Rhythm and Love: Lizzy und Steve - Sophie Fawn - E-Book

Rhythm and Love: Lizzy und Steve E-Book

Sophie Fawn

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Beschreibung

**Rockstar secrets** Lizzy will mit der Welt der oberflächlichen Promis und Sternchen absolut nichts zu tun haben. Deswegen sträubt sich die talentierte Fotografin auch zuerst dagegen, mit den berühmten Musikern der Rockband »Bad Weeds« zu arbeiten. Schließlich verkörpert der – zugegebenermaßen unglaublich gut aussehende – Badboy und Drummer Steve so gar nicht ihr Ideal eines ehrlichen und bodenständigen Mannes. Aber dann eilt gerade er ihr ungefragt zu Hilfe und Lizzy kommen erste Zweifel, ob ihre Vorurteile gerechtfertigt sind. Vielleicht steckt doch mehr hinter der Fassade des Musikers, als sie für möglich gehalten hätte… //Alle Bände der berührenden Rockstar-Romance bei Impress:  -- Rhythm and Love: Luna und David   -- Rhythm and Love: Sammy und Jayden   -- Rhythm and Love: Nele und Kevin  -- Rhythm and Love: Lizzy und Steve -- Rhythm and Love: Alle Bände der berührenden Rockstar-Romance in einer E-Box!// Alle Bände der Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Sophie Fawn

Rhythm and Love: Lizzy und Steve

**Rockstar secrets** Lizzy will mit der Welt der oberflächlichen Promis und Sternchen absolut nichts zu tun haben. Deswegen sträubt sich die talentierte Fotografin auch zuerst dagegen, mit den berühmten Musikern der Rockband »Bad Weeds« zu arbeiten. Schließlich verkörpert der – zugegebenermaßen unglaublich gut aussehende – Badboy und Drummer Steve so gar nicht ihr Ideal eines ehrlichen und bodenständigen Mannes. Aber dann eilt gerade er ihr ungefragt zu Hilfe und Lizzy kommen erste Zweifel, ob ihre Vorurteile gerechtfertigt sind. Vielleicht steckt doch mehr hinter der Fassade des Musikers, als sie für möglich gehalten hätte …

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Vita

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© Melanie Baumeister

Sophie Fawn führt ein Doppelleben: Tagsüber arbeitet sie als Informatikerin, abends versinkt sie in erträumten Geschichten. Ihren ersten Roman schrieb sie bereits in der siebten Klasse und konnte seitdem den Stift kaum aus der Hand legen. Ob sexy Rockstar, frecher Kobold oder geflügelter Wolf – sie alle sind in ihren Werken vertreten. Heute schreibt sie am liebsten im Beisein ihrer Hunde, die zu ihren Füßen schlafen, während sie Figuren und Welten zum Leben erweckt.

Für Susanne, die mir gezeigt hat, was passiert, wenn man die Dinge mit Liebe betrachtet.

Und für Anne, die sich ehrenamtlich engagiert hat, um einmal pro Woche mit einer Horde von Kindern und Jugendlichen aus der Umgebung zu kochen.

Steve – Ein letztes Glas Sekt

Es klopfte in dem mir so vertrauten Rhythmus an der Tür: eine Viertel, zwei Achtel, eine Halbe.

Ich saß in dem ledernen Ohrensessel neben Simones Bett und brachte kein Wort heraus. Auch ohne einen Herein-Ruf öffnete Sammy die Tür. »Simone? Schläfst du oder verführst du den Pfleger mit …?« Sie steckte den Kopf durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen, dann stockte sie. Ein Blick ins Zimmer genügte ihr, um die Situation zu begreifen, die ich nicht wahrhaben wollte.

»Ich bin zu spät.« Sammy schloss die Tür hinter sich und kam zu mir. Kurz blieb sie stehen, vermutlich betrachtete sie Simones leblosen Körper, der mit gefalteten Händen auf dem Bett lag. Eine der Hospizmitarbeiterinnen hatte sich darum gekümmert, alles hergerichtet, sodass es auf mich nun völlig unnatürlich wirkte. Meine Tante hätte niemals so im Bett gelegen. Nicht, solange sie noch lebte.

Sammy kletterte auf meinen Schoß, zog die Beine auf den Sessel, schlang die Arme um meinen Nacken und vergrub ihr Gesicht an meinem Hals. Mit einer Hand hielt ich ihre Knie, mit der anderen streichelte ich ihren Rücken. Dann spürte ich die ersten Tränen meinen Hals hinabrinnen. Ein Beben zog sich durch Sammys Körper und ich hielt sie noch fester. Sie schluchzte und weinte all die Tränen für mich, die mir die Kehle zuschnürten.

Mein Kopf war vollkommen leer, nicht in der Lage, Sätze zu formen oder die nächsten Schritte zu planen. Mein Blick glitt über den Beistelltisch, auf dem ein Strauß frischer Blumen stand. Daneben brannten auf einer Glasschale drei Kerzen und verströmten einen Geruch nach Rosen und Gärten. Auf der anderen Seite, wo nun ein Kreuz und eine Bibel lagen, hatten gestern noch zwei Sektgläser gestanden.

Simone hatte mich am Abend darum gebeten. Sie wollte auf all die schönen Momente anstoßen, die sie erlebt hatte, all die Erinnerungen, die ich nun zu unterdrücken versuchte.

Jeder Gedanke daran schmerzte, viel stärker, als ich es je für möglich gehalten hatte. Trotz des Wissens um ihren Gesundheitszustand und der letzten Tage, in denen ich fast rund um die Uhr bei ihr gesessen hatte, gab es nichts, was mich auf diesen Moment hätte vorbereiten können.

Simone musste ihren nahenden Tod gestern Abend bereits gespürt haben. Deswegen hatte sie nach dem Sekt verlangt. Sie hatte nur ein halbes Glas getrunken, eher weniger, und trotzdem fragte ich mich, ob es ihr den Rest gegeben hatte. Wären ihr ein paar weitere Stunden geblieben, wenn ich ihr den Wunsch verweigert hätte? Wäre ihr Zeit geblieben, um Sammy noch einmal zu sehen?

Irgendwo hatte ich gehört, dass Sterbende warteten, bis sie sich von einer geliebten Person verabschieden konnten. Simone hatte es nicht getan. Sie hatte sich gestern mit Sammy verabredet, versprochen hier auf sie zu warten, und dann war sie fortgegangen. War es meine Schuld? Weil ich mich mit ihr betrunken hatte?

Mit einem Ruck sprang ich auf und stellte Sammy auf dem Boden ab. Sie zuckte vor Schreck zusammen. »Was ist los?«

Unfähig zu sprechen schüttelte ich nur den Kopf.

Die Zimmertür öffnete sich ohne Vorwarnung und meine Eltern traten herein. Die Farbe rund um die Augen meiner Mutter war fast vollständig fortgewischt, der Rest verschmiert. Ihre Augen waren gerötet. Mein Vater wirkte weniger betroffen und kam auf mich zu, aber auch mit ihm wollte ich nicht sprechen. Und auf keinen Fall wollte ich irgendwelche Beileidsbekundungen hören.

»Lass uns gehen!« Ich lehnte mich über das Bett, um Detlef zu zeigen, dass es an der Zeit war, sein Frauchen allein zu lassen. Noch immer ruhte der Hund am Fußende des Bettes, den Kopf auf Simones Beinen abgelegt.

»Ich nehm ihn.« Sammy griff nach der Leine und machte sich daran, den Karabinerhaken am Halsband zu befestigen. Detlef sprang vom Bett, setzte sich dann aber gleich wieder. Er winselte und sah zu Simone, deren Körper schon bald in die Leichenhalle gebracht werden sollte. Einen solchen Abschied wollte ich Detlef, Sammy und mir ersparen, winkte den Hund zu mir, damit er auf den Flur trat, und ging zum Parkplatz.

Gemeinsam liefen Sammy und Detlef mir hinterher.

In einem der Ratgeber, die Simone besorgt hatte, war von verschiedenen Phasen der Trauer die Rede gewesen. Angeblich war Verleugnung die erste Reaktion. Sammy und ich hielten uns nicht daran. Während sie sofort mit der Trauer um den Verlust begann, hing ich irgendwo zwischen Wut und Schmerz fest. Vielleicht war ich auch bei den Selbstvorwürfen, falls es diese Phase gab. Zumindest war es etwas, das sich jetzt in mir wie eine Seuche ausbreitete. All die Fragen, die ich mir schon früher gestellt hatte, fraßen sich jetzt durch meinen Kopf und hinterließen brennende Spuren. Hätte ich es vorher erkennen können? Wie viel mehr Zeit wäre Simone geblieben? Wäre der Krebs womöglich heilbar gewesen?

So viele Fragen, deren Antworten mir auch nicht helfen würden, dennoch schmerzten sie in meiner Brust.

Draußen empfing uns Nieselregen. Sam zog sich die Jacke über ihren Kopf, ich ignorierte die Tropfen, beschleunigte aber meine Schritte, damit Sammy und Detlef schnell ins Auto einsteigen konnten. Sie reichte mir die Leine und öffnete die Beifahrertür meines SUV. »Darf Dee bei mir sitzen?«

»Damit er mir ins Lenkrad springt? Es ist für uns alle sicherer, wenn er in seiner Box mitfährt. Außerdem kennt er es von Simone nicht anders.« Es war merkwürdig, ihren Namen jetzt auszusprechen. Plötzlich hatte er eine völlig andere Bedeutung erhalten.

Es kostete mich einige Kraft, den bitteren Beigeschmack zu ignorieren, einfach weiterzumachen, nicht zu schreien oder zurück ins Hospiz zu rennen.

Ich half Detlef in seine Box, schloss den Kofferraum und stieg selbst ein. Da Sam noch keinen Führerschein hatte, war sie nach der Schule meistens mit dem Bus hergekommen. Abends hatte ich sie nach Hause gefahren und das wollte ich auch heute tun.

Sie wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht, putzte sich die Nase und rutschte auf ihrem Sitz näher zu mir, bis sie ihren Kopf an meine Schulter lehnen konnte. Ich schaltete in den ersten Gang, dann tastete ich nach Sammys Hand und drückte sie. Ein Grund, warum ich sie so sehr mochte, war ihre Art, Menschen in ihr Herz zu schließen. Bei ihr schien es ein unendlich großer Bereich zu sein, in den sie jeden mit der gleichen Liebe aufnahm und nie wieder gehen ließ. Das war schon so gewesen, als wir uns kennengelernt hatten. Ihr Bruder hatte damals einen Schlagzeuger für seine Band gesucht. Ich hatte mich beworben und mich für ziemlich gut gehalten, bis Sammy mir einen Fehler nach dem anderen aufgezeigt hatte. Damals war sie zwölf oder dreizehn gewesen, ein Kind in meinen Augen, doch so talentiert und ehrgeizig, dass ich sie vom ersten Tag an bewundert hatte.

Sie hatte mich gezwungen ein und denselben Song etliche Male zu spielen, und so lange an mir herumgenörgelt, bis mir klar wurde, dass dies der Beginn einer Freundschaft fürs Leben war. Falls es so etwas wie Seelenverwandtschaft gab, dann hatte ich meine andere Hälfte in Sammy gefunden. Ich liebte sie, jedoch nur als Freundin. Mehr war nie infrage gekommen. Dennoch unternahmen wir viel gemeinsam, weshalb sie in den letzten Jahren auch viel Zeit mit Simone verbracht hatte. Da meine Eltern beide berufstätig waren, war meine Tante eingesprungen und hatte mich aufgezogen. Nach der Schule hatte ich bei ihr gegessen und den Nachmittag verbracht, bis meine Eltern mich abends abholten. Doch statt die Mutterrolle einzunehmen, war Simone eine gute Freundin gewesen, vor allem, seit ich für mich allein sorgen konnte. Sammy und sie hatten sich stets gut verstanden. Wie es jetzt werden sollte, konnte ich mir nicht vorstellen.

Lizzy – Ausnahmen

»Weißt du, wo das Paket für Wilson hingekommen ist?«, fragte ich Jo. Meine kleine Schwester kam zu mir in den hinteren Bereich meines Fotostudios, in dem sich Pappkartons mit Fotoalben und Abzügen stapelten. Daneben lehnten Bilderrahmen und Fotodrucke dick in Luftpolsterfolie gehüllt, wodurch sie oft nur anhand der Aufkleber, mit denen ich sie stets bei der Lieferung beschriftete, zu erkennen waren.

Jo stellte zwei kleine Rahmen beiseite und zog das Bild, nach dem ich schon Minuten gesucht hatte, mit einem Handgriff aus einer der Lieferungen hervor.

»Danke!« Ich nahm ihr die Leinwand ab, deren Foto durch die Folie wie ein Mosaik aus dunklen Farben wirkte, und stellte sie an die Tür, um sie auf dem Weg nach draußen nicht zu vergessen.

Meine Schwester beobachtete mich. »Vielleicht solltest du sie nach Größe sortieren. Oder alphabetisch? Ich kann sie nicht immer für dich raussuchen.«

»Klar, statt die Bilder nach hinten zu stellen, könnte ich sie in der Mittagspause sortieren. Wer braucht schon etwas zu essen?«

Sie grinste. »Wenn die Bezahlung stimmt, erledige ich das gern für dich.«

Jo kam jeden Dienstag und Donnerstag nach der Schule vorbei und half mir bei der Arbeit. Gerne hätte ich ihr mehr Aufgaben gegeben, sie richtig beschäftigt, aber dafür warf mein Studio nicht genug ab. Zumindest noch nicht. Zum Ausgleich sorgte ich dafür, dass ich sie zu den Aufträgen mitnahm, bei denen ein zusätzliches Trinkgeld für sie abfiel. Heute war sie nicht eingeplant gewesen, hatte aber gestern ihr Handy bei mir liegen lassen. Natürlich wollte sie nicht so lange warten, bis ich es ihr heute Abend vorbeigebracht hätte, um keine Nachrichten ihrer Freundinnen zu verpassen, und war deshalb gleich nach der Schule hergekommen.

»Kannst du mich nach Hause fahren?«

»Tut mir leid, das schaffe ich nicht. Du musst den Bus nehmen. Sorry!«

»Gehst du aus oder hast du noch Kundentermine?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nicht direkt. Nele hat mich zum Essen eingeladen. Erinnerst du dich an sie? Sie war mit mir in einer Klasse. Sonst bespreche ich meine Aufträge zwar nicht bei Kunden, aber über diese Einladung habe ich mich sehr gefreut.«

»Dann viel Spaß beim Wiedersehen und guten Appetit!«

»Danke!«

Jo wechselte sofort in den Feierabendmodus, löste den Knoten aus ihren hellbraunen Haaren und schüttelte sie aus. Sie waren fast so lang wie meine, hingen jedoch in Wellen ihren Rücken hinab, während meine seit jeher glatt und blond waren.

Gemeinsam verließen wir das Studio, ich schloss mit der Leinwand unter dem Arm die Tür ab und machte mich auf den Weg. Nele war erst vor ein paar Tagen umgezogen. Ich fragte mich, wie sie das mit dem kleinen Baby alles schaffte, aber als wir gestern telefoniert hatten, schien sie gut gelaunt.

Auf das Wiedersehen freute ich mich sehr. Seit wir die Realschule verlassen hatten, waren wir getrennte Wege gegangen. Vermutlich hätten wir noch immer keinen Kontakt, wenn Nele nicht bei der Suche nach einer Fotografin über meinen Namen im Netz gestolpert wäre. So hatte sie mich für ein Shooting ausgewählt und nur deshalb war ich auch zu meinem nächsten Auftrag gekommen, auf den ich mich schon ganz besonders freute: Eine Traufe.

Die Kombination aus Trauung und Taufe kam nur selten vor, bisher hatte ich eine solche Feier nur einmal begleitet, damals als Gast, nicht als Fotografin, aber die Atmosphäre war einmalig gewesen. Sicher würde Nele mit ihrer Familie einen ebenso schönen Tag verbringen und dieses Mal war ich diejenige, die alles auf Fotos festhalten durfte.

Das Navi führte mich in eine Wohngegend voller Einfamilienhäuser. Auf die Villa eines Rockstars wies hier nichts hin und ich glaubte schon, Nele noch einmal nach der Adresse fragen zu müssen, als ich die Hausnummer entdeckte.

Ich stellte mein Auto vor der Garage ab und ging zur Haustür, über der ein metallenes Vordach schwebte. Das ganze Haus war in Grau und Weiß gehalten. Es wirkte modern, war vermutlich ein Neubau.

Durch die Glastür konnte ich in das Treppenhaus sehen und entdeckte Kevin, der die Treppe hinunterlief und mir öffnete.

»Hallo, Lizzy!« Er reichte mir die Hand. »Nele braucht noch einen Moment. Komm rein!«

Seit ich wusste, wer er war, musste ich mich zusammenreißen, um mich normal zu benehmen. Es war merkwürdig, schließlich hatte er sich nicht verändert, benahm sich mir gegenüber wie jeder andere auch, aber er war eben nicht wie jeder andere, sondern ein erfolgreicher Musiker, der mich gerade in sein Haus gebeten hatte.

Durch den Flur führte er mich in das großzügige Wohnzimmer. »Möchtest du etwas trinken?«

»Wasser, bitte. Wenn ihr habt, gerne stilles.«

Er verschwand in einen Nebenraum. Ich fühlte mich schon wieder merkwürdig bei dem Gedanken, dass er, dem sonst vermutlich eine ganze Crew für seine Getränke zur Verfügung stand, mir nun Wasser holte. Um nicht völlig perplex im Weg rumzustehen, kümmerte ich mich um seine Lieferung. Ich stellte die Leinwand auf dem Couchtisch ab und löste vorsichtig die Klebestreifen, um das Bild aus der Luftpolsterfolie zu befreien.

»Wunderschön«, sagte Kevin hinter mir.

Es war eines der Bilder von Neles Babybauchshooting. Es zeigte Kevin völlig konzentriert, der darauf wartete, dass sein Sohn noch einmal strampelte, während Nele lächelte, wie es nur eine werdende Mama kann. Ich liebte solche Shootings und hatte mich deswegen auf Paare und Familien spezialisiert. Bei solchen Aufträgen konnte ich den besonderen Moment, eine vertrauliche Situation einfangen. Das gefiel mir deutlich besser als unpersönliche Bilder für Werbeprospekte oder gestellte Aufnahmen für Firmenwebsites. Wenn das Motiv es hergab, versuchte ich stets Emotionen einzufangen. Jo hatte mich deshalb mal als Voyeurin bezeichnet, obwohl ich mich nicht so sah. Ich griff nicht in die Privatsphäre anderer ein oder bereicherte mich daran, sondern versuchte ein Teil davon zu werden. Besonders bei der Arbeit mit Kindern war das wichtig, sie waren immer wieder eine Herausforderung, weshalb ich mich schon sehr auf die Traufe freute.

»Wo wollt ihr es aufhängen?«, fragte ich Kevin.

»Oben.« Er nahm mir die Leinwand ab, damit ich mich setzen konnte. »Hier unten haben wir Küche, Wohn- und Esszimmer, oben alles Private. Na ja, abgesehen von dem kleinen Studio unter dem Dach, aber dort besuchen mich nur die Jungs und die sind Teil der Familie.«

»Schon praktisch, wenn du von zu Hause aus arbeiten kannst.«

»Trotzdem bin ich Nele keine große Hilfe, wenn ich oben hocke und sie sich unten um den Kleinen kümmert. Und die nächste Tour steht auch bald an.«

»Oh, wieder Amerika?« Nele hatte erwähnt, dass Kevin mit seiner Band »Bad Weeds« dort im letzten Jahr getourt hatte.

»Nein, nur innerhalb Deutschlands.«

Aus dem Flur drangen Geräusche zu uns. Es klang, als würde Nele dem Kleinen etwas erzählen.

»Ach, Lizzy«, Kevin riss die Augen auf. »Das wäre doch eine Idee!«

»Was denn?« Hatte ich den Faden verloren oder etwas verpasst, als ich auf Nele gelauscht hatte?

»Der Fotograf, der nächste Woche für einen Zeitschriftenartikel gebucht war, ist ausgefallen. Du könntest einspringen. Hast du Zeit?«

»Dafür müsste ich das Datum wissen.« Obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte. Ein solcher Auftrag war genau das Gegenteil von dem, was ich sonst tat. Ein Fotoshooting einer Rockband wäre völlig gestellt und außerdem müsste ich mit Leuten zusammenarbeiten, die selbst alles besser wussten und obendrein noch Manager, PR-Agenten, Mediaexperten und den sonst noch üblichen Rattenschwanz an Beratern mit sich herumschleppten, die mir ins Shooting reden würden. Nein, danke! Das war einfach nicht meine Welt. Seit ich nach der Ausbildung ein paar Wochen in einer Schauspielagentur ausgeholfen, mehr Fotos retuschiert als aufgenommen und einige Zickenkriege miterlebt hatte, war mir klar geworden, dass ich diese Art der Arbeit nie wieder machen wollte.

»Donnerstagnachmittag.«

Gut, so brauchte ich nicht zu lügen. »Das passt bei mir nicht. Donnerstags habe ich feste Termine.« Zwar waren die privat, aber das musste er ja nicht wissen.

»Kein Problem! Wir sind flexibel. Wann hast du Zeit?«

Nele kam ins Zimmer, Rob auf dem Arm. Ich war froh über die Unterbrechung und stand auf, um sie zu begrüßen. »Robert ist ja schon ein Riese. Wie alt ist er jetzt?« In Gegenwart meiner früheren Klassenkameradin fühlte sich die Situation endlich wieder normaler an. Zumindest half es, Kevin wieder als ihren Freund und Vater ihres Kindes zu sehen.

»Vier Monate.« Nele machte einen Arm frei und legte ihn zur Begrüßung um meine Schulter. Rob sah mich interessiert aus den großen blauen Kulleraugen an, die von langen Wimpern umrahmt wurden.

Mir fiel ein, dass ich ja noch etwas für ihn in meiner Tasche hatte. Schnell holte ich das kleine Geschenk hervor und reichte es Nele. »Brot und Salz für das neue Zuhause.«

Ausgerechnet in einem Möbelhaus, in dem ich eigentlich nur Kerzen hatte besorgen wollen, hatte ich kleine Stofflebensmittel entdeckt. Sie waren für Kinderküchen gedacht, aber ich hatte sie als Mitbringsel für Rob und Gratulation zum neuen Heim entfremdet. Die Plüschdöner hatte ich ebenfalls sehr lustig gefunden und einen davon für Jo mitgenommen.

Nele zog das Stoffbrot aus dem Geschenkpapier und zeigte es ihrem Sohn, der sofort seine kleinen Händchen danach ausstreckte.

»Darf ich ihn mal halten?«, fragte ich.

»Klar!«

Hoffentlich würde er nicht sofort weinen. Ich schob meine Hände unter seinen Ärmchen hindurch und achtete auf den Kopf des Kleinen. Mit ihm setzte ich mich wieder auf das Sofa und wiegte ihn langsam hin und her. Neugierig betrachtete er mich und verlor das Brot, das Nele ihm gegeben hatte. Ich fing es auf und wackelte damit vor ihm ein wenig hin und her, bis er versuchte danach zu greifen. Der typische Babygeruch strömte in meine Nase und ich atmete extra tief ein, weil ich den Duft der Babycremes so sehr mochte.

»Also?«, fragte Kevin. »Wann passt es dir?«

Er hatte es nicht vergessen. »Kevin, für solche Aufträge bin ich vermutlich nicht die Richtige. Es gibt Profis dafür. Ich könnte einen Kollegen fragen. Außerdem schickt die Zeitschrift bestimmt einen Ersatzmann.«

»Lizzy soll das Shooting machen?«, fragte Nele. »Das ist eine super Idee.«

»Finde ich auch.« Kevin lächelte und streckte eine Hand nach seiner Verlobten aus, damit sie sich zu ihm setzte.

»Montag wollte ich Fotos bearbeiten und habe keine Termine.« Hoffentlich war es ihm zu spontan.

»Gut, Montag. Ich sag den Jungs Bescheid.«

»Aber erst kümmerst du dich um den Grill«, entschied Nele. »Ich verhungere.«

Sie schickte Kevin in den Garten, nahm mir Rob ab und führte mich in das Esszimmer, das zwischen dem Wohnbereich und der Küche lag. Der Tisch war riesig, reichte bestimmt für zehn Personen oder mehr und wenn ich mich nicht irrte, konnte man ihn sogar noch ausziehen. Schon das Sofa war mir gigantisch vorgekommen, aber dieser Tisch übertraf meinen Eindruck noch einmal. Wie viele Leute sollten sich denn ständig hier aufhalten? Hatte die ganze Band vor einzuziehen?

»Isst du Fleisch?«, fragte Nele. »Oder lieber vegetarische Patties?«

»Nicht nötig, ich bin unkompliziert. Kein Vegetarier, keine Allergien.«

Jetzt verstand ich aber auch, wofür die vielen Schalen mit Salat, Tomaten, Gurken und vielem mehr auf dem Tisch standen. »Selbstgemachte Burger?«

»Ja.« Nele zog einen Stubenwagen heran, legte das Baby hinein und stupste das Mobile an, damit Rob etwas zum Gucken hatte. »Zum richtigen Kochen reicht es im Moment nicht. Es sei denn, Spiegeleierbraten zählt auch dazu. Aber Salatschneiden klappt.«

Das löste bei mir ein schlechtes Gewissen aus. »Ich hätte etwas mitbringen können.«

»Ach, Quatsch. Ich bin froh, dass ich mal etwas tun kann. Außerdem bringt Kevs Mum uns ständig Essen vorbei. Ich hab die ganze Kühltruhe voll und hätte auch etwas aufwärmen können.«

Beinahe hätte ich die Gelegenheit genutzt und Nele gefragt, wie es ihrer Mutter ging, doch dann fiel mir zum Glück noch rechtzeitig ein, dass es irgendwelche Probleme gab. Nele und ich waren nie gut genug befreundet gewesen, um über Familiengeheimnisse zu sprechen, aber mir war nach so vielen Jahren in einer Klasse klar geworden, dass sie nicht den besten Draht zu ihrer Mutter hatte.

»Hamburger oder Cheeseburger?« Kevin kam mit zwei Tellern herein. Auf dem einen balancierte er einen Stapel aufgebackener Brötchen, auf dem anderen lagen auf einer Seite Patties und daneben einzelne Scheiben, die mit Käse überbacken waren.

»Cheeseburger.« Ich nahm ihm den Brötchenteller ab und half dabei, das Fleisch zu verteilen.

Die Auswahl an Gemüse und Soßen war größer als mein Mund und ich fragte mich nach dem Belegen des Burgers, wie ich den nun essen sollte. Plattdrücken und reinstopfen? Mit Messer und Gabel?

»Wir haben uns ein paar Gedanken zum Ablauf gemacht«, sagte Nele und kam damit zum Grund unseres heutigen Treffens. »Die Frisörin kommt her und ich werde mich auch hier umziehen. Das ist einfacher mit Rob. Vera und Sammy werden auch hier sein, also kannst du uns alle bei den Vorbereitungen fotografieren.«

»Meine Eltern wohnen nicht weit weg«, sagte Kevin. »Wenn du zuerst dorthin kommst, machen wir ein paar Fotos, ich fahre schon zur Kirche und dann kannst du dich mit den Mädels herumschlagen.«

»Soll ich Samantha dann mitnehmen? Sie ist doch deine Schwester und wohnt noch zu Hause, oder?«

»Brauchst du nicht. Sie fährt mit unserer Mutter.«

»Okay.« Ich holte einen Block aus meiner Handtasche und machte mir Notizen. »Gut, wann soll ich wo sein?«

Kevin diktierte mir die Adresse.

»Wir machen das klassisch«, sagte Nele. »Kev wird in der Kirche warten.«

»Oh, schön!« Das fand ich sehr romantisch. »Wann machen wir die Gruppenbilder? Direkt nach der Traufe oder lieber während der Feier? Steht die Location schon fest?«

»Bitte nenne es nicht Traufe.« Nele verzog angewidert das Gesicht. »Vom Regen in die Traufe … Das klingt doch schrecklich. Ich bin weiterhin für Hochzeit mit Taufe. Von mir aus auch inklusive Taufe oder anschließender Taufe oder sonst eine Kombination.«

»Ist notiert.« Jetzt musste ich es mir nur noch merken und stets daran denken, damit es mir nicht versehentlich rausrutschte.

»Die Location war wirklich eine schwere Wahl.« Kevin sah zu Nele und wirkte gequält. »Sie wollte nicht das Märchenschloss, obwohl im Jagdschloss Kranichstein sogar die Gäste hätten übernachten können. Dort hätten wir alles an einem Ort haben können.«

»Und in den Oldtimersalon wollte ich auch nicht. Dort können wir mal essen, wenn Rob so weit ist.«

»Was ist es geworden?«, fragte ich.

»Ein Landhaus«, sagte Kevin.

»Ganz rustikal mit einer traumhaften Terrasse.«

Steve – Shooting

Vom Bestattungsunternehmen fuhr ich auf direktem Weg zu Simones Wohnung. Es waren erst fünf Tage seit ihrem Tod vergangen, von denen ich mich Samstag und Sonntag in meiner Wohnung verschanzt hatte. Heute standen allerdings wieder die ersten Termine an und ich musste einigen Verpflichtungen nachkommen. Viel zu organisieren gab es nicht mehr. Bereits kurz nach der Diagnose hatte meine Tante sich um Patientenverfügung, Testament und ihr eigenes Begräbnis gekümmert. Ich fragte mich noch immer, wie sie so gefasst ihrem eigenen Tod hatte entgegensehen können. Hatte sie sich gesorgt, dass etwas anders laufen könnte, als sie es sich gewünscht hätte? Oder hatte sie niemandem die Bürde der Entscheidungen auferlegen wollen?

Sammy wollte mich begleiten, aber dafür war ich noch nicht bereit. Außerdem musste sie zur Schule gehen. So kurz vor dem Abi wäre es unverantwortlich von mir, wenn ich sie meinetwegen den Unterricht verpassen ließe. Auch Detlef hatte ich in meiner Wohnung gelassen, aus Angst, dass er sich winselnd in sein altes Körbchen legen und Simones Schlafzimmer nie wieder verlassen würde. Vielleicht sollte ich es ebenso machen, mich einfach auf das Sofa legen, die Augen schließen und mir vorstellen, dass jemand die Zeit ein Jahr zurückdrehen würde. Aber vermutlich würde es nur Erinnerungen heraufbeschwören, die mir eine Gänsehaut bescherten, wie diese an den einen Atemzug, bei dem ich gewusst hatte, dass es Simones letzter gewesen war, noch ehe die Luft von ganz allein wieder aus ihren Lungen geströmt war.

Noch immer hatte ich keine Ahnung, wie ich mit Simones Tod umgehen sollte. Meine Tante hatte ihren Emotionen immer freien Lauf gelassen. Nach einem solchen Verlust hätte sie alle Bilder von den Wänden gezerrt, sie auf den Boden geschmettert, bis sämtliches Glas zersprungen wäre. Doch für mich war blinde Zerstörung kein Ventil, also riss ich mich zusammen, lief die Zimmer ab, schaltete alle Geräte aus und prüfte noch einmal, ob der Kühlschrank, den ich bereits vor Wochen ausgeräumt hatte, wirklich leer war.

Obwohl Simone ihre Wohnung seit über drei Monaten nicht mehr betreten hatte, hatten sich die Räume bei meinen letzten Besuchen nie so verlassen angefühlt. Die Gewissheit, dass sie sterben würde, hatte sich noch lange nicht so endgültig angefühlt wie die Tatsache, dass sie am Mittwoch verstorben war. Das musste ich akzeptieren, ob ich wollte oder nicht, aber besonders hier, in ihrer Wohnung, fiel es mir unendlich schwer. Wie ertrugen andere das? Wie konnten sie sich damit abfinden und weitermachen?

Ich konnte es nicht. Die Wände drohten mich zu ersticken. So schnell wie möglich musste ich hier wieder raus. Körbchen und Futter für Detlef hatte ich auch in meiner Wohnung, aber ich packte etwas von dem Spielzeug und seine Decke ein, damit er sich wohler fühlte.

Mehr nahm ich nicht mit. Irgendwann würde ich mich um Simones Kleidung, ihre Büchersammlung und die Einrichtung kümmern müssen, aber nicht heute. Kev hatte den Termin für ein Fotoshooting vorgezogen, also musste ich weiter.

Eigentlich hatte ich mich drücken wollen, hoffte nun aber, dass mir die Ablenkung half. Und falls ich so aussah, wie ich mich fühlte, müsste der Fotograf halt mit Photoshop nachhelfen. Wahrscheinlich stand das Rock-Magazin, das den Artikel über uns bringen wollte, eh auf Musiker, die aussahen, als hätten sie die letzten Tage durchgefeiert. Meine Augenringe würden niemanden interessieren. Wer zu glatt ist, wirkt schließlich nicht authentisch. Vermutlich hatten sie deshalb als Location auch alte Lagerhallen in irgendeinem Industrieviertel ausgesucht. Rost und Vandalismusschäden passten ins Klischee, also bedienten wir es.

***

Vor der Industriehalle gab es einen großen Innenhof, auf dem bereits mehrere Autos standen. Ich parkte und betrat die vordere Halle, deren Tore offen standen. »Hey, schön, dass du da bist!« Kev klopfte mir auf die Schulter. »Wenn es dir doch zu viel wird, sag Bescheid.«

Ich nickte, war mir aber sicher, dass es diesen Punkt nicht geben würde. Irgendwie musste ich das durchziehen. Ein neuer Termin in kurzer Zeit wäre auch nicht besser und länger aufschieben konnten wir das Shooting nicht.

Dave, unser Sänger, und Paul, unser Bassist, bereiteten ihr Equipment vor. Offenbar sollte alles nach einem Konzert aussehen. Sogar ein Schlagzeug stand dort, jedoch nicht meins. Da das Logo der Zeitschrift auf der Bass Drum aufgedruckt war, hatte diese wohl alles hergeschafft. »Was für eine Gitarre haben sie dir angedreht?«

Kev verdrehte die Augen. »Keine Ahnung. Ich hab Charline im Auto.«

War ja klar! Das Ding war uralt und so ziemlich jedes Bauteil war mindestens einmal ausgetauscht worden, aber Kev schwor weiterhin auf seine Gitarre.

»Das ist Lizzy«, sagte er, »unsere Fotografin.«

Er winkte eine junge Frau zu uns. Sie trug ein weißes Kleid mit blauem Blumenaufdruck. Ihre langen blonden Haare fielen lose darüber. In dem Outfit hätte sie sofort als Model für jede Shampoo-Werbung einspringen können. Und sie sollte uns fotografieren?

Ich streckte ihr eine Hand entgegen. »Hi, ich bin Steve.«

»Lizzy.« Ihre weichen Fingerspitzen umschlossen meine. Sie griff nicht richtig zu, als würde ich ihr sonst die Finger zerquetschen. Vermutlich zog sie die Hand auch deshalb so schnell wieder zurück. Ihre schmalen Lippen formten ein aufgesetztes Lächeln und in ihren blauen Augen lag etwas, das mich aufmerken ließ. Irgendetwas schien ihr nicht zu gefallen. War es die Location? Oder meine Anwesenheit?

Zeit für Interpretationen ließ sie mir nicht. Sofort fuhr sie mit ihrer Arbeit fort, richtete Scheinwerfer aus, machte ein paar Testfotos und betrachtete die Ergebnisse auf ihrem Laptop, während ich meine Augen nicht von ihr lösen konnte. Sie war hübsch und unwillkürlich fragte ich mich, wie schön sie erst aussähe, wenn sich ein echtes Lächeln auf ihren Lippen zeigen würde.

»Los, Leute«, rief Kev. »Auf eure Plätze.«

Aus meiner hinteren Hosentasche zog ich zwei Drumsticks, die ich aus dem Auto mitgenommen hatte. Während andere Taschentücher und Kondome im Handschuhfach lagerten, bewahrte ich dort stets ein paar Sticks auf. Bei den Dingern erging es mir ähnlich wie Kev mit seinen Plektren, ich hatte immer welche griffbereit. Während es mir relativ egal war, an welchem Schlagzeug ich saß, wollte ich meine eigenen Drumsticks in den Händen halten. Wann auch immer ich mir das angewöhnt hatte, inzwischen war es zu einem Tick geworden.

Ich hielt die Hände über Kreuz, die rechte Hand über dem Hi-Hat, den Stick der linken legte ich auf der Snare-Drum ab.

»Nicht so eingefroren«, sagte Lizzy. »Bewegt euch, spielt!«

Viele Fotografen meckerten, sobald wir uns bewegten, weil es auf den Bildern zu Unschärfen führte oder stets irgendwer nicht so stand, wie er sollte. Aber wenn sie es so haben wollte, war ich einverstanden. Ohne anzuzählen, gab ich einen Takt vor und ließ die anderen einsteigen und improvisieren. Bei Proben machten wir das oft so. Dabei kam in der Regel nur Unsinn heraus, aber es hatte uns auch schon Ideen für neue Songs eingebracht.

Lizzy schoss einige Bilder, dann erlaubte sie uns eine Pause, um den Zwischenstand auszuwerten. Kev folgte ihr zum Laptop, ich ging nach draußen, um für mich allein zu sein. Das lenkte mich zwar nicht ab, war aber besser als erzwungener Small Talk. Dave und Paul schienen es zu spüren. Sie hatten mich beide noch nicht auf Simone angesprochen und dafür war ich ihnen unendlich dankbar. Wie ich Sammy kannte, hatte sie alle vorgewarnt.

An eine Mauer gelehnt betrachtete ich die Risse im Betonboden, die wie Adern zu einem Abfluss in der Mitte des Platzes führten. Bis mein Handy klingelte.

»Hi, Sammy.«

»Hast du nicht ein Fotoshooting und musst arbeiten?«

»Warum rufst du an, wenn du weißt, dass du störst?«

»Weil ich plötzlich Angst hatte?«

Das klang nicht gerade überzeugend. »Sammy, mir geht es gut, deinen Brüdern geht’s gut und Paul wirft eh nichts aus der Bahn.«

»Lüg nicht! Erstens weiß ich, dass es dir nicht gut geht. Zweitens mache ich mir vielleicht deinetwegen Sorgen, aber wirkliche Angst habe ich um Dee!«

Die hübsche Fotografin trat in das Tor zum Hof und gab mir ein Zeichen, dass es weitergehen sollte. Ich hob meine Hand und spreizte die Finger als Bitte, mir noch fünf Minuten zu geben.

»Detlef frisst schon wieder. Er trauert, aber er lässt sich nicht unterkriegen.«

»Hast du ihn in ein Tierheim gebracht?«

»Nein!« Wie kam sie darauf? Verflucht, an die Idee hatte ich nicht einen Gedanken verschwendet. »Natürlich nicht. Er ist bei mir. Da ich die Schlafzimmertür geschlossen habe, damit er nicht ständig ins Bett springt, liegt er vermutlich auf dem Sofa.«

»Was machst du mit ihm?«

Woher sollte ich das wissen? Mit dem Hund war es wie mit den Sachen aus Simones Wohnung. Das alles gehörte ihr und ich würde mich um die bestmögliche Lösung bemühen. »Vermutlich werde ich eine Familie suchen, die sich gut um ihn kümmert.«

»Das geht nicht!« Es klang, als wäre sie vor Entsetzen aufgesprungen. »Du musst ihn behalten. Er hat doch schon Simone verloren.« Sie zog die Nase hoch. Weinte sie? »Wir können ihn nicht allein lassen. Du musst ihn behalten.«

Ein Blick auf meinen CX-5 verriet mir, dass ich auf dem Hof auf und ab marschiert war, ohne es zu merken. Ich ging wieder zurück zu der Stelle, an der ich zuvor gelehnt hatte. »Sammy, das geht nicht. Wenn ich arbeite, ist er allein zu Hause und was soll erst werden, wenn wir auf Tour sind? Oder wenn ich ein paar Tage für Auftritte, Interviews oder andere Termine unterwegs bin.«

»Dann pass ich auf ihn auf! Ich würde ihn ja ganz nehmen, aber Mum erlaubt es nicht. Sie sagt, dass die Arbeit dann an ihr hängen bleibt. Ich hab versprochen, dass ich mich allein um Dee kümmere und in Frankfurt studiere und nicht in den Urlaub fahre, aber davon will sie nichts hören.«

Auf den Deal hätte ich mich an Veras Stelle auch nicht eingelassen, denn sie kannte ihre Tochter ebenso gut wie ich. Was bei anderen Teenies leere Versprechungen waren, zog Sammy knallhart durch. Sie würde das alles für Dee tun und sich damit das eigene Leben verbauen.

»Er bleibt erst mal bei mir. Dann sehen wir weiter.«

Lizzy – Auftragsarbeit

Der Schlagzeuger ließ sich nicht mehr blicken, der Bassist spielte an seinem Handy und Kevin schenkte mir nichts anderes als ein paar mitleidsvolle Blicke. Wenigstens er hatte Verständnis für mich, dennoch war genau das der Grund, warum ich das Shooting von Anfang an hätte ablehnen sollen. Wenn selbst der Bandleader seine Truppe nicht im Griff hatte, waren meine Chancen auf ein gutes Foto ebenso gering.

Außerdem lief die Zeit. Einmal im Monat fand die Ladies Night im Kino statt. Eigentlich ein fester Termin für zwei Freundinnen, meine Schwester und mich, mit viel Sekt und einem Liebesfilm oder einer Komödie, aber den Kinobesuch musste ich jetzt absagen. Niemals würde ich es pünktlich schaffen und wenn es so weiterging, würde aus dem Nachmittagsshooting eine nächtliche Session werden.

Gerade hatte ich die Nachricht an meine Schwester ins Handy getippt, als der Schlagzeuger wieder auftauchte und an seinen Platz ging. Die Chance musste ich nutzen. »Können wir starten?« Der Bassist steckte sein Handy weg, ich schnappte meine Kamera. »Spielt bitte einfach einen Song, den Rest erledige ich.«

»Red Leaves?«, fragte David mit einem Blick zu seinem Bruder. Kevin nickte und reichte auch dem Sänger eine Gitarre. Sie spielten die ersten Takte.

Die Brüder, die beide ganz vorne standen, waren in ihrem Element. Sie schienen ganz in dem Song aufzugehen, aber der Schlagzeuger wirkte völlig abwesend. Obwohl er sehr muskulös war, saß er in sich zusammengefallen auf seinem Hocker und schlug lustlos auf die Trommeln ein.

»Stellt euch vor, ihr würdet vor Publikum spielen!« Ich nickte dem Drummer zu. »Ein wenig Körperspannung für die kreischenden Mädels in der ersten Reihe.«

Er sah zu mir und betrachtete mich für einen Moment, als müsste er sich die Situation erst bewusst machen. »Wirst du kreischen?«

Was sollte der Spruch denn? Sicher nicht! »Brauchen wir Statisten?«

»Nein, aber ein Schluck Wasser wäre toll.«

Er stand auf und ging zu dem Tisch, an dem Getränke bereitstanden. Super! Jetzt hatte ich sie endlich wieder alle an ihrem Platz, da machte der Typ mir wieder einen Strich durch die Rechnung. Dabei hatten sie doch gerade erst eine Pause gemacht. Das war ja schlimmer als eine Horde Kinder zu fotografieren, bei denen ich auch den Hampelmann machen musste, damit sie zur Kamera schauten. Für Kinder tat ich es gern, doch bei den Musikern würde ich es anders versuchen.

Ich folgte dem Typ und stellte mich zu ihm an den Tisch. »Du, ich mache das nicht, um dich zu ärgern. Ich …«

»Ich heiße Steve.«

Okay … »Steve, ich möchte ein gutes Foto für euch schießen. Aber dafür musst du mitmachen.«

»Klar, geht gleich wieder.« Er holte tief Luft und sah zur Decke. »Ich war mit den Gedanken woanders. Tut mir leid.«

Er wirkte so geknickt, dass ich ihm eine Hand auf den Oberarm legte. »Dir muss nichts leidtun. Wir kriegen das schon hin. Vielleicht mit einem anderen Song. Gibt es ein Lied, das du gerade gern hören würdest? Was passt zu deiner Stimmung?«

»Stand Behind«, sagte er, ohne zu zögern, aber ich spürte, wie seine Muskeln sich unter meinen Fingern anspannten.

»Gut. Dann an die Arbeit.«

Steve bat die anderen den Song zu spielen, sah kurz zu mir und setzte sich extra gerade hin. Für einen Moment hatte ich Sorge, dass er nun stocksteif spielen würde, aber sobald er die Sticks in den Händen hielt, tauchte er in das Stück ein. Sein Kopf bewegte sich im Takt mit seinen Schlägen und eine Mischung verschiedener Emotionen legte sich in seinen Blick. Während der Sänger eine neue Strophe anstimmte, wurden Steves Gesichtszüge, die durch die dunklen Schatten unter seinen Augen besonders kantig wirkten, weicher.

Sofort fing ich den Moment ein, hielt fest, wie die Bandmitglieder in einer Einheit mit der Musik verschmolzen. Der Song war perfekt, leicht melancholisch und doch energievoll. Er veränderte die Atmosphäre in der Halle und machte die Aufnahmen zu etwas Besonderem.

Als die letzten Töne verklangen, machte ich ein paar abschließende Fotos, war mir jedoch schon sicher passende Bilder geschossen zu haben. Erwartungsvoll steckte ich das Kabel in die Kamera und scrollte am Laptop durch die Vorschaubilder. Schnell fand ich, wonach ich gesucht hatte. Auf diesem Bild fügte sich alles zu einem Moment zusammen. David hatte eine Hand an das Mikro gelegt und sang mit geschlossenen Augen und leicht geneigtem Kopf, Kevins Finger lagen auf seiner Gitarre, sein Blick war konzentriert darauf gerichtet, der Bassist hatte den Kopf leicht in den Nacken gelegt und schien die Musik in sich aufzusaugen, und Steve … Er hatte nach vorn geschaut, direkt zu mir, und in diesem Moment zum ersten Mal entspannt gewirkt. Sein ganzer Ausdruck hatte sich verändert, als hätte ihn der Song von einer Last befreit. Unwillkürlich fragte ich mich, ob sein Blick auf mich oder die Kamera gerichtet war. Neugierig betrachtete ich seine braunen Augen, die ihn trotz seiner Größe und der muskulösen Statur weich wirken ließen. Das machte ihn ziemlich attraktiv, zumal ich dunkle Haare bei Männern mochte, da sie mehr Kontrast boten. Steve wäre ein gutes Model für ein Porträtshooting.

»Danke!«

Ich erschrak, als ich seine Stimme hörte und fuhr herum. Er stand so dicht vor mir, dass ich mir beim Versuch, dem Kerl ins Gesicht zu schauen, beinahe den Hals verrenkte. »Gern geschehen.« Auch wenn ich nicht sicher war, wofür er sich bedankt hatte. Aber ich trat zur Seite, damit er das Bild anschauen konnte.

»Das ist großartig geworden. Du hast ein gutes Gefühl für Timing. Und ich kann das beurteilen, schließlich bin ich Drummer.« Er setzte ein gespieltes Lächeln auf.

Den Witz verstand ich nicht, lächelte aber zurück.

»Die Idee mit dem anderen Song war toll!« Er sah wieder auf den Monitor. »Ich wusste es selbst nicht, aber das war nötig. Es hat geholfen. Mehr, als du dir vorstellen kannst.«

»Das freut mich. Es gibt da diesen Satz: ›Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.‹« Dieses Bibelzitat hatte mich lange nachdenken lassen und inzwischen half es mir oft, Situationen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Vielleicht konnte es auch ihm helfen. »Ich glaube, wenn man die Dinge mit Liebe macht, wenn ich meine Bilder mit Liebe betrachte, dann wird es gut. So ist es bestimmt auch mit eurer Musik.«

Er zögerte einen Moment und zog die Augenbrauen nachdenklich zusammen. »Klingt ein wenig nach Glückskeksweisheiten, aber ich werde es mir merken.«

Bei dem Vergleich musste ich schlucken, wollte etwas entgegnen, aber eines der anderen Bandmitglieder ging auf Steve zu.

»Was läuft denn hier?« Der Bassist gab ihm einen Schubs und stellte sich zu uns. »Es gibt in dieser Halle nur diese eine Frau und du glaubst sie allein für dich klarmachen zu können? Wo bleibt mein Spaß?«

War das sein Ernst? Das konnte einfach nicht wahr sein. Was sollte das? Und wie plump war diese Anmache?

Steve sah den Bassisten mindestens so verwundert an wie ich. Na toll! Waren die beiden Konkurrenten, die sich sonst um Groupies stritten? Ich wollte es lieber nicht wissen. Bevor sie mir noch eine Nacht zu dritt vorschlagen konnten, klappte ich meinen Laptop zu. Diese Art von Leuten kannte ich, wusste, wozu sie fähig waren, und wusste, dass ich niemals erleben wollte, was einer von ihrer Sorte meiner Schwester angetan hatte! »Hier wird gar nichts klargemacht. Ich gehe nicht mit Kunden aus! Aber ich wünsche euch noch einen schönen Abend. Viel Spaß bei … was auch immer ihr noch vorhabt.«

Steve – Gute Kumpels

»Paul! Was sollte das denn? Hast du ihr Gesicht gesehen?« Lizzy musste gedacht haben, dass wir gleich über sie herfallen würden. Wer solche Freunde hatte, musste sich nicht um Reporter sorgen, die einen in ein falsches Licht rückten. »Ich wollte nur mit ihr reden. Nach mehr steht mir sicher nicht der Sinn.«

»Ich dachte, ich muntere dich mit der Erinnerung an alte Zeiten auf.«

»Danke, Paul! Wenn es einer draufhat, dann du.«

Früher hatten wir das oft gemacht, eigentlich immer. Wir hatten ständig dumme Sprüche geklopft und so getan, als würden wir ein Mädchen nach dem anderen abschleppen. Dabei war ich der Einzige, der sich auf gelegentliche One-Night-Stands einließ. Paul hatte nie mit einer von seinen angeblichen Eroberungen geschlafen.

»Ach, komm schon«, sagte er. »Lass uns noch was trinken gehen.«

»Heute nicht.« Ich hatte keine Lust, meinen Schmerz mit Alkohol hinunterzuspülen. Der Song hatte geholfen und ich würde mich gleich wieder ans Schlagzeug setzen. »Marc wartet bestimmt schon auf dich. Macht euch einen netten Abend.«

Wie ich Paul kannte, hatte er seinem Liebsten aus Sehnsucht schon etliche Nachrichten gesendet und konnte es kaum erwarten, ihn zu sehen.

Ich verabschiedete mich von den Jungs und rief noch auf dem Weg zum Auto Sammy an. »Spielen wir eine Runde?«

»Bin schon dabei. Kommst du rum?«

»Ich kümmere mich um Detlef und bin in einer Stunde bei euch.«

***

Vera öffnete mir und wie so oft bei den Wilsons schlug mir ein herrlicher Duft aus der Küche entgegen. Wenn ich mich nicht irrte, roch es nach frischer Lasagne. Vera zog mich in ihre Arme. Wie Sammy brauchte sie nichts zu sagen. Ich wusste, dass jedes ihrer unausgesprochenen Worte von Herzen kam, und erwiderte die Umarmung. Der Kloß in meinem Hals, den ich seit Simones Tod mit mir herumtrug, schnürte mir noch immer die Kehle zu, doch irgendwie schaffte Vera es, dass er ein winziges Stück schrumpfte. Wieder ein Stück, nachdem Lizzy heute den Anfang gemacht hatte.

»Setz dich, ich hab gekocht.« Du hast bestimmt den ganzen Tag noch nichts gegessen, schien ihr Blick zu sagen und damit hatte sie recht. Mehr oder weniger zumindest. Ich hatte mir mit Detlef ein Stück Fleischwurst geteilt, aber das zählte nicht gerade als vollwertige Mahlzeit.

Sammy saß bereits am Küchentresen und umarmte mich im Sitzen. »Wo ist Dee?«

»Bei mir zu Hause.«

»Warum hast du ihn nicht mitgebracht?«

»Weil wir spielen wollen und das nichts für Hundeohren ist.«

»Aber du behältst ihn?«

»Sieht so aus.«