Ren Dhark Weg ins Weltall 119: Eine unheimliche Entdeckung - Alfred Bekker - E-Book

Ren Dhark Weg ins Weltall 119: Eine unheimliche Entdeckung E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Die Experten an Bord der POINT OF erzielen große Fortschritte bei der Entwicklung des 5-D-Wellengeräts, als mit einem Mal ein unerwartetes Problem auftritt. Währenddessen macht Wächter Vonnock auf der feindlichen Stützpunktwelt eine unheimliche Entdeckung... Gary G. Aldrin, Alfred Bekker und Hendrik M. Bekker schrieben diesen spannenden SF-Roman nach dem Exposé von Anton Wollnik.

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Seitenzahl: 369

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 119

Eine unheimliche Entdeckung

 

von

 

Gary G. Aldrin

(Kapitel 1 bis 6)

 

Hendrik M. Bekker

(Kapitel 7 bis 10 sowie 14)

 

Alfred Bekker

(Kapitel 11 bis 13 sowie 15)

 

und

 

Anton Wollnik

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

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Impressum

Prolog

Am 21. Mai 2051 startet die GALAXIS von Terra aus zu einer schicksalhaften Reise in den Weltraum. Durch eine Fehlfunktion des »Time«-Effekts, eines noch weitgehend unerforschten Überlichtantriebs der Terraner, springt das Raumschiff über beispiellose 4.300 Lichtjahre. Genau einen Monat später erreicht es das Col-System, wo es auf dem Planeten Hope landet. Weil ein Weg nach Hause unmöglich erscheint, beschließen die Raumfahrer, auf dem Planeten zu siedeln, und gründen die Stadt Cattan.

Rico Rocco schwingt sich zum Diktator auf und lässt sämtliche Kritiker verfolgen und auf den Inselkontinent Deluge verbannen. Dieses Schicksal trifft auch den zweiundzwanzigjährigen Ren Dhark, seinen besten Freund Dan Riker sowie eine Reihe weiterer Terraner. Doch damit endet die Geschichte nicht. In einer Höhle entdecken die Verbannten nicht nur Artefakte einer mysteriösen fremden Hochkultur, sondern auch ein unvollendetes Raumschiff, das eine prägnante Ringform aufweist.

Nachdem Rico Rocco bei einem Angriff der Amphi umgekommen ist, wird Ren Dhark zum neuen Stadtpräsidenten Cattans gewählt. Er lässt den Ringraumer reparieren, welcher später von Pjetr Wonzeff auf den Namen POINT OF INTERROGATION, kurz POINT OF, getauft wird. Im April 2052 bricht der Ringraumer unter Dharks Kommando zu seinem Jungfernflug zur Erde auf. Damit beginnt ein neues Kapitel in der terranischen Raumfahrt. Nicht zuletzt dank Dharks Forscherdrang entdecken die Menschen weitere Hinterlassenschaften der Mysterious, die es ihnen ermöglichen, neue Ringraumer zu bauen und immer weiter in die Tiefen des Weltraums vorzudringen. Die POINT OF jedoch bleibt trotz allem einzigartig, was nicht zuletzt am Checkmaster liegt, dem eigenwilligen Bordgehirn dieses Raumschiffes.

Ren Dhark bleibt der Kommandant der POINT OF und erforscht mit seiner Mannschaft in den folgenden Jahren nicht nur das Weltall, sondern rettet auch immer wieder die Menschheit und sogar ganze Galaxien. Im Mai 2074 lässt sich der unvermutet aktivierte Schutzschirm um Terra nicht mehr abschalten. Die Erde ist damit vom Rest des Universums isoliert. Niemand ahnt, dass es sich in Wahrheit um einen von den Thanagog installierten Zweitschirm handelt, um Ren Dhark zu einer Reise nach ERRON-3 zu bewegen. Dort wollen sie in den Besitz des Schebekaisen gelangen, eines Artefakts, das mutmaßlich von den Balduren stammt. Ihr Plan geht auf.

Zurück in der Milchstraße zeigen die Thanagog ihr wahres Gesicht: Dabei kommt nicht nur die Wahrheit über den angeblich entarteten Schutzschirm um Terra heraus, sondern auch, dass die transitierende Sonne eigentlich das Mutterschiff der Schemenhaften ist. Bei dem Versuch, das Artefakt der Balduren von den Thanagog zurückzuholen, wird Ren Dhark Zeuge davon, wie die Wächter den Kern des Sonnenschiffes und damit die Lebensgrundlage eines ganzen Sternenvolkes zerstören. Shamol, der Herrscher der Thanagog, vernichtet das Schebekaisen und wendet sich in seiner Verzweiflung an Dhark. Er habe das alles nur getan, um sein Volk vor der buchstäblichen Auflösung zu bewahren. Weil die Erde nicht mehr in Gefahr schwebt, willigen der Commander und seine Experten ein zu helfen. Die Thanagog können gerettet werden, indem sie zu einem Megawesen verschmelzen, und fliegen in die Weiten des Weltraums hinaus.

Wenig später taucht unvermittelt die Schwarze Macht im Sol-System auf und droht damit, die Sonne auszuschalten. Zum Glück ziehen die Keilschiffe friedlich wieder ab, nachdem Ren Dhark den finsteren Robotern wie verlangt das Schebekaisen von Nicondo ausgehändigt hat. Nach dem Angriff der Schwarzen Macht auf ERRON-2 und dem Abschalten der Sonne des terranischen Planeten Cyrus begreift auch das letzte Sternenvolk der Milchstraße, dass niemand mehr sicher ist. Ren Dhark und seine Experten rufen ein galaxisweites Forschungsprojekt ins Leben, mit dem Ziel, in das Universum der Schwarzen Macht vorzudringen und dem Feind endlich die Stirn zu bieten …

1.

Dem Leben so fern, dem Tode so nah!

Diese Gedanken zuckten so grell und gleißend durch Vonnocks Bewusstsein wie Blitze durch die wolkenverhangene Finsternis eines Sturms.

Die Intensität dieser plötzlichen Erkenntnis ließ ihn weiterhin hellwach bleiben, ohne sich der Schwäche hinzugeben, die stetig und unaufhaltsam zunahm. Minute um Minute schien er Energie zu verlieren, als würde Flüssigkeit aus einem löchrigen Behälter rinnen, bis er letztlich vollkommen leer war.

Fast gewaltsam zwang sich der Wächter dazu, sich die schicksalhaften Ereignisse der zurückliegenden Stunden in sein Gedächtnis zu rufen, um wenigstens seine Psyche aufrechtzuerhalten: seine ganz persönliche Niederlage im Duell mit Wächter Kurtwoodharker in den Ruinen einer Siedlung auf Yiomut, die von den Amphi nach einem verheerenden Kampf gegen die Schwarze Macht verlassen worden war. Das Auftauchen eines Flottenverbandes von Keilschiffen. Die dennoch gemeinsame Flucht mit Kurtwoodharker von der Siedlerwelt mit seinem S-Kreuzer, die schließlich scheiterte. Der erste Verrat des anderen Wächters, indem er Vonnock mithilfe des Haheurak überwältigte. Bei dieser geheimen Wächter-Funktion, von der nur wenige Wächter wussten und auf die noch weniger Zugriff hatten, handelte es sich um eine sofortige und allumfassende Mentallähmung, die zu einer komplexen Ausschaltung aller Sinne, der Psyche sowie des »Ichs« führte. Oder anders ausgedrückt: zu einer Art Totenstarre auf geistiger Ebene. Kurtwoodharkers Entkommen vom S-Kreuzer, um später in seinen eigenen Ringraumer, die BONDIR, zu gelangen …

Er und auch Vonnock wurden schließlich von den Feinden überwältigt, in ein Keilschiff gebracht, um völlig bewegungslos in einen tiefen, senkrechten Schacht gesteckt zu werden. Dort beging Kurtwoodharker den zweiten Verrat, indem er der Schwarzen Macht freigiebig Geheimnisse des Wächterordens preisgab. So erfuhren die Schattenhaften von den worgunschen Großstationen mit den Abertausenden von Ringraumern und unzähligen Wächtern, die alle von einer INSTANZ kontrolliert wurden. Dabei erwähnte er ERRON-2 allerdings nicht, sondern versuchte vielmehr, die Feinde für ARKAN-12 zu interessieren.

Doch damit war keineswegs das Ende der Fahnenstange von Kurtwoodharkers schändlichem Verhalten erreicht. Weil er seine eigenen Interessen verfolgte, willigte er sogar ein, der Schwarzen Macht Zugang zu ARKAN-12 zu verschaffen. Aber nur, wenn sie ihn dorthin mitnahm. Um sich bei dem Feind noch unentbehrlicher zu machen, legte er zudem Details über die Grüne Technik offen, also das geheime Kommunikationsnetzwerk der Wächter. Eine Preisgabe sondergleichen, für die es nur den Tod als gerechte Strafe geben konnte! Denn auf diese intergalaktischen Transferstationen, mit denen jegliche Entfernungen im Nu überbrückt werden konnten, hatten von jeher nur Wächter Zugriff.

Kurtwoodharker versprach dem Feind, damit nicht nur ARKAN-12 erreichen und erobern zu können, sondern viele weitere Wächter-Stützpunkte. So wäre die Schwarze Macht in der Lage, ihre Herrschaftsgewalt beinahe blitzartig auszubauen!

Und obwohl Vonnock Kurtwoodharker über den von niemandem sonst hörbaren Wächterfunk ausdrücklich davor gewarnt hatte, sich mit dem Feind einzulassen, brachte es nichts. Der Wächter-Verräter wurde aus dem Schacht befreit, um den Schattenhaften den Weg zu ARKAN-12 zu zeigen. Seitdem hatte Vonnock nichts mehr von ihm gehört, gesehen oder erfahren.

Ferner entzog es sich seiner Kenntnis, ob er sich überhaupt noch in einem Keilschiff befand. Denn immer wieder verlor er sein Bewusstsein, um nach einer unbestimmten Zeit jedoch wieder aus der Besinnungslosigkeit zu erwachen.

Einmal meinte er sogar zu verspüren, dass so etwas wie Bewegung in sein Gefängnis kam, bevor ihm erneut die Sinne schwanden. Das würde dafür sprechen, dass er sich längst nicht mehr in dem ursprünglichen Schacht im Keilschiff aufhielt, sondern in einer Art Behälter, der irgendwohin transportiert wurde. Denkbar war ebenso, dass er bereits an einem unbekannten Zielort abgeladen worden war. Nach wie vor konnte er nichts sehen und hören. Theoretisch konnte er aufgrund der nicht definierbaren Zeitspannen seiner Ohnmachten inzwischen überall sein.

Jedenfalls harrte der Fanjuur-Wächter, zur totalen Bewegungslosigkeit verdammt, weiter in seinem rätselhaften Gefängnis aus. Allerdings rührte dieser Zustand nicht mehr von der Mentallähmung her, sondern von einem unsichtbaren Fesselfeld. Das war auch das Einzige, was er mit Sicherheit feststellen konnte. Obendrein war er eingebettet in absoluter Stille samt einer Finsternis, so bodenlos und tief wie die sternenlose Schwärze des Alls.

Um sich der psychischen Schwäche nicht vollends zu ergeben, sondern dagegen anzukämpfen, rief sich Vonnock immer wieder den schändlichen Verrat Kurtwoodharkers ins Gedächtnis zurück. Der daraus resultierende Zorn half ihm dabei, sich nicht einfach seinem Schicksal zu fügen und somit auch, salopp gesagt, persönlich die Waffen zu strecken. Ganz im Gegenteil hielten ihn diese starken Emotionen einigermaßen aufrecht.

Ebenso hatte er völliges Unverständnis dafür, dass Kurtwoodharker offenbar glaubte, dass die Schwarze Macht ihm helfen würde, seine eigenen Pläne der Familienzusammenführung mit seiner Ex-Frau Kathy und seinen Kindern Nell und Dylan zu verwirklichen. Verblendete ihn dieser Wunsch so sehr, dass er nicht begriff, dass der Feind ihm skrupellos in den Rücken fallen würde, sobald er ihn nicht mehr brauchte?

Noch beängstigender aber war der Gedanke an die schrecklichen Konsequenzen, die drohten, sollte es der Schwarzen Macht tatsächlich gelingen, eine der worgunschen Großstationen zu übernehmen. Insbesondere für Vonnocks Volk, die Fanjuur, das er nach deren Niedergang aufgrund der Kriege gegen die Qoorn wieder zu alter Größe zurückführen wollte, würde das eine wahre Katastrophe bedeuten.

Vonnock war nämlich der spirituelle Führer, Lehrer und Erzieher des auf Mortok ansässigen Amphivolkes, das längst ins Visier der Schwarzen Macht geraten war. Was die schwarzen Roboter überhaupt auf der fanjuurschen Siedlerwelt Yiomut gewollt hatten, erschloss sich dem Wächter nach wie vor nicht.

Ebenso wenig war ihm zu diesem Zeitpunkt bekannt, ob Kurtwoodharker seine Drohung wahrgemacht hatte, dem Feind zu verraten, dass sowohl auf Moogh als auch auf Mortok jeweils ein Einweg-Transmitter nach ERRON-2 existierte: ein sogenannter »Schlund«. In diesem hatten die Fanjuur früher ihre Toten bestattet, bis die INSTANZ den Zugang für weitere Leichen gesperrt hatte. Die Amphi würden eine kriegerische Konfrontation mit der Schwarzen Macht auf Mortok nicht überleben, die Moogh ebenso wenig.

Vieles war und blieb im Unklaren. Vonnock musste den Dingen harren, ohne Möglichkeit, selbst aktiv in deren Ablauf eingreifen zu können.

Das war das eine Dilemma, in dem sich der Wächter befand, seit er in die Hände des Feindes geraten war. Das andere war das anhaltende Absaugen seiner Energie, die geradezu aus ihm herauszufließen schien. Verbunden war dieser Zustand mit Übelkeit und Schwindel, einhergehend mit einer besorgniserregenden körperlichen und mentalen Schwäche. Dabei wusste er nicht, ob die Schwarze Macht dafür verantwortlich war oder ob die Umgebung ihm diese entzog. Jedenfalls fühlte er sich wie ein Fremdkörper in dieser Sphäre oder Welt oder wie immer man diesen Ort bezeichnen konnte, an dem er sich momentan zwangsweise aufhielt. Vielleicht handelte es sich aber auch um eine Art Verteidigungssystem seiner Kerkermeister, das ihn allmählich zersetzte.

Vonnock war sich sicher, dass, wenn es so weiterging, er bald sterben würde.

Du musst etwas dagegen tun! Und zwar verdammt schnell!

Wie ein Fanal des Überlebens gellte es in seinem Bewusstsein, entsprungen aus einem tiefverwurzelten Selbsterhaltungstrieb.

Die ganze Konzentration des Fanjuur-Wächters galt nur noch dieser Selbsterhaltung. Dementsprechend aktivierte er die letzten physischen und psychischen Reserven, die er besaß.

Tatsächlich gelang es ihm, das Fesselfeld so weit abzuschwächen, dass er sich zwar etwas bewegen, aber keineswegs seine Wandlungsfähigkeiten einsetzen konnte. Dafür war er endlich in der Lage, zu »sehen«!

Seine Optiksensoren erfassten das, was er bereits kannte und im Zusammenhang mit dem Feind allgegenwärtig schien: schwarze, metallene Wände um ihn herum, die ein undefinierbares Schemen- und Formenspiel aus zuckenden, flimmernden sowie ineinander- und wieder auseinanderfließenden Schatten darboten. Zudem erkannte er, dass er sich weder in einem Schacht noch in einem Transportbehälter befand. Vielmehr in einem nur wenige Meter durchmessenden und quadratisch angelegten Sektor, der demzufolge vier gleich lange Seiten und vier rechte Winkel aufwies.

Akribisch tastete Vonnock die glatten Metallwände mit seinen Sensoren ab, ob es irgendwo eine Fuge gab, die auf einen Ausgang hindeutete. Doch dem war nicht so.

Die ganze Zeit über konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass ihn unsichtbare Augen beobachteten.

Wenig später veränderten sich die Wände insofern, als dass sich daraus Greifarme bildeten, wie er sie schon aus dem Schacht kannte, in dem er und Kurtwoodharker gefangen gewesen waren.

Vonnock wollte den zupackenden Fingern entgehen, indem er sich aus der unmittelbaren Umgebung in die Mitte des Raumes zurückzog. Doch das nützte nicht viel, weil sich die Metallgreifer in rasender Geschwindigkeit verlängerten. Mit hartem Griff wurde er von allen Seiten gepackt und auf ein jäh aus dem Nichts erscheinendes und weitaus stärkeres Fesselfeld als jenes zuvor verfrachtet.

Zu seinem Entsetzen kehrten sofort Schwäche, Übelkeit und Schwindel zurück. Und auch die Optik änderte sich, denn der quadratische Raum löste sich geradewegs auf! Hatte es sich bei diesem etwa nur um eine Projektion gehandelt?

Bevor sich Vonnock weiter Gedanken darüber machen konnte, wurde er mit einem unsichtbaren Traktorstrahl durch eine Halle transportiert, die ganz offensichtlich zu einer Anlage gehörte. Hier schienen sich sämtliche Dimensionen zu überlappen, Größenordnungen und Ausdehnungen zu verwischen. Dem Wächter kam es so vor, als würden sich die Räume, die er anschließend passierte, verzerren, strecken, ausweiten und wieder zusammenziehen. Die Oberflächen der Wände waren halb durchsichtig und wabernd, dahinter bevölkert von nebulösen Schatten, deren spukhaftes Fluidum zutiefst abstoßend, ekelerregend und kälter als das All war. So jedenfalls kam es ihm vor. Oder täuschte er sich etwa? War auch das alles lediglich eine Projektion, nur Schall und Rauch, um Eindringlinge zu verwirren? Gehörte das vielleicht ebenso zu einer Verteidigungsmaßnahme?

Völlig unerwartet stoppte der Traktorstrahl. Erneut befand sich Vonnock in einer Halle, die noch gewaltiger als jene Hallen war, die er bisher zwangsweise durchquert hatte. An den mysteriösen Wänden waren groteske Maschinentürme und blinkende Metallberge aufgereiht. Pechschwarze Bauteile sahen wie Scherenschnitte in den undefinierbaren Lichtverhältnissen aus. Eventuell handelte es sich dabei um Maschinenblöcke oder Energietransformatoren. Darüber verlief ein kilometerlanges Rohrsystem. Ein Gewirr aus Kabeln, Röhren und Versorgungsleitungen, deren Nutzen sich ihm nicht erschloss. Doch all das war es nicht, was Vonnock geradezu schockierte.

Vielmehr das, was sich im Zentrum der Halle befand – und ihn geradewegs mit Grauen erfüllte!

*

Es mussten Hunderte, wenn nicht gar Tausende Mysterious-Konstruktionen sein, die sich in diesem Teil des Komplexes aufhielten. Allesamt Wächter!

Vonnock konnte es kaum fassen. Entsetzt starrte er auf die unzähligen gut zwei Meter großen gesichtslosen polymetallischen Gestalten aus Tofiritlegierungen. Wie in einem Ameisenhaufen wuselten einige von ihnen scheinbar ziellos herum, behinderten sich mitunter selbst, krachten über- und untereinander, um sich dann wieder aufzurappeln. Wiederum andere verharrten völlig bewegungslos auf der Stelle, als warteten sie auf ein Kommando, sich in Bewegung zu setzen. Jedenfalls befanden sie sich in unterschiedlichen, zumeist jedoch erbärmlichen Zuständen, was den Anblick noch unerträglicher machte. Gleichwohl für einen Wächter, der wie Vonnock zwar geschwächt, aber dennoch die Tragweite dieser Szenerie voll und ganz erfassen konnte.

Hatte Kurtwoodharker also doch sein Ziel erreicht? Hatte er die Schattenlosen mithilfe der Grünen Technik nach ARKAN-12 gebracht, damit diese dort Wächter rauben konnten? Woher sollten diese sonst kommen?

Mit seinen ausgeprägten Sinnen registrierte Vonnock zudem, dass die Wächter in der Halle keine Bewusstseine besaßen. Vielmehr schien es sich bei ihnen lediglich um leere Hüllen zu handeln, was wiederum bedeuten könnte, dass die Schattenwesen alle normalen Wächter getötet hatten!

Dieser Gedanke war beinahe erschreckender und schockierender als die Szenerie, die sich Vonnocks Optik offenbarte.

Aber nicht nur diese fesselte seine Aufmerksamkeit, sondern noch etwas ganz anderes. Denn im Hintergrund der fabrikartigen Anlage vermeinte er, eine Statue zu erkennen, die keineswegs in diese Umgebung passte. Sie wirkte eher wie ein Fremdkörper. Ihr Aussehen war entfernt humanoid, geschlechtslos. Sie stand auf klobigen, jedoch nur angedeuteten Füßen. Auch ihr Antlitz wies keine sichtbaren Sinnesorgane auf. Die Farbe ihrer Oberfläche war so vollkommen schwarz, als würde sie sämtliches Licht schlucken.

Noch seltsamer war der Umstand, dass sich die Statue in einer Art Käfig befand. Die Stäbe erinnerten an durchsichtige Säulen, die wiederum eine durchscheinende fünfeckige Röhre umgaben, in deren Innern die außergewöhnliche Skulptur stand. Greifarme ragten dort hinein, die die Statue fest an ihrem Platz hielten.

Noch immer hing Vonnock bewegungslos im Traktorstrahl, der ihn weiterhin an derselben Stelle in der Schwebe hielt. Ihm kam es beinahe so vor, als ob das mit Absicht geschah, damit er all diese Eindrücke sammeln konnte. Eine Art psychologische Einschüchterung.

Er riss seinen Blick von der Statue los und sah wieder zu den seelenlosen Wächtern. Erst jetzt fiel ihm auf, dass aus den allgegenwärtigen Rohren, die überall in der Halle entlangliefen, eine schwarze Flüssigkeit hervorquoll, die direkt in einige der Worgun-Konstruktionen gepumpt wurde.

Was hatte all das zu bedeuten? Mit was wurden die Wächter da betankt?

Im selben Moment, als sich Vonnock all diese Fragen stellte, trug ihn der Traktorstrahl weiter durch andere Sektoren der Anlage. Fast so, als hätte irgendjemand oder irgendetwas bestimmt, dass er nun genug gesehen hatte …

*

Sterbe ich?

Mehr als einmal stellte sich Vonnock diese existenzielle Frage. Aber weder er selbst noch jemand anders gab eine Antwort darauf.

Vielmehr verschwammen Raum und Zeit zu einer undefinierbaren Größe, zu nicht messbaren Dimensionskoordinaten. Diese führten jegliches Relativitätsprinzip, aus der aus jeder Sicht dasselbe Geschehen zu erklären war, geradezu ad absurdum. Gleichwohl die bekannten Transformationssysteme, in denen alle Zeit- und Längenmaßstäbe gleich blieben.

Vonnock schien sich auf einer fast gar primordialen Ebene zu befinden, in der selbst physikalische Gesetze einem Veränderungs- und Entwicklungsprozess unterworfen waren. Und dieser wiederum unterlag zufälligen Variationen und Selektionen. Alles war von einer Unschärfe durchdrungen, koexistierte mit Erinnerungen und Überlagerungen künftigen Geschehens, mit Ängsten, Hoffnungen und Wünschen. Die einzige feste Konstante schien der pure Selbsterhaltungstrieb zu sein, der jedem Lebewesen im Universum innewohnte, ansonsten könnte es nicht existieren.

Vonnock kam sich vor, als würde er sich in einer undefinierbaren Randzone von Raum und Zeit befinden. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Wie viele Tage, Wochen, vielleicht Monate oder gar Jahre vergangen waren, wusste er nicht zu sagen. Dafür aber, dass die Geistesträgheit, die ihn befallen hatte, immer mehr zunahm, dass nicht nur seine Physis, sondern auch seine Psyche träger und träger wurde. Beinahe alle Energie war aus ihm herausgeflossen, sodass seine Wächtersinne und Sensoren nur noch eingeschränkt funktionierten.

Sterbe ich?

Der Zeitpunkt, an dem dies keine Frage mehr war, sondern ein Faktum, rückte immer näher. Er stellte sich diesen Prozess vor als den stellaren Tod eines Sterns, der allen ihm zur Verfügung stehenden Wasserstoff verbraucht hatte. Dann erlosch das zentrale Kernfeuer des Himmelskörpers. Der aus dem noch vorhandenen Helium bestehende Kern des Gestirns, der nicht länger von der Fusionsenergie getragen wurde, schrumpfte stetig. Gleichzeitig aber umgab ihn eine dünne Hülle aus fusionierendem Wasserstoff, der durch den Gravitationsdruck immer weiter aufgeheizt wurde. Dadurch dehnte sich der Stern in einem gewaltigen Ausmaß aus, dessen Temperatur mehr als einhundert Millionen Grad Celsius annahm und dessen Leuchtkraft nun der von Tausenden Sonnen entsprach. Dominierte letztlich der Druck der Schwerkraft nach innen, kollabierte der Sternenriese. Seine äußeren Teile wurden in überdimensionierten Schockwellen ins All geschleudert, bevor er in einer kolossalen Supernova explodierte …

In der Tat, so kam sich Vonnock vor. Mit einer Ausnahme: Sein Bewusstsein würde nicht explodieren, sondern sang- und klanglos verschwinden. Einfach so.

Ich sterbe …

Sämtliche Sinnesfunktionen waren jetzt nur noch schwache elektrische Impulse, die etappenweise erloschen, als würden Millionen einzelner Lichtquellen nacheinander ausgeschaltet. Sein den polymetallischen Körper kontrollierender Geist schwand allmählich dahin.

Aber dann, als die eisige Grabesstille und die tiefe und endgültige Dunkelheit, die seit Anbeginn aller Zeiten herrschte, vollkommen schien, zerriss ein greller Blitz diese Wahrnehmungen. Geschuldet einem jähen Energieschub, mit dem Vonnock in seinem unbekannten Gefängnis beschickt wurde.

Sofort hellten sich seine Sinneseindrücke und Empfindungen wieder auf. Seine Ortungs- und Optiksensoren registrierten jetzt sogar, wo er sich eigentlich befand: keineswegs in einem Schacht wie in dem Keilschiff, sondern in einer engen und niedrigen Kammer, in der lediglich Platz für seinen Körper war. Ein Fesselfeld hielt ihn in der Horizontalen, sodass er unter der Decke zwischen den Metallwänden und direkt über dem Boden schwebte.

Offenkundig wollte die Schwarze Macht ihn nicht sterben lassen, sondern vielmehr am Leben erhalten. Aus welchem Grund sie das taten, erfuhr er ungleich später. Und das immer wieder aufs Neue, als würde er sich in einer Zeitschleife befinden, aber bei jeder Wiederholung unter anderen Bedingungen.

Es fing damit an, dass die enge Kammer plötzlich geflutet wurde!

Mit rasendem Tempo und aus unsichtbaren Düsen schossen wie bei einem Geysir aus dem metallenen Untergrund mehrere Fontänen empor, die nicht nur das Fesselfeld, sondern vor allem Vonnocks zwei Meter großen polymetallischen Leib erfassten. Binnen weniger Sekunden füllte sich der Innenraum mit der farblosen Flüssigkeit, sodass der Fanjuur-Wächter komplett von ihr eingehüllt wurde. Seine wieder funktionierenden Sensoren konnten die Substanz jedoch nicht analysieren. Es handelte sich um ein völlig unbekanntes Destillat. Das Einzige, was feststand, war, dass es sich dabei um eine mit fremdartigen Stoffen oder Viren kontaminierte Lösung zu handeln schien.

Wollte man ihn etwa verseuchen?

Dann lief die farblose Flüssigkeit wieder ab, nur um gleich darauf von einer anderen Substanz ersetzt zu werden. So ging es weiter. Stunde um Stunde wurde Vonnock nacheinander diversen Lösungsmitteln ausgesetzt. Ebenso einem pilzartigen Organismus, der irgendwie schuppig aussah, gefüllt mit Pusteln, die sich mitunter zu ganzen Knoten verdichteten. Doch der Organismus, bei dem es sich bestimmt um irgendeinen aggressiven Erreger handelte, wucherte ungefährlich auf dem Tofiritkörper des Wächters. Wenig später wurde die unbekannte Konsistenz von der nächsten Lösung abgewaschen.

Ich bin ein verdammtes Versuchskaninchen!, schoss es durch Vonnocks Bewusstsein. Das ist der einzige Grund, weshalb ich noch am Leben bin!

Dennoch schienen die Experimente bei ihm keine Ergebnisse zu liefern. Zumindest nicht die gewünschten, wie er vermutete. Vielleicht waren die Schattenhaften deshalb enttäuscht, wer wusste das schon? Jedenfalls bestand die Gefahr, dass sie ihn, nachdem er die Rolle des unfreiwilligen Probanden ausgespielt hatte, irgendwann eliminierten.

Ohnehin fragte er sich, wo die Schattenwesen abgeblieben waren. Seit er sich mit dem Verräter Kurtwoodharker in jenem Schacht befunden hatte, war ihm keines mehr persönlich unter die Optiksensoren gekommen. Ebenso wenig, seitdem er sich in diesem unbekannten Sektor aufhielt. Jedenfalls war er bislang nur mit Maschinen, Gerätschaften und Anlagen konfrontiert worden. Ohnehin stellte sich die Frage, wie viele es von diesen mysteriösen Schattenhaften überhaupt gab. Hunderttausende, Millionen oder gar Milliarden?

Wie auch immer, Vonnock sehnte sich geradezu danach, mit irgendjemandem zu kommunizieren. Selbst wenn es der Feind war. Denn nur so konnte er herausfinden, wo er sich tatsächlich befand und was man weiter mit ihm vorhatte. In seiner jetzigen Situation konnte der Wächter bestenfalls Vermutungen anstellen und diese waren durchweg düster und brachten ihn bei der Einschätzung der Lage keinen Deut voran. Genauso wenig bei den Überlegungen, irgendwie aus den Klauen des Feindes zu entkommen. Keinesfalls wollte er abwarten, bis er wie ein elendes Versuchstier, das seine Schuldigkeit getan hatte, einfach entsorgt wurde.

Niemals!

Während er so mit sich und seinem Schicksal haderte, verging die Zeit mit neuen Experimenten. Allerdings schienen auch diese keine anderen Resultate zu erzielen wie die vorherigen. Jedenfalls bemerkte Vonnock selbst, dass sich sein Zustand durch keine der Substanzen, die in die enge Kammer eingelassen wurden, irgendwie veränderte. Zumindest nicht verschlechterte.

Gerade eben, als sich so etwas wie Gewohnheit im Ablauf der Dinge einstellte, änderte sich schlagartig alles!

Die Versuchsreihe schien beendet zu sein. Die kleine Kammer, in der er nach wie vor im Fesselfeld gefangen schwebte, vergrößerte jäh ihre Ausmaße, streckte und weitete sich, als würde man Knetmasse auseinanderziehen. Ein Vergleich, der selbstredend mehr als hinkte, aber dennoch das Geschehen am sinnbildlichsten beschrieb.

Die rasend schnell zurückweichenden Wände schufen wie aus dem Nichts Dimensionen einer weiteren, ebenso riesigen Halle, wie es sie hier zu Hunderten oder gar Tausenden zu geben schien. Doch diese hier war leer. Ohne jegliche Einrichtungsgegenstände, Bauelemente, Gerätschaften oder Maschinen. Ein vollkommen verlassener riesiger Raum, in dem nur das energetische Fesselfeld existierte, das Vonnock weiterhin in der Schwebe hielt.

Nein, nicht ganz!

Denn unvermittelt bildeten sich aus dem Boden unter dem Wächter erneut Greifarme. Zusätzlich aber auch Bohrer, Schraubendreher, Zangen, Schleifer, Sägen und anderes Werkzeug.

Vonnocks Instinkt spürte die Gefahr. Er versuchte, sich zu bewegen, was ihm jedoch nach wie vor nicht gelang.

Die Instrumente wuchsen wie ein bizarrer Wald bis zu seinem Metallkörper hinauf. Mit nur einem Ziel: den Wächter buchstäblich zu zerlegen!

Obwohl er all das registrierte, konnte er sich nach wie vor aufgrund des Kraftfelds keinen Deut bewegen. Und die Maschinen unter ihm begannen mit ihrer Arbeit.

Erst demontieren sie deinen Körper und dann dein Bewusstseinsmodul!

In Vonnock stieg nackte Panik auf!

*

Der Mentalimpuls traf ihn so jäh, dass er regelrecht zusammenzuckte.

Das konnte nicht sein! Oder etwa doch?

Ganz deutlich spürte er die plötzliche Anwesenheit eines weiteren Wächters mit Bewusstsein! Der letzte Zweifel wurde beseitigt, als die Gedankenbotschaft des anderen, der sich als Kratyn vorstellte, in ihm aufklang: Keine Sorge, ich bin gleich bei dir!

Vonnock konnte es noch immer kaum fassen. Nie und nimmer hätte er damit gerechnet, dass er von dieser Seite aus Hilfe bekam. Und doch war es so!

Direkt neben ihm erschien eine rötliche schimmernde Worgun-Konstruktion. Ihr Tofiritkörper hatte sich in eine meterlange Fräse verwandelt. Wie ein Berserker fegte diese durch den Wald aus Werkzeugen, die Vonnock zerlegen wollten. Von den so komplett demolierten Bohrern, Zangen, Schleifern und Schraubendrehern blieben nur noch metallene Sägespäne übrig, die den kahlen Untergrund wie grauglitzerndes Eis bedeckten.

Damit war die unmittelbare Gefahr, die den gefangenen Wächter bedroht hatte, beseitigt. Dennoch hing er nach wie vor zur Bewegungslosigkeit verdammt in diesem unsäglichen Kraftfeld.

Doch auch dafür hatte Kratyn eine Lösung parat: Auf einmal plusterte sich seine Gestalt zu einer Art Riesenstaubsauger auf, der das Energiefeld einfach in sich aufsog und somit komplett absorbierte.

Das alles ging so blitzschnell vor sich, dass selbst Vonnock davon überrascht wurde. Im selben Moment, als sich das Fesselfeld auflöste, schlug er aus zwei Metern Höhe scheppernd auf dem Boden auf. Aber das war ihm nicht nur völlig egal, sondern machte seiner physischen Konstruktion überhaupt nichts aus. Hauptsache, er konnte sich wieder frei bewegen, wie er gleich darauf feststellte, als er sich erhob.

Wächter Kratyn nahm seine herkömmliche Zwei-Meter-Gestalt an. Damit war er sprichwörtlich auf Augenhöhe mit dem befreiten Wächter. In der Folge unterhielten sie sich ausschließlich über Wächterfunk. Niemand konnte diesen abhören. Allerdings funktionierte er in dieser Umgebung, wenn überhaupt, nur auf kurze Distanz.

Zunächst blieb keine Zeit für lange Erklärungen vonseiten des Retters. Vielmehr musste die Anlage beziehungsweise derjenige, der sie betrieb, getäuscht werden.

Auch dafür hatte Kratyn schon vorgesorgt. Er hatte einen Tofiritkörper mitgebracht, den er vor seiner Verwandlung zur Metallfräse an eine der schwarzen Wände gelehnt hatte. Wortlos verfrachtete er ihn an jene Stelle, an der sich Vonnock eben noch befunden hatte. Wie aus dem Nichts heraus bildete sich erneut ein Kraftfeld, das nun seinerseits den leblosen Wächterleib umschloss. Und als ob das noch nicht an Merkwürdigkeiten genügte, sprossen neue Werkzeuge aus dem Boden, die sich sofort daran machten, die Hülle der Worgun-Konstruktion zu zerlegen.

Fürs Erste müsste das als Täuschungsmanöver genügen, klang Kratyns Mentalstimme in Vonnock auf. Wenn auch nur kurz. Die Sicherheitsmaßnahmen hier sind außergewöhnlich, sodass das es weitaus mehr braucht als einen solchen simplen Trick.

Wo sind wir überhaupt?, wollte der Fanjuur-Wächter wissen.

Alles zu seiner Zeit, beschwichtigte ihn der andere. Jetzt geht es erst mal darum, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden!

Schon rannte Kratyn los. Und natürlich folgte ihm Vonnock, ermutigt davon, dem physischen und psychischen Tod im letzten Moment von der Schippe gesprungen zu sein.

2.

Genauso blind, wie er seinem Befreier folgte, musste er ihm auch vertrauen. Obwohl er sich schwer damit tat, seit er in dieser Hinsicht so schlechte Erfahrungen mit Kurtwoodharker gemacht hatte. Allerdings blieb Vonnock jetzt nichts anderes übrig, kannte er sich in dieser Anlage im Gegensatz zu Wächter Kratyn doch kein bisschen aus. Und immerhin hatte dieser ihn aus dem Fesselfeld befreit und vor der Demontage bewahrt. Das sprach natürlich für ihn. Auch, dass er ihn als Erstes zu einer Energiequelle führte, wo er sich aufladen konnte.

Nach wie vor sog ihm irgendetwas die Energie ab, obwohl er längst nicht mehr an eine Maschine angeschlossen war. War es etwa die Umgebung?

Auf ihrer Flucht wurde dem Fanjuur-Wächter erst das gesamte Ausmaß des gewaltigen Komplexes bewusst. Er war tief beeindruckt. In verschiedenen Gestalten – Vonnock passte sich seinem Führer auch dahingehend an – flogen oder rannten die beiden Worgun-Konstruktionen durch die labyrinthartig angelegten Hallen, wichen Roboterkolonnen aus, die zum Glück zumeist aus Arbeits- und nicht aus Kampfmaschinen bestanden.

Bislang waren sie von den Sicherheitssystemen verschont geblieben. Doch das änderte sich abrupt!

Als die beiden Wächter um die Ecke eines Ganges bogen, tauchte aus dem dahinterliegenden Dunkel etwas Seltsames, mehrfach Schimmerndes auf.

Dass es sich nicht um Blechmänner handelte, wurde sofort klar. Stattdessen registrierten ihre Optiksensoren Lebewesen, die ein tiefes Brummen von sich gaben. Konkret um tierähnliche Kreaturen, so groß wie terranische Pferde, die sich auf vier Beinen fortbewegten. Ihre flachen Gesichter saßen auf kurzen Hälsen. Aus ihren Rücken wuchsen tentakelartige Auswüchse, die in der Luft in gleichmäßigem, blauem Licht pulsierten. An ihnen wiederum klebten kleinere Beutetiere und Metallklumpen.

Das sind Tentaculumequus, erklärte Kratyn per Funkbotschaft. Sie ernähren sich hauptsächlich von Energie. Sie scheinen ausgehungert zu sein, obwohl es hier wahrlich nicht an Nahrung mangelt. Aber anscheinend stehen nun wir auf ihrem Speiseplan!

Kaum hatte Kratyn diese Worte gesendet, bildete er auch schon Waffenarme aus. Wieder machte Vonnock es ihm nach.

Keine Sekunde zu früh, denn die Tentakelpferde griffen im selben Moment an! Als hätte sie eine Stampede erfasst, donnerte die Herde durch den Korridor. Unter ihren hufeisengleichen Füßen erzitterten Boden und Wände.

Das tiefe Brummen, das sie nach wie vor von sich gaben, wurde immer lauter, steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Crescendo.

Die Wächter registrierten ebenso einen sprunghaften Anstieg der elektrischen Spannungen in den jetzt wild durch die Luft peitschenden Tentakeln. Auch das dadurch verursachte Knistern nahm zu, je näher die Kreaturen herangaloppierten.

Aus Kratyns und Vonnocks Blastermündungen flammten gleich darauf Tod und Vernichtung!

Die Energiebahnen verschmorten zunächst die Tentaculumequus in der ersten und zweiten Reihe und gleich darauf die nachfolgenden. Die qualmenden, verkohlten Kadaver verstopften den gesamten Gang.

Kurzerhand wandelten sich die Wächter in vogelartige Wesen, die einfach über die Berge aus Tierleichen hinwegflogen. Danach ging es weiter durch unzählige Korridore und Hallen.

Die Begegnung mit den Tentaculumequus war rein zufällig und gehörte sicher nicht zu den Sicherungsmaßnahmen der hiesigen Anlage, gab Kratyn zum Besten, was natürlich nicht zu Vonnocks Beruhigung beitrug. Ganz im Gegenteil musste damit gerechnet werden, dass der eigentliche Showdown erst noch bevorstand. Jedenfalls sobald der Fluchtversuch der Wächter bemerkt wurde, was sicher längst schon geschehen war. Darin waren sie sich einig.

Plötzlich stoppte Kratyn mitten im Flug. Der ihm nachfolgende Vonnock wäre beinahe gegen ihn geprallt.

Im Hintergrund einer dieser ominösen Hallen schien die Umgebung geradezu zu pulsieren. Boden, Wände und die Decke erstrahlten in einem punktuellen Dunkelorange.

Das sind feindliche Drohnen!, warnte Kratyn per Gedankenbotschaft. Ein gegen Eindringlinge konzipiertes Verteidigungssystem, das natürlich auch für Flüchtende eingesetzt wird, die wieder eingefangen werden müssen.

Tatsächlich registrierte Vonnock Tausende dieser Flugobjekte, nicht größer als Stecknadelköpfe, die jedes für sich für das orangefarbene Leuchten verantwortlich waren.

Es bleibt keine andere Möglichkeit, als mitten durch den Schwarm hindurchzufliegen. Kratyn verstummte für einen Moment. Obwohl das auch für uns sehr gefährlich ist. Die Gegner sind unzählig und darauf programmiert, mit Situationen wie diesen umzugehen. Besser gesagt: Eindringlinge aufzustöbern und zu neutralisieren.

Gibt es keinen anderen Weg aus der Anlage hinaus?, wollte Vonnock wissen, dem dieser Gedanke nicht ganz behagte.

Nein! Nur dieses eine Wort, das über das weitere Schicksal der Wächter entscheiden konnte. Es ist unsere einzige Chance, von hier wegzukommen.

Indes näherten sich die lichtpulsierenden Drohnen bis auf fünfzig Meter.

Wir werden sie nicht alle aus der Luft ballern können, gab Vonnock zu bedenken. Es sind einfach zu viele, und mir gehen bald wieder die Energiereserven aus.

In der Tat, du hast recht. Es gibt nur eine Möglichkeit, sie effektiv zu bekämpfen.

Und die wäre?

Die Drohnen sind künstlich erschaffen. Deshalb kann ein starkes Magnetfeld sie stören! Also los!

Kaum verhallten Kratyns Worte, als die Drohnenwolke bis auf wenige Meter heranraste.

Die beiden transformierten ihre Wächterkörper blitzschnell zu riesigen, quadratischen Magnetblöcken, deren Anziehungskraft Störfelder schufen. Gleichzeitig verbanden sie sich über dünne Tofiritfäden mit der Energiequelle eines Aggregats. Aufgrund der Feldlinien in ihrer unmittelbaren Umgebung konnte nicht nur ihre Dichte, sondern ebenso ihre Stärke gemessen werden. Denn je dichter die Feldlinien, desto stärker auch das Feld, so die physikalische Faustformel. Und beides war enorm!

Kratyn bewies erneut seinen Mut, indem er keineswegs abwartete, bis die Miniaturflugobjekte angriffen. Vielmehr flog er mitten hinein in die lichtpulsierende Drohnenwolke, als gäbe es sprichwörtlich kein Morgen mehr.

Natürlich stand Vonnock ihm diesbezüglich in nichts nach, war er doch genauso kampferprobt.

Wie U-Boote inmitten eines aus Hunderttausenden einzelnen Fischen bestehenden Schwarms sausten die beiden Wächter hindurch.

Normalerweise würden die Drohnen von den Magnetblöcken angezogen werden. Stattdessen aber führten die von den verwandelten Wächterkörpern ausgesendeten elektromagnetischen Wellen dazu, sämtliche Navigations- und Kommunikationssysteme der winzigen Flugobjekte entscheidend zu stören. Denn ihre empfindlichen Antennen zum Empfang von Signalen verfügten über nur geringe Feldstärken.

Dementsprechend wurden durch die Empfangsstörungen die Flugsteuerungen wesentlich verfälscht.

So kam es, dass die Drohnen mit irrsinniger Geschwindigkeit von ihrem Kurs auf die Gegner abkamen und stattdessen gegen die Wände und die Decke krachten. Oder aber miteinander kollidierten. Sie zerstörten sich quasi selbst!

Die orangefarbenen Lichter der Mikroflugroboter erloschen, gaben mitunter nur noch ein schwaches Blinken von sich. Auch das stetige Summen in der Luft erstarb nach und nach.

Schließlich war der Boden mit Abertausenden winzigen und demolierten Bauteilen übersät, bestehend aus Rahmen, Sensoren, Kontrolleinheiten, Motoren und Generatoren.

Die Wächter flogen darüber hinweg.

Dieses Sicherheitssystem hatten sie wahrlich erfolgreich ausgeschaltet. Dennoch blieben sie weiterhin in ihrer Magnetblockgestalt, schließlich konnten sie nicht wissen, ob nicht noch weitere Drohnenschwärme auftauchten.

*

Wann kommen wir hier eigentlich raus?, erkundigte sich Vonnock, dem die Flucht aus der Anlage schon viel zu lange dauerte.

Nur Geduld!, lautete die kurze und knappe Antwort.

Unvermindert ging der Flug durch die Gänge und Hallen weiter. Immer wieder änderte sich die Umgebung, ohne jedoch entscheidende Hinweise zu geben, dass die beiden Wächter bald einen Ausgang oder Ähnliches erreichen würden. Vonnock blieb weiterhin nichts anderes übrig, als Kratyn zu vertrauen. Dieser bewegte sich allerdings so zielgerichtet durch die fremde Anlage wie jemand, der nicht nur Ortskenntnis besaß, sondern auch genau wusste, was er tat.

Ich werde jetzt das allgemeine Verteidigungssystem austricksen, meldete Kratyn per Wächterfunk. Im Laufe der Zeit habe ich herausbekommen, wie das funktioniert.

Vonnock hatte keine Ahnung, was der andere Wächter damit meinte. Aufgrund dessen Gedankenimpulse registrierte er jedoch, dass Kratyn einen Mentalcode aussendete, den er zuvor mit einem bestimmten Algorithmus generiert hatte.

Gleich darauf änderte sich die Konsistenz der linken Gangseite zu einer durchsichtigen, gewölbt erscheinenden Fläche. Dahinter waberte eine unwirkliche Nichtdunkelheit.

Ich habe mir die Kennziffer zu einem speziellen Ausgang angeeignet, indem ich ein Zugangskontrollsystem unbemerkt geknackt habe, verkündete Kratyn stolz. So komme ich immer wieder in diese Anlage hinein, aber auch hinaus. Ob dieser Code ebenso an anderen Stellen funktioniert, habe ich noch nicht ausprobiert, weil es mir zu riskant erschien.

Vonnock war beeindruckt. Nie und nimmer hätte er gedacht, jemals aus diesem Gefängnis ausbrechen zu können.

Kratyn wandelte sich von einem Magnetblock in ein aerodynamisches Flugobjekt, flach wie eine Scheibe. Vonnock tat es ihm gleich.

Vertraue mir! Es geschieht dir nichts!

Mit diesen Worten raste Kratyn auf die durchsichtige Gangwand zu, die als solche nicht mehr existierte.

Jeden Moment erwartete Vonnock, dass die Flugscheibe daran zerschellte. Doch das Gegenteil war der Fall! Sie drang so sauber und ungehindert hindurch wie eine scharfe Messerklinge durch einen Butterblock.

Davon angespornt, zögerte der Fanjuur-Wächter keine Sekunde länger. Auch ihm gelang es mühelos, durch die transparente Fläche hindurchzufliegen. Der Zugangs- und Ausgangscode zu der Anlage, den Kratyn widerrechtlich an sich gebracht hatte, funktionierte einwandfrei. Dank des Wächterfunks, mit dem die Flüchtigen miteinander verbunden waren, kannte nun auch Vonnock diese Daten.

Dann endlich waren die beiden Wächter im Freien dieses fremden Planeten und inmitten einer unwirklichen Nichtdunkelheit. Anders konnte man die Lichtverhältnisse, die hier herrschten, wohl nicht beschreiben. Am Horizont waren Berge zu erkennen, so nah und doch so fern. Deren Gipfel wurden von einem eigenartigen fluoreszierenden Schimmer umhüllt, der ebenfalls surreal, weil nebelhaft erschien, gepaart mit dem Hell-Dunkel-Rhythmus dieser Welt. Für einen Moment glaubte Vonnock, seine Optiksensoren hätten Schaden genommen.

Doch Kratyn versicherte ihm, dass dies keineswegs der Fall sei. Gleichzeitig warnte er ihn aber auch: Vermeide es, in das Licht zu sehen!

Damit meinte er die pulsierende Helle, die eine große visuelle Reichweite besaß,welche auf einmal mit hoher Geschwindigkeit vom höchsten Gipfel des Gebirges ausgestrahlt wurde. Wie ein gleißender Fächer aus gebündelten und tausendmal grelleren Sonnenstrahlen ergoss sich diese über die irrationale Landschaft, direkt auf die Wächter zu.

Was ist das für ein Licht?, fragte Vonnock.

Ich weiß es nicht genau, aber begleitet wird es von riesigen, fliegenden Kreaturen oder maschinellen Drohnen, die ihre Beute jagen, verbrennen, fressen oder einfach verschwinden lassen, gab Kratyn zurück, der Lichtbahn ausweichend.

Vonnock folgte ihm im Flug. Und tatsächlich schwirrten mit dem Licht riesige schwarze Schatten an ihnen vorüber, die organische Wesen, aber auch Roboter sein konnten. Seltsamerweise waren seine Ortungssysteme nicht in der Lage dazu, genau das festzustellen.

Wortlos schwebte Kratyn weiter, bis unter ihnen geometrische Silhouetten auftauchten, seltsam ineinandergeschoben und aufeinandergerichtet wie von einem Kind wahllos hingeworfene Bauklötze. Darunter Tetraeder sowie gleichmäßig geformte Quader mit harten, scharfen Kanten. Die Letztgenannten sahen beschädigt aus, mit eingebrochenen Segmenten und zerstörten Öffnungen, die an Fenster erinnerten.

Einer dieser Schattenrisse schien Kratyns Ziel zu sein. Denn wenig später landete er neben einem völlig glatt wirkenden Tetraeder mit seinen dreieckigen Seitenflächen.

Kratyn trat ein, Vonnock folgte ihm in den Gang hinein, dessen Beschaffenheit geriffelt aussah und ein fremdartiges Muster aufwies.

Hier befindet sich mein Versteck, von dem ich aus entweder wieder zurück in die Anlage fliegen oder den Planeten weiter erkunden kann, erklärte Kratyn. Sozusagen mein Stützpunkt, in dem wir halbwegs in Sicherheit sind.

Der einzige Raum in diesem paradox wirkenden architektonischen Bauwerk, der wirklich zweckdienlich hergerichtet war, stellte dennoch nur so etwas wie einen Notbehelf dar. Natürlich gab es kein Mobiliar im eigentlichen Sinne, schließlich benötigten Wächter ein solches aus Gründen von Bequemlichkeit oder Ruhemöglichkeiten nicht. Allerdings fanden sich darin diverse Konsolen und Gerätschaften. Die Wände besaßen eine ähnliche Festigkeit wie Stahlbeton, muteten wie ein mehrere Zentimeter dicker Panzer an.

Auf Vonnocks fragenden Gedankenimpuls hin, antwortete Kratyn: Das alles habe ich aus der Anlage zusammengeklaut.

Über den Sinn und Zweck ließ er jedoch nichts verlauten.

Wir befinden uns also auf einer Welt der Schwarzen Macht! Dies war freilich keine Frage von Vonnock, sondern eine Feststellung.

Ich halte mich schon seit einiger Zeit hier auf, ohne zu wissen, wo genau »hier« ist, fuhr der andere Wächter fort. Aber immerhin bin ich nach meinem Sturz durch das Wurmloch immer noch frei, obwohl ich immer wieder in die Anlage eindrang, ohne dass man meiner habhaft werden konnte.

Und wie hast du das angestellt?

Bisher scheint die Schwarze Macht keine Kenntnis darüber zu besitzen, wie wandelbar wir Wächter wirklich sind. Nachdem es mir gelungen ist, einen Zugangscode in Besitz zu bringen, habe ich sämtliche meiner Systeme so weit heruntergefahren, dass ich kaum noch Energie emittierte. Jedenfalls nur in so kleinen nicht messbaren Bereichen, dass ich nicht geortet werden konnte. So entkam ich jedes Mal den feindlichen Trupps und Drohnenschwärmen.

Ziemlich raffiniert. Vonnock meinte es ehrlich. Aberweshalb nimmst du dann das Risiko auf dich, immer in die Anlage zurückzukehren?

Eine gute Frage, doch die Antwort darauf ist praktischer und auch materieller Natur.

Ich verstehe nicht …

Wenn ich für mein Versteck und damit für mein Überleben irgendwelche Hilfsmittel oder Werkzeuge benötige, dann beschaffe ich mir diese heimlich aus der Anlage. Du kannst von Glück sagen, dass ich auf meinem letzten Raubzug zufällig auf dich gestoßen bin und dich retten konnte. Ansonsten hätten sie zunächst deinen Tofiritkörper und danach dein Bewusstsein zerlegt.

Mein Dank ist dir gewiss, Wächter Kratyn! Aber wie bist du eigentlich hierhergekommen?, wollte Vonnock nun wissen.

Das ist eine lange Geschichte, doch ich fasse sie kurz für dich zusammen,erwiderte Kratyn. Auf dem Planeten Lonleystone entbrannte ein Kampf zwischen der Schwarzen Macht und Zombiewächtern von ARKAN-12. Wir kamen durch ein Arkan-Portal dorthin. So auch ich sowie die Wächter Kroike, Noyken und Royen. Unser Auftrag lautete, Wächter Kurtwoodharker einzufangen und zur INSTANZ zu bringen.

Als Vonnock den Namen des Wächters hörte, war er wie elektrisiert. Kurtwoodharker hatte nicht nur ihn selbst verraten, sondern sich zudem eindeutig auf die Seite des Feindes gestellt. Aufmerksam lauschte er weiter Kratyns Ausführungen.

Bei der Schlacht auf dem Gesteinsplaneten obsiegten die Zombiewächter gegen die gegnerischen Roboter und zerstörten sämtliche Keilschiffe. Im Angesicht der Niederlage wollte Kurtwoodharker mithilfe der Grünen Technologie fliehen. Doch ich und Kroike, Noyken und Royen konnten das verhindern. Allerdings wurde Royen dabei getötet. Dennoch gelang es uns, Kurtwoodharker auszuschalten, seinen Körper zu zerstören und sein Bewusstseinsmodul zu bergen. Kratyn hielt kurz inne, bevor er fortfuhr: Was wir zunächst jedoch nicht wussten: Die Schwarze Macht erzeugte ein Wurmloch, das alles in sich hineinsog, sowohl ihre eigenen Roboter als auch die Zombiewächter. Ebenso mich selbst und auch Noyken.

Gleich darauf schilderte Kratyn, was danach mit ihm geschehen war …

3.

Lonleystone, Juni 2074

 

Die Sogwirkung des Wurmlochs war so ungeheuerlich, dass sich nichts und niemand dagegen stemmen konnte. Sämtliche Bodenhaftung kam abhanden, ganz gleich, in welche Gestalt Kratyn hektisch wechselte. Selbst die Trümmer der zerstörten Keilschiffe wurden von dem schwarzen Schlund verschluckt. Gestein und Geröll des Untergrunds von Lonleystone zersetzten sich und verschwanden in spiralförmigen Wirbeln darin. Wahrlich gab es keinen sicheren Halt mehr auf dem sich auflösenden Boden.

Nur am Rande registrierte Kratyn, wie Wächter Kroike unweit von ihm ebenfalls dagegen ankämpfte, von dem Sog erfasst zu werden. Aber schnell verlor er ihn aus seinem Wahrnehmungsbereich, hatte er doch genug mit sich selbst zu tun. Haltlos trieb er weiter auf das Zentrum des Schwarzen Lochs zu, hing beinahe vertikal im sprichwörtlichen Auge des Sturms, der eigentlich eine konzentrische Welle darstellte.

Trotz höchster Not, in der sich Kratyn befand, analysierte er, dass es sich dabei um eine lilafarbene Akkretionsscheibe mit hoher Energiedichte handelte. Und damit um eine um ein zentrales Objekt rotierende Scheibe, die gleichzeitig Materie in Richtung des Zentrums transportierte. Das kugelrunde Gebilde des schwarzen Etwas, um das sich die Akkretionsscheibe horizontal drehte, wurde immer größer vor ihm. Ein Wurmloch als Raum-Zeit-Brücke, die sich über den Ereignishorizont hinaus erstreckte und sozusagen als eine Art Durchgang funktionierte.

Als Wächter wusste Kratyn natürlich, dass aufgrund der gekrümmten inneren Geometrie, die dem zugrunde lag, auch eine riesige Anzahl von einzelnen teilchenartigen Bestandteilen hinzukamen, um Gravitation und eine zusätzliche Dimension zu erschaffen. Zudem ein komplexes Muster an Quantenverschränkungen, das die Oberflächenbestandteile miteinander verknüpfte. Dahingehend sprach man von einer holografischen Dualität beziehungsweise von einer Wurmlochgeometrie.

All das schoss Kratyn innerhalb eines Sekundenbruchteils durch das Bewusstsein, während sein Wächterkörper wie eine Spielzeugpuppe mit atemberaubender Geschwindigkeit auf das »Maul« dieses astrophysikalischen Monstrums zutrudelte und schließlich darin verschwand.

Voll und ganz registrierte er alles um sich herum, obwohl er nun wie in einem lichtschnell betriebenen Karussell sowie in absoluter Stille durch das schwärzer als schwarz erscheinende Zentrum des Wurmlochs wirbelte.

Doch schlagartig verlor er jegliches Gefühl für Raum und Zeit und für seine eigene Existenz.

Die totale Finsternis legte sich auf all seine Sinne und gleich darauf war nichts mehr …

Gar nichts …

… doch gleich darauf blitzte es wie ein Sonnenstrahl durch die tiefste Nacht in seinem Bewusstsein auf, die heller und heller wurde, bis er …

… vollends erwachte. Oder wie auch immer man diesen Geisteszustand, dem er nun unterlag, beschreiben mochte.

Innerhalb der winzigsten Zeiteinheit, die existierte, war Kratyn von Lonleystone durch das Wurmloch in eine andere Welt transferiert worden. Das zumindest glaubte er zu wissen, nachdem er sämtliche Systeme hochgefahren hatte, um die fremde Umgebung zu analysieren, in der er sich nun befand.

*

Es dauerte einige Zeit, um sich zu orientieren. Allerdings war das nicht der richtige Ausdruck, weil er die meisten Daten, die er empfing, nicht auswerten konnte. Das lag daran, dass sie sich einfach keinen vergleichbaren Messeinheiten zuordnen ließen. Jedenfalls existierten hier Lichtverhältnisse, die er niemals zuvor gesehen hatte – und das im übertragenen Sinne des Wortes, denn seine Wahrnehmung als Wächter unterschied sich deutlich von der seiner früheren biologischen Gestalt.

Diese Welt unterlag einem surrealen Hell-Dunkel-Rhythmus, der in kein bisher bekanntes Raster passte. Die unwirkliche Nichtdunkelheit wurde noch verstärkt von einem eigenartigen Nebel, dessen Schlieren und Schwaden wie Geisterfinger über den steinigen Boden krochen. Als einzige Erklärung konnte er sich vorstellen, dass der Planet eine sehr langsame Rotation besaß. Oder aber dieser hatte überhaupt keinen Stern, der eine ausreichende Helligkeit erzeugte.