Reichlich spät - Claire Keegan - E-Book

Reichlich spät E-Book

Claire Keegan

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Beschreibung

Freitag, der 29. Juli in Dublin. Das Wetter ist wie vorhergesagt, die Stadt vor Cathals Bürofenster liegt in gleißendem Sonnenschein. Nach einem scheinbar ereignislosen Tag mit Budgetlisten und Bürokaffee nimmt Cathal den Bus nach Hause. Die Landschaft zieht an ihm vorüber, die waldigen Hügel, auf denen er noch nie gewesen ist, und er denkt an Sabine. Die ein bisschen schielt und die gut kochen kann, die auch im Winter barfuß am Strand spazieren geht, die die Hügel besteigt. Die zu viel Geld ausgibt und zu viel Raum einnimmt und zumindest über die Hälfte von allem bestimmen will. Die Frau, mit der er hätte sein Leben verbringen können, wäre er ein anderer Mann gewesen. In dieser kleinen Geschichte eines gescheiterten Paares erzählt Claire Keegan vom großen Thema Misogynie. Und wie sie das tut: kein Wort überflüssig, jeder Satz von durchscheinender Klarheit. Meisterhaft!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 35

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Claire Keegan

Reichlich spät

Erzählung

Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser

Steidl

Für Loretta Kinsella

Langsam wird es hell, das Zimmer nimmt Konturen an. Deutlich wie ein Schrank steht vor mir, was wir wissen, Was wir immer wussten, doch niemals akzeptieren: Es gibt kein Entrinnen. Einer muss weichen.

Philip Larkin, »Aubade«

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Danksagung

Impressum

1

Am Freitag, dem 29. Juli war das Wetter in Dublin genau wie vorhergesagt. Den ganzen Vormittag schien eine dreiste Sonne über dem Merrion Square; sie fiel auch auf den Schreibtisch am offenen Fenster, an dem Cathal saß. Ein Hauch von frisch gemähtem Gras wehte herein, und hin und wieder bewegte eine schwüle Brise den Efeu auf dem Sims. Als ein Schatten vorbeizog, blickte Cathal hinaus – ein Schwarm Schwalben, die sich hoch oben kameradschaftliche Scharmützel lieferten. Unten auf den Rasenflächen sonnten sich Leute, und er sah Kinder und üppige Blumenbeete. So vieles im Leben verlief reibungslos, ungeachtet des Gewirrs menschlicher Enttäuschungen und des Wissens, dass alles einmal enden muss.

Schon jetzt fühlte sich der Tag lang an. Als Cathal wieder auf den Bildschirm starrte, war es 14:27. Jetzt wünschte er, er wäre in der Mittagspause hinausgegangen und bis zum Kanal gelaufen. Dort hätte er eine Weile auf einer der Bänke sitzen und den Schwänen und ihren Jungen zusehen können, wie sie die Brotkrusten und die anderen Bissen verschlangen, die die Leute ins Wasser warfen. Ohne es beabsichtigt zu haben, schloss er die Budgetverteilungsdatei, an der er gerade arbeitete, noch bevor er sie gespeichert hatte. Etwas wie Verachtung durchfuhr ihn, und er stand auf, ging den Korridor entlang zur Herrentoilette, in der sich niemand befand, und drückte sich in eine der Kabinen. Eine Weile blieb er auf dem Klodeckel sitzen und betrachtete die Rückseite der Tür, auf die niemand etwas geschrieben oder gekritzelt hatte, bis er sich etwas ruhiger fühlte. Dann ging er zum Waschbecken, spritzte sich Wasser ins Gesicht und trocknete sich mit dem Papierhandtuch, das automatisch aus dem Spender kam, bedächtig Gesicht und Hände ab.

Auf dem Rückweg zu seinem Schreibtisch machte er vor dem Kaffeeautomaten halt, drückte die Americano-Option und wartete darauf, dass der Kaffee in die Tasse lief.

Die Tasse war fast voll, als Cynthia, die in leuchtende Farben gekleidete Frau aus der Buchhaltung, hinzukam. Sie lachte in ihr Handy. Als sie ihn sah, unterbrach sie sich und beendete bald das Gespräch.

»Alles klar bei dir, Cathal?«

»Ja«, sagte er. »Bestens. Und bei dir?«

»Bestens.« Sie lächelte. »Danke der Nachfrage.«

Er nahm die Tasse und ging, bevor er seinen Kaffee gezuckert hatte und bevor sie noch mehr sagen konnte.

Als er zu seinem Schreibtisch zurückkehrte und auf den Bildschirm blickte, war es 14:54. Er hatte gerade die Datei geöffnet, um sie noch einmal zu lesen und einige der Änderungen vorzunehmen, die er nun noch einmal eingeben musste, als sein Chef vorbeikam.

Sein Chef war ein Mann aus dem Norden, gut zehn Jahre jünger als er, jemand, der Designeranzüge trug und an den Wochenenden Squash spielte.

»Na, Cathal. Wie steht’s?«

»Gut, danke.«

»Hast du Mittag gemacht, ’ne Kleinigkeit gegessen?«

»Ja«, sagte Cathal. »Keine Sorge.«

Sein Chef musterte ihn, nahm Jackett, Hemd, Krawatte und Hose, die ungeputzten Schuhe in Augenschein. Alles wie immer.

»Du weißt, dass du nicht bleiben musst«, sagte sein Chef. »Warum machst du nicht Schluss?« Er errötete ein wenig. Die gut gemeinte Phrase schien ihn in Verlegenheit zu bringen.

»Ich bin gerade dabei, den Budgetplan fertigzustellen«, sagte Cathal. »Das würde ich gerne noch erledigen.«

»Na schön«, sagte sein Chef. »Wie du meinst. Aber mach dir keinen Stress.«

Daraufhin zog sich sein Chef in sein Büro zurück, und Cathal hörte, wie die Tür leise ins Schloss fiel.

Als er wieder hinaussah, war der Himmel blau und leer. Er nahm einen Schluck von