Rhythm and Love: Nele und Kevin - Sophie Fawn - E-Book
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Rhythm and Love: Nele und Kevin E-Book

Sophie Fawn

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Beschreibung

**Rockstar boyfriend** Nele und Kevin – ein Paar, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. Sie Krankenschwester, er Rockstar. Da ist es nicht immer leicht, einen Mittelweg zwischen Neles bodenständigem und Kevins wildem Leben zu finden. Als der Star-Gitarrist die Chance erhält, Jurymitglied in einer erfolgreichen Castingshow in den USA zu werden, scheinen sich ihre Wege endgültig zu trennen. Doch gerade als beide glauben, ihre Liebe für immer verloren zu haben, zwingen unerwartete Ereignisse Kevin zu einer Entscheidung. Was zählt wirklich für ihn? Der Glanz der Rockstar-Welt oder die wahre Liebe…? //Alle Bände der berührenden Rockstar-Romance bei Impress:  -- Rhythm and Love: Luna und David   -- Rhythm and Love: Sammy und Jayden   -- Rhythm and Love: Nele und Kevin  -- Rhythm and Love: Lizzy und Steve -- Rhythm and Love: Alle Bände der berührenden Rockstar-Romance in einer E-Box!// Alle Bände der Reihe sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.  

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Sophie Fawn

Rhythm and Love: Nele und Kevin

**Rockstar boyfriend** Nele und Kevin – ein Paar, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. Sie Krankenschwester, er Rockstar. Da ist es nicht immer leicht, einen Mittelweg zwischen Neles bodenständigem und Kevins wildem Leben zu finden. Als der Star-Gitarrist die Chance erhält, Jurymitglied in einer erfolgreichen Castingshow in den USA zu werden, scheinen sich ihre Wege endgültig zu trennen. Doch gerade als beide glauben, ihre Liebe für immer verloren zu haben, zwingen unerwartete Ereignisse Kevin zu einer Entscheidung. Was zählt wirklich für ihn? Der Glanz der Rockstar-Welt oder die wahre Liebe …?

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Vita

Danksagung

Playlist

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© Melanie Baumeister

Sophie Fawn führt ein Doppelleben: Tagsüber arbeitet sie als Informatikerin, abends versinkt sie in erträumten Geschichten. Ihren ersten Roman schrieb sie bereits in der siebten Klasse und konnte seitdem den Stift kaum aus der Hand legen. Ob sexy Rockstar, frecher Kobold oder geflügelter Wolf – sie alle sind in ihren Werken vertreten. Heute schreibt sie am liebsten im Beisein ihrer Hunde, die zu ihren Füßen schlafen, während sie Figuren und Welten zum Leben erweckt.

Kevin – Der Moment

Es gibt drei Dinge, die für einen erfolgreichen Gig notwendig sind.

Erstens: das richtige Instrument.

Charline war meine erste eigene E-Gitarre. Seit ich die schwarzgebürstete Ibanez FR zu meinem achten Geburtstag bekommen hatte, spielte ich täglich auf ihr. Den Namen gab ich ihr erst später, als ich heimlich mit meinem Bruder Dave ›Full Metal Jacket‹ geschaut hatte. Das war vier oder fünf Jahre später gewesen und kurz danach hatte ich ihn zum ersten Mal überredet Sänger in meiner Band zu werden. Rückblickend war das eine meiner besten Entscheidungen gewesen, wie sich im nächsten Punkt zeigt.

Zweitens: die richtigen Leute.

Mit den Jungs verstand ich mich auch abseits der Bühne. Die Weeds bestanden aus meinem älteren Bruder und meinen zwei besten Freunden, Paul und Steve. Auf jeden der drei konnte ich mich blind verlassen.

Drittens: mein Anker!

Nele hatte mich immer unterstützt. Von der Gründung der Band bis jetzt. Ihre Worte begleiteten mich in jedes Konzert.

Heute konnte sie nicht mitkommen, aber wir hatten kurz vorher noch telefoniert. In dem Gespräch war mir klar geworden, dass dieser Gig großartig werden würde.

Und genau das traf ein. Das Konzert in unserer Heimatstadt Frankfurt war bisher ein großer Erfolg. Die neuen Songs wurden vom Publikum gefeiert, die bekannten Texte von der Menge mitgesungen. Wir hatten bereits sieben Titel gespielt, doch jetzt folgte der Moment, auf den ich mich am meisten freute.

Davids Stimme verstummte, Steves Drums gingen in einen unaufdringlichen Rhythmus über. Mit Neles Lächeln vor Augen steigerte ich das Tempo, flog schneller über die Saiten und sog die Stimmung in mich auf. Ich dachte daran, wie oft sie mir bei den Proben zu diesen Parts zugeschaut und ihre blonden Haare um einen Finger gewickelt hatte. Voller Geduld hatte sie mir zugehört, bis ich für dieses Solo bereit war.

Abgesehen von dem auf mich gerichteten Scheinwerfer war die Bühne größtenteils abgedunkelt. Unser Publikum, das vor wenigen Sekunden noch lautstark mitgesungen hatte, lauschte. Gänsehautstimmung. Genau das, was ich mir für die Präsentation des neuen Solos gewünscht hatte. Der perfekte Moment.

Die Finger meiner linken Hand strichen über die Saiten, dehnten und zupften, glitten über die Bünde und nutzten den Spielraum der Skalen. Ein Bein auf den Monitor gestellt hielt ich Charline sicher bei mir. Als wäre sie ein Körperteil von mir, so selbstverständlich schmiegte sie sich an mich, und gemeinsam kreierten wir ein Solo nach völlig neuen Maßstäben.

Gleichmäßig ließ meine rechte Hand das Plektrum für die Arpeggios über die Seiten wandern, bis zu einer letzten Berührung, die ich mit einem sanften Streichen meines Daumens über die Saite abschloss, um den Oberton zu erzeugen. Zwei Finger griffen den Vibratohebel und versetzten dem Solo einen Höhepunkt, als sie es in einer Dive Bomb enden ließen.

Die Fans jubelten auf, Steve setzte mit einem Wirbel auf den Becken ein und ich ging in die Bridge über, begleitet von Pauls Bass.

Glückshormone pumpten durch meine Adern. Es war ein Rausch, den ich nicht oft genug erleben konnte. Genau für diese Momente arbeitete ich. Dafür lebte ich!

Nele – Neuigkeiten

Blind tastete ich nach den Chips und zog eine Handvoll aus der Schüssel, die zwischen mir und Sam auf ihrem Bett stand. Früher hätte ich Sorge gehabt, die schöne Bettwäsche zu beschmutzen oder sonst irgendwie Sams Reich zu verunstalten, das in einer Mischung aus Mustereinrichtung des berühmten schwedischen Möbelhauses und einem romantischen Prinzessinenzimmer gestaltet war. Weiße Möbel, geblümte Dekokissen, ein Hauch Rosé. Heute fühlte ich mich hier wohler als zu Hause. Ich war nach dem Spätdienst direkt hergefahren und Sam hatte mich mit Snacks und der Fernbedienung begrüßt, als ginge ich mit ihr und nicht mit ihrem Bruder.

Obwohl ich den neuen ›Superman‹ gut fand, musste ich aufpassen, dass mir die Augen nicht zufielen. Der Tag war einfach zu lang gewesen, aber ich wollte durchhalten, bis Kevin nach Hause kam. Daher konzentrierte ich mich auf die stählernen Bauchmuskeln des Außerirdischen, der gerade oben ohne herumlief, und stopfte Chips in mich hinein.

»Es ist so unfair, dass du das alles verdrücken kannst und trotzdem einen flachen Bauch hast.« Sam fasste nach dem Saum ihres Shirts und zog daran, bis es sich um ihren Körper spannte. »Bei mir sieht man sofort ein Kügelchen.« Sie zog einen Schmollmund und ich lachte. »So ein Quatsch! Da ist nichts.«

»Doch!« Sie strich über ihren Bauch. »Wenn ich mir den Magen vollhaue, sieht man es gleich.«

»Nur weil du dünn genug bist, damit man es sehen kann und auch nur, weil du vor den Chips eine ganze Salamipizza verdrückt hast.« Ich griff nach der Schale und stellte sie auf Sams Bauch ab. »So! Jetzt sieht es keiner mehr und bis Jayden herkommt, ist dein Kügelchen verschwunden.« Jayden lebte in Florida, wo sich die beiden im Sommer kennengelernt hatten. Dank der Videotelefonie konnte er zwar Sams inzwischen kurze Haare sehen, aber das erste echte Treffen seit Langem musste bis zu ihrem Geburtstag in drei Wochen warten.

»Trotzdem unfair«, murrte sie.

Ihr Handy piepte und während sie es vom Nachttisch angelte, spürte ich eine Vibration in meiner Hosentasche. Chrissi hat ein Video gesendet stand auf dem Display meines Smartphones. Sie war die PR-Managerin und gute Seele der Weeds.

Aus Sams Handy drang Gekreische, als David, ihr Bruder und Sänger der Weeds, das Publikum feierte. Dann war das Video auch bei mir runtergeladen. Es zeigte einen Fernseher, der vermutlich in einem der Büros oder VIP-Räume der Festhalle Frankfurt hing. Jetzt sah auch ich David, der die Fans anheizte und dann meinem Freund zunickte. Völlig souverän trat Kev nach vorn und spielte ein Gitarrensolo. Die Kamera schwenkte auf seine Finger, die sich schneller bewegten, als meine Augen zuschauen konnten.

Er ist ein verdammter Gitarrengott! erschien als Text am oberen Rand des Displays und kündigte die nächste Nachricht von Chrissi an.

Meiner!, antwortete ich in den Gruppenchat, den sie für uns geöffnet hatte, und schickte noch ein Zwinker-Emoji hinterher.

Sam sah zu mir und verdrehte die Augen. »Glaub mir, keiner von uns will ihn. Behalte ihn und freu dich, dass du dir das Bandmitglied mit den längsten und geschicktesten Fingern ausgesucht hast. Das ist sicher praktisch«, sie machte eine bedeutsame Pause, »wenn man die Krümel aus der Keksdose fischen will.«

»Neidisch?«, neckte ich sie.

Sam tat, als würde sie sich den Zeigefinger tief in den Hals schieben. »Allein der Gedanke ist eklig. Ich will nicht wissen, was mein Bruder mit seinen geschickten Fingern macht, wenn sie keine Gitarre halten oder an Autos basteln. Außerdem bin ich mit Jayden sehr zufrieden.«

»Logisch!« Ich versuchte völlig ernst zu bleiben. »Wie war das noch? Er kann toll Double Bass spielen, weil er die Füße so schnell bewegen kann? Das ist bestimmt praktisch«, nun legte ich die Pause ein, »wenn er vor dir wegrennen muss.«

»Ha, ha! Nele, du bist ja so witzig. Notier dir den Spruch, dann hast du irgendwann genug Stoff für eine eigene Comedy-Show.«

»Nur, wenn du versprichst sie anzusehen.«

»Klar!« Sam lächelte. »Als dein größter Fan werde ich in der ersten Reihe sitzen.«

»Prima, ist notiert.« Mit dem Smartphone noch immer in der Hand begab ich mich wieder in die Horizontale. »Und jetzt lass uns wieder Muskeln aus Stahl gucken.«

***

Weiche Lippen strichen an meinem Ohr entlang, gefolgt von kitzelnden Bartstoppeln. »Honey?«

Mit geschlossenen Augen tastete ich nach meiner Umgebung. Ich lag auf einer Decke statt darunter. Außerdem trug ich Jeans. Meine Finger entdeckten ein Handy, dann stach mich etwas unter dem Fingernagel. »Au.« Blöde Chips! »Wo ist Sam?«

»Sie ist unten.« Kev setzte sich auf den Bettrand. Der Geruch seines Parfüms, eine Mischung aus Leder und Edelhölzern, stieg in meine Nase und ich atmete tief ein. »Dave und Steve sitzen im Wohnzimmer. Soll ich dich schlafen lassen?«

»Ja.« Ich gähnte. »Aber bei dir.« Bevor ich wieder einschlief, brauchte ich bequeme Sachen. In Kevs Zimmer lag mein Schlafshirt, außerdem war sein Bett frei von Chipskrümeln.

Schlaftrunken taumelte ich aus dem Zimmer und wurde im Flur schon wieder wacher, weil alle Lampen eingeschaltet waren. Von unten hallten Stimmen zu uns. Alle waren total aufgedreht nach dem Konzert. Das waren sie immer. Sam bezeichnete sie dann als ADHS-Teddys auf Koks und sog die Stimmung in sich auf. Kein Wunder, dass sie davon angezogen wurde, denn bei ihr war dieses Hochgefühl ein Dauerzustand. Die Jungs teilten ihn nicht oft mit ihr, aber nach Auftritten konnte man sich auf den Endorphinrausch verlassen. Auch bei Kev konnte ich es spüren, obwohl er mich schweigend zu seinem Zimmer begleitete.

Wie seine Geschwister wohnte er zu Hause, aber daran wollten wir schnellstmöglich etwas ändern und in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Dave und seine Freundin Luna hatten das auch schon in Erwägung gezogen, aber Luna studierte in Köln und die Weeds arbeiteten von Frankfurt aus. Einen passenden Wohnort für beide schien es daher nicht zu geben.

Von hinten schlangen sich Kevs Arme um meine Taille, sobald wir sein Zimmer erreicht hatten. Es waren zwar keine Muskeln aus Stahl, die mich umschlossen, aber Kevin trainierte regelmäßig und hatte eine sportliche Figur. Ich spürte, wie er einen Fuß nach hinten streckte, dann knallte die Tür zu. »Du hast mir gefehlt«, flüsterte er.

Ich schloss die Augen, genoss die Nähe und seine Wärme, die sich in mir ausbreitete. Langsam lehnte ich den Kopf nach hinten und schmiegte mich an Kevs Brust. »Du mir auch. Ich wäre so gern mitgekommen. Aber wenigstens habe ich dein neues Solo gesehen. Chrissi hat uns ein Video gesendet.«

Seine Arme schlossen sich noch ein wenig fester um mich, bis ich seinen Herzschlag spüren konnte. »Hast du gehört, wie präzise ich die Arpeggios gespielt habe?«

Ich nickte. Wirklich beurteilen konnte ich es nicht, aber ich mochte den Part, in dem er die Töne der Akkorde einzeln spielte, so schnell, dass es sich wie ein Wasserfall anhörte, an dem die Tropfen hinunter perlten.

»Das ist bei der Probe so oft schiefgegangen, dass ich schon etwas anderes spielen wollte, aber dann … Es war, wie du gesagt hast. Alles lief perfekt.«

Plötzlich verschwanden die Arme. »Oh, verdammt!« Kevin trat einen Schritt nach hinten und legte eine Hand in seinen Nacken.

Diese Geste war eindeutig. Er hatte etwas verbockt.

»Was ist los?« Mit einem Mal war ich besorgt.

»Das hab ich ja total vergessen! Du hast doch von einer Neuigkeit gesprochen.«

»Ist nicht schlimm. Die kann bis morgen warten. Feier ruhig noch mit den Jungs. Ich laufe nicht weg.«

»Nein!« Kev griff nach meiner Hand und zog mich zum Bett. »Du hast so begeistert geklungen. Was ist passiert? Hast du eine Wohnung gefunden?«

Als wenn das so einfach wäre … Die waren alle sofort vergeben oder viel zu teuer, zumindest für mich. »Nein, es geht um die Arbeit.«

Kev sah fragend zu mir.

Ich zog meine Beine an und machte es mir im Schneidersitz auf dem Bett gemütlich. Automatisch rückte Kev ein Stück näher und griff nach meiner Hand. Ich drückte seine Finger. »Du weißt doch, diese Weiterbildung. Ich wurde zugelassen.«

Der fragende Ausdruck verschwand, dann blieb Kevs Miene regungslos. »Für wann?«

»Sofort. Am ersten November geht es los.« Ich konnte es noch immer nicht fassen, dass sich schon in wenigen Tagen mein Wunsch erfüllen sollte. Bisher arbeitete ich als Kinderkrankenschwester. Das gefiel mir sehr gut, aber mein Traum war es schon immer gewesen, mich um Frühchen zu kümmern. Damit ich für die Fortbildung zugelassen wurde, musste ich erst die Weiterbildung in Anästhesie und Intensivpflege absolvieren. Mit der Zulassung war der erste Schritt geschafft. Wenn ich mich beeilte, konnte ich schon in zwei Jahren meine Fachausbildung auf der Neonatologie starten.

»Was ist mit deinem Urlaub?«

Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. »Weiß ich nicht. Das kommt vermutlich darauf an, wie die Theorieblöcke liegen und wo ich arbeite.« Für die Weiterbildung musste ich den praktischen Teil auf der jeweiligen Station erfüllen und würde im gesamten Uniklinikum eingesetzt werden.

Kev sprang auf und sah mich vorwurfsvoll an. »Was ist mit Miami?«

»Weiß ich nicht.«

»Du wolltest mitfahren.«

Ich nickte.

»Du warst im Sommer schon nicht dabei.«

»Ja.« Das fand ich auch schade, aber ich konnte nicht ständig Urlaub nehmen.

»Ich werde in der Zeit nicht herkommen können. Deswegen zahlen sie dir ja die Tickets. Wenn du keinen Urlaub bekommst, sehen wir uns fast drei Monate nicht.« Kev fuhr sich mit einer Hand durch die roten Haare. »Und dein Geburtstag? Wir wollten in Miami feiern. Mit Sam und Jayden und …«

»Ich möchte meinen Geburtstag nicht feiern.«

»Brauchst du auch nicht«, lenkte er ein. »Aber wir würden den Tag gerne mit dir verbringen. Ich möchte dich sehen!«

»Das wird schon klappen. Außerdem wohnen wir dann bereits zusammen. Dann ist das etwas völlig anderes. Warte ab!«

»Wie denn das? Willst du für die Fortbildung lernen und gleichzeitig Umzugskartons packen, tapezieren und Wände streichen? Wie soll das funktionieren?«

Ich sog meine Unterlippe zwischen die Zähne und biss darauf, bis sich ein rostiger Geschmack in meinem Mund ausbreitete.

Plötzlich kniete Kev vor mir und fasste nach meinen Händen. »Was hab …?«

Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich darauf, die blöden Tränen zurückzudrängen.

»Es tut mir leid!« Kev strich behutsam über meine Unterarme. »Ich weiß, wie wichtig dir das ist. Ich will ja auch, dass du den Platz bekommst und sich irgendwann dein Traum erfüllt.«

Wieder schüttelte ich den Kopf. Das wusste ich doch. Wenn jemand mich unterstützt hatte, dann er. »Das ist es nicht«, sagte ich stockend. »Ich verstehe dich. Das mit Miami ist doof. Aber vielleicht kann ich Urlaub bekommen. Ich kläre das so schnell wie möglich.« Die Produktionsfirma, die Kev zum Casting eingeladen hatte, zahlte zwei Flüge pro Monat. Die würde ich natürlich nutzen, auch weil ich Sam versprochen hatte, dass wir uns die Flüge teilen und so beide unsere Jungs sehen könnten.

»Aber?«

Meine Zunge glitt über die wunde Stelle in meiner Lippe. Sie war bereits angeschwollen.

»Shit!« Kev setzte sich zu mir und legte einen Arm um mich. »Oh, Honey, ich bin so ein Idiot. Es tut mir leid! Es war der Umzug, nicht wahr? Sie hat dir gesagt, dass du deswegen die Fortbildung absagen sollst.«

Es war keine Frage, trotzdem nickte ich.

»Wenn es nicht so spät wäre, würde ich jetzt sofort zu Carola fahren und sie fragen, was sie für ein verdammtes Problem hat.«

Die Frage konnte ich beantworten. »Meine Mutter hat die Wohnung zum Jahresende gekündigt. Sie will bis dahin zu Frank nach Worms ziehen.«

Kev versteifte sich neben mir, blieb aber sitzen. »Natürlich denkt sie nur an sich. Hör nicht auf sie! Wir kriegen das hin! Du lernst, ich kümmere mich um den Umzug.«

Das würde er tun, ohne mir jemals vorzuhalten, dass er die ganze Arbeit allein erledigen musste und das war einer der Gründe, für die ich ihn liebte.

Ich lehnte mich an ihn und vergrub mein Gesicht zwischen seinem Kinn und der Schulter. »Aber nur, wenn du meine BHs ordentlich faltest, bevor du sie in einen Umzugskarton legst.«

»Baby, für dich würde ich sie sogar bügeln.«

***

Eine Woche später wurde ich bereits der neuen Abteilung zugeteilt. Obwohl ich seit Jahren in der Klinik arbeitete, fühlte ich mich wieder wie am ersten Tag, als ich mich im Pausenraum des OP-Bereichs vorstellte.

»Schön, dass du dich gleich für uns entschieden hast«, begrüßte mich Sina. Sie arbeitete als Krankenschwester im Aufwachraum und betreute mich während meiner Weiterbildung in der Anästhesie, weshalb meine ersten Dienste mit ihren zusammenlagen. »Heute läufst du einfach mit mir mit. Vielleicht holst du auch Patienten von den Stationen ab. In den nächsten Tagen erweitern wir deine Aufgaben.«

Offensichtlich war ich nicht die erste Person, die Sina einarbeitete und das beruhigte mich ungemein. Heute Morgen hatte ich nur wenig gefrühstückt, weil die Aufregung mir auf den Magen geschlagen war. Trotz der Übelkeit fühlte ich mich fit für den Tag und freute mich auf die neuen Aufgaben.

Sina erklärte mir ein paar der Geräte und stellte mir einen der Anästhesisten vor, der heute im Dienst war. »Mach einfach, was Dr. Osterhagen oder ich dir sagen.«

Das Gesicht des Assistenzarztes wurde größtenteils vom Mundschutz verdeckt, aber um seine Augen bildeten sich kleine Fältchen, als er mir die in Latex gehüllte Hand reichte. Ich schüttelte sie und war froh, dass ich heute nicht gleich mit ihm in den OP musste, sondern die Patienten erst dann betreuen sollte, wenn sie alles gut überstanden hatten. Das schien mir für den Einstieg leichter, obwohl ich gerne bei der einen oder anderen Operation zusehen wollte. Noch wusste ich nicht sicher, ob ich nach dem praktischen Teil im Aufwachraum noch eine eigene Praxisphase im OP absolvieren würde, hoffte aber insgeheim darauf.

»Dr. Mehler wirst du gleich auch noch kennenlernen«, sagte Sina. »Er vertritt heute unseren Oberarzt Dr. Friedmann. Der hat sich ein paar Tage freigenommen, aber du wirst ihn schon früh genug treffen.«

Das klang nicht gerade begeistert und sofort merkte ich mir, dass ich vorsichtig sein sollte, wenn der Oberarzt in der Nähe wäre. Manche waren wirklich komisch, behandelten das Pflegepersonal wie niedere Dienstboten oder hatten mehr private Probleme, als es für die Arbeit gut war. Egal, was das Problem mit Dr. Friedmann war, ich wollte es lieber nicht herausfinden.

Wenigstens machte Dr. Osterhagen einen freundlichen Eindruck. Die ganze Zeit über gab er sich gelassen und die Ruhe, die seine braunen Augen ausstrahlten, übertrug sich auf mich. Langsam schwand meine Nervosität und ich beobachtete die Arbeitsschritte genauer. Er leitete die Narkose bei einem Patienten aus und gab Sina Anweisungen. Sofort zog sie zwei Spritzen auf und stellte den Perfusor ein.

Die Geräte kannte ich zum Glück bereits von der Station. Für die Kinder hatten wir die gleiche Ausstattung benutzt, jedoch war ich in der Auswertung von Herzmonitoren nicht so erfahren wie Sina und mit Beatmungsgeräten kannte ich mich nur theoretisch aus.

***

In den nächsten Tagen bekam ich langsam Routine und schloss Sina in mein Herz. Sie war Ende zwanzig und ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Da sie etwas rundlich war, hätte man es schnell darauf geschoben, aber so war sie nicht. Sina war süß, quirlig und immer gut gelaunt, ließ sich dabei aber nicht stressen.

Das half mir, wenn es mal wieder turbulenter wurde. Zwar war ich anstrengende Kids gewohnt, aber Herzalarme und Atemstillstände im OP waren etwas ganz anderes.

»Du bist ein Schatz«, rief ich Sina in der Pause zu, als ich am Rechner nach Wohnungen suchen wollte und einen Ausdruck neben der Tastatur entdeckte, der nicht von mir war.

»Ist direkt bei mir um die Ecke«, sagte sie. »Bezahlbar und trotzdem ganz angenehm. Nur die Fahrzeit zur Arbeit …«

Auf dem Ausdruck stand die Anzeigen-ID, die mich direkt zum Exposé führte. Von dort aus klickte ich mich durch weitere Wohnungen im Umfeld und achtete darauf, die Kosten für die Miete immer schon in der Suche einzugrenzen.

Während meiner Ausbildung hatte ich nicht viel sparen können und dann war der Großteil fürs Auto draufgegangen. Kleine Sachen, wie Reifenwechsel oder den Austausch defekter Birnen, erledigte Kev, trotzdem fraß der Unterhalt einen ordentlichen Batzen meines Gehalts. Wenn ich die in Frankfurt üblichen Mieten dazurechnete, blieb kaum noch Geld für Essen und das, obwohl ich inzwischen ausgelernt hatte. Es war eine Katastrophe, dass man sich hier trotz eines vernünftigen Jobs keine Wohnung leisten konnte. Kev hatte zwar mehrfach angeboten, dass er die Kosten übernehmen würde, aber das wollte ich nicht. Zumindest bei den Fixkosten wollte ich sichergehen, dass ich sie im Notfall allein tragen konnte. Das war eines der Dinge, die meine Mutter mir immer eingebläut hatte. Du darfst dich nicht von einem Mann abhängig machen. Deshalb war es ihr auch so wichtig gewesen, dass ich so früh wie möglich eine Ausbildung machte. Sonst geht es dir wie mir.

Danke auch! Wie konnte ich kein Mitleid mit ihr haben? Sie musste sich nicht nur um sich kümmern, sondern hatte auch ein Leben lang für mich aufkommen müssen. Zwar zahlte ich inzwischen einen Anteil zur Miete, aber das ignorierte sie gern.

Ich scrollte durch die Anzeigen der Immobilienanbieter und dachte über Sinas Tipp nach. Eine Wohnung außerhalb würde viele Probleme lösen. Die Miete wäre günstiger und für Kev würden wir leichter eine Garage finden. Nicht auszudenken, wenn sein Heiligtum – und damit meinte ich nicht seine Gitarre, die mindestens ebenso vergöttert wurde – auf der Straße stehen müsste.

Mir blieben nur noch fünf Minuten meiner Pause und ich musste einsehen, dass Sinas Vorschlag bisher die beste Option war. Bevor ich wieder zurück in den Aufwachraum musste, kramte ich mein Handy hervor und rief den Makler an.

»Die Wohnung ist bereits vergeben«, sagte er, sobald ich ihm die ID genannt hatte. »Die Nachfrage ist zurzeit groß. Schon am ersten Tag der Anzeige hatte ich dreiundzwanzig Anfragen.«

Toll! Dann hätte er die Anzeige doch einfach löschen oder zumindest offline schalten können.

»Tja, da kann man nichts machen.« Wenn das so weiterging, müsste ich meine Sachen in einer der Garagen bei den Wilsons lagern und bei ihnen einziehen, bis wir endlich eine Wohnung fanden. Vera, Kevins Mum, hätte sicher nichts dagegen, aber ich wollte das möglichst vermeiden. Vera war schon so oft eingesprungen, wenn etwas mit meiner Mutter nicht geklappt hatte, dass ich ihr das nicht auch noch zumuten wollte.

»Aber wenn Sie möchten«, sagte der Makler, den ich fast vergessen hatte, »kann ich für Sie Ausschau halten. Solche Objekte habe ich immer wieder im Angebot.«

Das wären zusätzliche Kosten. Makler waren nicht günstig und in meinem Fall würde die Provision vermutlich den Rest meiner Ersparnisse auffressen. Aber hatte ich eine Wahl?

»Gut. Machen Sie das.«

Kevin – Teil des Jobs

Noch leicht verschlafen fuhr ich durch die dunkle Frankfurter Innenstadt zu dem Maklertermin, den Nele für uns vereinbart hatte.

»Hey, was machst du heute Abend?«, begrüßte mich Dirk über die Freisprechanlage meines Camaros. Das Radiosystem war kein Original und schon gar nicht stilecht, aber diesen kleinen Luxus unseres Jahrzehnts gönnte ich mir.

»Geburtstagsfeier, warum?«

»Schade!« Dirk schnaufte.

»Was ist los?«

»Uns ist die Band abgesprungen und jetzt brauche ich kurzfristigen Ersatz.«

»Sorry, Sammy wird siebzehn. Da kann ich nicht absagen. Außerdem kannst du dir die Weeds doch gar nicht leisten«, tönte ich, obwohl ich mir sicher war, dass jeder der Jungs auf seine Gage verzichten würde, um Dirk einen Gefallen zu tun. Er hatte uns die ersten Auftritte ermöglicht und dafür waren wir ihm noch immer dankbar. Dankbar, aber nicht todesmutig. Keiner von uns würde es wagen, meine Schwester deswegen zu versetzen.

»Wer will schon die Weeds? Ich mag es jung und unverdorben, nicht solche mediengehypten Möchtegernstars, denen ich erst noch das Wasser einfliegen lassen muss, weil die Stimmbänder allergisch auf andere Quellen reagieren.«

»So kennt man Dave! Er und sein Wasser …« Mein Bruder würde ohne Cola verdursten. »Wie schön, dass du unsere Vorlieben auswendig gelernt hast. Vergiss die Trüffel und den Kaviar nicht.«

Er lachte. »Du hast mich schon überzeugt, dass ich euch gar nicht will. Aber vielleicht kennst du jemanden?«

Ich kannte viele, aber das würde Dirk nicht helfen. Es musste eine Band sein, die zum Club passte und dann musste wer auch immer verdammt kurzfristig Zeit haben.

»In dreihundert Metern haben Sie Ihr Ziel erreicht«, sagte die Frauenstimme des Navigationssystems. »Ihr Ziel liegt auf der linken Seite.«

»Dirk, ich muss Schluss machen. Aber ich kümmere mich darum. Bis heute Mittag hast du eine Band.« Und ich hatte auch schon eine Idee, wen ich fragen könnte.

Ich parkte meinen 72er Chevrolet Camaro am Straßenrand und stieg aus. Von Nele fehlte jede Spur, obwohl ich schon spät dran war. Da sie gleich zur Arbeit musste und ich ein Meet & Greet hatte, wollten wir uns direkt beim Immobilienmakler treffen. Es war ein Wunder, dass Herr Waechter etwas gefunden hatte, das Nele gefiel. Genau genommen war die Wohnung sogar längst vergeben gewesen, doch die Mieter waren kurzfristig abgesprungen, weshalb Herr Waechter uns gestern Abend angerufen hatte.

Für mich war es alles andere als die Optimallösung, aber Nele schwärmte davon, dass ihre Kollegin in der Nähe wohnte und auch die restliche Nachbarschaft toll wäre. Deshalb hatte ich mich auf den Termin eingelassen, Herrn Waechter aber dennoch um zwei weitere Exposés gebeten.

»Wartest du schon lang?«, rief Nele, als sie um die Ecke bog.

»Nein. Bist du zu Fuß hergekommen?« Von hier bis zur Wohnung ihrer Mutter waren es bestimmt zwei Kilometer.

»Das Auto steht eine Straße weiter. Ich sah den freien Parkplatz und hab die Gelegenheit genutzt.«

Verständlich. Bei mir war es nur Glück gewesen, dass ich so schnell einen Platz gefunden hatte. Innerlich war ich darauf eingestellt gewesen, mindestens dreimal um den Block zu fahren.

Zur Begrüßung schloss ich Nele in meine Arme und küsste ihre Wange. »Bereit?«

Sie nickte.

Gemeinsam stiegen wir die Stufen hinauf und ließen uns von einer Sekretärin in das Büro des Maklers führen. Er hatte bereits alle Unterlagen vorbereitet und sie in kleinen Stapeln vor sich aufgebaut.

»Guten Morgen.« Sein grauer Schnurrbart zuckte, als sich die Lippen zu einem aufgesetzten Lächeln formten und er uns die Hände schüttelte. »Bitte setzen Sie sich.«

Er sank zurück in seinen Stuhl und griff nach dem ersten Papierstapel. »Dies sind der Wärmepass, die letzte Nebenkostenaufstellung und natürlich der Vertrag.« Herr Waechter reichte mir die Unterlagen über seinen breiten Birkenfurnierschreibtisch. Demonstrativ sah ich zu Nele, damit sie alles entgegennahm.

»Haben Sie das mit der Küche geklärt?«, fragte sie.

Bei der Besichtigung letzte Woche war nicht klar gewesen, ob sie den Mietern oder zur Wohnung gehörte.

»Ich habe leider noch keine Rückmeldung von den Eigentümern. Aber wenn die Küche den Vormietern gehört, kann sie sicherlich für einen angemessenen Preis übernommen werden.«

»Die sieht teuer aus«, murmelte Nele.

»Fragen können wir trotzdem«, schlug ich vor. Nach der Wohnungsbesichtigung hatte sie geschwärmt, wie perfekt die Küche für diesen Raum gemacht und wie toll die Aufteilung von Schränken und Schubladen war. Und irgendwas an der Dunstabzugshaube hatte ihr auch gefallen. Was auch immer dieses Ding besonders machte, Nele mochte es, würde es sich aber niemals selbst kaufen.

»Haben Sie weitere Fragen?«

Bestimmt sah der Kerl wieder zu mir, aber ich ignorierte ihn. Nele hatte bereits die erste Seite des Vertrags aufgeschlagen und schüttelte den Kopf.

»Gut, dann lasse ich Sie ein paar Minuten allein, damit Sie alles in Ruhe durchsehen können.« Der Makler erhob sich, strich mit einer Hand die Krawatte über seinem gewölbten Bauch glatt und verschwand.

Seit er bei unserem letzten Besichtigungstermin mitbekommen hatte, dass ich mich für einen Hauskauf interessierte, war Nele für ihn Luft, obwohl sie diejenige war, die ursprünglich Kontakt zu ihm aufgenommen und ihn engagiert hatte. Es musste ihn maßlos ärgern, dass er für heute lediglich den Mietvertrag für eine kleine Wohnung außerhalb von Frankfurt vorbereiten durfte statt des Kaufs einer Innenstadtimmobilie, mit der er sich den Lebensunterhalt der nächsten Monate finanziert hätte.

Nele nahm sein unverschämtes Verhalten hin. Für sie zählte nur die Wohnung, weshalb sie schon gestern völlig durchgedreht war. Auch jetzt lag wieder so viel Vorfreude in ihren Augen, dass sie meine Bedenken beinahe ausradierte. »Du willst die Wohnung?«

»Ja, auch wenn es blöd wäre, wenn die Küche nicht dabei ist.«

»Dafür findet sich schon eine Lösung.«

»Okay!« Sie lächelte.

Trotzdem hakte ich ein letztes Mal nach: »Wir könnten uns auch eine Wohnung in Frankfurt kaufen, dann hast du es nicht so weit zur Arbeit. Oder ein kleines Haus.«

»Was sollen wir zwei mit einem Haus?« Die Idee hatte ihr noch nie gefallen, unabhängig davon, ob es um einen Kauf oder Mietobjekte ging. »Ich möchte endlich auf eigenen Beinen stehen. Das war mein Wunsch, seit ich die Ausbildung angefangen habe, und jetzt will ich ihn verwirklichen. Es wird Zeit, dass ich nicht mehr bei meiner Mutter wohne, sondern auf eigenen Füßen stehe.«

»Das tust du doch längst.«

»Nicht, wenn ich bei meiner Mutter ausziehe, um dann bei dir zu wohnen.«

»Es wäre unser Zuhause. Völlig egal, wer es bezahlt.« Ich neigte den Kopf zur Seite und setzte ein breites Grinsen auf. »Wenn wir heiraten, gehört die Hälfte eh dir.«

Sie verdrehte die Augen. »Kevin Robert Wilson, bevor ich dich heirate, müssen noch viele Jahre vergehen. Ich will meine Jugend genießen. Wer weiß, ob ich nicht irgendwo einen besseren Kerl finde.«

Offenbar färbte Sams Wahnsinn langsam auf meine Freundin ab. Trotzdem imponierte es mir, dass sich Nele nach all den Jahren noch immer nicht nach Luxus sehnte. Mit ihr an meiner Seite war ich mir sicher niemals vom Boden abzuheben. Wie auch? Durch den Erfolg meiner Band hatte ich in den letzten drei Jahren mehr als genug verdient, um uns ein Haus zu kaufen, stattdessen würde ich – ganz klassisch für einen erfolgreichen Rockmusiker – eine kleine Wohnung irgendwo in der Einöde beziehen. Wenn das nicht bodenständig war …

»Kümmern wir uns erst mal um den Mietvertrag, dann kannst du neue Kerle suchen. Soll es diese Wohnung sein?«

Sie strahlte. »Sie ist super. Wohnbereich und Küche sind groß, unter die Schräge im Schlafzimmer können wir das Bett stellen, dann wird der Platz gut ausgenutzt und wir haben sogar ein Zimmer übrig, das du zum Spielen nutzen kannst.«

Offenbar hatte sie bereits alles durchdacht. Aber was sollte ich mit einem Proberaum, wenn ich in einem Mehrfamilienhaus den Verstärker ohnehin nicht aufdrehen konnte? »Wie wäre es mit einem gemeinsamen Hobbyzimmer?«

»Ein schallisoliertes Nähzimmer?« Nele grinste. »Hört sich gut an! Bekomme ich zu Weihnachten eine Nähmaschine?«

»Wenn du vorher nähen lernst.«

»Nee, die Weiterbildung reicht mir fürs Erste.« Sie reichte mir die Unterlagen. Kurz überflog ich sie, dann kramte ich einen Kugelschreiber aus der Hosentasche und reichte ihn Nele.

Als spürte der Makler, dass wir gerade den Vertrag unterzeichneten, kam er zurück ins Büro.

Herr Waechter nahm uns die Unterlagen ab und sortierte sie in Mappen mit dem Logo seiner Firma. »Die Rechnung für die Provision …«

Ich räusperte mich, ehe der Typ zu viel sagen konnte, und sah ihn scharf an. Dafür hatte ich ihn gestern extra noch einmal angerufen.

»Ach, in diesem Fall wird keine Provision verlangt. Das läuft über die Hausverwaltung.«

Nele zog die Augenbrauen zusammen. »Im Angebot stand etwas von zwei Monatsmieten.« Sie war einfach zu ehrlich, obwohl der Betrag für die Provision und die Kosten für die Küche ihre Ersparnisse auffressen würden. Eigentlich war Geld für mich kein Problem, aber solange sie darauf bestand, dass sie von allen Kosten die Hälfte übernahm, würde ich monatelang ohne Kühlschrank leben müssen. Damit das nicht geschah, hatte ich gestern Herrn Waechter angerufen und ihm erklärt, dass ich die Provision überweisen würde und er das Thema nicht mehr ansprechen sollte. Hoffentlich verstand er den Wink und hoffentlich stellte er sich bei der Küche geschickter an, damit ich sie allein bezahlen konnte.

»Keine Sorge«, sagte Herr Waechter. »Es ist alles geklärt.« Er reichte mir die Hand. »Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Wohnung.«

Nele gratulierte er ebenfalls und reichte uns eine Ausfertigung des Vertrags, die sie in ihrer übergroßen Handtasche verstaute.

»Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.« Herr Waechter öffnete uns die Tür.

Sobald sie hinter uns ins Schloss gefallen war, griff Nele nach meiner Hand und zog mich hastig die Stufen hinunter bis auf die Straße. »Wir haben eine Wohnung!«

»Ja!« Ich legte meine Hände auf ihre Hüften und küsste sie. »Mietvertrag läuft, lass uns über die Hochzeit sprechen.«

»Wird das jetzt ein Running Gag?« Sie verdrehte die Augen und wandte sich von mir ab. Im ersten Moment dachte ich, dass sie den Scherz einfach nur blöd fand, weil ich vorhin schon Witze übers Heiraten gemacht hatte, aber etwas in ihrem Verhalten erschien mir merkwürdig. Ich war mir sicher, dass sie mich absichtlich nicht mehr ansah, damit ich nichts in ihren Augen erkennen konnte.

Wo war das Problem? Sie wusste genau, was ich vom Heiraten hielt. Ich brauchte keinen Pfarrer, um Freunde und Familie einzuladen, und ich brauchte keinen Kitsch, der unsere Liebe beweisen sollte. Für mich war es ein altmodischer Gedanke, der längst revolutioniert werden sollte. Außerdem bräuchte ich keinen Ehevertrag. Ich wollte nur Nele und sie konnte von mir haben, was sie wollte. Das wusste sie und doch schien es nun, als hätte ich sie damit verletzt.

»Ist alles okay, Honey?«

Sie drehte sich wieder zu mir. Dieses Mal mit einem breiten, aufgesetzten Grinsen. »Wir haben eine Wohnung!«

»Ein Grund mehr heute Abend zu feiern!« Ich knuffte sie in die Seite.

»Sag Sam noch nichts, bitte!«

»Mach ich nicht. Wenn du willst, hole ich dich heute Abend ab, dann sehe ich Sam nicht vor dir.«

»Gute Idee.« Sie schloss ihren ozeanblauen Micra auf, zu dem ich sie begleitet hatte. »Dann bis heute Abend.«

Ich winkte ihr zum Abschied, dann ging ich zu meinem Auto. Schon auf dem Weg suchte ich nach Tinas Nummer. Sie war eine frühere Arbeitskollegin von Davids Freundin Luna und spielte seit Jahren in mehreren Bands. Im letzten Jahr hatte ich sie bei einem Konzert kennengelernt. Sie war als Gitarristin der Vorband aufgetreten und hatte mich schon bei den Proben mit ihrem Talent umgehauen. Seither hielten wir losen Kontakt. Ich behielt ihre Entwicklung im Auge und hatte ihr ein paar Kontakte genannt. Den Rest musste sie aus eigener Kraft schaffen und bisher machte sie das großartig. Sie hatte ihren Stil deutlich weiterentwickelt und dank der Pressekontakte zumindest regionale Bekanntheit erreicht.

Ich setzte mich ins Auto, startete die Zündung und wartete darauf, dass Kontakte in der Freisprecheinrichtung angezeigt wurden.

»Kevin?« Tina klang total verschlafen.

»Es ist fast neun. Musst du nicht arbeiten?«

»Hab das komplette Wochenende frei.«

»Jetzt nicht mehr. Wenn du die Jungs einer deiner Bands zusammengetrommelt bekommst, habt ihr heute Abend einen Auftritt.«

»Aber ich habe keine Zeit.«

»Doch, hast du. Sammy hat dich auf ihren Geburtstag eingeladen, also hast du heute nichts anderes vor. Ich sag ihr Bescheid, dass du nicht kommen kannst. Sie wird es verstehen.«

Kurzes Schweigen am Ende der Leitung. »Wo?«

»Im ›Dark Moon‹. Ich gebe dem Geschäftsführer deine Handynummer, dann kann er alles mit dir abstimmen.«

»Wow, das ist … Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«

Dabei blieb es dann auch, denn mehr als ein Gähnen und ein paar gemurmelte Abschiedsworte brachte Tina nicht mehr heraus. Direkt im Anschluss rief ich Dirk an, dann erreichte ich auch schon das Hotel, das unsere PR-Managerin für das Meet & Greet mit den Fans ausgesucht hatte.

Auf dem Parkplatz entdeckte ich Steve, der mit seinem Smartphone am Ohr und zwei Drumsticks in der hinteren Hosentasche auf und ab lief. Ich parkte neben seinem CX-5 und stieg aus.

»Ich melde mich gleich noch einmal«, sagte er und beendete das Telefonat.

»Was ist los?«, begrüßte ich ihn.

»Sam.« Steve und meine kleine Schwester verstanden sich seit jeher blendend. Die Sorge, die nun in seinem Gesicht lag, ließ nichts Gutes vermuten.

»Was hat sie ausgefressen?«

»Sie sagt die Party ab.«

»Was?« Sammy war schon als kleines Kind ein Partylöwe gewesen. Auf den Bildern vom vierzigsten Geburtstag unseres Dads sah man sie als Zweijährige mitten auf der Tanzfläche herumturnen. »Will sie Jayden nicht mit uns teilen?« Ich sah auf die Uhr. Es war gerade einmal neun. Sein Flugzeug sollte erst heute Nachmittag landen. Seit Tagen war sie deshalb noch aufgedrehter als sonst, aber nun verlor sie vermutlich den Verstand.

Einen Vorwurf konnte ich ihr nicht machen. Als ich Nele im Sommer wegen der USA-Tour sieben Wochen lang nicht gesehen hatte, war ich ein paarmal kurz davor gewesen, einfach in ein Flugzeug zu steigen und nach Hause zu fliegen. Sammy und Jayden hatten sich noch länger nicht gesehen. Was bei Nele und mir ein Ausnahmezustand blieb, war Alltag für Sammy und Jayden. Sie hatten auf der Tour viel Zeit miteinander verbracht, aber nun war Sam wieder in Frankfurt und Jayden in Florida. Kein Wunder also, dass sie sich auf seinen Besuch freute und so viel Zeit wie möglich mit ihm allein verbringen wollte.

»Er kommt nicht.«

»Wer?« Hatte irgendein Schulfreund abgesagt? Und warum sollte die Party nicht stattfinden?

»Jayden! Die Managerin macht mal wieder Stress. Ihretwegen hat er den Flug verpasst. So spontan konnte er sich nicht rausreden und von Sammy konnte er ihr nicht erzählen …«

»Natürlich nicht.« Jayden war Drummer der Vorband, die mit uns getourt hatte. Er und seine Bandkollegen hatten einen Vertrag unterzeichnet, der ihnen eine Freundin verbot. Das hatte meine Schwester nicht aufhalten können, dennoch mussten beide die Beziehung geheim halten.

»Sie schwört, dass alles okay ist«, sagte Steve, »aber ich glaube ihr kein Wort.«

»Würde ich an deiner Stelle auch nicht. Erst recht nicht, wenn sie die Party absagt. Wann kommt er?«

»Gar nicht. Er konnte nicht umbuchen. Bis zur Party schafft er es definitiv nicht. Vielleicht in einer Woche. Auf jeden Fall will er es vor Weihnachten versuchen.«

»Das hat Sam erzählt?«

»Nein, Jayden hat mich angerufen, weil er sich Sorgen gemacht hat. Erst danach habe ich mit Sammy gesprochen.«

Na toll! Das Sinnvollste wäre es, Nele anzurufen, damit sie Sammy tröstete, aber meine Freundin war beschäftigt. »Fahr zu ihr!«

Steve riss die Augen auf. »Wir müssen uns noch abstimmen und den Fans wurde ein Treffen mit uns allen versprochen. Das schaffe ich nicht rechtzeitig.«

»Sollst du auch nicht. Bleib bei ihr, wir sehen uns heute Abend.«

»Aber die Fans … Keinem ist der Job wichtiger als dir!«

»Stimmt, aber das bedeutet nicht, dass mir meine Schwester unwichtig ist.« Wenn jemand außer Nele Sammys Geburtstag jetzt noch retten konnte, dann war es Steve. »Hau ab!«

»Bin schon weg.«

Kurz überlegte ich Sam anzurufen, entschied mich dann aber dagegen. Steve würde das schon hinbekommen, deshalb schrieb ich nur Jayden eine Nachricht: Melde dich, wenn ich helfen kann.

Chrissi, die offiziell nur für die PR zuständig war, war ein Organisationsgenie. Wenn jemand einen passenden Flug finden konnte, dann sie. Schließlich schaffte sie es auch immer wieder, selbst die kurzfristigsten Termine für uns klarzumachen. So wie das Meet & Greet heute, das sie extra nach Frankfurt hatte verlegen lassen, damit wir den Termin noch vor Sams Party hinter uns bringen konnten.

»Da bist du ja«, begrüßte sie mich im Foyer und blickte an mir vorbei zur Tür.

Bevor sie nachfragen konnte, kam ich ihr zuvor. »Steve kommt nicht wieder.« Dass wir nur zu dritt antreten konnten, würde ihr nicht gefallen, aber damit müsste sie leben, wenn sie Jayden nicht aus ihrer Laptoptasche zauberte.

»Ist er bei Sam?«

»Auf dem Weg dorthin.«

»Gut.« Chrissi nickte nur und ging an der Rezeption entlang auf die andere Seite des Hotels zu.

Auch sie mochte Sammy, aber dass sie ihretwegen auf Steve verzichtete, hätte ich nicht erwartet. Chrissi ging die Dinge subtiler an als ich, aber auch ihr waren Pünktlichkeit und Pflichtbewusstsein wichtig und das machte sie uns allen immer wieder deutlich. Aber die Familie kam eben an erster Stelle.

David hätte genauso gehandelt. Bei Paul war ich mir nicht ganz sicher. Vermutlich hätte unser Bassist Steve nicht eigenmächtig losgeschickt, aber er wäre deshalb auch nicht sauer auf mich. Hoffte ich.

»Wo bleibt denn Kev?«, hörte ich Dave fragen, als Chrissi und ich uns den hinteren Räumen näherten, die offenbar für uns reserviert waren. Schon war ich mir nicht mehr sicher, dass sie meine Entscheidung befürworten würden, aber das ließ sich nun nicht mehr ändern. Ich erklärte den Jungs, dass ich Steve zu uns nach Hause geschickt hatte, dann stimmten wir das heutige Programm ab.

***

Der erste Raum war nur für uns, damit wir uns vorbereiten konnten. Für das Meet & Greet hatte Chrissi ein weiteres Zimmer gebucht, in das wir anschließend wechselten. Ich war erstaunt, als ich unsere Tourplakate und Rollup-Displays mit Werbung überall an den Wänden entdeckte. »Fehlt nur, dass du unser letztes Album abspielst«, sagte ich zu Chrissi und zeigte auf ihr Smartphone. Sie lächelte, nahm eine Fernbedienung von der Kommode und schon klang ›My Birthday Tales‹ aus den Boxen.

Paul machte es sich auf dem breiten Sofa bequem. Dave stellte sich ans Fenster und hing irgendwelchen Gedanken nach. »Wann kommt Luna?«, fragte ich ihn.

»Mit dem Zug um halb sieben. Ich hole sie vom Bahnhof ab.«

Dann müssten wir zusehen rechtzeitig hier raus zu sein. »Allerspätestens um sechs müssen wir fertig sein«, sagte ich zu Chrissi, damit sie eingriff, falls sich der Termin zu lange hinzog.

Sie nickte und tippte etwas in ihr Handy. »Sie haben sich gerade angemeldet und sind auf dem Weg.«

»Showtime!« Paul sprang auf und rieb sich die Hände. »Zum Glück ist Steve nicht da. So habe ich die freie Auswahl.«

»Such dir die Hübscheste aus!« Dave verdrehte die Augen. »Alles andere ist dir doch eh egal.«

Den letzten Satz sprach er so leise, dass nur ich ihn hören konnte, trotzdem warf ich ihm dafür einen mahnenden Blick zu. Streitereien innerhalb der Band konnte ich noch weniger leiden als Unpünktlichkeit. Wir mussten es manchmal ziemlich lange auf kleinstem Raum miteinander aushalten. Dabei lernte man schnell, dass einen Dinge wie das Liebesleben der anderen nichts angingen. Solange Paul es mit sich und den Mädels vereinbaren konnte, sollten sie treiben, was sie wollten.

»Das sind Celina, Johanna, Pia und Finja«, sagte Nadja, Chrissis Praktikantin.