Richtig klug entscheiden - Johann Ceh - E-Book

Richtig klug entscheiden E-Book

Johann Ceh

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Beschreibung

"Leben ist die Summe der gefällten Entscheidungen." Albert Camus Klug entscheiden zu können, ist eine Schlüsselqualifikation, die fächerübergreifend viele Türen öffnet. Oft bedeutet "entscheiden" auch, Risiken einzugehen und Konfliktsituationen zu bewältigen. Beides macht die Psyche nicht gerne. In Entscheidungssituationen mit unsicherem Ergebnis wird analysiert, abgewogen, diskutiert, hinterfragt, zurückgestellt, verschoben, vertagt, schließlich bedauert. Die Lösung eines Problems wird so nicht selten selbst zum Problem, das belastend auf die Psyche wirkt. Wer jedoch, im Gegensatz dazu – mit Zutrauen zu sich selbst - davon ausgeht, dass er auch ein Scheitern bewältigt, kann Entscheidungen gut und nachhaltig treffen. Was machen entscheidungsfreudige Menschen anders als Grübler und Zweifler? Sie wissen: Eine gute Entscheidung stimmt gefühlsmäßig, und Sie sind überzeugt, mit den Konsequenzen einer Entscheidung leben zu können, auch wenn sie sich als falsch herausstellen sollte. Deshalb: Machen Sie sich mit professionellen Strategien und Methoden vertraut, damit Sie kurzfristig kluge Entscheidungen treffen, hinter denen Sie auch gegen mögliche Kritik stehen können, weil sie durchdacht sind. Eignen Sie sich eine professionelle Haltung zu Entscheidungen an. Verbessern Sie Ihre Entscheidungskompetenz – dazu hilft Ihnen dieses Buch, das sich auf aktuelle Erkenntnisse der Gehirnforschung stützt.

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„Die Notwendigkeit zu entscheiden reicht weiter als die Möglichkeit zu erkennen.“

Immanuel Kant

„Not everything that can be counted counts, and not everything that counts can be counted.“

Albert Einstein

„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – egal wie es ausgeht.“

Václav Havel

„Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“

Charles de Gaulle

„Man weiß nie, was daraus wird, wenn die Dinge verändert werden. Aber weiß man denn, was draus wird, wenn sie nicht verändert werden?“

Elias Canetti

Für meine Enkel

Josefine

und

Anton

Inhalt

Vorwort

Gehirnregionen und ihre Funktion

Das Gehirn ist kein Computer, keine Festplatte, kein Videorecorder

Dem Gehirn bei seiner Arbeit zuschauen - Bildgebende Verfahren

Mit Neuronen zu Millionen - Neuromarketing

Psychofallen bei Kaufentscheidungen ein Schnippchen schlagen

Kopf oder Bauch? - Das Zusammenspiel von Verstand und Gefühlen

Intuition spart Zeit und Energie

Somatische Marker – Körpersprache des Unbewussten

Mal Strategie, mal Intuition – Rational oder intuitiv entscheiden?

Testen Sie sich – Welcher Entscheidungstyp sind Sie?

Entscheidungsvermögen – Einflussfaktoren

Risikokompetent entscheiden – Statistiken richtig interpretieren

Defensiv entscheiden

Das Dilemma zu zögerlicher Entscheidungen

Kognitive Dissonanz – Warum wir uns die Welt schönreden

Wie man´s macht ist´s falsch – Double-Binds

Selbstzweifel

Ewiges Grübeln

Immer auf den letzten Drücker - Schluss mit Aufschieben

Perfektionismus-Falle

Wie Tiere entscheiden – Instinkt oder Kalkül?

Entscheidungstechniken und intuitive Entscheidungen – Vergleich

Rechnen Sie mit „decision fatigue“ und tun Sie etwas dagegen.

„Besitzliebe“ und die Unwilligkeit, sich zu verändern

Spieltheorie und das Gefangenendilemma

Persönliche Hierarchie der Werte – Kompass für Entscheidungen

Was am Ende wirklich zählt

Hirnforschung und Willensfreiheit – Wie frei ist der freie Wille?

Aus Fehlentscheidungen das Beste machen

Entscheidungstechniken – Entscheidungshilfen

Pareto-Prinzip

Eisenhower-Prinzip - „First things first“

Münzwurf - Sich aus einer Pattsituation befreien

Disneys drei Stühle

Worst-case-Szenario – Best-case-/Worst-case-Analyse

K.-o.-System

Pro- und Kontraliste

Rangreihenbildung

Vollständiger Paarvergleich

Entscheidungsbaum

Nutzwertanalyse

Entscheidungsbilanz

Analytischer Hierarchieprozess

FORDEC-Methode

Harvard-Konzept

Schlusswort

Quellennachweis

Literaturangaben

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Arbeitsblätter

Anhang – Arbeitsblätter

Vorwort

„Leben ist die Summe der gefällten Entscheidungen“

Albert Camus

„Es gibt Menschen, die sehr entschieden sind, wenn es darum geht, Entscheidungen zu vermeiden.“

Brendan Francis

„Entscheide lieber ungefähr richtig als genau falsch.“

Johann Wolfgang von Goethe

Unser ganzes Denken ist eine permanente Abfolge von Entscheidungen – egal ob berufliche oder private Belange. Das Leben fordert ständig Entscheidungen von uns – pro Tag Tausende: „Große Dinge“ (Partner-, Berufs-, Arbeitsplatzwahl, schwerwiegende geschäftliche Entscheidungen, Kinder oder Karriere? …) und eher alltägliche Dinge („Pizza oder Pasta?“ …). Der allergrößte Teil unserer Entscheidungen erfolgt automatisch, d.h. unbewusst.

Ganz wichtig ist: Auch jede Entscheidung, die wir aufschieben oder nicht treffen, ist im Endeffekt eine getroffene Entscheidung: Nämlich die Entscheidung, alles beim Alten zu belassen bzw. andere für oder über uns entscheiden zu lassen. So gesehen kann man sich also nicht nicht entscheiden.

Entscheidungen kosten viel Kraft - „Nervenkraft“. Das Gehirn macht beim Menschen keine 3 Prozent der Körpermasse aus, braucht aber schon für den Grundumsatz etwa 20 Prozent der Körperenergie. Wer vor wichtigen Entscheidungen steht, sollte sie deshalb nicht unbedingt am Ende eines anstrengenden und – viel wichtiger noch – entscheidungsreichen Tages fällen, sondern sie eher auf den nächsten Morgen legen.

Erfolg ist die Folge richtiger Entscheidungen. Für Führungskräfte ist deshalb das Entscheiden die wichtigste Aufgabe. Entscheidungssituationen mit unsicherem Ausgang gehören zum Job. Da wird abgewogen, verschoben, diskutiert, hinterfragt, zurückgestellt, analysiert, vertagt, schließlich bedauert. Die Lösung eines Problems wird so selbst zum Problem, das belastend auf die Psyche wirken kann.

Klug entscheiden zu können ist eine Schlüsselqualifikation, die – mit diesem Schlüssel – fächerübergreifend viele Türen öffnet.

Richtig entscheiden oder klug entscheiden? Der Begriff „richtig“ suggeriert, dass es immer eine allgemeingültige, korrekte Entscheidung in Wahlsituationen gibt. Das trifft für die meisten Alltagssituationen jedoch nicht zu. „Richtig“ muss eher im Kontext von „für mich richtig“ oder „in diesem Moment richtig“ gesehen werden. Im Zusammenhang mit Entscheidungen ist das Adjektiv „klug“ im Sinne von: vernünftig, gut durchdacht, mit scharfem Verstand und logischem Denkvermögen durchgeführt oft treffender und hilfreicher.

Es gibt Bücher, die simple Entscheidungsweisen anpreisen und gleichzeitig bietet zum Beispiel die „Theorie der rationalen Entscheidung“ immer kompliziertere Algorithmen zur Berechnung der besten Entscheidung an. Wie findet man sich da noch zurecht? Speziell verpflichtet fühle ich mich in diesem Buch der Heuristik, der Kunst mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu guten Lösungen zu kommen. Es ist eine junge Wissenschaft, für die sich heute Forscher aus den verschiedensten Disziplinen interessieren. Seit dazu auch Neurowissenschaftler wie Gerd Gigerenzer und Jonah Lehrer gehören, konnte diesbezüglich bereits viel Spekulatives zu den Akten gelegt werden.

Deshalb:

Eignen Sie sich eine professionelle Haltung zu Entscheidungen an. Verbessern Sie Ihre Entscheidungskompetenz. Dazu hilft Ihnen dieses Buch, in dem aktuelle Ergebnisse der Gehirnforschung berücksichtigt werden.

Dazwischengeschaltete leere Buchseitenteile können vom Leser zur Dokumentation eigener Erfahrungen und zur Notiz individueller Fragen, Anmerkungen und Ergänzungen genutzt werden. Auf diese Weise kann das Buch zu einem auf die jeweilige persönliche Situation zugeschnittenen Lern-, Arbeits- und Merk-Kompendium werden. Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen, das Buch muss nicht „in einem Zug“ gelesen werden.

„Nichts verschafft mehr Ruhe als ein gefasster Entschluss.“

Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord

Johann Ceh

Biberach an der Riß, Januar 2018

Gehirnregionen und ihre Funktion

Das menschliche Gehirn gilt als kompliziertestes Organ des Universums. Stark vereinfacht ist das Großhirn für das Denken, das Stirnhirn (präfrontaler Cortex) für das Urteilen und Bewerten, das limbische System für Gefühle und das Stammhirn fürs Überleben zuständig.

Wenn der Mensch sich entscheidet, ist daran ein weit reichendes Netzwerk von Regionen im Denkorgan beteiligt. Im Folgenden werden einige für Entscheidungsprozesse besonders wichtige Hirnregionen und ihre Funktionen beschrieben.

Großhirn

Im Laufe der Evolution hat das Großhirn die darunterliegenden Hirnteile überwuchert und macht beim Menschen schließlich 90 Prozent der Hirnmasse aus. Alle höheren Denkfunktionen wie Erinnerung, Kreativität, Kommunikation und kognitives Begreifen sind hier beheimatet. Die Nervenzellen (Neuronen) selbst bilden an der Oberfläche des Gehirns eine etwa drei Millimeter dicke „badehaubenartige“ Rinde (graue Substanz). Insgesamt verschalten sich hier so etwa 100.000 Neuronen pro Quadratmillimeter an einer unermesslich großen Zahl von Kontaktstellen (Synapsen), an denen Signale von einer Zelle auf die andere übertragen werden. Neuronen kommunizieren miteinander durch elektrischen Stromfluss. Der Strom fließt durch Nervenfasern (Axone) bis an die Synapsen, winzige Spalte zwischen den Axonen und den Nervenfasern der benachbarten Neuronen. Dort überträgt sich der Impuls auf chemische Art und Weise. Sogenannte Neurotransmitter - bekannte sind das Dopamin und das Serotonin - übermitteln die Information. Je stärker die Synapsen, desto stärker ist auch die Signalübertragung. Abgeschwächt kann die Signalübertragung werden, wenn weniger Neurotransmitter vorhanden sind. In diesen

Mechanismus können Medikamente, aber auch Drogen eingreifen.

Unterhalb der Hirnrinde (Cortex) liegen die Nervenfasern, die Zellen unterschiedlicher Hirnregionen miteinander verbinden (weiße Substanz).

Frontallappen

Frontallappen sind ein Teilbereich der Hirnrinde, der beim Menschen am höchsten entwickelt ist. Die Frontallappen (einer für jede Hemisphäre) beinhalten Areale, die mit Entscheidungsfindung, Planung, Erinnerung, freiwilligen Handlungen und Persönlichkeit verbunden sind.

Präfrontaler Cortex

Der präfrontale Cortex ist Teil des für Pläne und Absichten zuständigen Frontallappens des Großhirns. Er kontrolliert normalerweise unsere Handlungen.

Der präfrontale Cortex gilt als Sitz des Arbeitsgedächtnisses und der Intelligenz, kann aber nicht allein Handlungen auslösen, sondern wird von den Arealen des limbischen Systems unterstützt. Im prä-frontalen Cortex verknüpft das Gehirn emotionale Signale mit rationalen Bewertungen und formt sie in eine Entscheidung um. Letztlich werden daher auch rationale Entscheidungen emotional getroffen.

Orbitofrontaler Cortex

Der Orbitofrontale Cortex ist Teil der Frontallappen direkt über und hinter den Augen. Er ist an der Verarbeitung von emotionalen und anregenden Informationen beteiligt, insbesondere bei Entscheidungsprozessen.

Amygdala

Die Amygdala ist ein Areal im Temporallappen des Gehirns. Sie wird wegen ihrer Form in der Anatomie auch Mandelkern (lateinisch amygdala) genannt. Die Bezeichnung Mandelkernkomplex ist jedoch zutreffender, denn sie setzt sich aus mehreren Kernen zusammen. Die Amygdala ist Teil des limbischen Systems und beeinflusst Emotionen und Erinnerung in vielfältiger Weise – vor allem wenn Angst und Wut auftreten ist sie im Spiel.

Bei einem starken negativen Reiz, für Börsenspekulanten etwa ein Kurssturz an der Börse, löst die Amygdala ohne große Reaktionszeit eine kurze heftige Antwort aus: Fight or Flight. Dieser Reflex war in evolutionären Frühtagen des Menschen eine sinnvolle Einrichtung. Beim Anblick des Säbelzahntigers zum Beispiel schaltete das Gehirn sofort in den emotionalen Ausnahmezustand. Die Amygdala wurde zum Zweck des Überlebens geschaffen.

Abbildung 1: Gehirnregionen.

Hippocampus

Der Hippocampus dient als Schaltstelle des Gedächtnisses. Einen maßgeblichen Einfluss darauf, ob eine Information durch Übergang vom Kurz- zum Langzeitgedächtnis dauerhaft abgespeichert wird, hat der emotionale Gehalt dieser Information.

Erlebnisse gleich welcher Art landen zunächst erst einmal im Kurzzeitgedächtnis, das sich im Großhirn befindet. Schon nach wenigen Minuten beginnen sie allerdings zu wandern – entweder in die Vergessenheit, oder ins Langzeitgedächtnis. Dafür zuständig ist der Hippocampus, eine wie ein Hufeisen geformte Unterabteilung des limbischen Systems. Seinen Namen verdankt der Hippocampus einem aus Fisch und Pferd zusammengesetzten Meeresungeheuer aus der griechischen Mythologie (Seepferdchen). Er ist gewissermaßen der Türsteher vor den Pforten des Gedächtnisses. Er entscheidet zwischen Speichern oder Löschen. Ausschlaggebend dabei ist, ob die jeweilige Wahrnehmung einen ausreichend starken emotionalen Begleitton hat.

Limbisches System

Die Bezeichnung limbisches System leitet sich von lateinisch limbus („Saum“) ab, da die zugehörige Struktur einen doppelten Ring um die Basalganglien und den Thalamus bildet.

Das limbische System ist eine Funktionseinheit des Gehirns, die der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Triebverhalten dient. Dieser Hirnregion werden auch intellektuelle Leistungen zugesprochen.

Zu den tiefen limbischen Hirnarealen zählen: Hypothalamus, Amygdala, Nucleus accumbens, Hypophyse. Diese Regionen sind mit Verhaltensweisen wie Angriff oder Flucht verbunden, die tief

in uns verwurzelt sind. Wir entscheiden schnell, aber unreflektiert. Es gibt auch bewusstseinsfähige limbische Teile der Großhirnrinde: Orbifrontaler, ventromedialer und cingulärer Cortex. Diese Regionen vermitteln beispielsweise soziale Emotionen wie Empathie oder Neid und werden von Hirnforschern auch mit Risikowahrnehmung in Verbindung gebracht.

Hypophyse

Die Hypophyse (griechisch hypóphysis, „das unten anhängende Gewächs“) ist eine Hormondrüse, der eine zentrale Rolle bei der Regulation unseres Hormonsystems in Sachen Wachstum, Fortpflanzung, Stoffwechsel zukommt.

Die Hypophyse regt zum Beispiel auch die Nebennierenrinde zur Ausschüttung des Stresshormons Cortisol an.

Nucleus accumbens

Der Nucleus accumbens (von lateinisch: nucleus – Kern; accumbens – sich hinlegen, Platz nehmen, beiwohnen) ist Teil der Basalganglien. Er ist ein wichtiger Part des Belohnungssystems des Gehirns und mitverantwortlich für die Entstehung von Sucht. Er besteht aus einem Knubbel von Nervenzellen, der mit dem Botenstoff Dopamin stimuliert wird. Hat das Dopamin an den Rezeptoren des Nucleus accumbens angedockt, sendet dieser Erregungspotentiale an andere Gehirnstrukturen, welche dann Zufriedenheit und Freude auslösen.

Stammhirn

Mit dem Begriff Stammhirn werden folgende Hirnstrukturen zusammengefasst: Hirnstamm (bestehend aus Mittelhirn, Brücke, verlängertem Rückenmark) und Zwischenhirn. Diese begriffliche Zusammenfassung macht nur aus entwicklungshistorischer Sicht Sinn.

Das Stammhirn ist der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil des Gehirns. Es ist für die essenziellen Lebensfunktionen zuständig und steuert Herzfrequenz, Blutdruck und Atmung. Zudem ist es für einige wichtige Reflexe wie den Lidschluss-, Schluck- und Husten-Reflex verantwortlich.

Kleinhirn

Das Kleinhirn koordiniert Bewegungen und sorgt dafür, dass sie flüssig ablaufen. Es ist also zum Beispiel für Gleichgewicht sowie Bewegungen und deren Koordination verantwortlich. Störungen im Kleinhirn können dazu führen, dass der Betroffene unter Bewegungseinschränkungen leidet oder das Gleichgewicht verliert.

Basalganglien

Als Basalganglien werden mehrere Kerngebiete im Gehirn zusammengefasst, die unterhalb der Großhirnrinde liegen. Ihre außerordentlich komplexe Funktion wird bis heute nur ansatzweise verstanden.

Basalganglien sind für wichtige funktionale Aspekte wie Spontaneität, Affekte, Initiative, Willenskraft, Antrieb, schrittweise Planung, vorweggenommenes Denken, ... von großer Bedeutung.

Sie bilden auch das Handlungsgedächtnis unseres Gehirns und übernehmen bei zunehmender Routine die Steuerung.

In den Basalganglien wird beim gesunden Menschen der Neurotransmitter Dopamin ausgeschüttet, der wiederum eine bestimmte Handlung freischaltet, die dann auch ausgeführt wird.

Wie das Gehirn eine Wahl trifft …

Der mediale präfrontale Cortex ist aktiv bei Entscheidungen, zum Beispiel bei Problemlösung und Strategiefindung. Im limbischen System bewertet die Amygdala emotionale Signale. Der Hippocampus speichert diese Bewertungen ab und ist an der Gefühlsprognose beteiligt. In Teilen der Basalganglien laufen Erregungen aus limbischem System und Mittelhirn ein, was zu Erfolgserlebnissen führt. Der orbitofrontale Cortex steuert langfristige Denk- und Verhaltensmuster.

Linke gegen rechte Hemisphäre

Schaut man auf ein menschliches Gehirn, fällt einem sofort die in der Mitte von vorne nach hinten verlaufende Bruchlinie auf, die den Cortex in zwei Hemisphären teilt. Obwohl die beiden Hälften anatomisch weitgehend symmetrisch sind, haben sie unterschiedliche Funktionen.

Im 19. Jahrhundert erkannten dies Ärzte wie Paul Broca daran, dass Patienten mit einer geschädigten linken Hirnhälfte viel eher zu Sprachproblemen neigten als jene mit Schäden an der rechten.

Das Interesse an dem Thema wurde in den Sechzigerjahren neu entfacht, als Roger Sperry und andere mit der Untersuchung von „Split-Brain“-Patienten begannen, bei denen die beide Hemisphären verbindenden dicken Nervenbündel im Zuge der Behandlung von schwerer Epilepsie durchtrennt worden waren. Die Untersuchungen ergaben, dass die beiden Hemisphären unabhängig voneinander agieren konnten und unterschiedliche Stärken und Schwächen besaßen. Heute spricht man der linken Hemisphäre gern eine Art „logische Kälte“ zu, während die rechte eher als emotional und kreativ erscheint. Dies ist jedoch eine Vereinfachung. Außer bei „Split-Brain“-Patienten arbeiten die Gehirnhälften zusammen. Dabei werden die Aufgaben nicht an die eine oder andere Seite delegiert, sondern auf beide Seiten verteilt, wo sie dann unterschiedlich verarbeitet werden. Während die linke Hälfte bei Sprach-Angelegenheiten dominiert, besitzt die rechte Seite eigene auf die Sprache bezogene Funktionen wie das Erkennen von Intonationen.

Gehirne sind flexibel - Neuroplastizität

Unter Neuroplastizität versteht man die Bandbreite an Möglichkeiten, wie sich das Gehirn als Reaktion auf unser Tun und Erleben verändert. Jede Veränderung der Psyche (Gehirnaktivität) führt zu einer Veränderung im Gehirn.

Wirklich überrascht hat die Neurowissenschaftler das Ausmaß, in dem sich das Gehirn als Reaktion auf Verletzungen oder neue Herausforderungen verändern kann. Beispiel: Bei Blinden oder auch

bei Sehenden, die fünf Tage lang eine Augenbinde getragen haben, werden „visuelle“ Bereiche des Gehirns vom Tastsinn rekrutiert.

Diese, sich nach den Aktivitäten einer Person (etwa Sehen oder Tasten) richtende Neustrukturierung ist offenbar ein allgemeiner Grundsatz der Gehirnentwicklung.

Das Prinzip funktioniert ein Leben lang, nicht nur in der Kindheit. Ein berühmtes Experiment zeigt, dass der an der Orientierung beteiligte Teil des Gehirns bei Londoner Taxifahrern besonders groß ist, die ihr ganzes Leben damit verbracht haben, den besten Weg durch die Stadt zu finden.

Das Konzept der Neuroplastizität ist eng mit der Vorstellung verbunden, dass wir unsere Art zu denken und unsere Fähigkeiten lebenslang verändern und dass geistige Aktivität uns dabei helfen kann, im Alter flexibel und wach zu bleiben.

Das Gehirn ist kein Computer, keine Festplatte, kein Videorecorder

Heute weiß die Neurowissenschaft, wie falsch die Analogie Computer-Gehirn ist. Im Gegensatz zum Computer nimmt unser Gehirn nicht alle Daten auf, die ihm angeboten werden. Es selektiert bei jedem Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozess zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen und es versieht dieselben mit emotionalen und biografischen Bedeutungen; es konstruiert fortwährend Bedeutung und Sinn.

Zudem legt das Gehirn Informationen nicht in irgendwelchen „Dateiordnern“ ab, um sie dann – wenn es der User will – genauso wie eingespeichert auf den „Bildschirm“ zu zaubern. Gehirn und Gedächtnis modellieren im Gegensatz dazu aufgrund der flexiblen Netzwerkstruktur gespeicherte Fakten. Bei jedem erneuten Abruf ändert sich deren semantische und emotionale Bedeutung.

Jede Erinnerungsleistung ist eine in erster Linie unbewusste, daher auch unkontrollierbare „Konstruktionsleistung des Gehirns“. Hinzu kommt die Abhängigkeit von Emotionen (Freude, Stress, Angst, …) von der Ausschüttung der zugehörigen Neurotransmitter, die schon die Inhalte bei der Aufnahme ins Gedächtnis stark einfärben, was erst recht für das Abrufen gilt. Das Gedächtnis ist also ein „irrtumsgesättigtes Gebilde“ (Johannes Fried), von dem man keine faktizistische Korrektheit erwarten darf. Es beinhaltet keine wahren Geschichten nach dem Muster „So ist es gewesen“, sondern immer nur Konstrukte.

Da das menschliche Gehirn also nicht durch und durch rational ist, kann man es auch nicht als Computer beschreiben. Eine wichtige Schlussfolgerung aus diesen Erkenntnissen ist, dass das Gehirn für das Auswendiglernen von Einzelheiten nicht geeignet ist. „Für das Faktenlernen sind wir nicht konstruiert.“ (Manfred Spitzer) Das Gehirn ist kein Kassetten- oder Videorecorder, keine Festplatte, sondern: Unser Gehirn ist besser als eine Festplatte.

Beispiel:

Ein Baby lernt laufen

Die Komplexität dieses Vorgangs wird deutlich, wenn Forscher versuchen einem Roboter das Gehen auf zwei Beinen beizubringen. Hinter diesem Lernprozess des Babys steckt sehr viel Arbeit, die sein Gehirn erledigt. Der kleine Mensch zieht sich hoch und plumpst hin – fortwährend. Wochenlang übt das Baby ohne aufzugeben, es lernt ganz einfach von „Fall zu Fall“; denn anhand der Einzelfälle werden Zusammenhänge erkannt - und vom Gehirn abgebildet. Dieser Prozess läuft von allein ab, das Gehirn kann gar nicht anders als zu lernen. Würde das Gehirn nur Fakten abspeichern, nähme der Prozess einen davon abweichenden Verlauf.

Eine der komplexesten Gehirnleistungen des Menschen ist das Erkennen von Gesichtern. Insbesondere an der Deutung des Gesichtsausdrucks scheitern (bisher) auch die besten Computer weitgehend. Das Thema Gesichtserkennung könnte anlässlich der Terrorgefahr immer bedeutsamer werden. Es steht zu befürchten, dass wir damit leben werden müssen, dass unsere Gesichter von unterschiedlichsten Algorithmen analysiert werden.

Besondere Bedeutung kommt aktuell der Fähigkeit der elektronischen Rechner zum sogenannten „Deep Learning" zu. Dabei ersetzen künstliche „neuronale" Netze, die sich klonen und prinzipiell in jedes andere Gerät einbringen lassen, die herkömmliche Programmierung. Im Ergebnis erlaubt eine solche Netzarchitektur Maschinen, komplizierte Konzepte selbstständig zu erlernen und komplexe Aufgaben zu lösen, ohne dass Menschen notwendig sind. Ferner können solche Maschinen – in Grenzen – selbstständige „Entscheidungen" treffen und sich dynamisch auch an für sie unbekannte Umgebungen anpassen.

Einsatzfelder für solche „autonomen Systeme“ können sein: Anwendungen in der Industrieproduktion, im Bereich der Mobilität beziehungsweise dem automatisierten Fahren, in der Gebäudetechnik (Stichwort: Smart Home) sowie in Umgebungen, die für den Menschen besonders gefährlich sind, wie etwa der Weltraum oder die Tiefsee.

Risiken und Gefahren ergeben sich daraus, dass die „Entscheidungen", die autonome Systeme treffen, sich oft weder erklären, noch exakt vorhersagen lassen. Die Gefahr, dass solche Systeme den Menschen überflüssig machen könnten, ist eher nicht gegeben. Für alle Anwendungsfelder gilt vielmehr - soweit sich das zurzeit absehen lässt - dass mit den Maschinen Menschen unterstützt und ihre Fähigkeiten ergänzt, statt ersetzt werden. Grundsätzlich gilt jedoch: Diesbezügliche Chancen und Risiken müssen transparent gemacht und gegeneinander abgewogen werden.

Die algorithmus-basierten, entscheidungsunterstützenden Systeme sind oft noch von mangelhafter Qualität. Beispiel: Entscheidungssysteme für Richter in den USA, die die Rückfälligkeit von Kriminellen vorhersagen sollten, wiesen Fehlerquoten von weit über 50 Prozent auf. Die Gesamtqualität des Systems hängt stets sehr stark von der Qualität der Daten ab, auf denen es basiert. Deren Selektion wiederum beruht auf subjektiven Entscheidungen, die das Endergebnis erheblich verändern können. Daher ist die Entwicklung qualitätssichernder Prozesse sowie deren Implementierung, Wartung und kontinuierliche Verbesserung dringend erforderlich. Zudem bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion darüber, welche gesellschaftlichen Prozesse sich überhaupt für algorithmische Entscheidungssysteme eignen und nach welchen Kriterien sie optimiert werden sollen.

Zudem ist die Zuschreibung von Verantwortung - die ja Teil der „conditio humana" ist - nicht auf Maschinen übertragbar. Beispiel. Es macht einen kategorialen Unterschied, ob ein Fahrer die Entscheidung trifft, sein Auto in den Abgrund zu steuern, um drei Kinder zu retten, statt diese zu überfahren, oder eine solche Entscheidung in die Software eines selbstfahrenden Fahrzeugs eingebaut ist. Da die Verantwortung an Intentionalität und Personalität gekoppelt ist, ist die Zuschreibung von Verantwortung – die Teil der „conditio humana" ist - nicht auf Maschinen übertragbar.