Rescue Heroes – Save my Heart - Lia Harding - E-Book

Rescue Heroes – Save my Heart E-Book

Lia Harding

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Beschreibung

Selina muss fliehen - vor einer Zwangsehe mit dem Drogenboss Eduardo Guerrero. Dabei gerät sie in Seenot und wird von dem attraktiven Coast Guard Dylan gerettet.

Als Selina sich ihm anvertraut, erwacht Dylans Beschützerinstinkt. Er versteckt sie in seinem einsamen Strandhaus auf der Bahamasinsel Cat Island, wo sich die beiden rasch näherkommen.

Aber die Vergangenheit holt sie unaufhaltsam ein. Denn Guerrero betrachtet Selina als sein Eigentum und bringt sie eines Nachts auf brutale Weise in seine Gewalt. Doch Dylan gibt nicht kampflos auf. Er muss Selina unbedingt aus Guerreros Fängen befreien - und bringt sich damit in tödliche Gefahr ...

Band 1 der spannend romantischen Rescue-Heroes-Reihe von Lia Harding.

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe. Der Roman ist zuvor bereits unter dem Titel "Orkan im Paradies" erschienen.

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27EpilogÜber die AutorinWeitere Titel der AutorinImpressum

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Über dieses Buch

Selina muss fliehen – vor einer Zwangsehe mit dem Drogenboss Eduardo Guerrero. Dabei gerät sie in Seenot und wird von dem attraktiven Coast Guard Dylan gerettet.

Als Selina sich ihm anvertraut, erwacht Dylans Beschützerinstinkt. Er versteckt sie in seinem einsamen Strandhaus auf der Bahamasinsel Cat Island, wo sich die beiden rasch näherkommen.

Aber die Vergangenheit holt sie unaufhaltsam ein. Denn Guerrero betrachtet Selina als sein Eigentum und bringt sie eines Nachts auf brutale Weise in seine Gewalt. Doch Dylan gibt nicht kampflos auf. Er muss Selina unbedingt aus Guerreros Fängen befreien – und bringt sich damit in tödliche Gefahr …

Eine spannende Lovestory

Kapitel 1

Freeport, Grand Bahama

Fassungslos starrte Selina ihren Vater an. »Du hast was?«, brachte sie heraus.

»Ich habe Eduardos Antrag in deinem Namen angenommen«, wiederholte er.

Zorn kochte in ihr hoch und vertrieb die Blockade in ihrem Kopf. »Du willst mich verheiraten? Mit dem da?«, fauchte sie, wobei sie mit dem Zeigefinger auf Eduardo zielte. »Das ist doch echt das Letzte! Sind wir hier auf einem Viehmarkt?«

»Sei nicht so frech. Ich dulde keine Widerrede. Du wirst ihn heiraten.«

»Diesen Kotzbrocken? Niemals!« Selina schoss aus ihrem Sessel hoch.

Ihr Vater sprang ebenfalls auf. Mit raschen Schritten kam er auf sie. »Nicht in diesem Ton, Mädchen«, grollte er. »Ich sage es zum letzten Mal: Du heiratest Eduardo!«

Selinas Blick heftete sich auf den Geschäftspartner ihres Vaters. Eduardo Guerrero hing in lässiger Pose in einem der tiefen Ledersessel, schwenkte den Rotwein in seinem Glas und verfolgte den Streit mit selbstgefälliger Miene. Der Wunsch, ihm das Glas aus der Hand zu reißen und den Wein in sein fieses Gesicht zu schütten, überwältigte Selina. Nur mit Mühe unterdrückte sie diesen Drang.

»Reg dich nicht auf, Pavlidis«, sagte er gedehnt. »Sie wird sich rasch an den Gedanken gewöhnen, meine Frau zu sein. Wie du weißt, bin ich äußerst überzeugend, wenn mir etwas am Herzen liegt.«

Eduardos überheblicher Ton kratzte ebenso an Selinas Nerven wie die unterschwellige Drohung, die in seinen Worten mitschwang. Was bildete er sich ein? Marschierte einfach zu ihrem Vater und forderte, dass sie seine Frau wurde. Obwohl sie sich nur flüchtig kannten und Selina ihn niemals ermuntert hatte, sich ihr zu nähern. Im Gegenteil. Sie fand Guerrero widerwärtig und ging ihm nach Möglichkeit aus dem Weg. Bei dem heutigen Dinner war sie nur dabei gewesen, weil ihr Dad auf ihre Anwesenheit bestanden hatte.

Sie schluckte die scharfe Bemerkung hinunter, die sie ihm gern an den Kopf geworfen hätte, und wandte sich stattdessen an ihren Vater. »Du kannst mich dazu nicht zwingen«, zischte sie.

»Du tust, was ich dir sage!«

»Nein!«

Ihr Vater fasste nach ihrem Arm. Sein Griff war hart. Aus zusammengekniffenen Augen starrte er sie an. »Selina …«, begann er, aber sie unterbrach ihn.

»Mir ist es egal, womit er dich in der Hand hat. Ich werde für deine Fehler nicht geradestehen.« Sie wand sich in seiner Umklammerung, und er packte fester zu. Seine Grobheit erschreckte sie, befeuerte jedoch gleichzeitig ihren Zorn. »Lass mich los!«

»Erst, wenn du der Heirat zustimmst.«

»Niemals.« Bebend vor Wut krallte sie ihre Fingernägel in seinen Handrücken. »Wenn du das tatsächlich ernst meinst, bist du genauso ein Scheusal wie dieser Verbrecher!«

»Genug!« Ihr Vater riss den Arm hoch und ohrfeigte sie auf beide Wangen. Sein Siegelring traf ihr Jochbein, der Schmerz explodierte, Tränen schossen ihr in die Augen. Sie schrie auf, und er ließ sie los. Selina taumelte aus seiner Reichweite, entsetzt über diese Brutalität. Ihr Dad hatte sie noch nie geschlagen!

Schockiert starrte Selina in sein versteinertes Gesicht. Sie hatte erwartet, dass er über seinen Gewaltausbruch genauso bestürzt sein würde wie sie, doch seine Züge zeigten keinerlei Regung. Kein Bedauern, keine Reue … nichts außer eiskalte Entschlossenheit. Ihr Vater meinte es tatsächlich ernst mit dieser Heirat.

Panik packte sie, lief wie eine eisige Welle durch ihren Körper. Ihr gehetzter Blick flog zu Eduardo, der sie boshaft angrinste. Das Glitzern in seinen Augen verriet, dass er die Szene genoss. Dem Mistkerl gefiel es, wie ihr Vater versuchte, ihr seinen Willen aufzuzwingen. In Selina stieg Ekel auf, und der Drang, diesem Albtraum zu entfliehen, wurde übermächtig.

»Selina.«

Ihr Blick huschte wieder zu ihrem Vater.

Er streckte die Hand nach ihr aus. Reflexartig wich sie zurück, und der pulsierende Schmerz in ihrer Wange verstärkte sich. Sie tastete darüber und spürte warme Nässe. Langsam ließ sie den Arm sinken. An ihren Fingern klebte Blut. Bei dem Anblick zerbrach etwas in ihr. Er hatte sie verletzt, weil sie die Wahrheit ausgesprochen hatte. Ihr Dad, der angesehene Unternehmer Stephanos Pavlidis, war kein Stück besser als der Dreckskerl, mit dem er sie verkuppeln wollte.

Der Ledersessel knarzte, als Guerrero aufstand. Das Geräusch klang überlaut in Selinas Ohren. Er hielt noch immer sein Weinglas in der Hand, während er auf sie zugeschlendert kam. Als wären sie auf einer Party. Nur seine grausamen Augen verrieten ihr, dass es ab sofort nach seinen Spielregeln laufen würde. Dicht vor ihr blieb er stehen.

»Mir gefällt dein Temperament, Chica«, raunte er. »Ich mag kratzbürstige Frauen.« Er griff nach einer Strähne ihres taillenlangen Haares, doch ehe er seine Faust darum schließen konnte, wirbelte Selina herum. Angeekelt und voller Entsetzen hatte sie nur einen Gedanken: Sie musste hier raus, bevor Guerrero sie ebenfalls schlug oder ihr noch Schlimmeres antat. Ihr Vater würde sie vor diesem Ungeheuer nicht beschützen.

Sie rannte aus dem Salon und durch die offen stehenden Schiebetüren hinaus in die Tropennacht. Die Absätze ihrer High Heels hämmerten ein Stakkato auf die Terrassenfliesen. Sie eilte die breite Treppe hinunter, lief an dem beleuchteten Pool vorbei und folgte dem Weg, der zum Privatstrand der Villa mit dem Bootsanleger führte.

Sobald sie den Schutz des Hauses hinter sich gelassen hatte, rissen heftige Böen an ihrem Cocktailkleid. Die Wedel der Kokospalmen, die das Grundstück säumten, peitschten wie riesige Fächer durch die Luft, das Meer war aufgewühlt, und die Brandung donnerte an den Strand. Dunkle Wolken jagten über den Himmel und verschluckten immer wieder das Licht des Vollmonds. Trotzdem konnte Selina erkennen, dass die am Bootssteg befestigten Jachten wild auf den Wogen tanzten. Hier draußen herrschte eine ebenso bedrohliche Stimmung wie im Haus, doch sie zog die unberechenbaren Naturgewalten den beiden Männern vor.

Am Ende des Pfads blieb sie stehen und streifte ihre Sandaletten ab. Anschließend eilte sie den Steg entlang und sprang an Bord der Summerwind, wo sie sich keuchend gegen die Reling lehnte. Während sie die Tränen von ihren Wangen wischte, versuchte sie, sich zu sammeln.

Allmählich beruhigte sich ihr Atem. Verzweiflung packte sie und verdrängte ihre Wut. Nie zuvor hatte sie ihren Vater so erlebt, er war immer gut zu ihr gewesen. Streng zwar, aber niemals ungerecht oder grob. Erst seit er mit Guerrero verkehrte, benahm er sich herrisch und aggressiv.

Eduardo Guerrero war CEO einer Investmentfirma mit Sitz in Nassau, doch Selina hegte den Verdacht, dass hinter der seriösen Fassade illegale Aktionen abliefen. Geldwäsche gehörte zusammen mit Drogenhandel zu den einträglichsten Verbrechen auf den Bahamas.

Ihr Vater hatte sich mit riskanten Börsengeschäften verspekuliert und schuldete Guerrero fast eine halbe Million. Und nun sollte Selina sein Problem lösen, indem sie Eduardo heiratete.

»Innerhalb einer Familie hilft man sich in Notlagen«, erinnerte sie sich an Guerreros gesäuselte Worte, nachdem ihr Dad sie mit seiner Forderung konfrontiert hatte. Allein die Erinnerung an die wenigen trockenen Sätze, mit denen er ihr vorhin seine Misere geschildert hatte, machte sie erneut wütend. Da hatten sich die beiden ja einen schönen Plan zusammengesponnen. Glaubten die tatsächlich, sie würde diesem Handel zustimmen? Sich verschachern lassen wie einen Gegenstand?

Selina hatte sich anfangs nichts dabei gedacht, als Guerrero immer öfter in ihrer Familienresidenz in Freeport aufgetaucht war. Ihr Vater gefiel sich in der Rolle des großzügigen Gastgebers und lud häufig Geschäftspartner in sein Haus ein.

Sie fand Eduardo abstoßend, ging ihm nach Möglichkeit aus dem Weg und versuchte, sein dreistes Starren zu ignorieren. Selina kannte diese Blicke. Mit ihrer kurvigen Figur, den glänzenden zobelbraunen Haaren und ihrer natürlichen Sinnlichkeit wirkte sie auf viele Männer anziehend, sie hatte Guerrero jedoch niemals ermuntert, sich ihr zu nähern. Allein die Vorstellung, dass er sie anfassen könnte, löste Brechreiz bei ihr aus. Erneut sah sie die Szene vor sich, wie er die Hand nach ihr ausgestreckt und ihr Haar berührt hatte.

Vom Haus schallten Stimmen herüber und rissen sie aus ihrer Grübelei. In den aufgeregten Wortschwall ihres Vaters mischte sich Leons beruhigender Bariton. Man suchte nach ihr! Sie erkannte die massive Silhouette ihres Bodyguards Leon Diakos, der soeben durch die Terrassentür trat. Ihm folgten zwei Männer. Einer gehörte zur Wachmannschaft der Villa, der andere war Guerreros persönlicher Leibwächter. Gleich darauf flammte die Flutlichtanlage auf und tauchte das Grundstück in gleißendes Licht. Leon überquerte den Rasen und hielt direkt auf den Anleger zu. Eduardos Wachhund lief mit etwas Abstand hinter ihm her.

Als Leon den Bootssteg betrat, traf Selina eine Entscheidung. Sie würde sich von ihm nicht aufhalten lassen! In fliegender Hast löste sie die Leinen, rannte in den Steuerstand und startete die Motoren.

Leon verfiel in Laufschritt. »Selina!«, rief er. »Tu das nicht.«

Sie sah über die Schulter in seine Richtung. Er hatte die Summerwind fast erreicht. Sie musste sich beeilen, sonst würde er an Bord kommen und sie an der Abfahrt hindern. Selina gab Gas und manövrierte die Jacht vom Steg weg, wozu sie bei dem tückischen Seegang ihre volle Konzentration benötigte. Trotzdem gelang es ihr, einen Blick mit Leon zu wechseln. Sehr ernst schaute er sie an.

»Bleib hier. Das ist zu gefährlich. Der Sturm wird …« Der Rest seines Satzes ging im Tosen der Wellen unter. Kopfschüttelnd streckte er den Arm aus, eine Geste, die sie zurückhalten sollte, jedoch gleichermaßen seine Hilflosigkeit und Frustration ausdrückte. Sie war ihm entkommen, wenn auch nur knapp.

Selina schwenkte das Boot herum und beschleunigte. Schnell weg von hier! Die Summerwind war klein und wendig. Bis man die Jacht ihres Vaters startklar gemacht hatte, wäre sie längst in der Dunkelheit und der Weite des Meers verschwunden. Sie umklammerte das Steuer und konzentrierte sich auf die Wasserfläche vorm Bug. Die Summerwind jagte über die wogende See, der Fahrtwind kühlte ihre brennenden Wangen, während sich die Ereignisse des Abends in einer Endlosschleife durch ihren Kopf wälzten, ihre Gefühle zwischen Zorn, Verzweiflung und Unverständnis schwankten. Nun endlich wusste sie, warum ihr Vater seit einigen Wochen rastlos und geistesabwesend wirkte. Noch immer war sie fassungslos darüber, dass sich ihr vernünftiger und vorausschauender Dad auf Börsenspekulationen eingelassen hatte. Auf riskante Geschäfte, in die er horrende Summen investiert hatte. Wieso, zum Teufel? Er besaß mehr als genug Geld, die Reederei machte Profit, seine Auftragsbücher waren voll … War der Nervenkitzel der Grund dafür?

Die Böen wurden stärker, peitschten Selina die Haare um den Kopf und pressten das Kleid aus burgunderrotem Organza gegen ihren Körper. Vereinzelte Regentropfen trafen ihr Gesicht und ihre bloßen Arme. Schaudernd zischte sie einen Fluch. Das sah überhaupt nicht gut aus. Der Wind war bei ihrer Flucht schon heftig gewesen, Leon hatte sie vor einem herannahenden Unwetter warnen wollen, aber sie hatte sämtliche Hinweise ignoriert. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, unter Deck zu gehen, um ihre Regenkleidung zu holen, traute sich jedoch nicht, den Steuerstand bei dem schweren Seegang zu verlassen. Der Sturm trieb die Jacht wie einen Spielball vor sich her, direkt in die immer höher werdenden Wellenberge hinein. Mond und Sterne waren hinter bedrohlichen Wolken verschwunden, das Meer wirkte schwarz und düster wie ein Grab.

Schlagartig nahm der Regen zu. Kalte Tropfen prasselten in Sturzbächen auf Selina nieder, durchweichten sie innerhalb von Sekunden bis auf die Knochen und schränkten ihre Sicht ein. Mit dem Handrücken wischte sie sich das Wasser aus den Augen. In diesem Moment krachte die Summerwind in ein Wellental. Das Steuerruder wurde ihr aus der Hand gerissen, sie verlor den Boden unter den Füßen und prallte gegen eine Kante. Schmerz schoss durch ihre Hüfte, panisch packte sie nach einem Halt. Sie fand ihr Gleichgewicht wieder, umfasste das Ruder und drosselte die Geschwindigkeit.

Zittrig holte sie Luft, dann starrte sie auf das dunkle Wasser. Das Licht der Scheinwerfer fing sich in den schaumgekrönten Wellen, die sich in rascher Folge türmten. Selina verfluchte ihre Unaufmerksamkeit. Statt zu grübeln, hätte sie den Seefunk abhören und sich auf die Route konzentrieren sollen. Wie eine blutige Anfängerin war sie in eine Schlechtwetterzone hineingefahren.

Sie drängte ihre Angst zurück und besann sich auf ihre Erfahrung als Skipper. Zuerst drehte sie die Jacht in den Wind, damit diese nicht quer zu den Wellen kam und Gefahr lief zu sinken. Anschließend aktivierte sie den Autopiloten, holte eine Schwimmweste aus dem Fach im Steuerstand und legte sie an. Sie hakte die Fangleine ein und wollte gerade wieder das Ruder übernehmen, als sie eine Wasserwand auf sich zukommen sah. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, instinktiv tastete sie nach der Notfunkbake. Die riesige Woge schob sich unter den Bug und drückte die Jacht in die Höhe. Ein Brecher krachte aufs Deck, weiß schäumendes Wasser ergoss sich über Selina. Die Wucht riss sie von den Füßen, ihre nassen Hände verloren den Halt. Sie wurde über die Planken geschleudert, ihr Kopf prallte gegen etwas Hartes. Dann umfing sie Dunkelheit.

Kapitel 2

US Coast Guard Station, Miami Beach

»Das war’s für dich, Bennett.« Donnie grinste Dylan an, warf seine Pokerkarten auf den Tisch und wollte nach dem Häufchen Ein-Dollar-Noten greifen.

»Nicht so schnell, Kumpel.« Dylan gab Donnies Grinsen träge zurück, während er seine Karten in einer großspurigen Geste ablegte. »Dein Full House ist ja nett, aber sieh dir das an.« Er tippte auf seinen Straight Flush.

»Das gibts doch nicht!« Donnies strahlende Miene verschwand. »Du hinterlistiger Halunke, den hattest du im Ärmel versteckt.«

»Ja klar.« Lachend breitete Dylan die Arme aus. Er trug das vorgeschriebene Diensthemd mit den kurzen Ärmeln. »Wo soll ich hier denn was verstecken?«

»Du hast mehr Glück als Verstand, Goldlöckchen«, brummelte Donnie.

Die beiden anderen Rettungsschwimmer am Tisch lachten.

Dylan hob eine Braue, kommentierte die Äußerung jedoch nicht. Seit er bei der Seenotrettung arbeitete, zogen ihn seine Kollegen wegen seiner langen blonden Haare auf. Er ließ ihnen den Spaß, obwohl sich ihre Sprüche inzwischen abgelutscht hatten.

»Willst du mir nicht auch gleich noch den neusten Blondinenwitz erzählen?«, fragte er Donnie.

»Du bist Witz genug.«

»Haha, sehr lustig.« Grinsend streckte Dylan die Hand nach den Geldscheinen im Pot aus. »Immerhin hat Blondie beim Poker gewonnen.« Er nahm das Geld und wedelte mit den Scheinen vor Donnies Nase herum. »So doof kann ich also gar nicht sein.«

»Okay, nächste Runde.« Donnie schob die Spielkarten zusammen.

Dylan warf einen Blick auf die Wanduhr und unterdrückte ein Seufzen. Die Klimaanlage im Aufenthaltsraum der Rettungsstation kam mal wieder nicht gegen die schwüle Hitze an, die sich im Lauf des Tages in dem Raum angestaut hatte. Dylan sehnte das Dienstende herbei. Noch eine knappe Stunde bis Mitternacht, dann war Schluss. Er freute sich auf seine kühle Wohnung, eine erfrischende Dusche und ein eiskaltes Bier. Er würde ausschlafen und sich am Nachmittag mit Becky in der Boxschule treffen. »In einer Stunde seid ihr mich los«, sagte er.

Gerade als Donnie etwas erwidern wollte, flog die Tür auf. Alle fuhren herum.

»Schiff in Not! Vor Grand Bahama!«, rief Nate, der Leiter der Rettungsstelle. »Miller, Bennett, ihr kommt mit.«

Donnie und Dylan sprangen auf. Das war’s mit seinem Feierabend. Sein aufkeimender Frust verflog jedoch, als ihn die nervöse Spannung überfiel, die er bei jedem Einsatz empfand. Routiniert schlüpfte er in seinen Rettungsanzug, schnappte sich Helm und Handschuhe und hastete hinter Donnie aus dem Raum.

»Wir haben eine Hurrikanwarnung«, bellte Nate, der vor ihnen den Gang entlanglief, über die Schulter. »Der Havarist befindet sich im Randgebiet. Windgeschwindigkeiten bis zu siebzig Knoten, starker Regen, schwere See. Wir müssen ihn vor dem Hurrikan erreichen!«

Sie stürmten aus dem Gebäude und rannten zum Helikopter, der mit laufenden Rotoren auf sie wartete. Adrenalin pulsierte durch Dylans Körper. Er war an gefährliche Nachteinsätze gewöhnt, doch die Aussicht auf eine Rettungsaktion in den Ausläufern eines tropischen Wirbelsturms verstärkte seine Anspannung.

Sie gingen an Bord, riefen den beiden Piloten einen Gruß zu und setzten sich. Der Hubschrauber hob ab.

Kaum hatten sie die Küstenlinie hinter sich gelassen, wurden sie von Sturmböen durchgeschüttelt. Konzentriert starrte Dylan auf die vorbeijagenden Wolkenformationen und die wogende See unter ihnen, wobei er versuchte, die Wetterlage einzuschätzen.

Während des Flugs informierte Nate sie über die havarierte Jacht. »Wir empfangen den automatischen Notruf, aber niemand antwortet auf unsere Funksprüche!«, schrie er gegen das Knattern der Rotorblätter an. »Geht davon aus, dass das Ruder nicht besetzt ist. Und wir wissen nicht, wie viele Personen sich an Bord befinden.«

Donnie und Dylan wechselten einen Blick. Das klang übel. Der Skipper konnte verletzt sein. Oder er war von einem der riesigen Brecher über Bord gespült worden. Eine Landung an Deck ohne Unterstützung der Schiffsmannschaft stellte bei diesem hohen Seegang eine echte Herausforderung für die Retter dar.

Dylan schloss für einen Moment die Lider, um sich auf den bevorstehenden Einsatz zu konzentrieren. Er besaß mehr Erfahrung mit Bergungsaktionen unter solch schweren Bedingungen, weswegen Nate ihn als Ersten zu der Jacht runterschicken würde.

Die nächsten Minuten flogen sie schweigend und behielten dabei den Peilsender im Auge.

»Wir sind gleich da.« Nate sah von dem Sender auf und zu Dylan. Sein Nicken bestätigte, was er sich bereits gedacht hatte. »Bennett, du gehst zuerst runter und verschaffst dir einen Überblick. Falls du Miller brauchst, sag Bescheid. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, der Hurrikan hält direkt auf uns zu.«

»Okay.« Dylan schloss den Reißverschluss seines Anzugs, setzte den Helm auf und schlüpfte in die Handschuhe. Seine Anspannung wuchs, seine Blicke klebten auf dem Strahl des Suchscheinwerfers.

Etwas Weißes blitzte auf. Die Jacht! Sie war nicht besonders groß und schaukelte wie eine Nussschale auf den Wogen. Gischt schäumte übers Deck, als eine bedrohlich hohe Welle sie traf. Es kam Dylan wie ein Wunder vor, dass sie noch nicht gesunken war.

Der Helikopter ging tiefer, das Scheinwerferlicht tanzte über die Aufbauten und den offenen Steuerstand. Eine Reflexion erregte Dylans Aufmerksamkeit.

»Da ist jemand mit Rettungsweste!«, rief Nate. »Los, raus mit dir, Bennett.« Auffordernd schlug er Dylan auf die Schulter.

Er klinkte das Seil der Winsch in seinen Tragegurt ein, wandte sich dem Ausstieg zu und setzte sich auf die Kante. Der Sturm zerrte an seinen Hosenbeinen. Ein Vorgeschmack auf das, was ihn gleich erwartete. Das Meer bestimmt die Regeln. Das war der Leitspruch seines Ausbilders gewesen, der ihm Respekt vor den Naturgewalten eingetrichtert hatte.

Dylan beobachtete, wie der Hubschrauber tiefer ging, bis er nur noch wenige Meter über dem schwankenden Deck schwebte. Der Pilot benötigte sein ganzes Geschick, um die Position trotz der Böen zu halten.

»Los jetzt!« Auf Nates Befehl glitt Dylan aus dem Laderaum. Sein Körper an dem Stahlseil pendelte im Sturm. Während des Abseilens visierte er die freie Fläche hinter dem Steuerstand an. Auf der kleinen Jacht blieb ihm nicht viel Spielraum für eine saubere Landung.

Sekunden später berührten seine Füße die glitschigen Planken. Er fand sein Gleichgewicht, klinkte das Seil aus, dann hangelte er sich an der Reling entlang auf den Steuerstand zu.

Neben der regungslosen Person sank er auf die Knie. Eine junge Frau. Bewusstlos … oder tot. Sie war komplett durchnässt. Der Rock des Kleides klebte an ihren Oberschenkeln, Strähnen ihres langen Haares verdeckten einen Teil des Gesichts. Er zerrte sich einen Handschuh herunter und strich sie beiseite. An ihrer Stirn entdeckte er eine Platzwunde, außerdem einen Riss über dem linken Wangenknochen und ein zugeschwollenes Auge. Als Dylan nach ihrem Puls tastete, fiel ihm auf, dass sie sich mit einem Rettungsgurt festgehakt hatte. Zum Glück! Ansonsten wäre sie bei diesem Wellengang und in ihrem hilflosen Zustand mit großer Wahrscheinlichkeit über Bord gegangen. Erleichtert atmete er auf, als er unter seinen Fingern ihren regelmäßigen Herzschlag spürte.

Ein Brecher krachte gegen die Jacht und schüttelte sie durch. Reflexartig packte Dylan nach einem Halt, gleichzeitig beugte er sich über die Frau, um sie vor den Wassermassen zu schützen. Die Welle flutete über ihn hinweg, traf ihn hart in den Rücken und umspülte ihre beiden Körper. Sie wurde gegen seine Schenkel gepresst, doch trotz der Erschütterung kam sie nicht zu sich.

Sobald die Jacht aufhörte, wild zu schwanken, setzte Dylan die Untersuchung fort, dabei achtete er besonders auf Knochenbrüche und stark blutende Wunden. Außer am Kopf schien sie keine Verletzungen zu haben.

»Eine bewusstlose Person«, meldete er Nate. »Ich sehe unter Deck nach.«

Er hastete die steile Treppe hinab. Die Kabine und das Bad waren leer, ebenso die winzige Pantry. Als Dylan das Deck erneut betrat, packte ihn ein heftiger Windstoß. Das wütende Meer und der fauchende Sturm verrieten ihm, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, um die Verletzte von Bord zu bringen, daher entschied er sich gegen den Rettungskorb. Über Funk gab er sein Vorhaben an Nate durch. Dann stemmte er sich auf die Beine, hob die Frau hoch und trug sie aus dem Steuerstand. Der Hubschrauber sank tiefer. Dylan sicherte sie mit seinem Gurt, hakte das Stahlseil ein und umschloss sie fest mit seinen Armen. Auf sein Zeichen hin straffte sich das Seil, langsam schwebten sie nach oben in die Sicherheit des Helikopters.

Dort wurden sie von Nate und Donnie in Empfang genommen. Die beiden legten die Verletzte auf eine Trage, während Dylan die Handschuhe abstreifte, Helm und Sitzgurt abnahm. Dann kniete er sich neben die Frau und sah in ihr wachsbleiches Gesicht. Trotz der Verletzungen waren ihre ebenmäßigen Züge zu erkennen. Dylan schätzte sie auf Mitte zwanzig. Was sie hier draußen wohl getrieben hatte? Allein auf einer Jacht, in diesem hauchdünnen Kleid. Es war ein Cocktailkleid, wie er nun im hellen Licht erkannte.

»Was hältst du davon?«, riss Nate ihn aus seinen Überlegungen.

»Sieht mir ganz danach aus, als käme sie von einer Party.«

»Ja, das war auch mein erster Gedanke.« Er schüttelte den Kopf. »Warum sind die Menschen so unvorsichtig? Vor dem Hurrikan wird seit Tagen gewarnt.«

Dylan hob die Schultern. »Bringen wir sie ins Krankenhaus.«

Kapitel 3

Ein gleichmäßiges Piepsen drang in Selinas Bewusstsein. Immer wieder riss sie der nervige Ton aus ihrem Dämmerzustand. Sie war so müde, hätte gern noch weitergeschlafen, doch sie fand keine Ruhe mehr. Langsam schlug sie die Lider auf. Ihr Blick fiel auf eine weiße Wand. Sonnenlicht stach ihr in die Augen und brachte sie zum Tränen.

Wo bin ich? Blinzelnd drehte sie den Kopf, dabei knirschten ihre verspannten Halsmuskeln. Neben dem Bett entdeckte sie den Herzmonitor, von dem das Piepsen ausging, und einen Infusionsständer mit zwei Beuteln. Der Infusionsschlauch endete in der Kanüle, die in ihrem Handrücken steckte. Ich bin in einemKrankenhaus! Selina stemmte sich in eine sitzende Position, doch auf halbem Weg zwang sie eine Schmerzattacke in die Kissen zurück. Mit geschlossenen Augen verharrte sie, bis das pulsierende Kopfweh, der Schwindel und die Übelkeit ein wenig nachließen, dann bewegte sie vorsichtig Arme und Beine. Ihre verkrampften Muskeln protestierten mit einer neuen Schmerzwelle.

Selina tastete nach dem Rufknopf. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis es ihr endlich gelang, ihn zu drücken. Ermattet ließ sie den Arm sinken. Obwohl sich ihre Glieder bleischwer anfühlten, war ihr Kopf mit einem Schlag hellwach. Sie war auf der Summerwind gewesen … In ein Unwetter geraten … Eine riesige Welle hatte die Jacht getroffen. Sie erinnerte sich an starke Arme, die sie festhielten, an einen Flug und dann an Menschen, die sich um sie gekümmert hatten. Vor Erschöpfung und Schmerzen hatte sie alles wie durch eine Nebelwand wahrgenommen, mehrmals war sie auch bewusstlos geworden.

Die Tür ging auf und Selina wurde aus ihrer Grübelei gerissen. Eine schlanke, hochgewachsene Frau mit einem blonden Lockenkopf betrat das Krankenzimmer. Selina schätzte sie auf Anfang dreißig.

Mit einem vertrauenerweckenden Lächeln kam sie auf das Bett zu. »Guten Tag, ich bin Dr. Kyra Bennett«, stellte sie sich vor, während sie neben Selina stehen blieb. »Wie geht es Ihnen?«

»Was ist passiert?«, krächzte Selina. Ihr Hals fühlte sich rau und wund an, in ihrem Mund klebte ekliger Salzwassergeschmack. Sie räusperte sich.

Dr. Bennett griff nach der Karaffe auf dem Nachttisch und schenkte ein Glas voll. »Warten Sie, ich helfe Ihnen.« Sie fuhr das Kopfteil des Bettes hoch, dann reichte sie Selina das Wasserglas.

»Danke.« Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie das Glas zum Mund führte. Das Wasser schmeckte herrlich. Kühl und erfrischend lief es ihre Kehle hinab und weckte ihre Lebensgeister.

»Sie wurden in der vergangenen Nacht von den Ausläufern des Hurrikans getroffen«, erklärte Dr. Bennett. »Haben Sie die Unwetterwarnungen denn nicht gehört?«

»Nein. Ich bin …« Selina brach ab. Wie sollte sie der Ärztin erklären, was passiert war? Warum sie losgefahren war, ohne die aktuelle Wetterlage zu checken, wie es für jeden guten Skipper selbstverständlich war.

»Die Coast Guard hat Sie von einer Jacht geborgen«, fuhr Dr. Bennett fort. »Sie waren bewusstlos.« Mit einer Geste umfasste sie Selinas Kopf. »Sie haben Platzwunden an Stirn und Jochbein, außerdem eine Beule am Hinterkopf. Das CT war unauffällig. Keine Schädelverletzung, nur eine Gehirnerschütterung. Sonst keine weiteren Verletzungen, von ein paar Prellungen abgesehen.« Sie zog eine Pupillenleuchte aus ihrer Kitteltasche und überprüfte die Reaktion beider Augen. »Alles normal. Und das Teil hier können wir jetzt auch abstellen.« Dr. Bennett wandte sich dem Herzmonitor zu. Gleich darauf verstummte das Piepsen. Nachdem sie die Elektroden von Selinas Haut gelöst hatte, musterte Dr. Bennett sie noch einmal. »Sie brauchen einige Tage Ruhe, dann sind Sie wieder wie neu.«

Selina reagierte nicht auf die aufmunternden Worte. Langsam hob sie eine Hand und betastete die Schwellung an ihrem Hinterkopf. Sie war bewusstlos gewesen. In dem Zustand hätte sie ertrinken können. Es war ihr im letzten Moment gelungen, den Rettungsgurt einzuhaken und die Notfunkbake zu aktivieren. Nur Sekunden, bevor diese riesige Welle über die Summerwind hinweggebraust war. Die Erinnerung an den vergangenen Abend stieg in ihr hoch. Wegen Guerrero lag sie hier, verletzt und mit Schmerzen. »Wo bin ich eigentlich?«, fragte sie.

»In Miami.«

Florida! Also erst mal außer Reichweite ihres Vaters und Eduardos. Erleichtert atmete sie auf.

»Eine Schwester bringt Ihnen gleich was zu essen und nimmt die persönlichen Daten auf. Ich sehe später noch mal nach Ihnen.« Dr. Bennett nickte ihr freundlich zu und verließ das Zimmer.

Seufzend schloss Selina die Augen, während sich ihre Gedanken überschlugen. Wie lange würde es dauern, bis Dad oder Eduardo hier auftauchten? Die Coast Guard hatte ihren Vater bestimmt schon verständigt, schließlich war die Summerwind auf ihn registriert. Sie musste aus dem Krankenhaus verschwinden, bevor jemand kam, um sie abzuholen und in die Villa ihres Vaters zu bringen, wo er und Guerrero auf sie warteten. Damit sie diesen widerwärtigen Kerl heiratete! Noch immer war sie fassungslos, weil ihr Dad das von ihr verlangt hatte. Ihre anfängliche Erleichterung, in Miami in Sicherheit zu sein, verflog ebenso schnell, wie sie gekommen war.

Es war Zeit zu gehen. Selina schlug die Bettdecke zurück. Frustriert starrte sie auf das Krankenhaushemd, das an ihren Knien endete. Wo war ihr Kleid? Sie schaute sich um, ihr Blick fiel auf den Einbauschrank neben der Tür. Vielleicht hatte sie Glück und es hing darin. Oder sie fand etwas anderes zum Anziehen. Mit neuer Energie schob sie die Beine aus dem Bett und setzte sich auf die Kante. Als sie sich mit den Händen auf der Matratze abstützte, spürte sie die Infusionsnadel in ihrem Handrücken. Mist! Selina sah zu den beiden Beuteln hinauf, schätzte die Entfernung zum Schrank und stand auf. Unter ihren bloßen Füßen fühlte sich der Bodenbelag kühl an, und unwillkürlich schauderte sie. Sie machte den ersten Schritt. Ohne Vorwarnung erfasste sie heftiger Schwindel, und der Raum begann sich um sie zu drehen. Schwankend fasste sie nach dem Nachttisch. Ihre Hand glitt ab, im Fallen riss sie die Wasserkaraffe und das Glas mit. Hart landete sie auf den Knien. Der Aufprall jagte Schmerzen durch ihren Körper, und ihr Kopf protestierte wild hämmernd gegen die grobe Behandlung.

Das Getöse alarmierte das Personal. Zwei Schwestern stürzten ins Zimmer, hoben Selina auf und halfen ihr ins Bett. Sekunden später rauschte Dr. Bennett herein. Mit einem Blick auf das Chaos erfasste sie die Situation.

»Was machen Sie denn für Sachen?«, platzte sie heraus. »Sie sollen sich schonen und nicht wie ein Äffchen herumturnen. Zum Glück haben Sie die Kanüle nicht herausgerissen.« Dr. Bennett trat näher und überprüfte den Sitz der Infusionsnadel. »Es ist alles in Ordnung«, sagte sie gleich darauf.

»Warum bin ich so benommen?«, fragte Selina. »Kommt das von der Kopfverletzung?«

»Nein. Ich habe Ihnen ein starkes Schmerzmittel gegeben, das müde macht. Sie sollten ja auch schlafen und nicht spazieren gehen. Wohin wollten Sie denn so dringend?«

»Nirgendwohin«, flüsterte Selina. »Tut mir leid.« Sie schluckte an den aufsteigenden Tränen.

Mit besorgter Miene legte ihr die Ärztin eine Hand auf den Arm. »Haben Sie sich wehgetan?«

»Nein.« Selina biss sich auf die Unterlippe. Nun schossen ihr doch die Tränen in die Augen und liefen über ihre Wangen.

»Alles okay, Miss …? Wie heißen Sie überhaupt?«

Nein, nichts ist okay. Sie kämpfte gegen das Schluchzen an, das ihr zu entschlüpfen drohte. »Selina Pavlidis«, stammelte sie.

»Also, Miss Pavlidis. Was ist denn los? Gefällt es Ihnen nicht bei uns?« Ein aufmunterndes Lächeln begleitete die Worte.

»Nennen Sie mich Selina«, bat sie. Momentan ertrug sie es nicht, mit ihrem Familiennamen angesprochen zu werden. Er weckte bittere Erinnerungen an den Mann, der sie geschlagen hatte.

»Wie Sie wollen. Aber jetzt verraten Sie mir doch bitte, warum Sie entgegen meiner Anweisung das Bett verlassen haben.«

Selina zögerte. Ihr Blick flog zu der Krankenschwester, die am Boden kauerte und die Scherben des zerbrochenen Trinkglases aufsammelte.

»Lora, können Sie uns für einen Moment allein lassen«, bat Dr. Bennett.

Sobald die Schwester gegangen war, fasste Selina nach der Hand der Ärztin. »Bitte, helfen Sie mir«, flehte sie. »Ich muss schnellstens hier raus. Mein Vater … er darf mich nicht finden.«

Dr. Bennett wurde ernst. »Keine Sorge. Wir haben Ihre Patientenakte noch nicht ausfüllen können. Niemand kennt Ihren Namen.«

»Aber … die Jacht gehört ihm. Die Küstenwache hat ihn garantiert schon über die Bergung informiert, und bestimmt weiß er auch, in welches Krankenhaus man mich gebracht hat. Ich bin hier nicht sicher!«

Nachdenklich sah Dr. Bennett sie an. »Verstehe ich das richtig? Sie sind trotz Sturm und schwerer See rausgefahren, weil Sie von Ihrem Vater wegwollten?«

Selina nickte.

»Sie wären beinahe in einen Hurrikan geraten. Gab es denn keine andere Möglichkeit?«

»Nein. Er … hat mich geschlagen.« Sie deutete auf ihre Wange und das blaue Auge. »Das war er. Ich bin weggerannt, er hat seine Bodyguards hinter mir hergeschickt, da blieb mir nur die Flucht übers Wasser.« Mit einem flehenden Laut klammerte sich Selina an den Arm der Frau. »Bitte, Dr. Bennett. Ich kann unmöglich zu ihm zurück!«

Die Ärztin rang sichtlich um Fassung. »Beruhigen Sie sich, Selina. Diese Aufregung ist nicht gut bei einer Gehirnerschütterung. In meinem Krankenhaus sind Sie in Sicherheit, das verspreche ich Ihnen.« Sie zog ihre Hand aus Selinas Griff. »Ich muss meinen Bruder anrufen, er ist bei der Coast Guard.«

Selina schluchzte auf. »Nein! Bitte nicht! Verraten Sie mich nicht!«

»Wieso sollte ich das tun? Dylan hat Sie gerettet. Ich will ihm nur sagen, dass er mit niemandem über Sie sprechen soll.«

»Ja, das wäre gut.« Bebend atmete Selina aus. Sie fühlte sich schwach, hilflos und ausgeliefert. »Das verschafft mir ein wenig Zeit.«

Dr. Bennett musterte sie. »Sie fühlen sich ernsthaft bedroht«, sagte sie leise.

»Ja.« Selina deutete ein Nicken an. Sekundenlang hielt sie Dr. Bennetts Blick fest, bevor sie entschied, mit der ganzen Geschichte herauszurücken. Eigentlich hatte sie die Geschehnisse für sich behalten wollen. Es war ihr peinlich, darüber zu reden, obwohl sie das Opfer war.

»Mein Vater hat mich geschlagen, weil ich mich geweigert habe, den Mann zu heiraten, den er für mich ausgesucht hat«, murmelte sie.

»Ausgesucht?« Dr. Bennetts blaue Augen wurden groß, sie holte Luft, unterdrückte jedoch die Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag, und die vermutlich alles andere als freundlich ausgefallen wäre. »Ich verstehe«, sagte sie nach einem Moment. »Deshalb haben Sie Ihr Leben riskiert.«

Selina kniff die Lider zu, um den nächsten Schwall Tränen zurückzudrängen. »Ich würde lieber sterben, als mich von diesem Kerl anfassen zu lassen«, brachte sie mühsam beherrscht heraus.

»Ich rufe Dylan an.«

***

Kyra trat ans Fenster, holte ihr Smartphone hervor und wählte mit bebenden Fingern Dylans Nummer. Während sie dem Rufton lauschte und darauf wartete, dass ihr Bruder ans Telefon ging, betrachtete sie Selina Pavlidis, die erschöpft in den Kissen lag. In dem dünnen Krankenhaushemd und mit dem zerschlagenen Gesicht sah sie herzzerreißend zerbrechlich aus. Und diese junge, unschuldige Frau wollte man in eine Ehe zwingen! Allein die Vorstellung, mit einem solchen Ansinnen konfrontiert zu werden, jagte Kyra eine Gänsehaut über den Rücken. Was waren das für Männer, die so etwas verlangten? Ein Vater, der sie schlug, um seinen Willen durchzusetzen, der seine Bodyguards hinter ihr her schickte … so jemand war doch kein Vater! Selina brauchte eindeutig Schutz. Vielleicht sollte man die Polizei einschalten und Anzeige erstatten.

»Was’n los?« Dylans verschlafenes Brummeln riss Kyra aus ihren Gedanken.

»Hi, Dylan, ich bin’s.«

»Hey, Sis.«

»Ich habe gute Nachrichten. Die Unbekannte, die du heute Nacht gerettet hast, ist zu sich gekommen.«

»Gott sei Dank.« Er stieß den Atem aus. »Wie geht es ihr?«

»Sie hat keine ernsthaften Verletzungen. Eine leichte Gehirnerschütterung, Platzwunde an der Stirn und diverse Prellungen.«

»Da hat sie echt Glück gehabt. Die Kopfwunde sah böse aus.«

»Das lag an dem vielen Blut. Kopfverletzungen bluten stark.«

»Was du nicht sagst.« Er seufzte übertrieben. »Ich habe ebenfalls eine medizinische Ausbildung.«

»Ist ja schon gut«, beschwichtigte Kyra. Sie klang manchmal etwas belehrend, und er mochte das gar nicht. Aber für seine Befindlichkeiten hatte sie momentan keinen Kopf. »Was ist aus der havarierten Jacht geworden?«, wechselte sie das Thema.

»Die sollte von einem Schlepper in die Marina gebracht werden. Genaues weiß ich nicht, ich hatte nach dem Einsatz Schluss.«

»Sie war noch manövrierfähig?«

»Ja, sie lief auf Autopilot, das hat größere Schäden verhindert. Aber warum interessiert dich das?«

Kyra überging seine Frage. »Kann die Küstenwache den Halter feststellen?«

»Die Jacht ist auf die Firma meines Vaters registriert«, mischte sich Selina ein. »Reederei Pavlidis in Nassau, Inhaber Stephanos Pavlidis.«

Kyra nickte ihr kurz zu und wich ihrem furchtsamen Blick aus, indem sie auf den Parkplatz hinunter starrte. »Dylan, hast du gehört? Reederei Pavlidis in Nassau.«

»Ja.«

»Bedeutet das, die Küstenwache informiert den Eigentümer, in welcher Marina das Boot liegt?«, fragte Kyra weiter. »Und dadurch erfährt er, wo seine Tochter zu finden ist?«

»Korrekt.«

»Kannst du dafür sorgen, dass man ihm keine Auskunft gibt?«

»Und wie soll ich das begründen? Der Rettungseinsatz ist dokumentiert. Im Bericht steht, dass wir eine Frau geborgen und sie medizinisch versorgt haben, bevor sie ins Krankenhaus gebracht wurde.«

»Verdammt! Es muss doch eine Möglichkeit geben, sie zu schützen.«

»Was meinst du mit schützen? Ist sie denn kein betrunkener Partygast?«

»Wie kommst du auf so was?«

»Weil sie ein Cocktailkleid getragen hat und trotz Hurrikanwarnung draußen war. Niemand, der halbwegs klar ist im Kopf, fährt bei einer Unwetterwarnung raus. Da sie offensichtlich nicht zum ersten Mal auf einem Boot war, immerhin konnte sie sich sichern, den Autopiloten einschalten und die Notfunkbake aktivieren, kann sie nur besoffen gewesen sein.«

Ärger kroch in Kyra hoch. »Sie war weder betrunken, noch ist sie freiwillig in den Sturm reingefahren«, gab sie zurück.

»Okay.« Dylan holte hörbar Luft. »Um was geht es hier, Kyra?«

»Die Frau – Selina heißt sie – ist vor ihrem Vater geflohen.«

»Warum?«

Kyra zögerte, entschied jedoch, das Thema Zwangsehe Dylan gegenüber vorerst nicht zu erwähnen. Instinktiv wusste sie, dass sich Selina dadurch in ihrer Intimsphäre verletzt fühlen würde, obwohl sie die Leidtragende bei diesem perfiden Kuhhandel war. Sie war von ihrem Vater und seinem Geschäftspartner auf widerwärtige Art erniedrigt worden. »Weil er sie geschlagen hat. Die Wunden stammen nicht alle von dem Unfall.«

»Ernsthaft?«

»Ja.«

»Fuck«, zischte er. »Sie soll ihn anzeigen.«

Kyra nickte, als er aussprach, was ihr bereits durch den Sinn gegangen war. »An die Polizei habe ich auch schon gedacht.«

»Nein, keine Polizei!«

Selinas Ausruf veranlasste Kyra, sich zu ihr umzudrehen. »Es wäre das Sinnvollste«, sagte sie.

Selina schüttelte den Kopf und verzog dabei schmerzhaft das Gesicht. »Ich kann nichts beweisen, mein Wort würde gegen seines stehen. Ich muss hier weg. Mich verstecken.« Sie schob die Decke von ihren Beinen und versuchte, aufzustehen.

Hastig trat Kyra ans Bett. »Selina, beruhigen Sie sich. Wenn Sie keine Polizei wollen, ist das okay. Sie allein bestimmen, wie weit Sie gehen. Nur bleiben Sie bitte liegen.« Kyra berührte ihre Schulter und drängte sie mit leichtem Nachdruck in die Kissen.

Seufzend schloss Selina die Augen.

Kyra musterte ihr Gesicht, während sie ihr Handy wieder ans Ohr hob. »Dylan?«

»Ich habe alles gehört. Was für ein Mist.«

Kyra kehrte zu ihrem Platz am Fenster zurück. »Was mache ich jetzt?«, flüsterte sie. »Ich kann sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.«

»Nein.« Dylan schwieg einen Moment. »Ich hab eine Idee. Wir könnten …«

Kyras Diensthandy gab einen Signalton von sich. »Sekunde, Dylan«, unterbrach sie ihn, während sie das Gerät aus ihrer Kitteltasche zog und einen Blick darauf warf. »Das ist die Notaufnahme. Ich muss Schluss machen.«

»Ruf mich an, sobald du ein wenig Zeit hast. Ich stelle in der Zwischenzeit ein paar Nachforschungen an.«

»Geht klar.« Kyra legte auf. »Ich bin bald zurück«, versprach sie Selina, drückte sanft ihre Schulter und verließ den Raum.

Als sie eine halbe Stunde später nach ihrem Handy griff, hatte ihr Dylan eine Textnachricht geschickt, dass sie ihn dringend anrufen sollte. Kyra lächelte. Geduld war noch nie seine Stärke gewesen.

Sie betrat den Aufenthaltsraum und wählte Dylans Nummer. »Was hast du für mich?«, fragte sie.

»Die Summerwind gehört einem Stephanos Pavlidis«, berichtete er. »Der Mann ist Inhaber einer Reederei, ein millionenschwerer Typ. Offiziell liegt nichts gegen ihn vor, er pflegt allerdings einen seltsamen Umgang.«

Kyra staunte. »Wie hast du das so schnell herausgefunden? Und was meinst du mit, er pflegt einen seltsamen Umgang?«

»Ich habe mich ein wenig umgehört, im Internet recherchiert und Ayden angerufen.«

»Du hast mit ihm über Selinas Vater gesprochen? Wieso denn das?«

Ayden Bennett, Dylans und Kyras Cousin, arbeitete für das FBI.

»Weil im Zusammenhang mit Pavlidis der Name Eduardo Guerrero aufgetaucht ist«, erklärte Dylan. »Offiziell ist er CEO einer Investmentfirma in Nassau, aber irgendwas an dem Kerl kam mir suspekt vor. Guerrero stammt aus Kolumbien. Er hat sich vor einigen Jahren in Florida niedergelassen und kurz darauf das Unternehmen in Nassau gegründet.«

»Wohnsitz in den Staaten, Firma auf den Bahamas. Aus steuerlichen Gründen machen das doch viele Geschäftsleute«, warf Kyra ein.

»Der Typ sieht aus wie ein Verbrecher, trotz des teuren Anzugs. Schau dir mal das Foto auf seiner Webseite an.« Dylan schnaubte. »Ayden hat mir bestätigt, dass das FBI ihn schon länger auf dem Radar hat. Er durfte mir keine Details nennen, hat mich allerdings vor Guerrero gewarnt. Ich behaupte mal, es geht um Drogen oder Waffen.«