Rhetorik ist keine Kunst, sondern kein Problem - Michael Rossié - E-Book

Rhetorik ist keine Kunst, sondern kein Problem E-Book

Michael Rossié

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Beschreibung

Stellen Sie sich ein wunderschönes Restaurant vor, edel eingerichtet und gleichzeitig gemütlich. Es gibt die allerbesten Speisen von den besten Köchen der Welt und sie werden von perfekt geschulten Kellnern an den Tisch gebracht. Das Restaurant hat nur einen Nachteil. Es gibt wahnsinnig viele Vorschriften, bevor man überhaupt reindarf. Man muss lila-weiß angezogen sein, soll sich gerade halten, darf keinen Mundgeruch haben und die Hände nicht in die Taschen stecken. Man muss Geld in kleinen Scheinen dabei haben.

Das ist mein Bild für die Welt der Rhetorik. Rein darf nur, wer die Regeln befolgt, und zwar alle Regeln. Auf der anderen Seite werden wir heute von unzähligen jungen Rednern überrollt, die sich um keine Regeln scheren. Die gehen lieber in den Naturkostimbiss um die Ecke und benehmen sich, wie sie wollen. Sie nuscheln, machen Filme mit verwackelten Bildern, fangen hinten an und vergraben ihre Hände in den Hosentaschen. Das ist kein Rück-, sondern ein Fortschritt. Solange die die Zahlen für den Lottoschein haben, den ich gestern gekauft habe, ist alles in bester Ordnung.

Werden wir toleranter, werden wir lockerer. Der Inhalt zählt und eine Performance, die uns mitreißt, wie auch immer der Redner das hinbekommt.

Ist es nicht toll, wie viele Menschen Reden halten wollen? Das ist gelebte Gemeinschaft! Hoch lebe die Vereinskultur, die Geburtstagsfeiern und die Tagungen, die Meetings, die Videokonferenzen, die Webinare oder Tutorials, die Filme der Influencer und Blogger!

Dieses Buch will ein Dialog mit Ihnen sein. Es will Ihre Denkweise verändern, wenn Sie nach vorne müssen oder wollen. Ein Bühnenprofi zeigt Ihnen nach 30 Jahren Erfahrung die einfachsten Wege, ein Publikum für sich einzunehmen, fast ganz ohne klassische Rhetorik, ohne Körpersprachetraining und ohne ständiges Üben. Dazu lernen Sie zunächst, anders über so eine Präsentation zu denken. Dieses Buch will helfen, die Fächer in Ihrem Kopf neu zu füllen. Dieses Buch will Ihre Gedanken verändern.

Holen wir den Redner aus dem Elfenbeinturm! Verschaffen wir all den Menschen, die da gekommen sind oder sich eingeschaltet haben, einen Mehrwert! Sorgen wir für Stimmung! Fesseln wir die Zuschauer. Zeigen wir ihnen die Welt von einer neuen Seite! Viel Spaß beim Entdecken von ganz viel Neuem.

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Zum Inhalt:

Stellen Sie sich ein wunderschönes Restaurant vor, edel eingerichtet und gleichzeitig gemütlich. Es gibt die allerbesten Speisen von den besten Köchen der Welt und sie werden von perfekt geschulten Kellnern an den Tisch gebracht. Das Restaurant hat nur einen Nachteil. Es gibt wahnsinnig viele Vorschriften, bevor man überhaupt reindarf. Man muss lila-weiß angezogen sein, soll sich gerade halten, darf keinen Mundgeruch haben und die Hände nicht in die Taschen stecken. Man muss Geld in kleinen Scheinen dabei haben.

Das ist mein Bild für die Welt der Rhetorik. Rein darf nur, wer die Regeln befolgt, und zwar alle Regeln. Auf der anderen Seite werden wir heute von unzähligen jungen Rednern überrollt, die sich um keine Regeln scheren. Die gehen lieber in den Naturkostimbiss um die Ecke und benehmen sich, wie sie wollen. Sie nuscheln, machen Filme mit verwackelten Bildern, fangen hinten an und vergraben ihre Hände in den Hosentaschen. Das ist kein Rück-, sondern ein Fortschritt. Solange die die Zahlen für den Lottoschein haben, den ich gestern gekauft habe, ist alles in bester Ordnung.

Werden wir toleranter, werden wir lockerer. Der Inhalt zählt und eine Performance, die uns mitreißt, wie auch immer der Redner das hinbekommt.

Ist es nicht toll, wie viele Menschen Reden halten wollen? Das ist gelebte Gemeinschaft! Hoch lebe die Vereinskultur, die Geburtstagsfeiern und die Tagungen, die Meetings, die Videokonferenzen, die Webinare oder Tutorials, die Filme der Influencer und Blogger!

Dieses Buch will ein Dialog mit Ihnen sein. Es will Ihre Denkweise verändern, wenn Sie nach vorne müssen oder wollen. Ein Bühnenprofi zeigt Ihnen nach 30 Jahren Erfahrung die einfachsten Wege, ein Publikum für sich einzunehmen, fast ganz ohne klassische Rhetorik, ohne Körpersprachetraining und ohne ständiges Üben. Dazu lernen Sie zunächst, anders über so eine Präsentation zu denken. Dieses Buch will helfen, die Fächer in Ihrem Kopf neu zu füllen. Dieses Buch will Ihre Gedanken verändern.

Holen wir den Redner aus dem Elfenbeinturm! Verschaffen wir all den Menschen, die da gekommen sind oder sich eingeschaltet haben, einen Mehrwert! Sorgen wir für Stimmung! Fesseln wir die Zuschauer. Zeigen wir ihnen die Welt von einer neuen Seite! Viel Spaß beim Entdecken von ganz viel Neuem.

Zum Autor:

Michael Rossié arbeitet seit über 30 Jahren als Sprechtrainer und Coach für Radio- und Fernsehsender sowie in allen Bereichen der Wirtschaft.

Er besuchte die Schauspielschule Ruth v. Zerboni in München, anschließend folgten Theater- und Filmrollen sowie Engagements als Regisseur und Trainer von Schauspielern und Moderatoren. Außerdem schrieb er Drehbücher für diverse Fernsehserien, wie „Der Bergdoktor“, „Für alle Fälle Stephanie“ oder „In aller Freundschaft“.

In seinen Seminaren zeigt er neue Wege, vor und mit Gruppen zu kommunizieren. Mittlerweile sind von ihm zehn Bücher erschienen.

Michael Rossié ist seit 2012 Vizepräsident des Berufsverbandes der Redner deutscher Sprache (GSA) und Mitglied der Top 100 von Speakers Excellence. Seit 2013 trägt er als zwölfter Deutscher den Titel CSP (Certified Speaking Professional).

Rhetorik ist keine Kunst, sondern kein Problem

Einfach eine gute Rede halten

vonMichael Rossié

5Vorwort

Wenn Sie sich dazu entschlossen haben, auf dem Geburtstag Ihrer Mutter ein paar Worte zu sagen, wenn Sie Chef eines Unternehmens werden wollen oder Vereinsvorsitzender, wenn Sie was verkaufen oder wenn Sie einfach nur die Welt verändern wollen, dann, und nur dann, ist dieses Buch für Sie geeignet. Ich werde Sie nicht motivieren, nicht bemitleiden oder beruhigen. Ich werde Ihnen erst nach Ihrem Entschluss, auf die Bühne zu gehen, zeigen, wie einfach das ist.

Ich gebe zu, dass es kein gutes Gefühl ist, von einer Gruppe anderer Lebewesen angestarrt zu werden. Das tun diese Lebewesen eigentlich nur, wenn sie Sie fressen wollen. Ich könnte gut verstehen, wenn Sie beschlossen haben, sich diesem Stress in Ihrem Leben nicht oder nie wieder auszusetzen.

Ein guter Redner will seinem Publikum etwas geben, er ist ein Dienstleister. Die Arbeit auf der Bühne ist keine Therapie, mit der man das Ego streichelt oder endlich mal groß rauskommt. Schon gar nicht eignet sich eine Rede, schwierige Phasen des eigenen Lebens zu verstehen oder zu verarbeiten. Dann schreiben Sie möglicherweise besser ein Buch.

Der Wunsch, die Rede zu benutzen, um im Mittelpunkt zu stehen ist kein legitimes Vorhaben. Rede ist kein Selbstzweck. Wenn der Inhalt keine Rolle mehr spielt und nur die Form gefeiert wird, wird niemand mehr bereit sein, sich als Zuschauer zur Verfügung zu stellen.

Ein guter Redner hat Respekt vor seinem Publikum. Er muss nicht sein halbes Leben an den Erkenntnissen gearbeitet haben, über die er jetzt spricht, aber ein auf dem Gang in die Kantine ausgefüllter Schmierzettel ist deutlich zu wenig.

Eine Gruppe von Schauspielschülern hat auf der Weihnachtsfeier eine Vorführung mal so eingeleitet: „Wir hatten leider keine Zeit für eine vernünftige Vorbereitung…“ Ich bin aufgestanden und rausgegangen. Dazu ist mir meine Zeit zu kostbar.

In der Schule haben alle sehr viel Wert auf Lesen, Rechnen und Schreiben gelegt. Aber reden? Das kann man doch. Nein, das kann man eben vor 400 Menschen nicht mehr, so komisch das klingt. Reden muss man nicht lernen, aber sich mit der ungewohnten Situation vertraut machen schon, üben wäre schön, ausprobieren, anwenden. Wenn ich oft in einer Situation bin, in der ich vor einer Gruppe von Menschen reden muss, fällt es mir leichter, wenn es darauf ankommt.

Wenn ich Menschen frage, ob eine Rede mit oder ohne Rednerpult besser ist, sagt jeder: Ohne! Aber Chris Anderson1 erzählt in seinem wunderbaren Buch, dass der große Daniel Kahnemann deutlich besser war, als man ihm das Rednerpult bewilligte. Sollten wir ihm also den Gefallen nicht tun? Geht es nicht 6am Ende nur um das, was rauskommt? Warum sollte ein Schriftsteller nicht ablesen? Warum sollten Sie bei Ihrer Rede nicht ein Manuskript in der Hand halten? Monika Lewinsky2 liest bei ihrem TED-Talk von einem Blatt auf einem Notenständer ab. Sitzen? Von Folien ablesen? Ob Sie dadurch wirklich schlechter werden und uns alle langweilen, wissen wir noch nicht.

Neri Oxmann3 benutzt zwei Bildschirme, auf denen jeweils etwas anderes zu sehen ist. Sie vergleicht die belebte mit der unbelebten Welt. Clifford Stoll4 hüpft in seinem TED-Talk über die Bühne, als hätte er Sprungfedern unter den Füßen, Stephanie Shirley5 liest von Karten ab und Roman Mars6 sitzt, weil sein Vortrag eine Radiosendung ist. Trotzdem sind sie alle ganz großartig.

Chris Anderson schlägt vor, jedem Vortragenden zu dem Vortragsstil zu verhelfen, der für ihn am besten funktioniert. Was für ein schöner Gedanke!

In diesem Buch erfahren Sie alles, was ich in meinem Leben auf, neben und hinter der Bühne gelernt habe. Ich habe alles zusammengetragen, was wichtig für Sie sein könnte, damit Sie Ihren Stil finden und dabei Ihre Originalität behalten. Vielleicht um andere Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, vielleicht, um beruflich voranzukommen oder wenn es darum geht, eine Gruppe von Menschen gut zu unterhalten.

Mein Leben lang habe ich gelernt und habe gute Reden und beeindruckende Redner gesammelt wie Briefmarken. Ich war immer neugierig, wenn ich irgendwo aufgetreten bin, auch die anderen kennen zu lernen. Ich bin um die Welt gereist, wenn die Hoffnung bestand, irgendeinen tollen Speaker zu sehen, und ich saß viele Stunden vor meinem Computermonitor, um mir meine Helden in das heimische Arbeitszimmer zu holen.

Eine gute Rede hat etwas Magisches. Da passiert etwas zwischen Redner und Zuschauer, das weit mehr ist als die Weitergabe einer Information und Botschaft. Gute Redner führen Sie in eine Welt, in der Sie noch nicht waren. Sie regen zum Nachdenken an, lassen einen die Zeit vergessen und können einen zu Tränen rühren. Gute Reden fesseln die Zuschauer, um sie dann zu entführen. Wenn Sie lernen wollen, wie das geht, dann lesen Sie weiter!

Michael Rossié

1 Anderson, Chris: TED Talks. Frankfurt: Fischer Taschenbuch 2017, 2. Auflage

2 TED Talk: Lewinsky, Monica, Der Preis der Scham

3 TED-Talk: Oxman, Neri, Design at the Intersection of Technology and Biology

4 TED Talk: Stoll, Clifford, The call to learn

5 TED-Talk: Shirley, Stephanie, Why do ambitious women have flat heads?

6 TED-Talk Mars, Roman, Why city flags may be the worst-designed thing you’ve never noticed

7Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Wie Sie dieses Buch benutzen

Eine kleine Warnung

Einführung

Ein Test

Dr. Fox

Kommunikationstheorien

Die zwei Ebenen

Das Eisbergmodell

Die alten Griechen

Die Mythen

Ein guter Redner

Authentizität

Vorbilder

Schauspieler

Antrieb

Sympathie

Widerspruch

Professionalität

Inhalt einer Rede

Die drei Elemente

Der richtige Mix

Themensuche

Inhaltliche Vorbereitung

Die Kernbotschaft

Der Appell

Emotionen

Für Redeprofis

Die Dramaturgie

Ordnen

Überzeugen

Chronologie

Problem – Lösung

Vergleiche

Storys

Das Geheimnis

Die W-Fragen

Die Auswirkungen

Die Helden-Dramaturgie

Weitere Ideen

Frei sprechen

Improvisation

Das Sternsystem

Die Chronologie

Struktur

Beispiele

Vollständigkeit

Hilfsmittel

Ein guter Stern

Mindmapping

Üben

Flow

Schlagfertigkeit

Fachmann sein

Falsches Thema

Kein Bild

Nicht wissen

Alarm schrillt

Tricks entlarven

Lampenfieber

Vorteile

Die Entscheidung

Ausreden

Der Schwierigkeitsgrad

Bühne oder Sterben

Lernen in Stufen

Entspannung

Mentales Warm-up

Blackout

Körpersprache

Training

Lügen

Körperhaltung

Gesicht

Lächeln

Freude

Blickkontakt

Lieblingszuschauer

Hände

Gestik

Die Gürtellinie

8Beine

Gehen

Fester Stand

Vorspielen

Sprechen

Stimme

Deutlichkeit

Dialekt

Korkensprechen

Atem

Leichter ist einfacher

Begeisterung

Keine Zeit

Wiederholungen

Wörtliche Rede

Konkret

Zeigen

Teilweise

Würzmittel

Magic Moments

Untersuchungen

Spannung

Rhythmus

Rhetorische Figuren

Rhetorische Fragen

Metaphern

Vergleiche

Ironie

Refrain

Storytelling

Kleine Geschichten

Persönliche Geschichten

Gute Geschichten

Wo anfangen?

Weglassen

Mündlich

Fallhöhe

Auf Pointe erzählen

Komik in der Tragödie

Die Moral

Was Sie sich sparen können

Aufzählungen

Überleitungen

Zitate

Altbackenes

Weichmacher

Unsinn

Druck

Emotionen

Definieren

Eigenwerbung

Lügen

Entschuldigen

Eine Rede ausformulieren

Nebensätze

Halbe Sätze

Kraftvolle Verben

Satzstellung

Partizipien

Einschübe

Verknüpfungen

Gegensätze

Passiv

Verneinungen

Adjektive

Kurze Wörter

Komplizierte Konstruktionen

Eigennamen

Kriegsbegriffe

Zahlen

Duzen

Der Titel

Unterstellungen

Konkret

Wohlklingend

Fragen

Eine Rede aufschreiben

Schrift

Sprechzeichen

Satzzeichen

Das Manuskript

Zahlen schreiben

Eine Rede vorlesen

Gedanken sprechen

Pause im Gedanken

Satzzeichen lesen

9Betonungen

Richtige Betonung

Überbetonungen

Einzelwortbetonung

Verneinungen

Endbetonungen

Zweigeteilte Verben

Manipulationen

Titel

Zahlen betonen

Ausnahmen

Unterton

Gemischte Gefühle

Der Zusammenhang

Vorlesen für Profis

Lautstärkewechsel

Steigerung

Figuren verraten

Geräusche

Stimmfarbe

Aufgeschriebene Spontaneität

Auswendig lernen

Technisches

Mikrofon und Co.

Das Technikteam

Rednerpult

Flipchart

Beamer

Teleprompter

Video

Das Licht

Technikausfall

Störungen

Kleidung

Requisiten

Proben

Der Raum

Größe

Abstand

Verantwortung

Der Idealfall

Symmetrie

Die Organisation

Suboptimale Bedingungen

Webinare und Videokonferenzen

Checkliste für Webinar und Videokonferen

PowerPoint

Aufgabenverteilung

Die ideale Folie

Stern und PowerPoint

Folien fürs Lesen

Der richtige Zeitpunkt

Animationen

Bilder

Pointen im Bild

Gute Bilder

Schlechte Bilder

Metaphern

Schlechte Folien

Corporate Design

Die Menge der Folien

Fernbedienung

Laserpointer

Folien kommentieren

Bullet Points

Handout

Namen für Präsentationen

Letzte Vorbereitungen

Die Checkliste

Der Auftritt

Der Begleiter

Die Anmoderation

Der Inhalt

Ein Versprechen

Selbst geschrieben

Auf der Bühne

Die Pause am Anfang

Technisches ansagen

Falsche Anfänge

Etwas Negatives

Die Agenda

Falscher Schluss

Ein guter Schluss

10Tipps für Profis

Teampräsentation

Interview

Die vierte Wand

Humor

Witze selbst entwickeln

Stolperstellen

Interaktion mit dem Publikum

Fragen ans Publikum

Zustimmung vorausgesetzt

Die Fragerunde

Scheinbare Interaktivität

Zwischenrufe

Auf die Bühne holen

Aktionen

Applaus

Nachbereitung

Es ging daneben

Umgang mit Kritik

Feedback

Schlechtes Publikum

Fehler

Versprecher

Zu schnell

Zeit gewinnen

Beurteilungsbögen

Schmutzige Tricks

Vermarktung

Die Website

Das Video

Das Honorar

Der Pitch

Das Marketing

Achtung

Nicht nachmachen

Der Weg zum Profi

Dank

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

 

 

 

Zusammenfassung der Kapitel und Checklisten zu jedem Kapitel im Buch finden Sie unter www.michael-rossie.com/Downloads. Zugangscode RikKskP

11Wie Sie dieses Buch benutzen

Dass Sie dieses Buch chronologisch lesen können, um alles über Reden und Vorträge zu lernen, ist Ihnen auch klar. Aber in diesem Buch werden mehrere Möglichkeiten vorgestellt, eine Rede zu halten, die einander ausschließen. Entweder Sie lesen eine Rede vor oder Sie halten die Rede nach Stichworten, entweder mit oder ohne PowerPoint, entweder mit Storys und Humor oder nüchtern und sachlich.

Wenn Sie sich also schon entschieden haben, können Sie genau mit den Kapiteln anfangen, die für Sie passen. Wenn Sie Ihre Rede ohnehin ablesen wollen oder müssen, dann lassen Sie das Kapitel über das freie Sprechen erst mal aus, und wenn Sie eine Rede auf einer Familienfeier halten, brauchen Sie kein ­PowerPoint.

Nach einer Einführung, in der ich Sie mit einer neuen Denkweise zum Thema Reden konfrontieren möchte, zeige ich Ihnen das freie Sprechen, um anschließend dann alle weiteren Techniken zu behandeln, wie man eine mitreißende Rede entwickelt. Denn ein Rezept für alle gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die Fähigkeiten, die Ziele und vor allem, die Zeit, die man dafür aufwenden will. Die Begriffe von richtig oder falsch verschwimmen mehr und mehr. Es geht mehr darum, ob etwas sinnvoll ist, ob es seinen Zweck erfüllt, ob beim Publikum das ankommt, was dort ankommen soll.

Was das ist und wie Sie das erreichen, das sollten Sie selbst entscheiden. Vielleicht ist Ihre Rede ja auch schon morgen und Sie wollen erst mal was über Lampenfieber wissen oder Sie haben noch Probleme mit der Technik.

In diesem Buch habe ich vieles ein bisschen überzeichnet, um es unterhaltsam zu machen, damit die Lektüre genauso kurzweilig wird wie das Anschauen eines guten Vortrages.

Eine kleine Warnung

Wenn Sie irgendwo im Buch die Stirn runzeln oder genervt den Kopf schütteln, weil Sie anderer Meinung sind, lesen Sie einfach beim nächsten Abschnitt weiter. Machen Sie nichts von dem, was ich Ihnen vorschlage, was Ihnen nicht liegt. Wenn Sie noch nie von jemandem in Bezug auf Ihre Rhetorik beraten worden sind, sparen Sie sich alle Kästchen, über denen Missverständnis steht. Die brauchen Sie nicht.

Vor allem: Glauben Sie mir nicht alles. Für mich ist das alles erprobt, hat sich bewährt und funktioniert perfekt. Ob Sie überhaupt das Geringste damit anfangen können, entscheiden Sie. Reden halten, wie ich es verstehe, heißt eben auch frei sein in Aufbau, Inhalt und Vortrag.

12Wenn Sie sich über dieses Buch aufregen sollten, dann versuchen Sie einfach, mich nicht so ernst zu nehmen. Natürlich schreibe ich das Buch mit allergrößter Ernsthaftigkeit, aber so ernst ist das Thema nun auch wieder nicht. Es gibt keinen Börsencrash, wenn Ihre Rede daneben geht (und wenn doch die Gefahr besteht, dann rufen Sie mich oder einen anderen Coach bitte vor Ihrer Rede an) und Sie werden auch nicht mit faulen Eiern beworfen (und wenn doch die Gefahr besteht – siehe oben).

Gehen Sie nach vorne und reden Sie, wie Sie wollen. Lassen Sie uns hinterher bei einem heißen oder gekühlten Getränk darüber reden, wie man das verbessern kann. Aber hitzige Debatten, scharfe Auseinandersetzungen oder ermüdende Diskussionen zum Thema Rhetorik sind völlig fehl am Platz. Auch dieses Buch ist ein Versuch. Ein Versuch sich dem Phänomen zu nähern, wie man eine Gruppe von Menschen eine Stunde oder länger in Atem hält, wie man stehende Ovationen bekommt, wie man im Gedächtnis bleibt. Aber immer spielerisch, locker, immer augenzwinkernd und immer mit einem Angebot. Immer als ein Versuch, eine Idee. Ich habe viele, viele Stunden meines Lebens auf der Bühne zugebracht. Scheinwerferlicht ist meine Wohnraumbeleuchtung. An den vielen Ideen, die mir nach und vor dieser Zeit auf der Bühne gekommen sind, an denen werde ich Sie teilhaben lassen. Denn es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht eine neue Idee oder eine Inspiration auf einem kleinen irgendwo ausgerissenen Zettel voller Stolz nach Hause trage.

13Einführung

„Sie können auf der Bühne nichts falsch machen!“ Das ist der Satz, den ich allen sage, die bei mir Hilfe für Ihre Reden oder Vorträge suchen. Das ist gleichzeitig der Satz, der Ihnen in der Rückschau am meisten geholfen hat. Wir können nichts falsch machen. Wir können langweilig sein oder andere ärgern, wir können verwirrend sein oder unsympathisch, wir können zu leise sein oder furchtbar aussehen, aber beruhigen Sie sich: „Sie können da oben nichts falsch machen!“

Redekunst, Vortragskunst, das sind Begriffe, die in meinen Augen ausgeschriebenen Reden vorbehalten sind. Eine geschriebene Rede kann große Literatur sein, Kunst im besten Sinne. Ob man dann aber von Vortragskunst sprechen sollte, wenn diese Rede vorgelesen wird? Wohl nur, wenn das ein Schauspieler wie Mario Adorf macht oder Senta Berger oder Christiane Hörbiger.

Grosse Reden sind eine Kunst.

Genauso wie Intarsienarbeiten, Steuererklärungen für Großunternehmen, bei denen herauskommt, dass das Unternehmen keine Steuern zahlen muss, oder die Kunst der Meditation. Wenn Sie aber ein Fan von Reden sind, wenn Sie an die Macht des gesprochenen Wortes glauben, wenn Sie den Menschen, die Sie bewegen wollen, in die Augen gucken wollen und ihre Seele oder ihr Herz erreichen wollen, dann ist das Schreiben und anschließende Sprechen von Reden nur die zweitbeste Methode und denen vorbehalten, die gerade mit dem Rednerhandwerk anfangen oder so nervös sind, dass sie keine wirkliche Wahl haben. Aber dann sollten sie reden lernen, indem sie Vorlesen lernen.

Beim freien Reden ist natürlich ein Stichwortzettel erlaubt, genauso wie schriftliche Unterlagen für Sie oder die Teilnehmer und natürlich sind auch PowerPoint Folien erlaubt. Aber die Sätze, die Sie sprechen, entstehen immer in dem Moment, in dem Sie sie sagen, und nicht Tage vorher. Wie Sie das hinbekommen, auch davon handelt dieses Buch.

Eine frei gehaltene Rede ist eigentlich nur eine Edelversion einer guten Unterhaltung. Der oder die da vorne redet auch nicht anders als mein Obsthändler oder meine Mutter, ein bisschen mehr auf den Punkt vielleicht und ein bisschen strukturierter. Es gibt ein konkretes Ziel und möglicherweise einen Spannungsaufbau. Aber ansonsten hört sich das genauso an wie ein alltägliches Gespräch.

Ohne Regeln geht es am Anfang deutlich leichter. Die klassische Rhetorik war gestern (und sie kommt nicht wieder). In meinen Augen ist die Arbeit an rhetorischen Hilfsmitteln und Formeln nur für den sinnvoll, der ein ziemlich gutes Ergebnis noch ein bisschen runder machen möchte. Aber Rhetorik hält den Anfänger zunächst einmal vom Reden ab. Das ist genau wie beim Fußball. 14Vor einen Ball treten ist deutlich einfacher, als lange Pässe zu kicken, Fallrückzieher zu machen oder gar in die Nationalmannschaft zu kommen. Wenn ich Ihnen dauernd sage, dass Sie noch nicht so kicken, wie die vom FC Bayern, ist das keine Hilfe.

Es gibt beim Reden nicht die richtigen Worte, die richtigen Bewegungen, die richtigen Bilder, die richtige Struktur. Es gibt nur Reden, die möglichst gut zum Redner und zum Redeanlass passen. Wenn Ihre Mutter Sie da oben nicht wiedererkennt, wenn Ihre Freunde anschließend sagen: „Du warst mir so fremd während Deiner Rede.“ Dann haben Sie ganz sicher etwas falsch gemacht.

Ich behaupte, die schlechten Redner sind nicht die Ungeübten, die Unsicheren, die Vorsichtigen, sondern es sind die falsch Trainierten, die vermeintlich Selbstsicheren, die perfekt Glatten, die langweilen uns unendlich.

Wenn Sie sich gut vorbereitet haben, merkt das jeder Zuschauer. Das wird anerkannt, auch wenn Sie kein so guter Redner sind. Wenn Sie gute Folien haben, möglicherweise sehr gute Folien, wenn Sie Zwischenfragen sicher beantworten können und wenn Sie sich genau auf die Zielgruppe einstellen, werden die Menschen im Zuschauerraum das bewundern. Und Ihre gelegentlichen Stotterer oder dass Sie dauernd Stimmt’s nicht? sagen, ist deutlich weniger wichtig.

Wie wäre es mit Kommentaren wie: Er hatte viele ähs, aber das war ja echt spannend oder Er ist dreimal rausgekommen und hat den Faden verloren, aber so viel habe ich lange nicht gelernt oder Er ist ein bisschen viel herumgelaufen, aber inhaltlich war das total auf den Punkt. Alle Achtung! Solche Kommentare wünsche ich Ihnen, wenn Sie von der Bühne kommen.

15Ein Test

Werden Sie sich zunächst klar, worauf es bei so einem Vortrag oder einer Rede ankommt. Machen Sie einfach mal spontan Ihr Kreuzchen, welchen Vortrag Sie gerne sehen würden. Wir gehen bei allen Vorträgen davon aus, dass sie von einem Thema handeln, das Sie brennend interessiert.

Für mich wäre das klar. Ich will unbedingt die bahnbrechende Analyse hören. Das interessiert mich am allermeisten. Dass der Professor ein bisschen verwirrt ist, nehme ich in Kauf. Auch die wissenschaftliche Untersuchung interessiert mich brennend, auch wenn der Redner stottert. Dann kommt lange nichts. Der tigernde Sportler könnte noch nett sein. Ich lache gerne. Die Business Lady, die mir ein amerikanisches Buch vorliest, langweilt mich schon durch die Ankündigung. Das Buch kann ich selber lesen. Eine Rede von 20 Minuten habe ich locker in 10 Minuten selbst gelesen. Genauso wie die Folien von der Folienableserin. Dann kann ich nämlich selber entscheiden, wann ich was lese. Auch die Zusammenstellung von dem jungen Mann interessiert mich nicht wirklich. In meinem Fachgebiet kenne ich mich sehr gut aus. Ideen aus den 90igern bleiben Ideen aus den 90igern, auch wenn sie brillant vorgetragen werden. Wenn mich das nicht interessiert, kann er das als Opernarie trällern, es wird trotzdem nicht spannender.

Ob der Mensch da vorne attraktiv ist oder nicht, ist mir nicht wo wichtig. Natürlich sehen wir lieber jemand an, der gut aussieht, aber das ist subjektiv und immer nur eine Zugabe.

Ein Veranstaltungssaal ist normalerweise keine Party, bei der ich einen Partner fürs Leben suche. Damit wollte ich Sie herausfordern. Wenn jemand schlecht redet, muss er schon ziemlich toll aussehen, damit ich das wenigstens für kurze Zeit vergesse.

Attraktive Menschen verdienen mehr, bekommen mehr Hilfe und werden zu geringeren Strafen verurteilt. Wirtschaftswissenschaftler haben in Amerika und Kanada Stichproben genommen und festgestellt, dass das Einkommen von gut aussehenden Beschäftigten 12 bis 14 Prozent über dem ihrer weniger attraktiven Kollegen liegt.7

Möglicherweise ist die Auswertung dieses kleinen Tests bei Ihnen ein bisschen anders. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass Inhalt immer vor Form geht. 16Erst wollen wir einen spannenden Inhalt oder zumindest gut unterhalten werden. Dann sehen wir uns die Form an.

Was bedeutet das für Ihre Rednerkarriere? Wenn Sie was zu sagen haben, ist es fast egal, wie Sie das tun. Stecken Sie also am besten Ihre ganze Energie in Ihr Thema und nicht in die Vermeidung tänzelnder Schritte bei Erreichen des Bühnenrandes oder in das Üben großer Handbewegungen. Ich glaube überhaupt nicht daran, dass die Redner mit der brillanten Form uns über einen sehr dürftigen Inhalt hinwegsehen lassen.

Es geht darum, natürlich zu sein in einer unnatürlichen Umgebung. Ideal wäre ein neuer Inhalt, gut erklärt, der mich berührt und unterhaltsam ist und mit ruhigen Bewegungen von einem Menschen lebendig frei vorgetragen, der mir einigermaßen sympathisch ist. Einfach, oder?

Reden ist eine tolle Sache. Keine Gemeinschaft auf der Welt, die hören kann, verständigt sich in Gebärdensprache. Wir reden miteinander, weil es die schnellste Möglichkeit ist, Informationen durch das Ohr in den Kopf einzugeben.8 Niemand braucht Ihnen dieses Reden beizubringen. Das können Sie. Das tun Sie jeden Tag. Manche von uns viel zu oft und zu viel. Sie müssen lernen, das vor der Gruppe zu tun oder zielgerichteter zu tun oder unterhaltsamer, aber der Redevorgang selbst ist nichts, was Sie lernen müssten. Es fängt also damit an, sich bewusst zu machen, dass Sie alles, was Sie für einen guten Redner brauchen, schon mitbringen.

Dr. Fox

Als Trainer und Speaker hat mich von Anfang an die Studie von Dr.Fox interessiert, die sich zum Beispiel in „Das Buch der großen Experimente“9 findet.

Ein gewisser Dr. Fox hielt einen Vortrag unter dem eindrucksvollen Titel „Die Anwendung der mathematischen Spieltheorie in der Ausbildung von Ärzten“ vor den Verantwortlichen des Weiterbildungsprogramms der University of Southern California School of Medicine.

Fox war Schauspieler und hielt einen Vortrag, der ausschließlich aus unklarem Gerede, erfundenen Wörtern und widersprüchlichen Feststellungen bestand, die er mit viel Humor und sinnlosen Verweisen auf andere Arbeiten vortrug.

17Auf dem Beurteilungsbogen gaben alle Zuhörer an, der Vortrag habe sie zum Denken angeregt, neun fanden zudem, Fox habe das Material gut geordnet, interessant vermittelt und ausreichend erklärende Beispiele eingebaut.

Das gibt es doch nicht, oder? Kann das wahr sein? Dann habe ich also doch nicht Recht?

Ich habe etwas überlesen. Ich habe überlesen, vor wie vielen Menschen der Versuch stattfand. Scott Berkun10 hat mich dann wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Die Studie des Dr.Fox hatte gerade mal elf Teilnehmer. Damit kann man nun wirklich keine allgemein gültige Regel ableiten. Aber ob das denn nun wieder stimmt…

Mich beruhigt das ein bisschen! Ob es also wirklich so ist, dass die Zuschauer der Form folgen und nicht dem Inhalt, bleibt wissenschaftlich gesehen zumindest im Moment noch im Dunkeln. Fragen Sie sich einfach selbst, worauf Sie achten, wenn Sie sich eine Eintrittskarte kaufen oder sich nett anziehen, um auf eine Veranstaltung gehen.

7 Cialdini, Robert: Die Psychologie des Überzeugens. Bern: Hogrefe Verlag,2020, 6. Auflage, S. 223

8 Pinker, Steven: Der Sprachinstinkt, München: Kinder Verlag 1996, S. 18

9 Schneider, Reto U.: Das große Buch der Experimente. München: C.Bertelsmann 2004, S. 209

10 Berkun, Scott: Bekenntnisse eines Redners. Köln: O’Reilly 2010, S. 128f.

18Kommunikationstheorien

Das ist ein Buch über die Praxis. Aber ein paar kurze Gedanken zur Theorie müssen sein. Was das Sender/Empfänger-Modell ist, brauche ich nicht zu erklären. Sie wissen selbst, dass es oft nicht funktioniert und der Empfänger nicht die Botschaft versteht, die der Sender gesendet hat. Wenn sich also zwei Menschen, die sich um 19 Uhr in einer Pizzeria in der Sonnenstraße in München verabreden, auch ungefähr um 19 Uhr beide in dieser Pizzeria ankommen, grenzt das an ein kleines Wunder. Es ist viel wahrscheinlicher, dass auf dem Weg vom Sender zum Empfänger einiges schief geht, einer beim Chinesen in Harlaching landet und der andere eine Stunde später kommt oder keinen Hunger hat.

Die Lösung scheint einfach. Wenn es um Zahlen, Daten, Fakten geht, in diesem Falle um einen Termin, dann genügt doch eine kurze E-Mail: Pizzeria Rosario, Sonnenstraße 123, Montag 19 Uhr. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr, wenn einer unpünktlich am falschen Ort ist. Vorausgesetzt, Sie machen aus Sonnenstraße nicht Sonnenweg oder Sonnenplatz.

Für so einfache Sachverhalte ist das eine Hilfe. Aber wissen Sie jetzt, ob wir uns vor der Pizzeria treffen und dann einen Cocktail in einer angesagten, aber versteckt liegenden Bar trinken oder ob Sie richtig Hunger auf eine Riesenpizza mitbringen sollten? Nein, das wissen Sie noch nicht. Selbst wenn Sie jetzt noch in die E-Mail schreiben, dass Sie sich auf die Riesenpizza freuen, kann es sein, dass der andere das Treffen absagt, weil er gerade eine Diät macht und eigentlich Fisch essen wollte. Doch auch das können Sie abstellen. Irgendwann sind alle Informationen so glasklar aufgelistet, dass es keine Missverständnisse gibt und die Informationsweitergabe hat geklappt.

Müssen reden!19 Uhr! UNSERE Pizzeria.

Wenn die Informationsweitergabe aber über die Fakten hinausgeht, wird es noch komplizierter. Sie möchten z. B. dass er andere sich auf ihr Treffen freut, weil die Pizza ja eigentlich nur ein Vorwand ist oder Sie haben kein Geld und wollen eingeladen werden. Je weniger sich die Menschen bei der Kommunikation in die Augen schauen, desto schwerer wird es, klar zu kommunizieren. Wenn Sie sich dann noch per Kurznachricht verständigen, ist die Botschaft um so komplizierter, je kürzer es wird. Bei einer SMS oder einer WhatsApp-Nachricht könnte das dann so (siehe Kasten) aussehen.

Wenn Ihre Freundin das schickt, kann das heißen, dass sie gerade Ihren Doktortitel in Biologie bekommen hat, oder dass sie sich von Ihnen trennen will, um mit Ihrem besten Freund zusammenzuziehen. Oder sie verbittet sich weitere Telefonanrufe, weil ihr Mann sich sonst scheiden lässt. Sie haben die SMS bekommen, 19Sie wissen wahrscheinlich mehr als wir. Aber ein Rest Unsicherheit bleibt. Geht es um etwas Positives? Liegt in der Kürze eine Drohung oder bedeutet es liebevolle Hektik voll von übergroßer Freude.

Du Idiot, spinnst du…

Wie geht es jetzt weiter?

…mir die liebste SMS der Welt zu schicken.

oder:

…immer noch zu glauben, zwischen uns liefe was.

Wenn wir nichts hören und keinen Gesichtsausdruck dazu sehen, nehmen die Missverständnisse exponentiell zu. Durch Worte wird eben nur ein Teil der Nachricht transportiert. Wenn Sie nur ein paar Einzelteile Ihres Autos nach Finnland transportieren, können Sie in Finnland nicht losfahren.

Sie können eine Rede schreiben, wenn Sie sehr nervös sind, und sie anschließend vorlesen. Wenn der Papst kommt oder Ihr Lieblingsmensch in weißem Kleid oder schwarzem Anzug in der ersten Reihe sitzt, ist das eine tolle Idee. Nicht, dass Sie ohnmächtig werden vor Aufregung.

Wenn Sie vorlesen, dann ist das ein Anfang. Aber es fehlt das wichtigste Element, das eine gute Rede ausmacht: Der Subtext, die zweite Ebene, die Melodie, die alle die Gründe liefert, warum der Redner heute persönlich gekommen ist und uns weder einen Link für den Download geschickt hat noch fotokopierte Blätter austeilt. Wenn es ein Geheimnis einer tollen Rede gibt, dann ist das der Unterton, mit dem Sie sprechen.

Sprache ist sehr mächtig. Sie kann mächtig langweilen, mächtig auf die Nerven gehen und einen mächtig in Bewegung setzen. Dasselbe gilt für die Schrift. Auch Texte können Menschen ziemlich durcheinander bringen. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Für einen Text brauchen Sie einen Autor und einen Schauspieler, aber Sie brauchen eigentlich keinen Redner. Oder einen schauspielernden Redner oder einen redenden Schauspieler. Wenn der Schauspieler nicht wirklich gut ist, dann würde ich die brillanten Reden eigentlich lieber gedruckt lesen. Denn dafür sind Sie geschrieben. Schreiben von Reden sollte also nur eine Zwischenstufe sein.

Die zwei Ebenen

Die Erkenntnis, dass alles, was wir sagen, eine Sach- und eine Beziehungsebene hat, stammt von Paul Watzlawick. Jeder Satz, den wir sagen, hat also Wörter, die eine bestimmte Form und Bedeutung haben und diese Melodie, also eine bestimmte Mischung aus Tonhöhe und Lautstärke, die dem Satz erst eine genauere Bedeutung zuweist. Aber auch diese zweite Ebene kann ganz verschiedene 20Informationen transportieren. Denn Sach- und Beziehungsebene müssen nicht immer dasselbe sagen.

Ich liebe deine Phantasie!

kann Lob oder Ärger sein. Je nachdem, wie der Sprecher das meint. Das können wir dem Satz nicht entnehmen. Dazu müssen wir zuhören, wie der Satz gesagt wird. In den meisten Fällen wird jetzt klarer, was der Sprecher damit meint. Aber auch nur in den meisten Fällen. Immer klappt das auch nicht.

Friedemann Schulz von Thun hat die Beziehungsebene deswegen noch in das ich das du und das wir unterteilt und kommt zusammen mit dem es, also den Worten des Satzes, auf sein Modell von den vier Seiten einer Nachricht. Ich kann also jede Aussage nicht nur sachlich verstehen, sondern auch als eine Selbstoffenbarung (das ich), einen Appell (das du) und ich kann eine Aussage über unsere Beziehung machen (das wir). Das ist auf der einen Seite ein sehr einfaches und eingängiges Modell, was für Ausdrucksmöglichkeiten ein ganz einfacher Satz bietet, aber es zeigt eben auch die Anfälligkeit für Missverständnisse. Wie soll ich ahnen, auf welcher Ebene der andere sich gerade befindet?

Zusätzlich zur Sach- und Beziehungsebene fehlt in meinen Augen auch noch das, was ich die Situationsebene nenne. Selbst wenn Worte und Unterton völlig klar sind, können sich für denselben Satz in unterschiedlichen Situationen völlig unterschiedliche Bedeutungen ergeben.

Ein Satz wie

Wir sehen uns.

vom Clown im Zirkus kann anders gemeint sein als vom Richter in der Verhandlung, auch wenn die Melodie dieselbe ist. Und bei einem

Ich liebe dich!

kurz vor dem Sprung von einer Brücke oder nach der Drohung, die eigenen Kinder nicht mehr wiedersehen zu dürfen, beeinflusst die Situation unserer Kommunikation erheblich. Wo ich gerade bin, ist für die Bedeutung einer Aussage eben auch entscheidend. Am Freitagabend im Vereinslokal kommt ein Witz immer besser an, als am Montagmorgen im Teammeeting.

Wenn ich nun die Körpersprache dazu nehme, die ebenfalls alle vier Seiten einer Nachricht aufweisen kann, wird es noch komplizierter. Die verschränkten Arme können aussagen, dass der Sprecher sich nicht wohl fühlt, der pieksende Finger zeigt, dass er sich gerade ärgert und ein Schulterklopfen, dass wir gerade ein Superteam abgeben. Die Finger können drei Punkte aufzählen, obwohl es vier sind. Auch die Köpersprache kann natürlich widersprüchlich sein.

21Die meisten Reden haben nun den Fehler, dass dem Wort eine viel zu große Bedeutung beigemessen wird. Die Körpersprache kann eine Aussage oder die Melodie eines Satzes ad absurdum führen. Die Beziehungsebene kann fehlen oder ist deutlich unterentwickelt. Ein Nicht-Schauspieler kann eben nicht beliebig Untertöne unter die Sätze packen. Diese Untertöne sollen auch kein Selbstzweck sein, sondern das unterstützen, was der Redner sagen will.

Marschieren Ihre Sätze oder tanzen Ihre Sätze?

Es gibt ein ganz einfaches Mittel, um herauszufinden, ob die Sätze Ihres Vortrages diese Untertöne haben oder nicht:

Sprechen Sie monoton, eintönig und geleiert? Klingen Sie wie eine schlechte Rundfunkwerbung für ein Möbelhaus, bei der der Sprecher jeden Satz mit demselben schreienden Unterton in die Luft pustet? Oder klingt jeder Ihrer Sätze völlig anders als der Satz davor, wie in einem guten Film oder Theaterstück? Oder wie in der Wirklichkeit? Haben Ihre Sätze einen wechselnden Rhythmus, unregelmäßige Lautstärkeverschiebungen und ein abwechslungsreiches Tempo? Überrascht den Hörer jeder Satz mit einem neuen Unterton? Ist es diese sich ständig verändernde Melodie, die den Hörer schon dadurch in Spannung hält, weil man nie genau weiß, wie es weitergeht?

Erst wenn Sie da ja sagen, dann vergrößert das deutlich Ihre Chance, Ihre Zuschauer zu erreichen, zu bewegen und dorthin zu führen, wo Sie sie haben wollen.

Der Hörer muss immer wieder überrascht werden. Ein plötzlicher Reiz hat uns in der Steinzeit aktiviert, um Gefahren zu erkennen. Heute wissen wir, dass uns nichts passieren kann und erleben einen solche Energiestoß als lustvoll. Aber der Reiz sollte nicht zu stark sein (plötzliches unmotiviertes Schreien würden wir als ärgerlich empfinden) und der Reiz muss immer wieder andersartig sein, sonst stumpfen wir ab. Schauspieler müssen sich da eine Menge einfallen lassen. 22Wenn wir bei privaten Gesprächen aber mit Begeisterung von etwas erzählen, dann passieren diese Wechsel der akustischen Reize automatisch.

Die Begeisterung für Radfahren erwecke ich nicht durch eine Analyse eines Fahrrades sondern durch die begeisterten Erzählungen vom Fahrtwind bei einer Tour durch sommerliche Rapsfelder.

Das Eisbergmodell

Das zweite, sehr oft benutzte Model für die menschliche Kommunikation ist das Eisbergmodell. Der Name erklärt eigentlich schon alles. Wir sehen, bzw. hören oft nur die Spitze des Eisberges und ahnen nicht, was alles unter der Wasseroberfläche steckt. Das ist meist der größere Teil der Information.

Ein häufiges Missverständnis ist jetzt, dass man glauben könnte, dass der Eisberg nur deswegen so schwer zu finden ist, weil nur ein kleiner Teil aus dem Wasser ragt. Nein, Eisberge sind Eisberge. Da ist immer der größte Teil unter Wasser. Wenn wir so denken, dann hätten wir das Eisbergmodell gründlich missverstanden.

Es geht vielmehr darum, dass ich bei jeder kleinen Spitze, die ich aus dem Wasser ragen sehe, mit einem Eisberg rechnen muss. Je erfahrener ich bin, je mehr ich von Kommunikation verstehe, desto besser kann ich der Spitze ansehen, ob da ein Rieseneisberg dranhängt, oder ob es sich um einen Schneeball handelt, der da im Wasser schwimmt.

Das Problem ist jetzt, dass auch jeder Satz eines Redners die Spitze eines Eisberges ist. In jedem Satz sind eben, wenn die Rede gut ist, noch sehr, sehr viele Informationen verborgen, die oft nicht einmal dem Sprecher bewusst sind. Wir behaupten, wir hätten etwas ganz ruhig gesagt, aber in Wahrheit hat man den brodelnden Ärger bis zum Nachbarhaus hören können.

Deswegen ist Lügen so schwer. Sie müssten die Hoheit über den versteckten Teil des Eisberges haben, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie genau das nicht hinkriegen. Glauben Sie nicht, dass die Zuschauer sich damit zufrieden geben, die Spitze zu sehen (zumindest wenn der Zuschauerraum voller Lehrer oder Diplompsychologen ist). Wenn Sie da vorne im Scheinwerferlicht stehen, können unter Umständen alle in Ihre Seele gucken. Gute Schauspieler können Ihnen was vormachen. Aber auch nur im Theater. Ein Schauspieler hat im Privatleben beim Lügen nur unwesentliche Vorteile.

Tucholsky hat in seinen Ratschlägen für einen schlechten Redner11 geschrieben, dass wir auf der Bühne nackter sind als beim Sonnenbade. Deswegen plädiere ich für echte Redner, die meinen, was Sie sagen, die an das glauben, was Sie verkünden 23und die von dem überzeugt sind, wovon Sie reden. Auch wenn jemand für eine Firma spricht, würde ich erst für das Commitment sorgen, für die Begeiste­rung, die Zustimmung, das Einverständnis, bevor ich den Redner auf die Bühne lasse, um für meine Sache Werbung zu machen.

Die alten Griechen

Das Alte Griechenland ist vor langer Zeit untergegangen. Das ist aus verschiedenen Gründen schade. Aber die Zeiten, zu denen sich die Redner wochenlang auf ihren Auftritt vorbereiteten, gehören der Vergangenheit an. Im alten Griechenland gab es die drei Disziplinen der Rede: die politische Ansprache, die Gerichtsrede oder die Festrede12. Und die Reden wurden auswendig gelernt und aufgesagt. Rhetoriktraining hieß also zu einem großen Teil auch Gedächtnistraining.

Außerdem musste die Stimme geschult werden. So eine Volksversammlung hatte auch mal 6000 Teilnehmer, und ein Mikrofon gab es damals ja noch nicht.13 Die Festrede, die jemand auswendig lernt oder vom Blatt abliest, gibt es heute immer noch. Auch viele Politiker lesen vor, was ihnen ihre Referenten aufgeschrieben haben. Es mag auch Rechtsanwälte geben, die für ihre Plädoyers an jedem Wort feilen.

Aber heute haben Reden ganz andere Schwerpunkte und es wird viel mehr an vielen verschiedenen Orten geredet. Von den meisten Reden hängt auch nicht Krieg oder Frieden ab oder ob jemand verurteilt wird oder nicht.

Nur weil ein paar alte Griechen eine clevere Geschäftsidee hatten und eine Rednerschule eröffneten, sollen wir jetzt etwas lernen, was wir eigentlich längst können: reden.

Rhetoriktrainer der klassischen Schule sagen uns, dass die Handhaltung von Rednern schon seit 2000 Jahren trainiert wird. Aber was ist mit den 2 Millionen Jahren davor? Da haben wir immer alles richtig gemacht!

Ein Trick, der unterrichtet wird, ist kein Trick mehr.

Wird Rhetorik sogar als Überredungskunst definiert14, dann wird es den meisten von uns sogar verdächtig. Ein Politiker oder ein Verkäufer, der Tricks benutzt, um uns zu etwas zu bewegen. Sofort sind wir in Alarmbereitschaft und der Mensch, der diese Methoden anwendet, hat es deutlich schwerer, an uns heranzukommen.

24Wenn ich etwas anwende, was in der Schule oder in Dutzenden von Videos im Internet eingehend entlarvt wird, dann ist das kein Trick mehr, sondern ein Tick.

Wenn ich heute einen Manager für eine Rede oder einen Auftritt coache, dann kann ich froh sein, wenn er gelesen hat, was er gleich einem gelangweilten Publikum als seine neuesten Ideen oder Gefühle präsentiert. Reden sind heute Gebrauchsware, Konsumgüter und keine elitären Traktate, die man komponiert und anschließend zur Aufführung bringt. Darüber kann man traurig oder entrüstet sein, aber es ist so.

Die Vorstellung, ein Redner verbringe Wochen damit, seine Rede mit rhetorischen Figuren zu würzen und sie abzuschmecken wie ein gutes Gericht, ist nicht mehr ganz zeitgemäß. Nicht einmal ein Redenschreiber kennt heute ein großes Repertoire an rhetorischen Figuren. Wenn er sie kennt, traut er sich nicht, sie anzuwenden, weil diese Figuren eben gegen die in langen Schuljahren erlernte Grammatik verstoßen oder eine Sprache verwenden, die heute niemand mehr spricht. Schon in Vorstellungsrunden benutzen meine Seminarteilnehmer auf einmal eine aufgemotzte Version ihrer eigenen Alltagssprache. Da wird von Werdegang gesprochen und die Welt in Bereiche eingeteilt, man sei von der Ausbildung her Ingenieur, kommt gebürtigaus Köln, man lebt im Raum Ludwigshafen und man ist dauernd tätig. Genauer betrachtet klingt das ein bisschen albern.

Auch das war bei den alten Griechen schon so: Wer gekonnt zu reden wusste, stieß zumal bei einfacheren Leuten rasch auf Misstrauen.15 Weil mit gekonnt immer auch künstlich gemeint war. Also ist das wirklich die Frage, ob der Einsatz antiker Stilmittel uns heute hilft, ein Publikum zu Begeisterungsstürmen hinzureißen.

Ist das nicht paradox? Da lernen wir in vielen Stunden im Deutschunterricht, wie wir richtige Sätze bilden und erfahren dann im Rhetorikkurs für Fortgeschrittene, dass es auch eine so kunstvolle Figur wie den Satzbruch gibt, der darin besteht, Sätze einfach ohne Rücksicht auf die Grammatik zu zerhacken. Hätte man uns nicht gleich so reden lassen können?

Gleichzeitig hat sich viel verändert. Wenn mein Sohn in der Schule keine Einleitung benutzt, gibt es eine schlechte Note. Schließlich hat eine gute Rede Einleitung, Hauptteil und Schluss. Aber ich kenne keinen professionellen Speaker, der mit einer klassischen Einleitung beginnt. Es sei denn, man definiert alles am Anfang seiner Rede als Einleitung. Nein, heute kommen wir gerne schnell zur Sache. Die Situation, dass jemand vorne steht und redet, um uns in irgendeiner 25Form zu verändern, zu erinnern oder uns oder mit uns zu feiern, kommt uns sehr vertraut vor.

Der Filmemacher und Geschichtenerzähler Jon M. Chu erzählt in seinem einzigartigen TED-Talk „Die Evolution des Tanzes im Internetzeitalter“16 (der eigentlich gar kein Talk ist, sondern eine Tanzpräsentation), dass die Helden seiner Kindheit Tänzer wie Fred Astaire oder Michael Jackson waren. Er hatte immer gedacht, dass solche großen Tänzer verschwunden seien. Bis er sich beruflich mit der Hip-Hop-Szene beschäftigte und feststellte, dass es da eine unglaubliche Tanzszene gibt, die sich über die ganze Welt vernetzt hat. Die großen Tänzer sind nicht ausgestorben, sondern der Tanz hat sich weiterentwickelt. Er gründete LXD, the „Legend of Extraordinary Dancers“ und wir sehen in diesem TED-Talk fantastische Tänzer, die mit Leichtigkeit durch die Luft fliegen oder nur mit den Händen tanzen.

Wenn Professor Dr. Wilfried Stroh in seinem Buch „Die Macht der Rede“17, in dem er die vielen Kapitel griechischer und römischer Redekunst akribisch beleuchtet, im letzten Kapitel bedauert, dass die Zeit der großen Redner vorbei sei, Politiker ja als rhetorische Vorbilder nur noch vereinzelt eine Rolle spielen und Rhetorik an vielen Schulen vernachlässigt wird, ähneln sich die Gedanken.

Der Wahlkampf ist eben nicht mehr die Spielwiese, auf der sich gute Redner miteinander messen, sondern das Internet.

Die Rede lebendiger ist denn je

Was ist ein youtube-Video mit einem Menschen, der ein paar Wahrheiten in die Kamera erzählt, anderes als eine Rede? Was ist mit den Influencern, die sich ein Studio auf dem Dachboden aufgebaut haben, um ihren Fans kleine Reden zu halten? Oder mit den Menschen, die auf Videokonferenzen ihre Ideen einmal um den Erdball schicken? Was ist mit den tausenden von Menschen, die zu Wissensforen, TED-Konferenzen oder GEDANKENtanken-Rednernächten strömen, um Menschen beim Vortragen auf der Bühne zuzuhören. Die GEDANKENtanken-Macher, die sich jetzt zu Greator vergrößert haben, haben kein Problem, immer wieder die Lanxess-Arena in Köln mit 15000 Menschen zu füllen, die den ganzen Abend nichts anderes machen, als Rednern zuzuhören. In meiner Jugend ist man für 50 Euro in die Oper gegangen oder vielleicht noch ins Theater, aber abends auszugehen, weil die örtliche Zeitung zu einem Vortragsabend einlädt, auf dem ein einzelner Mensch 90 Minuten auf der Bühne von seinen Ideen und Lebensweisheiten erzählt? Für 59, 69, 79 Euro pro Person? Wir hätten damals ungläubig 26mit dem Kopf geschüttelt. Trotzdem sind die vielen Veranstaltungen, die Nadin Buschhaus18 mit ihrem Sprecherhaus auf die Beine stellt fast immer ausverkauft.

Die politische Rede mag nicht mehr so wichtig sein, den klassischen Redner gibt es nur noch selten, aber die öffentliche Rede war nie wichtiger und nie einflussreicher als heute. Sie hat sich transformiert und erscheint heute ganz modern und jung an allen Ecken unseres privaten und beruflichen Lebens. Gut reden zu können wird eine der Schlüsselqualifikationen für die nächsten Jahrzehnte werden, auch für die, die nicht als Influencer arbeiten. Ein Ende ist noch lange nicht abzusehen.

Die Mythen

Das Internet hat so vieles möglich gemacht. Nicht nur, dass ich keine Zeit mehr in der Bayrischen Staatsbibliothek verbringen muss, ich komme auch immer schneller an viel mehr Informationen. Was man da entdeckt, ist nicht immer angenehm. Der Held meiner Schauspielausbildung, Konstantin Sergejewitsch Stanislawski, war möglicherweise ein sehr trickreicher Hochstapler und hat wahrscheinlich keine der Inszenierungen, die ihm zugeschrieben werden, selbst in Szene gesetzt. Das nehme ich widerwillig und zugleich staunend zur Kenntnis. Ich bin spätestens nach den Ethik-Kursen bei Prof. Dr. John B. Molidor19, die ich für meinen CSP (Certified Speaking Professional) bei der National Speakers Association in Amerika machen musste, sehr vorsichtig geworden. So vieles stellt sich heute als falsch oder unwahr heraus, was für mich mal unumstößliche Wahrheit war. John empfiehlt hinter dem Namen der Studie, die man zitieren will oder hinter dem Menschen, den man erwähnen will, in der Suchmaschine das Wort myth oder bei deutschen Studien Mythoseinzutippen. Dann erhält man auch die kritischen Berichte und kann ein bisschen besser überprüfen, ob man die Inhalte verwenden sollte oder nicht.

Wenn Sie eine der ersten Ausgaben meines Buch über Fernseh- und Radiomoderation20 besitzen, dann werden Sie die Mehrabian-Studie finden, die besagt, dass Sympathie beim ersten Eindruck zu 55 % durch die Körpersprache, zu 38 % durch den Tonfall und zu 7 % durch die Wortaussage entsteht. Leider ist auch das Unsinn. Auf seiner Internetseite verwahrt sich Professor Mehrabian, der die Studie übrigens schon 1968 gemacht hat, dagegen, so interpretiert zu werden. Trotzdem gibt es kaum ein Rhetorikbuch ohne diese Zahlen.

Der viel gesehene TED-Talk von Amy Cuddy21 über Powerposing, in dem sie erklärt, dass eine machtvolle Geste oder Haltung auch zu körperlichen Reaktionen 27führt, konnte leider in Tests nicht verifiziert werden. Es stimmt nicht, dass wir nur 10 Prozent unseres Gehirns nutzen, ein Bleistift zwischen den Zähnen führt wohl nicht dazu, dass wir Witze lustiger finden, und die Menschheit in 4 Farben einzuteilen, macht richtig Spaß und ist ein netter Marketinggag, aber auch dafür gibt es wissenschaftlich keinen Beleg. Genauso wenig wie für die Lerntypen oder für die Behauptung, dass die Blickrichtung beim Nachdenken Aufschluss über das Thema gibt, über das wir uns gerade Gedanken machen.

Ich könnte so endlos weitermachen. Und die Datei mit den Dingen, die unwahr sind, wird ständig größer. Wenn Sie einer Menge von Menschen glaubhaft ver­sichern, dass es Gras gibt, das rückwärts wächst, gibt es ein paar, die das glauben. Seien Sie sich also der Verantwortung für Ihre Zuschauer immer bewusst!

Das sehr lesenswerte Buch von Axel Ebert und Christoph Wirl22 rechnet mit den ganzen Trainermythen ab, die immer noch vor ahnungslosem Publikum als Wahrheit verkauft werden. Oder die beeindruckenden Bücher von Prof. Dr. Uwe Peter Kanning23, die zwar ein bisschen langatmig sind, aber gleichzeitig sehr erhellend. Ist die Maslowsche Pyramide wirklich ein allgemeingültiges Modell und führt positives Denken zu besseren Vorträgen? Sie können gerne als Vorbereitung auf Ihre Rede über glühende Kohlen laufen. Aber dafür ist nicht das richtige Mindset entscheidend, sondern die richtigen Kohlen.

Außerdem ändert sich vieles: Unsere Sehgewohnheiten, die Art, wie wir miteinander kommunizieren, wie wir unsere Freizeit verbringen und wie informiert und belesen wir sind. Der Experte für Vertrieb und Führung, mein Kollege Andreas Buhr24, schreibt jedes Jahr ein Buch. Sicher auch, weil ihm das Schreiben von Büchern Spaß macht. Aber auch weil sich so viel in seiner Arbeit verändert, dass er für seine Kunden immer auf dem neuesten Stand bleiben muss.

Nicole Bussmann, die Chefredakteurin von managerseminare25, lässt in ihrer Zeitschrift immer wieder die neuen Themen kontrovers diskutieren. Auch Bücher zum selben Thema werden von verschiedenen Testlesern bewertet, so dass man immer weiß, wo die Diskussion gerade angekommen ist. Um eine ständige Auseinandersetzung auch mit dem Thema Vortrag und Präsentieren werden Sie nicht drumherum kommen. Aber natürlich nur, wenn Sie das beruflich machen wollen.

11 Tucholsky, Kurt: Ratschläge für einen schlechten Redner. In: Gesammelte Werke in 10 Bänden, Band 8 (1930). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1975, S. 290–292

12 Fuhrmann, Manfred: Die antike Rhetorik. Mannheim: Artemis & Winkler Verlag 2011, 6. Auflage, S. 16

13 Göttert, Karl-Heinz: Mythos Redemacht. Frankfurt: S. Fischer Verlag 2015, S. 60

14 Stroh, Winfried: Die Macht der Rede. Berlin: List Verlag 2011, S. 24

15 Fuhrmann, Manfred: Die antike Rhetorik. Mannheim: Artemis & Winkler Verlag 2011, S. 12

16 TED Talk: Chu, Jon M., In the Internet age dance evolves…

17 Stroh, Wilfried: Die Macht der Rede. Berlin: List Verlag 2011, S. 515

18www.sprecherhaus.de

19www.espeakers.com/marketplace/profile/13288

20 Rossié, Michael: Frei Sprechen. Berlin: List Verlag 2004, 1. Auflage, S. 102

21 TED-Talk: Cuddy, Amy, Your body language may shape who you are

22 Ebert, Axel, Wirl, Christoph: Bullshit Busters. Wien, Berlin: Goldegg Verlag 2017

23 Kanning, Uwe Peter: Von Schädeldeutern und anderen Scharlatanen/ Wie Sie garantiert nicht erfolgreich werden/Wenn Manager auf Bäume klettern. Lengerich: Pabst Science Publishers

24www.andreas-buhr.com

25www.managerseminare.de

28Ein guter Redner

Stellen Sie sich vor, ein Buch über Fußball würde mit dem Satz beginnen: Wenn Sie in die Nationalmannschaft wollen, dann… oder in einem Buch über Hundezucht: Wenn Ihr kleiner Vierbeiner in der Weltelite mitbellen möchte, kommt es entscheidend darauf an… Rhetoriktrainer haben einen sehr hohen Anspruch. Wenn ich den nicht habe, dann ist mein Ehrgeiz nicht groß genug?

Missverständnis Nr. 1

Starten Sie fulminant.

Erzeugen Sie ein Festival der Sinne.

Werden Sie eine faszinierende Persönlichkeit.

Das lesen wir im Rhetorikbuch. Muss das Ziel für Menschen, die gerade mit dem Reden auf der Bühne anfangen wollen, gleich so groß sein? Möchten Sie Weltmeister im Schach werden? Europameister in der Formel 1? Ein Feuerwerk von Ideen? Wenigstens eine Kochlegende? Nein? Warum sollten Sie dann ein brillanter Redner werden wollen? Muss Brillianz denn wirklich immer das Ziel sein?

Ein großer Redner zu werden, setzt jahrelanges Training voraus, viel Hilfe, Fleiß und Arbeit. Aber in Rhetorikbüchern ist immer nur vom Top-Speaker die Rede, der sich ein Top-Image aufbaut und weltbewegende Top-Vorträge hält. Die Rede als rhetorisches Kunstwerk.

So was entsteht über viele, viele Jahre. Es sei denn, Sie haben eine heiße Affäre mit einem Top-Speaker oder einer Top-Speakerin und lernen Tag und Nacht. Auch wenn es dafür einige prominente Beispiele gibt, wird das aber wohl eher die Ausnahme bleiben.

Wenn Sie in der Profiliga spielen wollen, müssen Sie trainieren wie ein Profi, das heißt, Sie machen erst mal nichts anderes mehr. Habe ich vergessen zu sagen, dass Sie die 30 noch nicht überschritten haben sollten und Inhalte suchen müssen, die sonst niemand belegt? Das ist ein Fulltimejob.

Keine Rede wird besser, indem ich den dreitägigen Super-Intensivkurs buche oder mir drei Wochen die Stadthalle miete und dort jeden Tag 10 Stunden meine Rede wiederhole. Wenn ich das überhaupt durchhalte, werde ich ab dem dritten Tag jeden Tag ein bisschen schlechter. Da brauchten Sie einen Regisseur.

Jetzt sind wir an einem entscheidenden Punkt. Sie können sehr viel Energie für Ihre Rede aufwenden, vorausgesetzt Sie haben Zeit und das nötige Kleingeld. Aber wollen Sie das wirklich? Die meisten Teilnehmer meiner Trainings sagen Nein.

29Wenn der Artikel in der Heimwerkerzeitschrift heißt: „Schreinern wie ein Profi“ ginge niemand davon aus, dass Sie danach anderen Menschen Treppenhäuser zimmern könnten oder Tische, die nicht wackeln. Das ist eine Marketing-Idee für das Heft. Nichts weiter.

Ich habe vor einiger Zeit mal einen Manager gecoacht, der mir ausführlich vorjammerte, dass er nicht reden könne und wie das seine Karriere behinderte. Als er fertig war, fragte ich ihn, wie das Verhältnis zu seinen 80 Mitarbeitern sei. Er strahlte über das ganze Gesicht: „Die gehen für mich durch die Hölle! Wir sind ein richtig gutes Team.“

Ok, schlug ich ihm vor. Ich bin die gute Fee und mache aus Ihnen mit einem kleinen Zauberstab den besten Redner, den Deutschland je gesehen hat. Die Liebe Ihrer Mitarbeiter nehme ich Ihnen dafür aber weg. Er stutze nur kurz und schüttelte dann energisch den Kopf.

„Sie wollen also ein guter Redner sein, ohne dafür zu bezahlen?“, fragte ich ihn. Er sah mich verdutzt an. „Geben Sie mir denn Ihre handwerklichen Fähigkeiten für die Fähigkeit, reden zu können? Oder geben Sie mir Ihre pedantische Seite oder vielleicht wollen Sie lieber auf Ihre Gabe verzichten, leicht mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen?“ Seine Antwort war dreimal nein.

Ein toller Redner kann man werden. Man kann den Beruf des Redners erlernen. Aber das ist dann ein zweiter Beruf. Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie zwei Berufe ausüben. Wenn Sie Aquarianer sind und über Zuchtmethoden reden, warum sollten Sie das tun wie ein professioneller Redner? Wenn Sie über gewinnbringende Anlageformen Bescheid wissen, warum sollten Sie sich erst auf eine Bühne trauen, nachdem Sie eine zweite Berufsausbildung absolviert haben? Ist das nicht widersinnig? Machen Sie das mit dem Reden, so gut es geht. Es ist alles in Ordnung.

Ich habe beim Global Speaker Summit John de Martini gesehen, einem der Autoren des esoterischen Bestsellers „The secret“. Er kam im zu großen schwarzen Doppelreiher auf die Bühne, trippelte herum und wirkte ein bisschen surreal in dieser Umgebung von professionellen Speakern, die sich in der Überzeugung sonnten, die besten der Welt zu sein.

Aber er faszinierte mich. Ich schrieb und hörte zu und lachte und genoss jede seiner Passagen. Dabei machte er alles falsch, wenn es nach dem Lehrbuch ginge. Allein wie lange er brauchte, sich ein Wasserglas auf der anderen Seite der Bühne zu holen, zu trinken, sich wieder zu finden und dann weiter zu machen.

Und das während 400 Menschen gespannt warteten. Eben als mir dieser Gedanke durch den Kopf schoss, sagte er lachend, es sprächen ihn oft Menschen an:

Wissen Sie, dass Sie derunprofessionellste Redner sind, den ich je gehört habe? Aber machen Sie bitte weiter!

30Wenn Sie diese Geschichte ernst nehmen, dann müssen wir den Begriff von Professionalität ändern. Was ist professionell? Professionell ist, wenn andere fasziniert sind. Wenn die Zeit rast. Wenn es zu kurz war. Wenn ich mir was merken will. Wenn ich mitschreibe. Wenn ich über das ganz Gesicht strahle. Wenn ich mir ein Buch kaufen will. Wenn ich einen Vorsatz gefasst habe. Wenn ich Rotz und Wasser heule. Das hat alles nichts mit der richtigen Handhaltung oder der gewählten Sprechweise und wenig mit dem dramaturgischen Aufbau zu tun.

Auf einer Convention von Redeprofis in Mannheim sprach als zweiter Redner der Bürgermeister. Seine Qualitäten als Bürgermeister konnte ich nicht beurteilen, aber als Redner war er eher Mittelmaß. Er begann mit ein paar altbekannten Floskeln und fing dann an, den 350 Zuschauern von Mannheim vorzuschwärmen. Vereinzelte Lacher. Das kann nicht sein Ernst sein. Er wird doch nicht… Was soll das jetzt…

Es war sein Ernst. Der Bürgermeister war einen Moment irritiert über die Lacher und machte dann aber weiter. Die Lacher veränderten sich Es wurde nicht mehr über ihn, sondern mit ihm gelacht. Er wusste, was er wollte, er zog durch, was er sich vorgenommen hatte, und da er natürlich ein genauer Kenner seiner Stadt war, war alles, was er sagte, sehr unterhaltsam. An diesem Tag war er unter all den Profis für mich der absolut beste Redner.

Authentizität

Die Wirklichkeit auf der Bühne ist immer künstlich, und zwar auch dann, wenn ich Ihnen empfehle, ganz natürlich zu sein. Während wir im Privatleben die ähm nicht so wichtig nehmen, verlorene Fäden keine Rolle spielen und wir auch nicht sauer werden, wenn wir was nicht verstehen, so ist das auf der Bühne anders. Hier haben wir womöglich Eintritt gezahlt, wir haben uns schick angezogen, wir haben im Stau gestanden und sitzen auf unbequemen Stühlen. Jetzt sind wir nicht mehr ganz so locker in der Beurteilung der Situation.

Wenn der Sohn des Toten die Trauerrede hält, darf er schlecht reden, wenn der geniale Techniker ein bisschen kompliziert erklärt, darf er das. Aber an Ihrer Stelle würde ich mich darauf nicht verlassen. Einfach mal so zu sein, wie man ist, ist richtig für die Körpersprache, aber schon bei der Dramaturgie würde ich 31mir Hilfe suchen. Die Frage ist, was authentisch bedeutet. Wenn authentisch bedeutet, keine Tricks anzuwenden, sich nicht zu verbiegen und nur Dinge zu machen, die zu Ihnen passen, dann wird authentisch richtig verstanden.

Wenn Sie mit authentisch meinen, mal unbekümmert loszulegen, so wie es gerade kommt, sich an keine Regeln zu halten und einfach mal Ihrem Gefühl zu folgen, dann müssen Sie schon sehr reich oder sehr attraktiv sein, damit das funktioniert.

Authentisch zu sein kann eben auch heißen, bei der Hochzeit des besten Freundes einen Anzug anzuziehen, auch wenn man sonst nur in Turnschuhen herumrennt und authentisch kann heißen, mit dem Nachbarn ein Bier zu trinken, auch wenn der die falsche Partei wählt.