Rückkehr ins Ungewisse - Achim Mehnert - E-Book

Rückkehr ins Ungewisse E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Am Rand der Milchstraße, im ehemaligen Exspect, kommt es zu einer Katastrophe ungeahnten Ausmaßes, als ein ebenso unheimlicher wie unbekannter und mächtiger Gegner aus heiterem Himmel angreift. Nicht nur dieser Überfall, sondern auch eine Entscheidung, die sich nicht länger aufschieben läßt, macht den Heimflug von Orn nach Terra für Ren Dhark zu einer Rückkehr ins Ungewisse ...

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 37

Rückkehr ins Ungewisse

 

von

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 1 bis 4)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 5 bis 8)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 9 bis 15)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

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Impressum

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases fast wieder ausgeglichen.

Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erde nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Allerdings haben auch die wenigsten der Umsiedler konkrete Pläne für einen neuerlichen Umzug innerhalb so kurzer Zeit. Es kommt die katastrophale Entwicklung hinzu, die Babylon seit dem Umzug der Menschheit nahm: Durch eine geschickt eingefädelte Aktion war es dem höchst menschenähnlichen Fremdvolk der Kalamiten gelungen, den Regierungschef Henner Trawisheim, einen Cyborg auf geistiger Basis, derart zu manipulieren, daß er zu ihrem willenlosen Helfer und Vollstrecker bei der geplanten Übernahme der Macht über die Menschheit wurde. Erst in allerletzter Sekunde gelang die Revolution gegen die zur Diktatur verkommene Regierung von Babylon und damit gegen die heimlichen Herren der Menschheit, die Kalamiten. Während den meisten der Fremden die Flucht gelang, wurde Trawisheim aus dem Amt entfernt und in ein spezielles Sanatorium für Cyborgs gebracht.

Daniel Appeldoorn, der schon zu den Zeiten, als Babylon noch eine Kolonie Terras war, als Präsident dieser Welt fungiert hatte, bildete mit seinen Getreuen eine Übergangsregierung, deren wichtigste Aufgaben es sind, das Unrecht der Diktatur wiedergutzumachen und neue, freie Wahlen vorzubereiten.

Gleichzeitig ist es Ren Dhark und seinen Getreuen gelungen, die geheimnisvolle Schranke um Orn abzuschalten – und mit ihr auch die verhängnisvolle Strahlung, die die Worgun, das bedeutendste Volk dieser Sterneninsel, in Depressionen, Dummheit und Dekadenz trieb. Somit hat sich Ren Dhark nun schon zum zweitenmal als der Retter von Orn erwiesen, der sich vom glühenden Bewunderer der einst so geheimnisvollen Worgun oder Mysterious gewissermaßen zu einem »Schutzheiligen« dieses Volkes von Gestaltwandlern entwickelt hat. Nach diesem großen Erfolg steht einer Rückkehr in die Heimat eigentlich nichts mehr entgegen…

Allerdings würde Ren Dhark diesen Flug am liebsten gar nicht antreten, denn zurück auf Terra muß er eine Entscheidung treffen, die er fürchtet: Auf dem Planeten Eden, der sich immer mehr zur Technologiezentrale der Menschheit mausert, ist es der Forschergruppe um den genialen Robert Saam gelungen, in aller Heimlichkeit ein Verfahren zu entwickeln, das einige wenige Menschen biologisch unsterblich machen kann. Terence Wallis, der Besitzer und uneingeschränkte Herr von Eden, hat Dhark angeboten, auch ihn behandeln zu lassen. Der hat sich Bedenkzeit ausgebeten – und Wallis die Zusage abgerungen, neben ihm noch sieben weitere bedeutende Terraner unsterblich zu machen. Nun steht er vor der Aufgabe, sieben Menschen auszuwählen, die den Tod nicht mehr fürchten müssen – und droht an dieser Herausforderung zu zerbrechen…

1.

»Der Preis war einfach zu hoch«, sagte Ren Dhark niedergeschlagen. »Wir hätten einen anderen Weg finden müssen, um die Schranke von Orn abzuschalten.«

Der weißblonde 38jährige Commander der POINT OF hielt sich in seiner Unterkunft auf. Seine Lebensgefährtin, der weibliche Cyborg Amy Stewart, war an Bord anderweitig beschäftigt. Dennoch war er nicht allein. Artus war ihm besorgt gefolgt, um ihm seelisch beizustehen – obwohl er als zwar intelligentes und fühlendes, aber dennoch vornehmlich logisch denkendes Maschinenwesen eigentlich gar kein Talent dafür hatte.

»Es gab keinen anderen Weg«, meinte der grob einem Humanoiden nachempfundene Großserienroboter mit dem tonnenförmigen Oberkörper aus Stahl. »Durch die Zerstörung der unterirdischen Anlage wurde eine ganze Galaxis befreit. Was ist dagegen ein einziger Planet, besetzt mit ein paar Millionen Lebewesen? Auf den anderen Welten leben Billionen.«

»Schon ein Todesopfer ist eines zuviel!« machte Dhark ihm unmißverständlich klar. »Ich bin froh, daß wir wenigstens einen einzigen Bewohner retten konnten. Leider gibt es außer Barmonn keinen Überlebenden. Das Schwarze Ringloch hat alle Bruchstücke der Scheibenwelt aufgesogen – bevor es selbst verpufft ist.«

Hätte Artus eine menschliche Stirn besessen, hätte er sie jetzt vermutlich in Falten gezogen, angesichts dieser verkürzten, völlig unwissenschaftlichen Darstellung der Ereignisse. Für die Auflösung des Schwarzen Rings hätte er jedenfalls trefflichere Begriffe verwendet als ausgerechnet »verpufft«.

Barmonn war ein greiser Wissenschaftler aus dem Volk der Yggsidral, der auf der zerstörten Scheibenwelt Schekal gegen seinen Willen festgehalten worden war und dort zuletzt als Bibliothekar gearbeitet hatte. Unter anderem um eine Geschichtsfälschung zu vertuschen, hatte man ihm verboten, auf die Ursprungswelt der Weißhäutigen, Dralheim, zurückzukehren.

Ren Dhark beschäftigten in diesem Zusammenhang noch diverse Ungereimtheiten.

»Laut Barmonns Schilderung glaubten die Yggsidral auf Schekal, Dralheim sei zerstört worden, kannten angeblich nicht einmal mehr Dralheims Koordinaten. Dennoch muß es bereits vor Barmonns Ankunft irgendwann einmal Kontakt zwischen den Dralheim-Yggsidral und den hiesigen gegeben haben; anders kann ich mir nicht erklären, weshalb auf beiden Planeten ähnliche Baldurenlegenden herumgeisterten. Man könnte fast meinen, die Regierungen beider Volksgruppen hätten sich untereinander abgesprochen, zwecks gemeinsamer Verfälschung ihrer Historie – was aber eigentlich unmöglich ist, da die Schekaler die Dralheimer für tot hielten und die Dralheimer wiederum nichts von Schekals Existenz wußten.«

»Beziehungsweise von der Existenz des ursprünglichen Wohnplaneten der Schekaler«, ergänzte Artus, »denn Schekal wurde ja erst sehr viel später besiedelt. Leider weiß Barmonn nicht, wo sich jene Wohnwelt befindet, sonst könnten wir nachsehen, ob dort noch weitere Yggsidral leben.«

»Wozu? Auf diese Begegnung kann ich getrost verzichten, die Bleichen machen einem nichts als Ärger«, erwiderte Dhark, und seine Miene nahm einen entschlossenen Ausdruck an. »Allmählich sollten wir wieder mehr an uns selbst denken, immerhin trage ich die Verantwortung für die gesamte Besatzung – und die möchte so bald wie möglich nach Hause. Über ihre seltsamen, von Lügengespinsten umwobenen Legenden sollen sich die Yggsidral – welche auch immer – gefälligst selbst den Kopf zerbrechen.«

»Recht so«, entgegnete Artus, der bereits Heimweh hatte. »Was gehen uns die Märchen und Sagen fremder Völker an, egal ob wahr oder verfälscht? Wir sind Terraner und sollten endlich nach Terra zurückkehren.«

»Das werden wir«, versicherte ihm der Commander, »allerdings nicht auf direktem Wege. Bevor wir die Galaxis Orn verlassen, gibt es noch einiges zu erledigen.«

Artus gab einen seufzerähnlichen Maschinenlaut von sich. »Das habe ich befürchtet. Soll ich ›die üblichen Verdächtigen‹ im Konferenzraum zusammenrufen?«

»Ich bitte darum, ziehe jedoch die Messe dem Konferenzraum vor. Es macht nichts, wenn sich dort weitere Besatzungsmitglieder aufhalten, ich habe keine Geheimnisse vor meiner Mannschaft.«

*

Einige Zeit später hatte sich Commander Dhark soweit gefangen, daß er sich fit genug fühlte, um sich mit den führenden Köpfen der POINT OF im Gespräch auszutauschen. Niemand merkte ihm seine Verzweiflung an. Was geschehen war, war geschehen, damit mußte er sich abfinden – lebendig machen konnte er all die Toten ohnehin nicht mehr.

Als Dhark erfuhr, daß die Schranke um Orn den Messungen zufolge definitiv nicht mehr vorhanden war, wirkte er fast erleichtert – wenigstens war das Massensterben nicht total sinnlos gewesen.

Als er sich seines nüchtern-logischen Gedankengangs bewußt wurde, erschrak er ein wenig vor sich selbst.

»Eines ist mir noch nicht ganz klar«, meldete sich der Kontinuumsexperte Iwan Fedorewitsch zu Wort. »Wann genau haben die Yggsidral eigentlich mit der Manipulation der Schranke begonnen?«

»Schwer zu sagen«, antwortete Dhark. »Als die Funktionsfähigkeit der Schranke mit der DANROL getestet wurde, hatten die 28 an Bord befindlichen Wissenschaftler den subjektiven Eindruck, unmittelbare Zeugen der gravierenden Veränderungen zu sein. Da die Meßergebnisse aber nicht eindeutig und somit Auslegungssache sind, könnte die Übernahme der Schranke durch die Yggsidral bereits viel früher erfolgt sein.«

»Demnach wissen wir nicht genau, wie lange die Ornvölker – allen voran die Worgun – der Psychostrahlung ausgesetzt waren«, stellte Wolfram Bressert nachdenklich fest. »Sie könnten uns feindlich gesinnt sein, wenn wir auf Epoy landen.«

Dhark zeigte sich verblüfft. »Woher wissen Sie, daß ich beabsichtige, nach Epoy zu fliegen?«

»Wie lange sind Sie schon unser Commander?« stellte Bressert ihm die Gegenfrage, und damit war alles gesagt.

Kaum jemand an Bord hatte wirklich damit gerechnet, daß Dhark direkt nach dem Zusammenbruch der Schranke um Orn den Rückstartbefehl in die Milchstraße geben würde, doch alle hatten im stillen darauf gehofft. Vergebens. Manch einem stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, aber keiner protestierte.

»Als erstes fliegen wir Hellhole an«, teilte Dhark seinen Männern mit. »Die DANROL dürfte sich schon auf dem Weg dorthin befinden, vorausgesetzt, die Reparaturroboter haben den Riesenringraumer inzwischen wieder flugtüchtig gemacht. Ich brauche dieses Schiff unbedingt für unseren Auftritt auf Epoy.«

»Auftritt?« wiederholte der Erste Offizier verwundert.

Dhark nickte. »Falls Mister Bressert recht hat, kann es nichts schaden, bei den Worgun ordentlich Eindruck zu schinden. Sie sollen begreifen, daß mit uns nicht gut Kirschen essen ist, damit sie erst gar nicht auf den Gedanken kommen, sich mit uns anzulegen.«

»Glauben Sie wirklich, das sei nötig?« entgegnete Hen Falluta verwundert. »Immerhin sind Sie der allseits beliebte ›Retter von Orn‹.«

»So etwas kann sich schnell ändern«, befürchtete Dhark. »Heute ist man für die Massen ein Held, und morgen fordern sie deinen Kopf. Wir müssen berücksichtigen, daß wir es nicht mit normal denkenden Wesen, sondern mit… mit Halbpsychopathen zu tun haben. Anfangs beteten die Worgun die Yggsidral an, dann wollten sie plötzlich alle Bleichen um die Ecke bringen. Auch die gnadenlose Hatz auf ihre besiegten Feinde, die Zyzzkt, weist psychopathische Züge auf.«

»Psychopathen rasten oft grundlos aus, wogegen das Verhalten der Worgun bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar ist«, widersprach ihm Leon Bebir, der Zweite Offizier. »Schließlich haben die Zyzzkt fast ihr gesamtes Volk ausgerottet und alle Überlebenden versklavt. Nach ihrer Befreiung waren die Worgun daher vom Rachegedanken geradezu besessen. Und als sie erfuhren, daß die Yggsidral auf anderen Planeten Hetzreden gegen sie schwangen, rückten die Bleichen schlagartig auf Platz eins der ›Abschußliste‹.«

»Eine hochintelligente Spezies wie die Worgun müßte sich aber besser im Griff haben«, lautete Dharks Erwiderung. »Ich bin überzeugt, ihre Emotionsschwankungen und die immens starken Rachegelüste stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der jahrelangen Dauerbestrahlung. Theoretisch könnten sie ihr Fähnchen inzwischen wieder in den Yggsidralwind halten. Wir wissen also nicht, wie sie reagieren, wenn wir sie mit der Tatsache konfrontieren, daß wir soeben Millionen der Bleichen umgebracht haben.«

»Nicht umgebracht, sondern in Notwehr getötet«, verbesserte ihn Hen Falluta vehement.

Dhark schaute ihn ärgerlich an. »Für die Toten macht das keinen Unterschied. Doch anscheinend liegt es in unserer menschlichen Natur, bestimmte Dinge schönzureden. Feldherr klingt heroischer als Kriegstreiber, Korpulenz manierlicher als Fettleibigkeit, Genußtrinker gefälliger als Säufer…«

Er hielt in der wahllosen Aufzählung seiner Beispiele abrupt inne, weil ihm bewußt wurde, daß er im Begriff war, seiner Besatzung ungerechtfertigte Vorwürfe zu machen. Nun hatte er sich doch noch gehenlassen, und genau das hatte er partout vermeiden wollen.

»Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Es steht mir nicht zu, mit Ihnen derart hart ins Gericht zu gehen. Ohne Ihr beherztes Eingreifen wäre ich jetzt nicht mehr am Leben. Das gilt auch für die übrigen Mitglieder unserer Stammannschaft; ebenso verdanken euch die Nomaden ihr Leben, nicht zu vergessen Artus… und Jimmy.«

Bei der Nennung des letzten Namens hatte er leicht gezögert, denn während Artus zweifelsohne über ein echtes Bewußtsein verfügte, gab es bei Jimmy, der fortwährend behauptete, ebenfalls zu »leben«, berechtigte Zweifel. Der nach dem Vorbild eines Scotchterriers gebaute Roboterhund konnte sich zwar selbst programmieren und somit eigene Entscheidungen treffen, aber wirkliches Leben war etwas anderes. Dhark hatte Jimmy nur erwähnt, weil dieser mitsamt seinem Erbauer, dem korpulenten (beziehungsweise fettleibigen) Ingenieur Chris Shanton in der Messe anwesend war.

»Einen hast du vergessen, Dhark«, erinnerte ihn Artus, der grundsätzlich jeden duzte und beim Nachnamen anredete.

»Richtig!« fiel es dem Commander ein. »Was wurde eigentlich aus Barmonn? Seit unserer überstürzten Flucht von Schekal habe ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen.«

»Stanley Oliver hat sich seiner angenommen«, wußte Bebir. »Bei ihm sind Neuankömmlinge stets in den besten Händen.«

*

Obwohl die POINT OF mit 180 Metern Durchmesser nicht zu den größten Ringraumern zählte, war sie dennoch ein außergewöhnliches Schiff, was vor allem dem Checkmaster zuzuschreiben war – einen solchen Bordrechner gab es kein zweites Mal im Universum. Auch sonst hob sich das wie ein Privatunternehmen geführte Raumschiff von der Masse ab.

Zu den vielen Besonderheiten zählte beispielsweise der »Hausmeister«. Dem 52jährigen, aus Liverpool stammenden Bordtechniker Stanley Oliver stand zwar eine kleine Hilfstruppe zur Verfügung, doch am liebsten bewältigte er die täglichen Aufgaben selbst. Vor allem bei der Unterbringung von Außerirdischen ließ er sich nicht gern hineinreden, denn er hielt sich auf diesem Gebiet für einen Experten.

Barmonn hatte ziemlich verloren gewirkt, nachdem die Schekal-Einsatztruppe in letzter Sekunde dem Tod von der Schippe gesprungen und an Bord gekommen war, daher hatte sich Stanley des greisen Yggsidrals angenommen. Er hatte ihm eine geräumige Unterkunft zugewiesen und versucht, eine Unterhaltung mit ihm zu führen. Barmonn war anfangs jedoch nicht sonderlich gesprächig gewesen.

Erst nach und nach taute er auf und vertraute dem Terraner an, was in ihm vorging. Barmonn litt darunter, daß er nunmehr zum zweitenmal im Leben seine Heimat verloren hatte.

»Nach meiner Landung auf Schekal durfte ich nicht mehr nach Dralheim zurückkehren. Somit wurde die Scheibenwelt mein neues Zuhause. Zum Schluß hin fühlte ich mich dort richtig wohl, und meine Arbeit als Bibliothekar bereitete mir viel Freude. Und nun ist alles unwiederbringlich verschwunden. Wozu lebe ich überhaupt noch? Warum habt ihr mich nicht mit den anderen sterben lassen?«

»Weil das nicht in unserer Natur liegt«, antwortete Stanley. »Wir retten sogar Selbstmörder, die des Lebens überdrüssig sind.«

Im Grunde genommen sahen die Yggsidral zum Fürchten aus: fast zwei Meter groß, kalkweiße Haut, zwei verschließbare Atemschlitze anstelle der Nase, starke Fingerkrallen sowie lippenlose Münder mit spitzen Zähnen. Barmonn wirkte momentan jedoch alles andere als furchterregend, er bot ein Bild des Jammers. Stanley empfand Mitleid mit ihm.

»Du könntest nach Dralheim zurückkehren«, schlug er vor.

»Ich kenne da niemanden mehr«, entgegnete Barmonn resignierend. »Dort wäre ich ein Fremder unter meinesgleichen. Meine damaligen Verwandten und Freunde ruhen längst in ihren Kubusgrüften.«

»Kubusgrüfte?«

»Auf Dralheim ist es Sitte, Verstorbene mit Hilfe einer speziellen Maschine zu zerkleinern, damit ihre Überreste in einen kubusförmigen Metallbehälter passen. Jene Behälter werden dann beschriftet und in Totengrüften platzsparend gestapelt. Ich nehme an, ihr verfahrt mit euren Toten ähnlich, oder?«

»Wir verbrennen sie entweder, oder wir legen ihre Körper der Länge nach in Särge, die wir auf sogenannten Friedhöfen eingraben. Dort verrotten die Toten im Laufe der kommenden Jahre mitsamt den hölzernen Kisten. Auf diese Weise können wir die Grabstellen mehrfach nutzen.«

Barmonn schüttelte sich. »Heißt das, ihr legt frisch Verstorbene in eine bereits gebrauchte Grube? Das klingt ja barbarisch.«

Stanley hatte ebenfalls ein barbarisches Bild vor Augen: Leichen, die in blutverschmierte Maschinen geschoben und dort zerhackt wurden, um Platz zu sparen. Ihm lief eine Gänsehaut über den Rücken, und er verspürte einen leichten Würgereiz.

Der Yggsidral hatte offenbar keine Magenprobleme – er erkundigte sich nach den Essenszeiten an Bord.

»Ich bringe dir etwas«, entgegnete Stanley, der selbst keinen Bissen heruntergebracht hätte, und verließ den Raum.

*

Dhrk war ein Christkind – zwar nicht das Christkind, doch der kleine Zyzzkt hatte am Heiligabend 2066 das Licht der Welt erblickt. Weil sich die aufrechtgehenden Bockkäfern ähnelnden Insektoiden verhältnismäßig schnell entwickelten, konnte der Junge bereits gehen und sprechen.

Seine Mutter Xrssk hatte in einem Lagerraum der POINT OF insgesamt 35 Schlüpflinge zur Welt gebracht. Ren Dhark hatte die trächtige Zyzzktfrau vor der Lynchjustiz gerettet und ihr in seinem Schiff Asyl gewährt. Aus Dank hatte sie ihm ihr Erstgeschlüpftes in die Arme gelegt – seither war der Commander für den Kleinen Freund, Bruder und Patenonkel zugleich. Dhrks erstes Wort war »Krrkrrk!« gewesen, was der Checkmaster mit »Vater« übersetzt hatte.

Streifzüge durchs Schiff gehörten seit einiger Zeit zu Dhrks Lieblingsbeschäftigung. Oftmals war er mit seinen Geschwistern unterwegs, doch an diesem Tag zog er einen Alleingang vor.

Das Verschwinden seines Krrkrrk und die damit verbundene Aufregung waren ihm natürlich nicht entgangen. Als Dhark dann wieder aufgetaucht war, hatte Dhrk sich riesig gefreut, doch in der Hektik hatte ihn niemand beachtet. Das machte ihn traurig; seither streifte er leicht deprimiert über die Decks.

Der Zufall führte ihn in Barmonns Unterkunft, kurz nachdem Stanley Oliver selbige verlassen hatte…

Dhrk staunte nicht schlecht, als er Barmonn in einem viel zu breiten Sessel erblickte. Ihm war gar nicht aufgefallen, daß sein Krrkrrk einen Gast mitgebracht hatte. Zur Besatzung gehörte der Weiße ganz sicher nicht, denn ein solches Wesen hatte er hier an Bord noch nie gesehen.

Hingegen wußte der Yggsidral sehr genau, welche Spezies er vor sich hatte – und er hielt Ausschau nach einer Fliegenklatsche.

Mit den Zyzzkt verband er keine guten Erinnerungen.

»Wer bist du?« fragte ihn der Kleine neugierig und angstfrei.

In einem Wandregal stand das Übersetzungsgerät, mit dessen Unterstützung sich Stanley und Barmonn unterhalten hatten. Offensichtlich hatte man es auch auf die Knacklaute der Insektoiden justiert, so daß der Yggsidral jedes Wort verstand.

»Ein alter Mann«, antwortete er nur. »Und du? Was bist du für einer? Hast du dich auf dieses Schiff verirrt?«

»Aber nein, ich wohne hier. Der Kommandant ist mein Vater.«

Das konnte Barmonn sich nur schwerlich vorstellen. Vor seinem inneren Auge erschien die erschreckende Szene einer gemeinsamen Massenorgie von Zyzzkt und Terranern, und er hatte plötzlich ein genauso flaues Gefühl im Magen wie der Hausmeister.

Ihm stand der Sinn nach frischer Luft, doch in einem Raumschiff war es nicht ratsam, während des Fluges auszusteigen. Daher entschloß er sich, ein paar Schritte auf und ab zu gehen.

Barmonn schaffte es jedoch nicht einmal mehr, aus dem Sessel hochzukommen.

In den letzten Tagen hatte er sich recht schwach gefühlt, was sich durch die hektische Flucht von Schekal noch verschlimmert hatte.

Er sehnte sich nach Schlaf und Ruhe – nach sehr viel Ruhe.

»Geht es dir nicht gut?« fragte Dhrk besorgt.

»Es ist alles in Ordnung«, behauptete Barmonn, während er sich langsam in den Sessel zurücksinken ließ. »Ich bin nur müde.«

»Schade, ich dachte, wir könnten irgendwas spielen.«

»Ein andermal«, erwiderte der Alte – wohlwissend, daß es dieses Andermal niemals geben würde.

Sein Kopf sank beiseite, und er rührte sich nicht mehr.

»Schlaf gut, weißer Mann«, flüsterte Dhrk und zog sich leise aus der Kabine zurück.

*

Das Aussehen der vierfingrigen, durchschnittlich zwei Meter großen Nomaden erinnerte an aufrechtgehende Dobermänner ohne Fell. Ihre Haut war schwarz. Derzeit gehörten zahlreiche männliche und weibliche Karrorr, wie sie ihr Volk selbst nannten, zur Besatzung der POINT OF.

Nicht nur der Rudelführer Pakk Raff und sein Berater Priff Dozz durften sich in der Zentrale aufhalten, sondern auch die Auszubildenden ihres Volkes, die hier den Umgang mit Ringraumern lernen sollten. Diese einst von den Worgun ersonnene Schiffsgattung war nun einmal das Fortschrittlichste, das es im menschlichen Einzugsbereich gab. Selbst die Zyzzkt hatten Ringschiffe geflogen, ja, sogar in Andromeda war man auf welche gestoßen.

Deshalb war es nicht länger hinnehmbar, daß ausgerechnet enge Verbündete der Menschheit das Weltall weiterhin mit ihren veralteten Kreuzraumern durchstreiften. Dieser Meinung war zumindest Terence Wallis, einstmals reichster Mann der Erde, inzwischen Staatsoberhaupt von Eden, dem dritten von sieben Planeten des Solaris-Systems.

Für den Flug nach Orn hatte er Ren Dhark neun zusätzliche Ringraumer zur Verfügung gestellt – im Gegenzug für die Ausbildung der Nomaden.

Priff Dozz, der sich in der Goldenen Pyramide freiwillig für den Abtransport der Verwundeten gemeldet und sich dadurch geschickt vor den Kämpfen auf Schekal gedrückt hatte, wich dem Rudelführer nicht von der Seite. Es machte ihn unsagbar glücklich, daß Pakk Raff nichts zugestoßen war. Wenn man mitunter beobachtete, wie ruppig Raff mit seinem kuschenden Berater umsprang, konnte man die beiden glatt für Erzfeinde halten, doch sie pflegten eine enge freundschaftliche Beziehung, in der einer für den anderen einstand.

»Mußt du mir dauernd im Weg herumstehen?« regte sich der Rudelführer auf, als er Priff Dozz in der Zentrale versehentlich anrempelte. »Weißt du nicht, daß man zu seinem militärischen Vorgesetzten stets einen gewissen Abstand einhalten muß?«

»Wir befinden uns aber nicht auf einem Militärschiff, sondern an Bord eines Privatraumers«, widersprach ihm Dozz übermütig; derlei Frechheiten hatten ihm schon so manchen Nackenbiß beschert.

Bevor Pakk Raff etwas Grantiges erwidern konnte, betrat Stanley Oliver die Zentrale – zu Dharks Erstaunen, denn der stets korrekte Hausmeister erschien sonst nie unangemeldet im Allerheiligsten des Schiffes. Offensichtlich gab es dafür einen wichtigen Grund.

»Er ist tot«, erklärte Stanley ohne lange Umschweife. »Barmonn hat in seiner Kabine das Zeitliche gesegnet.«

»Wie konnte das passieren?« fragte Ren Dhark.

Stanley Oliver hob die Schultern. »Einfach so.«

»Unsinn. Niemand stirbt einfach so.«

»Barmonn schon. Wir hatten uns über die seltsamen Bestattungsriten auf Dralheim unterhalten, und ich ging weg, um ihm etwas zu essen zu holen. Als ich wiederkam saß er in seinem Sessel, den Kopf zur Seite geneigt, und gab keinen Mucks mehr von sich. Natürlich habe ich mich sofort mit der medizinischen Abteilung in Verbindung gesetzt. Der Arzt konnte jedoch nur noch seinen Tod feststellen.«

»Todesursache?« hakte der Commander nach.

»Eindeutig Altersschwäche«, erhielt er zur Antwort.

»Herrlich, so möchte auch ich eines Tages abtreten!« entfuhr es Leon Bebir. »Man ahnt nichts Böses, und bevor man sich’s versieht… Entschuldigung, das war wohl pietätlos.«

»An Bord dieses Schiffes darf jeder ehrlich sagen, was er denkt«, entgegnete Dhark. »Wir werden Barmonn in einen Metallsarg legen und ihn dem Weltall übergeben. Oder spricht etwas dagegen, Stanley? Was sind das für Bestattungsriten, die Sie gerade erwähnten?«

»Nun ja, die Yggsidral verwenden in der Tat Metallbehälter zur Aufbewahrung sterblicher Überreste«, druckste Stanley herum. »Selbige sind allerdings wesentlich kleiner als unsere Särge. Viel, viel kleiner.«

»Und wie passen die Toten dort hinein?« erkundigte sich Dhark verblüfft.

»Man zerhackt sie in einer Maschine«, antwortete Stanley widerwillig.

»In einer Maschine?« wiederholte Pakk Raff sichtlich amüsiert. »Meine Zähne erledigen das gründlicher. Ich stelle mich gern zur Verfügung.«

»Kommt nicht in Frage«, kam Hen Falluta der Antwort des Commanders zuvor. »Unsere Mediziner können das auf dem Operationstisch wesentlich unblutiger erledigen.«

»Seid ihr komplett verrückt geworden?« fuhr Ren Dhark ärgerlich dazwischen. »Niemand rührt mir den Toten an, verstanden? Er bekommt das gewohnte Weltraumbegräbnis, fertig und aus.«

Sein Wort war in der POINT OF Gesetz. Und so ging Barmonn bald darauf in einem standardmäßigen Metallsarg auf seine letzte große Reise.

Stanley Oliver war überzeugt, das letzte Lebewesen zu sein, das der greise Yggsidral vor seinem Tod gesehen hatte. Er würde nie erfahren, wie sehr er sich im Irrtum befand.

*

Der im lebensfeindlichen Zentrum von Orn befindliche Kollapsar war rundum von einer Materiewolke umgeben. Seine Schwerkraft fing alles ein, was sich ihm näherte, und zwang es in die ringförmige Bahn. Aus der Innenseite des Ringes stürzte die Materie ins Schwarze Loch, und an den beiden Polen wurden lichtjahreweit hochenergetisch strahlende Jets ausgestoßen. Im nördlichen Jet schwebte ein etwa erdgroßer Planet: Hellhole alias Nomerca.

Dies war die Heimat von 1E-2K, einem vier Meter großen Worgunroboter, der gleich drei Bewußtseine beinhaltete, nämlich die der Wissenschaftler Aril, Kolat und Purom. 1E-2K stand für: 1 Entwickler, 2 Konstrukteure.

27 weitere Wissenschaftler der Worgun, die einstmals aus der Gefangenschaft der Zyzzkt geflohen waren, hatten auf Hellhole ebenfalls ein Zuhause gefunden. Ursprünglich waren es 28 gewesen, einer war jedoch den Machenschaften der Yggsidral zum Opfer gefallen.

In gemeinschaftlicher Arbeit mit 1E-2K hatten diese Männer den wohl umfangreichsten Ringraumer der Galaxis, wenn nicht sogar des ganzen Universums entwickelt. Das Forschungsschiff DANROL durchmaß 3600 Meter – war also zwanzigmal so groß wie die POINT OF – bei einer Ringstärke von 700 Metern.

Im Verlauf der Auseinandersetzungen mit den Yggsidral und deren Erfüllungsgehilfen hatte der Riesenraumer so einiges abbekommen. Nachdem er wieder halbwegs flugtüchtig gewesen war, hatte sich die Besatzung umgehend auf den Rückweg nach Hellhole gemacht, wobei unterwegs weitere Reparaturen vorgenommen worden waren.

Auf dem Raumflughafen von Hellhole bekam die DANROL nun quasi den letzten Schliff.

Die POINT OF war in der Nähe des Forschungsschiffs gelandet und nahm sich im Vergleich zu ihm wie ein Zwerg aus. Ren Dhark wurde auf dem Hafen von 1E-2K und dem Kommandantenquartett des großen Ringraumers empfangen: Chemiker Frebus, Biologe Glenga, Physiker Subbek und Ingenieur Meska. Die vier Gestaltwandler behielten meistens ihre Ursprungsform bei, sie ähnelten also Riesenamöben mit Tentakeln.

»Wir haben die Anlage zur Erzeugung der Schranke um Orn mittlerweile abgeschaltet«, teilte der Viermeterroboter Ren Dhark mit.

»Das ist mir bekannt«, erwiderte der Commander. »Unsere Messungen haben das komplette Verschwinden der Schranke registriert, einige Zeit nachdem auf Schekal jene Anlage zerstört wurde, mit der die Yggsidral die ursprüngliche Schranke manipuliert hatten. So etwas darf nie wieder passieren.«

»Das wird es auch nicht, dafür haben wir gesorgt«, versicherte ihm 1E-2K. »Wir haben unsere eigene Anlage nicht nur vollständig demontiert, sondern obendrein sämtliche Konstruktionsunterlagen vernichtet. Damit wäre der Weg aus unserer beziehungsweise in unsere Galaxis wieder frei. Die Balduren können nun ungehindert zu uns gelangen.«

Warum sollten sie? dachte Dhark, für den die Balduren genauso rätselhaft waren wie seinerzeit die Mysterious, denen er fast schon besessen hinterhergejagt war – bis sie sich als die Worgun entpuppt hatten.

Es gab Tage, da gingen ihm die »goldenen Götter«, wie sie vielerorts genannt wurden, so richtig schön auf den Geist. Nicht die Balduren selbst, genaugenommen, sondern vielmehr die zahlreichen Legenden, die sich um sie rankten – geheimnisvolle Schilderungen von Begebenheiten, die möglicherweise nie stattgefunden hatten und lediglich den abergläubischen Gehirnen ihrer universumweiten Anhängerschar entsprungen waren.

Beweise für die Existenz der Balduren gab es inzwischen zur Genüge, doch niemand konnte genau sagen, welche Geschichten nur Gerüchte und welche wahr waren. Die Yggsidral waren das beste Beispiel dafür. Wahrscheinlich hatten sie den Überblick über ihre teils getürkten Legenden inzwischen längst verloren und plapperten einfach nur das nach, was ihnen von Jugend an eingetrichtert wurde.

Aber verhielt es sich denn mit den Menschen anders? Was an den Schulen gelehrt wurde, wurde einfach als gegeben hingenommen und nur selten hinterfragt.

Am Himmel von Hellhole zeichnete sich in fünf Kilometern Höhe ein phantastisches Lichterspiel ab, hervorgerufen durch die energetischen Entladungen in der Meso- und Stratosphäre. Vor der Demontage der Schranke um Orn hatte die neutrinofreie Zone noch zehn Kilometer betragen.

»Wann ist die DANROL wieder einsatzbereit?« erkundigte sich Ren Dhark.

»In wenigen Stunden«, gab Meska ihm Auskunft. »Warum? Hast du einen Auftrag für uns?«

»Ich möchte lediglich eine Bitte äußern«, antwortete der Commander diplomatisch.

»Betrachte sie als gewährt, worum immer es sich handeln mag«, sagte 1E-2K jovial.

Bald darauf startete die POINT OF ins All. Ren Dhark ließ einen To-Richtfunkspruch nach Terra Nostra absetzen…

*

Vor circa 15 Jahren, im April 2052, hatte Achmed Tofir ein den Terranern bis dato unbekanntes rotfunkelndes Superschwermetall entdeckt, dessen Bearbeitung nur durch ein spezielles Verfahren möglich wurde. Das seltene Material war vielseitig verwendbar und war sogar zum Bau von Ringraumern eingesetzt worden. Zu Ehren des Entdeckers nannten es die Menschen Tofirit; bei anderen Völkern war es als Ala-Metall bekannt.

Später fand man heraus, daß es Hyperfunkwellen bündelte und die Reichweite von Richtfunksendungen enorm verstärkte – wovon aus Unkenntnis kein anderes bekanntes Volk Gebrauch machte. Das technische Funktionsprinzip des abhörsicheren To-Richtfunks blieb vorerst das Geheimnis der Menschheit.

Doch nichts war so gut, daß es nicht noch verbessert werden konnte.

Sieben Jahre später, im April 2059, entwickelte das norwegische Genie Robert Saam, ein Mitarbeiter von Terence Wallis, einen neuartigen Werkstoff aus Kohlefaser und Tofirit. Das Material wies die Leichtigkeit der Kohlefaser und die Festigkeit des Tofirits auf, obwohl letzteres nur in Form weniger Atome in den Verbundwerkstoff, den man fortan Carborit nannte, eingebettet war. Von da an war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Ovoid-Ringraumer aus tiefschwarzem Carborit vom Band liefen.

Neun von dieser Sorte trieben außerhalb der Galaxis Orn in Wartestellung im All, ohne Besatzung. Ren Dhark hatte sie dort zurückgelassen, kurz bevor er vom goldenen Planetenschiff der Balduren über die Schranke von Orn hinweg »nach drinnen geschubst« worden war. Durch den Wegfall der Schranke gelangte er nun ungehindert und ohne fremde Hilfe zurück zu den Carboritschiffen.

Die Nomaden, insgesamt 190 an der Zahl, hatten die neun Ovoid-Ringraumer seinerzeit von Eden ins Wischnu-System überführt und sie dort im All zu einer Röhre zusammengekoppelt. Dann waren alle Canoiden per Transmitter in die POINT OF übergewechselt. Anschließend hatte sich Dharks Schiff, das noch aus dem »altmodischen« blauschimmernden Unitall gefertigt war, ans Ende dieses Gebildes gesetzt, zwecks Verstärkung der Düsenwirkung (bedingt durch seinen zehn Meter geringeren Durchmesser).

Auf diese Weise hatte man die Strecke nach Orn mit höchstmöglicher Geschwindigkeit bewältigen können, innerhalb von rund zwei Wochen. Relativ betrachtet war das sogar viel Zeit, in der man die Erde bequem mit dem Gleiter hätte umrunden können, doch die nahezu unendlichen Entfernungen zwischen zwei Punkten im Weltraum ließen sich nicht so leicht überbrücken.

Der Abflug der POINT OF von Hellhole lag jetzt knapp sieben Tage zurück. Die Ovoid-Ringraumer waren unversehrt, ihre Hyperkalkulatoren hatten gut über sie gewacht. Alle neun befanden sich noch exakt auf den Abwehrpositionen, an die sie der Checkmaster verbracht hatte. Weil Ren Dhark zunächst von einem Angriff des goldenen Planetenschiffs ausgegangen war, hatte er alle Wuchtkanonen ausfahren lassen. Achtzig dieser gefährlichen Waffen wären durchaus in der Lage gewesen, selbst ein so riesiges Objekt wie den Baldurenplaneten zu zerstören – zum Glück hatte Dhark auf den Feuerbefehl verzichtet.

Nach dem Einfahren der Kanonen koppelte der Checkmaster die schwarzen Ringraumer nunmehr wieder aneinander, und der unitallblaue nahm erneut seine Position am unteren Ende der Röhre ein.

Die Nomaden begaben sich zu den Bordtransmittern und verteilten sich auf die neun schwarzen Ringe. Lediglich Pakk Raff und Priff Dozz verblieben in der POINT OF, ebenso die vier Wächter.

Eigentlich hätte man jetzt nach Hause fliegen können. Uneigentlich war Ren Dhark jedoch kein Mann, der unerledigte Dinge zurückließ. Erst wenn der Schreibtisch aufgeräumt war, konnte er das Büro verlassen.

2.

Was habe ich nur getan? Und warum habe ich es getan?

Diese beiden Fragen gingen Lurgal seit Wochen durch den Kopf, ohne daß er eine zufriedenstellende Antwort darauf fand.

Er war der Vorstandsvorsitzende des größten Medienkonzerns auf Epoy, mit Sitz in der Hauptstadt Wymar. Augenblicklich glich er jedoch eher einem heruntergekommenen Obdachlosen, der in eine gut und teuer eingerichtete Wohnung eingebrochen war und selbige total zugemüllt hatte. Nach einem Treffen der »Anonymen Messis« hätte es hier nicht schlimmer aussehen können.

Hätte er eine Familie gehabt, so hätte sie ihn spätestens jetzt verlassen. Doch Lurgal war wie die meisten Worgun überzeugter Junggeselle, was den Vorteil – in seinem Fall eher den Nachteil – hatte, daß ihm daheim niemand Vorschriften machte.

Es hatte ihn viel Mühe gekostet, sich bis zum Vorstandsvorsitzenden emporzuarbeiten. Man hatte ihn respektiert, bewundert – und ihm vertraut.

Das in ihn gesetzte Vertrauen hatte er jedoch auf erbärmlichste Weise mißbraucht, hielt er sich nun vor.

In diesem Zusammenhang erinnerte er sich an einen Dialog mit einem skeptischen Vorstandsmitglied.

»Warum stellen wir uns auf einmal gegen die Yggsidral?« hatte Merzin ihn gefragt. »Warum jetzt, nach all der Zeit, die sie schon ihren Wahren Baldurenkult auf Epoy und anderswo pflegen? Und zwar stets mit unserer Zustimmung und ausdrücklichen Unterstützung. Was hat sich geändert?«

Lurgal hatte herablassend geantwortet: »Du machst dir unnötige Gedanken, Merzin. Es genügt, wenn du mir vertraust. Du vertraust mir doch, oder?«

»Selbstverständlich«, hatte Merzin ihm beflissen versichert. »Es gab noch nie Anlaß, deine Entscheidungen anzuzweifeln.«

»Siehst du? So wird es auch in diesem Fall sein.«

Nein, so war es in diesem Fall nicht gewesen. Auch in keinem der vorangegangenen Entscheidungsfälle. Der Vorstand hätte besser nicht auf ihn gehört und ihm das Vertrauen entzogen. Doch bis auf ein paar wenige Ausnahmefälle waren alle stets begeistert seinen Anordnungen gefolgt – ganz gleich, wie wirr sie auch daherkamen.

Anfangs war Lurgal ein glühender Verehrer der Yggsidral gewesen, schließlich hatten sie stets nur Gutes gewollt: Weg mit den Zyzzkt! Weg mit den Worgunmutanten! Was sollte daran verkehrt sein? Der von Lurgal geleitete Konzern hatte über die weltweiten Medien maßgeblich dazu beigetragen, daß auf ganz Epoy Priestertempel der Yggsidral gebaut werden durften, der größte natürlich in Wymar.

Nachdem sich dann herausgestellt hatte, daß die Yggsidral auf anderen Planeten massiv gegen die Worgun hetzten, war mit Lurgal eine krasse Veränderung vorgegangen. Seine Bewunderung war plötzlich in Haß umgeschlagen. Er hatte über die Medien die Bevölkerung aufgewiegelt und vom amtierenden Senatspräsidenten Kubra verlangt, alle Yggsidral auf Epoy hinrichten zu lassen. Die meisten waren dem Volkszorn allerdings entkommen.

Lurgal spie aus, als ihm Kubra in den Sinn kam.

»Ohne entsprechende Medienunterstützung wärst du unscheinbarer mittelmäßiger Wicht niemals an die Macht gekommen«, brabbelte er vor sich hin, während er in seinem Wohnungschaos nach etwas Trinkbarem mit Rauschwirkung Ausschau hielt. »Danach warst du nur noch meine willfährige Marionette, genau wie deine schlaffe Ministerriege.«

Lurgal lachte schrill auf.

»Na, wenigstens weiß ich, wer diesen Wurm von einem Möchtegernpräsidenten ständig beeinflußt hat, haha! Ich war’s! Aber was ist mit mir? Wer oder was hat meinen Verstand auf dem Gewissen?«

Von der manipulierten Schranke um Orn wußte er nichts, auch nichts von ihrer kompletten Abschaltung vor einigen Wochen. Zu jenem Zeitpunkt hatte er zum erstenmal gespürt, daß etwas mit ihm nicht stimmte. Ohne daß es ihm bewußt gewesen wäre, war er allmählich wieder normal geworden, vorausgesetzt, man war geneigt, seinen jetzigen Zustand als normal zu bezeichnen.

Lurgal ging kaum noch nach draußen, wusch sich nicht mehr, und seine Nahrung nahm er am liebsten in flüssiger Konsistenz zu sich.

Besuch bekam er schon lange nicht mehr. Es rief ihn auch keiner übers Vipho an. Das war ihm nur recht, denn er vermied derzeit so gut wie jeden Kontakt zur Außenwelt. Nicht einmal die Tagesnachrichten interessierten ihn sonderlich. Die meiste Zeit über hockte er wie festgewachsen in einem breiten Sessel, der sein Biotop bildete.

Ärgerlich nahm Lurgal wahr, wie sich die Tür zu seinem Wohnbereich öffnete. Dezernent Fronat kam herein, einer seiner engsten Mitarbeiter, der über eine gewisse Entscheidungsbefugnis verfügte. Auch mit ihm verband der Medienmogul unangenehme Erinnerungen. Unter anderem war ihm Fronat nützlich gewesen bei der Beurteilung von billigen Holohetzfilmen, in denen die Yggsidral als Monstren dargestellt wurden, die kleine Kinder anzündeten, arglose Ladenbesitzer ermordeten und säumige Schuldner totschlugen.

Der ungebetene Gast tat so, als würde er weder die Unordnung noch Lurgals angeschlagenen Zustand bemerken, obwohl der Gestank im Zimmer sogar einen nasenlosen Gorkmonch umgehauen hätte.

Du elender Kriecher würdest mir nicht einmal dann deinen Ekel zeigen, wenn ich jetzt versuchen würde, dich zu liebkosen, dachte Lurgal angewidert.

»Was wollen Sie?« fragte er seinen Angestellten schroff. »Ich bin gerade mit wichtigen Dingen beschäftigt, das sehen Sie doch!«

»Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß der Senat inzwischen offen gegen Kubras Regierung rebelliert«, antwortete Fronat.

Als Lurgal nicht gleich reagierte, fügte er beschwörend hinzu: »Es droht eine Revolution!«

Sein entrüsteter Tonfall ließ keinen Zweifel daran, wie sehr er den bevorstehenden Aufstand mißbilligte. Ihm hatten die früheren Verhältnisse gut gefallen. Es paßte ihm nicht, nun umdenken zu müssen und sein Leben neu auszurichten.

Revolution! Das war für Lurgal so etwas wie sein persönliches Paßwort – es riß ihn regelrecht aus seinem lethargischen Zustand.

»Die Rebellion der Senatoren ist die logische Folge meiner Anweisung an die mir unterstellten Medien, diese schlechte, unfähige Präsidentenkopie nicht mehr zu unterstützen«, erwiderte er, obwohl er sich kaum noch auf den klaren Moment besinnen konnte, in dem er jene Direktive ausgegeben hatte.

Er zerstörte die Symbiose zwischen sich und seinem Sessel und stand auf.

»Ich begreife nicht, warum ich diesen Weichling überhaupt an die Macht gebracht habe. Weshalb haben Sie mich nicht davon abgehalten, Fronat?«

»Weil… weil Sie mein Vorgesetzter sind«, stammelte der Gefragte irritiert.

»Ein Grund mehr, mein Unternehmen und vor allem mich selbst vor Schaden zu bewahren«, meinte Lurgal. »Aber Mitdenken ist heutzutage offenbar nicht mehr in Mode. Berichten Sie weiter von den aktuellen Ereignissen.«

»Maluk« – Fronat sprach den Namen mit einer gewissen Verachtung aus – »ist aus irgendeinem Rattenloch aufgetaucht und fordert Neuwahlen.«

Der heute 350jährige (und damit noch junge) Maluk war ein ruheloser Geist, der 2059 den Widerstand gegen die Zyzzkt geleitet hatte – was ihm von der neuen Regierung nicht gedankt worden war. Nachdem er die Herrschenden als unfähig und dekadent beschimpft und offen vom Niedergang seines einstmals stolzen Volkes gesprochen hatte, hatte er wieder in den Untergrund abtauchen müssen, sonst hätte man ihn verhaftet.

»Wenn der Senat keinen Volksaufstand riskieren will, wird er Maluks Forderung wohl oder übel nachgeben müssen«, befürchtete Fronat. »Zu dieser aufrührerischen Entwicklung haben viele unserer eigenen Journalisten mit beigetragen.«

»Und das paßt Ihnen nicht, wie?« fragte Lurgal scharf. »Ich bin froh, daß wenigstens ein paar meiner Leute wieder damit anfangen, frei und selbständig zu denken. Diese mutigen Worgun haben meine Unterstützung mehr als verdient. Richten Sie allen aus, ich käme noch heute zurück ins Verlagshaus. Von nun an weht dort ein neuer Wind, an den Sie sich besser gewöhnen sollten, Fronat!«

»Ganz wie Sie meinen, Lurgal«, entgegnete der andere pikiert und verließ den Raum.

»Und schaffen Sie gefälligst Ihren Krempel von meinem Schreibtisch!« rief ihm der Medienunternehmer noch hinterher.

Er kannte seine Mitarbeiter gut und konnte sich denken, daß sich Fronat inzwischen in seinem Büro breitgemacht hatte.

»Apropos Krempel«, murmelte er und griff zum Vipho. »Diese Wohnung braucht dringend eine Putzfirma – und ich einen längeren Aufenthalt in der Hygienezelle sowie frische Kleidung.«

Letzteres ließ sich am leichtesten bewältigen. Als Lurgal bald darauf sein Haus verließ, trug er einen blitzblanken neuen Gürtel. Mehr Kleidungsstücke pflegten die Worgun meist nicht zu tragen, wenn sie ihre Originalgestalt beibehielten. Bei Verwandlungen waren Jacken und Hosen oder gar Uniformen mitunter allerdings unverzichtbar.

Lurgal und die beauftragten Putzleute gaben sich quasi den Türknauf in die Hand. Im Hinausgehen versprach er ihnen einen anständigen Sonderbonus – und im Weitergehen bildete er sich ein, von drinnen einen leisen Aufschrei zu vernehmen.

Sein Erscheinen in der Zentralredaktion verursachte einiges Aufsehen (glaubte er zumindest), bis er den wahren Grund für die allgemeine Aufregung erfuhr: Ren Dhark, der Befreier von Orn, hatte seine Rückkehr nach Epoy angekündigt. Es hieß, er würde umwälzende Neuigkeiten mitbringen.

»Worauf wartet ihr dann noch?« brüllte er die unruhige Meute an. »Schickt sofort mehrere Reporterteams zum Raumhafen!«

*

Die Ankündigung von der bevorstehenden Ankunft der POINT OF verbreitete sich wie ein Lauffeuer rund um den Planeten. Wymar wurde schlagartig ein begehrtes Reiseziel. In dieser Zeit des Umbruchs war den Worgun jede Abwechslung willkommen.

Das Raumhafengelände wurde mit Absperrungen versehen, damit die Stadtbewohner und Touristen den sogenannten Offiziellen nicht zu sehr auf die Pelle rücken konnten. Journalisten bekamen Ausnahmegenehmigungen, so daß das Ereignis weltweit übertragen werden konnte.

Schon als Ren Dhark im Frühjahr auf Epoy gelandet war, hatten Hunderte von Worgun die Besatzung der POINT OF bejubelt. Die gesamte Regierungsmannschaft war zur Begrüßung der Terraner angetreten, und eine Roboterkapelle hatte ihnen den Marsch geblasen.

Natürlich hatte auch Dhark sich nicht lumpen lassen. Die vier verschiedenfarbigen Wächter hatten sich dem Publikum in ihrer Dreimeterkampfgröße gezeigt, und 100 uniformierte Karrorr hatten für die begeisterten Zuschauer »Präsentiert den Multikarabiner!« vorgeführt. Ren Dhark und der galaxisbekannte Worgun Gisol, der einstmals im Alleingang die Zyzzkt das Fürchten gelehrt hatte, hatten danach schauträchtig die Parade abgenommen.

Diesmal war eine gänzlich andere Schau geplant, die allerdings nicht weniger beeindruckend verlaufen sollte…

*

Erst war es nur ein winziger Punkt am Himmel, der allmählich immer größer wurde. Dann erkannte man einen Ringraumer von unten. Nein, es waren mehrere Ringraumer, zehn an der Zahl, wie man schon bald ersehen konnte – und sie flogen nicht nebeneinander her, sondern schwebten übereinander langsam herab.

In gekoppeltem Zustand landeten die zehn Schiffe auf einer gekennzeichneten großen Freifläche des Landefelds, die POINT OF zuunterst. Erst kurz vor dem Aufsetzen fuhr der unitallblaue Ringraumer seine Landestützen aus.

»Hoffentlich wurde in den oberen Schiffen Antigrav aktiviert«, scherzte jemand in der POINT OF (was man draußen natürlich nicht hören konnte), »sonst gibt es gleich ›Knickebein‹.«

Der gesamte Ringraumerturm war rund 440 Meter hoch und wirkte überaus beeindruckend. Doch damit war das Ende der Aufführung noch nicht erreicht, genaugenommen ging es jetzt erst richtig los.

Erneut erschien ein Schiff am Himmel. Aber was für eins! Der lichte Innendurchmesser der gigantischen DANROL betrug 2200 Meter, weshalb sie problemlos um die anderen Schiffe herum landen konnte. Die DANROL nahm die POINT OF so exakt in ihre Mitte, daß man die Abstände mit einem Lineal hätte nachmessen können.

Als nächstes setzte ein Ovoid-Ringraumer der Rom-Klasse zur Landung an – in Normalgröße: 190 Meter Durchmesser sowie 35 Meter Ringstärke bei einer Höhe von 45 Metern; aufgrund der ovalen Form hatte man darauf Platz für zwei Decks mehr als auf Raumern mit kreisrunden Ringrümpfen.

Wer nun weitere Kunststückchen erwartete, wurde allerdings enttäuscht. Das letzte Schiff landete ganz profan am Boden, in unmittelbarer Nähe der übrigen Raumschiffe.

Die beiden wichtigsten Insassen hatten ohnehin keinen Sinn für Clownerien aller Art. Sie stiegen als erstes aus, bekleidet mit weißen römischen Togen. Niemand eilte den beiden Senatoren Marcus Gurges Nauta und Socrates Laetus voraus, abgesehen von ihrem guten Ruf.

Nur sehr wenige Eingeweihte, darunter Ren Dhark und Gisol, wußten, wer die beiden Römer vom Planeten Terra Nostra wirklich waren: die Worgunmutanten Margun und Sola – die Erbauer der MASOL alias POINT OF. Dafür, daß sie seit langem als tot galten, sahen sie recht lebendig aus. Ihre sorgsam gehütete Tarnexistenz würden sie auch am heutigen Tag garantiert nicht lüften.

In ihrer menschlichen Senatorengestalt setzten sie zum erstenmal einen Fuß auf Epoy. Hier und jetzt traten sie als offizielle Botschafter ihres Heimatplaneten auf.

Als nächstes kam 1E-2K nach draußen, über die breite Rampe der DANROL. Sein einziges Gefolge bildeten die beiden Wissenschaftler Glenga und Frebus, deren 25 Kollegen es vorzogen, im Forschungsschiff zu bleiben und in ihren Laboren und Werkstätten zu experimentieren. Auch der Biologe und der Chemiker wären lieber »daheim« geblieben, statt sich dem überflüssigen Streß einer Begrüßungszeremonie auszusetzen, doch 1E-2K – der erstmals in der DANROL mitflog – hatte darauf bestanden, wenigstens von zwei Worgun begleitet zu werden. Bei der Auslosung hatten Glenga und Frebus leider verloren.

Von vornherein war klar ersichtlich, daß dieser Roboter etwas ganz Besonderes war. Zwar ähnelte der Viermeterkoloß mit seinen kurzen »Ohrenantennen« und auch vom sonstigen Aufbau her einem typischen Worgunroboter, jedoch war sein Kopf größer, und er verfügte über drei statt nur zwei buntschimmernde Augen. Am auffälligsten waren die 15 zusätzlichen Greifarme.

Hinzu kam der Umstand, daß er zielstrebig voranschritt, während seine Begleiter lustlos hinter ihm hertrotteten. Wann hätte man jemals einem gewöhnlichen Roboter ein solch respektloses Verhalten durchgehen lassen?