Richtig entscheiden - Elisabeth Göbel - E-Book

Richtig entscheiden E-Book

Elisabeth Göbel

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  • Herausgeber: UVK
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Wir treffen im Schnitt 20.000 Entscheidungen am Tag, kleine und große, belanglose und wichtige. (Angehende) Führungskräfte treffen häufig noch mehr Entscheidungen. Offen bleibt jedoch, wie man richtig entscheidet. Geht das überhaupt? Dieses Fachbuch führt den Leser in die Entscheidungstheorie ein und stellt die Unterschiede zwischen der normativen und deskriptiven Entscheidungslehre, d.h. wie man entscheiden sollte und wie man tatsächlich entscheidet, ausführlich dar. Es ist verständlich geschrieben und mit über 150 anschaulichen Beispielen angereichert. Zudem finden sich im Anhang zahlreiche Fragen und Aufgaben zum Verständnis. Das Buch richtet sich an Praktiker, die sich das Handwerkszeug für die Lösung von Entscheidungsproblemen aneignen wollen.

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Seitenzahl: 450

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Prof. Dr. Elisabeth Göbel lehrt an der Universität Trier und forscht zu den Themen Organisation, Neue Institutionenökonomik, Strategisches Management und Wirtschaftsethik. Sie studierte an der RWTH Aachen und an der Universität Tübingen. Dort war sie danach Assistentin am Lehrstuhl für Planung und Organisation bei Prof. Dr. F. X. Bea.

Vorwort

Ich stelle in diesem Buch, das Sie in Händen halten, beide Zweige der Entscheidungslehre vor: die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre sowie die tatsächliche Praxis, also wie die Menschen letztlich ihre Entscheidungen treffen.

Im ersten Teil wird der Kernbereich der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre dargestellt, nämlich die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. Dabei geht es nicht um spezifische Entscheidungen in bestimmten Funktionsbereichen, sondern um das Entscheiden an sich. Die BWL beschäftigt sich schwerpunktmäßig meist mit der normativen oder präskriptiven Entscheidungslehre bzw. Entscheidungstheorie, welche vorschreibt, wie ein rationaler Entscheider vorgehen sollte.

In den letzten Jahren hat die sog. deskriptive Entscheidungstheorie aber zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese beschreibt, wie die Menschen tatsächlich Entscheidungen treffen und welche Fehler sie dabei typischerweise machen bzw. was sie anders und teilweise auch besser machen. Für Entscheidungen in Unternehmen sind auch diese Erkenntnisse sehr wichtig. Daher werden in dem Buch beide Zweige der Entscheidungslehre vorgestellt und es wird überlegt, auf welche Weise man sie verknüpfen könnte. Schließlich wird die Entscheidungslehre in die allgemeine Managementlehre eingebettet und es wird versucht, Empfehlungen für eine gute Entscheidungsarchitektur zu geben.

Im Anhang finden sich zudem Fragestellungen, die den einzelnen Kapiteln zugeordnet sind. Das Buch kann daher sowohl als einführendes Lehrbuch als auch als vertiefendes Fachbuch für Entscheider in der Praxis herangezogen werden. Um Ihnen den größtmöglichen Nutzen zu bereiten, habe ich das Buch bewusst in einer verständlichen Sprache geschrieben und mit über 150 anschaulichen Beispielen angereichert.

Mein herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Jürgen Schechler für die unkomplizierte und freundliche Zusammenarbeit und die gute verlegerische Betreuung.

Trier

Elisabeth Göbel

Inhalt

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Entscheidungsorientierung als Kennzeichen der Betriebswirtschaftslehre

1 Die schwierige Suche nach dem Erkenntnisgegenstand der Betriebswirtschaftslehre (BWL)

1.1 BWL als Lehre vom Betrieb

1.2 BWL als Lehre vom Wirtschaften

1.3 Rationales Entscheiden als Erkenntnisgegenstand der BWL

1.4 Entscheiden in Betrieben als Erkenntnisgegenstand der BWL

1.5 Zusammenfassung und Überblick

Präskriptive Entscheidungstheorie

2 Das Grundmodell rationaler Entscheidung

2.1 Was ist eine Entscheidung?

2.2 Typische Entscheidungen in Unternehmen

2.3 Gut und schlecht strukturierte Entscheidungen

2.4 Was macht die Rationalität einer Entscheidung aus?

2.4.1 Unterschiedliche Rationalitätsbegriffe

2.4.2 Prozedurale Rationalität

2.4.3 Rationalität und Vernunft

2.5 Wie sieht das Grundmodell einer rationalen Entscheidung aus?

2.5.1 Der Aktionenraum

2.5.2 Der Zustandsraum

2.5.3 Die Ergebnisfunktion

2.5.4 Das Zielsystem

2.6 Überblick über unterschiedliche Entscheidungssituationen

3 Entscheidungen bei mehreren Zielen und Sicherheit

3.1 Das Grundmodell

3.2 Prüfung auf ineffiziente Alternativen

3.3 Auswahl eines dominanten Zieles

3.4 Lexikografische Ordnung

3.5 Multiattributive Wertfunktionen

3.5.1 Bestimmung der Wertfunktion

3.5.2 Bestimmung der Zielgewichte

3.6 Der Prozess der Zielentscheidung

4 Entscheidungen bei Ungewissheit

4.1 Entscheidungen bei einem Ziel und mehreren Umweltzuständen

4.2 Maximin-Regel (Minimax-Regel) und Maximax-Regel

4.3 Hurwicz-Regel

4.4 Savage-Niehans-Regel

4.5 Laplace-Kriterium

4.6 Die Risikopräferenz des Entscheiders

5 Entscheidungen bei Risiko

5.1 Mehrere Umweltzustände, bekannte Eintrittswahrscheinlichkeiten

5.2 Bayes-Regel (μ-Prinzip)

5.3 (μσ)-Prinzip

5.4 Bernoulli-Prinzip (Erwartungsnutzentheorie)

5.4.1 Die Risiko-Nutzen-Funktion (RNF)

5.4.2 Ermittlung der RNF durch die Bernoulli-Befragung

5.4.3 Verschiedene Risiko-Nutzen-Funktionen

5.4.4 Beispiel

5.5 Probleme bei Risikoentscheidungen

5.5.1 Schwierige Schätzung von Wahrscheinlichkeiten

5.5.2 Schwierige Quantifizierung von Wahrscheinlichkeiten

5.5.3 Keine eindeutige Risikopräferenz

5.5.4 Entscheiden Menschen nach der Erwartungsnutzentheorie?

6 Entscheidungen bei bewusst handelnden Gegenspielern

6.1 Grundbegriffe und Grundmodell der Spieltheorie

6.2 Überblick über unterschiedliche Spielformen

6.3 Sequenzielle Spiele (Spielbäume)

6.4 Konträre Interessen: Zwei-Personen-Nullsummenspiele

6.5 Harmonische Interessen: Reine Koordinationsspiele

6.6 Konfliktäre und harmonische Interessen: Kampf der Geschlechter

6.7 Konfliktäre und harmonische Interessen: Das Gefangenendilemma

6.7.1 Allgemeine Darstellung

6.7.2 Erwünschte und unerwünschte Dilemmata

6.7.3 Gibt es Auswege aus dem Dilemma?

6.7.4 Wiederholtes (iteriertes) Gefangenendilemma

6.7.5 Beispiel für eine betriebswirtschaftliche Anwendung

6.7.6 Gefangenendilemma und Unternehmensethik

6.8 Was bringt die Spieltheorie?

7 Entscheidungen in Gruppen

7.1 Was kennzeichnet Gruppenentscheidungen?

7.2 Zwei Vorgehensweisen zum Treffen von Gruppenentscheidungen

7.3 Die gemeinsame Strukturierung des Entscheidungsproblems

7.3.1 Die Generierung eines gemeinsamen Zielsystems

7.3.2 Die Alternativensuche

7.3.3 Die Erzeugung von Gruppenwertfunktionen

7.3.4 Die Schätzung von Wahrscheinlichkeiten

7.3.5 Gemeinsame Risikopräferenzen

7.4 Aggregation individueller Entscheidungen: Abstimmungsregeln

7.5 Gibt es eine beste Abstimmungsregel?

7.6 Kann man Gruppenentscheidungen verbessern?

Deskriptive Entscheidungstheorie

8 Grundlagen der deskriptiven Entscheidungstheorie

8.1 Unterschiede zwischen normativer und deskriptiver Entscheidungstheorie

8.2 Grenzen rationaler Entscheidung

8.2.1 Grenzen der Aufmerksamkeit, Rationalität und Willenskraft

8.2.2 Entscheiden in Organisationen

8.2.3 Opportunismus

8.2.4 Das Papierkorb-Modell der Entscheidung

8.3 Wie man trotzdem zu guten Entscheidungen kommt

8.3.1 Intuition, Heuristiken und Erfahrung

8.3.2 Unterstützung durch Institutionen

8.3.3 Jenseits des Eigeninteresses

9 Spezielle Ergebnisse empirischer Entscheidungsforschung

9.1 Fehler bei der Zielgewichtung

9.1.1 Bandbreiteneffekt

9.1.2 Splitting-Bias

9.1.3 Dynamische Inkonsistenz

9.1.4 Take-the-best und Tallying

9.2 Fehler bei der Bildung subjektiver Wahrscheinlichkeiten

9.2.1 Repräsentativitäts-Heuristik

9.2.2 Verfügbarkeitsheuristik (availability heuristic)

9.2.3 Umkehrung bedingter Wahrscheinlichkeiten

9.2.4 Verankerung und Anpassung (anchoring)

9.3 Fehler bei der Bewertung und Entscheidung

9.3.1 Das Allais-Paradoxon

9.3.2 Inkonsistente Bewertung extremer Wahrscheinlichkeiten

9.3.3 Referenzpunkt-Effekte

9.3.4 Präsentationseffekte (Framing)

9.3.5 Intransitive Bewertungen

9.3.6 Berücksichtigung von Sunk Costs

9.4 Vermeiden von Änderungen

9.4.1 Unterlassungseffekt (Omission-Bias)

9.4.2 Status-Quo-Bias

9.4.3 Bestätigungstendenz (Confirmation-Bias)

9.5 Selbstüberschätzung

9.5.1 Ignorieren von Wahrnehmungsfiltern

9.5.2 What you see is all there is (WYSIATI)

9.5.3 Kompetenzillusion

9.5.4 Rückschaufehler (Hindsight-Bias) und curse of knowledge

9.5.5 Illusion der Kontextunabhängigkeit

9.5.6 Übermäßiger Optimismus

9.6 Soziale Effekte

9.6.1 Sinn für Gerechtigkeit

9.6.2 Vertrauen

9.6.3 Investition in öffentliche Güter

9.6.4 Reziprozität

9.6.5 Herdentrieb

9.7 Entscheidungsfehler in Verhandlungssituationen

9.8 Zusammenfassender Überblick

Relevanz der Entscheidungstheorie für die Entscheidungen in Unternehmen

10 Verknüpfung von präskriptiver und deskriptiver Entscheidungstheorie

10.1 Das Wissenschaftsideal der BWL und die Entscheidungstheorie

10.2 Mögliche Beziehungen zwischen präskriptiver und deskriptiver Entscheidungstheorie

10.2.1 Präskriptive und deskriptive Theorie ignorieren sich

10.2.2 Die deskriptive Theorie löst die präskriptive Theorie ab

10.2.3 Die deskriptive Theorie zeigt Fehler auf und soll dadurch helfen, sich dem normativen Ideal anzunähern

10.2.4 Es gibt rationale Entscheider, die sich das Wissen über die Entscheidungsfehler der anderen systematisch zunutze machen

10.2.5 Eine Entscheidungsarchitektur für kluge Entscheidungen schaffen

10.3 Bessere Entscheidungen treffen

10.3.1 Subjektive und objektive Rationalität – informierte Entscheidungen treffen

10.3.2 Formale und substanzielle Rationalität – vernünftige Entscheidungen treffen

10.3.3 Prozessrationalität – Lernen und Evolution

10.4 Entscheidung und Management

11 Entscheidungen in Unternehmen – Probleme und Lösungsvorschläge

11.1 Warum Entscheidungen in Unternehmen schwierig sind

11.1.1 Probleme der Humans

11.1.2 Probleme der Organisation

11.1.3 Probleme der Situation

11.2 Empfehlungen für eine Entscheidungsarchitektur

11.2.1 Halte es stabil

11.2.2 Halte es einfach

11.2.3 Vermeide Unsicherheit

11.2.4 Baue Puffer ein

11.2.5 Nutze Selbstbindung

11.2.6 Suche gezielt nach Informationen

11.2.7 Lerne aus Erfahrung

11.2.8 Gestalte Anreize

11.2.9 Erzeuge Loyalität

11.2.10 Realisiere Kooperationsgewinne

11.2.11 Wähle kluge Standards

11.2.12 Delegiere Entscheidungen

11.2.13 Ermögliche Wandel

11.2.14 Verfolge angemessene Ziele

11.3 Bleibende Probleme

12 Schlusswort

Anhang

Fragen und Aufgaben

Literaturverzeichnis

Sachregister

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Mögliche Fachabgrenzungen der BWL

Abb. 2 Entscheidungsprozess als Interaktionsprozess

Abb. 3 Grundmodell der Entscheidung

Abb. 4 Informationsstände im Hinblick auf die Umweltdaten

Abb. 5 Informationsstände hinsichtlich Umweltentwicklungen und deren Konsequenzen

Abb. 6 Höhenpräferenzrelationen

Abb. 7 Horizontale Zielbeziehungen

Abb. 8 Überblick über unterschiedliche Entscheidungssituationen

Abb. 9 Grundmodell einer Entscheidungsmatrix mit mehreren Zielen bei Sicherheit

Abb. 10 Mögliche Wertfunktionen

Abb. 11 Entscheidungsmatrix mit Zielwerten und Gewichtungsfaktoren

Abb. 12 Entscheidungsmatrix bei einem Ziel und Ungewissheit

Abb. 13 Entscheidungsmatrix bei einem Ziel und Risiko

Abb. 14 Prinzip der Bernoulli-Befragung

Abb. 15 Risikonutzenfunktionen für risikoneutrale, risikoscheue und risikofreudige Entscheider

Abb. 16 Überblick über unterschiedliche Spielformen

Abb. 18 Grundlegende Unterschiede zwischen präskriptiver und deskriptiver Entscheidungstheorie

Abb. 19 Das viergeteilte Muster

Abb. 20 Zwei kognitive Systeme

Abb. 21 Beispiele für wissenschaftliche Erklärungen

I Entscheidungsorientierung als Kennzeichen der Betriebswirtschaftslehre

„Wenn Wirtschaften Wählen heißt, und wenn Wählen in enger Beziehung zu Entscheiden gesehen werden kann, dann hat sich die Betriebswirtschaftslehre schon immer mit Entscheidungen von Menschen in Unternehmungen befasst.“

Heinen [Ansatz] 21

1 Die schwierige Suche nach dem Erkenntnisgegenstand der Betriebswirtschaftslehre (BWL)

Womit beschäftigt sich eigentlich die Betriebswirtschaftslehre? Was unterscheidet BWL von anderen Wissenschaften? Obwohl es die Betriebswirtschaftslehre als Studienfach nun auch schon ca. 100 Jahre gibt und sie mittlerweile sogar zum beliebtesten Studienfach in Deutschland avanciert ist, sind diese grundlegenden Fragen keineswegs eindeutig geklärt. Im ersten Kapitel wollen wir versuchen, den Erkenntnisgegenstand der BWL abzugrenzen. Dabei werden verschiedene Abgrenzungsvorschläge betrachtet:

BWL ist eine Lehre vom Betrieb (

1.1

).

BWL ist eine Lehre vom Wirtschaften (

1.2

).

BWL ist eine Lehre vom Entscheiden.

Da eine Abgrenzung als „Entscheidungslehre“ zu allgemein erscheint, werden dann zwei Präzisierungen vorgenommen:

BWL ist eine Lehre vom rationalen Entscheiden (

1.3

) und

BWL ist eine Lehre vom Entscheiden in Betrieben, speziell in Unternehmen (

1.4

).

Die entscheidungsorientierte BWL geht von der letzteren Abgrenzung aus. Als praktisch-normative BWL sieht sie ihre vorrangige Aufgabe darin, zur Verbesserung der Entscheidungen in den Unternehmen beizutragen.

Die Ergebnisse der Überlegungen werden am Ende des ersten Kapitels zusammengefasst und es wird ein Überblick gegeben über den weiteren Aufbau des Buches (1.5).

1.1 BWL als Lehre vom Betrieb

Welchen spezifischen Problemkomplex erforscht die wissenschaftliche Disziplin Betriebswirtschaftslehre? Nach welchem Auswahlprinzip kann man aus der komplexen Wirklichkeit den Gegenstand herausschälen, den die BWL untersucht? Ausgehend vom Begriff „Betriebswirtschaftslehre“ starten wir einen ersten Abgrenzungsversuch und sagen:

BWL ist eine Lehre vom Betrieb.

Daraus ergeben sich allerdings direkt Folgefragen:

Was ist ein Betrieb?

Interessiert sich die BWL für alle Betriebe?

Was zeichnet den betriebswirtschaftlichen Blick auf die Betriebe aus?

Ein Betrieb ist „eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit“ (Wöhe [Einführung] 2) bzw. „eine Wirtschaftseinheit mit der Aufgabe der Bedarfsdeckung, mit selbständigen Entscheidungen und eigenen Risiken“ (Schweitzer [Gegenstand] 28) lauten zwei allgemein gehaltene Definitionen von Betrieb. Während bei diesen Definitionen auch die privaten Haushalte unter den Betriebsbegriff fallen können, entspricht es dem Alltagsverständnis mehr, nur solche Wirtschaftseinheiten als Betriebe zu bezeichnen, die einen Fremdbedarf decken, also Sachgüter und Dienstleistungen für den Bedarf anderer Betriebe oder privater Haushalte erzeugen und verkaufen. Die BWL konzentriert ihr Interesse ebenfalls auf die Betriebe im Sinne fremdbedarfsdeckender organisierter Wirtschaftseinheiten (vgl. Schierenbeck/ Wöhle [Grundzüge] 29). Haushalte werden also meist ausgeschlossen. Damit ist allerdings der Erkenntnisgegenstand immer noch sehr weit abgegrenzt, denn es gibt

öffentliche und private Betriebe,

Betriebe in der Marktwirtschaft und in der Planwirtschaft,

gewinnorientierte und Non-Profit-Betriebe,

Sachleistungs- und Dienstleistungsbetriebe,

Klein- und Großbetriebe,

landwirtschaftliche Betriebe, Industriebetriebe, Dienstleistungsbetriebe,

um nur die gängigsten Klassifikationsmerkmale zu nennen. Für welche Art von Betrieben sich die BWL interessiert, wird von verschiedenen Fachvertretern unterschiedlich abgegrenzt.

Für Erich Gutenberg (1897–1984) stand im Vordergrund, dass der Betrieb ein System von Produktionsfaktoren ist, welche für die Fremdbedarfsdeckung systematisch kombiniert werden müssen (vgl. [Produktion]). Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob dieser Betrieb in einem marktwirtschaftlichen oder planwirtschaftlichen System agiert, ob er in privatem oder öffentlichem Eigentum steht und ob er Gewinn erzielen will. Gutenberg versuchte in erster Linie, allgemeingültige Zusammenhänge zwischen Inputfaktoren und Output zu finden, sog. Produktionsfunktionen, die vor allem technisch determiniert sind. Seine Leitidee einer produktionstheoretischen BWL lässt ihn den Erfahrungsgegenstand einerseits weit abgrenzen: Die planwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die in Staatsbesitz befindlichen öffentlichen Betriebe, die gemeinnützig orientierten Non-Profit-Betriebe fallen im Prinzip ebenso unter den Blickwinkel der BWL wie die privaten Unternehmen. Andererseits engt sich der Fokus aber auch auf die (großen) Sachleistungsbetriebe, die Sachgüter produzierenden Fabriken, ein, weil nur dort in größerem Umfang die Produktionsfaktoren Maschinen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und körperliche Arbeit zur Güterherstellung kombiniert werden. Der Sachgüter produzierende Industriebetrieb war lange Zeit der Hauptgegenstand betriebswirtschaftlicher Untersuchungen.

Einen ganz anderen Akzent setzte allerdings schon früh Wilhelm Rieger (1878–1971) (vgl. [Privatwirtschaftslehre]). Seiner Meinung nach sollte die BWL sich nur mit gewinnorientierten, privaten Betrieben in der Marktwirtschaft beschäftigen, also mit den Wirtschaftseinheiten, die im engeren Sinne „Unternehmen“ genannt werden. Sein Hauptinteresse galt dem Gewinn bezogen auf das eingesetzte Kapital, also der Rendite, und nicht der Produktion. Betriebe im öffentlichen Eigentum, planwirtschaftliche Betriebe und Non-Profit-Betriebe bleiben außen vor, was den Erfahrungsgegenstand stark einschränkt. Gleichzeitig lassen sich aber auch Dienstleistungsbetriebe zwangloser unter dem Gesichtspunkt der Renditeerzielung betrachten als unter dem Gesichtspunkt der technischen Produktion. Für eine Bank oder eine Unternehmensberatung spielen technische Produktionsfunktionen keine Rolle, sehr wohl aber die Erzielung einer ausreichenden Rendite.

Für Hans Ulrich (1919–1997) sind alle „zweckgerichteten Institutionen der menschlichen Gesellschaft“ ([Management] 133) Gegenstand betriebswirtschaftlicher Überlegungen. Darunter fallen auch Betriebe im öffentlichen Besitz (bspw. Theater, Krankenhäuser) oder private Non-Profit-Betriebe wie bspw. ein Sportverein. Entscheidend ist, dass diese Betriebe eine Führung und Steuerung, ein Management, brauchen, denn BWL ist für ihn eine Führungs- und Managementlehre. Bei jedem komplexen, offenen sozialen System, welches auf bestimmte Zwecke ausgerichtet ist, entsteht eine Steuerungs-, Lenkungs- oder Führungsproblematik, für deren Lösung die BWL sich zuständig erklärt.

Von sehr engen bis zu sehr weiten Abgrenzungen (nur private Unternehmen in der Marktwirtschaft oder alle zweckgerichteten, komplexen, offenen sozialen Systeme) der zu untersuchenden Betriebe reichen so die Vorschläge der Fachvertreter. Und die dritte Frage ist auch noch nicht beantwortet: Für welche Tatsachen in den Betrieben interessiert sich die BWL? Die Betriebe als Erfahrungsgegenstand können ja von den unterschiedlichsten Disziplinen untersucht werden.

Beispiele: Ein Psychologe untersucht die Reaktion auf bestimmte Farben im Büro. Ein Soziologe prüft die Zusammenhänge von Gruppengröße und Konfliktpotenzial. Der Mediziner erforscht, wie sich die Gestaltung der Arbeitsplätze auf die Entwicklung von Rückenleiden auswirkt. Den Techniker interessiert der Verschleiß einer Maschine in Abhängigkeit von der Drehzahl. Das Hilfswerk Misereor prangert Menschenrechtsverletzungen in philippinischen Fabriken an.

BWL als „Lehre vom Betrieb“ zu definieren, führt offenbar nicht zu einer eindeutigen Abgrenzung der Zuständigkeit, denn

es ist nicht klar, für welche Betriebe sich die BWL interessiert, und

es ist nicht klar, welche Tatsachen in den Betrieben in ihren Zuständigkeitsbereich fallen.

Aus dem Erfahrungsgegenstand, der von vielen Disziplinen untersucht werden kann, ist der spezifische Erkenntnisgegenstand zu isolieren. Die Möglichkeit einer weiteren Eingrenzung des spezifischen Erkenntnisgegenstandes der BWL ergibt sich über den zweiten Wortteil in dem Wort „Betriebswirtschaftslehre“, nämlich das „Wirtschaften“.

1.2 BWL als Lehre vom Wirtschaften

Die BWL erklärt sich zuständig für die wirtschaftlichen Tatbestände in den Betrieben. Eine zweite Abgrenzung des Erkenntnisgegenstandes lautet demnach:

BWL ist eine Lehre vom Wirtschaften in Betrieben.

Doch was sind wirtschaftliche Tatbestände in einem Betrieb? Wann zählt eine Handlung, ein Tatbestand zum Wirtschaften? Auch darüber gibt es keine Einigkeit.

Schon seit der Antike wird über das Wirtschaften nachgedacht. Von dem griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) stammt eine frühe Definition:

(Naturgemäßes) Wirtschaften heißt: Die bestmögliche Versorgung mit Gütern anzustreben, um Bedürfnisse zu befriedigen bzw. Mängel zu beheben (vgl. [Politik] 1256b).

Solche Begriffsbestimmungen des Wirtschaftens finden sich bis heute in fast allen Lehrbüchern der BWL. Es gehe beim Wirtschaften um „ein möglichst großes Maß an Bedürfnisbefriedigung“ (Wöhe [Einführung] 1) bzw. um Mängelbeseitigung unter effizienter Verwendung knapper Güter (Weber/ Kabst [Einführung] 3f.) heißt es. Auch einer der Gründerväter der BWL als wissenschaftlicher Disziplin und Studienfach, Eugen Schmalenbach (1873–1955) sieht genau darin den Zweck des Wirtschaftens und einer eigenen Disziplin BWL: Wissen bereit zu stellen für eine optimale Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Gütern bei gleichzeitig sparsamem Einsatz von Produktionsfaktoren. Schmalenbach lehnt es grundsätzlich ab, „… im Kaufmann den Profitmacher zu sehen“. Stattdessen sieht er im Kaufmann „das mit Wirtschaften betraute Organ der Gesamtwirtschaft“ ([Grundlagen] IV). Wirtschaftlichkeit im Sinne von Sparsamkeit und Güterversorgung sollen die zentralen Ziele des Unternehmers sein. Eine mögliche Definition von BWL lautet demnach:

BWL ist die Lehre von der optimalen Güterversorgung durch die wirtschaftliche (sparsame) Herstellung von Gütern und Dienstleistungen in Betrieben.

Das klingt ja auch ganz gut und vernünftig, lässt aber eine Reihe neuer Fragen entstehen. Wenn es den Betrieben und der BWL tatsächlich in erster Linie um optimale Güterversorgung bei sparsamer Mittelverwendung geht, dann verwundert:

dass Betriebe, die eindeutig der Befriedigung von Bedürfnissen und der Versorgung dienen, wie Haushalte, landwirtschaftliche Betriebe und öffentliche Betriebe in der Regel von der BWL ausgeklammert werden;

dass bspw. Finanzmarkttransaktionen Gegenstand der BWL sind, obwohl etwa der Handel mit Zinsswaps mit Güterversorgung überhaupt nichts mehr zu tun hat, sondern nur eine riskante Wette darstellt;

dass auf der Basis dieser Wirtschaftslehre sehr viele dringende und elementare Bedürfnisse in der Welt nicht befriedigt werden während gleichzeitig eine Vielzahl von Luxusgütern hergestellt und verkauft wird;

dass auf der Basis dieser Wirtschaftslehre viele Ressourcen verschwendet (Stichwort: Wegwerfgesellschaft) und neue Knappheiten erzeugt werden (bspw. Knappheit an sauberer Luft oder sauberem Wasser oder Fischen im Meer).

Schon von Zeitgenossen Schmalenbachs wurde seine Definition des Gegenstandes der BWL im Sinne der Güterversorgung bei sparsamer Ressourcenverwendung teilweise geradezu hämisch kritisiert. Vor allem das Konzept Wilhelm Riegers definiert das Wirtschaften ganz anders.

Wirtschaften heißt, aus Geld mehr Geld machen.

Die Befriedigung von Bedürfnissen ist nur eine Art unvermeidlicher Nebeneffekt des Wunsches nach Gewinn bzw. Rendite. Rieger bemerkt treffend, für einen Unternehmer gäbe es doch keine schlechtere Nachricht als die, dass die Bedürfnisse befriedigt seien und der Markt gesättigt sei ([Privatwirtschaftslehre] 46). Auch Sparsamkeit im Umgang mit Ressourcen sei kein originäres Ziel von Unternehmen. Wenn „Verschwendung“ zu Gewinn führe, dann sei es durchaus wirtschaftlich, Ressourcen zu verschwenden. Als Beispiel führt er die aufwändige Verpackung von Pralinen an, die ja den Nährwert der Schokolade in keiner Weise erhöht und die nur weggeworfen wird ([Privatwirtschaftslehre] 62). Trotzdem ist eine solche Verschwendung wirtschaftlich, wenn die Kunden für die schöne Verpackung der Pralinen mehr zu zahlen bereit sind, als die Verpackung gekostet hat. Damit ist auch die BWL – von Rieger bezeichnenderweise „Privatwirtschaftslehre“ genannt – anders abzugrenzen:

BWL ist die Lehre von der Gewinnmaximierung in privaten Unternehmen in der Marktwirtschaft.

Das trifft den Kern der heutigen BWL sicher besser als die Definition von Schmalenbach, denn damit lassen sich viele der oben genannten Phänomene in Einklang bringen. Wenn es um Gewinnmaximierung geht, dann ist logisch, dass man den kaufkräftigen Luxusbedarf befriedigt und die existenziellen Bedürfnisse der Armen nicht beachtet, weil sie die Güter nicht bezahlen können. Oder dass man Ressourcen verschwendet, solange der verschwendete Geldbetrag über den Preis wieder reinkommt. Die (langfristige) Gewinnmaximierung in Betrieben bzw. Unternehmen werde von den meisten Fachvertretern als Auswahlprinzip der BWL anerkannt, heißt es denn auch in einem der Standardlehrbücher der BWL (vgl. Wöhe [Einführung] 17). Dass trotzdem eine gute Versorgung mit Gütern stattfindet, ist dem Marktmechanismus zu verdanken. Wie Rieger formuliert: „Die Unternehmung kann es leider nicht verhindern, dass sie im Verfolg ihres Strebens nach Gewinn den Markt versorgen muss.“ (Rieger [Privatwirtschaftslehre] 47).

So ganz zufriedenstellend ist die obige Abgrenzung des Erkenntnisgegenstandes der BWL aber auch nicht. Denn zum einen fühlt man sich als Betriebswirt nicht wohl damit, Vertreter einer „öden Profitlehre“ zu sein. Zum anderen lehrt die Erfahrung, dass sehr vieles von dem, was man im Laufe eines BWL-Studiums lernt, durchaus auch in nicht-gewinnorientierten sozialen Systemen gebraucht wird. Wer sich bspw. durch den Deutschen Sportbund zum Vereinsmanager ausbilden lässt, der muss sehr viele Dinge lernen, die typischerweise zum BWL-Studium gehören, etwa Personalwirtschaft, Steuern, Buchhaltung, Finanzplanung, Führung. Auch gemeinnützige Vereine müssen wirtschaften. Gibt es vielleicht hinter den bisherigen Bestimmungen vom Wirtschaften noch ein allgemeineres Prinzip, das noch abstrakter ist und von dem die beiden oben genannten Bestimmungen sozusagen Spezialfälle sind?

Ja, eine solche noch allgemeinere Bestimmung des Wirtschaftens gibt es, nämlich:

„Wirtschaften ist nichts anderes als die fortgesetzte Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten“... (Röpke [Lehre] 32). Wirtschaften heißt also entscheiden und BWL ist die Lehre vom Entscheiden.

Nun liegt der Einwand nahe, dass jeder jeden Tag Entscheidungen treffen muss. Ob die Wahl zwischen Kinobesuch oder Kneipenabend, Kartoffeln oder Nudeln zum Mittagessen, Wander- oder Badeurlaub, ständig wählen wir zwischen Möglichkeiten. Das kann ja nicht alles Gegenstand der BWL sein. Es muss also wiederum Präzisierungen geben, welche die Zuständigkeit der BWL einschränken.

Es gibt zwei unterschiedliche Präzisierungen:

Die BWL beschäftigt sich mit

rationalen

Entscheidungen nach dem sog. ökonomischen Prinzip.

Die BWL beschäftigt sich mit Entscheidungen in

Betrieben

.

Beiden Präzisierungen wollen wir nun nachgehen.

1.3 Rationales Entscheiden als Erkenntnisgegenstand der BWL

Eine Möglichkeit der näheren Kennzeichnung dessen, was die Ökonomie und damit auch die BWL interessiert, ist ein bestimmter Entscheidungsstil, nämlich das Entscheiden nach dem Rationalprinzip.

BWL ist die Lehre vom Entscheiden nach dem Rationalprinzip.

In einer allgemeinen Form lautet das Rationalprinzip als Imperativ formuliert: Versuche ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen Aufwand bzw. Kosten und Ertrag bzw. Leistung zu realisieren. Meist wird das ökonomische Prinzip noch näher bestimmt als Maximumprinzip und Minimumprinzip.

Handle so, dass du mit einem gegebenen Aufwand an Wirtschaftsgütern einen möglichst hohen Ertrag erzielst (Maximumprinzip).

Handle so, dass du einen bestimmten Ertrag mit einem möglichst geringen Aufwand an Wirtschaftsgütern erzielst (Minimumprinzip).

Beispiel: Versuche, mit einer gegebenen Menge an Rohstoffen möglichst viele Endprodukte herzustellen (Maximumprinzip). Versuche, 100 Endprodukte mit dem geringstmöglichen Rohstoffverbrauch zu produzieren (Minimumprinzip).

Am leichtesten lässt sich das ökonomische Prinzip verwirklichen, wenn – wie im obigen Beispiel – Input und Output mengenmäßig gemessen werden können. Bei vielen Entscheidungen ist es bei weitem nicht so leicht zu beurteilen, ob das ökonomische Prinzip eingehalten wurde.

Beispiele: Frau A möchte für maximal 100 € ein möglichst schönes Kleid finden. Herr B sucht einen Gebrauchtwagen möglichst billig. Studentin C sucht einen Ferienjob, der möglichst wenig anstrengend ist, dabei aber genug einbringt.

Im Beispiel von Frau A ist nicht objektiv zu bestimmen, ob und um wie viel ein Kleid schöner ist als ein anderes. Und ist es rationaler, für 50 € ein recht hübsches Kleid zu kaufen oder für den doppelten Betrag ein Kleid, das ihr nur etwas besser gefällt? Herr B muss neben dem Preis auch die Qualität der angebotenen Autos vergleichen, denn ein gut erhaltenes Auto für 3000 € kann für seine Zwecke besser geeignet sein als ein mangelhaftes Auto für 500 €. Bei Studentin C ist nicht klar, was „genug“ bedeutet und was sie als „anstrengend“ empfindet.

Da weder der „Aufwand“ noch der „Ertrag“ einer Entscheidung immer in Euro und Cent zu messen sind, lautet die allgemeinere Formulierung des ökonomischen Prinzips: Wähle die Alternative, in welcher Input und Output in der besten Relation zueinander stehen bzw. die dir den höchsten Nutzen bringt. Dieses Streben nach dem maximalen Nutzen gilt als typisch ökonomisch und als eines der Grundmerkmale ökonomischen Denkens.

Nach Mag [Denken] ist das ökonomische Denken durch folgende Grundmerkmale zu charakterisieren:

Denken in Mängeln

: Das müssen keine objektiven Mängel sein, sondern es reicht das subjektive Erlebnis eines unerfüllten Bedürfnisses, welches die Suche nach Mitteln und Wegen mobilisiert, den Mangel zu beseitigen. Im Unternehmen kann ein solcher Mangel eine unbesetzte Stelle sein, eine defekte Maschine oder auch bloß der Wunsch nach einer noch höheren Rendite.

Denken in Alternativen: Im nächsten Schritt sucht man nach alternativen Wegen, um das Bedürfnis zu befriedigen bzw. den Mangel zu beseitigen. Das Unternehmen schaltet bspw. eine Stellenanzeige, um potenzielle Mitarbeiter zu finden, sucht nach Lieferanten für eine neue Maschine oder es werden Strategien zur Kostensenkung erwogen.

Denken in Restriktionen: In der Regel sind bestimmte begrenzende Bedingungen zu beachten. Für die Entlohnung des potenziellen neuen Mitarbeiters gibt es ein begrenztes finanzielles Budget ebenso wie für die Anschaffung einer neuen Maschine. Oder es gibt zeitliche Vorgaben, etwa einen bestimmten Einstellungstermin oder drängende Liefertermine. Werden Entlassungen zur Kostensenkung erwogen, müssen gesetzliche Regelungen des Arbeitsrechts bedacht werden.

Denken in extremen Input-Output-Relationen: Zum bewertenden Vergleich der Alternativen braucht man zunächst Kriterien, eine Ziel- oder Präferenzordnung, welche zum Ausdruck bringt, was man für ein unabdingbares oder wünschenswertes Merkmal einer Alternative hält bzw. was als Nachteil oder sogar Ausschlusskriterium erscheint. Sodann ist es erforderlich, den Alternativen die Ergebnisse für diese Kriterien zuzuordnen. Schließlich wird die beste, die nutzenmaximale Alternative gewählt. Ein Vergleich der Auswahlmöglichkeiten ist leichter, wenn entweder Input oder Output fixiert sind. Bei zwei gleich qualifizierten Bewerbern wähle ich denjenigen, der das niedrigere Gehalt verlangt. Für das gleiche Gehalt stelle ich lieber den höher qualifizierten Mitarbeiter ein. Häufig unterscheiden sich die Alternativen allerdings bei mehreren Kriterien gleichzeitig, und die Ergebnisse lassen sich auch nicht immer leicht quantifizieren und damit nicht einfach zu einem Gesamtergebnis zusammenfassen.

Denken in Änderungen: Anlass für Entscheidungen sind meist Änderungen. Entweder bereits feststellbare Änderungen wie bspw. ein Umsatzrückgang oder eine Preiserhöhung beim Material oder auch zukünftig erwartete Änderungen wie bspw. eine befürchtete Erhöhung der Kreditzinsen oder eine erhoffte Belebung der Konjunktur.

Der beschriebene Denk- oder Entscheidungsstil ist so allgemein, dass er zu den verschiedensten konkreten Entscheidungen und Präferenzen passt. Man kann eine optimale Güterversorgung und Sparsamkeit ebenso anstreben wie eine Gewinnmaximierung. Die systematische Wahl der nach den Maßstäben des Entscheiders nutzenmaximalen Alternative kennzeichnet den Typus des ökonomischen Menschen, den Homo oeconomicus (vgl. Kirchgässner [Homo] 12ff.).

Diese Art des Denkens findet man in den verschiedensten Zusammenhängen: Ein Mediziner wählt zwischen zwei Behandlungsmethoden, ein Politiker entscheidet sich für oder gegen einen Gesetzentwurf, ein Jurist wählt eine Verteidigungsstrategie, eine Frau entscheidet sich für oder gegen ein Kind usw. Ein solches „ökonomisches Denken in fremden Gefilden“ (Mag [Denken] 774) hat auch schon zum Vorwurf des „ökonomischen Imperialismus“ geführt. Gemeint ist damit ein Bestreben der Ökonomen, ihren Einflussbereich ständig auszudehnen. Ausgeprägt findet sich diese Ausweitung des ökonomischen Denkens auf sämtliche Bereiche des Lebens bei dem Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Gary S. Becker. Unter der Prämisse, dass Menschen grundsätzlich versuchen, ihre Lage zu ihrem eigenen Vorteil zu verändern, untersucht er unter anderem Diskriminierung, Kriminalität, Drogensucht, Familienplanung, Justiz, Steuern, Kartelle und Umweltpolitik. Seine grundsätzliche Empfehlung: Wenn die Menschen etwas tun oder auch nicht tun sollen, dann verändere die Input-Output-Relation. Mache unerwünschtes Verhalten unvorteilhaft und mache erwünschtes Verhalten attraktiv, dann werden die Menschen die gewünschten Entscheidungen treffen. Er empfiehlt bspw. härtere Strafen gegen Kriminelle um Verbrechen „teurer“ zu machen oder er kritisiert die „soziale Hängematte“ der Sozialhilfe, weil dadurch die Bequemlichkeit zu attraktiv würde (vgl. Becker/Becker [Ökonomik] 117, 166).

Für die Abgrenzung eines speziellen Erkenntnisgegenstandes der BWL ist eine solche Allzuständigkeit für rationale Entscheidungen allerdings nicht sehr hilfreich. Zumal, wenn man sich bei den Nutzenvorstellungen inhaltlich nicht festlegen will und sogar das höchste Wohl der Allgemeinheit als Ziel eines altruistischen Nutzenmaximierers in Frage kommt (vgl. Kichgässner [Homo] 16). Das Nutzenkonzept wird dann zu einer Leerformel, denn es wird kein Fall mehr ausgeschlossen (vgl. Raffée [Grundprobleme] 40f.). In der Regel wird man daher den „Homo oeconomicus“ als den Menschen verstehen, der seinen eigenen materiellen Nutzen maximiert, um den Typus genauer und trennschärfer zu charakterisieren. Der Homo oeconomicus wird das tun, was ihm mehr Geld einbringt bzw. was ihn weniger kostet.

Beispiel: Eine Ärztin entscheidet ökonomisch, wenn sie die Behandlungsmethode wählt, die ihr selbst das höchste Einkommen einbringt. Und sie entscheidet nicht ökonomisch, wenn sie ehrenamtlich kostenlose medizinische Hilfe für Menschen anbietet, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Auch wenn sie diese Entscheidung sorgfältig auf der Grundlage ihrer persönlichen Werte trifft und insofern rational entscheidet, fällt es schwer, darin eine ökonomische Entscheidung zu sehen.

Die Gleichsetzung eines bestimmten Entscheidungsstils mit dem Erkenntnisgegenstand der Ökonomie im Allgemeinen und der BWL im Speziellen ist jedenfalls nicht unproblematisch. Einen anderen Weg geht die „entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre“, welche nun vorgestellt werden soll.

1.4 Entscheiden in Betrieben als Erkenntnisgegenstand der BWL

Der entscheidungsorientierte Ansatz der BWL wurde maßgeblich von Edmund Heinen (1919–1996) geprägt. Programmatisch heißt es bei ihm: „Wenn Wirtschaften Wählen heißt, und wenn Wählen in enger Beziehung zu Entscheiden gesehen werden kann, dann hat sich die Betriebswirtschaftslehre schon immer mit Entscheidungen von Menschen in Unternehmungen befasst.“ ([Ansatz] 21). Später spricht er meistens nicht mehr von Unternehmungen sondern allgemeiner von Betrieben oder Betriebswirtschaften. Die Abgrenzung und Eigenständigkeit der BWL leitet sich aus dem Erkenntnisobjekt „Betriebswirtschaft“ ab (vgl. Heinen [Ansatz] 32). In der Regel ist allerdings das private, gewinnorientierte Unternehmen das spezifische Untersuchungsobjekt.

BWL ist die Lehre vom Entscheiden in Betrieben, speziell in Unternehmen.

Explizit geht er dabei nicht vom Modell rationaler Entscheidung aus. „Die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre entlässt … den Homo oeconomicus der klassischen Mikroökonomie in das Reich der Fabel.“ ([Denkansätze] 395). Er will „ein realistisches Modell des wirtschaftenden Menschen“ und seines Entscheidungsverhaltens entwerfen und dabei systematisch Erkenntnisse „… der Psychologie, der Soziologie, der Politikwissenschaften, der Anthropologie …“ einbeziehen ([Wissenschaftsprogramm] 212f., 215). Das reale Entscheidungsverhalten ist allenfalls beschränkt rational. Außerdem bedenkt er, dass die Menschen in Betrieben nicht isoliert entscheiden, sondern in Organisationen, und dass sie damit in vielfältige Kommunikations-, Kooperations- und Machtbeziehungen eingebettet sind (vgl. ebenda, 217). Schließlich interessiert ihn nicht nur die Entscheidung an sich, sondern auch die vorangehende Phase der Willensbildung bzw. Zielfindung und die nachfolgende Phase der Willensdurchsetzung bzw. Realisierung einer Entscheidung. Damit erweitert er den Entscheidungsprozess zum Führungs- und Steuerungsprozess, zum Management. „Die Entscheidungslehre schließt jene Sachgebiete in systematischer Weise ein, die beispielsweise unter der Bezeichnung „Management Science“ … behandelt werden.“ ([Wissenschaftsprogramm] 213). Damit steht der entscheidungsorientierte Ansatz dem Konzept von Hans Ulrich nahe, der die BWL als allgemeine Führungs- und Managementlehre für komplexe soziale Systeme begreift.

Abb. 1: Mögliche Fachabgrenzungen der BWL

Die beiden möglichen Fachabgrenzungen sind in der vorstehenden Abbildung noch einmal visualisiert.

Das Nachsinnen über wissenschaftliche Zuständigkeiten und Fachabgrenzungen kann also erstens zu der These führen, dass die BWL immer zuständig ist, wenn es um rationales Entscheiden geht. Problematisch erscheint die Ausdehnung der Zuständigkeit auf alle möglichen Entscheidungen, Ziele und Institutionen.

Zweitens ist eine Abgrenzung über die Entscheidungen in einer bestimmten Art von Institutionen möglich. Es geht der BWL dann um Entscheidungen in Betrieben und speziell in Unternehmen. So geht die entscheidungsorientierte BWL vor. Diese Herangehensweise ist pragmatisch an den realen Problemen von Führungskräften orientiert, die sich bei ihren Entscheidungen auch mit beschränkt rationalem Verhalten und der unwägbaren sozialen Dynamik in Organisationen auseinandersetzen müssen. Als Manko dieser pragmatischen Definition einer betrieblichen Entscheidungslehre kann die schwierige Abgrenzung zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen, bspw. der Soziologie und Psychologie, angeführt werden (vgl. Heinen [Ansatz] 32).

Klarere Konturen gewinnt die entscheidungsorientierte BWL durch die Unterscheidung von deskriptiver und normativer Entscheidungstheorie. Aus der Psychologie und Soziologie und neuerdings den Neurowissenschaften gewinnt man empirische Beschreibungen des realen Entscheidungsverhaltens. Die Ergebnisse solcher Forschungen belegen bspw.

dass Menschen oft nicht alle Alternativen durchdenken, sondern sich schnell mit einer möglichen Lösung zufrieden geben,

dass inkonsistente Bewertungen von Alternativen häufig vorkommen,

dass man oft „aus dem Bauch heraus“ schnell entscheidet und die Begründung dafür nachliefert,

dass Menschen bewusst nicht die Alternative wählen, die ihnen selbst den höchsten Nutzen bringt, bspw. weil es ihnen wichtiger erscheint, sich gerecht zu verhalten usw.

Solche Erkenntnisse der deskriptiven Theorie sind in dem Sinne „betriebswirtschaftlich auswertbar“ als man mit ihnen die rationalen Entscheidungen der Führungskräfte „verbessern“ kann. „Das Bemühen der Betriebswirtschaftslehre ist letztlich darauf gerichtet … zur Verbesserung der Entscheidungen in der Betriebswirtschaft …“ beizutragen (Heinen [Wissenschaftsprogramm] 209). Die BWL soll „praktisch-normativ“ Aussagen dazu machen, „… wie das Entscheidungsverhalten der Menschen in der Betriebswirtschaft sein soll, wenn diese bestimmte Ziele bestmöglich erreichen wollen.“ (ebenda). Der Terminus „praktisch-normativ“ verweist darauf, dass die Ziele als gegeben hingenommen werden und insofern keine ethischnormative Diskussion der Ziele stattfindet. Es geht um „praktische Rationalität“ und nicht um „evaluative Rationalität“ (vgl. Rescher [Rationalität] 4). Als typische „betriebswirtschaftliche Ziele“ und auch wichtigste Ziele gelten Gewinn, Rendite und Umsatz. Aber auch nicht monetäre Ziele wie Unabhängigkeit oder Macht oder soziale Verantwortung beeinflussen die Unternehmensentscheidungen (vgl. Heinen [Zielfunktion] 23ff.). Zugleich ist die BWL aber durchaus normativ (vorschreibend, präskriptiv), weil sie Aussagen darüber macht, wie der Entscheider im Unternehmen bei seinen Entscheidungen vorgehen soll.

Als Ideal steht also auch in der entscheidungsorientierten BWL das rationale Entscheiden vor Augen. Die Fachabgrenzung erfolgt aber über die Zuständigkeit für Entscheidungen in Betrieben, speziell in Unternehmen. Zur Rationalität der Entscheidung in Unternehmen gehört es gerade dazu, Erkenntnisse der anderen Sozialwissenschaften über die faktische Begrenztheit des Entscheidungsvermögens wahrzunehmen. Die BWL bedient sich pragmatisch der Erkenntnisse ihrer Nachbardisziplinen über das reale Entscheidungsverhalten, um Entscheidungen in Unternehmen zu verbessern.

1.5 Zusammenfassung und Überblick

Zusammenfassend geht es in der BWL also im Kern um das rationale Entscheiden in Betrieben. Erweitert man den reinen Entscheidungsprozess um die Willensbildung und Willensdurchsetzung, dann geht es um das rationale, zielgerichtete Management von Betrieben. Im Vordergrund steht in der Regel der spezifische Betriebstyp der privaten Unternehmung mit dem obersten Ziel der Gewinn- oder Renditemaximierung. Prinzipiell sind die Erkenntnisse aber auch in anderen Betrieben, bei anderen Zielsetzungen und in anderen Bereichen nutzbar. Dabei geht es zum einen darum aufzuzeigen, wie das Entscheidungsverhalten idealerweise sein soll (präskriptive oder normative Entscheidungstheorie). Zum anderen ist es im Hinblick auf die Praxis aber auch wichtig zu wissen, wie Entscheidungen in Organisationen bei beschränkter Rationalität tatsächlich ablaufen (deskriptive Theorie).

Weil die rationalen Entscheidungen das Ideal bilden, war betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre in der Vergangenheit ganz überwiegend auf die normative oder präskriptive Entscheidungstheorie konzentriert. Im folgenden zweiten Teil wird dieser Entscheidungstyp behandelt. Es beginnt mit relativ einfachen Entscheidungsmodellen. Nach und nach werden die Modelle realitätsnäher und komplizierter: Wie entscheidet man rational, wenn man nicht ein Ziel sondern mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt? Wie geht man rational damit um, dass die Ergebnisse der Alternativen häufig unsicher sind? Was bedeutet es, ob man zumindest die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Ergebnisse kennt? Was passiert, wenn die Ergebnisse der eigenen Entscheidung wesentlich vom Entscheidungsverhalten anderer Menschen bestimmt werden? Und wie trifft man Entscheidungen in Gremien?

Dass Menschen auch in Betrieben längst nicht so rational entscheiden, wie es dem normativen Ideal entspricht, ist vor allem in der pragmatisch orientierten amerikanischen Managementlehre schon lange thematisiert worden. Vor allem Herbert A. Simon (1916–2001), James G. March und Richard M. Cyert stehen für frühe Forschungen zur „begrenzten Rationalität“ und zu den Besonderheiten von Entscheidungen in Organisationen. Für die Entscheidungstheorie blieben ihre Forschungsergebnisse aber jahrzehntelang nahezu folgenlos. Diskutiert wurden sie eher in der Organisationstheorie und der Managementlehre. Erst seit dem Aufschwung der empirisch forschenden Verhaltensökonomik und dem Wirtschafts-Nobelpreis für den Psychologen Daniel Kahnemann und den Pionier der experimentellen Wirtschaftsforschung Vernon L. Smith im Jahr 2002 finden die Ergebnisse der empirischen Entscheidungsforschung deutlich mehr Beachtung. Im dritten Teil werden die wichtigsten Ergebnisse der deskriptiven Entscheidungstheorie vorgestellt.

Der vierte Teil ist der Frage gewidmet, welche Relevanz die Entscheidungstheorie – in beiden Ausprägungen – für die Entscheidungen in Unternehmen hat. Zunächst wird überlegt, wie man das Verhältnis zwischen normativer und deskriptiver Theorie modellieren kann. Im Ergebnis wird eine Verbesserung der Entscheidungen gerade dadurch angestrebt, dass man die Erkenntnisse der deskriptiven Entscheidungstheorie beachtet. Es erscheint wenig rational, die realen Probleme bei Entscheidungen in Unternehmen zu ignorieren. Stattdessen sollte man sich Gedanken machen über die Gestaltung einer klugen Entscheidungsarchitektur.

II. Präskriptive Entscheidungstheorie

„Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung.“

Albert Einstein

Betriebswirtschaftslehre wurde im ersten Kapitel charakterisiert als Lehre vom Entscheiden in Betrieben, insbesondere Unternehmen. Dabei stehen meistens das rationale Entscheiden im Vordergrund und damit die präskriptive oder normative Entscheidungstheorie.

Die präskriptive Entscheidungstheorie gibt vor, wie rationale Akteure Entscheidungen treffen sollten.

Damit wollen wir uns im Teil II beschäftigen und zunächst im Kapitel 2 das Grundmodell rationaler Entscheidung erarbeiten. Dazu wird als Erstes der Begriff der Entscheidung geklärt (2.1) und typische Entscheidungen im Unternehmen werden kurz umrissen (2.2). Anschließend wird überlegt, was Entscheidungen so schwierig machen kann (2.3). Da die präskriptive Entscheidungstheorie die Rationalität der Entscheidung fordert, wird sodann erwogen, was Rationalität bei einer Entscheidung überhaupt bedeutet (2.4). Danach wird die Grundstruktur eines Entscheidungsmodells ausführlich vorgestellt (2.5) sowie ein Ausblick auf die unterschiedlichen Entscheidungssituationen gegeben (2.6).

2 Das Grundmodell rationaler Entscheidung

2.1 Was ist eine Entscheidung?

Entscheiden kann allgemein definiert werden als Auswählen zwischen Möglichkeiten.

Entscheidungen begegnen uns überall, sie sind alltäglich. Es gibt im Alltag jedes Menschen einfachere Entscheidungen, wie die Wahl zwischen Döner oder Currywurst, und sehr schwierige und komplexe Entscheidungen, wie bspw. die Wahl eines Berufes oder eines Lebenspartners.

Damit echte Entscheidungen vorliegen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

Es gibt mehr als eine Möglichkeit (Alternativen). Fast immer bietet sich als Alternative zumindest die sog. Unterlassungsalternative an, also etwas nicht zu tun.

Es gibt eine Zielvorstellung, was der Entscheider mit der Wahl einer Alternative erreichen will. Er/sie wählt im Hinblick auf ein Entscheidungskriterium (oder mehrere). Außerdem hat der Entscheidende eine Entscheidungslogik, um zu irgendeinem Entschluss zu kommen, ob er nun A oder B wählt.

Man kann den Alternativen hinsichtlich der Ziele Ergebnisse zuordnen, entweder mit Sicherheit oder auch nur „ungefähr“.

Es gibt Umweltzustände, situative Daten, die man (kurzfristig) nicht beeinflussen kann, die aber in verschiedener Hinsicht auf die Entscheidung einwirken.

Eine ausführlichere Definition von Entscheidungen lautet also:

Entscheidungen sind das Ergebnis eines Wahlprozesses. Eine Entscheidungssituation liegt vor, wenn unter bestimmten Umweltzuständen (Daten) aus mehreren Handlungsalternativen diejenige Alternative zu wählen ist, die am besten zur Zielerfüllung beiträgt.

Dass zu einer Entscheidung Alternativen, Ziele und Ergebnisse gehören ist schnell klar. Bspw. kann man zwischen mehreren Angeboten von Autos wählen (Alternativen), die im Hinblick auf Preis, Alter, Verbrauch und Kilometerstand (Zielkriterien) bestimmte Ergebnisse aufweisen. Aber wie wirken sich die Umweltzustände auf die Entscheidung aus?

Die Umweltzustände haben verschiedene Auswirkungen:

Die Umweltzustände zwingen zur Entscheidung, weil sie Knappheit repräsentieren (Geld, Zeit, Raum, Kapazitäten…).

Beispiele: Frau A muss sich zwischen einem neuen PC und einer Urlaubsreise entscheiden, weil das Budget nicht für beides reicht. Herr B muss sich zwischen Kino und einer Einladung am Samstagabend entscheiden, weil beides zur gleichen Zeit stattfindet. Unternehmerin C kann nicht Produkt X und Produkt Y gleichzeitig produzieren, weil sie nur eine Maschine hat.

Ohne eine solche „Knappheit“ gibt es keine Entscheidungsprobleme, weil man dann nicht wählen muss. Wirtschaften wird daher auch oft als Disponieren über knappe Güter definiert. „Güterknappheit“ ist einer der prominentesten Begriffe in der Ökonomie. Diese Art von Knappheit hat nichts zu tun mit Knappheit in einem objektiven Sinne, mit Armut oder Mangel. Auch die reichste Frau der Welt hat Entscheidungsprobleme, weil sie bspw. nicht an zwei Orten zur gleichen Zeit sein kann oder weil sie wählen muss, wie sie ihr Kapital anlegt. Knappheit heißt nur, dass man im Hinblick auf die betrachteten Alternativen nicht einfach „sowohl als auch“ sagen kann, sondern wählen muss.

Teilweise sind die Umweltzustände und damit die Knappheit auch veränderbar. Frau C kann bspw. eine zweite Maschine kaufen, so dass ihr dann die Alternative offen steht, Produkt X und Produkt Y gleichzeitig zu produzieren. Ob die zweite Maschine gekauft wird, ist wiederum eine Entscheidung, bei der möglicherweise die Knappheit von Geld eine Rolle spielt. Ob etwas als Datum hingenommen werden muss oder durch eine Entscheidung geändert werden kann, hängt häufig mit dem Planungshorizont zusammen. Bei kurzfristigen Entscheidungen muss man in der Regel viel mehr Zustände als Daten hinnehmen als bei langfristiger Betrachtung. Frau A könnte bspw. dieses Jahr einen PC kaufen und nächstes Jahr in Urlaub fahren, sie kann sich nur nicht beides gleichzeitig leisten. Darum ist sie gezwungen zu entscheiden, was sie wann machen will.

Die Umweltzustände geben Anlass zur Entscheidung, weil sie sich verändern.

Beispiele: Ein Konkurrent senkt die Preise für seine Produkte. Der Unternehmer muss entscheiden, ob er daraufhin auch die Preise senkt. Eine neue Technologie ermöglicht Kostensenkungen im Produktionsbereich. Die Managerin steht vor der Entscheidung, ob die neue Technologie eingesetzt werden soll oder nicht. Ein Rohstoff wird deutlich teurer. Es muss entschieden werden, ob man diese Preissteigerung auf die Absatzpreise überwälzen soll.

Die Analyse der Umwelt gehört nicht von ungefähr zu den wichtigsten Schritten im strategischen Management, denn die Veränderungen der Umwelt erfordern von den Unternehmen ständig Anpassungsentscheidungen (vgl. Bea/Haas [Management] 9). Wird die Umwelt in Form einzelner Akteure modelliert (Konkurrenten, Lieferanten, Kapitalgeber usw.), dann nehmen die Entscheidungen einen spieltheoretischen Charakter an. Die zunehmende Komplexität und Dynamik der Umwelt fordern die Entscheidungsträger in den Unternehmen heute besonders heraus.

Die Umweltzustände begrenzen den Alternativenraum, z.B. als gesetzliche und gesellschaftliche Normen, technische Möglichkeiten, natürliche Gegebenheiten.

Beispiele: Unternehmensgründerin A kann bei der Entscheidung für eine Rechtsform für die Unternehmung nur zwischen den in Deutschland gesetzlich zulässigen Gesellschaftsformen wählen. Frau B kann kein Auto kaufen, dass mit einem Liter Salatöl 100 km fährt, weil das technisch (noch) nicht machbar ist. Die Firma X kann nur dort Erdgas fördern, wo es Erdgasvorkommen gibt.

Solche Restriktionen sind teilweise durch die Wahl des Umfeldes disponibel. Frau A könnte sich mit ihrem Unternehmen bspw. auch im Ausland niederlassen und damit den Alternativenraum für zulässige Rechtsformen ändern. Neue technische Möglichkeiten erweitern den Alternativenraum. Das „Fracking“ erlaubt bspw. auch die Ausbeute von Erdgasvorkommen, die vorher aufgrund natürlicher Gegebenheiten nicht zugänglich waren. Auch gesellschaftliche Normen verändern sich. Die zunehmende Bedeutung des Umweltschutzes führt bspw. dazu, dass das „Fracking“ hoch umstritten ist und möglicherweise trotz technischer Machbarkeit in Deutschland niemals umgesetzt werden darf.

Die Umweltzustände beeinflussen die Ergebnisse der Alternativen.

Beispiele: Ob ein Einzelhändler eine große Menge Bademoden ordert, hängt auch von der Wetterprognose für die Sommersaison ab. Ob eine Anlegerin lieber in Aktien oder in festverzinsliche Wertpapiere investiert, hängt von der vermutlichen Zins- und Kursentwicklung ab. Ob sich die Investition in eine neue Maschine lohnt, wird wesentlich von der künftigen Nachfrage bestimmt.

Wenn in einem Entscheidungsmodell Umweltzustände explizit als Variable aufgeführt sind, dann in diesem Sinne als Einflussfaktoren auf die Ergebnisse der Alternativen. Mehrere Umweltzustände und somit auch mehrere mögliche Ergebnisse für die Alternativen repräsentieren Entscheidungen bei Unsicherheit.

Die genannten Bestandteile einer Entscheidungssituation werden häufig zu zwei Komponenten gruppiert: Entscheidungsfeld oder Objektsystem und Entscheidungsträger oder Subjektsystem.

Das Entscheidungsfeld (Objektsystem) enthält

die Alternativen, bei einer Investitionsentscheidung im Unternehmen bspw. diverse Maschinen,

die Umweltzustände, bspw. das Nachfrageverhalten, die Energiepreise, das Budget,

die Ergebnisse der Alternativen, bspw. Preise, Kapazitäten oder Energieverbräuche.

Der Entscheidungsträger (Subjektsystem) hat

ein Ziel, Zielsystem, z.B. Gewinn,

Informationen über das Entscheidungsfeld, z.B. alternative Maschinen, deren Preise, Ein- und Auszahlungsströme, Budget … und

eine Entscheidungslogik, z.B. die Kapitalwertrechnung.

Bei einem Entscheidungsprozess interagiert das Subjektsystem mit dem Objektsystem.

Abb. 2: Entscheidungsprozess als Interaktionsprozess (Bamberg/Coenenberg/Krapp [Entscheidungslehre] 1)

Die eigentliche Entscheidung findet im Subjektsystem durch den Entscheidungsträger statt. Der Entscheidungsträger macht sich ein Bild, ein Modell, vom Entscheidungsfeld, er setzt Entscheidungsprämissen und leitet aus diesen Prämissen die Entscheidung ab. Beim Kauf einer Maschine erwägt er bspw. nur drei Alternativen, obwohl es zig Modelle gibt, verfolgt nur ein Ziel, nämlich Gewinn, obwohl auch noch andere Ziele sinnvoll wären, und geht im Hinblick auf die Umweltentwicklung davon aus, dass die Nachfrage in den nächsten Jahren noch steigt, obwohl man das nicht weiß. Nicht das Entscheidungsfeld an sich liegt der Entscheidung zugrunde, sondern die subjektive Abbildung davon. Diese hängt von den Informationen und deren Verarbeitung durch den Entscheidungsträger ab. Durch seine Aktionen ändert er das Entscheidungsfeld für die Zukunft.

Die Entscheidung kann nur so gut sein wie die Entscheidungsprämissen, die man hat.

Die deskriptive Entscheidungstheorie thematisiert eher, wie die Entscheidungsprämissen zustande kommen und welche Fehler Menschen typischerweise bei der Modellierung des Entscheidungsfeldes und bei der eigentlichen Entscheidung machen.

Die präskriptive Entscheidungstheorie thematisiert dagegen schwerpunktmäßig, wie man logisch die beste Entscheidung aus gegebenen Entscheidungsprämissen ableitet.

2.2 Typische Entscheidungen in Unternehmen

Wie wichtig Entscheidungen im Unternehmensalltag sind, sieht man an der Vielzahl betriebswirtschaftlicher Entscheidungstatbestände.

Es gibt konstitutive Entscheidungen, also Entscheidungen, die zur Gründung eines Betriebes gehören, wie die Wahl eines Standortes oder einer Rechtsform.

Dann gibt es Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb.

Je nach der Fristigkeit und Bedeutung unterscheidet man strategische und operative Entscheidungen. Strategisch ist bspw. die Entscheidung über eine neue Produktlinie oder eine Kooperation mit einem Konkurrenten. Strategische Entscheidungen sind langfristig richtungsweisend, eher selten und neuartig und durch ein besonders hohes Maß an Unsicherheit und Komplexität geprägt. Operativ ist bspw. die Entscheidung über die Maschinenbelegung in einer bestimmten Schicht. Operative Entscheidungen werden eher häufig und routiniert getroffen und finden in einem gegebenen Datenrahmen statt. Deshalb ist auch die Sicherheit höher.

Nach den Funktionsbereichen unterteilt gibt es Entscheidungen im Beschaffungs-, Fertigungs-, Absatz-, Personal-, Finanzbereich usw., bspw. die Entscheidung über die Höhe eines Werbebudgets für ein neues Produkt, die Wahl eines Bewerbers für die Stelle des Lageristen, die Entscheidung für einen Lieferanten, die Festsetzung eines Absatzpreises usw. Damit beschäftigt man sich in den speziellen Betriebswirtschaftslehren.

Eine Vielzahl von Einzelentscheidungen verschiedener Entscheidungsträger soll letztlich zum Optimum für das ganze Unternehmen führen. Es ist ein großes Problem in den Unternehmen, die Vielzahl von Einzelentscheidungen sinnvoll zu koordinieren. Zum Management eines Unternehmens gehört es auch, Einzelentscheidungen zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen. Dieses Thema wird vor allem in der Organisationslehre behandelt.

Im Folgenden geht es aber nicht um spezielle Entscheidungen im Personalbereich oder im Marketing und auch nicht um die Koordination, sondern um Entscheidungen an sich. Es ist sinnvoll, sich mit den Entscheidungen so ausführlich zu beschäftigen, weil sie nicht nur wichtig, sondern in der Regel auch schwierig sind.

2.3 Gut und schlecht strukturierte Entscheidungen

Im einfachsten Fall hat man es mit einem gut strukturierten Entscheidungsproblem zu tun:

Das zu lösende Problem ist nach Art und Umfang genau definiert,

der Entscheidungsträger hat ein klares Ziel und operationale Zielkriterien,

er kennt die Alternativen,

den Alternativen lassen sich eindeutig Ergebnisse zuordnen,

es gibt ein Verfahren, mit dessen Hilfe man die optimale Alternative eindeutig bestimmen kann.

Beispiel

Problem: Eine Maschine ist defekt und muss ersetzt werden.

Ziel: Kapitalwert max.

Alternativen: Es gibt zwei Maschinen, die in Frage kommen.

Ergebnisse: Den Maschinen lassen sich Anschaffungskosten, Betriebskosten, Lebensdauern, Kapazitäten, verkaufte Stückzahlen etc. eindeutig zuordnen und es lassen sich so genaue Ein- und Auszahlungsströme für jede Maschine bestimmen.

Lösungsverfahren: Mit Hilfe der Kapitalwertrechnung wird die bessere Alternative bestimmt.

Die Entscheidung wird komplizierter, wenn:

man das zu lösende Problem nur schwer genau bestimmen kann und daher auch die Alternativen nicht benennen kann.

Beispiele: Wenn man Kopfschmerzen hat, ist oft unklar, was das eigentliche Problem ist: zuviel Bildschirmarbeit, eine schlechte Brille, Schäden an der Wirbelsäule, Kiefergelenksprobleme, Stress, zu wenig Schlaf, zu wenig Bewegung, ein Gehirntumor …? Weil man das Problem nicht richtig abgrenzen kann, lassen sich auch keine wirksamen Alternativen zur Problemlösung bestimmen. Man weiß nicht, welche Maßnahme wirken könnte. Liegen die Kopfschmerzen an einem Gehirntumor, dann zeigt eine neue Brille keine Wirkung zur Problemlösung. Ähnlich könnte es im Unternehmen unklar sein, was das eigentliche Problem bspw. hinter sinkenden Verkaufszahlen ist: Ein schlechtes Produkt, zu wenig Werbung, ein neuer Konkurrent, eine neue Technik, unfreundliche Verkäufer … Je nach Problemdefinition variieren auch Art und Anzahl der Alternativen für die Entscheidung. Ist bspw. ein Produkt technisch veraltet, dann zeigt die Erhöhung des Werbebudgets keine Wirkung. Man kann sozusagen das falsche Problem lösen. Menschen neigen dazu, sich mit oberflächlichen Problemdiagnosen zufriedenzugeben und nicht tief genug nach den wahren Ursachen zu forschen. Daher bleiben auch die Problemlösungen oft in der Nähe bisheriger Lösungen.

sich den Alternativen die Ergebnisse nicht eindeutig zuordnen lassen bzw. sich die Beiträge der Ergebnisse auf das eigentliche Ziel nicht bestimmen lassen.

Beispiele: Bei einer Investitionsentscheidung kann man nie sicher vorhersagen, welche Einnahmen man bspw. mit dem Kauf einer Maschine erzielen wird, weil sich das Nachfrageverhalten der Kunden auch ändern kann oder ein neuer Konkurrent auftaucht oder eine neue Technik den Markt revolutioniert. Einer neuen Software kann man mit Sicherheit bestimmte Eigenschaften zuordnen, aber es ist unklar, wie stark sich beim Einsatz dieser Software die Lieferfähigkeit verbessert und was das für den Gewinn bedeutet, der das eigentliche Ziel darstellt.

man mehrere Ziele verfolgt, die möglicherweise auch noch konfliktär sind.

Beispiel: Beim Kauf der Maschine will man billig kaufen, auf den Umweltschutz achten, die modernste Technik haben und dem inländischen Lieferanten treu bleiben, der schon den Vater beliefert hat. Die moderne, umweltschonende Maschine ist aber die teuerste und wird im Ausland hergestellt.

man kein eindeutiges Lösungsverfahren hat. Man hat Alternativen und deren voraussichtliche Ergebnisse zusammengestellt, kennt aber kein Verfahren, um daraus die eindeutig beste Lösung zu bestimmen.

Beispiel: Man hat bei der Entscheidung zwischen verschiedenen PKWs Ergebnisse für Verbrauch, Leistung, Design und Farbe, weiß aber nicht, wie man das zu einem Endergebnis aggregieren soll. Bei dynamischen simultanen Entscheidungsproblemen wie bspw. simultaner Finanz- und Investitionsplanung oder bei vielen Reihenfolgeproblemen fehlen exakte Lösungsmöglichkeiten. Man greift dann auf Faustregeln und Heuristiken zurück oder zerlegt das Gesamtproblem in lösbare Einzelprobleme. Allerdings kann es durchaus passieren, dass die optimalen Teillösungen gar nicht miteinander kompatibel sind und daher insgesamt kein Optimum gefunden wird.

Man spricht bei den beschriebenen Problemen auch von „Strukturdefekten“ oder schlecht strukturierten Entscheidungen. Unterschieden werden: Wirkungsdefekte, Bewertungsdefekte, Zielsetzungsdefekte und Lösungsdefekte (vgl. Adam [Entscheidung] 10ff.).

Implizit wird immer ein Entscheider angenommen. Noch schwieriger wird die Entscheidung, wenn:

mehrere Personen in die Entscheidung involviert sind, die jeweils ihre eigene Sicht der Dinge ins Spiel bringen und möglicherweise konfliktäre Interessen vertreten.

Beispiel: Der Arbeitsmediziner plädiert für die ergonomisch beste Maschine, weil er die Gesundheit der Mitarbeiter für ein wichtiges Ziel hält. Darin wird er vom Betriebsrat unterstützt. Der Finanzplaner ist für die billigste Maschine und schätzt die künftigen Absatzzahlen vorsichtiger ein als die Marketingleiterin. Er gibt zu bedenken, dass die Eigentümer eine Gewinnsteigerung erwarten. Die Technikerin plädiert für die modernste Maschine, weist auf den niedrigeren Energieverbrauch als mögliches Ziel hin und bringt als neue Option ins Spiel, die Entscheidung noch aufzuschieben, weil bald technische Neuentwicklungen auf den Markt kommen werden.

Reale Entscheidungen sind meistens durch mehrere dieser Komplikationen gekennzeichnet und daher schwierig. Die präskriptive Entscheidungstheorie will dem Entscheidungsträger helfen, auch solche Entscheidungen rationaler zu treffen. Das garantiert zwar auch nicht, dass vom Ergebnis her tatsächlich die beste Lösung gefunden wird, soll es aber wahrscheinlicher machen. Was aber bedeutet das überhaupt: Rational entscheiden?

2.4 Was macht die Rationalität einer Entscheidung aus?

Der Begriff der Rationalität ist von zentraler Bedeutung für die präskriptive Entscheidungslehre, will sie doch aufzeigen, wie man rational entscheidet. Die lange und kontroverse Diskussion zum Begriff der Rationalität kann hier nicht aufgegriffen werden. Die Darstellung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Rationalität, wie sie in der normativen Entscheidungstheorie verstanden wird.

2.4.1 Unterschiedliche Rationalitätsbegriffe

Zunächst wollen wir uns ein paar unterschiedliche Rationalitätsbegriffe anschauen. Simon (vgl. [Behavior] 111f.) weist darauf hin, dass eine Entscheidung subjektiv oder objektiv rational sein kann, bewusst oder unbewusst rational sowie organisational oder persönlich rational. Andere Entscheidungstheoretiker unterscheiden subjektive und objektive sowie formale und substanzielle Rationalität (vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp [Entscheidungslehre] 3f.).

Zunächst zur Unterscheidung formal – substanziell.

Formale Rationalität bedeutet:

Jemand hat ein Zielsystem und entscheidet sich gemäß diesem Zielsystem für die beste Alternative.

Substanzielle Rationalität bedeutet:

Man setzt ein bestimmtes Ziel als richtig voraus und bewertet die Aktionen im Hinblick auf dieses Ziel.

Eine Entscheidung kann formal rational und substanziell falsch sein.

Beispiele

Das privatwirtschaftliche Unternehmen handelt formal rational, wenn es seinen Gewinn maximiert indem es Umweltgüter vernichtet, weil Gewinnmaximierung das Ziel ist.

Setzt man die Erhaltung der Umwelt als gesellschaftlich richtiges Ziel voraus, ist diese Aktion substanziell nicht rational.

Oder:

Der Leiter des Einkaufs handelt formal rational, wenn er billiges Material kauft, weil er einen Bonus für Kosteneinsparungen bekommt, den er gerne haben will. Im Hinblick auf das Ziel, den Bonus zu bekommen, ist seine Entscheidung rational.

Setzt man den Gewinn des Unternehmens als Ziel voraus, ist diese Aktion möglicherweise substanziell nicht rational, weil das billige Material zu großen Produktions- und Qualitätsproblemen und vielen Kundenreklamationen führt. Der Gewinn sinkt.

Bei diesem Beispiel handelt der Einkaufsleiter zugleich persönlich rational, aber die Handlung ist nicht organisational rational.

Nun zur Unterscheidung subjektiv – objektiv.

Subjektive Rationalität bedeutet:

Der Entscheidungsträger entscheidet gemäß seinem Modell vom Entscheidungsfeld, also gemäß seinen Entscheidungsprämissen, optimal.

Objektive Rationalität bedeutet:

Der Entscheidungsträger hat das Entscheidungsfeld „richtig“ in seinen Prämissen abgebildet, so wie es ein kundiger, objektiver Beobachter machen würde.

Eine Entscheidung kann subjektiv rational und objektiv falsch sein.

Beispiel: Frau A macht sich selbständig mit einem Blumenladen. Sie geht von guten Umsätzen und Gewinnen aus und ist sicher, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. Eine Gründungsberaterin hatte ihr abgeraten, da die Lage des Geschäfts zu wenig Laufkundschaft mit sich bringt und ein Supermarkt in der Nähe ebenfalls Blumen anbietet. Nach einem Jahr muss Frau A Insolvenz anmelden.

Schließlich kann eine Entscheidung noch bewusst oder unbewusst rational sein. Damit wird darauf hingewiesen, dass der Entscheider bewusst ein geeignetes Mittel zur Zielerreichung suchen kann, dass aber auch vorstellbar ist, dass jemand zufällig eine zweckmäßige Lösung findet. Implizit verweist das auf die Unterscheidung von einem rationalen (zweckmäßigen) Ergebnis und einem rationalen (bestimmten Anforderungen genügenden) Entscheidungsprozess. Bei der bewussten Suche nach geeigneten Mitteln zur Erreichung von Zielen spricht man auch von instrumenteller oder praktischer Rationalität (vgl. Rescher [Rationalität] 4).

Beispiel: Jemand stellt auf der Grundlage eines komplexen mathematischen Modells ein Wertpapierportfolio zusammen. Ein anderer lässt einen Affen mit Dartpfeilen auf eine Liste mit Unternehmen werfen und wählt die zufällig getroffenen aus. Diese Zufallsauswahl hat sich in vielen Fällen als den professionellen Anlagestrategien überlegen erwiesen. Aber ist sie deshalb rational?

Bei der Unterscheidung formaler und substanzieller Rationalität kommt man in den Bereich der Diskussion über die Ziele des Entscheidungsträgers. Ein Beobachter A könnte bspw. monieren, dass der Entscheidungsträger zu sehr auf kurzfristige oder auf seine persönlichen Ziele fixiert entscheidet und daher im Sinne des Gewinnziels der Unternehmung substanziell nicht rational. Ein Beobachter B ist der Meinung, dass die optimale Entscheidung im Hinblick auf das Gewinnziel im Sinne gesellschaftlicher Ziele substanziell nicht rational ist. Wird über Ziele diskutiert, dann geht man von der Möglichkeit einer „evaluativen Rationalität“ aus, welche die Frage beantwortet: Was soll ich wertschätzen bzw. bevorzugen? (vgl. Rescher [Rationalität] 4).

Bei der Unterscheidung subjektiver und objektiver Rationalität geht es dagegen um die Kompetenz bei der Bildung der Entscheidungsprämissen, vor allem bei der Einschätzung der Ergebnisse der Alternativen. Ein kundiger Beobachter könnte die Umweltentwicklungen und daher die Ergebnisse der Alternativen ganz anders und objektiv „richtiger“ einschätzen als der Entscheidungsträger. Von den richtigen Überzeugungen auszugehen, ist eine Sache der „kognitiven Rationalität“ (vgl. Rescher [Rationalität] 4). Im philosophischen Sinne verhält sich rational, wer die kognitive, die evaluative und die praktische Rationalität beachtet und angemessene Ziele intelligent verfolgt (Rescher [Rationalität] 1).

Für die Bewertung der Rationalität der Entscheidung im Sinne der ökonomischen Entscheidungstheorie spielt es aber keine Rolle, welche Ziele der Entscheidungsträger verfolgt und wie gut er das Entscheidungsfeld tatsächlich erfasst.

Die Rationalität der präskriptiven Entscheidungstheorie ist eine subjektive Formalrationalität. Der Entscheidungsträger kann wollen und erwarten, was er will (vgl. Eisenführ/Weber/Langer [Entscheiden] 11). Er muss nur nach dem geeignetsten Mittel suchen, um seine Ziele zu erreichen, und sich insofern praktisch oder instrumentell rational verhalten.

Das ist im Grunde eine dürftige Form von Rationalität. Dazu zwei Beispiele: