Religionsgeschichte Israels - Wolfgang Zwickel - E-Book

Religionsgeschichte Israels E-Book

Wolfgang Zwickel

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Beschreibung

Die Menschen der Bibel – wie lebten sie, was dachten sie und vor allem: Was glaubten sie? Zwei ausgewiesene Experten führen hier in einer einmaligen, interdisziplinären Übersichtsdarstellung, die sich nicht nur an Theologen wendet, in die wesentlichen Epochen, Menschen, Probleme und Theorien ein. Anhand zahlreicher Textquellen und archäologischer Funde zeichnen Michael Tilly und Wolfgang Zwickel die Religionsgeschichte des Heiligen Landes von den Anfängen sesshafter Siedlungen vor rund 10.000 Jahren bis zu den Anfängen des Christentums im 2. Jahrhundert n. Chr. und der Entstehung des Rabbinats im Judentum nach. So werden die Voraussetzungen für unsere jüdisch-christlich geprägte Welt verständlich und die geschichtliche Situation greifbar. Ein kommentiertes Quellenverzeichnis sowie ein Register runden den Band ab.

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Seitenzahl: 460

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Michael Tilly/Wolfgang Zwickel

Religionsgeschichte Israels

Von der Vorzeitbis zu den Anfängen des Christentums

2. Auflage

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung inund Verarbeitung durch elektronische Systeme.

2. durchgesehene Auflage© 2015 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durchdie Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.Lektorat: Barbara Honold, KarlsruheSatz: Janß GmbH, PfungstadtEinbandabbildung: Archäologische Ausgrabungsstätte Horvat Zaʿak, Süd-Israel. Neben Höhlenund unterirdischen Gängen aus der Zeit des Bar-Kochba-Aufstands befinden sich hier3000 Jahre alte Überreste von Siedlungen. © akg-images/IsraelimagesEinbandgestaltung: Peter Lohse, Heppenheim

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-25718-8

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-534-73467-2eBook (epub): 978-3-534-73468-9

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Impressum

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

  1 Was ist Religion?

  2 Die Entwicklung der Religion vom Neolithikum bis zur Mittelbronzezeit

2.1   Die Religion des Neolithikums

2.2   Die Religion des Chalkolithikums

2.3   Die Religion der Frühbronzezeit

2.4   Die Religion der Mittelbronzezeit

  3 Die Götterwelt der Mittel- und Spätbronzezeit in palästinischen Texten und Bildern

3.1   Die Götterwelt Palästinas in der Mittelbronzezeit

3.2   Die Götterwelt der Spätbronzezeit

  4 Die Religion der Spätbronzezeit

  5 Die Religion der Erzeltern

  6 Ugarit und Emar – wichtige Umwelttexte für die Spätbronzezeit und für das Alte Testament

6.1   Die Texte aus Ugarit

6.2   Die Religion Ugarits

6.3   Die Texte aus Emar

  7 Die Religion der Nachbarn Israels und Judas in der Eisenzeit

7.1   Die Religion der südlichen Aramäer (Aram-Damaskus)

7.2   Die Religion der Ammoniter

7.3   Die Religion der Moabiter

7.4   Die Religion der Edomiter

7.5   Die Religion der Midianiter und Ismaeliter

7.6   Die Religion der Philister

7.7   Die Religion der Phönizier

  8 Kultstätten in Juda und Israel in der Eisenzeit I und II

8.1   Simeon/Juda

8.2   Simeon

8.3   Juda (ohne Jerusalem)

8.4   Jerusalem

8.5   Benjamin

8.6   Efraim

8.7   Manasse

8.8   Sebulon

8.9   Naftali

8.10 Dan

8.11 Ostjordanland

  9 Die Religionen Palästinas während der Eisenzeit I/Richterzeit

10 Der Gott Jahwe

10.1 Die Wurzeln des Gottes Jahwe

10.2 Der Aufstieg Jahwes zum Nationalgott unter David

10.3 Der Gott Jahwe – Versuch einer Charakterisierung

10.4 Die Vorstellung von der Lade Gottes

11 Die Aufgaben des Königs

12 Der salomonische Tempel

13 Die Grenzheiligtümer des Nordreichs – Stierbilder als Zeichen des Jahwekults

14 Das 9. und 8. Jh. v. Chr. – Konsolidierung und theologische Reflexion

15 Assyrischer Druck und Befreiung hin zur Monolatrie

16 Die Zeit des babylonischen Exils

17 Neuanfang unter persischer Oberhoheit

18 Das Judentum vom Beginn der hellenistischen Epoche bis zur Zerstörung des zweiten Tempels

18.1 Geschichtlicher Überblick

18.2 Judentum und Hellenismus

18.3 Der Jerusalemer Tempelkult

18.4 Tora und Bundesnomismus

18.5 Die Synagoge

18.6 Religion im Alltag

19 Die samaritanische Religionsgemeinschaft

20 Religiöse Strömungen innerhalb des antiken Judentums

21 Das Christentum

22 Orientalische und griechisch-römische Religionen

Anmerkungen

Kommentiertes Quellenverzeichnis zur Religionsgeschichte

1 Textquellen

2 Archäologische Funde

Register

Orte und Länder

Gottheiten und Sachen

Bibelstellenverzeichnis

Vorwort

In den letzten zwanzig Jahren spielte die religionsgeschichtliche Forschung wieder verstärkt eine Rolle in der alt- und neutestamentlichen Exegese. Zahlreiche umfangreiche Arbeiten erschienen zu diesem Themenfeld. Die von uns hier vorgelegte Religionsgeschichte will einem breiten Leserkreis den derzeitigen Forschungsstand präsentieren und eine Darstellung der vielfältigen Formen und Funktionen von Religion in Palästina vom Neolithikum bis zur Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahre 70 n. Chr. bieten. Wichtig bei diesem auf lange Entwicklungsströme hin angelegten Ansatz ist die Erkenntnis, dass die Religionen des Heiligen Landes nur auf dem Hintergrund der kulturellen und religiösen Entwicklung des Landes verstanden werden können. Zugleich kann dieses Werk als ein einführendes Lehrbuch und als eine Materialsammlung für das Studium der Religionsgeschichte dienen. Unser Ziel war ein möglichst breiter Zugang, der die sozialen, kulturellen und politischen Rahmenbedingungen und Ausdrucksformen von Religionen und Kulten berücksichtigt, welche über die Jahrtausende hinweg von den unterschiedlichen Völkern und Gemeinschaften ausgeübt wurden, die in dem Gebiet Palästinas lebten und die es geschichtlich prägten. Zudem wird vor dem Hintergrund dieses religiösen Pluralismus die Gründungsgeschichte der Weltreligionen Judentum und Christentum skizziert. Ein umfassendes Verständnis der Ursprünge und der frühen Entwicklung dieser beiden – von Anfang an höchst heterogenen – Weltreligionen erscheint uns nur dann möglich, wenn nicht nur die erhaltenen Zeugnisse ihrer literarischen, architektonischen und künstlerischen Produktion, sondern auch ihr übergreifender geschichtlicher Kontext und ihre religiöse, kulturelle, politische und soziale Umwelt Berücksichtigung finden.

Unser methodischer Ansatz versteht sich als historisch-kritisch, indem die archäologischen, epigraphischen und literarischen Quellen, insbesondere aber die hebräischen heiligen Schriften des Judentums, das christliche Alte Testament, durchweg in ihrer jeweiligen historischen Bedingtheit wahrgenommen werden. Ihre Analyse und Interpretation unterliegen überprüfbaren und kommunizierbaren wissenschaftlichen Kriterien auf der Basis des aktuellen Standes der historischen, archäologischen und bibelexegetischen Forschung.

Aus Platzmangel können hier nicht alle relevanten Relikte und Texte gleichermaßen behandelt werden. Es wurde aber versucht, alle für eine Religionsgeschichte relevanten Fundgruppen zumindest zu erwähnen. Ganz bewusst wurde vornehmlich auf Artefakte hingewiesen, die aus Ausgrabungen und nicht aus dem Antikenhandel stammen, weil nur so die Echtheit der Funde garantiert ist. Viele Entwicklungslinien ziehen sich über Jahrtausende hinweg. Vielfach finden sich Literaturangaben zu bestimmten Motivkomplexen etc. bei ihrer ersten Erwähnung.

Die Kapitel 2 bis 17 wurden von Wolfgang Zwickel verfasst, die Kapitel 18 bis 22 von Michael Tilly. Beide Buchteile wurden gemeinsam diskutiert und überarbeitet. Unser Dank gilt der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt, stellvertretend Frau Inga Deventer, für die hervorragende Zusammenarbeit bei der Konzeption und Realisierung dieses Buches. Dorothea Aepler, Sara Kipfer, Mareike Schulz, Christoph Weick und Stefan Höhn verdanken wir die Durchsicht des Manuskripts und wertvolle Anregungen.

Die vorliegende zweite Auflage enthält eine Reihe von Korrekturen und Ergänzungen. Unser Dank gilt den Mitarbeitern Marietta Hämmerle, Daniel Schumann und Johanna Schwarz für die aufmerksame Durchsicht der Druckvorlage.

Mainz und Tübingen im Juli 2012

Wolfgang Zwickel und Michael Tilly

1    Was ist Religion?

In diesem Buch kann und soll keine umfassende Analyse des Begriffes „Religion“ im Sinne einer Entwicklungsgeschichte dieses Begriffes oder einer systematisch-theologischen, philosophischen oder religionswissenschaftlichen Erörterung des Wortes geboten werden. Dies ist mehrfach an anderer Stelle von kompetenteren Leuten durchgeführt worden.1 Dieses kurze Einstiegskapitel will vielmehr deutlich machen, wie die Autoren des Buches den Begriff „Religion“ verstehen und in diesem Buch verstanden haben wollen.

Eine wichtige Einstiegsbeobachtung ist, dass das Hebräische den Begriff „Religion“ eigentlich nicht kennt, ebenso wenig wie das Griechische. Die Wörterbücher bieten allenfalls yir’at YHWH bzw. theosebeia „Gottesfurcht“ als Äquivalente an, doch beschreiben diese Begriffe nur einen Teilbereich von „Religion“. Am umfassendsten, aber vielleicht auch am einfachsten ist eine pragmatische Definition, wie sie Gustav Mensching vorgelegt hat: Religion ist „erlebnishafte Begegnung mit heiliger Wirklichkeit“ und kann „als antwortendes Handeln des vom Heiligen existentiell bestimmten Menschen“ verstanden werden.2

Diese offene Definition bietet viele Möglichkeiten, die Religion der biblischen Zeit und Umwelt angemessen zu erfassen. Mensching spricht von „heiliger Wirklichkeit“, ohne sich dabei auf eine bestimmte Religion festzulegen. Alle Ebenen religiösen Erlebens und religiöser Ideen sind hiermit umschrieben, ohne dass von vornherein eine wertende Einschränkung hinsichtlich des Zugangs zu dieser Religion vorgegeben wäre. Es geht z.B. nicht (allein) um die Religion des Alten und Neuen Testaments, wie sie in den biblischen Texten vermittelt wird.3 Es geht schlichtweg um alle Formen der Erfahrung von heiliger Wirklichkeit, die sich heute auf Grund von Texten, Bildern oder archäologischen Artefakten aus der Welt und Umwelt der Bibel erschließen lassen. Sofern sie in irgendeiner Art und Weise von den Menschen als „heilig“ aufgefasst wurden, bilden sie einen Bestandteil ihrer Religion.

Die von Mensching so bezeichnete „heilige Wirklichkeit“ kann nur im Erleben wahrgenommen werden und ist damit einer objektivierenden Beschreibung entzogen. Der antike Mensch konnte diese „heilige Wirklichkeit“ nur subjektiv in Wort, Bild oder Architektur festhalten. Auch wir „modernen Menschen“ können diese „heilige Wirklichkeit“ nur ansatzweise und auf dem Hintergrund unseres Erlebnishorizontes nachvollziehen. Eine zu beschreibende Religion, aber auch schon das Verständnis, was als „heilig“ und was als „profan“ gilt, ist damit stets subjektiv. Jedes Ereignis, das als ein solches religiöses Ereignis verstanden wird, kann von verschiedenen Menschen unterschiedlich interpretiert werden.

Religion drückt sich in den unterschiedlichsten Gestalten aus. Hierzu gehören vielfältige Formen wie meditatives Gebet, Tanz, Malerei, schriftstellerische Tätigkeiten und vieles anderes mehr. All diese Formen religiösen Handelns sollen nach Möglichkeit in diesem Buch berücksichtigt werden, auch wenn schon der Umfang des Bandes hier enge Grenzen setzt. Allerdings sind viele religiöse Ausdrucksformen der Antike für uns auf immer und ewig verloren gegangen. Neben den (biblischen) Texten, die bislang zumeist allein im Mittelpunkt der Darstellung der diversen Religionsgeschichten standen, sollen in diesem Band auch zahlreiche andere erhalten gebliebene Relikte zumindest ansatzweise mitberücksichtigt werden.

Die jüdische Bibel und das christliche Alte Testament haben einen definierten Kanon und sind damit sowohl in ihrer hebräischen als auch in ihrer griechischen Fassung begrenzt. Auch die Zahl der religionsgeschichtlich relevanten Umwelttexte ist überschaubar. Die nichttextlichen Relikte sind dagegen nahezu grenzenlos. Ob ein Gegenstand jedoch als relevant für eine religiöse Betrachtung erachtet wird, oder ob er schlichtweg als profan zu betrachten ist, unterliegt der Ansicht des Betrachters bzw. des wissenschaftlichen Bearbeiters. Kochtöpfe sind im Normalfall ein Bestandteil des Alltags ohne jegliche religiöse Konnotation. Wurde der Kochtopf jedoch zur Bereitung eines Kultmahls in einem Tempel verwendet, bekommt er eine religiöse Dimension und kann, ja muss zur Auswertung der religiösen Praxis herangezogen werden. Das Beispiel macht deutlich, dass ein archäologisches Relikt für die Rekonstruktion der Religion dann relevant werden kann, wenn es in einem bestimmten Umfeld benutzt wurde. Umgekehrt muss aber nicht jeder Gegenstand, der in einem Tempel gefunden wurde, zwangsläufig religiös gedeutet werden. Eine Münze, die in einem Tempel gefunden wird, kann u.U. eine Opfergabe sein, sie kann aber u.U. auch versehentlich dort verloren worden sein. Die Auswahl der heranzuziehenden archäologischen Relikte unterliegt häufig der Interpretation des modernen Betrachters.

Jeden Betrachter von archäologischen Artefakten leiten eigene Kenntnisse und Erfahrungen bei der Interpretation eines Artefakts. Es gibt deshalb keine wirklich objektive Interpretation von Funden, sondern stets nur eine Interpretation auf dem Hintergrund der eigenen Vorstellungswelt! Da wir nicht Zeitgenossen der antiken Menschen sein können, vergleichen wir die Ausgrabungsfunde und Kontexte mit unserer eigenen kulturellen Enzyklopädie, d.h. mit dem, was wir aus eigener Erfahrung oder Überlieferung kennen und uns dementsprechend vorstellen können. Eine wirklich zuverlässige und unabhängige Rekonstruktion der religiösen Welt der Antike ist daher allenfalls immer nur in Annäherungen möglich.

Eine Absicherung gegenüber völlig individuellen und wissenschaftlich nicht mehr überprüfbaren Interpretationen ist durch die Einordnung der Texte und Funde in einen Gesamtzusammenhang möglich. Allerdings ist unser derzeitiges Wissen über die Antike immer begrenzt und wird ständig durch neue Funde erweitert und korrigiert. Unser Verständnis von antiker Religion ist daher immer nur vorläufig und unvollkommen.

Die Religion des antiken Palästina ist stark von der Landschaft dieser Region geprägt. Der jährlich wiederkehrende, aber auch gelegentlich über Wochen ausbleibende Winterregen, der die Landwirtschaft erst ermöglichte, prägte den Lebensalltag der Menschen und die Religion in ganz anderer Weise als etwa in Ägypten oder Mesopotamien, wo das Wasser der Flüsse Nil, Eufrat und Tigris den Lebensalltag und die Religion bestimmen. Andererseits ist der „Fruchtbare Halbmond“, also die Region Ägyptens, der Levante und Mesopotamiens, auch stark von gemeinsamen kulturellen Vorstellungen geprägt. Bei der Betrachtung der Religionen des syrisch-palästinischen Raumes sind daher sowohl die gemeinsamen kulturellen Wurzeln des Vorderen Orients als auch die Besonderheiten dieser speziellen Region zu betrachten. Die religiösen Ideen Palästinas entwickelten sich häufig entweder in einer Abgrenzung von religiösen Praktiken und Ideen der Umwelt, aber ebenso häufig auch in einer bewussten Auf- und Übernahme fremden Ideengutes.

Der große Vorteil eines Menschen des 3. Jt.s n. Chr., der die Religion der südlichen Levante in der Vergangenheit betrachtet, ist der Abstand zu den Ereignissen. Menschen, die innerhalb einer religiösen Gemeinschaft leben, erleben diese anders als Menschen, die diese religiösen Praktiken von außen betrachten. Der Blickpunkt von außen macht die Betrachtung zwar nicht objektiver, denn die Sichtweise des Betrachters ist stets subjektiv, aber unbefangener. Viele Entwicklungen und Einflüsse lassen sich so besser aufzeigen, langfristige Tendenzen beobachten und Randerscheinungen, die von einer religiösen Gemeinschaft gern ausgegrenzt werden, können gleichfalls mitbetrachtet werden.

Dieser Blick von außen ermöglicht es damit auch, möglichst das gesamte Spektrum der religiösen Praxis zu einer bestimmten Zeit zu erfassen. Eine Dogmatik will die ideale religiöse Denkweise beschreiben, der religionsgeschichtliche oder religionswissenschaftliche Ansatz ermöglicht dagegen einen Blick auf die religiöse Praxis. Gelebter Glaube weist oft eine viel größere Vielfalt auf, als die religiösen Traditionen und Dogmen es zulassen würden. Das galt für die Antike ebenso wie für die weitere Geschichte des Judentums und des Christentums bis in unsere Gegenwart. Indem auch nichtliterarische religiöse Zeugnisse ausgewertet werden, wird ein umfassendes Spektrum der religiösen Wirklichkeit der damaligen Menschen sichtbar, während Texte, wie sie im Alten oder Neuen Testament (aber auch in Umwelttexten) enthalten sind, oft eher die Forderung einer idealen Glaubensgestaltung umschreiben. Damit sind religiöse Texte häufig „Propaganda“ für eine bestimmte Form der Religion, während archäologische Relikte eher die vielfältige Wirklichkeit der Religionsausübung beschreiben können. Andererseits können Texte wie z.B. die Psalmen auch Ausdruck von gelebtem Glauben sein. Sie sind dann ein beredtes Zeugnis für eine Glaubenspraxis, wenngleich sie häufig, da meist konkrete Anhaltspunkte fehlen, schwer zu datieren sind und sie zudem oft nur die Glaubenszeugnisse einer gelehrten Oberschicht darstellen.

Unsere Darstellung deckt einen Zeitraum von mehreren Jahrtausenden ab. Die auf die Schriften des Judentums und des Christentums hinführende Religion Israels ist nicht „vom Himmel gefallen“, sie ist vielmehr in einer konkreten Welt entstanden und basiert auf den religiösen Ideen, die in der vorbiblischen Zeit entwickelt wurden. Die Religion Israels war zudem auch immer eine dynamische Religion. Sie hat sich im Verlauf der rund 1000 Jahre von den ersten greifbaren Anfängen ihres literarischen Niederschlags bis in die frührömische Zeit hinein erheblich verändert. Politische und kulturelle Entwicklungen standen stets in einer engen Auseinandersetzung mit der jeweils zeitgenössischen religiösen Praxis und führten immer wieder zu erheblichen Veränderungen und zu einer Neuakzentuierung der Religion. Religion entwickelt sich somit ständig im Kontext ihrer Zeit. Diese Entwicklungsprozesse der Religion Palästinas sollen in diesem Buch vornehmlich im Zentrum stehen.

2    Die Entwicklung der Religion vom Neolithikum bis zur Mittelbronzezeit

Die hier ausgeführte Darstellung der Religionsgeschichte beginnt ganz bewusst vor etwa 10.000 Jahren. Religion fällt nicht vom Himmel, sie entwickelt sich im Kontext einer Region, die prägend auf sie wirkt, im Laufe von Jahrtausenden. Die Gesellschaft Palästinas ist stark auf Ackerbau und Viehzucht ausgerichtet und entwickelt dabei andere religiöse Strukturen und Symbole als eine Gesellschaft, in der z.B. das Handwerk oder der Handel dominant sind. Daher spielen für die Religion Palästinas die natürlichen Rahmenbedingungen eine große Rolle. Im Gegensatz zu Ägypten und Mesopotamien ist Palästina stark von den Winterregen abhängig, während es im Sommer keinerlei Niederschläge gibt.4 Diese Abhängigkeit vom Wetter hat die Religion Palästinas besonders stark geprägt, was man an der hohen Stellung der Fruchtbarkeitsgöttinnen und des Wettergottes deutlich erkennen kann.

Die Religion Palästinas wurde aber auch von den Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens mit beeinflusst. Trotz der vielen antiken Artefakte, die wir inzwischen aus dem Raum Palästinas haben, ist die Nachhaltigkeit dieser auswärtigen Einflüsse jedoch schwer zu beschreiben. Einzelne Siegelbilder, die Einflüsse z.B. Ägyptens auf Palästina ausdrücken, können zufällig und nicht unbedingt charakteristisch sein. Hier wird in Zukunft noch verstärkt Forschungsarbeit nötig sein.5

2.1  Die Religion des Neolithikums

Die ersten relevanten künstlerischen Relikte finden wir im Bereich der südlichen Levante ab dem Natufium (12.000–8300 v. Chr.) und dann vermehrt im Neolithikum (9400–5800 v. Chr.). Während sich im Bereich der heutigen Türkei in Göbekli Tepe bereits um 9500 großartige Kultanlagen mit von Menschenhand bearbeiteten Reliefs nachweisen lassen,6 fehlen bislang eindeutig als solche zu identifizierende Kultbauten aus dem palästinischen Raum. Die Menschen lebten damals im Bereich des westlichen Karmel (Nahal Oren, Mugharet el-Wad, Mugharet el-Kebara), in Galiläa (ha-Yonim Cave), im zentralen Bergland Palästinas (Mugharet esh-Shuqba) und in der judäischen Wüste (‘Erq el-Ahmar, el-Khiyam, Umm ez-Zuwetine) noch weitgehend in Höhlen. Als älteste bislang entdeckte eigenständige Siedlung völlig abseits der Höhlen kann Enan/En Mallaha im Hulebecken gelten (10.500–8300 v. Chr.).

Über die Religion der Menschen dieser Zeit lässt sich bislang noch kaum etwas aussagen, denn die kulturelle Hinterlassenschaft ist äußerst gering. Die Figurinen eines Rindes und einer Gazelle, falls diese zoologischen Identifikationen zutreffen, zeigen die Bedeutung von Tieren für die damalige Gesellschaft an.7 Ob allerdings diese Objekte in irgendeinem Sinne religiös gedeutet werden können, ist unklar.

Erste konkrete Aussagen über die Religion der Menschen der damaligen Zeit können wir ab dem Neolithikum (ca. 9400–5800 v. Chr.) machen. Diese Epoche ist geprägt vom allmählichen Entstehen kleinerer Siedlungen und einer zunehmenden Bedeutung der Landwirtschaft für die Versorgung der Menschen anstelle der Jagd.

Von verschiedenen Orten der südlichen Levante8 wurden menschliche Schädel gefunden, die mit Asphalt oder Ton überzogen waren und damit einen lebendigen Eindruck der Verstorbenen wiedergeben sollten. Die ersten dieser Schädel wurden in Jericho bei den Ausgrabungen von Kathleen Kenyon in den Jahren 1952–1958 entdeckt. Der Befund in Jericho ist der umfangreichste und soll deshalb näher dargelegt werden.9 Alle diese Schädel können den jüngsten Phasen des PPNA (Pre-Pottery Neolithic A; 9400–8800 v. Chr.) und dem PPNB (Pre-Pottery Neolithic B; 8800–7000 v. Chr.) zugeschrieben werden. Eine erste, noch im späten PPNA praktizierte Art des Kultes war lediglich die separate Aufbewahrung der vom Torso gelösten Schädel. Im PPNB wurden die Schädel dann mit Ton und Muscheln lebensnah ausgestaltet. Zwölf der Schädel wurden mit Ton überzogen, fünf von ihnen zusätzlich bemalt. Zwei weitere Schädel sind bemalt, aber nicht mit Ton überzogen. Bei den mit Ton überzogenen Schädeln wurden Augen aus Muscheln eingelegt, um den Gesichtern so eine gewisse Lebendigkeit und Lebensnähe zu verleihen. Nur bei einem Fundstück war auch der Unterkiefer mit Ton überzogen. Zehn der Schädel stammen von Frauen, drei von Männern, bei einem weiteren Exemplar ist das Geschlecht unbestimmbar. Bei einem der männlichen Schädel weisen Malspuren auf einen Schnurrbart hin. Teilweise wurden die zugehörigen Körper unter dem Fußboden von Häusern bestattet.

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