Reliquien. - Joachim H. Schleifring - E-Book
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Reliquien. E-Book

Joachim H. Schleifring

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Beschreibung

Wollten Sie schon immer erfahren, welche Reliquien von Heiligen vermutlich authentisch sind und wo sie besucht werden können? Das Fachbuch Reliquien stellt aus verschiedenen Ländern besonders wichtige und interessante Reliquien von Heiligen, Seligen und Päpsten zusammen, berichtet von ihrer Geschichte und sammelt die Informationen, welche zu ihren Reliquien vorliegen. So wird aus dem Fachbuch zugleich ein Reiseführer. Im Buch enthalten sind neben vielen weiteren Reliquien: Das Grabtuch von Turin, die Apostel Petrus und Paulus, die Santa Katharina von Siena, Santa Virginia Centurione Bracelli, Padre Pio, der Heilige Antonius von Padua, die Heilige Bernadette, Sainte Catherine Labouré, der Heilige Stephan I. von Ungarn, der erste deutsche Kaiser Karl der Große, Santa Casilda von Toledo, die Heilige Marianne Cope, Santa Kateri Tekakwitha, Santa Rosa de Lima… und viele weitere… Das Buch behandelt auch die Thematik von "inoffiziellen" Heiligen, wie Gauchito Gil (Argentinien) oder Santa Muerte (Mexiko). Die Autoren: Joachim H. Schleifring hat als Anthropologe bei mehreren Heiligenuntersuchungen, als Experte mitgewirkt, so bei der Untersuchung des heiliggesprochenen Karl dem Großen und Sankt Luidger. Dr. Michael E. Habicht hat als Ägyptologe sowohl bei verschiedenen Mumienuntersuchungen als auch bei Studien über Reliquien mitgewirkt. https://www.michaelhabicht.info/

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Joachim H. Schleifring

Michael E. Habicht

Marie Elisabeth Habicht (Herausgeberin)

Francesco M. Galassi (Vorwort)

Reliquien

Heilige, Päpste und verehrte Persönlichkeiten

Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Francesco M. Galassi

Das vorliegende E-Buch basiert auf der gedruckten Ausgabe „Reliquien“, fügt aber weitere Themen und Kapitel hinzu. Andererseits wurden verschiedene Abbildungen entfernt (zum Teil aus Gründen des Urheberrechts).

Danksagung

Die Autoren möchten an dieser Stelle folgenden Personen danken für die Unterstützung mit Informationen, dem Gewähren von Bildrechten und anderer Hilfe. Ohne ihre Hilfe wäre das Buch in der vorliegenden Form nicht möglich gewesen:

Viele der forensischen Gesichtsrekonstruktionen stammen von Cicero A. Moraes, welcher nicht nur zahlreichen Heiligen sondern auch Königen und prähistorischen Menschen das Aussehen zurückgegeben hat [1–8].

Dr. Uta-Christiane Bergemann Museumsdirektorin, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

Angelika Münchhoff, Domschatzverwaltung, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt

Peter Graf zu Stolberg-Stolberg

Nicole Fara, Obfrau der Allianz Schwarz-Gelb

Die Autoren danken Herrn Thomas Kleindienst für seine freundlichen Anregungen und wertvollen Hinweise.

Vorwort

Relics represent a meeting point between science and faith, bridging devotion and scientific approach. Over the centuries, numerous human remains have been worshipped and have at the same time aroused the interest of scholars from all over the world, moved either by scepticism or by a genuine aspiration to investigate religious mysteries through medical-scientific technique and theory.

In recent decades, moreover, the study of relics has become strongly intertwined with the field of anthropological and paleopathological studies - not forgetting the emerging field of mummy research - taking advantage of increasingly refined methodologies of investigation. Such studies not only allow us to approach cultic aspects in an original way, but they also advance general anthropological knowledge and enrich the scientific literature on ancient diseases, with obvious implications for modern-day science.

This valuable volume by Michael Habicht and Joachim Schleifring, dear friends and skilled colleagues with whom I have had the pleasure of collaborating in numerous research projects for many years, represents an accurate synthesis of the studies, which may be useful for consultation by students and experts alike.

Francesco M. Galassi, MD PhD

Associate Professor

Department of Anthropology

University of Łódź, Poland

Einleitung

Reliquien erfreuen sich einer neuen Beliebtheit, sowohl bei Gläubigen als auch bei Wissenschaftlern [9]. Zum einen hat seit dem Pontifikat von Papst Johannes Paul II. die Zahl katholischer Heiliger stark zugenommen und neue Personenkreise sind in diesen Rang aufgestiegen – zum anderen hat die Forschung grosse Fortschritte gemacht. Insbesondere das Grabtuch von Turin hat die Methodik der Wissenschaft beflügelt und inspiriert wie kaum ein anderes einzelnes Objekt. Aus diesen Gründen haben sich die Autoren entschlossen, das Thema aufzugreifen und in einer umfangreichen Monographie zu behandeln. Die dabei zu Tage geförderte Menge an Material machte es allerdings notwendig, eine ausgewogene Auswahl zu treffen.

Das vorliegende Buch versucht auf Personen zu fokussieren von denen Reliquien vorliegen oder die für die heutige Zeit von Relevanz sind. Die Welt der Reliquien ist sehr umfangreich und hatte einen wichtigen Einfluss auf Kunst und Architektur [10].

Bei der Recherche zu diesem Buch hat sich gezeigt, dass die Auswahl der Heiligsprechungen sich zwar im Laufe der Jahrhunderte verändert und der Kreis der Personen grösser geworden ist, dennoch sind gewisse Präferenzen unübersehbar. So ist die Liste der Heiligen aus Italien wesentlich länger als diejenigen anderen Länder.

Die Auswahl der Heiligsprechungen wurde auch von der Theologin Doris Reisinger kritisiert [11]. Sie forderte, dass mehr religiöse Laien beiderlei Geschlechts auch ohne Keuschheitsgelübde und Martyrium zu Heiligen werden können. Die Heiligsprechungen der letzten 122 Jahre zeigten nach Reisinger ein erkennbares Bild für den typischen Heiligen, der ein europäischer Priester ist (knapp 90%). Frauen erreichen demnach oft den Status der Heiligkeit, wenn sie Opfer von sexueller Gewalt sind und den Tod durch einen Vergewaltiger erleiden.

Auch für das Mittelalter zeigt sich ein zum Teil irritierendes Bild, Zitat: Mit Blick auf den aus der Schweiz stammenden Nikolaus von der Flüe fragt Reisinger: "Wäre eine Mutter heiliggesprochen worden, die ihren Mann mit ihren zehn Kindern zurückgelassen hätte, um ein Leben als Einsiedlerin zu führen? Das ist eine Lebensgeschichte, die wohl nur für einen Mann und Vater als vorbildlich gelten kann." [11].

Das vorliegende Buch versucht, diesem berechtigten Vorwurf Rechnung zu tragen und bringt neben bekannten Heiligen auch Kapitel zu ungewöhnlichen Heiligen, zu Personen aus anderen Kulturkreisen etc. Die gelisteten Feiertage der Heiligen richten sich nach den Angaben der Informationsseite „All Saints & Martyrs“ [12].

Auch katholische Monarchen finden sich im Buch, da sie zum Teil bereits selig- oder heiliggesprochen worden sind.

Zu den Autoren

Michael E. Habicht ist promovierter Archäologe und Ägyptologe und hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien zu Mumien und medizinhistorischen Themen publiziert, darunter Studien zu den Königinnen Meresankh III. und Nefertari [13,14]. Zusammen mit Joachim Schleifring wurden sowohl Studien zu Charlemagne und ein Buch über Mumien in drei Teilen veröffentlicht [15–19].

Michael Habicht ist seit 2021 Mitglied des FAPAB Research Center (Forensic Anthropology, Palaeopatholoy & Bioarchaeology), welches sich mit Bioarchäologie beschäftigt [20–25]. Er hat sich auch mit geheimnisvollen Objekten wie dem Heiligen Gral befasst [26].

Joachim H. Schleifring ist Anthropologe und Paläontologe und hat verschiedene Untersuchungen an spätantiken und mittelalterlichen Gräbern durchgeführt, wie die frühmittelalterlichen Adelsgräber von Moos-Burgstall [27]. Bekannt ist er besonders durch seine Studien zu Karl dem Großen [15,28,29] und der Untersuchung der Gebeine des Hl. Ludgerus (Liudger) in Essen [28–30].

Ikonen und Reliquien

Die katholische Kirche unterscheidet zwischen Abbildern von Heiligen (Ikonen) und dem effektiven Körper der Heiligen (Reliquie ersten Ranges) und Objekten, welche dem Heiligen gehört haben (Reliquie zweiten Ranges) und Kontaktreliquien, welche in der Regel Heiligenbilder sind, welche kurz mit den echten Reliquien in Kontakt standen und daher ebenfalls einen Hauch des Heiligen annehmen. In diesem Sinne könnte man auch Röntgenbilder und digitale Gesichtsrekonstruktionen, welche auf einem 3D Scan der Reliquie erstellt wurden, ebenso die Eigenschaft einer Kontaktreliquie zuschreiben.

Jesus Christus

Die Debatte, wie Jesus von Nazareth ausgesehen hat, scheint ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. eingesetzt zu haben, wie christliche Quellentexte nahelegen [31]. Sie zeichnen ein vollkommen gegensätzliches Bild: Apokryphe Akten der Apostel wollten ihn als jungen Mann sehen, der dem antiken Schönheitsideal entsprach, während frühchristliche Autoren wie Justin der Märtyrer oder Clemens Alexandrius sich auf Jesaia 53,2-3 beriefen, wonach der leidende Gottessohn unansehnlich gewesen sei. Später setzte sich die theologische Auffassung durch, dass Jesus, basierend auf dem Psalm 45,3 von großer Schönheit gewesen sei. Erst die Passion des Gottessohnes habe diesen im Tod entstellt. Diese Auslegung setzte sich bei der Darstellung von Christus durch.

Zunächst wurde Christus gar nicht direkt dargestellt, sondern durch Symbole wie Fisch oder Lamm repräsentiert. Erst ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. begannen frühchristliche Künstler damit, Jesus darzustellen. Die frühen Bilder von Christus zeigen ihn jugendlich, bartlos, mit Nackenlocken und gekleidet in Tunika und Mantel, was der Mode der frühen Kaiserzeit im Römischen Reich entsprach. Zum Teil wurden auch mythologische Gestalten der heidnischen Zeit für Christus adaptiert, wie Orpheus oder der Sonnengott Helios. Das Bild von Christus mit Bart, welches unser heutiges Bild von Jesus prägt, scheint sich erst langsam entwickelt zu haben. Die Künstler griffen dabei auf die Darstellung der antiken Philosophen zurück und im 4. Jahrhundert entstand das Abbild von Jesus als ernstem, etwas älteren Mann mit langen Haaren und Bart. Dieses Bild von dem herrschenden Christus, ausgestattet mit Elementen des spätantiken Herrscherbildes wurde dann zum Standard. Nimbus, Redegestus, Purpurkissen und Thron zeichnen Christus nun als Herrscher der Welt aus. Der Versuch, das reale Aussehen von Christus zu rekonstruieren, basierend auf historischen Methoden steht in einen gewissen Gegensatz zur christologischen Lehre der Theologie. Die Suche nach dem realen, historischen Jesus begann erst im 18. Jahrhundert und ist in drei grosse Phasen unterteilbar. Die erste dauerte vom 18. bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts. Danach trat eine methodische Erschöpfung ein und das Thema wurde erst in der zweiten Phase (ca. 1950-1970) neu belebt. Die dritte Phase setzte ab 1980 ein und dauert bis heute an.

Die historische Existenz von Jesus und die wichtigsten Ereignisse in seinem Leben gelten wissenschaftlich als sicher. Das reale Aussehen aber gehört nicht zum sicheren Wissen über Jesus, dafür sind die frühen Beschreibungen und Darstellungen schlicht zu sehr voneinander abweichend. Ein bekanntes Buch dieser Forschungsrichtung ist das Werk von Albert Schweitzer. Schweitzer gab allerdings die historische Forschung nach Jesus als Zeitverschwendung auf und ging als Arzt und Missionar nach Afrika. Die Resultate der zweiten Suchphase sind heute wenig bekannt, sind aber auch nie widerlegt worden [32]. Sie zeigen das theologische Widersprüche zum Teil als Hinweise auf reale Ereignisse hindeuten. So die Taufe von Jesus durch Johannes den Täufer ist theologisch sinnlos da Jesus als sündenlos gilt und Johannes während der Taufe hierarchisch über Jesus zu stehen scheint. Gerade dieser Widerspruch deutet darauf, dass die Taufe in der historischen Realität stattgefunden haben dürfte.

Die dritte Phase der Suche nach Christus begann etwa 1980 und wurde ohne eindeutigen Auftrag oder Ziel begonnen. Jedoch wurden nun klare Kriterien definiert, die sind unter anderen:

Kriterium der historischen Plausibilität (das geschilderte Ereignis muss in den historischen Kontext der Epoche passen).

Das Kriterium der Kongruenz, ein unterstützendes Argument für die Hypothese, wenn Beobachtungen auf der Grundlage anderer Daten zu ähnlichen Schlussfolgerungen führen.

Das Kriterium des Vorhandenseins von aramäischen Elementen (Kriterium des palästinensischen Umfelds hält eine Äußerung für authentisch, wenn sie dem palästinensischen Umfeld zur Zeit Jesu entspricht).

Die Archäologie der Region und Zeitepoche.

Die Miteinbeziehung aller Forscher weltweit, explizit auch Nicht-Christen. Insbesondere jüdische Forscher können wesentliche Beiträge zur Zeit des Zweiten Tempels beitragen.

Von einer Rekonstruktion des realen Aussehens von Jesus von Nazareth ist die Forschung noch weit entfernt. In diesem Zusammenhang gibt es aber eine interessante Nebenstraße in der Kunstgeschichte: Ikonen, welche als nicht von Menschen gemacht gelten. Manche Experten vermuten, die Ikone im Katharinenkloster sei nach den Informationen des Turiner Grabtuches geschaffen worden, denn die Proportionen, die großen Augen und die lange Nase stimmen sehr genau mit dem Grabtuch überein [33].

Abbildungen 1

Ein digital aus den Daten des Turiner Grabtuches entwickeltes Rekonstruktionsbild, welches das Aussehen des Mannes zeigt: Handelt es sich um das reale Aussehen von Jesus? Copyright 1

Eine der frühesten Darstellungen von Jesus Christus zeigen ihn bartlos und mit römischer Toga, so wie man es von einem hellenisierten jüdischen Rabbi der frühen römischen Kaiserzeit erwarten kann. Dargestellt ist die Heilung einer blutfüßigen Frau, Wandmalerei in der Marcellinus-Peter-Katakombe in Rom. Copyright2

Die Christus-Pantokrator-Ikone im Katharinenkloster (Sinai) gehört ins 6. Jahrhundert und ist eine der ältesten erhaltenen Ikonen. Sie definiert das heutige Bild von Jesus. Copyright 3

Das Pilgermedaillon von 1357 zeigt erstmals das Grabtuch von Turin. Copyright 4

Das Gesicht zeigt Christus in der klassischen Ikonographie mit Bart. Links: Das Photo-Negativ der ersten Aufnahme von 1898. Copyright 5

Ein Ausschnitt aus dem Turiner Grabtuch (rechts) und das Photo-Negativ, welches den Kultstatus rund um das stark umstrittene Tuch massiv befeuert hatte. Copyright 6

Das Grabtuch von Turin

Der Begriff Acheiropoieton (ἀχειροποίητον, Latein: non manufactum) aus der Bildtheologie der östlichen Orthodoxie beschreibt ein Kultbild (Ikone), welches der Überlieferung nach nicht von einem Künstler geschaffen wurde. Diese Kunstwerke sind von „Gott geschenkt“ und der Begriff ist ab dem 6. Jahrhundert in Quellentexten belegt. Diese Gattung der Kunst scheint das heutzutage vorherrschende Bild von Jesus als Mann mit Bart zu stützen. Eine andere Bezeichnung dieser Gattung ist „Vera Ikon“ (ein Komposit-Wort aus dem Lateinischen vera „wahrhaftig“ und Griechischen εἰκών für „Bild“).

Diese Idee spielt übrigens bis heute beim Urheberrecht, das seit 2020 in Europa gilt, eine (vermutlich) unbewusste Rolle. Röntgenbilder und Scan-Bilder, welche nach dem Auslösungsbefehl durch eine Maschine ausgeführt werden, haben kein Urheberrecht, da sie nicht von einem Menschen als bewusster, künstlerischer Akt geschaffen oder gestaltet angesehen werden. Genau diese bewusste Gestaltung, so dilettantisch sie auch bei einem Schnappschussphoto sein mag, ist die Voraussetzung, dass ein Urheberrecht entsteht.

Da die Beurteilung dieser Kunstwerke hochkontrovers ist, spricht die katholische Kirche bei solchen Werken, insbesondere beim Grabtuch von Turin, von Ikonen und nicht von Reliquien.

Zur Gattung Acheiropoíeton zählen:

Das Grabtuch von Turin

Der Schleier von Manopello

Das Schweißtuch aus Oviedo (Spanien)

Das Schweißtuch der Veronika

Das Sudarium Christi, das Schweißtuch der Veronika soll entstanden sein als die heilige Veronika Christus auf dem Weg nach Golgota ein Tuch reichte, damit dieser sich Schweiß und Blut vom Gesicht abwischen konnte. Dabei soll sich das Gesicht von Jesus in das Tuch eingeprägt haben. Dieser Abdruck wird auch als „Veronikabild“ bezeichnet. Im Mittelalter behaupteten verschiedene Orte, im Besitz des wahrhaftigen Tuches zu sein. Das Schweißtuch der Veronika gilt als eine der kostbarsten Reliquien und soll sich in einem Tresor im Veronikapfeiler (ein Vierungspfeiler) in Sankt Peter in Rom befinden. Im Jahre 1616 wurden fünf Kopien des Tuches hergestellt, darunter auch das Wiener Schweißtuch, welches 1721 an den Kaiser Karl VI. verschenkt wurde und heute in der Wiener Hofburg in der Schatzkammer ausgestellt ist.

Auch der Schleier von Manopello ist ein „Veronikabild“ und stellt das Gesicht von Jesus dar, auch dieses Tuch könnte echt sein [34]. Andere Experten betonen aber, dass Bild sei offensichtlich gemalt und von minderer künstlerischer Qualität [35].

Beim Grabtuch von Turin treffen Glaube und Wissenschaft direkt aufeinander – dies macht den außerordentlichen Reiz dieses geheimnisvollen Objekts aus. Von allen nicht von Menschenhand gemachten Ikonen ist das Grabtuch von Turin (Sindone di Torino) heute am bekanntesten. Manche bezeichnen es als das wichtigste Objekt des Christentums. Es liegen unzählige Publikationen vor, welche ganz verschiedene Aspekte vertiefen [36–38].

Diesen Bekanntheitsgrad hat das Grabtuch aber erst nach der Publikation der Photographien erlangt. Denn nur auf der Photographie, genauer dem Negativbild, tritt das Gesicht deutlich zu Tage. Da erst mit moderner Technologie das wahre Aussehen zu Tage trat wurde als Argument genommen, dem Grabtuch eine mögliche Echtheit zuzubilligen. Demnach wäre das Grabtuch eine textile Oberfläche, auf dem sich ein Körper wundersam abgebildet hatte [36].

Das Grabtuch wurde erstmals 1898 und erneut 1931 photographiert. Damals wurde der Photographie selbst ein acheiropoietischer Charakter zugeschrieben, was alles andere als abwegig ist, da das Bild als Resultat chemischer Prozesse entsteht und der Mensch nur den Auslöser betätigt.

Das Turiner Grabtuch ist aus Leinen, es ist 4,36 Meter lang und 1,10 Meter breit. Es zeigt das Abbild eines Mannes in Vorder- und Rückansicht. Anhänger der Echtheit betrachten es als Leichentuch von Jesus das ihn vorne und hinten bedeckte.

Es gibt allerdings erhebliche Zweifel an der Echtheit. So ist das Tuch erstmalig im 14. Jahrhundert dokumentiert und eine mehrfache Radiokarbondatierung aus dem Jahr 1988 deutet darauf hin, dass es erst im Hochmittelalter entstanden ist (die Datierung lautet auf 1260 bis 1390 n. Chr. der Mittelwert, der als am wahrscheinlichsten gilt ist 1325 n. Chr.).

Auch technisch-perspektivische Einwände existieren: Wenn das Tuch in direktem Kontakt mit einem menschlichen Körper gewesen wäre, dann hätte es starke Verzerrungen abbilden müssen, insbesondere beim Kopf. Für einige Forscher ist das Abbild eine Projektion, eventuell eine frühe Vorstufe der Photographie.

Eventuell handelt sich um eine geschickt gemachte Malerei, die dazu diente, Pilger anzuziehen.

Im Jahr 1352 erhielt Geoffroy de Charny vom französischen König Jean II. Le Bon (Johann II. dem Guten) den Auftrag eine Stiftskirche in Lirey (bei Troyes) zu erbauen. Dort wurde das Grabtuch erstmals gezeigt, da es ein erhaltenes Pilgermedaillon mit dem Wappen des Ritters Geoffroy de Charny und seiner Frau Jeanne de Vergy gibt. Das Medaillon datiert auf 1357. Durch Erbschaft ging das Tuch schließlich 1453 in den Besitz des Adelshauses der Savoyer über, welche die letzte Königsfamilie von Italien sein sollte. Daher ist das Grabtuch heute in Turin.

Es besteht allerdings die Möglichkeit, wonach das Grabtuch von Turin, zuvor als das Grabtuch von Lirey bekannt, schon wesentlich früher unter einem anderen Namen bekannt war. Eventuell ist es identisch mit dem Grabtuch von Edessa, das auch als „Abgar-Bild“ oder „Mandylion“ bekannt ist.

Dieses Tuch ist seit der Spätantike bekannt, es verschwand 359 und wurde im 6. Jahrhundert in der Stadtmauer von Edessa eingemauert wiederentdeckt. 944 wurde das Abbild nach Konstantinopel verlegt und verschwand 1204 als die Kreuzritter die Stadt plünderten.

Es ist allerdings umstritten, ob das Grabtuch von Edessa und das Tuch von Turin ein und dasselbe Tuch sind. Das Mandylion scheint nur den Kopf von Jesus darzustellen, während das Grabtuch den ganzen Körper von beiden Seiten abbildet. Befürworter einer Gleichsetzung müssen dann damit argumentieren, dass das Mandylion so zusammengelegt war, dass man in der Regel nur das Gesicht von Christus sah.

Eine Forschungsübersicht wurde vor 23 Jahren publiziert [39]. Auch zahllose Dokumentarfilme und Vorträge zum Thema geistern im Internet herum. Das Thema beschäftigt die Öffentlichkeit, besteht doch, theoretisch, die Möglichkeit eines Bildes von Jesus von Nazareth vor uns zu haben. Oder einen dreisten Reliquienbetrug des Hochmittelalters.

Für das Grabtuch spricht, dass es eigentlich ein Negativbild eines Gekreuzigten darstellt, erst im Photo-Negativ, dass in diesem besonderen Fall dann ein Positiv ist, wird das Aussehen des Mannes wirklich erkennbar. Wie hätte ein Fälscher des Mittelalters auf diese Idee kommen können. Andere Tücher stellen Christus auf dem Tuch als Positiv dar, sind also technisch gesehen als Abdruck falsch. Nur das Grabtuch von Turin ist als Negativ korrekt.

Die Verletzungen des Mannes bezeugen Auspeitschung und Speerstich in die Seite, die Kreuzigungsmerkmale sind nicht in der Hand, sondern an der Handwurzel, was der historisch korrekten Kreuzigungsmethode der Römer entspricht. Den meisten Künstlern des Mittelalters war dies nicht bekannt und sie malten Jesus mit Stigmata in den Handflächen. Tests von 1978 belegten zudem echtes Blut auf dem Tuch.

Die Wunden des dargestellten Mannes auf dem Tuch gehen weit über die Erwartungen der Menschen im Mittelalter hinaus. Wie hätte ein Fälscher diese Erwartung übertreffen und dabei auch noch medizinisch absolut korrekt wiedergeben sollen und können?

Auch heute würde nach Meinung von Rettungsärzten kaum jemand solche Verletzungen überleben können. Durch das Hineintreiben des Nagels in die Handwurzel kommt es zu einer Ruptur der Handnerven. Dies ist äußerst schmerzhaft und führt zum mechanischen Einklappen des Daumens unter die Handfläche. Auf dem Grabtuch sind die Daumen nicht sichtbar – im Gegensatz zu den Darstellungen in der Kunst. Auch hier ist das Grabtuch forensisch korrekt [33,40].

Neuere Analysen deuten erneut in eine andere Richtung als auf eine Fälschung [41]:

Wenn das Turiner Grabtuch ein gemaltes Kunstwerk ist, dann müsste die Farbe das Leinentuch durchdrungen haben. Doch der Negativabdruck hat nur Spuren auf der Oberfläche des Tuches und die fundierte Untersuchung von 1973 konnte keine Pigmente nachweisen. Nur die obersten Fasern der Leinenfäden sind verfärbt. Dies ist unmöglich, wenn ein Maler das Bild kunstvoll aufgetragen hätte.

Damit ist recht sicher:

Das Grabtuch von Turin ist nicht gemalt.

Die Radiokarbondatierung von 1988 zerstörte zunächst die Hoffnung, das Tuch könnte doch echt sein. Doch ein Fälscher konnte das Tuch nicht bemalt haben.

Die Untersuchung der Forschungsgruppe STURP konnte nachweisen, dass zwar das Blut das Leinengewebe bis auf die Unterseite durchtränkt hatte, dies galt aber nicht für das Abbild des Mannes. Das Blut wurde getestet und erwies sich als echt [33].

Auch eine Versengung wurde damals verneint. Das Abbild des Mannes ähnelte zwar den Brandflecken, doch unter Ultraviolettlicht sieht man nur noch die Brandspuren, nicht aber das Abbild des Mannes [33].

Nur die Radiokarbondaten scheinen die Echtheit in Frage zu stellen. Sind die Radiokarbondaten durch ein Ereignis in der Geschichte des Tuchs verfälscht worden?

Der Physiker Giulio Fanti bejaht dies: Im Jahr 1532 war das Tuch einem Feuer ausgesetzt und konnte gerettet werden. Das Tuch wurde nachweislich mindestens einmal beschädigt. Die Brandlöcher, erzeugt vom teilweise geschmolzenen silbernen Behälter aus dem es gerettet wurde, sind noch heute sichtbar. Das Tuch wurde repariert, mit Fäden aus der Renaissance, geflickt von Nonnen. Dabei wurden nachweislich auch Baumwollfäden verwendet. Es ist daher anzunehmen, dass die Proben von 1988 auch Fäden der Reparatur enthielten und damit die Datierung verfälschten. Photos der Proben in Oxford existieren noch immer. Flecken und nachträglich eingewebtes Material ist erkennbar, Hitzeschäden wie ein Einschrumpfen sind nachweisbar.

Fanti konnte einzelne Fasern von 1978 organisieren und entwickelte neue Datierungsmethoden. Der Faser-Belastungstest, der misst, wie die Tragfähigkeit mit dem Alter abnimmt. Die Faser zeigte eine Datierung ins 4. Jahrhundert n. Chr. Damit wurde die Radiokarbondatierung als kontaminiert entlarvt, doch ist das Resultat noch immer weit von 30 n. Chr. entfernt.

Der Lichtreflexionstest zeigte, dass die Faser kaum noch reflektierte, was auf 300-200 v. Chr. deutete. Ein ermittelter Durchschnittswert lautete auf 33 v. Chr. Somit könnte ein altes Leinentuch für das Grabtuch verwendet worden sein.

Mit einer gewaltigen elektrostatischen Entladung mit hunderttausenden Volt über mehr als 24 Stunden konnte Fanti eine ähnlich aussehende Kopie herstellen. Das Tuch lag über einer Modellpuppe. Doch wie konnte in der Antike (oder im Mittelalter) eine solche Energieentladung produziert werden?

Eine neue Methode, „Wide-Angle X-ray Scattering“ (WAXS) untersuchte die natürliche Alterung von Leinen und kam zum Resultat, dass das Grabtuch von Turin etwa 2000 Jahre alt ist [42–44]. Akzeptiert man dies, ist das Grabtuch als ein Objekt aus der Zeit von Jesus von Nazareth zu betrachten. Die neue Methode war in den Jahren zuvor auf ihre Validität hin geprüft worden [45].

Neue 3D Untersuchungen zeigten, dass das Bild auf dem Leinen ein dreidimensionales Abbild und keine zweidimensionale Photographie ist.

Der Schweizer Wissenschaftler Max Frei konnte in den 1970er Jahren zudem auf dem Grabtuch Pollen nachweisen [46].

Neben Pollen aus Europa, welche dort abgelagert wurden, als das Tuch in Frankreich und Italien war, konnte Frei auch Pollen aus dem Gebiet um Konstantinopel, Edessa und Jerusalem finden. Sind dies die Stationen der Reise, welche das Tuch unternahm? Bisher wurden 58 Pollenarten nachgewiesen, 28 davon kommen nur im Nahen Osten vor [33].

Geht man von der Arbeitshypothese aus, wonach das Grabtuch eine Fälschung ist, dann muss man erklären können, wie ein Betrüger vor über 800 Jahren es hergestellt hatte. Die starke Perspektive des Körpers ist für das Kunstschaffen des Hochmittelalters nicht typisch.

Vieles hätte der Fälscher mit grossem Aufwand erforschen müssen, eine Arbeit, die er sich hätte sparen können, da die Menschen des Mittelalters solche wissenschaftlichen Fragen gar nicht gestellt haben.

Aus dem Bild von Turin haben Pathologen geschlossen, dass der Mann wegen der Sturzwunde am linken Knie vermutlich Rechtshänder war [40,46].

Experten fanden zudem heraus, dass verschiedene Blumen rund um den Leichnam lagen und ihre Spuren auf dem Tuch hinterließen. Die 28 Blumen verschiedener Art blühen im März und April, also der Osterzeit [33]. Die Sitte, bei Ritualen ein symbolisches Tuch mit Blumen zu schmücken wird noch heute in der orthodoxen Kirche praktiziert. Es erstaunt wenig, dass die nachgewiesenen Blumensorten aus dem Raum Jerusalem stammen, einige davon praktisch nur in dieser Gegend [33].

In der spätantiken und frühchristlichen Kunst gibt es keine Übereinstimmung, wie Christus ausgesehen hatte. Mit der Entdeckung des Mandylions änderte sich das aber schlagartig. Nun wird ein einheitliches Bild von Christus in der Kunst verwendet. Dies weil die Christen glaubten in dem Tuch das reale Aussehen Christi erkannt zu haben? Eventuell ist das Mandylion auch als Tetradyplos (das vierfach gefaltete bezeichnet) und im zusammengelegten Zustand ist auch nur das Gesicht zu sehen - identisch mit dem Grabtuch von Turin? [46].

Weitere Fakten versammeln sich:

Das Standard-Christus-Bild entstand im 6. Jahrhundert in Edessa und verbreitete sich rasend schnell.

Das Blut auf dem Tuch wurde als Blutgruppe AB identifiziert. Diese Blutgruppe ist in Israel stärker verbreitet als in anderen Gebieten. Zudem wurde der sogen. Cohen-Haplotyp nachgewiesen, also Abkömmlinge der Leviten, der Priesterklasse [47].

Als Schlussfolgerung bleibt: Es besteht jede Chance, dass das Grabtuch von Turin tatsächlich echt ist. Also das Tuch das einen gekreuzigten und mit Dornenhaube bekrönten Mann im Grab umgeben hat. Der vergilbungsartige Abdruck des Körpers in ungewöhnlicher Dreidimensionalität ist nicht gemalt, sondern durch extrem hohe Energie entstanden. An diesem Punkt sind wir am Punkt des Glaubens: Wer an die Auferstehung von Christus glaubt, hat hier den greifbaren Beweis.

Klar ist hingegen auch, die wissenschaftliche Beschäftigung der Forscher mit dem Grabtuch hat die wissenschaftlichen Methoden vorangetrieben und neue Datierungsmethoden entwickelt.

Es ist vorgesehen, im Jahr 2025 das Grabtuch erneut öffentlich zu zeigen.

Als provisorisches Fazit bleibt:

Das Grabtuch von Turin ist:

Kein Gemälde.

Sondern chemisch veränderte Fasern auf der Oberseite der Fäden, welche ein Bild ergeben.

Dieses schwache, nur aus der Distanz vage erkennbare Bild könnte durch grosse Licht- oder Hitzeentwicklung entstanden sein.

Das Bild ist ein dreidimensionales Negativbild.

Erst mit der Photographie konnte 1898 erstmals das Positivbild mit dem Photonegativ gewonnen werden.

Wir haben das dreidimensionale Gesicht eines bärtigen Mannes der eine Dornenkrone trug, gegeißelt und gekreuzigt wurde.

Das Blut ist menschlich und wurde als Blutgruppe AB identifiziert. Das Blut durchtränkte das Tuch, dies unterscheidet das Blut vom Abbild, das nur auf den oberen Fasern vorkommt.

Das Grabtuch zeigt die Kreuzigung im Bereich der Handwurzel, dies löst eine Ruptur des

Nervus medianus

aus, die Daumen werden nach innen gedreht. Es ist forensisch korrekt.

Dem Mann wurde eine Wunde in der Seite zugefügt, welche von einer Lanze stammen könnte.

Die Pollen belegen eine Herkunft aus dem Raum Jerusalem.

Die Radiokarbondatierung scheint der antiken Herkunft zu widersprechen. Es scheint aber eine Kontamination durch spätere Reparaturen vorzuliegen.

Wide-Angle X-ray Scattering datiert das Leinen auf 2000 Jahre alt.

Der ungarische Codex Pray scheint das Grabtuch zu zeigen. Der Codex datiert früher (1192-1195) als der Range der Radiokarbondatierung (1260 bis 1390).

Ein Pilgerabzeichen belegt das Tuch in Lirey sicher für die Zeit um 1357.

Es ist umstritten, ob das Mandylion von Edessa und das Grabtuch von Turin ein und dasselbe Objekt sind. Es ist aber möglich, vermutlich sogar wahrscheinlich.

Der Mann auf dem Grabtuch war etwa 5 Fuss 11 Inch groß, dies sind rund 180 cm. Ein Gewicht von 175 Pfund wurde vermutet, also rund 80 Kilogramm schwer.

Die Masse des Tuches in antiken Ellen sind 2 x 8. Dies spricht für eine Herkunft aus der Antike.

Wie sehr der Wind seit 1988 gedreht hat, zeigt die Preisgeldausschreibung: Wer glaubt das Tuch sei aus dem Mittelalter und von einem begabten Fälscher gemacht – der soll bitte die Methode der Fälschung wissenschaftlich glaubhaft erklären und 1 Million Dollar Preisgeld in Empfang nehmen [48].

Heute ist das Grabtuch das vermutlich am besten studierte und untersuchte Einzelobjekt der Menschheitsgeschichte. Ein Artikel von 2022 gibt an, dass es auf Google Scholar 12‘000 Links gibt, die Wissenschaftsseite Academia.edu hat rund 4000 wissenschaftliche Arbeiten und die Homepage Shroud.com listet 400 als essentiell eingestufte Facharbeiten, dazu kommen zahllose Bücher, Videos, Konferenzbeiträge [37,38,44].

Wer sich intensiver mit dem Thema auseinandersetzt muss sich ernsthaft fragen, wenn es nicht das Grabtuch von Jesus ist, was ist es dann?

Simon Petrus

Sein Gedenktag ist der 29. Juni (zusammen mit St. Paulus).

Simon Petrus, geboren wohl zur gleichen Zeitperiode wie Jesus von Nazareth in Galiläa, evtl. Geburt1 n. Chr. Als Geburtsort wird allgemein Betsaida angenommen, eine Ortschaft am See Genezareth, ebenso bei seinem Bruder Andreas. Er soll der Überlieferung nach in Rom 64 oder 67 nach Christus verstorben sein bzw. soll den Märtyrertod erlitten haben [49].

Er gilt als historisch real, gewisse Aspekte seines Lebenslaufs sind aber nicht gesichert. So wird sein Aufenthalt in Rom in der Bibel nicht erwähnt, somit auch kein Treffen dort mit Paulus. In den Evangelien wird Simon Petrus von Jesus stets als Simon angeredet (hebräisch Simeon / Schim‘0n) und in Matthäus 16,17 wird er als Simon Bajona (Simon, Sohn des Jona) angesprochen. [49].

Es ist Paulus von Tarsus, welcher Simon Petrus als Kephas (Κηφᾶς) bezeichnet, abgeleitet von Kep‘ כיפא was „Stein“ bedeutet. In der griechischen Übersetzung des Briefes von Paulus an die Galater wird daraus Πέτρος (Pétros), Stein oder Fels [50].Petrus ist wohl als Beiname zu verstehen, den Jesus seinem Jünger Simon gegeben hat. Die Bibel überliefert keine Informationen zur sozialen Herkunft oder dem Alter von Simon Petrus. Simon Petrus hat aber einen Bruder namens Andreas, der ebenfalls erwähnt wird. Simon Petrus und Andreas waren Fischer am See Genezareth, wo sie am Seeufer auf Jesus trafen. Simon Petrus scheint auch verheiratet gewesen zu sein und wohnte mit seiner Familie in Kafarnaum. Der Name seiner Frau ist nicht überliefert. Dies war in der Lebensrealität der damaligen Zeit normal und auch zu erwarten. Die Bibel verbot auch nicht die Ehe als solche, sondern verdammte nur die Ehescheidung (Matthäus 5,32).

Aus der Bibel lässt sich ermitteln, dass Simon Petrus zum innersten Kreis der Jünger gehörte (zusammen mit Jacobus dem Älteren, Johannes und – umstritten – Maria Magdalena).

Nach der Auferstehung Christi ist es vor allem das Lukasevangelium, welches die Geschichte von Simon Petrus weiter überliefert. Das Neue Testament beschreibt weder eine Romreise von Simon Petrus noch seinen Tod in Rom. Es ist der erste Clemensbrief, der zwischen 90 und 100 n. Chr. entstand, welcher den gewaltsamen Tod andeutete aber keine genauen Angaben macht was mit „Zeugnis ablegen“ und dem Hingelangen an den ihm gebührenden Ort der Herrlichkeit genau gemeint war. Daraus abzuleiten, es wäre sein Märtyrertod gemeint, ist nur eine Interpretation, keine Tatsache. [1. Clemensbrief, Kap. 5.4, s. Heiligenlexikon].

Tod und Bestattung

Der Tod von Petrus ist ein entscheidender Moment für den Vatikan, denn mit diesem Ereignis beginnt die Geschichte der Päpste als Nachfolger von Petrus. Von Petrus leitet sich der Primatsanspruch des Bischofs von Rom und Papst über die Christenheit ab. Es wird angenommen, dass Petrus nach seinem Tod auf dem Vatikanhügel begraben wurde, in der Nähe des Ortes, an dem er sein Martyrium erlitt [51]. An diesem Ort wurden seit Caligula Wagenrennen veranstaltet und selbst blutige Spektakel, auch Kaiser Nero fand daran Gefallen. Dort soll also Petrus den Tod gefunden haben, verkehrt herum gekreuzigt. Mitte des 2. Jahrhunderts wurde der Zirkus aufgegeben und er wandelte sich nach und nach zu einem Begräbnisplatz [52].

Zunächst wird ein unscheinbares Grab an der unprätentiösen Via Cornelia den Leichnam des Petrus aufgenommen haben. Das Sträßchen führte an der Nordmauer des Neronischen Circus vorbei durch den Ager Vaticanus. So könnte es gewesen sein, aber es gibt auch Forscher, die bezweifeln, dass Petrus überhaupt jemals in Rom war und folglich auch dort nicht gestorben und begraben sein kann [53]. In der Antike geriet das Gebiet erst wieder Anfang des 4. Jahrhunderts ins Rampenlicht, weil seit 324 n. Chr. das Christentum zur anerkannten Religion wurde und die erste Basilika deshalb an dieser Stelle errichtet wurde. Dies geschah wohl nur, weil man damals genau zu wissen glaubte, wo das Grab von Petrus lag [50].

Kaiser Konstantin I., auch bekannt als Konstantin der Große, hatte den Auftrag gegeben. über der Lage des Petrus-Begräbnisses die erste Kirche zu errichten, zum Gedenken an Martyrium und Tod des Apostels. Diese Kirche wird als „alter Petersdom“ bezeichnet, um zwischen dem heutigen und dem alten Gebäude zu unterscheiden. Offenbar gab Konstantin vor, die für den Kirchenbau notwendigen Erdarbeiten so zu fokussieren, dass das dort lt. Überlieferung befindliche Petrusgrab geschützt wurde. Anstatt hangaufwärts auf einer ebenen Stelle zu bauen, musste das Bodenniveau angehoben und Gräber entfernt werden um die Basilika überhaupt errichten zu können [50,52].

Die genaue Lage des Grabes wurde aber erst kurz vor Weihnachten des Jahres 1950 offiziell von Papst Pius XII. verkündet [52].

Ab den 1940er Jahren wurde in den Katakomben unter St. Peter archäologisch gegraben. Prälat Ludwig Kaas, ein deutscher Priester und Politiker der vor den Nazis geflohen war und den der spätere Papst Pius XII. zum Leiter der „Bauhütte von St. Peter“ (Fabbrica di San Pietro) ernannt hatte, wurde geholt und inspizierte den Fund. Zunächst glaubte er, auf eine Mauer des „Zirkus von Caligula und Nero“ gestoßen zu sein, der sich im 1. Jahrhundert zu Füßen des vatikanischen Hügels erstreckte. Doch bald zeigte sich, dass die Mauer keineswegs zu einem antiken Zirkus gehört haben konnte. Ihre Innenseite war mit bemaltem Stuck verziert [50].

Je weiter man grub, desto deutlicher wurde, dass sie Teil eines kleinen, quadratischen Gebäudes war, dessen Dach einst abgetragen worden war. Doch erst als die Arbeiter auf eine Reihe von Rot bemalten, säulengesäumten Nischen stießen, in denen Urnen standen, stand fest, dass es einst eine Grabkammer gewesen sein musste. Bald hatte der Prälat ein Team verschwiegener Experten aus den Reihen des Päpstlichen Institutes für Christliche Archäologie, dem Architekten des Vatikans und Arbeitern der Bauhütte von St. Peter zusammengestellt und die machten sich im Geheimen ans Werk [50].

Das eigentliche Ziel war der Ausbau der vatikanischen Grotten um zukünftige Päpste dort bestatten zu können. Aber jetzt erfuhren die Arbeiten ein ganz anderes Ziel: Es bestand die große Hoffnung der Wiederentdeckung des Petrus-Grabes.

Die Archäologen fanden schon nach zwei Monaten das Grab des Gaius Valerius Herma, eines reichen Freigelassenen, das in das zweite Jahrhundert datiert werden konnte. Er selbst war nach Zeugnis von Stuckfiguren heidnischer Götter noch kein Christ, aber seine Familienangehörigen scheinen sich im 3. Jahrhundert dem Christentum zugewandt zu haben. Sarkophage in der Grabkammer wurden mit dem Christusmonogramm geschmückt und es ergab sich der erste Hinweis auf eine Petrusverehrung in dieser antiken Totenstadt aus dem frühen 4. Jahrhundert in Form einer unbeholfenen Kohlezeichnung von Christus und vor ihm ein bärtiger Mann. Darunter war eine lateinische Inschrift gekritzelt, von der nur noch die ersten Worte lesbar waren: „Petrus, bete (zu) Christus Jesus für die heiligen…“ [50].

In einem gepflasterten Gebiet mit Ziernischen wurden tatsächlich Knochen gefunden und Graffiti. Zunächst wurde 1950 lediglich verkündet, man habe das Grab von Petrus lokalisiert.

Erst 1964 wurden die Gebeine öffentlich präsentiert als diejenigen von Petrus [54]. Ob es sich bei den der Weltöffentlichkeit vorgestellten Gebeinen wirklich um Petrus handelte, ist umstritten geblieben. Archäologisch gefunden wurde die Stelle an welcher die Christen zur Zeit von Kaiser Konstantin und danach das Grab von Petrus vermuteten. Dies ist unbestritten.

Doch sind es auch wirklich die Gebeine von Petrus? Insgesamt wurden zunächst mehr als 135 Knochen gefunden, ein ganzes Skelett, lediglich der Schädel fehlte. Das Fehlen des Schädels könnte sogar die Echtheit bestätigen, denn seit dem 11. Jahrhundert sind die Köpfe von Petrus und Paulus als Reliquien in der Lateranbasilika in Reliquienbehältern aufbewahrt. Leider zeigte eine spätere Untersuchung, dass es nicht die Gebeine eines einzelnen Mannes, sondern von mehreren Personen, darunter eine Frau und zwei relativ junge Männer waren [55,56].

Dann zog man die renommierte Wissenschaftlerin Margherita Guarducci hinzu, welche die Inschrift richtig deutete und den bei der Ausgrabung ohne großes Aufheben entfernten Grabinhalt im Archiv lokalisierte. Sie konnte die Inschrift als "Petros Eni" («Hier ist Petrus») lesen und eine Kiste mit Knochen, welche aus dieser Nische geborgen worden war, fand sich im Archiv des Vatikans [50].

Anstatt eines beinahe kompletten Skelettes waren es nun nur noch wenige Knochen. Es handelt sich um die Gebeine von nur einer einzigen Person, eines 60 bis 70 Jahre alten Mannes mit kräftiger Statur und einer Körpergröße von 170 cm (nur geschätzt). Die Gebeine waren mit einem golddurchwirkten Purpurtuch umhüllt [57].

Die Knochen scheinen mit den historischen Berichten zum Tod von Petrus vereinbar zu sein. Von allen Körperpartien wurden Fragmente gefunden – außer den Füßen. Da Petrus kopfüber gekreuzigt wurde, scheinen die Römer bei der Abnahme einfach die Leiche am Fußansatz abgehackt zu haben um die Leiche von Kreuz zu holen. Die Füße blieben wohl am Kreuz festgenagelt zurück [55].

Zum Abschluss des "Jahrs des Glaubens", es wurde am 11. Oktober 2012 eröffnet, zeigte der Papst erstmals öffentlich während einer Messe auf dem Petersplatz, zu der rund 60.000 Gläubige kamen, einen bronzefarbenen Reliquien-Schrein mit neun darin verbliebenen Gebeinfragmenten des Apostels. Diese neun Fragmente hatte sich Papst Paul VI. für seine Privatkapelle herausgesucht. Er hatte für sie eigens einen bronzenen Reliquienschrein anfertigen lassen. Nur ein einziges Mal, am 24. November 2013, zum Abschluss des „Jahres des Glaubens“, wurde das geöffnete Reliquiar den Gläubigen auf dem Petersplatz zur Verehrung präsentiert [57].

Die Deutsche Welle hat darüber ein kurzes Video online gestellt: Unter folgendem Link zu sehen:

https://www.dw.com/de/papst-zeigt-erstmals-petrus-reliquien/a-17249092

Glaube ist nicht identisch mit Wissenschaft: „Aber auch eine jahrhundertelang durchgetragene Annahme schafft Realität. Die Tradition vom römischen Petrusgrab, mag sie nun auf historischen Fakten beruhen oder nicht, sichert der katholischen Kirche bis heute die Verbindung mit dem Ursprung, schafft Identifikation und Heimat.“ So formulierte es der Radiobericht auf Bayern 2 treffend [55].

Als zum Abschluß des „Jahres des Glaubens“ der Papst den Reliquienschrein mit den 9 Reliquien öffentlich gezeigt hatte, war es zugleich das letzte Mal für die römische Christenheit. Denn der Papst schenkte diese Reliquien der orthodoxen Kirche in Konstantinopel. Er übergab sie Erzbischof Hiob von Telmessos, der stellvertretend für den Patriarchen Bartholomäus I. in Rom war [57].

Das Grab des Apostels Petrus stellt sozusagen das Fundament dar, auf dem die katholische Kirche fußt. Aber wie fest ist denn dieses Fundament? Wäre es sicher, dass die gefundenen Knochenreste tatsächlich die des Petrus wären, dann steht hier wirklich ein festes Fundament [56].

Was vorliegt sind Indizien. Gewissheit über die Echtheit der Knochenreste könnte man sich dann wissenschaftlich beschaffen, wenn man von den Knochenresten Proben für Erbgut- und Stabilisotopenanalysen entnehmen dürfte. Da es in verschiedenen Kirchen auch Reliquien des ApostelbrudersAndreas gibt, könnte man mittels eines Erbgutvergleichs feststellen, obdiese Reliquien tatsächlich zu Brüdern gehören und somit einemEchtheitsbeweis beider einen sehr großen Schritt näher kommen…

Es wäre wünschenswert, wenn der Vatikan eine vollständige Liste der erhaltenen Gebeine mit einer Beschreibung ihrer Beschaffenheit und Erhaltung veröffentlichen würde. Gäbe es z.B. noch Knochenreste der unteren Extremitäten könnten diese auf Hieb- und Schnittspuren, verursacht durch die rabiate Kreuzabnahme, untersucht werden.

Paulus

Sein Gedenktag ist der 29. Juni (zusammen mit St. Petrus).

Paulus von Tarsus, hebräischer Name wohl Scha’ul (Saul), lateinischer Name Paulus; vermutlich vor dem Jahr 10 (etwa zwischen 7 und 10 n. Chr.) in Tarsus in Kilikien geboren, der antiken Hauptstadt der römischen Provinz Cicilien in der heutigen türkischen Metropolregion Mersin. Entweder 64 oder 67 n. Chr. vermutlich in Rom unter Kaiser Nero verstorben bzw. hingerichtet. Seine Gebeine liegen in der Basilika San Paolo fuori le mura in einem Sarkophag. Von seinem Vater erlernte Paulus sein Gewerbe als Zeltmacher und vor allem erbte er von ihm das römische Bürgerrecht. Er wuchs in einer griechisch-bürgerlichen Umgebung auf und beherrschte die griechische Sprache. Sein Vater war Anhänger der glaubenstreuen jüdischen Gruppe der Pharisäer, und so kam es, dass Paulus zur weiteren theologischen Ausbildung nach Jerusalem zu einen angesehenen jüdischen Lehrer ging [58].

In seinem Damaskuserlebnis hörte er in einer Vision/ aus einem Licht heraus die Stimme Jesu. Von der übermächtigen Erscheinung Christi getroffen, fiel Saulus zu Boden und erblindete. Paulus lernte Jesus von Nazareth allerdings nicht persönlich kennen. Er ließ sich taufen und bekam sein Augenlicht zurück. Paulus selbst erkennt sein Damaskuserlebnis als Offenbarung bzw. prophetische Berufung und als Erkenntnis Jesu Christi. Daraufhin änderte er sich radikal vom Christenverfolger zum Überbringer des christlichen Glaubens. Wie manche sagen, wurde er der eigentliche Gründer des Christentums. So gibt es noch heute die Redewendung, dass jemand „vom Saulus zum Paulus“ werde, wenn es in seinem Leben zu einer geradezu überraschenden Änderung seines Verhaltens kommt, sozusagen der Mensch sich in seinen Ansichten und seinem Verhalten um 180 Grad dreht [59,60].

Leben und Damaskuserlebnis

Wir haben zum Damaskuserlebnis zwei Quellen. Die erste und bekannteste sind die Berichte aus der Feder des Lukas, der in der Apostelgeschichte dreimal von dem Ereignis berichtet (vgl. 9,1–19; 22,3-21; 26,4-23). Die zweite Quelle zu diesem zu tiefst persönlichen Erlebnis stellen die Briefe des Paulus selbst dar. Er hat allerdings nie genauer über dieses Ereignis gesprochen oder gar Details genannt [61–63]. Paulus ging nach seiner Bekehrung nicht etwa zu den „Ur-Aposteln“ nach Jerusalem, um sich von ihnen beglaubigen zu lassen, sondern er begann gleich selbständig im Ostjordanland missionarisch für ca. 2 ½ – 3 Jahre zu wirken. Er wurde von dort bis nach Damaskus verjagt. Schließlich ging er doch nach Jerusalem zu Petrus (damals noch der Führer der Jerusalemer Gemeinde). Paulus war sich offenbar bewusst, dass er die Christusbotschaft in einer neuen, originellen, um nicht zu sagen, ungewohnten Art verkündete. Paulus konzentrierte sich bei seiner Mission auf die Großstädte und Provinzzentren. Dort wirkte er solange, bis die entstandene Gemeinde existenzfähig schien. Zeitweise hielt er sich länger an einem Ort auf, benutzte ihn gleichsam als Stützpunkt (Korinth, Ephesus). Auf diese Weise entstand schnell ein Netzwerk von Gemeinden, die nun ihrerseits missionarisch in die Umgebung einwirken konnten [64].

AussehenEin Mann, „klein von Gestalt, mit kahlem Kopf und krummen Beinen, in edler Haltung mit zusammengewachsenen Augenbrauen und ein klein wenig hervortretender Nase, voller Freundlichkeit“. So beschreiben die Acta Pauli das Aussehen des Apostels, eine Schrift, die erst am Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus geschrieben wurde, also ungefähr 130 Jahre nach Paulus’ Tod [58]. Dementsprechend zeigt ein sehr frühes Bild von Paulus ihn mit kahlem, schmalen Kopf, Stirnfalten und Spitzbart, während die Darstellungen der letzten Jahrhunderte eher einen kräftigen und hochgewachsenen Mann mit einem Philosophenbart zeigen, was Ausdruck seiner weitreichenden Missionstätigkeit wie seiner gelehrten Schriften sein mag [58].

In einer Zeit wachsenden religiösen Zweifels und der wissenschaftlichen Suche nach Beweisen für die tatsächlichen Fakten hinter dem religiösen Glauben, werden oftmals ungewöhnliche Wege beschritten:

Auf Anfrage des Autors Michael Hesemann, der für sein Buch nach einem zeitgemäßeren Bild des Apostels suchte, erstellte das Landeskriminalamt in Düsseldorf ein Phantombild des Apostels Paulus von Tarsus – nicht zu Fahndungszwecken, sondern auf Bitte eines Buchautors [65].

Das fiktive Porträt stellt den christlichen Märtyrer aus dem 1. Jahrhundert so dar, wie er historischen Quellen zufolge ausgesehen haben könnte. Offensichtlich sind da Parallelen zwischen dem antiken Paulusportrait und der forensischen Rekonstruktion des Apostel-Antlitzes. Vorlagen waren laut LKA-Zeichnungen, Beschreibungen und bildliche Darstellungen des Apostels. Die Experten der Behörde fertigten das Bild mit den Methoden der „Visuellen Fahndungshilfe“. Prompt erboste dies Kritiker, die wissen wollten, warum das LKA aus Steuergeldern solcherart christliche Propaganda betreibe. Die kühle Antwort des LKA: „Das Landeskriminalamt NRW ist in Nordrhein-Westfalen die einzige Polizeidienststelle, die Phantombilder erstellen kann. Besondere Phantombilderstellungen sind immer auch unter dem Aspekt von Schulungs- und Übungszwecken und der Einhaltung von Qualitätsstandards zu sehen." [66,67].

Tod und Bestattung

Immer wieder wurde versucht den großen Brand Roms dem Kaiser Nero in die Schuhe zu schieben. Tatsächlich hat sich Nero beim Ausbruch des großen Brandes am 18. Juli 64 in seiner Heimatstadt Antium befunden. Keine Mär ist dagegen die Konsequenzen, die Nero aus dem Brand zog: Er ließ die Christen als Sündenböcke ausrufen, Jagd auf sie machen und sie grausam hinrichten. Er stigmatisierte eine Minderheit als Schuldige [68,69]. Die Christen eigneten sich dafür perfekt. Glaubt man Tacitus, wurden Gerichtsverfahren lanciert, die zeigen sollten, dass die Christen Anhänger einer Sekte und Fanatiker waren und den Brand gelegt hätten. Die Christen ließ man laut Tacitus in Tierhäute einnähen und sie von Hunden zerfleischen, ans Kreuz schlagen oder als „Fackeln“ bei lebendigem Leib verbrennen, gekleidet in pechgetränkte Tuniken, Tacitus, Annalen XV, 44:

„Sed non ope humana, non largitionibus principis aut deum placamentis decedebat infamia quin iussum incendium crederetur. Ergo abolendo rumori Nero subdidit reos et quaesitissimis poenis adfecit quos per flagitia invisos vulgus Christianos appellabat. Auctor nominis eius Christus Tiberio imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio adfectus erat; repressaque in praesens exitiabilis superstitio rursum erumpebat, non modo per Iudaeam, originem eius mali, sed per urbem etiam quo cuncta undique atrocia aut pudenda confluunt celebranturque.“ [70].

Ähnlich umstritten wie die genaue Zahl der Opfer ist auch, ob die Apostel Petrus und Paulus, wie es das Christentum bekennt, während der Verfolgung in Rom den Märtyrertod erlitten haben. Petrus am Kreuz, mit dem Kopf nach unten, um nicht so gekreuzigt zu werden wie Jesus Christus selbst. Paulus durch das Schwert, ein „Privileg“, das er dem römischen Bürgerrecht seines Vaters verdankt haben soll [68]. Am 6. Dezember 2006 gab der Vatikan bekannt, in der Basilika San Paolo fuori le mura (lateinisch ecclesia Sancti Pauli extra muros; deutsch: Sankt Paul vor den Mauern) sei der Sarkophag mit den Knochenresten des Apostels unter dem Hauptaltar wiederentdeckt worden [71].

Der erste Bericht über den Ort seiner Grablege stammt frühestens aus dem Jahre 199 n. Chr. Darin erzählt das Kirchenmitglied Gaius, wie er an der Straße nach Ostia (Via Ostiense), die über dem Grab des Apostel errichtete Gedenkstätte besuchte, an deren Stelle dann im Jahr 390 Kaiser Konstantin die Basilika "San Paolo fuori le Mura" bauen ließ [72].

Die Wiederentdeckung seiner Bestattung

Anlässlich des „Paulusjahres“, welches dem 2000jährigen Jubiläum gewidmet war und in dem als Zentrum des Gedenkens das erst 2006 wiederentdeckte Grab des Heiligen stand, gab Papst Benedikt XVI. bekannt, "In dem steinernen Sarkophag, der niemals zuvor geöffnet wurde, sind mit Hilfe einer durch ein winziges Loch eingeführten Sonde Stoff- und menschliche Knochenreste entdeckt worden", so die „Frankfurter Rundschau“ [71]. Anfängliche Versuche, das Innere des Sargs mit Röntgenstrahlen zu durchleuchten, hatten aufgrund der Wanddicke kein Ergebnis erbracht, so bohrte man ein Loch hinein. Entdeckt wurden dadurch Körner roten Weihrauchs, blauer Stoff, purpurne, mit Gold verzierte Leinen und Knochenreste. Etwa 10 Gramm wurden als Proben entnommen und mittels einer speziellen C-14-Untersuchung analysiert. Im Ergebnis fand man, dass die Knochenreste auf das 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus datieren können [74].

Dies passt zum Tod des Märtyrers um 67 nach Christus. Damit ist aber erst einmal nur klar, wie alt der Leichnam im Grab ist. Ob es sich wirklich um die sterblichen Überreste von Paulus handelt, ist noch nicht restlos belegt. Die Gebeine des Toten könnten durchaus ausgetauscht worden sein, schließlich hat es im Lauf der Jahrhunderte einen regen Handel mit den Gebeinen von Heiligen gegeben. Den Papst haben aber diese ersten Ergebnisse überzeugt und er verkündete, dass es "scheint zweifelsfrei festzustehen, dass es sich hierbei um die sterblichen Überreste des Apostels Paulus handelt" [72,73].

Soviel Sicherheit sieht nicht jeder als gegeben an, es wurden und werden immer wieder Zweifel an der Echtheit der Gebeine bzw. des Grabes geäußert. Über die Identität des Bestatteten geben die bis jetzt publik gemachten Erkenntnisse keine Auskunft. Was vorliegt sind Indizien. Gewissheit über die Echtheit der Knochenreste im römischen Paulusgrab könnte man sich nach Expertenansicht wissenschaftlich beschaffen, indem man u.a. eine genaue Beschreibung der gefundenen Gebeine oder eine Liste der erhaltenen Gebeine bekannt gäbe. Der Kopf des enthaupteten Apostels wurde der Überlieferung nach nicht mitbestattet, sollte er sich in dem Sarkophag befinden, dürfte es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um den Heiligen handeln. Eine weitere Möglichkeit der Prüfung könnte darin bestehen, Proben für Stabilisotopenanalysen zu entnehmen; diese würden zur Klärung beitragen oder indem man von den Paulus-Knochenresten Proben für Erbgutanalysen analysieren dürfte. Problem dabei, es gäbe ja gar keine DNA, die man damit vergleichen könnte [75].

Die Mumien der Päpste

Gedenktage von Päpsten des 20. Jahrhunderts:

Bei Papst Pius XII. läuft das Seligsprechungsverfahren noch

Der heilige Papst Paul VI. am 14. Oktober

Der selige Papst Johannes Paul I. am 26. August

Der heilige Papst Johannes XXIII. am 11. Oktober

Der heilige Papst Johannes Paul II. am 22. Oktober

Seit vielen Jahrhunderten wurden auch die Päpste mumifiziert. Bis zum Papst Pius X. (1835, Papst von 1903-1914) wurden sehr traditionelle Methoden angewendet, welche sich nicht allzu sehr von den Methoden des Mittelalters unterschieden. Man konservierte die Stellvertreter Christi mit Harzen und Essigsäure und Kräuteressenzen. Die Organe wurden entnommen und separat in der Kirche Santi Vincenzo ed Anastasio a Trevi beigesetzt. Die Kirche liegt gegenüber dem berühmten Trevi-Brunnen. Hier liegen die Herzen von 22 Päpsten. Erst Papst Pius X. schaffte die Sitte der getrennten Bestattung ab [76]. Die letzte getrennte Bestattung war diejenige von Leo XIII.

In früheren Jahrhunderten dienten die Mumien der Päpste manchmal äußerst makabren Ritualen: Papst Formosus (Amtszeit 891-896). Seine politischen Entscheidungen machten ihn bei seinen Nachfolgern so unbeliebt, dass Papst Stephan VI. beschloss, ihm postum den Prozess zu machen. Die Leichensynode zu Rom im Jahre 897 bestand darin, die Mumie von Papst Formosus aus der Gruft zu holen und auf einen Sessel zu setzen. Man hielt Gericht über die Leiche und amputierte der Mumie die Segensfinger und warf ihn in den Tiber. Doch Formosus ging nicht unter und wurde von seinen Anhängern herausgefischt. Er wurde erneut bestattet. Doch ein paar Jahre später ließ Papst Sergius III. ihn erneut ausgraben und Formosus wurde nochmals vor Gericht gesetzt und man trennte weitere Finger ab. Abermals warf man Formosus in den Tiber, doch die Leiche verhedderte sich in einem Fischernetz und er wurde ein drittes Mal bestattet. Die Mumien der Päpste aus dem Frühmittelalter sind leider heute nicht mehr erhalten.

Der berühmt-berüchtigte Borgia-Papst Alexander VI. (Papst von 1492-1503) hatte zahlreiche Mätressen und zwei berühmte illegitime Kinder: Lucrezia Borgia und Caesare Borgia, dessen skrupellose Machtspiele als Vorbild für den „Fürsten“ von Machiavelli dienten. Auch Alexander VI. räumte Gegner mit Gift aus dem Weg. Die als „Kastanienbankett“ bekannte Sexorgie im Vatikan am 31. Oktober 1501 ist umstritten, es bleibt unsicher, ob sie wirklich stattfand. Dass „käufliche Damen“ im Vatikan regelmäßige Gäste waren, gilt aber als gesichert. Kaum war Papst Alexander VI. dahingeschieden, plünderten seine Gegner den Palast.

In den Abendstunden des 18. August 1503 starb Papst Alexander VI. Bald machten Gerüchte in Rom die Runde, der Körper des korpulenten Papstes sei innert kürzester Zeit unnatürlich aufgequollen, habe sich schwarz verfärbt und übelriechende Flüssigkeiten abgesondert. Das Volk glaubte, der Teufel habe den Papst geholt. Gemäß den Aufzeichnungen des päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burckhard hatte sich der Leib im heißen römischen Sommer schnell zersetzt. Auch wird eine Vergiftung mit Arsen vermutet. Da Arsen aber die Verwesung verzögert, ist diese Vergiftungstheorie seltsam. Es wurde spekuliert, ob Alexander VI. und sein Sohn Caesare jemanden beim Gastmahl vergiften wollten, aber der Becher versehentlich vom Papst getrunken wurde – oder aber, einer der Kardinäle wollte seiner möglichen Ermordung zuvorkommen, indem er selbst den Papst vergiftete…

Papst Alexander VI. wurde vom Arzt und Chirurgen Pietro d’Argellata mumifiziert. Er hatte an der berühmten Universität Bologna gelehrt und war der Kommentator der Avicenna-Übersetzung (Avicenna ist die lateinische Namensübersetzung von Ibn Sina, einem berühmten persischen Arzt). Dennoch konnten die Präparatoren den Papst nicht mehr ansehnlich herrichten, denn Quellen berichten, dass er „schwarz war wie ein Neger und die geschwollene Zunge ihm aus dem Mund hing.“ [76].

Kehren wir zurück in die Neuzeit. Papst Pius XII. (geboren 1876, Papst von 1939-1958) erlitt im Oktober 1958 in kurzer Folge mehrere Schlaganfälle und verstarb mit 82 Jahren im Castel Gandolfo. Die Konservierung begann mit einem Skandal: Sein Leibarzt Riccardo Galeazzi-Lisi hatte nicht nur versucht, die Krankengeschichte und Photos des toten Papstes an die Medien zu verkaufen, sondern er verpfuschte auch noch die Mumifizierung. Die Ärzte scheinen den Papst dazu überredet zu haben, auf eine vermeintlich altchristliche Einbalsamierungspraxis ohne eine Organentnahme zurückzugreifen, mit der angeblich schon die Leiche von Jesus Christus einbalsamiert worden sei. Die Kräuterpackungskur soll würdelos gewesen sein und erwies sich im heißen Sommer als völlig ineffektiv. Nach kurzer Zeit soll der Papst Pius XII. grün wie ein Smaragd angelaufen sein. Die Totenwache der Schweizergarde wurde ebenfalls zum Problem, denn die Leibgardisten fielen wegen des Leichengeruchs reihenweise in Ohnmacht und mussten im Viertelstundentakt abgelöst werden. Um die Mumifizierungspanne so gut wie möglich zu tarnen, wurde der Papst sehr hoch aufgebahrt, so dass die Gläubigen ihn kaum sehen konnten. Während der öffentlichen Zurschaustellung soll dem Papst seine markante Adlernase abgefallen sein. Als dann die Geschichte mit den Photographien bekannt wurde, warf man die Leibärzte aus dem Vatikan.

Auch die Mumifizierung seines Nachfolgers, Papst Johannes XXIII. (geboren 1881, Papst von 1958-1963) gestaltete sich nicht einfach. Die Mumienmacher mussten zunächst eine Stunde warten, bis der Bildhauer Giacomo Manzu die Totenmaske abgenommen hatte. Dann setzten die Mumienexperten der Familie Signoracci eine Kanüle am Handgelenk an und pressten danach fünf Liter Einbalsamierungsflüssigkeit bestehend aus Ethanol, Formalin, Natriumsulfat und Kaliumnitrat in den Körper. Weil Johannes XXIII. an Magenkrebs gestorben war mussten weitere fünf Liter direkt in den Magen injiziert werden, um den Zerfallsprozess zu stoppen. Angeblich wurde dem Papst kein Blut entnommen, da man fürchtete, es könnte als Reliquie verkauft werden. Vor wenigen Jahren ist Johannes XXIII. am 27. April 2014 heiliggesprochen worden. Zuvor war er von 2005-2014 in der ehemaligen Gruft von Papst Johannes Paul II. gewesen (dieser wurde in Sankt Peter hochtransferiert). Seit der Heiligsprechung ruht Papst Johannes XXIII. im Altar des Heiligen Hieronymus in Sankt Peter. Wie bei anderen Heiligen sind Gesicht und Hände aus Pietätsgründen mit feinen Wachsmasken bedeckt.

Nur zwanzig Jahre später, beim Tod von Papst Paul VI. (1897, Papst von 1963-1978) kam es zur erneuten Panne im heißen römischen Sommer auf dem Castel Gandolfo. Die herbeigerufenen Einbalsamierer der Familie Signoracci versuchten verzweifelt mit immer neuen Eisblöcken um und unter dem toten Papst, die Leiche zu kühlen. Sie setzten das „Modern Embalming“ als Methode ein, bei der am Hals und in der Schenkelbeuge die Arterien geöffnet werden und zogen das Blut heraus und leiteten über die Venen zugleich die konservierende Flüssigkeit ein. Es handelte sich um eine 15-prozentige Formalinlösung. Doch die Verteilung im Körper von Papst Paul VI. war nicht optimal, der Kiefer sackte ab, die Gesichtshaut verfärbte sich, die Fingernägel wurden grau. Zudem begann sich eines der Beine zu zersetzen [77].

Papst Franziskus sprach Paul VI. zuerst selig (am 19. Oktober 2014) und schließlich am 14. Oktober 2018 heilig.

Der Nachfolger, Papst Johannes Paul I. (geboren 1912, Papst 1978) starb nach nur 33 Tagen im Amt in der Nacht vom 28. auf den 29. September 1978. Da Päpste nicht obduziert werden dürfen und sowohl der Vatikan als auch die Familie jedes Ersuchen um eine Untersuchung der Leiche verweigerten, kamen bald Verschwörungstheorien in Umlauf. Offenbar war der Papst am Boden liegend gefunden worden, wurde aber ins Bett gelegt, wo man ihn dann „offiziell“ tot auffand. Vergiftungstheorien konnten nie bewiesen werden, vermutlich ist der Papst an einem Herzversagen gestorben. Die Einbalsamierer der Familie Signoracci wurden gerufen und balsamierten den Papst. Damit wurde die Leiche so stark verändert, dass eine Obduktion ohnehin nicht mehr aussagekräftig gewesen wäre. Auch das befeuerte die Gerüchte, dass etwas vertuscht werden sollte. Papst Johannes Paul I. ist am 4. September 2022 seliggesprochen worden.

Der vorletzte verstorbene Papst ist Johannes Paul II. (geboren 1920, Papst 1978-2005). Über seine Einbalsamierung ist nichts Genaues bekannt, da der Tod, Aufbahrung und Beisetzung aber viele Tage dauerten und bereits unmittelbar nach seinem Tod von vielen Gläubigen die unverzügliche Heiligsprechung gefordert wurde, kann von einer Einbalsamierung ausgegangen werden. Diese ist fast zwingend, will man den Papst dereinst als Reliquie aus der Gruft in den Vatikan holen.

Die Seligsprechung erfolgte dann unter Benedikt XVI. am 1. Mai. 2011 und am 27. April 2014 wurde Johannes Paul II. zusammen mit Johannes XXIII. heiliggesprochen (unter Papst Franziskus). Zurzeit sind in den Grotten des Vatikans zwei Plätze frei geworden um für den Fall vorbereitet zu sein, gleich zwei Päpste zu Grabe zu tragen. Mit dem Rücktritt von Benedikt XVI. (geboren 1927, Papst 2005-2013 durch Amtsverzicht) und Papst Franziskus (geboren 1936, Papst seit 2013) gab es bis Ende 2022 zwei lebende Päpste.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. verstarb am 31. Dezember 2022 um 9:34 Uhr in extrem hohem Alter von 95 Jahren. Bereits einen Tag nach dem Hinscheiden wurden in den Medien offizielle Bilder des mumifizierten Papstes veröffentlicht. Genaue Informationen zur angewendeten Methode liegen (noch) nicht vor. Aufgrund der kurzen Zeitspanne ist aber von einer modernen Einbalsamierung mit konservierenden Flüssigkeiten auszugehen.

Ab Donnerstag 5. 1. 2023 werden 63 Bestattungen in den Grotten liegen, nachdem Benedikt XVI. in das Grab des verlegten Johannes Paul II. gebettet worden ist.

Am 3. Januar wurden die ersten Informationen zur Einbalsamierung von Benedikt XVI. in den Medien bekannt [78]. Angeblich wurde die gleiche Methode wie bei Johannes Paul II. angewendet. Demnach wurde die Konservierungsflüssigkeit in die Arterien gegeben. Zu den Mumifizierungsrezepten siehe im Appendix der Hardcover-Ausgabe „Die Mumie“ [19].

Der Prozess der Seligsprechung

Die erste Stufe zur Heiligsprechung in der Katholischen Kirche ist die Seligsprechung. Die Beatifikation, abgeleitet vom lateinisch beatus (selig) und facere (machen) ist ein kirchenrechtliches Verfahren, bei dem es notwendig ist, dass der Kandidat oder die Kandidatin entweder das Martyrium oder einen heroischen Tugendgrad oder den Nachweis eines Wunders erreicht hat. Für das Wunder muss der Kandidat angerufen worden sein und dessen Fürsprache bei Gott hat zu dem Wunder geführt. Es ist immer noch Gott, welcher das Wunder bewirkt, aber auf Vermittlung des Heiligen.

Am Ende des Verfahrens wird der Kandidat vom amtierenden Papst seliggesprochen. Eine seliggesprochene Person darf nur in der Ortskirche verehrt werden – im Gegensatz zur Heiligsprechung. Diese folgt oft in einen zweiten Schritt.

Liturgisch ist die Seligsprechung eine Änderung der Anbetung. Man betet nicht mehr für den Seligen, sondern mit ihm und bittet ihn um Fürsprache bei Gott.

Damit überhaupt der Seligsprechungsprozess eingeleitet wird ist der „Ruf der Heiligkeit“ (fama sanctitatis) und der „Ruf der Wundertätigkeit“ (fama signorum) unter den Gläubigen notwendig. Märtyrertod oder eine vorbildliche Lebensweise bilden deren Grundlage [79].

Papst Benedikt XVI. führte wichtige Neuerungen im Verfahren der Seligsprechungen ein [80]. Papst Benedikt XVI. verfügte dazu:

„Die Lehre über die Einrichtungen der Seligsprechung (2) und Heiligsprechung (3) ist jahrhundertelang im Wesentlichen unverändert geblieben. Ihre Unterscheidung (4), die in den betreffenden konstitutiven Formeln der öffentlichen Erklärung ihren angemessenen Ausdruck findet, ist klar und von wesentlicher Bedeutung. Die Heiligsprechung oder Kanonisation ist die höchste Verherrlichung eines Dieners Gottes seitens der Kirche, der nach Verlesung des definitiven und für die gesamte Kirche verpflichtenden Dekrets und der feierlichen Bestätigung durch das Päpstliche Lehramt zur Ehre der Altäre erhoben wird.“

Die Seligsprechung hingegen wird definiert mit: „Die Seligsprechung hingegen besteht in der Erlaubnis, daß einem Diener Gottes, dessen heroischer Tugendgrad oder dessen Martyrium gebührend anerkannt worden sind, die öffentliche Verehrung in einer bestimmten Gegend erwiesen werden darf.“

Seit 1971 verkündet der Papst selber die Seligsprechung. In früheren Phasen hatten der Ortsbischof und die Kommissionsmitglieder des Seligsprechungsprozesses dies getan und der Papst diese Entscheidung bestätigt durch eine anschließende Verehrung des neuen Seligen an demselben Nachmittag.

Papst Franziskus fügte den nun geltenden Regeln in seinem Schreiben „Motu proprio Maiorem hac dilectionem“ neben Martyrium und heroischem Tugendgrad noch eine weitere Grundlage hinzu: Die Hingabe des (eigenen) Lebens (Vitae oblatio), also Christen, die freiwillig ihr Leben hingaben.

Das Verfahren der Seligsprechung ist ein komplizierter Prozess [79]: Nach einem Antrag wird das Leben des Kandidaten geprüft und Interrogationen vorgenommen. Ein Kirchenanwalt, der „promotor iustitiae“ (Förderer der Gerechtigkeit), bis 1983 noch „promotor fidei“ genannt, prüft nun die Ereignisse und sucht nach Hinweisen, welche einer Seligsprechung entgegensprechen.

Zudem kann bei einer Person frühestens fünf Jahre nach ihrem Tod das Verfahren eröffnet werden. Das heutzutage oft geforderte Sanctus subito (Sofortige Heiligsprechung) ist kirchenrechtlich gar nicht möglich. Will man von diesen Regeln abweichen, muss der Papst selber diese Regel dispensieren, was in jüngster Zeit mehrfach vorkam: Mutter Theresa 1999 nach nur zwei Jahren, Johannes Paul II. 2005 nach nur drei Monaten und Lucia dos Santos 2008 nach drei Jahren.

Hat die Kandidatin oder der Kandidat die erste Stufe des heroischen Tugendgrades erreicht, darf er oder sie als „Ehrwürdiger Diener Gottes“ (venerabilis Dei servus) genannt werden.

Die Päpste der jüngsten Zeit haben sich ein regelrechtes Rennen geliefert, wer am meisten Personen selig- und heiliggesprochen hatte:

Johannes Paul II. sprach 1338 Personen selig [81]. Alle Päpste zusammen vor Papst Johannes Paul II. kamen nur auf 1260 Personen.

Ein längerer und lesenswerter Artikel der deutschen Zeitung Welt beschreibt die Arbeit eines Theologen der als Postulator (Aufforderer) dem Papst Personen vorschlägt, die geprüft werden sollen. [82]:

Es ist sehr teuer, eine Person heiligsprechen zu lassen, da hochkomplexe Dinge geprüft werden müssen. Heutzutage ist in der Regel ein Wunder nötig und das lässt oft Jahrzehntelang auf sich warten. Missionieren genügt nicht, aber ein unerklärliches Wunder schon. Die Heilung von einem unheilbaren Krebs muss zudem andauern, der Krebs darf nicht zurückkommen.

Bistümer und Orden bezahlen die Kosten aber gerne, denn es ist prestigeträchtig, viele Heilige in den eigenen Reihen zu haben. Die Aktenberge der Heiligsprechungen sind legendär, kaum ein Verfahren produziert mehr Unterlagen, oft wird über Jahrhunderte hinweg gesammelt. Seit die letzten Päpste eine regelrechte Selig- und Heiligkeitssprechungs-Manie entwickelt haben, sind die Verfahren gigantisch angewachsen. Es werden auch Reliquien gesammelt, da diese bei erfolgreichen Verfahren benötigt werden, es werden drei Klassen von Reliquien gesammelt: Gegenstände, die vom Heiligen berührt wurden (3. Klasse), Dinge aus dem persönlichen Besitz (2. Klasse), Körperteile (1. Klasse).

Zu den Reliquienforschungen gehören auch Exhumierungen, da die Kirche sichergehen will, dass der Heilige in seinem Grab ist. Eine gut erhaltene Mumie ist besonders wertvoll.