würde sie sich schließlich wieder erholen, und zwar stärker als je zuvor. Ich war der Meinung, dass es an der Zeit war, zu kaufen – nicht zu verkaufen.

Viele Ölaktien wurden zu historischen Tiefstpreisen verkauft; sie waren spektakuläre Schnäppchen. Ich begann, mir die Organisation eines vollständig integrierten und eigenständigen Ölgeschäfts vorzustellen, das nicht nur die Exploration und Produktion umfasste – mit denen ich mich bis dahin ausschließlich beschäftigt hatte –, sondern auch den Transport, die Raffination und sogar das Handelsmarketing.

In der Wirtschaft wie auch in der Politik ist es nie einfach, sich gegen die Überzeugungen und Einstellungen der Mehrheit zu stellen. Der Geschäftsmann, der sich gegen die vorherrschende Meinung stellt, muss damit rechnen, dass er blockiert, verhöhnt und verteufelt wird. So war es auch bei mir, als ich in den Tiefen der US-Wirtschaftsflaute der 1930er-Jahre beschloss, in großem Stil Aktien zu kaufen und ein eigenständiges Ölgeschäft aufzubauen. Meine Freunde und Bekannten – ganz zu schweigen von meinen Konkurrenten – hielten meinen Kaufrausch für einen fatalen Fehler. Als ich dann meine Absicht bekundete, mich in eine der sieben großen Ölgesellschaften Kaliforniens einzukaufen, begannen selbst diejenigen, die mich in der Vergangenheit unterstützt hatten, zu glauben, ich sei von allen guten Geistern verlassen.

Große Ölgesellschaften konnten die Firmen unabhängiger Betreiber aufkaufen und taten dies auch oft. Aber dass ein unabhängiger Betreiber eine große Ölgesellschaft kauft? Das war Ketzerei – ein Versuch, die etablierte Ordnung auf den Kopf zu stellen!

Nichtsdestotrotz verfolgte ich meine Pläne weiter, denn ich hatte die Zukunft im Blick. Die Ölgesellschaften, die ich kontrollierte oder an denen ich maßgeblich beteiligt war, beschäftigten sich ausschließlich damit, Öl zu finden und aus dem Boden zu holen. Um die Märkte für dieses Öl und für das Öl, das durch neue Bohrungen in der Zukunft gefördert werden sollte, zu sichern, schien es ein kluger Schachzug zu sein, in ein Unternehmen zu investieren, das Rohöl benötigte und das auch über die entsprechenden Raffinerieund Vermarktungseinrichtungen verfügte. In Kalifornien gab es nur sieben solcher Unternehmen – alles Großkonzerne.