Revolution und Konterrevolution in Spanien - Felix Morrow - E-Book

Revolution und Konterrevolution in Spanien E-Book

Felix Morrow

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Beschreibung

Der Spanische Bürgerkrieg der Jahre 1936 bis 1939 zählt zu den wichtigsten strategischen Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse. Der Sieg General Francos, dessen Diktatur erst mit seinem Tod im Jahr 1975 endete, war alles andere als unvermeidlich. Die spanischen Arbeiter bewiesen im Kampf gegen Franco enorme Opferbereitschaft und außerordentlichen Heldenmut. Doch ihre Führer versagten oder verrieten sie. Stalinisten, Sozialdemokraten, Anarcho-Syndikalisten und Zentristen – alle spielten eine entscheidende Rolle dabei, die revolutionäre Offensive der Arbeiterklasse zu brechen und schließlich den Triumph der faschistischen Reaktion zu ermöglichen. Nur Leo Trotzki und die Vierte Internationale kämpften gegen den Verrat an der spanischen Arbeiterklasse, der unter dem Banner der Volksfront begangen wurde. Felix Morrow war zur Zeit des Spanischen Bürgerkriegs führendes Mitglied der Socialist Workers Party, der trotzkistischen Partei in den USA. Der erste Teil seines Buchs stellt die politische Geschichte der spanischen Republik von 1931 bis zum faschistischen Putsch im Juli 1936 dar. Der zweite Teil zeichnet die Entwicklung des Bürgerkriegs bis zur Entrechtung und Unterdrückung der linken Parteien in Barcelona nach. Nach der Zerschlagung der Linken durch die Volksfront von Stalinisten, Sozialisten und bürgerlichen Parteien gewann Franco schnell die Oberhand. Morrows Buch stellt bis heute eine der besten Darstellungen der Ereignisse und der Lehren aus dem Spanischen Bürgerkrieg dar. Er schrieb es unter dem Einfluss von Leo Trotzki, der sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bemühte, auf die Ereignisse in Spanien Einfluss zu nehmen. Sein Artikel »Die Spanische Lehre – eine letzte Warnung« ist ebenfalls in diesem Buch abgedruckt.

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Felix Morrow

Revolution und Konterrevolution in Spanien

Inhalt

Vorwort

Leo TrotzkiDie Spanische Lehre – eine letzte Warnung

Felix MorrowDer Bürgerkrieg in Spanien

I. Einleitung

II. Die Geburt der Republik – 1931

III. Die Aufgaben der bürgerlich-demokratischen Revolution

IV. Die Koalitionsregierung und die Rückkehr der Reaktion 1931–1933

V. Der Kampf gegen den Faschismus: November 1933 bis Februar 1936

VI. Die Volksfrontregierung und ihre Anhänger: 20. Februar bis 17. Juli 1936

VII. Die Massen kämpfen trotz Volksfront gegen den Faschismus: 16. Februar bis 16. Juli 1936

VIII. Konterrevolution und Doppelherrschaft

Felix Morrow

Revolution und Konterrevolution in Spanien

I. Warum die Faschisten revoltierten

II. Die bürgerlichen »Verbündeten« in der Volksfront

III. Die Revolution vom 19. Juli

IV. Hin zu einer Koalition mit der Bourgeoisie

V. Die politischen Tendenzen in der spanischen Arbeiterklasse

VI. Das Programm der Koalitionsregierung von Caballero

VII. Das Programm der katalanischen Koalitionsregierung

VIII. Die Wiederbelebung des bürgerlichen Staats September 1936 bis April 1937

IX. Die Konterrevolution und die Massen

X. Die Mai-Tage: Barrikaden in Barcelona

XI. Die Entlassung Largo Caballeros

XII. »El Gobierno de la Victoria«

XIII. Die Eroberung Kataloniens

XIV. Die Eroberung von Aragon

XV. Der militärische Kampf unter Giral und Caballero

XVI. Der militärische Kampf unter Negrín-Prieto

XVII. Nur zwei Wege

Nachtrag

Zeittafel

Verzeichnis der Organisationen und Zeitungen

Verzeichnis der Personen

Impressum

Vorwort

Der Spanische Bürgerkrieg, der 1936 mit der faschistischen Erhebung General Francos begann und 1939 mit der Kapitulation Barcelonas endete, zählt zu den wichtigsten strategischen Erfahrungen der internationalen Arbeiterklasse. Der Sieg Francos, dessen Diktatur erst mit seinem Tod im Jahr 1975 endete, war alles andere als unvermeidlich. Die spanische Arbeiterklasse bewies im Kampf gegen Franco enorme Opferbereitschaft und außerordentlichen Heldenmut. Sie wurde von tausenden internationalen Freiwilligen unterstützt, die nach Spanien reisten, weil sie dem Aufstieg des Faschismus nach der Machtübernahme Mussolinis in Italien und Hitlers in Deutschland Einhalt gebieten und den sich anbahnenden Zweiten Weltkrieg verhindern wollten. Franco siegte nicht aufgrund der Schwäche seiner Gegner in der Arbeiterklasse, sondern aufgrund des Versagens und des Verrats ihrer Führer.

Stalinisten, Sozialdemokraten, Anarcho-Syndikalisten und Zentristen – sie alle wurden getestet und versagten. Jede dieser politischen Tendenzen spielte eine wichtige Rolle dabei, die revolutionäre Offensive der Arbeiterklasse zu lähmen und den Triumph der faschistischen Reaktion zu ermöglichen. Das Werkzeug, dessen sie sich dabei bedienten, nannte sich »Volksfront«. Im Namen der »Einheit gegen Franco« verbündeten sich einflussreiche Arbeiterparteien mit ohnmächtigen bürgerlichen »Republikanern«, die einen proletarischen Aufstand weit mehr fürchteten als Francos Diktatur. Um die bürgerlichen Verbündeten nicht »abzuschrecken«, unterdrückten sie alle Bemühungen von Arbeitern, revolutionäre Initiativen zu ergreifen und für sozialistische Ziele zu kämpfen. Volksfront bedeutete Koalition mit der liberalen Bourgeoisie auf Kosten der Bauern- und Arbeitermassen – oder besser, wie Leo Trotzki bemerkte, Koalition mit dem »Schatten der Bourgeoisie«; denn die Bourgeoisie selbst war längst geschlossen ins Lager Francos übergewechselt.

Die führende Rolle in der Volksfront spielten die Sozialisten und die Stalinisten. Die Sozialisten, eine sozialdemokratische Partei, stellten während des gesamten Bürgerkriegs den Regierungschef und verteidigten konsequent das kapitalistische Fundament der Republik. Die Stalinisten erledigten die Drecksarbeit.

Stalin festigte in dieser Zeit seine Diktatur in der Sowjetunion mittels eines politischen Völkermords. Fast alle noch lebenden Führer der Oktoberrevolution 1917 wurden in den Moskauer Prozessen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Hunderttausende Anhänger der Linken Opposition, revolutionäre Arbeiter, Offiziere der Roten Armee und herausragende Intellektuelle erlitten in Stalins Kerkern und Lagern dasselbe Schicksal. Stalin sicherte so die Herrschaft der privilegierten Bürokratenkaste, die die Macht in der Sowjetunion an sich gerissen hatte. Diese betrachtete jede revolutionäre Regung der internationalen Arbeiterklasse als Bedrohung ihrer eigenen Machtposition. Ihre Außenpolitik stützte sie auf Bündnisse mit »demokratischen« imperialistischen Mächten und nicht auf die Perspektive der sozialistischen Weltrevolution.

Das bestimmte auch die Politik der spanischen Kommunistischen Partei, die in der Arbeiterklasse nur schwach verankert war. Ihr Einfluss beruhte auf den gewaltigen Mitteln des stalinistischen Apparats, auf dessen Waffenlieferungen das republikanische Lager angewiesen war. Agenten der stalinistischen Geheimpolizei GPU setzten hinter den Fronten des Bürgerkriegs die mörderischen stalinistischen Säuberungen fort. Militante Arbeiter, linke Gegner der Volksfront und vor allem Trotzkisten wurden gefangen, gefoltert und ermordet. Unter den zahlreichen Opfern befanden sich – um nur drei Namen zu nennen – der Führer der POUM Andrés Nin, Trotzkis Sekretär Erwin Wolf und der österreichische Trotzkist Kurt Landau. Stalin fürchtete nicht nur die Rückwirkung einer siegreichen spanischen Revolution auf die sowjetische Arbeiterklasse, er musste den verbündeten britischen und französischen Imperialisten auch beweisen, dass von Moskau keine revolutionäre Gefahr ausging. Dazu gingen die Stalinisten rücksichtslos gegen jeden vor, der die Volksfront und die bürgerliche Herrschaft infrage stellte.

Die Sozialisten und Stalinisten hätten der spanischen Revolution nicht das Grab schaufeln können, wären sie im entscheidenden Moment nicht von den Anarcho-Syndikalisten und der zentristischen POUM unterstützt worden. Spanien ist das einzige Land, in dem die Anarchisten jemals über Masseneinfluss in der Arbeiterklasse verfügten. Sie konnten ihre Doktrin in der Praxis austesten – und erlitten kläglichen Schiffbruch. Sie unterstützten die Volksfront, traten im entscheidenden Moment der Regierung bei und halfen mit, die revolutionäre Offensive der Arbeiterklasse zu erdrosseln.

Ebenso verhielt sich die zentristische Arbeiterpartei der marxistischen Einheit (POUM). Sie stand weit links von Sozialisten und Stalinisten und gewann die Unterstützung der militantesten Arbeiterschichten. Trotzdem bildete sie den linken Flügel der Volksfront, die sie von Anfang an unterstützte. Auf dem Höhepunkt der revolutionären Krise trat sie in Barcelona in die Regierung ein. »Trotz ihrer Absichten war die POUM letzten Endes das Haupthindernis auf dem Wege zur Schaffung einer revolutionären Partei«, folgerte Leo Trotzki. Er fasste die Lehren aus der Rolle der POUM in den Worten zusammen:

Das Problem der Revolution heißt es bis zu Ende, bis in die letzten konkreten Schlussfolgerungen hinein durchdenken. Es heißt die Politik auf die Grundgesetze der Revolution, d. h. auf die Bewegung der einander bekämpfenden Klassen einstellen, und nicht auf die Vorurteile und Ängste der oberflächlichen kleinbürgerlichen Gruppen, die sich »Volks«- und wer weiß was noch für welche Front betiteln. Die Linie des geringsten Widerstandes ist in der Revolution die Linie des größten Zusammenbruchs. Die Furcht vor »Isolierung« von der Bourgeoisie bedeutet Isolierung von den Massen. Anpassung an die konservativen Vorurteile der Arbeiteraristokratie bedeutet Verrat an den Arbeitern und an der Revolution. Übermäßige »Vorsicht« ist unheilvollste Unvorsichtigkeit. Das sind die Hauptlehren aus dem Zusammenbruch der ehrlichsten politischen Organisation in Spanien, will sagen der zentristischen POUM.[1]

Leo Trotzki und die internationale Bewegung für die Vierte Internationale, die er anführte, kämpften als Einzige gegen den Verrat an der spanischen Arbeiterklasse, der unter dem trügerischen Banner der Volksfront begangen wurde, und zeigten in jedem Moment der Entwicklung den Weg vorwärts. Und es waren Trotzki und die 1938 gegründete Vierte Internationale, die für die ganze internationale Arbeiterklasse die bitteren Lehren aus der Niederlage in Spanien zogen.

Trotzki selbst saß im norwegischen Exil, als der Spanische Bürgerkrieg 1936 ausbrach. Die sozialdemokratische Regierung hatte ihn unter Hausarrest gestellt und weitgehend von der Außenwelt isoliert. Erst ab Januar 1937, als er im neuen Exil in Mexiko ankam, konnte er wieder einigermaßen ungehindert arbeiten. Trotz dieser widrigen Umstände verfasste er zwischen 1930 und 1940 knapp hundert Erklärungen und Artikel, die sich mit den spanischen Ereignissen auseinandersetzen, ihre Hintergründe analysieren, die Lehren daraus ziehen und eine Perspektive für die Arbeiterklasse entwickeln. Wir haben einen dieser Aufsätze, »Die Spanische Lehre – eine letzte Warnung«, aus dem auch das oben angeführte Zitat stammt, an den Anfang dieses Bands gestellt. Trotzki veröffentlichte ihn im Dezember 1937. Er fasst in knapper, aber präziser Weise die Klassendynamik der Ereignisse, die Rolle der verschiedenen politischen Lager und die Lehren daraus zusammen.

Felix Morrow, der Autor dieses Buches, war zurzeit des Spanischen Bürgerkriegs führendes Mitglied der Socialist Workers Party, der trotzkistischen Partei in den USA, und Redaktionsmitglied ihrer Wochenzeitung »Socialist Appeal«. Morrow brach später mit der trotzkistischen Bewegung und dem Marxismus, aber sein Buch stellt bis heute eine der besten Darstellungen der Ereignisse und der Lehren aus dem Spanischen Bürgerkrieg dar. Er schrieb es unter dem direkten Einfluss von Leo Trotzki.

»Der Bürgerkrieg in Spanien – Hin zum Sozialismus oder Faschismus« entstand 1936, wurde nur zwei Monate nach Francos Putsch fertiggestellt und im selben Jahr als Broschüre veröffentlicht. Es stellt die politische Geschichte der spanischen Republik von ihrer Geburt im Jahre 1931 bis zum faschistischen Putsch im Juli 1936 dar.

»Revolution und Konterrevolution in Spanien« wurde im November 1937 – also noch während des Bürgerkriegs – abgeschlossen und zeichnet dessen Entwicklung bis zur Entrechtung und Unterdrückung der linken Parteien im Mai in Barcelona nach. Nach der Zerschlagung der Linken durch die Volksfront von Stalinisten, Sozialisten und bürgerlichen Parteien gewann Franco im Bürgerkrieg schnell die Oberhand. Als Morrow im Mai 1938 einen Nachtrag zu seinem Buch verfasste, konnte es über den Ausgang des Bürgerkriegs, der am 29. März 1939 mit dem Sieg Francos endete, kaum noch Zweifel geben.

Die Lehren aus dem Spanischen Bürgerkrieg sind heute wieder von brennender Aktualität. Auf der ganzen Welt reagiert die Bourgeoisie auf die Zuspitzung der kapitalistischen Krise und die Linksentwicklung breiter Schichten der Arbeiterklasse mit der Hinwendung zu autoritären und faschistischen Herrschaftsformen. Im mächtigsten imperialistischen Land der Welt, den USA, baut die herrschende Klasse unter Führung von Donald Trump eine faschistische Bewegung auf. In Deutschland sitzt mit der AfD wieder eine rechtsextreme Partei mit einem starken faschistischen Flügel im Bundestag.

Wie in den 1930er Jahren ist die Behauptung, dass es in der herrschenden Klasse einen »demokratischen« Flügel gebe, ein »bewusster Schwindel« (Trotzki). In Frankreich lobt der nominell liberale Präsident Emmanuel Macron den Nazi-Kollaborateur Philippe Pétain, hetzt gegen Muslime und unterdrückt mit brutaler Polizeigewalt den wachsenden sozialen Widerstand. Auch in Deutschland haben die etablierten bürgerlichen Parteien die AfD nicht nur ins politische System integriert, sondern das Programm der Faschisten weitgehend übernommen. Und in den USA steht auch die Demokratische Partei um Joe Biden für soziale Angriffe, Militarismus und Krieg.

Von einer »Volksfront« in der klassischen Form kann heute keine Rede mehr sein. Anders als in den 1930er Jahren verfügen die sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien über keine Massenbasis in der Arbeiterklasse. Sie sind rechte bürgerliche Organisationen, die die Interessen der Finanzoligarchie mit allen Mitteln durchsetzen. Geblieben ist aber der Klassenmechanismus, auf dem die Volksfront beruht. Je mehr die bürgerliche Demokratie verfault, je offener die gesamte herrschende Klasse auf Autoritarismus und Diktatur setzt, desto vehementer fordern pseudolinke Organisationen, die Arbeiterklasse müsse im »Kampf gegen rechts« die angeblich demokratischen Vertreter der Bourgeoisie unterstützen. Wie in den 1930er Jahren ignoriert diese »Politik des kleineren Übels« die Klassengrundlage des Faschismus und führt geradezu in die Katastrophe. Trotzki schrieb in »Die Spanische Lehre – eine letzte Warnung«:

Dass der Faschismus nicht feudale, sondern bürgerliche Reaktion ist, dass die bürgerliche Reaktion erfolgreich nur mit den Kräften und Methoden der proletarischen Revolution zu bekämpfen ist, dafür hat der Menschewismus, selbst ein Zweig des bürgerlichen Denkens, kein Verständnis und kann es auch nicht haben.

Der bolschewistische Standpunkt, dem nur die junge Sektion der Vierten Internationale vollendeten Ausdruck verlieh, ging von der Theorie der permanenten Revolution aus, nämlich: Selbst rein demokratische Aufgaben wie die Liquidierung des halbfeudalen Grundbesitzes sind ohne Machteroberung durch das Proletariat nicht zu lösen, dies aber stellt seinerseits die sozialistische Revolution auf die Tagesordnung.[2]

Auch heute gibt es nur eine Möglichkeit, die Gefahr von Faschismus und Krieg zu bannen: die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms. Notwendig ist der Sturz des Kapitalismus und die Bildung von Arbeiterregierungen, die den Reichtum radikal umverteilen, die großen Unternehmen und Banken unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung stellen und eine Planwirtschaft einführen, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen und nicht dem privaten Profit dient.

Die spanische Erfahrung beinhaltet eine weitere zentrale Lehre. Die Krise des Kapitalismus radikalisiert die Arbeiterklasse und schafft objektiv die Bedingungen für die sozialistische Revolution. Aber für ihren Sieg ist eine revolutionäre Partei erforderlich, die sich auf ein klares politisches Programm und eine korrekte Strategie und Taktik stützt. Der Leser sollte das vorliegende Buch als Ansporn verstehen, sich der trotzkistischen Weltbewegung anzuschließen und das Internationale Komitee der Vierten Internationale als neue revolutionäre Führung der Arbeiterklasse aufzubauen.

Peter Schwarz

Berlin, 9. November 2020

[1] Leo Trotzki, »Die Spanische Lehre – eine letzte Warnung«, in diesem Band, S. 36–37

[2] Leo Trotzki, »Die Spanische Lehre – eine letzte Warnung«, in diesem Band, S. 15–16.

Leo TrotzkiDie Spanische Lehre – eine letzte Warnung

Menschewismus und Bolschewismus in Spanien

Die militärischen Operationen in Abessinien, Spanien und im Fernen Osten werden heute von allen Generalstäben, die sich auf den kommenden großen Krieg vorbereiten, sorgfältig studiert. Die Kämpfe des spanischen Proletariats, Wetterleuchten der künftigen internationalen Revolution, müssen nicht minder aufmerksam von den revolutionären Stäben studiert werden: Nur unter dieser Bedingung werden die kommenden Ereignisse uns nicht überrumpeln.

Drei Konzeptionen bekämpften sich mit ungleichen Kräften im sogenannten republikanischen Lager: die menschewistische, die bolschewistische und die anarchistische. Was die bürgerlich-republikanischen Parteien betrifft, so besaßen sie weder eigene Ideen noch eigene politische Bedeutung und hielten sich nur im Nacken der Reformisten und Anarchisten. Man kann weiterhin ohne Übertreibung sagen, die Führer des spanischen Anarcho-Syndikalismus haben alles getan, um ihre Doktrin zu desavouieren und praktisch ihre Bedeutung auf Null zu reduzieren. Faktisch standen sich im sogenannten republikanischen Lager zwei Doktrinen gegenüber: die menschewistische und die bolschewistische.

Nach Auffassung der Sozialisten und Stalinisten, d. h. der Menschewiki ersten und zweiten Aufgebots, sollte die spanische Revolution nur ihre »demokratischen« Aufgaben lösen, und dazu sei eine Einheitsfront mit der »demokratischen« Bourgeoisie erforderlich. Jeder Versuch des Proletariats, über den Rahmen der bürgerlichen Demokratie hinauszugehen, ist von diesem Gesichtspunkt aus gesehen nicht nur verfrüht, sondern auch verhängnisvoll. Außerdem stehe nicht die Revolution, sondern der Kampf gegen den Rebellen Franco auf der Tagesordnung.

Der Faschismus ist die »Reaktion«. Gegen die »Reaktion« gälte es, alle Kräfte des »Fortschritts« zu einen. Dass der Faschismus nicht feudale, sondern bürgerliche Reaktion ist, dass die bürgerliche Reaktion erfolgreich nur mit den Kräften und Methoden der proletarischen Revolution zu bekämpfen ist, dafür hat der Menschewismus, selbst ein Zweig des bürgerlichen Denkens, kein Verständnis und kann es auch nicht haben.

Der bolschewistische Standpunkt, dem nur die junge Sektion der Vierten Internationale vollendeten Ausdruck verlieh, ging von der Theorie der permanenten Revolution aus, nämlich: Selbst rein demokratische Aufgaben wie die Liquidierung des halbfeudalen Grundbesitzes sind ohne Machteroberung durch das Proletariat nicht zu lösen, dies aber stellt seinerseits die sozialistische Revolution auf die Tagesordnung. Übrigens setzten sich die spanischen Arbeiter selbst vom ersten Tage der Revolution an praktisch nicht nur demokratische, sondern auch rein sozialistische Ziele. Die Forderung, nicht über die Grenzen der bürgerlichen Demokratie hinauszugehen, bedeutet in Wirklichkeit nicht eine Verteidigung der demokratischen Revolution, sondern Verzicht auf sie. Nur durch Umwälzung der Bodenverhältnisse könnte man die Bauern, die Hauptmasse der Bevölkerung, zu einem mächtigen Bollwerk gegen den Faschismus machen. Doch die Grundbesitzer sind durch unlösliche Bande mit der Finanz-, Handels-, Industriebourgeoisie und der von ihr abhängigen bürgerlichen Intelligenz verknüpft. Die Partei des Proletariats stand somit vor der notwendigen Wahl: mit den Bauernmassen oder mit der liberalen Bourgeoisie? In eine allgemeine Koalition sowohl die Bauern wie die liberale Bourgeoisie aufnehmen, konnte nur mit einem einzigen Ziel geschehen: der Bourgeoisie helfen, die Bauern zu betrügen und sie so von den Arbeitern zu isolieren. Die Agrarrevolution war nur gegen die Bourgeoisie durchzuführen, folglich nur durch Maßnahmen einer Diktatur des Proletariats. Irgendein mittleres, ein Zwischenregime gibt es nicht.

Was vom Standpunkt der Theorie in Stalins Spanienpolitik am meisten überrascht, ist das vollständige Vergessen des ABC des Leninismus. Mit der Verspätung von einigen Jahrzehnten – und was für Jahrzehnte! – hat die Komintern die Doktrin des Menschewismus wieder ganz in ihre Rechte eingesetzt. Mehr: Sie bekam es fertig, dieser Doktrin den »konsequentesten« und damit absurdesten Ausdruck zu verleihen. Im zaristischen Russland an der Schwelle des Jahres 1905 verfügte die Formel der rein demokratischen Revolution jedenfalls über ungleich mehr Argumente als 1937 in Spanien. Kein Wunder, wenn im heutigen Spanien die »liberale Arbeiterpolitik« des Menschewismus sich in die reaktionäre Anti-Arbeiterpolitik des Stalinismus verwandelte. Zugleich damit verwandelte sich die Doktrin der Menschewiki, diese Karikatur auf den Marxismus, in ihre eigene Karikatur.

Die »Theorie« der Volksfront

Es wäre indessen naiv zu meinen, der Kominternpolitik in Spanien läge ein theoretischer »Fehler« zugrunde. Der Stalinismus lässt sich nicht von der Theorie des Marxismus oder überhaupt von irgendeiner Theorie leiten, sondern von den empirischen Interessen der Sowjetbürokratie. Unter sich machen sich die Moskauer Zyniker über die dimitrowsche Volksfront-»Philosophie« lustig. Doch zur Täuschung der Massen stehen ihnen zahlreiche Kader von Predigern dieser geheiligten Formel zur Verfügung. Aufrichtige und Schelme, Einfaltspinsel und Scharlatane. Louis Fischer mit seiner Unwissenheit und Selbstzufriedenheit, mit seiner provinziellen Klugrednerei und seiner organischen Taubheit für die Revolution ist der abstoßendste Vertreter dieser wenig anziehenden Sippschaft. »Bündnis der fortschrittlichen Kräfte!«, »Triumph der Volksfrontidee!«, »Anschlag der Trotzkisten auf die Einheit der antifaschistischen Reihen!« … Wer sollte glauben, dass das Kommunistische Manifest vor 90 Jahren geschrieben wurde?

Die Volksfronttheoretiker gehen im Wesentlichen über die Anfangsgründe der Arithmetik, nämlich die Addition, nicht hinaus: Die Summe von »Kommunisten«, Sozialisten, Anarchisten und Liberalen ist größer als jeder Teil für sich. Das ist ihre ganze Weisheit. Allein, die Arithmetik reicht in diesem Fall nicht aus. Es bedarf mindestens der Mechanik: Das Gesetz des Parallelogramms der Kräfte ist auch in der Politik gültig. Die Resultante pflegt bekanntlich umso kürzer zu sein, je stärker die zusammenwirkenden Kräfte auseinanderstreben. Ziehen die politischen Verbündeten nach entgegengesetzten Richtungen, so kann die Resultante gleich Null sein. Ein Block verschiedener politischer Gruppen der Arbeiterklasse pflegt zur Lösung gemeinsamer praktischer Aufgaben ganz unerlässlich zu sein. Bei gewissen historischen Bedingungen ist ein solcher Block imstande, die unterdrückten kleinbürgerlichen Massen, deren Interessen denen des Proletariats verwandt sind, mitzureißen. Die Gesamtkraft eines derartigen Blocks kann viel größer sein als die Kraft jedes seiner Bestandteile. Hingegen ein politisches Bündnis des Proletariats mit der Bourgeoisie, deren Interessen in der heutigen Epoche in den Grundfragen um 180 Grad auseinanderklaffen, ist in der Regel nur imstande, die revolutionäre Kraft des Proletariats zu paralysieren.

Der Bürgerkrieg, in dem die Kraft des nackten Zwangs wenig wirksam ist, fordert von seinen Teilnehmern höchste Selbstaufopferung. Die Arbeiter und Bauern vermögen nur dann den Sieg zu erringen, wenn sie um ihre eigene Befreiung kämpfen. In diesen Umständen das Proletariat der Führung der Bourgeoisie unterstellen heißt, ihm von vornherein eine Niederlage im Bürgerkrieg zu garantieren.

Diese einfachen Wahrheiten sind am wenigsten Frucht der rein theoretischen Analyse. Im Gegenteil, sie stellen eine unumstößliche Schlussfolgerung aus der gesamten historischen Erfahrung dar, mindestens seit 1848. Die jüngere Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft ist voll von allen möglichen »Volksfronten«, d. h. verschiedenartigsten politischen Kombinationen zum Betrug an den Werktätigen. Die spanische Erfahrung ist nur ein neues tragisches Glied in dieser Kette von Verbrechen und Verrat.

Bündnis mit dem Schatten der Bourgeoisie

Politisch am erstaunlichsten ist die Tatsache, dass es in der spanischen Volksfront im Grunde nicht einmal ein Parallelogramm der Kräfte gab. An der Stelle der Bourgeoisie stand ihr Schatten. Vermittels der Stalinisten, Sozialisten und Anarchisten unterwarf die spanische Bourgeoisie sich das Proletariat, ohne sich auch nur die Mühe zu geben, an der Volksfront teilzunehmen: Die überwiegende Mehrheit der Ausbeuter aller politischen Schattierungen ging offen in Francos Lager über. Auch ohne die Theorie der permanenten Revolution begriff die spanische Bourgeoisie von Anfang an, dass die revolutionäre Bewegung der Massen, welches auch ihr Ausgangspunkt sei, sich gegen das Privateigentum an Grund und Boden und an den Produktionsmitteln richtete, und dass es ganz ausgeschlossen war, dieser Bewegung mit Maßnahmen der Demokratie Herr zu werden. Im republikanischen Lager blieben daher nur winzige Teile der besitzenden Klassen, die Herren Azaña, Companys und ähnliche politische Anwälte der Bourgeoisie, nicht aber die Bourgeoisie selbst. Die besitzenden Klassen setzten gänzlich auf die Militärdiktatur und verstanden es, gleichzeitig diese ihre gestrigen politischen Vertreter auszunutzen, um die sozialistische Bewegung der Massen auf dem »republikanischen« Gebiet zu paralysieren, zu zersetzen und dann auch abzuwürgen.

Die linken Republikaner, die nicht im geringsten Maße mehr die spanische Bourgeoisie vertraten, vertraten noch weniger die Arbeiter und Bauern. Sie vertraten nichts als sich selbst. Jedoch dank ihren Verbündeten, den Sozialisten, Stalinisten und Anarchisten, spielten diese politischen Gespenster in der Revolution eine entscheidende Rolle. Auf welche Weise? Sehr einfach: als Verkörperung des Prinzips der »demokratischen« Revolution, d. h. der Unantastbarkeit des Privateigentums.

Die Stalinisten in der Volksfront

Die Ursachen des Entstehens der spanischen Volksfront und ihrer inneren Mechanik sind ganz klar. Die Aufgabe der verabschiedeten Führer des linken Flügels der Bourgeoisie war, die Revolution der Massen zum Stillstand zu bringen und so das verlorene Vertrauen der Ausbeuter zurückzugewinnen: »Wozu braucht Ihr Franco, wo wir Republikaner doch dasselbe tun können?« Die Interessen Azañas und Companys’ fielen in diesem zentralen Punkt völlig mit denen Stalins zusammen, der sich das Vertrauen der französischen und britischen Bourgeoisie erobern musste, indem er ihr mit Taten seine Fähigkeit bewies, die »Ordnung« gegen die »Anarchie« zu verteidigen. Azaña und Companys brauchte Stalin als Deckung gegenüber den Arbeitern: Er selbst, Stalin, ist natürlich für den Sozialismus, aber man darf doch nicht die republikanische Bourgeoisie abstoßen! Für Azaña und Companys war Stalin notwendig als ein erfahrener Henker mit der Autorität eines Revolutionärs: Ohne ihn hätte dies verschwindende Häuflein niemals vermocht noch gewagt, die Arbeiter anzugreifen.

Die traditionellen Reformisten der Zweiten Internationale, die der Gang des Klassenkampfes längst aus dem Gleis geworfen hatte, schöpften dank Moskaus Unterstützung neue Zuversicht. Übrigens wurde diese Unterstützung nicht allen Reformisten, sondern nur den reaktionärsten zuteil. Caballero vertrat das Gesicht der sozialistischen Partei, das der Arbeiteraristokratie zugewandt war. Negríns und Prietos Blick war stets auf die Bourgeoisie gerichtet. Negrín besiegte Caballero mit Moskaus Hilfe. Die linken Sozialisten und die Anarchisten, Gefangene der Volksfront, bemühten sich zwar, von der Demokratie zu retten, was zu retten war. Da sie es aber nicht wagten, die Massen gegen die Gendarmen der Volksfront zu mobilisieren, liefen ihre Bemühungen letzten Endes auf klägliches Jammern hinaus. Die Stalinisten standen auf diese Weise mit dem rechtesten, offen bürgerlichen Flügel der sozialistischen Partei im Bunde. Ihre Repression richteten sie gegen die POUM, die Anarchisten und die linken Sozialisten, d. h. gegen die zentristischen Gruppierungen, die, wenn auch nur entfernt, den Druck der revolutionären Massen widerspiegelten.

Diese an sich schon hochbedeutende politische Tatsache lässt uns gleichzeitig auch die Entartung der Komintern in den letzten Jahren ermessen. Wir definierten seinerzeit den Stalinismus als bürokratischen Zentrismus und die Ereignisse gaben eine Reihe von Beweisen für die Richtigkeit dieser Definition. Doch jetzt ist sie sichtlich veraltet. Die Interessen der bonapartistischen Bürokratie vertragen sich nicht mehr mit zentristischer Halbheit. Indem die Stalin-Clique Versöhnung mit der Bourgeoisie anstrebt, vermag sie nur noch mit den konservativsten Gruppierungen der internationalen Arbeiteraristokratie einen Bund einzugehen. Damit ist endgültig der konterrevolutionäre Charakter des Stalinismus auf der internationalen Arena erwiesen.

Die konterrevolutionären Vorzüge des Stalinismus

Wir nähern uns hier stark der Lösung des Rätsels, wie und warum die an Zahl und Niveau der Führung so unbedeutende »Kommunistische« Partei Spaniens imstande war, in ihren Händen trotz Vorhandenseins der ungleich mächtigeren Organisationen der Sozialisten und Anarchisten alle Machthebel zu vereinigen. Die landläufige Erklärung, die da lautet, die Stalinisten hätten die Macht im Tausch gegen die Sowjetwaffen erhalten, ist zu oberflächlich. Als Preis für die Waffen erhielt Moskau spanisches Gold. Nach den Gesetzen des kapitalistischen Markts genügt das. Wie aber brachte Stalin es fertig, als Zugabe auch noch die Macht zu bekommen? Darauf wird gewöhnlich geantwortet: Indem die Sowjetregierung mit ihren Kriegslieferungen ihre Autorität in den Augen der Massen hob, machte sie entschiedene Maßnahmen gegen die Revolutionäre zur Bedingung ihrer »Mitarbeit« und räumte so die gefährlichen Gegner aus dem Wege. All das ist ganz unbestreitbar, aber das ist nur eine, und dabei die unwichtigere Seite der Sache. Trotz der durch die Sowjetlieferungen geschaffenen »Autorität« blieb die spanische Kommunistische Partei eine kleine Minderheit, und bei den Arbeitern stieß sie auf steigenden Hass. Andererseits genügte es nicht, dass Moskau Bedingungen stellte, nötig war, dass Valencia sie annahm. Das ist das Wesen der Sache. Nicht nur Zamora, Companys und Negrín, sondern auch Caballero, als er Ministerpräsident war, kamen alle mehr oder weniger bereitwillig Moskaus Forderungen entgegen. Warum? Weil diese Herren selber die Revolution im bürgerlichen Rahmen halten wollten. Nicht nur die Sozialisten, sondern auch die Anarchisten leisteten dem stalinistischen Programm keinen ernsthaften Widerstand. Sie fürchteten selbst einen Bruch mit der Bourgeoisie. Tödlich erschraken sie vor jedem revolutionären Ansturm der Arbeiter.

Stalin mit seinen Waffen und seinem konterrevolutionären Ultimatum war für alle diese Gruppen der Erlöser. Er garantierte ihnen, so hofften sie, den militärischen Sieg über Franco und befreite sie gleichzeitig von der Verantwortung für den Gang der Revolution. Sie beeilten sich, ihre sozialistische und anarchistische Maske in der Garderobe abzugeben, in der Hoffnung, sie später, wenn Moskau für sie die bürgerliche Demokratie wiederhergestellt haben wird, wieder aufzusetzen. Sehr bequem konnten diese Herrschaften nunmehr ihren Verrat am Proletariat mit der Notwendigkeit der militärischen Verständigung mit Stalin rechtfertigen. Stalin seinerseits rechtfertigte seine konterrevolutionäre Politik mit der Notwendigkeit einer Verständigung mit der republikanischen Bourgeoisie.

Nur unter diesem breiteren Gesichtswinkel wird uns die Engelsgeduld klar, die solche Ritter des Rechts und der Freiheit wie Azaña, Negrín, Companys, Caballero, García Oliver u. a. gegenüber den Verbrechen der GPU bewiesen. Wenn sie, wie sie behaupten, keine andere Wahl hatten, so keineswegs deswegen, weil sie die Flugzeuge und Tanks nicht anders als mit den Köpfen der Revolutionäre und den Rechten der Arbeiter bezahlen konnten, sondern weil ihr eigenes rein demokratisches, d. h. antisozialistisches Programm sich mit keinen anderen Maßnahmen als mit Terror verwirklichen ließ. Sobald die Arbeiter und Bauern den Weg ihrer Revolution betreten, d. h. Fabriken und Gutsbesitz in Beschlag nehmen, die alten Inhaber davonjagen, stellenweise die Macht erobern, so hat die bürgerliche Konterrevolution – ob demokratische, stalinistische oder faschistische ist ganz gleichgültig – kein anderes Mittel, um dieser Bewegung Einhalt zu gebieten, als blutige Gewalt, ergänzt durch Lüge und Betrug. Der Vorzug der Stalin-Clique auf diesem Wege war der, dass sie sofort die Methoden anzuwenden begann, denen Azaña, Companys, Negrín und ihre linken Verbündeten nicht gewachsen waren.

Stalin bestätigt auf seine Weise die Richtigkeit der Theorie von der permanenten Revolution

Auf dem Territorium des republikanischen Spaniens rangen auf diese Weise zwei unversöhnliche Programme miteinander. Einerseits das Programm der Rettung des Privateigentums vor dem Proletariat, koste es, was es wolle, und – soweit es möglich ist – Rettung der Demokratie vor Franco. Auf der anderen Seite das Programm der Vernichtung des Privateigentums auf dem Wege der Machteroberung durch das Proletariat. Das erste Programm bringt durch Vermittlung der Arbeiteraristokratie, der Spitzen des Kleinbürgertums und insbesondere der Sowjetbürokratie die Interessen des Kapitals zum Ausdruck. Das zweite Programm übersetzte die nicht voll bewussten, aber mächtigen Tendenzen der revolutionären Massenbewegung in die Sprache des Marxismus. Zum Unglück für die Revolution stand zwischen der Handvoll Bolschewiki und dem revolutionären Proletariat die konterrevolutionäre Scheidewand der Volksfront.

Die Politik der Volksfront war ihrerseits durchaus nicht von der Erpressung Stalins, als des Waffenlieferanten, bestimmt. An Erpressung hat es natürlich nicht gemangelt. Aber der Grund für den Erfolg dieser Erpressung ist in den inneren Bedingungen der Revolution selbst zu suchen. Ihr sozialer Untergrund war während der ganzen sechs Jahre ein wachsendes Andrängen der Massen gegen das Regime des halbfeudalen und bürgerlichen Eigentums gewesen. Die Notwendigkeit, dieses Eigentum mit den extremsten Mitteln zu verteidigen, hat eben die Bourgeoisie in Francos Arme getrieben. Die republikanische Regierung versprach der Bourgeoisie, das Eigentum mit »demokratischen« Maßnahmen zu schützen, legte aber vor allem im Juli 1936 völlige Haltlosigkeit an den Tag. Als die Lage an der Front des Eigentums noch bedrohlicher wurde als an der militärischen Front, gaben die Demokraten aller Schattierungen einschließlich der Anarchisten Stalin nach, dieser aber fand in seinem Arsenal keine anderen Methoden als die Francos.

Hetze gegen »Trotzkisten«, POUMisten, revolutionäre Anarchisten und linke Sozialisten; schmutzige Verleumdung, gefälschte Dokumente, Folterungen in den stalinistischen Gefängnissen, Meuchelmorde; ohne all das hätte das bürgerliche Regime unter republikanischer Flagge keine zwei Monate standgehalten. Die GPU blieb Herr der Lage, nur weil sie konsequenter als die anderen, d. h. mit größerer Niedertracht und Blutrünstigkeit die Interessen der Bourgeoisie gegen das Proletariat wahrnahm.

Im Kampfe gegen die sozialistische Revolution suchte der »Demokrat« Kerenski zuerst eine Stütze in einer Militärdiktatur Kornilows und versuchte dann, im Tross des monarchistischen Generals Krasnow in Petrograd Einzug zu halten. Andererseits sahen sich die Bolschewiki gezwungen, um die demokratische Revolution zu Ende zu führen, die Regierung der »demokratischen« Scharlatane und Schwätzer zu stürzen. Damit bereiteten sie beiläufig auch jeder Art Versuch, eine Militär- (oder »faschistische«) Diktatur zu errichten, ein Ende.

Die spanische Revolution zeigt aufs Neue, dass die Demokratie gegen die revolutionären Massen nicht anders als mit den Methoden der faschistischen Reaktion zu schützen ist. Und umgekehrt: Ein wirklicher Kampf gegen den Faschismus ist nicht anders zu führen als mit den Methoden der proletarischen Revolution. Stalin bekämpfte den »Trotzkismus« (die proletarische Revolution), indem er die Demokratie mit den bonapartistischen Maßnahmen der GPU zerstörte. Damit ist aufs Neue und endgültig die von der Komintern übernommene alte menschewistische Theorie zuschanden geworden, die da aus der demokratischen und der sozialistischen Revolution zwei selbstständige, zeitlich voneinander geschiedene Kapitel macht. Das Werk der Moskauer Henker bestätigt auf seine Weise die Richtigkeit der Theorie der permanenten Revolution.

Die Rolle der Anarchisten

Die Anarchisten besaßen in der spanischen Revolution keinerlei eigene Position. Sie taten nichts weiter, als zwischen Bolschewismus und Menschewismus hin- und herzuschwanken. Genauer: Die anarchistischen Arbeiter waren bestrebt, den bolschewistischen Weg zu gehen (19. Juli 1936, Mai-Tage 1937), während die Führer umgekehrt mit aller Kraft die Massen ins Lager der Volksfront, d. h. des bürgerlichen Regimes, zurücktrieben.

Die Anarchisten zeichneten sich durch fatales Unverständnis für die Gesetze der Revolution und ihrer Aufgaben aus, als sie versuchten, sich auf ihre Gewerkschaften, d. h. mit Routine durchtränkte Organisationen der Friedenszeit, zu beschränken, und alles, was jenseits der Gewerkschaftsgrenzen in den Massen, in den politischen Parteien und im Staatsapparat vor sich ging, ignorierten. Wären die Anarchisten Revolutionäre gewesen, so hätten sie vor allem zur Bildung von Sowjets aufgerufen, in denen sich Vertreter aller Werktätigen von Stadt und Land versammeln; darunter auch die unterdrücktesten Schichten, die niemals den Gewerkschaften angehörten. In diesen Sowjets hätten die revolutionären Arbeiter natürlich die dominierende Stellung innegehabt. Die Stalinisten wären eine winzige Minderheit gewesen. Das Proletariat wäre sich seiner unüberwindlichen Kraft bewusst geworden. Der bürgerliche Staatsapparat hätte in der Luft gehangen. Ein starker Hieb hätte genügt, um diesen Apparat vollends zu zertrümmern. Die sozialistische Revolution würde einen mächtigen Antrieb erfahren haben. Das französische Proletariat würde es Léon Blum nicht lange erlaubt haben, die proletarische Revolution jenseits der Pyrenäen zu blockieren. Kaum hätte sich auch die Moskauer Bürokratie diesen Luxus leisten können. Die schwierigsten Fragen wären von selbst gelöst worden.

Statt dessen erwiesen sich die Anarcho-Syndikalisten, die sich vor der »Politik« in die Gewerkschaften verkriechen wollten, zum großen Erstaunen aller Welt und ihrer selbst als fünftes Rad am Wagen der bürgerlichen Demokratie. Nicht lange: Ein fünftes Rad braucht niemand. Nachdem García Oliver & Co. Stalin und seinen Spießgesellen geholfen hatten, den Arbeitern die Macht wegzunehmen, sahen sich die Anarchisten selbst aus der Volksfrontregierung verjagt. Auch dann fanden sie nichts Besseres zu tun, als hinter dem Wagen des Siegers einherzulaufen und diesen ihrer Ergebenheit zu versichern. Die Furcht des Kleinbürgers vor dem großen Bourgeois, des kleinen Bürokraten vor dem großen Bürokraten verhüllten sie mit weinerlichen Reden über die ­Heiligkeit der Einheitsfront (der Opfer mit den Henkern) und die Unzulässigkeit jeglicher Diktatur, darunter auch ihrer eigenen. »Hätten wir ja doch im Juni 1936 die Macht ergreifen können …« »Hätten wir ja doch im Mai 1937 die Macht ergreifen können …« Die Anarchisten flehten Negrín-Stalin an, ihren Verrat an der Revolution anzuerkennen und zu belohnen. Widerwärtiges Bild!

Diese Selbstrechtfertigung: »Wir ergriffen die Macht nicht deshalb nicht, weil wir nicht konnten, sondern weil wir nicht wollten, weil wir gegen jede Diktatur sind« usw., enthält allein schon die unwiderrufliche Verurteilung des Anarchismus als einer durch und durch antirevolutionären Doktrin. Auf die Eroberung der Macht verzichten heißt freiwillig die Macht dem zu überlassen, der sie besitzt, d. h. den Ausbeutern. Das Wesen jeder Revolution bestand und besteht darin, dass sie eine neue Klasse an die Macht bringt und ihr so die Möglichkeit gibt, ihr Programm zu verwirklichen. Man kann nicht Krieg führen, ohne den Sieg zu wollen. Man kann die Massen nicht zum Aufstand führen, ohne sich auf die Eroberung der Massen vorzubereiten. Niemand konnte die Anarchisten hindern, nach der Machtergreifung das Regime einzuführen, dass sie für notwendig halten, angenommen natürlich, dass ihr Programm verwirklichbar sei. Aber die anarchistischen Führer verloren selbst den Glauben daran. Sie schreckten vor der Macht nicht zurück, weil sie gegen »jede Diktatur« waren – in Wirklichkeit unterstützten und unterstützen sie murrend und flennend die Diktatur Negrín-Stalins –, sondern weil sie vollkommen ihre Prinzipien und ihren Mut verloren hatten, wenn sie diese überhaupt je besessen haben. Sie hatten Angst, Angst vor allem: vor Isolierung, Intervention, Faschismus. Sie hatten Angst vor Stalin. Angst vor Negrín. Vor Frankreich und England. Am meisten hatten diese Phrasendrescher Angst vor den revolutionären Massen.

Der Verzicht auf die Machteroberung wirft unausbleiblich jede Arbeiterorganisation in den Sumpf des Reformismus und verwandelt sie in ein Spielzeug der Bourgeoisie: Anders kann es bei der Klassenstruktur der Gesellschaft nicht sein. Da die Anarchisten das Ziel ablehnten, nämlich die Machteroberung, konnten sie letzten Endes auch nicht umhin, das Mittel abzulehnen, d. h. die Revolution. Die Führer der CNT und der FAI halfen der Bourgeoisie nicht nur, im Juli 1936 einen Schatten der Macht zu behalten, sondern auch stückweise das wiederherzustellen, was sie plötzlich verloren hatte. Im Mai 1937 sabotierten sie den Aufstand der Arbeiter und retteten damit die Diktatur der Bourgeoisie. So erwies sich der Anarchismus, der nur antipolitisch sein wollte, in Wirklichkeit als antirevolutionär und in den kritischsten Augenblicken als konterrevolutionär.

Die anarchistischen Theoretiker, die nach dem großen Examen von 1931 bis 1937 immer noch das alte reaktionäre Gewäsch über Kronstadt wiederholen und behaupten: »Der Stalinismus ist eine unvermeidliche Folge des Marxismus und Bolschewismus«, beweisen damit nur, dass sie für die Revolution ein für allemal tot sind. Ihr sagt, der Marxismus sei schon an sich verrufen und der Stalinismus sein legitimes Kind? Warum aber stehen denn wir revolutionäre Marxisten auf Leben und Tod im Kampf gegen den Stalinismus auf der ganzen Welt? Warum erblickt die Stalin-Bande im Trotzkismus den Hauptfeind? Warum veranlasst jede Annäherung an unsere Anschauungen oder an unser Aktionssystem (Durutti, Andrés Nin, Landau u. a.) die Gangster des Stalinismus, mit einem Blutgericht zu antworten? Warum wurden andererseits die Führer des spanischen Anarchismus während der Moskauer und Madrider GPU-Verbrechen Minister Caballero-Negríns, d. h. Knechte der Bourgeoisie und Stalins? Warum bleiben die Anarchisten auch jetzt unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Faschismus, freiwillige Gefangene Stalin-Negríns, d. h. der Henker der Revolution, die ihre Unfähigkeit bewiesen haben, den Faschismus zu bekämpfen?

Die Advokaten des Anarchismus, die sich hinter Kronstadt und Machno verstecken, täuschen niemanden. In der Kronstädter Episode und im Kampf gegen Machno verteidigten wir die proletarische Revolution gegen die bäuerliche Konterrevolution. Die spanischen Anarchisten verteidigten und verteidigen die bürgerliche Konterrevolution gegen die proletarische Revolution. Kein Sophismus wird aus der Geschichte die Tatsache streichen, dass in der spanischen Revolution Anarchismus und Stalinismus auf der einen Seite der Barrikaden standen, die Arbeitermassen und revolutionären Marxisten aber auf der anderen. Das ist die Wahrheit, die ins Bewusstsein des Proletariats für allezeit eingehen wird!

Die Rolle der POUM

Nicht viel besser stand es mit der POUM. Theoretisch versuchte sie wohl, sich auf die Formel der permanenten Revolution zu stützen (darum nannten die Stalinisten die POUM-Mitglieder eben Trotzkisten). Aber die Revolution befriedigt sich nicht mit theoretischen Anerkennungen. Statt die Massen gegen die reformistischen Führer einschließlich der Anarchisten zu mobilisieren, suchte die POUM diese Herren von den Vorzügen des Sozialismus vor dem Kapitalismus zu überzeugen. Auf diesen Kammerton waren alle Artikel und Reden der POUM-Führer abgestimmt. Um sich mit den anarchistischen Führern nicht zu entzweien, haben sie in der CNT weder Zellen gebaut noch überhaupt gearbeitet. Scharfen Konflikten ausweichend, leisteten sie keine revolutionäre Arbeit in der republikanischen Armee. Statt dessen bauten sie ihre eigenen Gewerkschaften und ihre eigene Miliz auf, die ihre eigenen Gebäude schützte oder ihren eigenen Frontabschnitt besetzte.

Indem die POUM die revolutionäre Vorhut von der Klasse isolierte, entkräftete sie die Vorhut und ließ die Klasse ohne Führung. Politisch stand die POUM die ganze Zeit der Volksfront, deren linken Flügel sie deckte, viel näher als dem Bolschewismus. Wenn die POUM dennoch einer blutigen und gemeinen Repression zum Opfer fiel, so weil die Volksfront ihre Sendung, die sozialistische Revolution abzuwürgen, nicht anders erfüllen konnte als durch stückweises Abhauen ihres eigenen linken Flügels.

Trotz ihrer Absichten war die POUM letzten Endes das Haupthindernis auf dem Wege zur Schaffung einer revolutionären Partei. Eine gewaltige Verantwortung haben die platonischen oder diplomatischen Anhänger der Vierten Internationale auf sich geladen, die wie der Führer der holländischen Revolutionär-Sozialistischen Arbeiterpartei, Sneevliet, demonstrativ die POUM in ihrer Halbheit, Unentschiedenheit, ihrem Ausweichen, mit einem Wort in ihrem Zentrismus unterstützten. Die Revolution verträgt sich nicht mit Zentrismus. Sie entlarvt und vernichtet ihn. Nebenbei kompromittiert sie auch die Freunde und Advokaten des Zentrismus. Das ist eine der Hauptlehren der spanischen Revolution.

Das Problem der Bewaffnung

Die Sozialisten und Anarchisten, die ihre Kapitulation vor Stalin mit der Notwendigkeit, die Moskauer Waffen mit Prinzipien und Gewissen zu bezahlen, zu rechtfertigen suchen, lügen einfach und lügen dumm. Natürlich hätten viele von ihnen vorgezogen, ohne Morde und Fälschungen auszukommen. Aber jedes Ziel verlangt nach entsprechenden Mitteln. Seit April 1931, d. h. lange vor dem militärischen Eingreifen Moskaus, haben die Sozialisten und Anarchisten alles getan, was sie konnten, um die proletarische Revolution zu bremsen. Stalin lehrte sie, wie diese Arbeit zu Ende zu führen ist. Sie wurden Stalins kriminelle Mitschuldige nur, weil sie seine politischen Gesinnungsgenossen waren.

Hätten die Führer der Anarchisten auch nur ein bisschen Revolutionären gleichgesehen, so hätten sie die allererste Erpressung Moskaus nicht allein mit der Weiterführung des sozialistischen Vorstoßes, sondern auch mit der Entlarvung Stalins konterrevolutionärer Bedingungen vor der Weltarbeiterklasse beantworten müssen. Damit hätten sie die Moskauer Bürokratie genötigt, offen zwischen der sozialistischen Revolution und Francos Diktatur zu wählen. Die thermidorianische Bürokratie fürchtet und hasst die Revolution. Aber sie fürchtet auch, von einem faschistischen Ring erdrückt zu werden. Außerdem ist sie von den Arbeitern abhängig. Alles spricht dafür, dass Moskau gezwungen gewesen wäre, Waffen zu liefern, und zwar wohl zu annehmbarerem Preise.

Aber Stalins Moskau ist nicht das A und O der Welt. In anderthalb Jahren Bürgerkrieg konnte und musste man die spanische Kriegsindustrie ausbauen und entwickeln durch Umstellung einer Reihe von Friedensbetrieben auf Kriegsbedarf. Diese Arbeit wurde nur darum nicht durchgeführt, weil die Initiative der Arbeiterorganisationen gleicherweise von Stalin wie von seinen spanischen Verbündeten bekämpft wurde. Eine starke Kriegsindustrie wäre eine mächtige Waffe in den Händen der Arbeiter gewesen. Die Volksfrontführer zogen die Abhängigkeit von Moskau vor.

Gerade in dieser Frage zeigt sich besonders deutlich die perfide Rolle der »Volksfront«, die den proletarischen Organisationen die Verantwortung für den verräterischen Schacher der Bourgeoisie mit Stalin auflud. Insofern die Anarchisten in der Minderheit waren, konnten sie natürlich nicht unmittelbar den regierenden Block daran hindern, Moskau oder Moskaus Herren (London und Paris) gegenüber beliebige Verpflichtungen einzugehen. Aber sie konnten und mussten, ohne deswegen aufzuhören, an der Front die besten Kämpfer zu sein, sich offen vom Verrat und von den Verrätern abgrenzen, der Masse die wahre Lage erklären, sie gegen die bürgerliche Regierung mobilisieren, Tag für Tag an Kraft zunehmen, um schließlich die Macht und damit auch die Moskauer Waffen zu ergreifen.

Wie aber, wenn Moskau mangels einer Volksfront überhaupt davon abgesehen hätte, Waffen herzugeben? Und wie, antworten wir darauf, wenn es überhaupt keine Sowjetunion gegeben hätte? Die Revolutionen siegten bisher durchaus nicht dank hohen ausländischen Gönnern, die ihnen die Waffen lieferten. Die ausländischen Gönner standen gewöhnlich aufseiten der Konterrevolution. Muss man an die Erfahrung der Intervention französischer, englischer, amerikanischer, japanischer und anderer Truppen gegen die Sowjets erinnern? Das russische Proletariat besiegte die Reaktion im Innern und die ausländischen Interventionen ohne militärische Unterstützung von außen. Die Revolutionen siegen vor allem vermittels eines kühnen sozialen Programms, das es den Massen ermöglicht, die auf ihrem Territorium vorhandenen Waffen zu erobern und die feindliche Armee zu zersetzen. Die Rote Armee beschlagnahmte französische, englische und amerikanische Militärvorräte und warf die fremden Expeditionskorps ins Meer. Ist das etwa schon vergessen?

Hätten an der Spitze der bewaffneten Arbeiter und Bauern, d. h. an der Spitze des sogenannten republikanischen Spaniens Revolutionäre gestanden und nicht feige Agenten der Bourgeoisie, das Problem der Bewaffnung hätte überhaupt keine so erstrangige Rolle gespielt. Francos Armee, einschließlich der marokkanischen Kolonialsöldner und Mussolinis Soldaten, ist keineswegs gegen revolutionäre Ansteckung gefeit. Auf allen Seiten von den Flammen der sozialistischen Umwälzung ergriffen, hätten die Soldaten des Faschismus eine winzige Größe dargestellt. Nicht an Waffen fehlte es in Madrid und Barcelona und auch nicht an Militär-Genies: Was fehlte, war die revolutionäre Partei!

Die Bedingungen des Sieges

Die Bedingungen des Sieges der Massen im Bürgerkrieg gegen die Armee der Unterdrücker sind im Wesen sehr einfach.

1. Die Kämpfer der revolutionären Armee müssen sich deutlich bewusst sein, dass sie für ihre völlige soziale Befreiung streiten und nicht für die Wiederherstellung der alten (demokratischen) Ausbeutungsformen.

2. Dasselbe müssen die Arbeiter und Bauern im Hinterland der revolutionären Armee wie in dem des Feindes wissen und begreifen.

3. Die Propaganda an der eigenen Front, an der Front des Gegners und im Hinterlande beider muss tief vom Geiste der sozialen Revolution durchdrungen sein. Die Losung: »Zuerst den Sieg, dann die Reformen« ist die Losung aller Unterdrücker und Ausbeuter, von den biblischen Königen bis zu Stalin.

4. Die Politik wird von den Klassen und Schichten bestimmt, die am Kampfe teilnehmen. Die revolutionären Massen müssen einen Staatsapparat besitzen, der direkt und unmittelbar ihren Willen ausdrückt. Dieser Apparat kann nichts anderes sein als der Sowjet der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten.

5. Die revolutionäre Armee muss die dringendsten Sofortmaßnahmen der sozialen Revolution nicht nur verkünden, sondern in den eroberten Provinzen auch unverzüglich verwirklichen: Enteignung der vorhandenen Lebensmittel-, Manufakturwaren- und anderen Vorräte und ihre Abgabe an die Bedürftigen, Neuaufteilung der Wohnstätten im Interesse der Werktätigen und insbesondere der Kriegerfamilien, Enteignung des Bodens und des landwirtschaftlichen Inventars im Interesse der Bauern, Errichtung der Arbeiterkontrolle über die Produktion und der Sowjetmacht anstelle der früheren Bürokratie.

6. Aus der revolutionären Armee müssen die Feinde der sozialistischen Revolution, d. h. Ausbeuterelemente und ihre Agenten, und versteckten sie sich auch hinter der Maske von »Demokraten«, »Republikanern«, »Sozialisten« und »Anarchisten«, schonungslos vertrieben werden.

7. An der Spitze jedes Truppenteils muss ein Kommissar mit untadeliger Autorität eines Revolutionärs und Kämpfers stehen.

8. In jedem Truppenteil muss eine fest geschlossene, aus den opferbereitesten, von den Arbeiterorganisationen vorgeschlagenen Kämpfern gebildete Zelle bestehen. Die Mitglieder der Zelle haben ein einziges Privileg: im Feuer die ersten zu sein.

9. Das Kommandokorps schließt in der ersten Zeit notwendigerweise viele fremde und unzuverlässige Elemente in sich. Ihre Prüfung und Auslese hat zu geschehen auf Grund der Kampferfahrung, von Zeugnissen seitens der Kommissare und Urteilen der einfachen Kämpfer. Gleichzeitig damit muss die Vorbereitung von Kommandanten aus den Reihen der revolutionären Arbeiter mit Nachdruck betrieben werden.

10. Die Strategie des Bürgerkrieges muss die Regeln der Kriegskunst mit den Aufgaben der sozialen Revolution paaren. Nicht nur in der Propaganda, sondern auch bei den Militäroperationen ist es notwendig, die soziale Zusammensetzung der verschiedenen Truppenteile des Gegners zu studieren (bürgerliche Freiwillige, mobilisierte Bauern oder wie bei Franco Kolonialsklaven) und bei der Wahl der Operationslinien sich streng nach der sozialen Struktur der betreffenden Landesteile zu richten (revolutionäre oder reaktionäre, Industrie- oder Bauernbezirke, Bezirke unterdrückter Nationalitäten usw.). Kurz, die revolutionäre Politik beherrscht die Strategie.

11. Die revolutionäre Regierung als der Vollzugsausschuss der Arbeiter und Bauern muss es verstehen, das volle Vertrauen der Armee und der werktätigen Bevölkerung zu erobern.

12. Die Außenpolitik muss ihr Hauptziel darin erblicken, das revolutionäre Bewusstsein der Arbeiter, ausgebeuteten Bauern und unterdrückten Nationalitäten der ganzen Welt zu wecken.

Stalin sicherte die Bedingungen für die Niederlage

Die Bedingungen des Sieges sind, wie man sieht, ganz einfach. In ihrer Gesamtheit heißen sie sozialistische Revolution. Keine einzige dieser Bedingungen war in Spanien vorhanden. Hauptursache: Es gab keine revolutionäre Partei. Stalin versuchte zwar, die äußerlichen Manieren des Bolschewismus auf Spaniens Boden zu verpflanzen: Politbüro, Kommissare, Zellen, GPU usw. Aber diese Form entleerte er ihres sozialistischen Inhalts. Er verwarf das bolschewistische Programm und damit die Sowjets, die unerlässliche Form für die revolutionäre Initiative der Massen. Er stellte die Technik des Bolschewismus in den Dienst des bürgerlichen Eigentums. In seiner bürokratischen Beschränktheit bildete er sich ein, Kommissare seien schon an sich imstande, den Sieg zu gewährleisten. Aber die Kommissare des Privateigentums erwiesen sich nur imstande, die Niederlage zu garantieren.

Das spanische Proletariat hat erstklassige Kampfeigenschaften an den Tag gelegt. Seinem spezifischen Gewicht in der Wirtschaft des Landes, seinem politischen und kulturellen Niveau nach stand es vom ersten Tag der Revolution an nicht unter, sondern über dem russischen Proletariat vom Beginn des Jahres 1917. Die Haupthindernisse, die seinem Sieg im Wege standen, waren seine eigenen Organisationen. Die kommandierende Clique der Stalinisten bestand ihren konterrevolutionären Funktionen entsprechend aus bezahlten Agenten, Karrieristen, deklassierten Elementen und überhaupt allem möglichen sozialen Abfall. Die Vertreter der anderen Arbeiterorganisationen – schwächlichen Reformisten, anarchistischen Phrasendreschern, hilflosen POUM-Zentristen – brummten, seufzten, schwankten, manövrierten, passten sich aber letzten Endes den Stalinisten an. Das Ergebnis dieses Handinhandarbeitens war, dass das Lager der sozialen Revolution – die Arbeiter und Bauern – sich der Bourgeoisie, richtiger ihrem Schatten, unterstellt sah, seines Wesens, seiner Seele und seines Blutes beraubt wurde.

Am ­Heldentum der Massen oder am Mut einzelner Revolutionäre fehlte es nicht. Aber die Massen waren sich selbst überlassen und die Revolutionäre isoliert, ohne Programm, ohne Aktions­plan. Die »republikanischen« Heerführer kümmerten sich mehr um die Unterdrückung der sozialen Revolution als um militärische Siege. Die Soldaten verloren das Vertrauen zu den Kommandanten, die Massen das Vertrauen zur Regierung, die Bauern hielten sich abseits, die Arbeiter ermüdeten, Niederlage folgte auf Niederlage, die Demoralisierung wuchs. All das war unschwer schon zu Beginn des Bürgerkrieges vorauszusehen. Dadurch, dass die Volksfront sich die Aufgabe stellte, das kapitalistische Regime zu retten, weihte sie sich der militärischen Niederlage. Den Bolschewismus auf den Kopf stellend, spielte Stalin mit vollem Erfolg die Rolle des Haupttotengräbers der Revolution.

Die spanische Erfahrung beweist übrigens wieder einmal, dass Stalin weder von der Oktoberrevolution noch vom Bürgerkrieg irgendetwas begriffen hat. Sein träges provinzielles Denken blieb hoffnungslos hinter dem stürmischen Lauf der Ereignisse von 1917 bis 1921 zurück. In jenen seiner Reden und Artikel des Jahres 1917, wo er eigene Gedanken äußerte, ist seine spätere thermidorianische »Doktrin« schon vollkommen enthalten. In diesem Sinne ist der Stalin von Spanien 1937 die Fortsetzung des Stalins von der Märzkonferenz der Bolschewiki im Jahre 1917. Aber 1917 fürchtete er die revolutionären Arbeiter nur, 1937 indessen erstickte er sie. Der Opportunist wurde zum Henker.

»Bürgerkrieg im Hinterland«

Aber zum Sieg über die Caballero- und die Negrín-Regierung wäre doch Bürgerkrieg im Hinterland der republikanischen Armee nötig! – ruft der demokratische Philister mit Entsetzen aus. Als ob im republikanischen Spanien nicht auch ohnedies Bürgerkrieg wütete und zwar der gemeinste und ehrloseste von allen, ein Krieg der Besitzenden und Ausbeuter gegen die Arbeiter und Bauern. Dieser ununterbrochene Krieg findet seinen Ausdruck in der Verhaftung und Ermordung von Revolutionären, der Unterdrückung der Massenbewegung, der Entwaffnung der Arbeiter, der Bewaffnung der bürgerlichen Polizei, der Verwehrung von Waffen und Hilfe für die Arbeiterabteilungen an der Front, schließlich darin, dass die Entwicklung einer Kriegsindustrie künstlich verhindert wird.

Jede dieser Handlungen ist ein schwerer Schlag für die Front, direkter, von den Klasseninteressen der Bourgeoisie diktierter militärischer Verrat. Jedoch die demokratischen Philister – einschließlich der Stalinisten, Sozialisten und Anarchisten – halten den Bürgerkrieg der Bourgeoisie gegen das Proletariat selbst unmittelbar im Rücken der Front für einen ganz natürlichen und unvermeidlichen Krieg, dessen Aufgabe es ist, die Einheit der Volksfront zu erhalten. Dagegen ist der Bürgerkrieg des Proletariats gegen die republikanische Konterrevolution in den Augen dieser Philister ein frevelhafter, faschistischer, trotzkistischer Krieg, der die … »Einheit der antifaschistischen Kräfte« zerstört. Dutzende von Norman Thomas, Major Attlee, Otto Bauer, Zyromski, Malraux und kleiner Lügenkrämer wie die Duranty und Louis Fischer gehen mit dieser Sklavenweisheit in der Welt hausieren. Unterdessen übersiedelt die »Volks«frontregierung von Madrid nach Valencia, von Valencia nach Barcelona.

Ist der Faschismus, wie die Tatsachen es bezeugen, nur durch die sozialistische Revolution niederzuringen, so ist andererseits ein siegreicher Aufstand des Proletariats nur dann denkbar, wenn die herrschenden Klassen infolge sehr großer Schwierigkeiten in die Klemme geraten. Allein die demokratischen Philister berufen sich eben auf diese Schwierigkeiten, um die Unzulässigkeit eines proletarischen Aufstandes zu beweisen. Wollte das Proletariat warten, bis die demokratischen Philister ihm die Stunde seiner Befreiung ankünden, so würde es ewig Sklave bleiben. Die Arbeiter lehren, die reaktionären Philister hinter all ihren Masken zu erkennen und sie ungeachtet dieser Masken zu verabscheuen, ist erste und oberste Pflicht des Revolutionärs!

Wie wird es enden?

Die Diktatur der Stalinisten über das republikanische Lager ist ihrem ureigenen Wesen nach kurzlebig. Wenn die durch die Volksfrontpolitik bedingte Niederlage das spanische Proletariat noch einmal zum revolutionären Angriff treibt, und diesmal mit Erfolg, dann wird die Stalin-Clique mit eisernem Besen hinweggefegt werden. Wenn es aber, was leider wahrscheinlicher ist, Stalin gelingt, sein Totengräberwerk an der Revolution zu vollenden, darf er auch in diesem Falle keinen Dank erwarten. Die spanische Bourgeoisie brauchte ihn als Henker, aber als Beschirmer und Schulmeister hat sie ihn keineswegs nötig. London und Paris einerseits, Berlin und Rom andererseits, sind in ihren Augen viel solidere Firmen als Moskau. Möglich, dass Stalin selbst noch vor der endgültigen Katastrophe seine Hand von Spanien abziehen will: Er hofft auf diese Weise die Verantwortung für die Niederlage seinen nächsten Verbündeten aufzuladen. Nachher wird dann Litwinow bei Franco um die Herstellung diplomatischer Beziehungen ansuchen. All das haben wir schon mehr als einmal gesehen.

Indes würde sogar ein voller militärischer Sieg der sogenannten republikanischen Armee über General Franco nicht den Triumph der »Demokratie« bedeuten. Die Arbeiter und Bauern haben die bürgerlichen Republikaner und ihre linken Agenten zweimal an die Macht gebracht: im April 1931 und im Februar 1936. Beide Male lieferten die Volksfronthelden den Sieg des Volkes reaktionäreren und seriöseren Vertretern der Bourgeoisie aus. Der dritte, von den Volksfrontgenerälen erfochtene Sieg wird unausbleiblich ihre Verständigung mit der faschistischen Bourgeoisie auf den Gebeinen der Arbeiter und Bauern bedeuten. Dieses Regime wird nichts anderes sein als eine Form der Militärdiktatur, vielleicht ohne Monarchie und ohne offene Herrschaft der katholischen Kirche.

Schließlich ist es möglich, dass Teilsiege der Republikaner von den »selbstlosen« englisch-französischen Vermittlern dazu benutzt werden, um die sich befehdenden Lager auszusöhnen. Es ist nicht schwer zu verstehen, dass bei dieser Variante die letzten Reste der Demokratie in den brüderlichen Umarmungen der Generäle, Miajas (des Kommunisten!) mit Franco (dem Faschisten!) erstickt würden. Nochmals: zu siegen vermag nur entweder die sozialistische Revolution oder der Faschismus.

Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass die Tragödie im letzten Augenblick der Posse Platz macht: Wenn die Volksfronthelden ihre letzte Hauptstadt im Stich lassen sollten, werden sie vielleicht, bevor sie die Dampfer oder Flugzeuge besteigen, eine Reihe sozialistischer Reformen erlassen, um beim Volk in guter Erinnerung zu bleiben. Es wird ihnen jedoch nichts helfen. Die Arbeiter der ganzen Welt werden sich mit Hass und Verachtung der Parteien erinnern, die die heldenhafte Revolution zugrunderichteten.

Die tragische Erfahrung Spaniens ist eine bittere Warnung – vielleicht die letzte Warnung vor noch größeren Ereignissen – eine Warnung für alle fortgeschrittenen Arbeiter der Welt. »Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte«, sagte Marx. Sie fahren schneller als das Denken der halb- oder viertelrevolutionären Parteien. Wer stehen bleibt, gerät unter die Räder der Lokomotive und bringt – das ist die Hauptgefahr – nicht selten dabei die Lokomotive selbst zur Entgleisung.

Das Problem der Revolution heißt es bis zu Ende, bis in die letzten konkreten Schlussfolgerungen hinein durchdenken. Es heißt die Politik auf die Grundgesetze der Revolution, d. h. auf die Bewegung der einander bekämpfenden Klassen einstellen, und nicht auf die Vorurteile und Ängste der oberflächlichen kleinbürgerlichen Gruppen, die sich »Volks«- und wer weiß was noch für welche Front betiteln. Die Linie des geringsten Widerstandes ist in der Revolution die Linie des größten Zusammenbruchs. Die Furcht vor »Isolierung« von der Bourgeoisie bedeutet Isolierung von den Massen. Anpassung an die konservativen Vorurteile der Arbeiteraristokratie bedeutet Verrat an den Arbeitern und an der Revolution. Übermäßige »Vorsicht« ist unheilvollste Unvorsichtigkeit. Das sind die Hauptlehren aus dem Zusammenbruch der ehrlichsten politischen Organisation in Spanien, will sagen der zentristischen POUM. Die Parteien und Gruppen des Londoner Büros sind weder willens noch imstande, aus der letzten Warnung der Geschichte die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Damit geben sie sich selbst dem Verderben preis.

Dafür bildet sich auf Grund der Lehren aus den Niederlagen heute eine neue Generation von Revolutionären heran. Sie hat in der Wirklichkeit den schändlichen Ruf der Zweiten Internationale bestätigt gefunden. Sie hat die ganze Tiefe des Falls der Dritten Internationale ermessen. Sie lernte es, die Anarchisten nicht nach ihren Worten zu beurteilen. Eine gewaltige, unschätzbare Schule, bezahlt mit dem Blut zahlloser Kämpfer! Die revolutionären Kader sammeln sich heute nur um das Banner der Vierten Internationale. Unter dem Donner der Niederlagen ist sie erstanden, um die Werktätigen zum Siege zu führen.

Coyoacan, 17. Dezember 1937

L. Trotzki

Felix MorrowDer Bürgerkrieg in Spanien

I. Einleitung

Faschistische Soldaten und Arbeitermilizionäre haben sich nicht weit voneinander verschanzt. In einer Kampfpause rufen sie sich Argumente zu:

»Ihr seid Söhne von Bauern und Arbeitern«, ruft ein Milizionär. »Ihr solltet hier bei uns sein und für die Republik kämpfen, wo es Demokratie und Freiheit gibt.«

Die schroffe Erwiderung kommt sofort. Es ist das Argument, mit dem die Bauernschaft jeden reformistischen Appell seit der Entstehung der Republik im Jahre 1931 beantwortet hat:

»Was hat die Republik euch zu essen gegeben? Was hat die Republik für uns getan, dass wir für sie kämpfen sollten?«

In diesem kleinen Vorfall, wie er gelegentlich in der Presse berichtet wird, zeigt sich das zentrale Problem des Bürgerkriegs.

Die Bauernschaft, die 70 Prozent der Bevölkerung ausmacht, muss erst noch auf die Seite des Proletariats gewonnen werden. Sie hat bei der Entstehung der Republik im Jahre 1931 keine Rolle gespielt. Ihre Passivität und Feindschaft führte zum Triumph der Reaktion im November 1933. Sie hat bei der proletarischen Oktoberrevolte von 1934 keine Rolle gespielt. Außer in Katalonien und Valencia, wo sich das Proletariat für die Konfiszierung des Lands ausgesprochen hat und es schon an die Bauernschaft übergibt und in Teilen von Andalusien, wo die Landarbeiter sich das Land selbst genommen haben, erhebt sich die Masse der Bauernschaft bis jetzt nicht, um an der Seite der Arbeiterklasse zu kämpfen.

Kein Bürgerkrieg, der so umfassend ist wie der gegenwärtige in Spanien, wurde jemals gewonnen, ohne ein revolutionäres gesellschaftliches Programm vorzulegen. Und dennoch scheint das einzige Programm der von Caballero geführten Koalitionsregierung der militärische Kampf zu sein. »Erst nach dem Sieg dürfen wir uns der politischen und sozialen Probleme der verschiedenen Gruppen, die die Linke Volksfront bilden, annehmen«, erklärt ein Regierungssprecher (New York Times, 20. September 1936). »Es gibt nur einen Punkt in unserem Programm, und der lautet, den Sieg zu erringen.« In Wirklichkeit jedoch enthält die Losung der Regierung »Verteidigt die demokratische Republik« ein gesellschaftliches Programm. Aber es ist das reformistische Programm der Verteidigung des »liebenswürdigsten« politischen Instruments der bürgerlichen Produktionsweise.

In der großen Französischen Revolution bedeutete die Losung »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« ganz konkret Land für die Bauern, Befreiung von der Leibeigenschaft, eine neue Welt von Arbeit und Bereicherung, die Abschaffung der wirtschaftlichen Macht der feudalen Unterdrücker und die Übergabe Frankreichs in die Hände der revolutionären Bourgeoisie. In der Russischen Revolution vereinigte die Losung »Land, Brot und Freiheit« das Volk erfolgreich gegen Kornilow und Kerenski, weil es die Umgestaltung Russlands bedeutete. Das Proletariat Spaniens wird genauso revolutionäre Forderungen erheben, oder es wird den Bürgerkrieg nicht gewinnen.

Das katalanische Proletariat hat diese große Wahrheit bereits erkannt. Sein revolutionäres Programm wird nicht lange auf seine eigenen Grenzen beschränkt bleiben. Erst heute kam die Nachricht, dass eine weitere Partei der Volksfront, die nach der Oktoberrevolte von Anarcho-Syndikalisten gegründete Syndikalistische Partei, die die Notwendigkeit der Teilnahme am politischen Leben erkannt hat, ein sozialistisches Programm für die erfolgreiche Fortsetzung des Bürgerkriegs verlangt hat. Die Präsidentschaft Caballeros, des »extrem« linken Flügels der Volksfront, ist selbst eine entstellte Anerkennung der Tatsache, dass die Massen nicht dafür kämpfen werden, den Kapitalismus aufrechtzuerhalten. Aber Caballeros frühere Lorbeeren können und werden kein Ersatz für den äußerst konkreten Inhalt eines Programms des revolutionären Sozialismus sein.

Auf den folgenden Seiten wird die reiche Geschichte revolutionärer Erfahrungen geschildert, die fünf kurze Jahre dem spanischen Proletariat gebracht haben. Aus den Schlussfolgerungen, die es aus den außerordentlich konzentrierten Erfahrungen zieht, lernt das spanische Proletariat, wie es sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Den Lehren der Russischen Revolution werden jetzt die ebenso tief greifenden Lehren der spanischen Revolution hinzugefügt.

New York, 22. September 1936

II. Die Geburt der Republik – 1931

»Glorreich, unblutig, friedlich, harmonisch« war die Revolution vom 14. April 1931. Zwei Tage vorher hatte das Volk in den landesweiten Kommunalwahlen für die republikanisch-sozialistische Koalition gestimmt. Das reichte, um Alfonso den Gnadenstoß zu geben. Die spanische Republik setzte sich mühelos durch … Ihre Entstehung war jedoch fast das einzige unblutige Ereignis, das mit der Revolution vor oder seit 1931 verbunden ist.

Mehr als ein Jahrhundert lang hatte Spanien versucht, ein neues Regime hervorzubringen. Aber die Lähmung durch eine Jahrhunderte andauernde Altersschwäche seit den Tagen des Weltreichs hatte jeden Versuch zum Scheitern verurteilt. Umso blutiger war deshalb die Geschichte der Fehlschläge und ihrer Bestrafung. Vier größere Revolutionen vor 1875, denen viermal der weiße Terror folgte, waren nur die Höhepunkte in einer fast permanenten Folge von Bauernrevolten und Armeemeutereien, Bürgerkriegen, regionalen Erhebungen, Aufstandsproklamationen der Armee, Verschwörungen und Gegenverschwörungen der Hof-Kamarillen.

Und auch die moderne Bourgeoisie unternahm nichts, als sie verspätet auf der Bühne erschien, um die bürgerliche Revolution vorzubereiten. Die moderne Industrie und das Transportwesen stammen aus der Zeit des Spanisch-Amerikanischen Kriegs, der Spanien neue Anstöße gab. Die Jahre 1898–1914 werden die »nationale Wiedergeburt« genannt (sie waren auch der Altweibersommer des Weltkapitalismus). Aber die spanischen und katalanischen Industriellen, die in diesen zwei Jahrzehnten geschäftlich erfolgreich waren, versuchten die ältesten Familien des Landadels in ihrer Loyalität gegenüber der Monarchie zu übertreffen. Einige – wie Graf Romanones – wurden geadelt, erwarben große Ländereien und vereinigten in ihrer Person die alten und neuen Wirtschaftsformen. Andere zementierten die Verbindung zwischen beiden durch Hypotheken und Verheiratungen mit dem Landadel. Der König hielt zwar die äußeren Insignien des Feudalismus aufrecht, war aber kaum abgeneigt, sich der Bourgeoisie in deren zwielichtigsten wirtschaftlichen Abenteuern anzuschließen. Auf der Suche nach neuen Ausbeutungsgebieten brachte die Bourgeoisie Alfonso dazu, Marokko zu erobern, was 1912 begann. Alfonsos einträgliche Neutralität während des Weltkriegs gewann ihm die Zuneigung der Bourgeoisie, für deren Waren der Weltmarkt vier Jahre lang offen stand.

Als die Imperialisten diesen Markt nach dem Krieg wieder übernahmen, das katalanische und spanische Proletariat große Kämpfe begannen und als das Ansehen der Regierung bei den Arbeitern und Bauern durch die katastrophalen Niederlagen der Armee in Marokko geschwunden war, finanzierten die katalanischen Industriellen den Putsch Primo de Riveras. Das Programm des Diktators – öffentliche Arbeiten und unüberwindliche Zollschranken, Unterdrückung der Anarcho-Syndikalisten und Zwangsschlichtungskammern für die sozialistischen Gewerkschaften – gab der Industrie einen neuen Anstoß und brachte Rivera und Alfonso die glühendste Bewunderung der Bourgeoisie ein. Die Weltkrise sorgte für das Ende des spanischen Wirtschaftserfolgs, und Rivera fiel mit der Peseta im Januar 1930. Doch die Bourgeoisie hielt im Großen und Ganzen immer noch an Alfonso fest. Tatsächlich konnte Alcalá Zamora, der Führer der Republik werden sollte, noch am 28. September 1930 auf einer Massenversammlung, die gegen den Kurs der Regierung demonstrierte, seine Rede mit einem Lobgesang auf die Krone beenden.

In der Zwischenzeit, im Mai 1930, hatten die Studenten und Arbeiter von Madrid rote und republikanische Fahnen gehisst und sich mit der Polizei Schusswechsel geliefert. Im September schlossen die Sozialisten und die UGT einen Pakt mit den republikanischen Gruppen, um mit der Monarchie aufzuräumen. Revolutionäre Generalstreiks folgten in Sevilla, Madrid, Bilbao, Barcelona, Valencia usw., wobei es jedes Mal zu tödlichen Zusammenstößen mit der Armee kam. Ein Aufstand der Arbeiter, der mit einer republikanischen Meuterei in der Armee zusammenfiel, wurde vereitelt, als die Soldatenrevolte vom 12. Dezember vor der geplanten Zeit stattfand. Aber die Hinrichtungen der Soldatenführer gaben den Anstoß zu einem von den republikanischen und sozialistischen Führern unterzeichneten Manifest, das die unmittelbare Einführung der Republik zu ihrem Ziel erklärte. Die Unterzeichner wurden in das Gefängnis »La Modelo« von Madrid geworfen – das wurde daraufhin zum Zentrum des spanischen politischen Lebens. Der verzweifelte Versuch von Premier Berenguer, die Cortes nach dem alten Muster als Stütze für Alfonso zu schaffen, wurde durch die republikanisch-sozialistische Boykotterklärung vereitelt. Berenguer trat zurück. Die Kommunalwahlen zeigten, dass die Massen für eine Republik waren.

Erst in diesem allerletzten Moment entschieden die Industriellen, die durch die Generalstreiks, die offen fortgesetzte Bewaffnung der Arbeiter und die sozialistische Drohung eines nationalen Generalstreiks erschreckt waren, dass die Monarchie ein billiges Opfer für die Wölfe der Revolution war. Daraufhin, und erst dann, als Alfonso selbst zustimmte, dass der Kampf sinnlos sei, akzeptierte auch die Bourgeoisie die Republik.