Ren Dhark – Weg ins Weltall 69: Ein sicherer Hort? - Achim Mehnert - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 69: Ein sicherer Hort? E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Der Utare Yak Yakis erweist sich als harter Brocken für die GSO-Agenten Ömer Giray und Liv Sanders. Bevor sie mit ihren Ermittlungen in Sachen der illegalen Cyborg-Technologie fortfahren können, müssen sie zuerst ein Mittel gegen die Bedrohung finden, die der Blaue darstellt. In der Galaxis Voktar werden unterdessen Ren Dhark und seine Getreuen zu Gejagten, deren Chancen äußerst schlecht stehen. Doch es gibt Hoffnung. Ist das, was sie auf ihrer Flucht entdecken, vielleicht ein sicherer Hort? Jan Gardemann, Achim Mehnert und Nina Morawietz schrieben diesen mitreißenden SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 69

Ein sicherer Hort?

 

von

 

Achim Mehnert

(Kapitel 1 bis 6)

 

Nina Morawietz

(Kapitel 7 bis 12)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 13 bis 18)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

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Der zweite Krieg der Welten

Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, dass er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung Babylons und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich gemeistert hat, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte.

Mithilfe der Nomwarun – nur etwa 50 Zentimeter große Nachfahren der Worgun – gelingt es schließlich, der Gefahr zu begegnen. Allerdings spielen die Nomwarun nicht mit offenen Karten und zerstören das Miniuniversum, anstatt es wie versprochen in ein anderes Kontinuum zu versetzen, weil das anscheinend nicht möglich gewesen ist. Ren Dhark macht dieses Resultat sehr zu schaffen, doch es gelingt ihm nicht, die Nomwarun entsprechend zur Rede zu stellen.

Knapp zwei Jahre später, im Sommer des Jahres 2072, scheint endlich Ruhe in der Milchstraße eingekehrt zu sein und die Normalität zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da erhält Ren Dhark einen Notruf von der Erde: Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart haben eine uralte Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees erforscht und wurden von einem bislang ungeklärten Phänomen in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, aber in Voktar herrschen die Friedensstifter, die offenbar keine Besucher aus anderen Galaxien dulden und gnadenlos Jagd auf die Terraner machen …

1.

Nottransition!

Die POINT OF sprang.

In der einen Sekunde zeigte die Bildkugel noch das Pudim-System mit dem vierten Planeten Kempo, der Heimatwelt der Kenporim, die von den Reckbatz wiederholt verwüstet worden war, und mit den fünf grünen Ringraumern, die oberhalb der Ekliptik aus einer Transition kamen. Im nächsten Moment änderte sich die Darstellung in der schwebenden Sphäre. Der Ringraumer fand sich im Leerraum zwischen zwei Sonnensystemen wieder.

»Checkmaster, bring uns hier weg!« Ren Dhark klang noch der eigene Befehl in den Ohren nach, und er sah vor seinem geistigen Auge die Nadelstrahlen der Angreifer durch die Schwärze des Weltraums huschen, als bereits der zweite Sprung stattfand.

In der Zentrale herrschte Stille, niemand sprach ein Wort. Stumm und zur Untätigkeit verurteilt verfolgten die Raumfahrer das Geschehen. Lediglich Tino Grappa überwachte mit Argusaugen seine Ortungsanlage, nahm jede Anzeige wahr, sog jede Einblendung in sich auf.

Dhark hingegen kam sich fast wie ein Statist im eigenen Haus vor. Die Kontrolle lag in den Händen des Bordgehirns, diesmal auf seinen Befehl hin, doch zweifelte der Commander nicht daran, dass der Checkmaster sie auch ohne ausdrückliche Anordnung wieder an sich gerissen hätte.

Die nächsten Transitionen absolvierte die POINT OF in dichter Abfolge, mit wechselnder Flugrichtung und über verschieden lange Distanzen. Daten wurden eingeblendet, Koordinaten huschten durch die Bildkugel, doch viel zu schnell, als dass ein menschliches Gehirn sie hätte erfassen und analysieren können. Dhark begnügte sich damit, die Anzahl der Sprünge mitzuzählen. Für alles andere blieb anschließend noch Zeit.

Als er bei »acht« ankam, endete der Parforceritt durch diesen Sektor von Voktar – oder von NGK 3109, wie die Zwerggalaxis in den Sternenkarten der Menschheit hieß.

»Anzeigen, Mister Grappa?«, erkundigte sich Dhark bei seinem Ortungschef.

»Negativ«, antwortete der Mailänder. »Keine Emissionen, keine Verfolger. Wir haben sie abgehängt. Wir sind allein.«

Dhark hatte nichts anderes erwartet. Wäre sich der Checkmaster seiner Sache nicht sicher, würde er weitere Transitionen aneinanderreihen. Sie hatten sich dem Zugriff der grünen Ringraumer entzogen. Die aus Ter gebauten Schiffe übertrafen die herkömmlichen Unitallraumer bei Weitem.

Dem Teufel von der Schippe gesprungen, ging es dem weißblonden Raumfahrer durch den Kopf. Einmal mehr und wieder nur vorübergehend.

Die unterschwellige Bedrohung der Vernichtung jedoch blieb. Jedes weitere Zusammentreffen mit den Friedensstiftern, die man in den grünen Schiffen vermutete, konnte das letzte sein. Das wusste nicht nur Dhark, sondern jeder an Bord. Von dem aus zehn Einheiten bestehenden Schiffsverband, der aus der Milchstraße nach Voktar geflogen war, existierte nur noch die POINT OF – und das auch nur mit einer Menge Dusel.

»Ich übergebe die Steuerung zurück an dich«, verkündete der Checkmaster knapp.

Dhark nahm den letzten Beweis dafür, dass sie sich in Sicherheit befanden, kommentarlos zur Kenntnis. Er hatte das Gefühl, die Erleichterung in der Zentrale fast mit Händen greifen zu können.

Hen Fallutas Wangen wiesen einen leichten Rotstich auf, und Glenn Morris wischte sich den Schweiß von der Stirn. Arc Doorn und Chris Shanton tuschelten miteinander, schienen irgendeinen Aspekt der vorangegangenen Ereignisse zu diskutieren. Besonders Doorns Körpersprache drückte Unmut aus. Parock saß unerschütterlich wie ein Fels in der Brandung auf seinem Spezialsitz, und Amy Stewart versuchte, mit vor der Brust verschränkten Armen Gelassenheit zu demonstrieren, doch auch an diesen beiden war die im letzten Augenblick gelungene Flucht nicht spurlos vorübergegangen. Sie alle brauchten ein paar Sekunden, um zu Atem zu kommen. Wächterin Doris, die dasaß wie unbelebt, ging es wahrscheinlich nicht anders.

Dhark ließ ihnen allen Zeit. Er drängte niemanden, denn auch er musste sich sammeln. Das kurze Lächeln, das Amy ihm gönnte, half ihm dabei, seine Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken.

Er sichtete die Daten, die sich nun nicht mehr im Abstand von Sekundenbruchteilen änderten. Das Schiff trieb mit geringer Geschwindigkeit im interstellaren Leerraum, mehr als zehn Lichtjahre vom nächsten Sonnensystem entfernt.

Freies Fluchtfeld in alle Richtungen. Viel Vorwarnzeit blieb nicht, wenn die Friedensstifter wie aus dem Nichts auftauchten. Das wussten die Besucher aus einer anderen Galaxis inzwischen. Eine weitere Nottransition, sofern erforderlich, ist jederzeit möglich.

»Checkmaster«, erhob Doorn die Stimme. »Ich verlange eine Erklärung!«

Dhark horchte auf. Seine Ahnung bestätigte sich. Dem Worgun in Menschengestalt war etwas unangenehm aufgestoßen.

»Eine Erklärung wofür?«, fragte das Bordgehirn.

Doorn blickte finster drein. »Du hast eine Nottransition durchgeführt, kaum dass die grünen Ringraumer auftauchten.«

»Das ist richtig.«

»Und es ist dir gelungen, uns in Sicherheit zu bringen.«

»Auch das ist richtig.«

Der Worgun in Menschengestalt raufte sich die langen roten Haare. »Dieses Vorgehen steht in krassem Widerspruch zu deinem Verhalten bei unserem letzten Zusammenstoß mit den grünen Ringraumern. Damals hast du im Nachhinein behauptet, eine Nottransition sei unmöglich gewesen, ohne unsere neun S-Kreuzer zu opfern. Das hast du ja auch getan. Jetzt sieht es für mich aber so aus, als sei der Verlust dieser Schiffe doch vermeidbar gewesen.«

»Das ist ein Irrtum, da die beiden Zusammenstöße mit den Friedensstiftern unter voneinander abweichenden Voraussetzungen stattfanden«, erklärte der Checkmaster in dem gewohnt ruhigen und sachlichen Tonfall, der Doorn zuweilen auf die Palme brachte. »Diesmal war ich auf die Vorgehensweise der grünen Ringraumer vorbereitet. Ich rechnete bei ihrem Auftauchen von vornherein mit ihrem aggressiven und kompromisslosen Vorgehen. Ein Vergleich des Angriffs mit den Angriffsmustern aus dem letzten Kampf ergab, dass die Fremden sich noch in der Orientierungsphase befanden.«

»Eine Orientierungsphase?«, hakte der Rotschopf nach. »Von einer solchen habe ich nicht viel gemerkt.«

»Weil es sich um eine sehr kurze Orientierungsphase handelte«, gab der Checkmaster ungerührt zurück. »Für einen Menschen in der Tat kaum wahrnehmbar, für mich jedoch deutlich erkennbar. Mir genügte sie, um zu berechnen, dass eine sofortige Nottransition mit einer Wahrscheinlichkeit von 86,374 Prozent Aussicht auf Erfolg hat.«

»Aussicht auf was für einen Erfolg?«, schaltete sich Falluta in das Gespräch ein.

»Dass die POINT OF bei einer Transition nicht sofort zerstört wird«, konkretisierte das Bordgehirn seine Aussage.

Nun drehte sich auch Grappa in seinem Gliedersessel um und schaute zum Instrumentenpult hinüber. Er blies die Backen auf. »Du hast also eine Wahrscheinlichkeit von vierzehn Prozent in Kauf genommen, dass wir vernichtet werden?«

»Von 13,626 Prozent«, verbesserte der Checkmaster den Mailänder leidenschaftslos. »Das Restrisiko ließ sich nicht weiter verringern. Ihr scheint nicht zu begreifen, dass dies die einzige Chance war, die wir überhaupt hatten. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie zu ergreifen, auch wenn eine Gefahr für Schiff und Besatzung bestand. Der Verzicht auf eine Transition hätte unser Ende bedeutet. Einen neuerlichen Kampf, und diesmal allein gegen fünf überlegene Gegner, hätten wir definitiv nicht überstanden.«

»Hast du eine Flucht mit Sternensog in Erwägung gezogen?«, brachte Doorn einen halbherzigen Einwand vor.

»Nein, da sie von vornherein keine Option darstellte. Wir kennen die Leistungsfähigkeit der grünen Schiffe. Sie übersteigt diejenige der POINT OF deutlich. Auch ein Fluchtversuch mit Sternensog hätte definitiv zu unserem Ende geführt. Ich habe also die einzig überhaupt zur Verfügung stehende Chance ergriffen, dazu mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass wir unbeschadet entkommen.«

Die Argumentation des Checkmasters leuchtete Dhark ein. Das galt auch für Doorn, wie der Rotschopf mit einem kurzen Nicken zeigte. Mit einem Blick in die Runde vergewisserte sich Dhark, dass das Vorgehen des einzigartigen Hyperkalkulators keinen weiteren Protest hervorrief.

Die Gemüter beruhigten sich, und der Commander verschaffte sich einen Überblick über den Raumsektor, in dem die POINT OF trieb.

Die Sterne standen hier deutlich weniger dicht als vor dem ersten Sprung. Für eine Weile wähnte er Schiff und Besatzung sicher, doch wie schnell sich das ändern konnte, hatten sie eben erst erlebt.

Auf Dauer gab es keine Sicherheit.

Die Friedensstifter und ihre Vasallen, die schießwütigen Reckbatz, machten gnadenlos Jagd auf die Besucher aus einer anderen Galaxis.

Den Raumfahrern war längst jeglicher Handlungsspielraum genommen worden. Ihre ursprüngliche Absicht, die Verhältnisse in Voktar zu beleuchten, mutete wie Makulatur an angesichts der Tatsache, dass sie mehr und mehr zum Reagieren gezwungen waren, um am Leben zu bleiben. Gelegenheit, selbst in die Offensive zu gehen, bot sich so gut wie nicht.

Hinzu kamen die verstörenden Erkenntnisse, die Dhark, Amy und Parock bei den Kenporim gewonnen hatten. Bisher war er noch nicht dazu gekommen, die Besatzung darüber zu informieren. Es wurde Zeit, das nachzuholen.

Dhark aktivierte Bordsprech.

*

Der Commander führte ohne Beschönigung aus, was er bei den degenerierten Kenporim erfahren hatte: von den ersten Raumflügen der an riesige Tausendfüßler erinnernden Lebewesen und ihrer Entwicklung zu einem hochtechnisierten Volk, von ihrem Begehren, zum Zweck von Handel und wirtschaftlichem Wachstum mit anderen Zivilisationen in Kontakt zu treten, und vom ersten Erscheinen der Reckbatz, bei dem diese die Zusage einforderten, sich an die bestehenden Regeln der Friedensstifter zu halten. Dhark berichtete weiter vom restriktiven Vorgehen der Reckbatz, als die Kenporim sich anfangs unzugänglich zeigten, und ihren florierenden Handelsbeziehungen, als sie sich schließlich doch gefügt hatten. Schließlich kam er zu den Kolonisierungsversuchen unbewohnter Planeten, die von den Reckbatz mit brutaler Gewalt vereitelt wurden.

Nach dem Abschluss seines Berichts klatschte Dharks Hand auf einen Kontakt. Die Bordsprech-Verbindung erlosch schiffsweit.

Er registrierte, dass seine Schilderung die Zentralenbesatzung mehr und mehr fesselte, und dem Rest der Mannschaft ging es zweifellos ähnlich. Seit er zum Ende gekommen war, herrschte betretenes Schweigen.

Chris Shanton fand als Erster die Sprache wieder. »Die Reckbatz haben im Namen der Friedensstifter die Kenporim in die Steinzeit zurückgebombt, bloß weil diese anderswo Kolonien gründen wollten?«

Dhark nickte mit Nachdruck. »Territoriale Expansion ist in Voktar offenbar streng verboten. Wer gegen dieses Verbot verstößt, muss mit drakonischen Sanktionen rechnen. Das geht wohl so weit, eine blühende Welt in einen toten Gesteinsklumpen zu verwandeln. Millionen oder gar Milliarden Tote interessieren die Friedensstifter und ihre Henker dabei offensichtlich nicht. Die Erzählung der Kenporim bestätigt zudem, worauf wir bisher immer wieder stießen: Seid friedlich und produktiv und treibt regen Handel.«

»Doch wer mehr will, der holt sich eine blutige Nase«, drückte Morris das soeben Gehörte in blumiger Weise aus. »Auf jeden Fall deckt sich der Bericht der Kenporim mit dem Verhalten derjenigen, die die grünen Ringraumer fliegen. Sie verhalten sich hart und kompromisslos, so wie die Reckbatz.«

»Ausgeschlossen, dass es sich bei den Friedensstiftern um Wächter handelt, oder?«, entfuhr es Falluta. Er räusperte sich. »Oder?«

Dhark hob die Schultern, eine Geste der Ratlosigkeit.

Sämtliche Augenpaare richteten sich auf Doris.

Die Wächterin regte sich auch jetzt nicht. Die rötliche Hülle des polymetallischen Roboterkörpers, der das Bewusstsein von Doris Doorn beherbergte, glänzte im künstlichen Licht der Deckenbeleuchtung.

Dämonisch. Dhark zog die Schultern zusammen. Unsinn! Lass dich nicht zu oberflächlichen Betrachtungen hinreißen, die nur ungerecht sein können. Du kennst Doris, und du vertraust Doris.

Dennoch blieb ein Rest Zweifel. Er konnte nun einmal nicht ausklammern, dass Doris demselben Orden angehörte wie die gnadenlosen Bestien in den Ter-Raumern.

Doch stimmte das wirklich?

Bisher gab es keinen definitiven Beweis dafür, dass Wächter die grünen Ringraumer bemannten. Und wenn doch, so stammte der einzige Hinweis darauf von Doris selbst. Bei der Zerstörung eines grünen Raumers im Verlauf der ersten Schlacht gegen diesen Gegner hatte sie für einen Sekundenbruchteil die Präsenz eines Wächters gespürt.

»Vielleicht müssen wir alles infrage stellen, was wir über die Wächter zu wissen glauben.« Doris’ Stimme klang dünn. »Vielleicht muss ich selbst, müssen auch Simon und Arlo unser scheinbares Wissen revidieren.«

»Du kannst nichts dafür«, wandte sich Doorn an seine Gefährtin. »Weder du noch Simon noch Arlo tragen eine Mitschuld an den Taten irgendwelcher fremden Wächter, deren Identität wir nicht zweifelsfrei bestätigen können. Ich hoffe, das sehen auch alle anderen hier so.«

Doris schien seine Worte nicht einmal gehört zu haben. »Wächter als Verantwortliche für Massaker mit Millionen Toten, das ist …«

Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Unvermittelt kam Bewegung in den polymetallischen Hünen. Doris ging mit fließenden Bewegungen auf das Schott zu, wartete, bis es sich vor ihr öffnete, und trat dann in den Korridor hinaus. Mit einem giftigen Blick in die Runde folgte Doorn seiner Gefährtin nach draußen.

*

Unruhig rutschte Shanton auf seinem Stuhl hin und her. Auch er machte Anstalten, sich zu erheben.

»Lassen Sie ihn, Chris«, hielt Dhark den Ingenieur mit der Halbglatze zurück. »Arc beruhigt sich schon wieder. Das gilt auch für Doris.« Hoffentlich.

In dem Commander schrillte ein Alarm. Ihm wurde klar, dass er dringend ein Machtwort sprechen musste. Auf keinen Fall durfte er zulassen, dass in ihren Reihen Zwietracht entstand. Einer der grundlegenden Eckpfeiler bei sämtlichen Erfolgen der POINT OF und ihrer Mannschaft in all den hinter ihnen liegenden langen Jahren war das unbedingte Vertrauen untereinander, die Kameradschaft, mit der alle an einem Strang zogen.

Die Freundschaft.

Wenn sie zu bröckeln begann, bedeutete das vielleicht den Anfang vom Ende.

Nicht so melodramatisch. Übertreibe es nicht!

Aber übertrieb er wirklich? Befanden sie sich nicht vielmehr in einer Lage, die sie so bisher nicht kannten? Sie saßen in einer fremden Galaxis fest, auf sich allein gestellt und ohne Aussicht auf eine Heimkehr. Sie besaßen keine Verbündeten und keinen sicheren Anlaufhafen, in dem sie unterkommen konnten, und sie wurden von einem scheinbar übermächtigen Gegner erbarmungslos gejagt. All das erlebten sie nicht zum ersten Mal, doch nicht in dieser Kombination und nicht mit dem zusätzlichen Faktor, der in einem jeden von ihnen Zweifel schürte.

Dass nämlich diejenigen, die sie immer für die Guten gehalten hatten, plötzlich anscheinend die abgrundtief Bösen waren.

Wie viel schlimmer als für sie alle musste sich die Lage erst für Doris darstellen? Wie sehr litt sie unter dieser Entwicklung?

Denken in reinen Gut-und-böse-Schemata mag moralisch am einfachsten sein, dachte Dhark, geht aber an der Wirklichkeit vorbei.

Amy Stewart straffte ihre Gestalt. »Wir wissen noch immer nicht, ob es sich bei den Friedensstiftern wirklich um Wächter handelt. Manches deutet darauf hin, richtig, doch das bedeutet nicht, dass jene geheimnisvollen Wächter tatsächlich in direktem Zusammenhang mit den uns bekannten Wächtern stehen. Der Orden ist viele Tausend Jahre alt und über mehrere Galaxien verstreut, wie es aussieht, sogar über mehr Galaxien, als wir bisher annahmen. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass einige Wächter nichts von anderen wissen. Manche von ihnen können längst von den ursprünglichen Zielen des Ordens abgewichen sein, ihn vielleicht sogar vergessen haben.«

Dhark nickte unbewusst. Er warf Amy einen dankbaren Blick zu. Sie fasste in Worte, was ihn schon die ganze Zeit unterschwellig beschäftigte. Vielleicht hatte jemand es aussprechen müssen, damit ihm das richtig bewusst wurde.

Es ging nicht ihm allein so. Die Stimmung in der Zentrale entspannte sich merklich.

»Wächter oder nicht Wächter«, griff Tino Grappa den Faden auf. »Ich glaube inzwischen nicht mehr daran, dass es uns jemals gelingen wird, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sie wollen es nicht, und sie geben uns keine Gelegenheit dazu. Man könnte in Schwermut verfallen und auf die Idee kommen, sich eine abgeschiedene Sauerstoffwelt zu suchen und sich dort möglichst unauffällig niederzulassen.«

Dharks Kopf ruckte herum. Der Commander starrte seinen Ortungschef an wie eine Erscheinung. Für einen Moment wollte er nicht glauben, was er gerade gehört hatte.

Schlug Grappa allen Ernstes vor, die Bestrebungen, nach Hause zu gelangen, einzustellen und in Voktar sesshaft zu werden? Friedlich und produktiv vor sich hin zu leben, wie die Friedensstifter es verlangten?

Dhark lag eine harsche Entgegnung auf der Zunge. Mit welchem Recht? Er schluckte sie hinunter, schließlich forderte er von seinen Leuten, dass sie mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg hielten. Er selbst wäre niemals auf eine solche Idee gekommen, doch wie viele Besatzungsmitglieder mochten ähnliche Überlegungen wie der Mailänder hegen? War es denn nicht besser, sesshaft zu werden und den Rest ihres Lebens unbehelligt auf einer schönen Welt zu verbringen, als bis zum unausweichlichen Ende gehetzt zu werden?

Den Rest des Lebens …, ging es Dhark durch den Kopf. Für einen relativ Unsterblichen konnte das eine ganz schön lange Zeitspanne sein.

»Es war nur so eine Idee.« Grappa schien sein eigener Vorschlag peinlich zu sein. »Um ehrlich zu sein, ich wäre der Letzte, der sie unterstützt.«

»Es gibt eine Alternative, wenngleich ich sie nur ungern nenne.« Falluta kratzte sich hinterm Ohr.

Dhark machte eine auffordernde Handbewegung. »Heraus mit der Sprache, Hen!«

»Die POINT OF ist inzwischen in ganz Voktar bekannt wie ein bunter Hund. Wir sind zu auffällig. Deshalb können wir auch so leicht aufgespürt werden. Das Schiff zu wechseln würde Abhilfe schaffen.«

Fallutas Vorschlag erschreckte Dhark ebenso sehr wie der von Grappa. Die POINT OF aufgeben? Für ihn unvorstellbar. Sie ging weit über den Status eines Fortbewegungsmittels hinaus. Dhark betrachtete sie als einen Weggefährten, als einen Vertrauten, ebenso wie es seine Freunde an Bord waren. Zwischen ihm und dem Schiff bestanden Bande, die sich mit dem Menschenverstand nicht erklären ließen und sicher niemanden überzeugen konnten, der den Ringraumer nicht schon so lange kannte wie er und mit ihm so viel erlebt hatte.

Nein, das Schiff würde er nicht aufgeben, um nichts in der Welt!

Und die Sesshaftigkeit auf einer unbewohnten, lebensfreundlichen Welt? Bot sie einen akzeptablen Ausweg aus dem Dilemma, in dem sie steckten?

Dhark horchte in sich hinein. Auch diese Option schied für ihn persönlich aus. Andererseits konnte er nicht von seinen Freunden verlangen, dass sie ihm in Kadavertreue bis zu einem Ende folgten, das man zumindest einkalkulieren musste. Wenn jemand das Schiff verlassen wollte, hatte er dann das Recht, denjenigen daran zu hindern? Als Kommandant vielleicht – aber unter moralischen Gesichtspunkten?

Nachdenklich schüttelte er den Kopf. Da sich nicht absehen ließ, ob sie jemals nach Hause zurückfanden, gebot es die Verantwortung für seine Leute geradezu, ihnen eine Alternative zu bieten. Er beugte sich vor, um erneut Bordsprech zu aktivieren.

Amy merkte, dass er drauf und dran war, sich zu einer schwerwiegenden Entscheidung durchzuringen. »Was hast du vor?«

»Etwas, um das ich nicht herumkomme«, wich Dhark aus.

In den Augen des weiblichen Cyborgs blitzte es auf. Amy musterte ihn eindringlich, drang jedoch nicht weiter in ihn. In seiner Position als Kommandant hatte er eine Entscheidung getroffen, und an der hatte sie so wenig zu rütteln wie jeder andere – so lautete ein Teil ihrer kürzlich getroffenen Vereinbarung, und an die gedachten sich beide zu halten, um nicht die Fehler früherer Tage zu wiederholen.

Endlich aktivierte Dhark Bordsprech, und wieder wandte er sich an die gesamte Besatzung. Er legte den Männern und Frauen an Bord noch einmal die außergewöhnliche Brisanz ihrer Lage dar und bot jedem, der eine solche Möglichkeit in Betracht zog, an, ihn je nach Wunsch auf einer bewohnten oder unbewohnten Welt abzusetzen.

»Eine schwierige Entscheidung, ich weiß«, sagte Dhark mit fester Stimme. »Ich werde jeden, der sich für einen solchen Weg entscheidet, vermissen, nehme aber niemandem eine solche Entscheidung übel. Wie schwer sie zu treffen ist, ist mir klar, daher erwarte ich Ihre Antwort nicht sofort. Ich verordne eine schiffsweite vierundzwanzigstündige Ruhephase, damit Sie in aller Ruhe nachdenken können. Alle, die sich dafür entscheiden, die POINT OF zu verlassen, erwarte ich morgen um die gleiche Bordzeit in der Messe, um das weitere Vorgehen festzuklopfen.«

Dhark bedankte sich und schaltete ab. Er wies den Checkmaster an, das Schiff in der sternenarmen Region in Bewegung zu halten und beim Auftauchen von Ringraumern augenblicklich per Transition das Weite zu suchen.

»Und nun lege ich mich eine Stunde aufs Ohr.« Dhark sah sich um. »Was ich eben über Bordsprech verkündet habe, gilt selbstverständlich auch für die hier Anwesenden. Ich erwarte, dass Sie ernsthaft überlegen. Diese Entscheidung trifft jeder für sich allein.«

»Ich bleibe in der Zentrale«, sagte Falluta, als sich der Commander erhob.

Als sich das Schott öffnete und Dhark und Stewart in den Korridor hinaustraten, folgte ihnen Parocks grollender Bass: »Ich brauche nicht zu überlegen. Ich bleibe an Bord. Das ist, wie ihr Menschen euch ausdrückt, in Stein gemeißelt.«

2.

Zugiger Wind begleitete Grfzt durch die hell erleuchteten Gassen. Anliegende Lokale lockten mit bunten Leuchtreklamen und luden zum Verweilen ein. Über manchen Eingängen schwebten holografische Schriftzüge, die den Namen des Etablissements anpriesen, und hier und da drang Musik auf die Straße. Als Grfzt eine Seitengasse erreichte, packte ihn eine Windböe und drückte ihn gegen die Hauswand. Er war so überrascht, dass sie ihn beinahe von den Beinen holte.

»Brrr«, machte der Glonk. »Schauderhaft. Ungemütlich.«

Er mochte kein schauderhaftes, ungemütliches Wetter. Er mochte es trocken und warm, so wie die meisten seines Volkes. Nur bei strahlendem Sonnenschein fühlten sich Glonk so richtig wohl.

Zu allem Überfluss setzte in diesem Moment leichter Nieselregen ein. Grfzt schlug den Kragen seines Mantels hoch und sah zu, dass er weiterkam. Nur wenige Passanten kamen ihm entgegen, Vertreter der verschiedensten auf Pral beheimateten Völker. Die meisten kannte er, schließlich verbrachte er schon sein ganzes Leben auf dieser Welt. Trotzdem kam es hin und wieder vor, dass ihm jemand von einem Volk begegnete, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Heute Abend jedoch nicht. Er vermochte jedes Volk einzuordnen und gar seinen Namen zu benennen. Andere Glonk befanden sich nicht darunter.

Endlich erreichte Grfzt sein Ziel, ein von außen unscheinbar wirkendes Lokal mit abgedunkelten Rauchglasscheiben, hinter denen ein dezentes Lichtspiel Neugierde erweckte. Er trat durch den schmalen Eingang, ließ den Mantel von seinen geschuppten Schultern gleiten und schüttelte ihn aus, bevor er die eigentliche Stätte betrat. Wind und Regen blieben hinter ihm zurück. Sie wurden von einem sanften Prallfeld ausgesperrt, das gleichzeitig dafür sorgte, dass die wohlige Wärme nicht nach draußen verloren ging.

Grfzt hängte den Mantel im Eingangsbereich auf. Während er nach einem verfügbaren Sitzplatz Ausschau hielt, wischte er sich die Feuchtigkeit von den Schuppen. Er wählte einen freien Platz, von denen mehr als genug zur Verfügung standen, im hinteren Bereich, wo er freie Sicht auf den Holo-Bildschirm genoss. Er saß gern dort hinten und ließ sich vom Programm berieseln, zumindest wenn es interessant war. Meistens war es das nicht.

Er hatte kaum Platz genommen, als sich eine Rob-Ameise dem Tisch näherte. Dienstbeflissen stakste das ungelenke Ding heran. Seine mechanischen Gelenke knarrten, seine Stimme kaum weniger, als es sich nach den Wünschen des neuen Gastes erkundigte.

»Einen Glühtrunk«, bestellte der Glonk. »Genau das Richtige bei einem solchen Wetter, findest du nicht auch?«

Das fand die Rob-Ameise nicht. Sie entfernte sich, ohne seine Frage zu beantworten. Sie war viel zu stupide, um mehr als die Bestellung verarbeiten zu können.

Ein bisschen mehr Mühe hätten sich die Designer bei ihrer Programmierung ruhig geben können, dachte Grfzt. Andererseits legte er keinen großen Wert auf eine Unterhaltung mit der stumpfsinnigen Ameise.

Er streckte seine langen, dürren Glieder und räkelte sich behaglich. Die Wärme des Lokals begann bereits unter seine Schuppen zu kriechen und bahnte sich tausend Kanäle ins Innere seines Körpers. Sein Blick wanderte zu dem Holo-Bildschirm hinüber, der in einer Nische über einem Blumenarrangement hing. Die Lautstärkeeinstellung verhinderte, dass Grfzt den Text mitbekam. Er verzichtete gern darauf, denn die Bilder genügten, um ihn zu langweilen. Eine der inflationär ausgestrahlten Kochsendungen flimmerte über den Schirm. Auf solchen Unsinn konnte er gern verzichten.

Die Rob-Ameise kam zurück und servierte das bestellte Getränk. Der Duft des Glühtrunks stieg dem Glonk in die Nüstern. Er zog seinen Credit-Chip aus der Tasche und beglich die Rechnung. Die Ameise buchte den fälligen Betrag von seinem Guthaben und verharrte.

»Bekomme ich kein Trinkgeld?«, nervte sie.

Auf diese Frage war sie durchaus programmiert, das wusste Grfzt. Er gab ihr nie Trinkgeld, wartete aber jedes Mal darauf, dass sie danach fragte. Ihm gefiel ihr linkisches Gebaren, die Unentschlossenheit, wie sie sich verhalten sollte. Als er fand, sie lange genug aufgehalten zu haben, winkte er ihr mit einer seiner Klauenhände zu. »Verschwinde!«

Die Rob-Ameise zog sich mit knarrenden Gelenkscharnieren zurück, auf der Suche nach einem anderen Besucher, den sie belästigen konnte.

Grfzt griff nach dem Becher und führte ihn an seinen lippenlosen Mund. Er schnüffelte an dem dampfenden Getränk, genoss das Aroma und die aufsteigende Hitze, die den letzten Rest von Kälte aus seinem Körper verjagte, und nippte vorsichtig.

Welch ein Genuss! Das Leben konnte so schön sein, wenn es einem gelang, endlich einmal nicht an die verdammten Tissen zu denken.

*

Die unterirdisch angelegte Forschungseinrichtung barst vor Leben. Man verstand sein eigenes Wort kaum. Um sich gegen die widertönenden Geräusche in der weiten Halle durchzusetzen, musste man fast schreien.

An manchen Tagen kratzte Hulmens Hals, wenn es auf Feierabend zuging. Heute jedoch nicht, denn er hatte nur wenig Zeit im Fabrikationsbereich zugebracht, stattdessen die meisten Stunden des Tages bei Besprechungen mit Vorgesetzten, Kollegen und Untergebenen in irgendwelchen Konferenzräumen gesessen.

Er galt nicht als Freund von Besprechungen. Er bevorzugte die unmittelbare Einbindung in sein Tätigkeitsfeld, die Arbeit, bei der er seine Hände brauchte, nicht den Mund. Heute jedoch hatten sich die dicht aufeinanderfolgenden Konferenzen gelohnt, da sie die jüngsten Fortschritte auf eindrucksvolle Weise dokumentierten.

Hulmen und seine Kollegen standen, so schien es, unmittelbar vor dem entscheidenden Durchbruch.

So nah dran waren wir noch nie, dachte er, als er dem Hallenverlauf folgte.

Zu beiden Seiten begleiteten ihn verschiedene Versuchsanordnungen. Maschinenteile und ausgeklügelte Apparaturen flankierten den breiten Gang, auf dem geschäftige Forscher hin und her eilten.

Der eine oder andere grüßte Hulmen, und er grüßte zurück. Ein gutes Gefühl begleitete ihn auf dem Weg zum Ausgang, ein Gefühl der Zufriedenheit in Verbindung mit der Aussicht, allen Lebewesen auf Pral in wenigen Tagen den endgültigen Erfolg mitteilen zu können.

Was nicht weniger bedeutete als die Erfüllung kollektiver Träume.

Was nicht weniger bedeutete als die Möglichkeit überlichtschneller Reisen durchs Weltall.

Bevor er das Ende der Halle erreichte, blieb Hulmen stehen. Aus großen Augen betrachtete er das Aggregat, das auf einem Sockel ruhte. Dutzende Wissenschaftler tätigten Handgriffe, um Arbeitsvorgänge abzuschließen, die Hulmens Anwesenheit nicht erforderten. Für einen Moment schloss er die Augen und bildete sich ein, das sonore Summen des Antriebsaggregats zu hören. Als er die Hände auf die Ohren presste, blieb es bestehen, ein Zeichen dafür, dass es lediglich in seiner Vorstellungskraft entstand. Hören würde er es erst, wenn das Aggregat ins Trägerschiff eingebaut war.

Und dieser Tag stand dicht bevor.

Hulmen ließ die Hände sinken, öffnete die Augen wieder und betrachtete den wuchtigen Block mit der Liebe und Hingabe, mit der ein junger Vater sein Neugeborenes betrachtete.

Er hätte stundenlang hier stehenbleiben und sich in dem Anblick verlieren können, doch er hatte Feierabend und verspürte rechtschaffene Müdigkeit. Bevor er sich nach Hause begab, in seine große Wohnung, in der er allein lebte, stand ihm der Sinn jedoch nach einem guten Tropfen. Zum einen galt es, den Durchbruch zu feiern, zum anderen wollte er für die nötige Bettschwere sorgen, um nicht trotz seiner Erschöpfung vor Aufregung die halbe Nacht wach zu liegen. Er kannte diesen Zustand. Noch lange nach Feierabend gelang es ihm nur schwer, abzuschalten und sich in das bescheidene Stückchen Privatleben zurückzuziehen, das ihn davor bewahrte, völlig mit seiner Arbeit zu verschmelzen.

Im angrenzenden Bereich entledigte er sich seiner Arbeitsmontur und wusch sich. Der Spiegel offenbarte ihm ein schlankes, ebenmäßiges Gesicht, in dem sich der Schatten eines Bartes andeutete. Seine Züge wirkten müde, ein wenig träge, doch die kristallblauen Augen funkelten selbst jetzt, nach einem langen und anstrengenden Tag, noch unternehmungslustig.

Tatendurstig!

Lächelnd trocknete sich Hulmen ab. Er schlüpfte in bequeme Freizeitkleidung, warf sich eine dünne Jacke über und verließ das Versuchsgelände mit seinem Privatschweber, dessen Scheinwerfer bei den unzureichenden Lichtverhältnissen automatisch ansprangen.

Er folgte der nur Autorisierten vorbehaltenen Straße, die vor dem Tor der Forschungsanlage endete, und fuhr eine Viertelstunde lang durch öde, weithin überschaubare Landschaft, die mit Verbotsschildern gespickt war. Wer sich aus Neugierde oder reiner Dummheit in diese Gegend verirrte, lief Gefahr, sich mächtig Ärger einzuhandeln.

Der Schweber stieß auf die nächste öffentliche Landstraße, und Hulmen bog nach rechts ab. Feiner Nieselregen legte sich auf die Cockpitscheibe und verwandelte die Lichter der fernen Stadt Pluuht in diffuse Schimären.

Hulmen stellte den Wischer auf Intervallmodus und schaute in den Rückspiegel. Das staatliche Forschungsareal, umgeben von undurchdringlichen Prallfeldern und Überwachungseinrichtungen, war bereits in der Dunkelheit zurückgeblieben. Die sich um das gesamte Gelände ziehenden Zäune setzten im Gegensatz zu den unsichtbaren Abwehrvorrichtungen auf einen rein optischen Abschreckungseffekt.

Perfektion bot weder die eine noch die andere Abwehrmaßnahme. Wiederholt war es Agenten der Schurken vom Nachbarplaneten Tis gelungen, sich unerkannt Zutritt zu verschaffen, allein im letzten Monat zwei Mal.

Damit ist es bald vorbei, hoffte Hulmen.

Befand sich das Experimentalschiff mit dem Überlichtantrieb erst im Weltraum, bestand kein Anlass mehr für Anschläge auf die Forschungsanstalt.

Er verdrängte den Gedanken an den ungeliebten Feind. Die Tissen hatten den Wettlauf endgültig verloren, auch wenn sie das im Augenblick noch nicht ahnten.

*

Grfzt hob grüßend die Hand, als Hulmen das Lokal betrat. Der Freund entdeckte ihn und steuerte auf den Tisch zu. Er streifte seine Jacke ab, hängte sie über die Stuhllehne und ließ sich Grfzt gegenüber nieder.

»Ganz schön ungemütlich draußen«, empfing die Echse Hulmen.

»Kalt ist es nicht.«

»Es ist sogar sehr kalt«, widersprach Grfzt, wobei er demonstrativ seinen leeren Becher hob. »Ohne den Glühtrunk wäre ich noch vor deinem Eintreffen erfroren.«

»Du übertreibst.« Hulmen winkte mit einer Hand ab, eine typisch humanoide Geste. »Ich habe nie verstanden, dass ihr unter euren dicken Schuppen friert.«

»Und ich habe nie verstanden, dass eure dünne, bleiche Haut verhindert, dass ihr erfriert, sobald ihr euch ins Freie begebt«, konterte der Glonk.

Beide lachten, kurz nur, weil sich die Rob-Ameise mit blechernen Geräuschen dem Tisch näherte. Sie hielt inne, ein wenig verkrümmt, und führte merkwürdig anmutende Verrenkungen aus. Anscheinend hatte sich einer ihrer Handlungsarme verklemmt, und sie versuchte angestrengt, die mechanische Blockade zu überwinden.

Unwillkürlich musste Grfzt erneut lachen.

»Man macht sich nicht über den Schaden anderer lustig«, sagte Hulmen, ohne dabei ein Grinsen unterdrücken zu können.

Die Nüstern der Echse vibrierten. »Bei einem solchen Schrotthaufen spricht nichts dagegen.«

Endlich gelang es der Ameise, ihr Handicap zu überwinden. Sie fuchtelte wie wild mit beiden Handlungsarmen in der Luft herum, so als müsste sie demonstrieren, dass all ihre Körperfunktionen in bester Ordnung waren. Das Gegenteil schien der Fall zu sein, denn die akustischen Begleiterscheinungen ihrer Bewegungen schmerzten im Gehör. In ihrem Inneren schepperte und krachte es. Grfzt erwartete, dass sie jeden Moment auseinanderfiel, doch sie kämpfte tapfer gegen den Prozess des Zerfalls an.

»Was darf ich bringen?«, erkundigte sie sich blechern.

»Mir noch einen Glühtrunk«, orderte der Glonk.

»Für mich dasselbe«, schloss sich Hulmen an.

Die Ameise stakste mit ungelenken Bewegungen davon. Grfzt schaute ihr indigniert hinterher.

»Was für ein Anachronismus«, sagte er. »Wir bauen Antriebe für Raumschiffe, müssen es uns aber gefallen lassen, von einem solchen Schrotthaufen bedient zu werden, der sich kaum noch aus eigener Kraft auf seinen Gehwerkzeugen halten kann.«

»Ist das nicht einer der Gründe, warum du so gern hier verkehrst?«, hielt Hulmen der Echse entgegen. »Weil dich die Ameisen amüsieren?«

»Ja, da ist in der Tat was dran.«

»Das dachte ich mir. Achtung, sie kommt zurück.«

Die Rob-Ameise balancierte die Getränke, ohne einen Tropfen zu verschütten. Ihr Geschick, als sie die Becher auf der Tischplatte abstellte, ließ Grfzt nicht zum ersten Mal vermuten, dass sie überhaupt nicht unter körperlichen Beeinträchtigungen litt, sondern einem programmierten Verhaltensmuster zur Belustigung der Gäste folgte. Der Glonk beglich die Rechnung. Als die Ameise sich danach abwandte und schnarrend entfernte, starrte Grfzt ungläubig hinter ihr her.

»Was ist los?«, erkundigte sich Hulmen, dem die verblüffte Reaktion seines Freundes nicht entging.

»Sie hat nicht nach Trinkgeld gefragt. Das verstehe ich nicht, das macht sie sonst nämlich immer.«

Hulmen griff nach seinem Becher und pustete in die heiße Flüssigkeit. »Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass sie mit dir spielt?«

»Möglich, ja.« Grfzt nahm ebenfalls sein Getränk an sich. »Vielleicht ist sie aber so marode, dass sie selbst das Trinkgeld inzwischen vergisst. Oder sie hat es aufgegeben, weil sie endlich einsieht, dass bei mir nichts zu holen ist. Wie auch immer, wir waren eben bei dem Raumschiffsantrieb stehengeblieben, an dem du arbeitest.«

Ein Lächeln überzog Hulmens bleiche Gesichtshaut. »Es ist so weit«, flüsterte er hinter vorgehaltener Hand. »Der Überlichtantrieb steht kurz vor der erfolgreichen Fertigstellung. Es stehen nur noch ein paar abschließende Tests aus, bevor das Aggregat in ein Schiff eingebaut wird und wir einen Feldversuch unternehmen.«

»Ist das wirklich wahr? Du spielst nicht mit mir wie diese Rob-Ameise?«

»Wie käme ich dazu?«, empörte sich Hulmen. »Nein, es stimmt. Die Weltregierung ist bereits unterrichtet. Nun ja, sie war ohnehin die meiste Zeit auf dem Laufenden. Präsident Flnx ist schier aus dem Häuschen.«

»Kann ich mir vorstellen.«

Bei Flnx handelte es sich wie bei Grfzt um einen Glonk. Seine Regierungszeit ging dem Ende entgegen. Es galt als offenes Geheimnis, dass er diesen Erfolg unbedingt noch in seiner Amtsperiode als höchster Repräsentant von Pral erleben wollte.

»In wenigen Monaten wird er turnusmäßig von einem Vertreter eines anderen Volkes als Präsident abgelöst«, überlegte Grfzt laut.

»Flnx hat seinen Besuch angekündigt«, eröffnete Hulmen seinem Freund.

»Bei euch?«

»Ja.«

Grfzts Kopfschuppen nahmen einen leichten Blaustich an, ein Zeichen für die aufrichtige Anerkennung der Echse. »Du wirst den Präsidenten persönlich kennenlernen. Ich merke schon, ich hätte nicht zu den Streitkräften gehen, sondern wie du Wissenschaftler werden sollen. Aber ich gönne es dir von ganzem Herzen.«

»Danke, das weiß ich.«

»Darauf trinken wir! Darauf und auf die erfolglosen Versuche der Tissen, eure Bemühungen zu sabotieren.«

»Gute Idee.« Hulmens Miene verfinsterte sich. »Obwohl es ihnen wiederholt gelungen ist, unsere Anstrengungen zunichte zu machen. Ohne das Wirken ihrer eingeschleusten Agenten wären wir längst am Ziel. Durch ihre Sabotageakte haben sie unseren Erfolg immer wieder hinausgezögert.«

»Umgekehrt sind unsere Leute bei ihnen aktiv«, gab Grfzt zu bedenken. »Auch wir haben ihnen immer wieder Rückschläge zugefügt, sonst wären sie vielleicht als Erste fertig geworden. Auf gewisse Weise ist es paradox. Die gegenseitige Unterwanderung auf Pral und Tis ist nur deshalb möglich, weil auf beiden Planeten die gleiche Völkervielfalt beheimatet ist. Die Tissen werden sogar wie wir von einem periodisch wechselnden Präsidenten regiert.«

»Glaubst du, dass sie uns auch als Schurken bezeichnen, so wie wir sie?«

»Bestimmt sogar.« Der Glonk zeigte ein Echsenlächeln. »Na und? Sollen sie doch! Seit fünf Jahren dauert der Konflikt zwischen ihnen und uns mittlerweile an, doch nun ist er endlich vorbei. Wir sind jetzt vorn, dank dir und deinen Kollegen. Es gibt keinen Grund mehr, sich zu grämen, jedenfalls nicht auf unserer Seite.«

»Ja, du hast recht.« Der Missmut in Hulmens Miene machte Freude Platz, schließlich traf zu, was Grfzt sagte.

Die Freunde hoben die Becher und prosteten sich mit dem Glühtrunk zu. Der Glonk schnalzte genießerisch mit der Zunge. Er ließ sein Getränk sinken, als jemand aufschrie. Ein paar andere Gäste starrten entsetzt auf den Holo-Bildschirm, den Grfzt ganz aus den Augen verloren hatte. Soeben lief eine Sondersendung an, ein außergewöhnliches Vorkommnis, das nur selten eintrat.

»Ton!«, schrie jemand. »Es hat eine Explosion gegeben. Stellt den Ton lauter!«

Hulmen riss die Augen weit auf. Auf dem Bildschirm zeichnete sich die Forschungsanlage ab, in der er arbeitete. Flammen erhellten die Nacht, und ein riesiger Rauchpilz stieg in den wolkenverhangenen Himmel.

*

Die Rob-Ameise kam der Aufforderung nach, und die Stimme eines unsichtbaren Sprechers unterlegte den Bildbericht. Hulmen fiel der Becher aus der Hand. Der Inhalt ergoss sich über die Tischplatte, tropfte über die Kante und bildete eine Lache zwischen den Stuhlbeinen. Die Freunde achteten nicht darauf. Wie die wenigen anderen Gäste folgten sie der Berichterstattung, von Schockstarre getroffen, unfähig, sich zu rühren.

»… wer für den Anschlag verantwortlich ist, der sich vor wenigen Minuten ereignete, steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Darüber, wieso es überhaupt in der staatlichen Forschungseinrichtung zu einer Explosion kam, lässt sich nur spekulieren. Nur so viel scheint sicher zu sein: Ein Unfall kann ausgeschlossen werden. Überlebende, die der Flammenhölle entkamen, sprachen konkret von einem feindlichen Angriff. Das lässt natürlich Raum für Vermutungen. Stecken die Tissen dahinter? Wenn ja, was war das Ziel der Schurken? Worauf hatten sie es abgesehen?«

Auf den Überlichtantrieb, schoss es Grfzt durch den Kopf. Sie haben das Aggregat gesprengt, bevor es in das Experimentalschiff eingebaut werden konnte.

Verletzte waren zu sehen, die orientierungslos durch die Nacht torkelten. Schweber schossen heran, sowohl Feuerwehr als auch Polizeikräfte. Absperrungen wurden errichtet, um die Presse zurückzuhalten. Im Hintergrund setzten Löscharbeiten ein. Grfzt bildete sich ein, eine grässlich entstellte Leiche zu sehen.

Wie viele Opfer mochte es geben? Wie viele Tote, wie viele Verletzte?

»Hulmen?«

Sein Freund reagierte nicht. Er zitterte am ganzen Leib. Ihm war klar, dass er der Katastrophe nur haarscharf entgangen war. Wäre er nur eine halbe Stunde später aufgebrochen, würde er sich vielleicht ebenfalls unter den Opfern befinden.

Grfzt legte ihm die Klauenhand auf die Schulter und flüsterte beruhigend auf ihn ein.

Endlich gelang es Hulmen, seine Erstarrung zu überwinden. »Sie …, sie haben es zerstört«, stotterte er. »Wir müssen wieder ganz von vorn anfangen.«

Hulmen ging es weniger um sein eigenes Leben als vielmehr um den Überlichtantrieb, begriff Grfzt. Er hatte sich am Ziel seiner Träume gesehen, am Ziel ihrer aller Träume, doch im letzten Moment hatten die Tissen ihm den zum Greifen nahen Erfolg weggenommen. Plötzlich erwachte brennender Zorn in Grfzt. Er verdammte die Schurken. Auf die Idee, dass womöglich jemand anderes hinter dem Anschlag steckte, kam er erst gar nicht. Sie war völlig abwegig. Die Schurken trugen die Schuld, und nur sie allein! Sie durften nicht davonkommen mit ihrer feigen Tat.

»Wir müssen uns rächen«, murmelte Hulmen. Er schien dieselben Überlegungen zu hegen wie die Echse.

Seine Forderung wurde von den anderen Gästen aufgegriffen. Hasserfüllte Parolen drangen durch das Lokal. Wütende Appelle wurden an den Präsidenten gerichtet, Rufe nach Rache. Auch wenn Flnx sie nicht hörte, dachte er sicher schon über Vergeltung nach. Schließlich hatten die Tissen auch seinen Traum zerstört.

Grfzt zuckte zusammen, als sein Kom-Armband einen durchdringenden Ton ausstieß. Der Glonk brauchte nicht auf den Absender zu schauen, um zu wissen, von wem der Anruf kam. Die Mobilmachung der Flotte begann. Er musste sich bei seiner Einheit melden, umgehend.

*

Präsident Flnx verlor keine Zeit. Noch in der Nacht befahl er Vergeltungsmaßnahmen. Die zahlreichen Toten durften ebenso wenig ungerächt bleiben wie die Zerstörung des Überlichtantriebs. Auch wenn sämtliche Unterlagen sicher aufbewahrt wurden und das Wissen um den Antrieb nicht verloren ging, würde es viel Zeit und Arbeit erfordern, um einen neuen Prototypen zu bauen. Diesmal gab es kein Zögern und kein Zaudern. Flnx sah nur eine angemessene Reaktion auf die Provokation der Schurken.

Ein direkter Angriff auf den Nachbarplaneten.

Ein Überfall auf Tis.

In aller Eile ließ er seine höchstrangigen Offiziere die Raumsoldaten mobilisieren. Alle schlanken Raketenschiffe, die auf dem Raumhafen bereitstanden, wurden in Startbereitschaft versetzt.

Früh am nächsten Morgen erhoben sich die Raketen in die Luft. Das Donnern ihrer Antriebe drang viele Kilometer weit und versetzte das Land in Aufruhr. Aus dem Bett holte es allerdings kaum jemanden, denn die gesamte Planetenbevölkerung war noch in der Nacht über das Verbrechen des Schurkenstaates informiert worden und wachte. Ganz Pral stand wie ein Mann hinter der Flotte. Die Bevölkerung unterstützte den Plan, die Bomben des Zorns zum verhassten Gegner nach Tis zu tragen, vorbehaltlos.

*

Grfzt bekam den Start der Flotte aus nächster Nähe mit. Er diente als Ortungsoffizier auf einem der stolzen Schiffe, die sich auf Feuerstrahlen aufmachten, um den Schurken ihre verdiente Strafe zu überbringen. Die Rakete trug keinen offiziellen Namen, sondern lediglich eine aus Ziffern bestehende Kennung. Bei sich nannte Grfzt sie jedoch LYNZK, nach seiner Eischwester, die kurz vor dem Schlüpfen gestorben war.

Der Glonk empfand ein Gefühl der Erhabenheit, als der Raumhafen von Pral unter der LYNZK kleiner wurde, ebenso wie in der Ferne die Stadt Pluuht, in der er sich am Vorabend mit Hulmen getroffen hatte. Er wusste nicht, ob es seinem Freund inzwischen besser ging. In der Hektik und den Wirren war ihnen keine Zeit geblieben, sich voneinander zu verabschieden und sich gegenseitig Glück zu wünschen. Grfzt nahm sich vor, sich unmittelbar nach seiner Rückkehr bei Hulmen zu melden.