Reise Know-How KulturSchock China - Manuel Vermeer - E-Book

Reise Know-How KulturSchock China E-Book

Manuel Vermeer

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Beschreibung

"Die Chinesen", ein Fünftel der Menschheit, sind keine gesichtslose Masse, sondern viele Individuen mit kulturellen und sozialen Prägungen, mit Familie, Beruf, Freizeit sowie Hoffnungen und Wünschen. Von alldem handelt dieses Buch. Um die aktuellen Entwicklungen zu verstehen, erläutert der Autor die geschichtlichen und politischen Hintergründe vom Konfuzianismus bis zur heutigen Rolle der Partei. Darüber hinaus geht er auch auf zahlreiche gesellschaftliche Erscheinungen ein, die bei uns kaum bekannt sind. So werden die problematische Wasserversorgung beschrieben, die Schwierigkeiten von jungen Frauen, passende Partner zu finden, oder auch die rasante Digitalisierung der Gesellschaft und die Verbreitung von Social Media wie WeChat. Auch in Deutschland präsente Themen wie die Sorge vor Raubkopien und Gefahren für die deutsche Wirtschaft durch chinesische Aufkäufe im Zuge der neuen Seidenstraßenpolitik werden behandelt. Unterhaltsam und leicht verständlich beschreibt der Autor den Lebensalltag, räumt kulturelle Stolpersteine aus dem Weg und vermittelt eine Vielzahl an praktischen Verhaltenstipps von A bis Z, um das Zusammentreffen mit Chinesen zu meistern. Dazu: Verweise auf ergänzende und unterhaltsame Multimedia-Quellen im Internet, Literaturempfehlungen zur Vertiefung … Aus dem Inhalt: - Morallehren, Religion und mehr - Reform- und Öffnungspolitik - Essen und Trinken: chinesisches Zuprosten will gelernt sein - VR China: demokratische Diktatur des Volkes - Strategien der Konfliktbegrenzung - Die Hälfte des Himmels: zur Rolle der Frau - Regeln für Geschäftsreisen - Feste, Bräuche, Traditionen - Natur- und Umweltschutzdenken - Internet und Onlinemedien: Zensur oder Freiheit? - Streiflichter aus dem Alltag: Kinder, Familie, Arbeitsleben, Menschenrechte - Leben auf dem Land - Tücken der chinesischen Sprache +++ KulturSchock - die besonderen und mehrfach ausgezeichneten Kultur-Reiseführer von REISE KNOW-HOW.

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Seitenzahl: 431

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Vorwort

Nach über dreißig Jahren chinesischer Reform- und Öffnungspolitik muss man sich die Frage gefallen lassen, wieso man im Zusammenhang mit diesem Thema überhaupt noch von einem Kulturschock spricht. Aber gerade weil der Reisende denkt, er sei gut vorbereitet und ein Schock bei all der verfügbaren Information zu China wohl kaum möglich, trifft er als Ausländer immer wieder auf Situationen, die er nicht einzuordnen weiß. Hanne Chen meint, der Kulturschock, der sich bei näherer Beschäftigung mit der chinesischen Zivilisation einstelle, beruhe genau genommen nicht auf der Begegnung mit dem Fernen Osten, sondern auf der Erkenntnis, dass technischer Fortschritt, Humanität und zivilisatorische Überlegenheit, die der moderne Westen für sich beansprucht, selbst erschreckend jungen Datums sind.

China hat sich geöffnet, ja, aber trotz alledem bleiben uns viele Verhaltensweisen der Chinesen fremd. Den Begriff „verwestlicht“ sollte man vermeiden, da er zu ungenau ist: Was genau ist „der Westen“? Amerikanische Fastfood-Ketten? – Die chinesische Kultur ist so vielfältig, so alt und in vieler Hinsicht so verschieden von der unsrigen (deutschen), dass man dies nicht in einem Buch umfassend beschreiben kann. Es soll daher anhand einiger Stichpunkte zum einen Wissen vermittelt werden (Historie, Philosophie, Sprache etc.), zum anderen sollen tief in der Kultur verankerte Verhaltensweisen erklärt (Netzwerke, Höflichkeit) oder einfach Hinweise zum Verhalten als Ausländer gegeben werden (Geschenke, Taxi etc.). Der begrenzte Umfang des Buches gab dabei den Rahmen für die Auswahl vor; vieles muss unerwähnt bleiben. Als Beispiel sei die Kultur der Minderheiten erwähnt, die hier nicht beschrieben werden kann. Dennoch ist ein tiefer Einblick in das Leben der Chinesen heute gelungen, was immer man – wir sprechen wohlgemerkt von einem Fünftel der Menschheit! – auch unter „den Chinesen“ verstehen mag. Die Unterschiede zwischen Alt und Jung, zwischen dem entwickelten Ostchina und dem in weiten Teilen kaum bewohnten Westen sind groß; nicht alles kann für alle Chinesen gelten.

Dr. Manuel Vermeer

Heidelberg/Shanghai, im Herbst 2017

Danksagung

Bei diesem Buch handelt es sich um eine von Verlag und Autor neu konzipierte Fassung des Werks, das Frau Hanne Chen jahrelang so ausgezeichnet bearbeitet hat. Vieles wurde aktualisiert, manche aktuellen Themen wurden neu aufgenommen, so die Kapitel über Social Media oder über die neuen Seidenstraßen und Chinas Strategien für die Zukunft. Aber vieles blieb auch erhalten, da meine Vorgängerin, Hanne Chen, hervorragende Arbeit geleistet hat und, gerade was die Kapitel Geschichte oder auch Konfuzianismus oder Daoismus betrifft, eine Neuausarbeitung nur schlechter hätte ausfallen können. Ich darf mich daher an dieser Stelle ausdrücklich und mit großem Respekt vor ihrer langjährigen Arbeit bei Frau Chen dafür bedanken, dass ich Teile ihrer Texte wörtlich oder sinngemäß übernehmen durfte.

Extrainfos im Buch

ergänzen den Text um anschauliche Zusatzmaterialien, die vom Autor aus der Fülle der Internet-Quellen ausgewählt wurden. Sie können bequem über unsere spezielle Internetseite www.reise-know-how.de/kulturschock/china18 durch Eingabe der jeweiligen Extrainfo-Nummer (z. B. „#1“) aufgerufen werden.

Vorwort

Verhaltenstipps von A bis Z

Die geschichtlichen Wurzeln

Chinas Geschichte bis 1949

VR China seit 1949

Die VR China: Reform- und Öffnungspolitik

Der kulturelle Rahmen

Morallehren, Religion und mehr

Errungenschaften und Erfindungen

Kalender und Feste

Hao hao xuexi: Bildung in China

Korruption und Guanxi

Strategien der Konfliktbegrenzung

China heute – Staat, Politik und Wirtschaft

VR China: demokratische Diktatur des Volkes

Taiwan: von der Militärdiktatur zur Demokratie

Wirtschaft: Sozialistische Marktwirtschaft

Verkehr und Transportmittel

Minderheiten und Separatismus

Sozialsysteme

Stadt und Land

Geschlechter und Familie

Die Hälfte des Himmels: zur Rolle der Frau

Bedeutung der Familie

Der Alltag von A bis Z

Alkohol, Rauchen und Drogen

Behörden und Polizei

Ess- und Trinkkultur

Einkaufen

Feng Shui

Feste, Bräuche, Traditionen

Freizeit, Sport und Spiel

Gesprächsverhalten

Gesundheitswesen

Infrastruktur

Internet und Onlinemedien: Zensur oder Freiheit?

Liebe und Sex

Menschenrechte

Natur- und Umweltschutzdenken

Rundfunk, TV und Presse

Sicherheit

Sprache und Schrift

Als Fremder in China

Zwischen Ressentiments und Gastfreundlichkeit: China und die Ausländer

Chinesisch-deutsche Partnerschaften

Fremdeln

Das Bild von Touristen

Deutsche in China: von Qingdao bis heute

China und Deutschland heute

Geschenke

Begrüßung und Verabschiedung

Gastfreundschaft

Anhang

Literaturtipps

Informatives aus dem Internet

Register

Karte: Volksrepublik China, Provinzen

Der Autor

Exkurse zwischendurch

Zeittafel der chinesischen Dynastien

Die Opiumkriege (1839–1842 und 1856–1860)

Ein Schicksal während der Kulturrevolution

Das chinesische Gefängnis- und Lagersystem

Der chinesische Tierkreis

Bestrafungen in der Schule des vorrevolutionären Chinas

Das Füßebinden

Chinesisches Zuprosten will gelernt sein

Verhaltenstipps von A bis Z

Ahnenkult: Nach wie vor säubern die Chinesen die Gräber der Verstorbenen; auch werden den Toten beim Begräbnis viele aus Papier gebastelte Gaben (vom iPhone bis zum Ferrari) mitgegeben, damit sie es in ihrer zukünftigen Welt gut haben. Ahnen sind wichtig (siehe hierzu auch das Kapitel „Morallehren, Religion und mehr“ ab S. 70). Das Thema Ahnenkult stellt kein Tabu dar; man darf danach fragen und Chinesen werden auch Auskunft geben, wenn sie das möchten.

Alkohol: bei Banketten für Männer ein Muss und auch als Geschenk immer eine gute Idee. Chinesen lieben Hochprozentiges, was für Ausländer auch zum Problem werden kann, wenn sie nicht mithalten wollen oder können (siehe auch das Kapitel „Ess- und Trinkkultur“ ab S. 176).

Allergien: immer eine gute Ausrede, wenn man keinen Alkohol trinken möchte. Man sollte sich jedoch merken, was man einmal behauptet hat … denn die Chinesen merken es sich auch. Wer allergisch auf beispielsweise Glutamat reagiert, sollte jedoch tatsächlich vorsichtig sein, da viele Speisen Glutamat enthalten.

Anrede und Namen: Mao Zedong, das weiß man, hieß mit Nachnamen Mao. Daraus folgt logischerweise, dass im Chinesischen der Nachname vorn steht. Also ist Xi der Nachname des Staats- und Parteichefs (Stand: 2017) Xi Jinping und Jinping sein Vorname. Selbst renommierte deutsche Tageszeitungen machen dies noch immer falsch, dabei ist es so einfach. Chinesische Namen bestehen zumeist aus insgesamt drei Schriftzeichen, also auch drei Silben. Der Vorname besteht dabei aus zwei Silben, die in der Umschrift immer zusammengeschrieben werden. Sieht man daher den Namen Jianhua Wang, dann hat der dazugehörige Chinese den Nachnamen (eine Silbe!) bereits in Anpassung an unsere Gewohnheiten nach hinten gestellt; der Vorname (zwei Silben!) steht nämlich offensichtlich vorn. Wird ein Gespräch in englischer Sprache geführt, so spricht man seine Partner mit Mr./Mrs. o. ä. plus Nachname an, wie bei uns auch. Im Chinesischen gilt die Bezeichnung Herr/Frau als Titel und wird nachgestellt. Herr Wang hieße also Wang xiansheng (Herr). Frau Wang hieße Wang nüshi (Frau), wobei zu beachten ist, dass die Ehefrau von Herrn Wang nicht automatisch auch Wang heißt. Frauen behalten nach der Heirat ihren Nachnamen bei, sodass es ratsam ist zu fragen, wenn man nicht sicher ist. Das ist höflicher, als den Namen konsequent falsch auszusprechen, nur weil Kollegen oder Freunde dies auch tun. So wie man ohnehin immer fragen sollte, wenn man sich mit der Aussprache eines Wortes schwertut.

Ansehen, Gesicht wahren: Für Touristen ist das nicht weiter relevant; verhält man sich so, wie man das in Deutschland auch tun würde, kann nichts passieren. Im Geschäftsleben gibt es allerdings einiges zu beachten (siehe das Kapitel „Gesprächsverhalten“ ab S. 201).

Arzt: Es gibt in China üblicherweise keine privaten, niedergelassenen Ärzte, sondern man geht ins Krankenhaus. Als Ausländer sollte man ausreichend Bargeld bei sich haben, auf jeden Fall aber eine Kreditkarte. Meist gilt „cash and carry“, d. h., erst wird bezahlt und dann behandelt (siehe das Kapitel „Gesundheitswesen“ ab S. 209).

Ausländer/Touristen: auf Chinesisch Lao wai, „alter Ausländer“, was durchaus positiv gemeint ist. Ausländer sind gern gesehen und werden in manchen Regionen gelegentlich noch ganz unverblümt bestaunt. Reisen als Tourist in China ist absolut sicher; Ausländer, vor allem aus Deutschland, sind beliebt (siehe auch das Kapitel „Als Fremder in China“ ab S. 257).

Begrüßung und Verabschiedung: „Nihao“ heißt „Guten Tag“ und kann zu jeder Tages- und Nachtzeit verwendet werden. Man begrüßt sich mit Handschlag wie in Deutschland auch. Dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen.

Bestechung und Schmiergelder: In China gibt es noch immer viel Korruption. Diese findet aber zumeist abseits dessen statt, was der Tourist mitbekommt. Wer geschäftlich unterwegs ist, wird eventuell damit in Berührung kommen. Auf Korruption steht die Todesstrafe. Als Ausländer ist strikt jede Situation zu meiden, die in eine solche Richtung weist.

Einkaufen/Märkte: Als Ausländer kann man sowohl in staatlichen Kaufhäusern als auch in den meist kleineren, privaten Geschäften einkaufen. Letztere akzeptieren nur Bargeld (oder Bezahlung per We-Chat, s. S. 214). Handeln kann man in Kaufhäusern nicht (siehe auch das Kapitel „Einkaufen“ ab S. 189).

Ess- und Trinksitten: Da dies ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Kultur ist, gibt es hierzu ein eigenes Kapitel: „Ess- und Trinkkultur“ (s. S. 176). Essen ist immer ein sehr gutes Gesprächsthema, Chinesen lieben es, über die regionalen Küchen zu philosophieren. Essen zu gehen ist unproblematisch, auch kleinere Garküchen sind immer lecker und in hygienischer Hinsicht meist akzeptabel. Im Übrigen haben auch die Chinesen viel über uns gelernt, und es kümmert sie dennoch oft herzlich wenig, was Ausländer von ihren Manieren halten. Wenn daher zu lesen ist, man solle ungewohntes Essen nie ablehnen, das sei unhöflich, und stattdessen lieber den Skorpion herunterwürgen, um sein Chinageschäft nicht zu gefährden – Unsinn! Chinesen haben in Deutschland kein Problem damit, dem Gastgeber zu sagen, dass ihnen das deutsche Essen nicht schmecke. Also muss auch der ausländische Gast in China nicht alles essen – und nicht jeden Alkohol trinken und auch nicht jede Menge davon!

Fahrer können zumeist kaum oder gar nicht Englisch sprechen und sind auch ansonsten eher hilflos, wenn es darum geht, sich zu orientieren, da der rasante Wildwuchs der meisten Städte die Vertrautheit mit den Straßen erschwert. Man verlässt sich daher besser nicht auf seinen Fahrer. Die Zieladresse sollte man immer ausgedruckt oder auf dem Handy bereit haben, natürlich in Schriftzeichen, ebenso eine Telefonnummer, die der Fahrer im Notfall anrufen kann.

Fotografieren ist unproblematisch, einzig militärische Gebäude u. Ä. dürfen nicht fotografiert werden. Bei Personen gilt wie weltweit, dass man vorher höflich fragt.

Frau und Mann: „Die Frau trägt die Hälfte des Himmels“, sagte schon Mao, und tatsächlich werden Frauen in China weniger diskriminiert als in vielen anderen Ländern. Auch trifft man viele weibliche Führungskräfte, Politikerinnen usw., und zwar nicht nur aus Quotengründen (siehe auch das Kapitel „Die Hälfte des Himmels: zur Rolle der Frau“ ab S. 154).

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Romantik auf Chinesisch

Fremdenfeindlichkeit gibt es in China eigentlich nicht. Rassismus gibt es, gerade Schwarzen gegenüber. Wer aus Deutschland kommt, ist hoch angesehen.

Geld: China ist heute ein extrem materialistisch geprägter Staat. Geld spielt eine dominante Rolle, Ansehen wird über finanziellen Status erworben und somit sind auch materialistische Statussymbole von erheblicher Bedeutung. Im Gegensatz zu Deutschland zeigt man sein Geld, und zwar offen und deutlich. Gleichzeitig sind Chinesen sehr sparsam, achten auf Ausgaben und nehmen ungern Kredite auf. Im Grunde sind sie in Gelddingen sehr konservativ. Geld spielt also eine große Rolle und ist auch ein häufiges Gesprächsthema.

Geschenke sind ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Kultur und dürfen bei geschäftlichen Anlässen auf keinen Fall vergessen werden (siehe auch das Kapitel „Geschenke“ ab S. 278).

Gesprächsthemen: Politische Themen sind tabu, da sich der Gesprächspartner zu ihnen selten offen und ehrlich äußern kann. Vor allem die Themen Tibet, Taiwan und Tianianmen (Massaker auf dem Platz des Tores des Himmlischen Friedens am 4. Juni 1989) sollte man meiden. Lob auf Japan wird ebenfalls nicht immer gern gehört. Gute Themen hingegen sind der schnelle wirtschaftliche Fortschritt Chinas, die chinesische Kultur, daneben auch Sport und Familie.

Gestik und Mimik: Chinesen sind bekannt für ihre aus europäischer Sicht eher reduzierte Gestik und Mimik. Um so wichtiger ist es, vor allem für Geschäftsleute, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sie korrekt zu interpretieren. Lächeln ist ein Zeichen von Höflichkeit, nicht von Freude oder Freundschaft. Also sollte man öfter lächeln als bei uns, das kommt immer gut an. Und niemand käme auf den Gedanken zu glauben, dass es sich dabei um einen Ausdruck echter Freude handelt (siehe auch das Kapitel „Gesprächsverhalten“ ab S. 201).

Handeln/Feilschen: Auf den Märkten ist Feilschen ein Muss, in staatlichen Kaufhäusern und den großen privaten Geschäften funktioniert es nicht. Aber Chinesen sind geborene Händler und auch im Geschäftsleben würden sie sich wundern, wenn der Geschäftspartner nicht einmal versucht, den Preis zu drücken. Also sollte man es auf jeden Fall zumindest probieren! Für das Handeln auf einem Nachtmarkt heißt das, bei maximal 20 % der geforderten Summe anzufangen und sich dann langsam nach oben handeln zu lassen. Das macht Spaß und bringt dem Kunden den Respekt des Verkäufers ein!

Haustiere: Ein erst seit wenigen Jahren zu beobachtendes Phänomen ist das Halten von Haustieren, vorwiegend von Hunden. Dies hält allerdings andere Chinesen keineswegs davon ab, Hunde weiterhin auf die Speisekarte zu setzen, auch wenn der Verzehr insgesamt wohl rückläufig ist. In Taiwan hat man 2017 den Verzehr von Hunden und Katzen offiziell verboten. Auf immer mehr chinesischen Straßen trifft man derweil Hausfrauen, die „Gassi gehen“, allerdings ihrem Verhalten nach zu urteilen nichts von Hunden und deren artgerechter Haltung verstehen. Bedenkt man die Enge der meisten chinesischen Wohnungen und den fehlenden Auslauf in den Millionenstädten, die oft über nur wenige Grünflächen verfügen, wird das Problem schnell offensichtlich. Katzen, Vögel und andere bei uns beliebte Haustiere sind seltener; mit zunehmendem Reichtum und somit größeren Wohnungen wird aber auch das Halten von Haustieren zu einem Statussymbol.

Hierarchien/Höhergestellte: China ist eine extrem hierarchisch strukturierte Gesellschaft; sozialer Status bedeutet alles und innerhalb eines Unternehmens ist die Befehlskette deutlich hierarchischer organisiert als bei uns in Deutschland. Höhergestellte zu kritisieren, ist tabu. Auch als Ausländer sollte man mit entsprechender Kritik zurückhaltend sein und sich erst informieren, was erlaubt ist und was nicht (siehe das Kapitel Konfuzianismus ab S. 70).

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Spielzeug oder doch Nahrung?

Höflichkeit und Zurückhaltung sind immer eine gute Haltung, wenn man eine Situation nicht einschätzen kann. Lob für China und die chinesische Kultur sind in jeder Situation ein Muss, schließlich verstehen auch umgekehrt die Chinesen es nicht, wenn der Ausländer negativ über sein eigenes Land spricht. Aber schlussendlich kann der Reisende beruhigt sein und bedenken, dass er letztlich „nur“ Ausländer ist und nichts dafür kann, man erwartet von einem Nicht-Chinesen kein gesittetes, adäquates Benehmen.

Homosexualität: Historisch betrachtet, findet man in der chinesischen Literatur keinerlei Hinweise auf eine ablehnende Betrachtung homosexueller Verhaltensweisen. Es ist aber so, dass die klassische Lehre von yin und yang (s. S. 76), von der Ausgewogenheit der Natur, verlangt, dass sich männliche und weibliche Eigenschaften ergänzen. Dies kann man als eine zwangsläufige Einstufung von Homosexualität als „unnatürlich“ ansehen. Ein Verbot bestand jedoch nie. Erst mit der VR China und der kommunistischen Machtübernahme wurde das Thema zwar nicht kriminalisiert, aber dennoch Homosexualität öffentlich nicht mehr lebbar. In der Kulturrevolution wurden Schwule zudem öffentlich gedemütigt und bestraft, auch wenn sie sich rechtlich betrachtet nichts hatten zuschulden kommen lassen. Heute gibt sich China erstaunlich tolerant, lässt auch Schwulen- und Lesbenbars zu (zumindest in den kosmopolitischen Großstädten) und seit 2001 wird Homosexualität auch nicht mehr als Geisteskrankheit eingestuft. Es gibt berühmte Transsexuelle wie Jin Xing, die jedermann bekannt ist. Doch wie in vielen Ländern findet Homosexualität in der Realität zumeist im Verborgenen statt; viele Schwule führen eine Doppelexistenz unter einem bürgerlichen Deckmantel.

Hygiene: In den Großstädten Chinas sind die hygienischen Zustände überwiegend sehr gut, auch öffentliche Toiletten sind in Ordnung. Auf dem Land relativiert sich dies deutlich; insgesamt jedoch sind Krankheiten aufgrund der hygienischen Zustände nicht zu befürchten. Dies gilt auch für Restaurants. Das öffentliche Spucken hat seit SARS ebenfalls deutlich abgenommen.

Internet: Jedes bessere Hotel und mit Sicherheit die Hotels, in denen ausländische Touristen und Geschäftsleute meist übernachten, verfügen über ein Business Center oder zumindest über eine Ecke, in der ein Bildschirm und ein internetfähiger Rechner stehen. Alle Zimmer sind mit WLAN ausgerüstet (das selbstverständlich überwacht wird). Allerdings sinkt die Übertragungsgeschwindigkeit dramatisch, sobald man ausländische Seiten aufrufen möchte. You-Tube, Facebook, Twitter und die Seiten anderer sozialer Netzwerke sind ohnehin gesperrt. Mit einer chinesischen SIM-Karte können Sie (theoretisch) auch GoogleMaps etc. nutzen. Ist man in den Städten unterwegs, so findet man überall Schnellrestaurants und Coffeeshops, die kostenloses WLAN anbieten. Sogar in Zügen gibt es ein hervorragendes Netz, das dem bundesdeutschen weit voraus ist, sowohl in der Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit als auch in der Verbreitung. Im Base Camp des Mount Everest in 5300 Metern Höhe gibt es WLAN!

Karaoke: „Leeres Orchester“ lautet die wörtliche Übersetzung aus dem Japanischen. Von dort aus hat sich dieser Zeitvertreib rasch über Asien und die ganze Welt ausgebreitet, in China erfreut er sich größter Beliebtheit. Häufig wird man als ausländischer Gast nach erfolgreichem Geschäftsessen zum Besuch einer Karaokebar eingeladen. Da kann man ruhig unbesorgt mitgehen. Zumeist bleibt alles im „grünen Bereich“ und dem mehr oder weniger unbeschwerten Genuss eines lustigen Abends steht nichts im Weg. Sollte Ihnen als Gast das Etablissement nicht zusagen, ist es gar kein Problem, unter Hinweis auf Jetlag und Müdigkeit oder ein wichtiges Telefonat mit dem Vorgesetzten (Stichwort: Zeitunterschied!) den Heimweg anzutreten. Einziger Nachteil der Karaokebar: Es muss gesungen werden! Dezente Hinweise auf das eigene Unvermögen gelten nichts. Dieses (tatsächliche oder vermeintliche) Unvermögen kann man durch Lautstärke ausgleichen. Auch hier fließt Alkohol, aber Chinesen pflegen nun einmal so ihre Beziehungen (Guanxi, s. S. 101) und wenn er sich darauf einlässt, wird man den Gast aus Deutschland in guter Erinnerung behalten. Singt er gar ein deutsches Volkslied oder – das wäre die absolute Krönung – auch nur eine Zeile eines chinesischen Liedes, steht guten Geschäften nichts mehr im Wege.

Kriminalität ist in China insgesamt sehr selten; China ist eines der sichersten Länder der Welt. Ob dies den drakonischen Maßnahmen bis hin zur Todesstrafe geschuldet ist, sei dahingestellt. Geschäftsleute wie Touristen können auch nachts unbesorgt durch die Straßen der Städte laufen. Taschendiebstahl gibt es natürlich, Überfälle etc. aber sehr selten.

Naseschnäuzen: Oft hört man, man solle sich auf keinen Fall am Tisch die Nase schnäuzen. Das erzählen viele, die beruflich häufig in China sind, und es ist wohl auch tatsächlich ratsam, dies wenn möglich zu vermeiden. Aber wenn gleichzeitig der chinesische Manager neben dem deutschen Gast raucht und seine Zigarette dann im Essen ausdrückt, während er den feinen südamerikanischen Rotwein mit süßer oder gar koffeinhaltiger Limonade „verfeinert“, und die (weibliche) Bedienung dem Deutschen ins Ohr rülpst, dann kann ein Naseschnäuzen nicht so schlimm sein.

Patriotismus: Die Chinesen sind außerordentlich stolz auf ihr Land, ihre Kultur und ihre Geschichte. Kritik an diesen Dingen gibt es auch, auf Chinesisch, untereinander, aber Ausländern wird sie nicht zugestanden. Mit Kritik an allem Chinesischen sollte der Fremde daher sehr vorsichtig sein.

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Maos Bild ist ein Symbol. Seine Entfernung wäre auch eines.

Politik ist immer ein heikles Thema. Da in China weder Meinungsnoch Pressefreiheit herrschen, ist sehr schwer, mit Chinesen konstruktiv über Politik zu sprechen. Für den Gesprächspartner sind Repressionen bis hin zu Gefängnis zu befürchten; unter Präsident Xi ist die Meinungsfreiheit eingeschränkt wie nie zuvor. Sollte sich dennoch eine Gelegenheit ergeben, ist es durchaus legitim, seine eigene Meinung zu z. B. Menschenrechten zu äußern, dies aber mit der gebotenen Zurückhaltung und keinesfalls mit erhobenem Zeigefinger. Unter vier Augen kann man mit Chinesen auch über Politik sprechen, selten aber in größeren Gruppen. Man sollte sich allerdings zuvor detailliert über die Situation in China informieren, sonst steht Kritik einem ohnehin nicht zu.

Prostitution: Trotz aller Bemühungen der Regierungsbeamten (die sich als scheinheilig entpuppen, wenn man weiß, dass eben diese Beamten genauso gründlich von dieser Dienstleistung Gebrauch machen wie viele andere Männer auch), die Prostitution einzudämmen, blüht die Prostitution und in jeder Stadt in China wird alles angeboten, was man in anderen Ländern auch bekommen kann. Viele Friseur- und Massagesalons sind in Wirklichkeit Anbieter anderer Spezialitäten. Wie überall funktioniert auch in diesem Bereich die chinesische Überwachung sehr gut, sei es in einem Salon oder in einem Hotelzimmer. So manch ausländische Geschäftsmann hat sich schon unfreiwillig und bei unpassender Gelegenheit in einem Video wiedergefunden, das seine Geschäftspartner sinnvoll einzusetzen wussten.

Pünktlichkeit: Chinesen sind ebenso pünktlich wie Deutsche. Kleine Verspätungen werden aber nicht übel genommen. Kalkuliert man die allgegenwärtigen Staus ein, kann man es aber auch gut schaffen, pünktlich zu sein.

Rauchen scheint bei männlichen Chinesen noch immer ein Muss zu sein, es gibt nur wenige, die nicht rauchen; geraucht wird auch gern beim Essen oder bei Geschäftsverhandlungen. Keinesfalls muss man da mithalten, als Nichtraucher lehnt man einfach höflich dankend ab. Raucht man jedoch selbst, sollte man den Chinesen unbedingt eine der eigenen, teuren Zigaretten anbieten. Zigarren kommen in bestimmten Zirkeln mehr und mehr in Mode (siehe auch das Kapitel „Alkohol, Rauchen und Drogen“ ab S. 174).

Sicherheit: China ist eines der sichersten Länder der Welt. Als Ausländer kann man unbesorgt nachts durch die Städte laufen, kann reisen, auch alleine als Frau oder als Familie mit Kindern. Natürlich gibt es Diebe und andere Verbrecher, aber die Sicherheit ist (auch aufgrund der massiven und hochtechnisierten Überwachung) im Allgemeinen als sehr hoch zu bezeichnen. Gewaltverbrechen gegen Ausländer sind extrem selten. Dennoch sollte man im allgegenwärtigen Gedränge auf seine Wertsachen achten.

Souvenirs: Tee, Kunsthandwerk, Kalligrafie, Bildrollen, Jade, Buddhas – dies sind einige der üblichen Souvenirs. Auf die diversen Mao-Devotionalien sollte man verzichten; Mao war einer der schlimmsten Diktatoren der Geschichte. Antiquitäten sind entweder gefälscht oder zu alt, um sie exportieren zu dürfen. Oder beides.

Sprache: In den Großstädten trifft man viele junge Menschen, die Englisch sprechen, aber auf dem Land sicher nicht. Mandarin ist die Landessprache, die aber von zahlreichen lokalen Sprachen und Dialekten überlagert wird. Einige Sätze Mandarin zu lernen, ist daher sehr zu empfehlen, das kommt hervorragend an. Es gibt auch zahlreiche Apps, die bei der sprachlichen Verständigung helfen.

Spucken: Das weit verbreitete Spucken hat seit SARS deutlich nachgelassen; auch in China hat sich herumgesprochen, dass das unhygienisch ist und so Krankheiten übertragen werden könnten. Spucken ist kein relevantes Thema mehr.

Statussymbole: Noch vor wenigen Jahrzehnten war China ein sehr armes Land; erst in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das für viele (nicht für alle) Chinesen deutlich geändert. Statussymbole sind daher sehr wichtig, um zu zeigen, dass man es „geschafft hat“. Zu ihnen zählen deutsche Luxusautos, Schweizer Uhren, teurer Rotwein, das neueste Mobiltelefon usw.

Tabus: Oft wird der vermeintlich Chinaerfahrene gefragt, was in China denn absolute Tabus seien, Verhaltensweisen oder Gesten, die man auf jeden Fall vermeiden müsse. Ist jemand wirklich chinaerfahren, so wird er lange überlegen, denn eigentlich gibt es hier nichts aufzuzählen. Natürlich gibt es Höflichkeitsregeln, aber echte Beleidigungen, die man eventuell versehentlich und aus Unwissenheit aussprechen könnte – nein. Da die Religion eine mehr als untergeordnete Rolle spielt, können schlimme Fauxpas wie in anderen Kulturkreisen (Islam, Hinduismus etc.) nicht passieren. Darüber hinaus sind in diesem riesigen Land so viele unterschiedliche Verhaltensweisen anzutreffen, dass auch ein unbedarfter Deutscher da nichts Unverzeihliches anrichten kann.

Taxis gibt es überall und man kann sie einfach auf der Straße heranwinken oder im eigenen Hotel an der Rezeption bestellen lassen. Achtet man auf das Aktivieren des Taxameters, gibt es keinen Ärger. Der Unerfahrene sollte im Hotel fragen, was die ausgewählte Strecke etwa kosten darf. Man wird nicht öfter betrogen als in Köln oder New York auch, eher sogar seltener. Da die Fahrer fast nie Englisch sprechen, empfiehlt es sich jedoch, das Ziel in chinesischen Schriftzeichen ausgedruckt dabeizuhaben, und auf jeden Fall auch die Telefonnummer eines Ansprechpartners an der Zieladresse mit sich zu führen! Oft ist die Zieladresse schwer zu finden, dann kann der Fahrer sich telefonisch zum Ziel leiten lassen. Wer über keinen WeChat-Account verfügt (s. S. 214), muss bar zahlen. Kreditkarten werden nicht akzeptiert.

Tee heißt cha auf Chinesisch, seine Herkunft offenbart sich auch in Sprachen wie dem Türkischen („çay“). Marco Polo hat ihn in seinem berühmten Reisebericht nicht erwähnt, was Wissenschaftler zu der These verleitet, er sei eventuell gar nicht in China gewesen. Es gibt unzählige Sorten, manche sehr teuer. Man sollte das angebotene Getränk daher schätzen, trinken und wenn es als Geschenk daherkommt, ebenfalls würdigen. Es könnte ein sehr teurer, berühmter Tee sein. Tee wird ungesüßt getrunken, ohne Milch. Wenn die Teeblätter in der Tasse beginnen sich abzusenken, ist die ideale Trinktemperatur erreicht. Mehrere Aufgüsse pro Kanne sind möglich und bei gutem Tee auch empfehlenswert.

Telefonieren: Es ist ratsam, für die Zeit des Aufenthaltes eine SIM-Karte für das Smartphone zu kaufen (bzw. von einem Chinesen kaufen zu lassen) und dann entsprechend günstiger zu telefonieren. Dies ist an jedem internationalen Flughafen problemlos möglich. Prinzipiell kann man natürlich auch von jedem Hotelzimmer aus anrufen oder sich anrufen lassen. WLAN ist weiter verbreitet als bei uns und wird in vielen Cafés, auf Bahnhöfen und Flughäfen angeboten.

Toilette/Notdurft:Cesuo heißt Toilette auf Chinesisch – eine wichtige Vokabel. Auf dem Land findet man eher die asiatische Variante, also ein Loch im Boden, in den Städten und natürlich in den Hotels, in denen Ausländer meist absteigen, die westliche Variante. Es empfiehlt sich, Toilettenpapier mitzunehmen, das die Chinesen zwar einst erfanden, aber nicht immer vorrätig haben.

Trinkgeld: Man gibt in China kein Trinkgeld, das ist die Grundregel, nicht dem Taxifahrer, nicht dem Portier, auch nicht dem Kellner im Restaurant; er wird das entsprechende Rückgeld vollständig zurückgeben und niemand erwartet ein Trinkgeld. Man kann Ausnahmen machen, wenn man das möchte; für den netten Pagen, der den schweren Koffer auf das Zimmer trägt, den Fahrer, der ausnahmsweise auf Sie gewartet oder eine Besorgung erledigt hat. Natürlich erhält der Touristenführer ein Trinkgeld, das gilt überall. Aber im Alltag gibt man kein Trinkgeld.

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In der U-Bahn: schlafen oder surfen?

Verkehrsmittel: China verfügt über das beste Eisenbahnnetz der Welt, es gibt zahlreiche Flughäfen, auch in entlegenen Regionen; in den Städten sind U-Bahn-Netze und Busverbindungen sehr gut ausgebaut. Transport ist daher kein Problem und auch Taxis findet man in jeder Stadt in ausreichender Menge. Verkehrsmittel sind sicher, effizient und voll. Zur Rushhour in der U-Bahn in Shanghai unterwegs zu sein, ist ein besonderes Erlebnis. Züge und Flüge kann man online buchen, auch auf Englisch. Wenn auch die Bahnhöfe eher unseren Flughäfen ähneln, was die Dimensionen betrifft, so kann man sich doch gut zurechtfinden und es wagen, sich dorthin zu begeben, auch wenn man der chinesischen Sprache nicht mächtig ist.

Vorurteile: Vorurteile über China gibt es zuhauf; das Bild von der „Gelben Gefahr“ scheint unausrottbar. Nicht alle Chinesen sind gelb – genau genommen kein einziger – und es gibt durchaus eine große Vielfalt an Meinungen, Aussagen, Aussehen, Küchengewohnheiten usw. Genau deshalb sollte man dorthin fahren: Reisen ist schädlich für Vorurteile. Und natürlich haben auch Chinesen Vorurteile über Deutschland, interessanterweise fast nur positive: die besten Ingenieure, die besten Autos, die besten Fußballspieler – Deutschland wird allgemein bewundert. Als Deutscher repräsentiert man immer auch sein Land, das sollte einem bewusst sein. Also sollte man sich entsprechend benehmen. Die Deutschen haben ein gutes Image, das sollten sie sich bewahren.

Zeitverständnis: Das chinesische Zeitverständnis entspricht weitestgehend dem deutschen. Chinesen sind pünktlich, sei es im Privat- oder im Geschäftsleben, also sollte man es als Deutscher in China ebenso sein! Unpünktlichkeit wird als Unhöflichkeit interpretiert. Bei Privateinladungen gilt es wie in Deutschland als zulässig, maximal fünf Minuten zu spät zu kommen. Zeitvorgaben, Deadlines etc. sind einzuhalten.

Die geschichtlichen Wurzeln

Chinas Geschichte bis 1949

Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert

In China ist man sich in deutlich höherem Maße seiner Geschichte bewusst als dies in Deutschland der Fall ist, Chinesen beziehen sich stets aufs Neue auf historische Ereignisse. Als Außenstehender hat man dabei jedoch immer im Kopf, dass der Unterricht an chinesischen Schulen und Hochschulen nicht immer sachlich-objektiv präsentiert wird, sondern, gerade seit der Machtübernahme Xi Jinpings, des Staats- und Parteichefs (Stand: 2017), auch politischen Zwecken dienen soll. Die Kontinuität der chinesischen Kultur steht im Vordergrund. Dynastien wechselten, Kaiser kamen und gingen – und doch wurden und werden die zwei Jahrtausende seit Gründung des Kaiserreiches (221 v. Chr.) als historische Einheit betrachtet. Eine Fremdherrschaft wie die der Mongolen im 13. Jahrhundert wurde als chinesische Dynastie (Yuan) kurzerhand in die Reihe der Herrscherabfolgen eingeordnet und erscheint somit nicht mehr als Herrschaft der Fremden, die es de facto war, sondern als Herrschaft über die Fremden. Das heutige China entspricht dabei in seinen Dimensionen keineswegs dem historischen, da durch ständige Kämpfe, Neuaufteilungen und Eroberungen das jeweilige Staatsgebiet ebenso variierte wie in Europa. Riesige Provinzen wie Xinjiang („Neues Gebiet“) im Nordwesten und auch Tibet (chin.: Xizang) sind erst seit relativ kurzer Zeit Teil des chinesischen Herrschaftsgebiets. Auf die spezielle Situation Tibets kann in diesem Rahmen nur begrenzt eingegangen werden, aber die Provinz Xizang, wie sie auf den Karten heute verzeichnet ist, entspricht in ihrer Ausdehnung nur einem Teil dessen, was ursprünglich das alte Tibet ausmachte.

Qin Shi Huang Di, der „Gelbe Kaiser“, begründete im Jahr 221. v. Chr. die Qin-Dynastie. Sie gilt als der Beginn der chinesischen Dynastiegeschichte. Eventuell stammt sogar der im Westen gebräuchliche Name für das Land, China, aus der Zeit der Qin-Dynastie. Die Herrscher vor dieser Zeit bleiben mehr oder weniger im mythischen Dunkel; was sich zu Zeiten eines „Meisters Kong“ (von den Missionaren später latinisiert und entsprechend Konfuzius genannt) im 5. vorchristlichen Jahrhundert wirklich in China zutrug, wissen wir nicht. Der „Gelbe Kaiser“, der sich mit der berühmten Terrakottaarmee nahe der damaligen Hauptstadt Chang’an, heute Xi’an, begraben ließ, ist bis heute der Inbegriff des chinesischen Herrschers. Er vereinheitlichte die Schriftzeichen für das ganze Reich, standardisierte die Wagenspuren, ließ unliebsame Bücher verbrennen, kurz: Er einte das Reich nach seinen Vorstellungen und gab einen Vorgeschmack auf das, was die nächsten zwei Jahrtausende geschehen sollte.

Extrainfo 1(s. S. 5): Das 2000 Jahre alte Manual „Sunzi“ zur Kriegskunst kann auch heute auf allgemeine Konfliktsituationen angewandt werden; vielleicht auch interessant für Manager …

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Buddhistische Grotten sind ein touristischer Anziehungspunkt. Nicht viele haben die Kulturrevolution unbeschadet überstanden.

Von 221 v. Chr. bis 1911, also im Verlauf der nächsten über 2000 Jahre, folgten sich gegenseitig ablösende Dynastien aufeinander, Diadochenkämpfe, Intrigen, das Übliche eben. Namen einzelner Dynastien wie Tang (7.–10. Jahrhundert) oder Ming (14.–17. Jahrhundert) sind auch uns geläufig; man spricht aber insgesamt von 24 Dynastien. In der chinesischen Historiografie erscheint diese Zeit als eine mehr oder weniger gleichmäßige Abfolge, in Wirklichkeit jedoch kann man eigentlich nicht von einem Land sprechen, das von wechselnden Herrschern regiert wurde, sondern von vielen Reichen wechselnder Größe und Relevanz, die keineswegs homogen waren. Nicht nur die Herrschaft der Mongolen über China im 13. Jahrhundert war eindeutig eine Fremdherrschaft; ab dem 17. Jahrhundert standen Teile Nordchinas unter dem Einfluss und der Herrschaft der Mandschus. Dieser Volksstamm aus der Mandschurei im Nordosten Chinas hatte 1644 Nordchina erobert.

Auch diese Zeit wurde als Qing-Dynastie in die Abfolge chinesischer Dynastien eingegliedert, obwohl der Kaiser selbst zeitweise kein Chinese war. Die Mandschus wurden, wie die Mongolen vor ihnen, sinisiert, d. h. sie gingen im Laufe der Zeit in der Masse der Han-Chinesen (die mit etwa 95% dominante Ethnie Chinas) unter und verschwanden einfach.

Aus Platzgründen kann die chinesische Dynastienabfolge hier nicht ausführlich besprochen werden, aber es bleibt festzuhalten, dass sie keineswegs so durchgehend „chinesisch“ war, wie es uns die Geschichtsschreibung glauben machen möchte.

Chinas Beziehungen zum Ausland beschränkten sich zunächst primär auf wenige Handelskontakte mit japanischen Kaufleuten und gelegentlichem, historisch eher diffusem Austausch mit Indien und den westlich von China gelegenen Herrschaftsgebieten. Über Handelswege, die später als Seidenstraßen bezeichnet wurden, kamen im Westen begehrte Produkte wie eben Seide, aber auch Gewürze und später Tee bis nach Europa (wenn die Türken heute einen çay trinken, so leitet sich dies Wort von dem chinesischen cha für Tee her). Kriegerische Handlungen blieben nicht aus, sogar eine Schlacht zwischen chinesischen Soldaten und römischen Legionären im 2. nachchristlichen Jahrhundert gilt als historisch belegt. Diese fand jedoch vermutlich im heutigen Xinjiang im Nordwesten des Reiches statt, also auf (zu jener Zeit) nicht wirklich chinesischem Staatsgebiet.

Kontakt zu Europäern, von Marco Polo abgesehen, entstand erst im 16. Jahrhundert. Ob der Venezianer Marco Polo tatsächlich je China erreichte, wird bis heute in der sinologischen Wissenschaft diskutiert; dass er in seinem weltberühmten Buch „Die Wunder der Welt“ weder den Tee noch die Schriftzeichen erwähnt, erscheint zumindest seltsam. Auch finden wir in den chinesischen Quellen jener Zeit keinerlei Hinweis auf einen Ausländer, der beispielsweise Gouverneur von Hangzhou gewesen wäre, wie Marco Polo es von sich behauptete.

1494 teilten die europäischen Seemächte Portugal und Spanien die Welt unter sich auf; im Vertrag von Tordesillas bestimmte der (leicht zu motivierende) Papst den Verlauf einer Linie, die von Pol zu Pol die Erde in eine westliche (spanisch dominierte) und eine östliche (portugiesisch dominierte) Hälfte teilen sollte. Diese zunächst etwa bei den Kapverdischen Inseln verlaufende Linie wurde von den Portugiesen weiter nach Westen verhandelt, sodass sie nun durch das heutige Brasilien verlief und somit für die folgenden Jahrhunderte auch die südamerikanische Sprachgrenze zwischen spanisch und portugiesisch bildete (und bildet). Die Portugiesen, angetrieben von König Manuel, suchten einen östlichen Seeweg nach Indien, um den Gewürzhandel und damit einhergehenden Reichtum Venedigs einzuschränken. Sie umrundeten die Südspitze Afrikas und Vasco da Gama ließ sich von arabischen Lotsen die Route und die Winde erklären, um das Arabische Meer nach Indien hin überqueren zu können. Seine Landsleute fuhren weiter bis Südchina, wo sie schließlich 1516 nahe Guangzhou (Kanton) ankerten. Die in westlicher Arroganz gefangenen Portugiesen mussten allerdings rasch erkennen, dass ihnen die Chinesen in mancher Hinsicht überlegen waren, technisch sowieso: Die chinesische Schiffbautechnik war der europäischen weit voraus. Aber auch sonst hatten die Ausländer aus chinesischer Sicht wenig zu bieten, der christliche Glaube war sicher kein attraktives Angebot. Man erlaubte den Portugiesen, sich vor der Küste auf der Halbinsel Aomen niederzulassen, später Macao genannt.

Die umgekehrt ebenso in Arroganz befangenen Chinesen blickten ihrerseits auf die Ausländer hinab und hatten dazu allen Grund: Die Fahrten des Zheng He, eines südchinesischen Eunuchen, der es bis zum Admiral gebracht hatte, führten schon in den 30er-Jahren des 15. Jahrhunderts, also vor der Geburt des Kolumbus, bis Afrika, nach Indien, vielleicht sogar bis nach Südamerika. Und dies mit einer Flotte, die die Karavellen des Kolumbus geradezu wie Spielzeuge aussehen ließ, bestehend aus bis zu 120 Meter langen Schiffen (die „Santa Maria“ des Kolumbus war etwa 20 Meter lang!) mit je bis zu neun Masten, mehreren Decks, zwölf Segeln und bis zu 2000 Mann Besatzung. An einer solchen Reise nahmen über 300 dieser Schiffe teil! In der Blütezeit dieser Flotte umfasste sie über 3000 Schiffe.

China war den Ausländern technisch in jeglicher Hinsicht überlegen, hatte es doch auch den Kompass erfunden, mit dessen Hilfe seine Seeleute sicher bis an die ostafrikanische Küste und zurück fanden, während der vorgeblich größte Entdecker aller Zeiten, Kolumbus eben, mehr oder weniger zufällig auf den Bahamas strandete und zeitlebens den Irrtum leugnete, in dem er sich befand, indem er glaubte, den Seeweg nach Indien entdeckt zu haben.

Die Arroganz der Chinesen, mit der sie glaubten, Zhong guo zu sein, das „Reich der Mitte“, umgeben von Mongolen im Norden, Wüstenvölkern im Westen, dem Himalaya im Südwesten, dem Dschungel im Süden und schließlich dem Meer im Osten, führte zu einer verheerenden Entscheidung: Da alle Auslandsreisen nur bewiesen hatten, dass es kein überlegenes Volk auf der Welt gab, wurden diese teuren Reisen bald für obsolet befunden; man verbot Auslandsreisen, man zerstörte die Werften und die Schiffe und China kapselte sich schon Ende des 15. Jahrhunderts von der Außenwelt ab. Die Logbücher des Zheng He wurden vernichtet, sodass niemand diese Reisen würde wiederholen können.

Oder war die durch den Handel mit fremden Völkern erstarkte Kaufmannsschicht der Grund für das Verbot, weitere Reisen zu unternehmen? Hatte die Regierung Angst vor einer zunehmend mächtigen, möglicherweise die Stabilität des Reiches gefährdenden Klasse wohlhabender Geschäftsleute? Wir wissen es nicht, aber die These ist im Hinblick darauf, dass Xi Jinping heute wieder versucht, die Macht des Staates vor zu viel Einflussnahme reicher Einzelunternehmer zu schützen, hochinteressant.

Zeittafel der chinesischen Dynastien

Dynastie

Zeitraum

Hauptstadt, Provinz

Xia

ca. 2100–1600 v. Chr.

Yuncheng, Shanxi

Shang

ca. 1600–1100 v. Chr.

Shangqiu, Henan

 

 

Xiaotun, Henan

 

 

Anyang, Henan

Zhou

ca. 1100–221 v. Chr.

 

Westlich

ca. 1100–770 v. Chr.

Xi’an, Shaanxi

Östlich

770–249 v. Chr.

Luoyang, Henan

Zeit der kämpfenden Staaten (475–221 v. Chr.)

Qin

221–206 v. Chr.

Xi’an, Shaanxi

Han

 

 

Westl. Han

206–8 n. Chr.

Xi’an

Wang Mang

8–23 n. Chr.

Xi’an

Östlich Han

25–220 n. Chr.

Xi’an

Drei Reiche

220–280

 

Wei

220–265

Luoyang, Henan

Shu Han

220–263

Chengdu, Sichuan

Wu

220–280

Nanjing, Jiangsu

Jin

265–420

 

Westlich

265–316

Luoyang, Henan

Östlich

317–420

Nanjing, Jiangsu

Südliche und Nördliche Dynastien (420–589)

Südliche Dynastien

Song

420–479

Nanjing

Qi

479–502

Nanjing

Liang

502–557

Nanjing

Chen

557–589

Nanjing

Nördliche Dynastien

Wei nördlich

386–534

Datong, Shanxi

Wei östlich

534–550

Linzhang, Hebei

Wei westlich

535–557

Xi’an, Shaanxi

Qi nördlich

550–577

Linzhang, Hebei

Zhou nördlich

557–581

Xi’an, Shaanxi

Sui

589–618

Xi’an, Shaanxi

Tang

618–907

Xi’an, Shaanxi

Fünf Dynastien

907–960

 

Hou Liang

907–923

Kaifeng, Henan

Hou Tang

923–936

Luoyang, Henan

Hou Jin

936–946

Kaifeng

Hou Han

947–950

Kaifeng

Hou Zhou

951–960

Kaifeng

Song

960–1279

Kaifeng

nördlich

960–1126

Kaifeng

südlich

1127–1279

Hangzhou, Zhejiang

Liao

907–1125

Shenyang, Liaoning

Jin

1115–1234

Beijing

Yuan

1279–1368

Beijing

Ming

1368–1644

Nanjing, Jiangsu

 

 

(bis 1405); Beijing

Qing

1644–1911

Beijing

VR China

1.10.1949

Beijing

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Ein Tempel – aber welchen Glaubens? Oder nur profanes Gebäude? Kaum ein Chinese kann dies noch unterscheiden.

Wie auch immer: Mitte des 16. Jahrhunderts war die gesamte Flotte vernichtet. China zog sich aus dem Welthandel zurück. Die Strafe hierfür ließ nicht lange auf sich warten.

Die nächsten Jahrhunderte sahen eine zunehmende ausländische Präsenz in China; nach den portugiesischen Missionaren kamen die Briten, die in Indien herrschten; es folgten die Franzosen, die Japaner, die Russen, schließlich sogar die Deutschen. Im 19. Jahrhundert erfuhr China seine größte Demütigung durch die militärische Überlegenheit der Ausländer und die zwangsweise Öffnung von Häfen für den Handel. Das im Niedergang befindliche Kaiserreich, das jahrhundertelang weltweit führend auf dem Gebiet technischer Innovationen gewesen war, stand nun ausländischer Waffentechnologie hilflos gegenüber. Die Briten nutzten dies schließlich, um Mitte des 19. Jahrhunderts einen ganz besonders lukrativen Handel zu erzwingen. Unter der Ägide Königin Victorias, die Kaiserin von Indien war, zwang man China den Import von Drogen auf.

Die Opiumkriege (1839–1842 und 1856–1860)

In den Opiumkriegen versuchten Vertreter der chinesischen Regierung, den englischen Opiumhandel in Kanton zu unterbinden. Einerseits war die Sucht zu einem schichtenübergreifenden Problem innerhalb der chinesischen Gesellschaft geworden, andererseits flossen durch den von den Briten erzwungenen Handel so große Mengen Silbergeldes aus China ab, dass sich die Außenhandelsbilanz zunehmend verschlechterte. Allein die Opiumeinfuhr durch die Briten steigerte sich zwischen 1825 und 1835 von 730 auf 1800 Tonnen jährlich, nicht mit eingerechnet das Opium, das China aus anderen Quellen erreichte.

Der beauftragte Sonderkommissar Lin Zexu hätte vermutlich die Engländer erfolgreich aus Kanton vertreiben können, wenn das Kaiserhaus nicht von Interessengruppen infiltriert gewesen wäre, die am Opiumhandel mitverdienten. Weitgehend auf sich selbst gestellt, scheiterte Lin. Daraufhin musste China mit dem ersten der „ungleichen Verträge“ (gemeint sind unfaire Verträge) Hongkong an Großbritannien abtreten und außer Kanton vier große Küstenstädte, nämlich Xiamen, Fuzhou, Shanghai und Ningbo dem Außenhandel öffnen.

Bei aller gerechtfertigten Empörung über die Vorgehensweise der Briten wird oft übersehen, dass Chinas Inlandproduktion von Opium (mindere Qualität) ebenfalls beträchtlich war. Im Jahr 1906 betrug sie 35.000 Tonnen und noch für 1945 verzeichnet die Statistik etwa 40 Millionen Opiumraucher.

Das Ende der Monarchie

Der Boxeraufstand begann als eine Bewegung des chinesischen Geheimbundes yihe quan („die in Gerechtigkeit vereinten Fäuste“) und richtete sich zunächst gegen zum Christentum konvertierte Chinesen. Sehr schnell wurde daraus ein Volksprotest gegen die Anwesenheit der imperialistischen Fremden im Land, der darauf zielte, diese zu vertreiben. Seinen Höhepunkt erreichte der unerklärte Krieg gegen die alliierten Truppen der Westmächte in der Zeit von Mai bis August 1900. Unbewaffnet oder allenfalls mit Stöcken ausgerüstet, hatten die Boxer, die sich unverwundbar glaubten, gegen die Gewehre der Fremden keine Chance. Sie starben zu Tausenden im offenen Kanonenfeuer der „fremden Teufel“. Die Niederschlagung der Revolte war mit der Einnahme Beijings (Pekings) durch westliche Truppen am 14. August 1900 besiegelt. Wie viele Boxer starben, blieb unbekannt, auf der Gegenseite gab es ca. 23.000 Tote, hauptsächlich Chinesen, die zum Christentum konvertiert waren.

Geschwächt durch interne Intrigen und externen Druck, durch militärische Unfähigkeit und das Verharren in überkommenen, den modernen Anforderungen nicht gewachsenen Ritualen, verloren der Kaiser bzw. gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Kaiserinwitwe Zi Xi zunehmend an Macht und Einfluss; Umsturzgedanken kamen auf. Schließlich musste das Kaiserhaus 1911 abdanken; die Gründung einer modernen Republik nach westlichem Vorbild kam einem Weltuntergang gleich. Die Erschütterungen, die folgen sollten, führten China in eines der blutigsten Jahrhunderte seiner Geschichte.

Die Republik von 1911

„Ich habe noch das Alte China gesehen, das für Jahrtausende zu dauern schien. Ich habe seinen Zusammenbruch miterlebt und habe erlebt, wie aus den Trümmern neues Leben blühte. Im Alten wie im Neuen war doch etwas Verwandtes: eben die Seele Chinas, die sich entwickelte, aber die ihre Milde und Ruhe nicht verloren hat und hoffentlich nie verlieren wird.“

Richard Wilhelm, Die Seele Chinas, 1925

„Wenn China nicht untergeht, ist Gott blind.“

Hu Shi, um 1919

Extrainfo 2(s. S. 5): Spannende Darstellung des verzweifelten Boxeraufstands

Seit den Opiumkriegen gärte es im Land. Die Regierung, die unfähig war, mit den „fremden Teufeln“ fertig zu werden, hatte die Unterstützung weiter Kreise des Volkes längst verloren. Putschversuche und Aufstände waren in den letzten Jahren der Dynastie häufiger geworden.

1911 gelang es einer Gruppe von Putschisten, mithilfe des Militärs das Kaiserhaus zur Abdankung zu zwingen. Der junge Arzt Sun Yatsen, der an die Spitze der revolutionären Bewegung gespült worden war, rief im Januar 1911 offiziell die chinesische Republik aus. Wenig später trat er zurück und überließ in realistischer Einschätzung der Machtverhältnisse die Regierung einem General.

Dr. Sun gilt vielen Chinesen auf beiden Seiten der Straße von Taiwan noch heute als der „Vater des Neuen China“. Größere Bedeutung erlangte die von ihm mitbegründete Guomindang (GMD) oder Nationale Volkspartei, die sich vor allem in den späteren Jahren der Republik als stärkste politische Kraft erweisen sollte. Sun hat ihren Aufstieg nicht mehr erlebt. Er starb 1925 als Chef einer kleinen lokalen Regierung in Kanton, wohin er und seine Anhänger geflüchtet waren. Die „drei Grundprinzipien“, deren Verwirklichung Sun sein politisches Leben gewidmet hatte, nämlich Nationalismus, Demokratisierung und soziale Gerechtigkeit, waren jedoch so unscharf und großzügig gefasst, dass auch die mit der GMD konkurrierende KPCh, die Kommunistische Partei Chinas, ihre Ziele darin wiedererkennen konnte. Beiden Parteien gilt Sun als Visionär eines neuen Zeitalters.

Die Warlords (1916–1927)

Fünf Jahre nach ihrer Gründung war die junge Republik bereits vom Verfall bedroht. Die Armee war gespalten; die Truppen bekämpften sich unter der Führung ehrgeiziger Generäle und Abenteurer gegenseitig – auf Kosten der Bevölkerung: „Jeder dieser Kriegsherren verfügte über eine eigene Armee, oft dazu über einen ausländischen Schutzherrn, und regierte stets seine eigene Provinz, die seine Soldaten durch im Voraus zu bezahlende Steuern niederdrückten.“

Man erfand Steuern auf Straßennummern, auf Neujahrsschweine, Zähne, Weinkrüge, Straßen, Bankette, Dorfreinigungen, eine Steuer auf die Länge der Tür und die Breite der Fenster, eine Haar- und Blutsteuer, eine Steuer auf Gewichte und Waagen, ja sogar eine Steuer auf die Faulheit. Letztere war für die bestimmt, die keinen Mohn anbauten, denn Opium gehörte zu den begehrtesten Gütern der Warlords, der Kriegsherren. Die Mohnbauern selbst, die oft unter der Aufsicht von Soldaten arbeiten mussten, wurden mit wenig mehr als Almosen entlohnt.

Auch sonst verbreiteten Warlords Angst und Schrecken. Allein in Sichuan wurden angeblich 1400 Kriege geführt. Die Zustände in Chengdu schilderte Han Suyin: „In Tschengtu waren selbst die Straßen durch gegnerische Parteien zerrissen; (…) von einer Straßenseite auf die andere überzuwechseln, war mit der Entrichtung von ‚Zollgebühren‘ verbunden, bedeutete es doch, neues Territorium zu betreten. (…) zu bestimmten Zeiten fanden auf den Hauptstraßen regelmäßig Schlachten statt. Da einer von den Warlords einmal etwas von Panzern gehört hatte, beschlagnahmte er alle Karren, auf denen sonst die menschlichen Fäkalien auf die Felder gefahren wurden, umkleidete sie mit Blechkarosserien und schickte in diesen Fahrzeugen seine Soldaten zum Angriff auf den ‚Feind‘. Die bedauernswerten Düngerkulis mussten die Soldaten in die Schlacht karren wie früher den Dünger auf das Feld und waren von allen Beteiligten am schlimmsten betroffen. (…) Bereits 1917 war Szetschuan eine bankrotte Provinz.“

Die Vierte-Mai-Bewegung von 1919

Das Jahrzehnt der Warlords markierte nicht nur den Beginn einer nahezu ununterbrochenen Folge von Heimsuchungen, unter denen vor allem die Bauern zu leiden hatten. Es war zugleich eine Epoche folgenschwerer geistiger Umwälzungen. Sie begann mit dem Entschluss der Alliierten, nach dem Ersten Weltkrieg im Vertrag von Versailles die deutschen Hoheitsgebiete in China an Japan zu übertragen, statt sie den Chinesen zurückzugeben. Tief in ihrem Nationalstolz getroffen, organisierten Studenten am 4. Mai 1919 eine Protestdemonstration, der sich weite Teile der Bevölkerung spontan anschlossen. Um China vor dem Untergang zu retten, glaubte man, radikal mit allen überlieferten Vorstellungen brechen zu müssen. Es war die Geburtsstunde der Generalabrechnung mit dem Konfuzianismus, dem man die Schuld an aller Schmach gab, die das Land zu erdulden hatte. Sein unflexibles Herrschaftssystem, in dem soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit der Menschen geradezu zum Programm gehörten, seine schwerfälligen elitären Rituale und seine Rückwärtsgewandtheit wurden für Chinas Elend verantwortlich gemacht.

Anarchisten, Utopisten und Marxisten drängten auf radikale Lösungen: „Unsere Zeit ist eine Zeit der Befreiung, und unsere Kultur ist eine Kultur der Befreiung. Das Volk fordert vom Staat Befreiung, die Provinz von der Zentrale, die Kolonien von den Kolonialmächten, die Schwachen von den Starken, die Bauern von den Großgrundbesitzern, die Arbeiter von den Kapitalisten, die Frauen von den Männern und die Kinder von den Altvorderen. Jede gesellschaftliche oder politische Bewegung ist heutzutage eine Befreiungsbewegung!“

„Wir sollten nicht ständig in den Städten umherstreifen und uns zu außerhalb der arbeitenden Gemeinschaft stehenden Kulturstreunern machen, sondern uns persönlich in die Dörfer begeben und auf den grünen Feldern in Nebel und Regen arbeiten, Hacke und Pflug ergreifen und den hart arbeitenden Bauern beistehen. (…) Jene nicht arbeitende, doch essende Intellektuellen-Klasse sollte genauso wie die Kapitalisten hinausgeworfen werden. Die heutige Lage in China ist so, dass Dörfer und Städte zu Gegensätzen, ja zu zwei fast ganz verschiedenen Welten geworden sind. Die Probleme in den Städten, ihre sich ändernde Kultur, berühren die Dörfler nicht im geringsten. Und was das Dorfleben angeht, so hat wahrscheinlich auch kein Städter dafür Interesse oder weiß überhaupt etwas davon. (…) Wir sollten in unserer freien Zeit in die Städte kommen, um uns weiterzubilden und in der Arbeitszeit auf dem Felde den Bauern bei der Arbeit zu helfen. So erst wird sich die Luft der Kultur mit der Luft der schattigen Bäume und dörflichen Kamine vermischen und aus den stummen alten Dörfern werden neue lebendige Dörfer werden. Die große Gemeinschaft dieser neuen Dörfer wird unser Junges China sein.“, so Li Dazhao, einer der Hauptvertreter der 4.-Mai-Bewegung.

Doch das jahrtausendealte Reich „der Lumperei“ (Lin Yutang) änderte sich nicht von heute auf morgen. Auf die Tagespolitik vermochten die aufgebrachten Revolutionäre kaum Einfluss zu nehmen. Ihre Forderungen wirkten zunächst fast nur auf ideellem Gebiet: „Leider ist es fast unmöglich, China zu verändern. Schon um einen Stuhl zu verrücken oder einen Ofen zu reparieren, ist Blutvergießen nötig. Aber dass Blut vergossen wird, heißt noch nicht, dass der Stuhl auch verrückt, der Ofen auch repariert ist. Wenn es nicht mit einer großen Peitsche den Rücken ausgepeitscht bekommt, wird China keinen Zentimeter nachgeben. Ich hoffe, dass die Peitsche eines Tages kommen wird – ob im Guten oder im Bösen ist eine andere Frage –, aber die Peitsche wird ihren Zweck erfüllen. Aber woher und wie sie kommen wird, kann ich nicht sagen.“

Noch rund dreißig Jahre sollte es dauern, bis diese Vision Wirklichkeit wurde und die KPCh mit der Ausmerzung der alten Ideale Ernst machte. Die Vierte-Mai-Bewegung gilt als Wegbereiter der chinesischen kommunistischen Revolution. Ohne sie wäre die Gründung der KPCh im Jahre 1921 vielleicht folgenlos geblieben. Die KPCh, die zu Beginn genau 57 Mitglieder zählte (unter ihnen Mao Zedong, Deng Xiaoping und Zhou Enlai), brauchte danach noch fünf Jahre, um sich als zündende politische Kraft zu erweisen. Heute zählt sie fast 90 Mio. Mitglieder, beruft sich noch immer auf Marx und Mao, verfolgt jedoch de facto eine politische Linie, die wenig mit diesen Vorbildern zu tun hat. Aber das Charisma der ersten Jahre gilt es zu bewahren!

Chinas Wiedervereinigung (1926–1928) und die Dekade Chiangs (1928–1937)

Nach dem Tod Sun Yatsens im Jahre 1926 gelang es seinem Schwager, General Chiang Kaishek, die Führung der GMD an sich zu ziehen. Nur wenig später startete er einen groß angelegten Feldzug nach Norden mit dem Ziel, die Herrschaft der Warlords zu beenden und ganz China unter seine Kontrolle zu bringen. Dass er dies innerhalb von weniger als zwei Jahren vollbrachte, hatte verschiedene Ursachen. Unterstützung bekam er von finanzkräftigen einheimischen Kreisen, aber auch von ausländischen Mächten, insbesondere den USA – und nicht zuletzt von der chinesischen Mafia, die dafür im Gegenzug ungestört ihren Heroin- und Opiumhandel ausbauen durfte.

Auch die linken Kräfte des Landes halfen dem General zunächst, weil sie seine antikommunistische Haltung völlig unterschätzten. Auf Weisung Moskaus organisierten sie in Shanghai im April 1927 einen Arbeiteraufstand, um den anrückenden Truppen Chiangs bei der Eroberung der von den Briten kontrollierten Stadt zu helfen. Der 12. April 1927, der Tag des Sturms auf Shanghai, ist als der Tag des großen Verrats in die chinesische Geschichte eingegangen. Statt der Ausländer massakrierte Chiangs Armee die aufständische Arbeiterschaft. Eine erbarmungslose Hatz auf die Kommunisten begann. „Der weiße Terror“, also die Vertreibung der Kommunisten durch Chiang, zwang die Linken dazu, ihre Operationsbasis in die Dörfer zu verlegen.

Die Einschätzung der Leistungen von Chiangs Regierung zwischen 1928 und 1937 variiert je nach Geschichtsbuch. Unbestritten sind enorme Fortschritte beim Ausbau der Infrastruktur. Ebenso unübersehbar müssen die sozialen Gegensätze gewesen sein, und zwar sowohl innerhalb der großen Metropolen wie Nanjing, Shanghai und Beijing als auch auf dem Land. Kinderarbeit und Prostitution waren gang und gäbe. Der „Rasende Reporter“ Egon Erwin Kisch notierte 1932: „Vierzig Prozent der Textilarbeiter von Shanghai und Wuhan sind kleine Mädchen, vierzig Prozent Frauen und nur zwanzig Prozent Männer. (…) Offener Kinderkauf zu Prostitutionszwecken ist überall im Schwange. Auf den Strichstraßen der großen Städte tauchen mit dem abendlichen Lampenlicht seltsame Gruppen auf: eine Matrone mit blauen Hosen und neben ihr, der Größe nach aufgestellt, in hellblauen Atlaskitteln ihre Sklavinnen, große und kleine. Dieweil die Besitzerin jeden Passanten anspricht und lobpreisend auf ihre Ware hinweist, steht diese teilnahmslos da.“

„Fünfjährige müssen Papierdrachen kleben oder die kegelförmigen Staniolpäckchen, das Totengeld. Sechsjährige, Achtjährige schnitzen und bemalen Mahjongsteine, drehen die Handmühlen mit Sojabohnen, kehren Werkstätten aus und tragen Waren aus … Bettler hocken dicht aneinander. Auf der vor ihnen liegenden, karierten Leinwand sind ihre Schicksale geschildert; manche, pauperisierte Intellektuelle schreiben ihre Selbstbiographie mit Kreide auf den Bürgersteig, und der Passant legt sein Almosen auf jenes Quadrat, dessen Inhalt ihn besonders ergreift. Von der Tatsache, dass die Gilde der Bettler keine Frauen aufnimmt, merkt man auf der Straße nichts, die Zahl der Bettlerinnen könnte nicht größer sein.“

Elend auf der einen und lebenssprühender Charme auf der anderen Seite verlieh den damaligen Weltstädten Beijing und Shanghai ihre typische Atmosphäre. Arm und Reich flanierte gleichermaßen durch die Straßen, die von Essensbuden und Straßenhändlern in bunte und chaotische Märkte verwandelt wurden: „Überall konnte man sich amüsieren, überall war etwas los, gab es etwas für Augen und Ohren. Die frühsommerliche Hitze verlieh der Stadt einen eigenen Zauber, brachte überall in die alten Mauern einen magischen Zauber. Es kümmerte sie weder Tod, noch Unglück oder Leid. Wenn ihre Zeit gekommen war, entfaltete sie ihre ureigene Kraft, versetzte die Herzen von Millionen Menschen in Trance und sang traumgleich ihre Hymne. Sie war schmutzig, sie war schön, war hinfällig, lebendig, chaotisch, gelassen, liebenswert, sie war das große frühsommerliche Beijing.“ (Lao She, Schriftsteller). Extrem auffällig war das soziale Gefälle auf dem Land, wo sich eine relativ kleine Anzahl von unermesslich reichen Großgrundbesitzern und die Masse landloser Bauernbevölkerung