Reise nach Timbuktu - René Caillié - E-Book

Reise nach Timbuktu E-Book

René Caillié

4,4

Beschreibung

Obwohl René Caillié Denkwürdiges vollbracht hat, deckt sich sein Bild nicht unmittelbar mit den träumerisch-verklärten Vorstellungen, die wir uns gewöhnlich von bedeutenden Forschungsreisenden machen. Entgegen der Mehrzahl der wegweisenden Entdecker stammte Caillié aus der französischen Unterschicht und verfügte über keinerlei geographische oder militärische Ausbildung. Dennoch gelingt dem jungen Franzosen durch Zähigkeit und Willensstärke die Umsetzung jenes Vorhabens, an dem die großen geographischen Gesellschaften aus Paris und London kläglich scheiterten: Als Araber verkleidet, erreicht er beinahe mittellos und vollkommen auf sich allein gestellt am 20. April 1828 die sagenumwobene Oasenstadt Timbuktu.

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René Caillié (1799-1838) stammte aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war Bäcker und endete im Gefängnis. Auch seine Mutter verlorer bereits in jungen Jahren. Schon früh durch die Lektüre von Robinson Crusoe fasziniert, beschloss er im Alter von sechzehn Jahren sein Glück in Afrika zu suchen.

Dr. Heinrich Pleticha (1924-2010) lebte und arbeitete in Würzburg als Lehrer und Honorarprofessor. Als Autor und Herausgeber war er für die Veröffentlichung zahlreicher Sachund Jugendbücher in seinem Spezialgebiet, der Reise- und Abenteuerliteratur, verantwortlich. In der Edition Erdmann ist er u.a. Herausgeber von Mungo Parks Reisen ins innerste Afrika.

Susanne Zanker ist Germanistin und Romanistin. Ihre verdienstvolle Erstübersetzung von René Cailliés Reisebericht zeichnet sich besonders durch die große Sensibilität bei der übertragung des schwierigen Originaltextes aus.

Zum Buch

Fasziniert von Afrika und den geographischen Unternehmungen seiner Zeit, beherrscht den jungen René Caillié nur eines: der Zugang zu der ‚Königin der Wüste’, der legendären Stadt Timbuktu. Zwar verkörpert der Franzose den wohl unwahrscheinlichsten Entdeckertypus, doch kompensiert er seine mangelnde Ausbildung durch Hartnäckigkeit, außerordentlichen Mut und Kreativität. So erreicht er am 20. April 1828 schließlich das Ziel seiner Träume und kann sich dort einige Zeit unbehelligt aufhalten. Obgleich er nach seiner Rückkehr nach Frankreich als Held empfangen wird, klingt Vieles, was er aus dem einst kulturellen und ökonomischen Zentrum Westafrikas zu berichten hat, seinen Zeitgenossen so unglaublich, dass schon bald die düpierten und missgünstigen Zweifl er die Oberhand gewinnen. Es sollte Jahre dauern, bis Heinrich Barth Cailliés Bericht bestätigte und ihm seinen rechtmäßigen Platz in den Geschichtsbüchern einräumte.

Obwohl René Caillié Denkwürdiges vollbracht hat, deckt sich sein Bild nicht unmittelbar mit den träumerisch-verklärten Vorstellungen, die wir uns gewöhnlich vonbedeutenden Forschungsreisenden machen. Entgegen der Mehrzahl der wegweisenden Entdecker stammte Caillié aus der französischen Unterschicht und verfügte über keinerlei geographische oder militärische Ausbildung. Dennoch gelingt dem jungen Franzosen durch Zähigkeit und Willensstärke die Umsetzung jenes Vorhabens, an dem die großen geographischen Gesellschaften aus Paris und London kläglich scheiterten: Als Araber verkleidet, erreicht er beinahe mittellos und vollkommen auf sich allein gestellt am 20. April 1828 die sagenumwobene Oasenstadt Timbuktu.

DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

René Caillié

Reise nach

Timbuktu

1824 – 1828

Herausgegeben von Heinrich Pleticha

Aus dem Französischen übersetzt

von Susanne Zanker

Mit zeitgenössischen Abbildungen

und acht Fotographien

von Gerd Schäfer

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

Es ist nicht gestattet, Abbildungen und Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013

Der Text basiert auf der Ausgabe Edition Erdmann, Wiesbaden 2012

Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop

Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH

nach der Gestaltung von Nele Schütz Design, München

Bildnachweis: Timbuktu (zeitgenössische Darstellung)

eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0286-4

www.marixverlag.de

INHALT

Zur »Königin der Wüste«

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1Im Vorfeld der großen Reise

Kapitel 2Von Kakondy bis Kankan

Kapitel 3Der Weg bis Timé

Kapitel 4Von Timé nach Djenné

Kapitel 5Auf dem Weg nach Timbuktu

Kapitel 6Timbuktu

Kapitel 7Durch die große Wüste zum Mittelmeer

Kapitel 8Das Ende der Reise

Editorische Notiz der Übersetzerin

Worterklärungen

Weiterführende Literatur

ZUR »KÖNIGIN DER WÜSTE«

»Das Königreich Tombut hat seinen Namen nach einer Stadt bekommen, die König Mense Suleiman im Jahre 1221 ungefähr drei Meilen von einem Arm des Nigers und 180 Meilen von Dara oder Segelmesse gestiftet haben soll. In der Stadt Tombut hat man viele Brunnen mit frischem Wasser. Das Land gibt überflüssig Korn, Vieh, Milch und Butter; aber Salz ist selten und teuer … man bringt es von Regaza über Land hin, welches über 100 Meilen von Tombut liegt.

Diese Völker, sonderlich in der Stadt Tombut, sind gemeiniglich fröhlich von Geiste und bringen einen großen Teil der Nacht zu mit Singen und Tanzen durch alle Gassen der Stadt. Sie haben eine große Anzahl Leibeigene. Und gelehrte Leute, deren eine fast unglaubliche Menge sich dort befindet, werden auf Kosten des Königs unterhalten und sehr hoch geachtet. In der Stadt Tombut hat man auch viele geschriebene arabische Bücher, die man aus der Barbarei dahin gebracht, und viel teurer zu verkaufen pflegt als einige andere Kaufwaren. Sonst sind in mehr gemeldeter Stadt allerhand Kaufleute und Handwerker, sonderlich Baumwollenweber … Die Stadt Tombut hat großen Zulauf von fezzischen, marockischen und alkairischen Kaufleuten wegen des Goldhandels. Denn es wird so überflüssig Goldes von den Mandingern dahin gebracht und für andere Waren vertauscht, dass sie es oftmals, wenn keine Waren, die sie dagegen annehmen könnten, mehr vorhanden sind, wieder zurücknehmen müssen …«

So schrieb 1668 der holländische Arzt und Geograph Olfert Dapper (gest. 1690) in seiner »Umständlichen und Eigentlichen Beschreibung von Africa«. Es ist nicht die älteste Nachricht über die Stadt Timbuktu im Zentralsudan. Schon 1354 hatte der arabische Gelehrte Ibn Battuta (Batutah) kurz über seinen Besuch und die Reichtümer Timbuktus berichtet, doch wurden seine Nachrichten in Europa erst im 19. Jahrhundert näher bekannt. In Deutschland hatte sie der Kosmograph Sebastian Münster (1488–1552) in seiner »Cosmographia« 1544 kurz erwähnt, und in Rom hatte der Afrikaner Leo im Auftrag des Papstes in seiner »Beschreibung Afrikas« um 1550 verhältnismäßig ausführlich von diesem Timbuktu erzählt, das er persönlich kannte. Etwa seit dieser Zeit ist die Stadt auch auf den Karten des Erdteils vermerkt, zwar etwas ungenau in der Lage, aber immerhin als einer der wenigen geographischen Fixpunkte südlich der Sahara.

Dapper gibt als Gründungsjahr 1250 an, doch ist Timbuktu nach modernen Erkenntnissen als Niederlassung der Tuareg schon kurz vor 1100 entstanden und entwickelte sich dank seiner günstigen Lage als südlicher Ausgangspunkt einer wichtigen Karawanenstraße durch die Sahara nach Norden zu einer bedeutenden Handelsmetropole. Im 14. Jahrhundert begannen die Bewohner mit dem Salzhandel, der viel Geld in die Stadt brachte, und das wiederum lockte Gelehrte aus der ganzen arabischen Welt an, sodass Timbuktu auch zu einem Zentrum islamischer Gelehrsamkeit wurde. Der erwähnte Leo Africanus schreibt dazu: »In Timbuktu sind viele Richter, Doktoren und Priester. Der König besoldet sie alle gut und ehrt die Gelehrten sehr.«

Der Reichtum weckte auch die Begehrlichkeit der umwohnenden Wüstenstämme. Ihre regelmäßigen kleineren Raubzüge waren noch verhältnismäßig harmlos, aber 1468 wurde Timbuktu von dem Songhai-Herrscher Sonni-Ali erobert, dessen Nachfolger dort bis 1591 regierten. Dann wurde es durch Sultan Mulai Ahmed el Mansur von Marokko besetzt und zum Mittelpunkt eines von ihm abhängigen Reiches gemacht. Zu diesem Zeitpunkt hatte Timbuktu allerdings schon den Höhepunkt seines Wohlstands überschritten. Wie ja Dappers Notiz aus dem 17. Jahrhundert beweist, hielt sich aber in Europa hartnäckig das Gerücht vom Reichtum der »Königin der Wüste«.

Merkwürdigerweise verschloss sich diese allen Bemühungen europäischer Reisender, sie zu besuchen. Angaben über einige ganz frühe Reisen müssen mit einem Fragezeichen versehen werden. So soll schon um 1460 der Florentiner Kaufmann Benedetto Dio in der Stadt gewesen sein, 1670 erreichte sie angeblich der Franzose Paul Imbert von Marokko aus. Einen ebenso interessanten wie zweifelhaften Bericht verdanken wir dem amerikanischen Matrosen Robert Adams, der nach eigenen Aussagen an der afrikanischen Westküste Schiffbruch erlitten hatte. Während seine Gefährten umkamen, wurde er als Sklave nach Timbuktu verkauft und konnte erst nach Monaten von dort fliehen. Seine Aussagen wurden später von Gönnern in London durchaus ernst genommen und sogar 1816 unter dem Titel »The narrative of Robert Adams« in einem heute sehr seltenen Buch veröffentlicht. Adams selbst kehrte nach Amerika zurück und verschwand dort in der Anonymität.

Um diese Zeit hatten europäische Reisende den Niger schon erreicht. Der junge schottische Arzt Mungo Park (1771–1806) war 1795 bis 1797 von der Westküste aus bis zum Oberlauf des Flusses vorgestoßen und hatte ihn ein Stück befahren, ohne jedoch Timbuktu zu erreichen. Das gelang erst einem anderen Schotten, dem Major Alexander Gordon Laing (1794–1826). Er zog 1826 von Tripolis aus auf dem strapazenreichen Weg durch die Sahara nach Süden, gelangte nach Timbuktu und hielt sich dort unbehelligt mehrere Wochen auf, obgleich er sich als Weißer und Christ bekannte. Auf dem Rückweg wurde er jedoch ermordet. Dabei gingen auch seine wertvollen Aufzeichnungen verloren, nach denen noch jahrelang vergeblich geforscht wurde.

Inzwischen hatte sich das Erreichen Timbuktus zu einer Art Prestigeobjekt zwischen den Geographischen Gesellschaften von London und Paris entwickelt. Dort setzte man einen Preis von 10 000 Francs für denjenigen Franzosen aus, der als Erster Timbuktu erreichen und glaubwürdige Nachrichten über die Stadt in die Heimat bringen würde.

Das gelang endlich René-Auguste Caillié, einem jungen Einzelgänger. Er wurde am 17. November 1799 in Mauzé in Westfrankreich geboren. Der Vater war von Beruf Bäcker, wurde aber kurz nach der Geburt seines Jungen ins Zuchthaus eingeliefert, das er nicht mehr lebend verließ. René wurde von der Mutter aufgezogen, die er aber schon mit zwölf Jahren verlor. Er lernte nach kurzem Schulbesuch Schuster, fand aber keinen Gefallen an dem Beruf und begleitete mit sechzehn Jahren einen französischen Offizier als Diener in den Senegal. Bis 1819 führte er ein unstetes Wanderleben erst in Afrika, dann in der Karibik, und kehrte schließlich mittellos und krank in die Heimat zurück. Fünf Jahre später ermöglichte ihm ein Kaufmann aus Bordeaux die Rückkehr in den Senegal. Was dann geschah, erfährt man aus der von Caillié selbst geschriebenen Einleitung zu seinem späteren großen Reisebericht. Man kann nur die Zielstrebigkeit und Zähigkeit bewundern, mit der dieser junge Mann Timbuktu, sein selbst erwähltes Ziel, zu erreichen suchte. Und wenn man das Schicksal seines Vorgängers Gordon Laing betrachtet, darf man auch von dem großen Glück sprechen, das er dabei hatte.

In den letzten Sätzen seines großen Reiseberichts schreibt er auch bescheiden von der wohlwollenden Aufnahme in der Heimat nach seiner Rückkehr. In Paris zögerte die Société de Géographie nicht, ihm den ausgesetzten Preis und ihre Goldmedaille zu übergeben. Jomard, der Präsident der Gesellschaft, unterstützte ihn persönlich und selbstlos bei der Abfassung seines umfassenden Reiseberichts. Aber wie nicht anders zu erwarten, riefen Erfolg und Ehrung auch rasch Neider auf den Plan, die so weit gingen, die Echtheit seiner Angaben zu bezweifeln. Vor allem die Engländer verdächtigten ihn, weil sie Andenken und Leistung ihres Landsmannes Laing durch ihn gefährdet sahen.

Cailliés Gesundheit war durch die erlittenen Strapazen schwer erschüttert. Er musste darauf verzichten, wieder nach Afrika zurückzukehren, wie er gehofft hatte. Vielmehr ließ er sich mit einer kleinen staatlichen Rente in seiner engeren Heimat nieder, heiratete und hatte vier Kinder. Aber er starb schon am 17. Mai 1838, noch nicht einmal 39 Jahre alt, an den Folgen einer unbekannten Krankheit, die er sich in Afrika geholt hatte.

Wie großartig seine Leistungen gewesen waren, beweist allein schon die Tatsache, dass noch einmal Jahrzehnte vergehen sollten, bis ein dritter Europäer zu der »Königin der Wüste« gelangte. Diesmal war es ein Gelehrter, der deutsche Forschungsreisende Heinrich Barth (1821–1865). Er war auf seiner großen Reise 1850 von Tripolis aus quer durch die Sahara zum Tschadsee vorgestoßen. Nach ausgiebigen Forschungen in dessen Umgebung reiste er weiter zum Niger und gelangte durch die Länder des Nigerbogens im Herbst 1853, also 25 Jahre nach Caillié, nach Timbuktu, wo er fünf Monate verblieb. In seinem Reisebericht bestätigte er nicht nur die Beobachtungen Cailliés, sondern gab auch eine detaillierte Beschreibung der Stadt, die damals nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe war. Seine Unabhängigkeit konnte Timbuktu nur noch vier Jahrzehnte bewahren, dann besetzten es 1893 die Franzosen und fügten es ihrem Kolonialreich ein, in dem es bis 1960 verblieb. Heute gehört es zur Republik Mali.

Heinrich Pleticha

VORWORT

Endlich lege ich der Öffentlichkeit den Bericht meiner Reise in das Innere Afrikas vor. Es gibt mehrere Gründe, warum er erst jetzt erscheint, obwohl es schon mehr als 15 Monate her ist, seit ich meinen Fuß wieder auf heimischen Boden gesetzt habe. Ich habe aus den Ländern, die ich durchquert habe, nur flüchtige, knappe Aufzeichnungen mitgebracht, die ich oft mit zitternder Hand und, so könnte man sagen, im Vorübereilen zu Papier brachte. Sie wären unerbittlich als Beweisstück gegen mich verwendet worden, hätte man mich dabei überrascht, wie ich in einer fremden Schrift schrieb und den Weißen sozusagen die Geheimnisse dieser Landstriche enthüllte. In Afrika, und hier wiederum vor allem in den Ländern, die von den Mauren und Foulah besiedelt werden, gilt die religiöse Falschheit eines Fremden als schwerwiegender Verstoß, und es ist wohl hundertmal besser, als Christ angesehen zu werden, denn als falscher Moslem. Letztlich besteht der Erfolg meiner Reise in den vielen Notizen, die ich mir unterwegs über das, was ich erlebt und gesehen habe, gemacht habe. Gerade diese Notizen bargen aber auch schreckliche Gefahren: Stets trug ich in meiner Tasche mein Todesurteil mit mir herum, und wie oft musste ich diese Tasche feindlichen Händen anvertrauen! Bei meiner Ankunft in Paris waren meine Aufzeichnungen, die ich meistens mit einem Bleistift angefertigt hatte, so abgenutzt, die Schrift so verblichen, dass es einiger Beharrlichkeit und aller Anstrengungen meines Gedächtnisses bedurfte, um sie wiederherzustellen und als Grundlage meiner Beobachtungen und meiner Erzählung nutzen zu können. Die gewissenhafte Erforschung des Gedächtnisses, die jedem Reisebericht voranzugehen hat und die ich als das größte Verdienst meiner eigenen Erzählung ansehe, machte es notwendig, dass ich mir genügend Zeit nahm, um nichts Wesentliches auszulassen und die Ereignisse in der Reihenfolge zu schildern, in der sie stattgefunden und in der ich sie aufgeschrieben hatte. Ein anderer Grund für die verspätete Veröffentlichung liegt in einer langen und gefährlichen Krankheit, die mich einige Monate nach meiner Ankunft in Frankreich niederstreckte und mir die Kräfte raubte, die den immensen Anstrengungen und Entbehrungen meiner 17 Monate dauernden Reise auf glühend heißem Boden standgehalten hatten. Wie vielen unserer unerschrockenen europäischen Entdeckungsreisenden hatten diese Qualen zum Verderben gereicht! Hinzu kommt die große Menge der Aufzeichnungen, die sich ja auf fast drei Bände belaufen, meine mangelnde Erfahrung im Schriftlichen und die Entscheidung, keine fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, außer für einige stilistische Unreinheiten, die sich bei mir zwangsläufig in der schwierigsten und nuancenreichsten aller Sprachen einschleichen. Ich wollte den Lesern einen Bericht vorlegen, der auch wirklich von mir ist, sowohl was den Stil als auch was den Inhalt betrifft. Mag auch meine Sprache nicht besonders elegant oder auch nur gepflegt sein, so ist sie wenigstens einfach, klar und deutlich und gibt ehrlich die ganze Reise und den Reisenden mit all seinen Eigenschaften wieder. Auch wenn ich dies bedauere, enthält mein Bericht keine großartigen Betrachtungen zu den politischen oder religiösen Einrichtungen oder zu den Sitten und Gebräuchen der Völker, denen ich begegnet bin. Denn selbst wenn mich meine Ausbildung mit diesen Gebieten vertraut gemacht hätte, hätten es mir meine geringen Mittel und die dadurch bedingte gebotene Eile nicht erlaubt, mich lange genug in der jeweiligen Gegend aufzuhalten, um zu sicheren Erkenntnissen zu gelangen. Mein Ziel war es vielmehr, gewissenhaft und genau alles, was ich beobachten konnte, zu notieren; vor allem wollte ich mich den Dingen widmen, die ich für eine genauere Kenntnis der Geographie und für unsere Handelsinteressen in Afrika von Bedeutung hielt.

Ein längerer Aufenthalt in unseren Niederlassungen und Einrichtungen im Senegal und die dort gemachten Beobachtungen hatten mir gezeigt, wie sehr der seit nun schon so langer Zeit daniederliegende Handel neue Absatzmärkte und neue Partner im Inneren des Kontinents benötigte. Um aber unsere Handelsbeziehungen zu erweitern und auch entlegene Völker mit unseren Produkten zu versorgen, bedurfte es besserer geographischer Kenntnisse. Wie sonst sollten die Anstrengungen unserer Regierung erfolgreich sein und den Handel in den Niederlassungen an der Küste ankurbeln? Das Gefühl, dass unser Handel in Afrika dringend eines solchen Anschubs bedurfte, war sehr stark bei mir ausgeprägt und wurde sozusagen zur Seele meiner Unternehmung. Es bestimmte meine Entscheidungen und Optionen, die ich vor allem während eines bestimmten Teils meiner Reise traf. Ich war überzeugt, dass genaue, auf die Quellen selbst zurückgehende Informationen in den Händen der Regierung des Königs, eines eifrigen und aufgeklärten Förderers solch wichtiger Interessen, früher oder später einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung unserer Kolonien und Handelsbeziehungen und damit auf den Wohlstand und vielleicht auch den inneren Frieden unseres Landes haben würden.

War mir das Glück beschieden, meine Wünsche in dieser Beziehung zu erfüllen und meine Hoffnungen, die ich mit meinen Landsleuten, die im Senegal lebten, teilte, zu verwirklichen? Habe ich die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, erfüllt und so meinen Teil zum Erfolg der Regierung meines Landes beigesteuert? Es ist an denjenigen, die heute die Früchte meiner Forschungen einfahren, diese Frage für mich zu beantworten. Richtschnur für das zu fällende Urteil ist auch der Erfolg der Unternehmungen, die auf meine Forschungsarbeiten zurückgehen. Was die Fortschritte betrifft, die Geographie und Naturkunde meiner Entdeckungsreise verdanken, so ist es ebenfalls nicht an mir, sie zu würdigen. Ich muss das Urteil darüber denen überlassen, die sie in der Hauptstadt der zivilisierten Welt vorstellen und deren Kenntnisse und Fähigkeiten mir sehr angenehm und nützlich gewesen wären, als ich mich alleine und mit geringen Mitteln jeden Tag einer unbekannten Welt ausgesetzt sah, die die Blicke des neugierigen und wissenschaftlich interessierten Europas noch nicht getroffen hatten. Hätte ich die Kenntnisse und Geräte, die wir ihnen verdanken, besessen, so hätte ich mir erhoffen können, den Wünschen der Gesellschaft für Geographie besser gerecht zu werden sowie ihrer schmeichelhaften und wohlwollenden Aufnahme, ihrer Auszeichnungen und Belohnungen, die sie aus Liebe zum Vaterland jenen zuteilwerden lässt, die sie in ihren Anstrengungen unterstützen, würdiger zu sein. Diese Gesellschaft verfolgt mit so großem Einsatz und Erfolg das Ziel, die Wissenschaft voranzubringen! Ihr Programm, das bis zu den afrikanischen Stränden vorgedrungen war, wo ich es kennenlernte, bestärkte mich vollends in meiner Ansicht, dass die Reisen in das Innere Afrikas von größter Bedeutung seien, und ermutigten mich in dem Vorhaben, eines Tages die Erforschung Timbuktus zu wagen.

Wenn ich gegenüber der Gesellschaft für Geographie nun meine Hochachtung und Ehrerbietung ausdrücke, so darf ich eines ihrer ausgezeichnetsten Mitglieder nicht vergessen, Monsieur Jomard, Präsident ihrer wichtigsten Kommission und Mitglied des Institut deFrance. Er ließ mir seit meiner Rückkehr nach Frankreich seine wertvollen Ratschläge zuteilwerden und behandelte mich mit ausgesuchter Freundlichkeit, er war sich nicht zu schade, meinen Namen neben den seinen zu stellen, und er hat zum Erfolg dieses Berichts beigetragen, indem er ihn mit einer Landkarte nach meinen Aufzeichnungen bereicherte sowie mit den Ergebnissen erdkundlicher Forschungen auf einem Kontinent, der ihm seit Langem sowohl als Reisendem wie auch als Schriftsteller vertraut ist. Möge er hier ein öffentliches Zeugnis meiner tiefen Dankbarkeit entgegennehmen!

René Caillié

EINLEITUNG

Da ich seit meiner frühesten Kindheit die Welt entdecken wollte, habe ich stets mit großem Eifer die Gelegenheiten wahrgenommen, die sich mir boten, um mich zu bilden. Aber trotz aller Anstrengungen, die mir fehlende solide Erziehung auszugleichen, konnte ich doch nur unzureichende Kenntnisse erwerben. Das Bewusstsein der Unzulänglichkeit meiner Mittel bedrückte mich oft, jedenfalls dann, wenn ich daran dachte, was mir alles fehlte, um die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, zu bewältigen. Obwohl ich also häufig an die Gefahren und Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens dachte, so hoffte ich doch, dass die Aufzeichnungen und Informationen, die ich von meinen Reisen mitbringen würde, bei der Öffentlichkeit auf Interesse stoßen würden. Ich gab die Hoffnung, irgendein unbekanntes Land in Afrika zu erforschen, zu keinem Zeitpunkt auf. Nach und nach richteten sich all meine Gedanken auf Timbuktu. Diese Stadt wurde zum Ziel all meiner Anstrengungen. Meine Entscheidung stand fest: Timbuktu sehen oder untergehen. Heute, da ich mein Ziel erreicht habe, wird meine Leserschaft vielleicht eine gewisse Nachsicht gegenüber dem Bericht eines einfachen Reisenden walten lassen, der einfach nur das erzählt, was er gesehen hat, die Ereignisse, die ihm widerfahren sind oder deren Zeuge er war.

Ich wurde im Jahr 1800 in Mauzé im Département Deux-Sèvres als Kind armer Eltern geboren. Das Unglück wollte es, dass ich sie noch in meiner Kindheit verlor. Meine einzige Erziehung erhielt ich in der kostenlosen Volksschule meines Dorfes. Sobald ich lesen und schreiben konnte, ließ man mich einen Beruf erlernen, der mich aber schnell anwiderte, wozu nicht zuletzt die Bücher über Entdeckungsreisen beitrugen, in die ich mich in jeder freien Minute vertiefte. Vor allem die Geschichte von Robinson Crusoe begeisterte mich. Ich brannte darauf, so wie er Abenteuer zu erleben. Damals schon spürte ich in meinem Herzen den Ehrgeiz, mich durch eine bedeutende Entdeckung auszuzeichnen. Man lieh mir Erdkunde-Bücher und Landkarten. Die Karte Afrikas, auf der ich nur unbewohnte oder als »unbekannt« bezeichnete Länder sah, weckte mehr als alle anderen meine Neugier. Schließlich wurde dieses Interesse zur Leidenschaft, für die ich auf alles verzichtete. Ich nahm nicht mehr an den Spielen meiner Kameraden teil. Sonntags sperrte ich mich in meinem Zimmer ein, um alle Reiseberichte und -bücher zu lesen, derer ich habhaft werden konnte. Ich erzählte meinem Onkel, der mein Vormund war, von meinem Wunsch zu reisen. Er missbilligte mein Ansinnen, malte mir die Gefahren, die eine Seereise bedeutete, sowie das Heimweh, das ich in der Ferne, weit weg von meiner Familie, haben würde, in allen Farben aus. Er unterließ nichts, um mich von meinem Vorhaben abzubringen. Aber meine Entscheidung stand fest. Aufs Neue drängte ich, losziehen zu dürfen, und er widersetzte sich nicht mehr.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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