Robinson spielt König - E.R. Greulich - E-Book

Robinson spielt König E-Book

E.R. Greulich

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Beschreibung

Mr. Knatchbull, ein jovialer Mann, der gute Zigarren raucht, immer die richtigen Entscheidungen trifft, seinen Untergebenen ein guter Herr und seinen Freunden ein treuer Gefährte ist. Denkste! E.R. Greulich zeigt uns keine Hollywood-Gestalt, sondern den schiffbrüchigen Mr. Knatchbull, der mit der Besatzung seiner Jacht auf eine einsame Insel verschlagen wird. Auf sich selbst angewiesen und getrieben von der Gier nach einem verborgenen Schatz, zeigt er seinen wahren Charakter und erleidet zum zweiten mal Schiffbruch; denn ohne seine Millionen hat nicht nur sein Aussehen, sondern auch sein Ansehen leicht gelitten. Wie es ihm ergeht und wie das Abenteuer endet, schildert der Autor seiner spannenden, mit Humor gewürzten Erzählung.

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Seitenzahl: 525

Veröffentlichungsjahr: 2015

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E.R. Greulich

Robinson spielt König

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

ERSTES KAPITEL

ZWEITES KAPITEL

DRITTES KAPITEL

VIERTES KAPITEL

FÜNFTES KAPITEL

SECHSTES KAPITEL.

SIEBENTES KAPITEL

ACHTES KAPITEL

NEUNTES KAPITEL

ZEHNTES KAPITEL

ELFTES KAPITEL

ZWÖLFTES KAPITEL

DREIZEHNTES KAPITEL

VIERZEHNTES KAPITEL

FÜNFZEHNTES KAPITEL

SECHZEHNTES KAPITEL

SIEBZEHNTES KAPITEL

ACHTZEHNTES KAPITEL

NEUNZEHNTES KAPITEL

ZWANZIGSTES KAPITEL

Impressum neobooks

ERSTES KAPITEL

Anfang nach einem traurigen Ende

Leiser Wind fächelte die Palmen der Insel. Die Sonne begann ihre Wanderung über einen tiefblauen südlichen Himmel. Unendlich weit breitete sich das Meer. In der Bucht lag es glatt wie ein Spiegel.

Das Wrack hinter dem weißen Schaumstreifen der Brandung schien eine hässliche Erinnerung zu sein, wie der Streifen geknickter Palmen, der die Richtung anzeigte, den die äußeren Ausläufer des Orkans genommen hatten.

Der einsame Mann betrachtete kritisch den Verband um seine Wade. Prüfend tat er einige Schritte und fluchte leise. Der Schmerz zwang ihn, leicht zu lahmen. Aus einem Haufen Treibholz suchte er sich einen passenden Stecken. Dann pfiff er dem Hund.

"Komm, Prinz, mal sehen, ob wir jemand finden."

Der Hund winselte, als habe er verstanden. Er lief dem Hinkenden zu stürmisch. Sein unruhiges Gebaren zeigte, dass er etwas gewittert haben musste. Als sie, immer dem Strand folgend, eine Bodenerhöhung hinaufstiegen, riss sich Prinz los und stürmte davon. Er verschwand hinter der Anhöhe, und von dort ertönte freudiges Gejaule. Der Mann schlug eine raschere Gangart an und musste darüber lächeln, wie wenig ihn die Wunde jetzt behinderte, da er erregt war. Als er oben ankam, bot sich ihm ein eigenartiges Bild. Einige Leute waren damit beschäftigt, sich gegenseitig Pflaster aufzulegen. Im Augenblick war die Aufmerksamkeit aller vom Hund in Anspruch genommen.

"Prinz! Da bist du ja! Haben dich die Haie nicht gefressen?" Eine junge Dame schlang beide Arme um den Hals des Hundes und gab ihn auch dann nicht frei, als er aufgeregt zum nächsten springen wollte.

"Rätselhaft", der korpulente Herr, der sich eine Schramme am Unterarm behandeln ließ, wunderte sich, "wie mag Prinz hierhergekommen sein?"

"Mit mir, wenn's recht ist, bitte!" rief von oben der so plötzlich Aufgetauchte. Mit wenigen Schritten stand er in der Mitte des Lagerplatzes.

"Sundström ist mein Name, Knut Sundström." Belustigt über die offenen Münder und erstaunten Augen, setzte er hinzu: "Ein bisschen überraschend mein Auftritt, aber das gehört wohl hier zur Landschaft. Dessen ungeachtet geben Sie bitte Prinz endlich frei, Miss Ellen, sonst wäre ich gezwungen, ihn das zweite Mal zu retten."

"Sagen Sie mal, junger Mann, wollen Sie uns nicht sagen, wer Sie sind und wo Sie herkommen?", rügte der Korpulente.

"Bitte nicht junger Mann, Mister Knatchbull, das klingt so - überheblich."

"Wollen Sie sich lustig über uns machen?"

"Nicht im geringsten. Aber einen Bärenhunger hab' ich. Ich muss unbedingt etwas Essbares auftreiben. Deshalb bis nachher, dann werde ich Ihnen alles erklären!" Sundström hinkte wieder nach oben. Dort stieß er einen gellenden Pfiff aus. "Komm, Prinz, wir gehen gemeinsam auf die Jagd!" Er winkte dem Hund, als sei er seit Menschengedenken dessen Herr.

"Prinz, hierher!" Mister Knatchbull stampfte mit dem Fuß auf.

"Prinz wird Ihnen die letzte Nacht nicht so schnell vergessen. Und mir nicht, dass ich an ihn dachte."

Sundström schien seiner Sache sehr sicher zu sein. Tatsächlich kam die Dogge dem Befehl Knatchbulls nicht nach. Sie drückte sich winselnd, den Bauch am Erdboden, immer weiter von ihm fort. Sundström wiederholte den Pfiff, dann waren Mann und Hund hinter dem Hügel verschwunden.

Außer dem Matrosen Pete Hawk, der sich in stummer Augensprache mit dem Freund Sundström verständigt hatte, erging sich die Gesellschaft in erstaunten Äußerungen über den überraschenden Besuch.

Knatchbull schimpfte:

"Dieser Bursche wird Zwiespalt unter uns säen." Er hütete sich, hinzuzusetzen: Und einen nach dem andern auf seine Seite ziehen.

"Du misst den burschikosen Reden dieses jungen Menschen zu viel Bedeutung bei, Phil, Ich finde, er ist ein ganz herzhafter Bursche. Wenn er nur nicht so furchtbar laut und schrill pfeifen würde." Mit diesen Worten charakterisierte Joan Knatchbull, die Gattin, mehr sich selbst als den, über den sie sprach.

"Wer weiß, warum uns Gott diesen Mann gesandt hat. Wahrscheinlich sollen wir uns an seinen Ecken abschleifen oder …"

"Tu mir den Gefallen, Lionel, und lass den lieben Gott aus dem Spiel." Knatchbull sagte es ziemlich grob. Als er Lionel Strongs, des Reverend, bekümmerte Miene gewahrte, setzte er hinzu: "Nichts für ungut; aber du weißt, dass wir nie Freunde geworden wären, wenn ich dich als Frömmler kennengelernt hätte."

"Trotzdem tust du Lionel Unrecht, Pap." Ellen Knatchbull konnte es sich erlauben, ihrem Vater das zu sagen, was den andern schwer oder gar nicht über die Zunge ging.

Ihre Mutter versuchte wie meist zu vermitteln, ohne dabei ihren Standpunkt aufzugeben. "Selbstverständlich hat Papa recht, Ellen. Sundström ist ein bisschen sehr salopp, aber das wird sich schon im Verkehr mit uns geben. Phil, bemühst du dich bitte um eine weniger feindselige Haltung?"

"Vielleicht sage ich Danke schön für seine Frechheiten?"

"Mister Knatchbull hat recht. Man muss Flegeleien energisch entgegentreten." Dass Maud Downburn für Knatchbull Partei ergriff, wurde von den anderen als selbstverständlich hingenommen. Es war ihr zur zweiten Natur geworden. Knatchbull war der erfolgreiche Mann. Man brauchte beispielsweise nur sein Einkommen gegen die Pension ihres Gatten Malcolm Downburn zu halten. Das Erfreulichste, das Colm bisher im Leben erreicht hatte, war die Freundschaft mit Knatchbull, dem Präsidenten der "United Steel and Iron Company" und Aufsichtsratsmitglied in einigen anderen, ebenfalls nicht kleinen Unternehmen. Diese Freundschaft hatte ihnen auch die mehrmonatige Ferien-Weltreise eingebracht, gegen keine andere Gegenleistung als die, Knatchbull Gesellschaft zu leisten. Dass man dabei in die augenblicklich nicht beneidenswerte Lage gekommen war, dafür konnte man auf keinen Fall Knatchbull verantwortlich machen. So jedenfalls dachte Maud Downburn.

"Das Auftreten dieses Mr. Sundström ist umso herausfordernder, als es sich um einen blinden Passagier des 'Delphin' handeln muss. Ich habe den Verdacht, der ehrenwerte Herr Pete Hawk ist daran nicht unbeteiligt. Wollen Sie uns nicht aufklären, Herr Hawk?" In Knatchbulls Worten war Genugtuung.

Doch Hawk war verschwunden.

"Robert", Knatchbull wandte sich an seinen Butler Emerson, der auf der Jacht als Steward und Kammerdiener fungiert hatte, "wussten Sie von der Anwesenheit Sundströms?"

"Nein, Sir. Wenn ich meine bescheidene Meinung äußern darf, so muss ich sagen, dass ich über den Ton dieses - dieses jungen Menschen erstaunt bin." Das Gesicht Emersons blieb bei diesen Worten unbeweglich.

"Interessant, dass während der Abwesenheit des Herrn Sundström so viel und dabei so wenig Gutes über ihn gesprochen wird", stellte Rose Taylor fest. Sie sagte öfter Dinge, die andere vorsichtiger ausgedrückt hätten. Sie war ja Ellens Freundin.

Sundström kam vom Hügel, Hawk folgte ihm mit Prinz. Sundström warf seine Jacke voller Para-Nüsse in die Mitte des Lagerplatzes. Hawk brachte Muscheln und legte seine Mütze voller gesprenkelter Vogeleier dazu.

"Bitte, meine Herrschaften, bedienen Sie sich." Sundström machte eine einladende Geste. Geschickt öffnete er die Früchte mit einem scharfen Stein und begann munter zu kauen. Dabei legte er geöffnete Nüsse auf mehrere große Blätter. Alle, außer Pete Hawk, taten, als seien sie satt.

Nachdem Sundström sich an einigen Eiern gütlich getan hatte, begann er mit der versprochenen Erklärung. "Ich bin ein Meter zweiundachtzig groß, wiege hundertundsechzig Pfund und werde neunundzwanzig Jahre alt. Geboren im Staate Maine, also USA-Bürger. Vater Däne, Mutter Deutsche. Ich habe mehrere Colleges absolviert und vor sechs Jahren meinen Ingenieur gemacht. Bald spezialisierte ich mich auf die Taucherei, zuletzt auf Tieftauchen mit Panzeranzug - zusammen mit einem Freund, einem Arzt und Chemiker. Wir erreichten ganz ansehnliche Resultate. Radioreportagen aus achtzig Meter Seetiefe und Ähnliches. Immer auf der Jagd nach Aufträgen. Das zermürbt mehr als Jagd auf Seeungeheuer. - Nun kabelt uns da vor drei Monaten ein Kaffeepflanzer aus Brasilien. Seine Luxusjacht sei abgesackt, wir sollten die Kostbarkeiten rausholen. Wir suchen unsere letzten Dollars zusammen, und ich fliege von San Francisco direkt nach Rio. Komme gerade noch zurecht, eine tolle Pleite zu erleben. Der Coffeeman ist bankrott. Nicht mal einen Peso Flugspesen konnte ich ergattern. Ich war blank wie ein Tramp. Keinen Cent zum Zurückfahren. Was bleibt einem da andres übrig, als eine günstige Gelegenheit abzuwarten? - Ich habe knapp eine Woche in Rio gestreunt; wer legt da am Kai an? Ihr schmucker 'Delphin', Mister Knatchbull. Feines Schiffchen, denke ich, da kommt jemand übers Fallreep gestolpert und haut mir seine Seemannspranken auf die Schulter: Pete Hawk. Vor fünf Jahren waren wir bei der Bergung der 'Castel Dunbar' zusammen gewesen. Er war Vollmatrose, ich als Taucherbaby. Und so eine Seemannsfreundschaft, die verfliegt nicht wie Gischt vor 'ner Brise. Ich wünsche Pete Glück und sage, dass ich mir das Schmuckstück auch gern mal von innen ansehen würde. Als Sie dann alle an Land waren, hat mir Pete Hawk den Wunsch erfüllt. Dann habe ich ganz vergessen, das Fallreep wieder in entgegengesetzter Richtung zu betreten. Erstens hatte ich mich in den 'Delphin' verliebt, zweitens fuhr er meinen Kurs, und drittens hatte ich mich mit Prinz angefreundet. Da muss uns nun dieser Hurrikan in die Quere kommen, oder besser gesagt, wir ihm. Möchte bloß wissen, Mister Knatchbull, warum Sie den Umweg über diese Inselgruppe gewählt haben? Denn wenn Sie in Frisco anlegen wollten, ist das ein Umweg."

"Erstens scheinen Sie zu vergessen, dass der 'Delphin' ein Vergnügungsschiff ist und …"

"War, Mister Knatchbull, war!"

"Also gut, war .... und kein Petroleumtanker mit fester Route. Zweitens sehe ich keine Veranlassung, Sie in meine Pläne und Absichten einzuweihen, zumal Sie Ihre neugierige Nase auf durchaus nicht übliche Weise in unsere Angelegenheiten gesteckt haben. Was die Dienstverfehlung Herrn Hawks anbelangt, so darf er sich schon heute als fristlos entlassen betrachten."

Auf den Gesichtern der Zuhörenden drückte sich Unbehagen aus, nur Pete Hawk machte ein Gesicht, als belustige ihn diese Eröffnung. In den Mundwinkeln des Ingenieurs zuckte es vor Spott. "Diese fristlose Entlassung ist der bisher beste Witz auf unserem Eiland, Mister Knatchbull. Sie scheinen sich in der Hoffnung zu wiegen, dass Sie nur mit dem Taschentuch zu winken brauchen, und schon eilen die Bergungsdampfer herbei."

"Allerdings. Aber nicht in der naiven Art, wie Sie es eben zu schildern beliebten. Ich werde jetzt Wachen einteilen, die von den höchsten Punkten der Insel Zeichen an vorüberfahrende Schiffe geben."

"Ihrem Organisationstalent alle Ehre, Sir. Aber so wäre es halber Selbstmord!" Sundström wandte sich an die andern: "Was sagen Sie dazu, meine Herrschaften?"

Die Gesellschaft hatte dem Wortgefecht teils verlegen, teils mit Interesse zugehört. Das Gesicht des Butlers Emersen war undurchdringlich wie immer.

"Ich sehe nichts Falsches am Vorschlag meines Vaters. Hilfe herbeizurufen, ist doch das dringlichste." Ellen Knatchbull bemühte sich, im Gegensatz zum kampflustigen Ton der Männer, sachlich zu sprechen.

Sundström lächelte nachsichtig, "Kennen Sie die Geschichte vom Mann, der im tiefen Walde verunglückte? Er kam um, weil er seine Kraft nur mit Hilferufen verbrauchte, anstatt sich zu bemühen, in die Nähe von Menschen zu kommen."

"Ich kann mir denken, was Herr Sundström damit meint. Herr Hawk, Sie sind doch ein alter Fahrensmann. Liegt unsere Insel im Bereich von Dampferrouten?" Rose Taylor hielt es für richtig, auch den anderen Fachmann zu Wort kommen zu lassen.

Pete Hawk schmunzelte. "Ich bin zwar gekündigt, aber nicht von Ihnen, Fräulein Rose. Ihnen werde ich's verraten. Wenn hier nicht mal ein Fangschiff von den englischen, norwegischen oder russischen Walfangflotten anlegt, um Süßwasser einzunehmen, werden wir lange Zeichen geben können."

"Nicht sehr ermunternd, Herr Hawk, aber was halten Sie nun für das Richtige?" Rose Taylor war sichtlich gespannt auf die Antwort Hawks, und nicht nur sie. Doch der Seemann enttäuschte alle. Mit dem Schmunzeln, mit dem er geboren zu sein schien, wies er auf Sundström. "Lassen Sie das ihn auseinanderklamüsern."

"Das Wichtigste ist jetzt, vom 'Delphin' zu holen, was immer wir holen können. Wer weiß, wie lange er uns noch den Gefallen tut, sich auf dem Riff zu schaukeln." Sundströms Stimme klang das erste Mal ernst. Dann wandte er sich mit gewinnendem Lächeln an Knatchbull: "Vielleicht übernehmen Sie einen Teil Ihres Planes und pflanzen dort oben auf der Klippe eine Notfahne auf. Es ist dies wohl der höchste Punkt am Strand. Das ist eine Arbeit für einen Mann. Inzwischen könnten die Damen unter Anleitung Hawks Laubhütten für die Nacht bauen, während die übrigen Männer mit mir die Schaluppe instand setzen."

"Die Fahne hätte ich auch ohne Ihren väterlichen Ratschlag aufgestellt, Herr Ingenieur." Knatchbull wandte sich hochmütig ab und stöberte in einem Haufen Treibholz nach einem passenden Fahnenmast. Bald darauf rief er: "Bringen Sie aus dem Boot Beil und Handspaten, dann das Notfahnentuch, Robert, und kommen Sie hinauf zur Klippe!"

"Jawohl; Sir!"

Sundström befand sich schon an der Schaluppe und hatte zu seiner Freude einiges Handwerkszeug gefunden.

"Nun kommen Sie schon, meine Herren!", rief er, "wir müssen das Boot auf die Seite legen, das schaffe ich allein nicht!"

Oberst Downburn und Reverend Strong waren froh, aus der peinlichen Situation erlöst zu sein. Sie packten mit an. Doch ihre Kraft reichte nicht aus.

"Mister Sundström, Mister Knatchbull möchte Beil, Spaten und Tuch haben." Emerson stand da mit einem Gesicht, als hätte er gesagt: Die Herrschaften lassen zum Tee bitten!

"Ihr Mister kann einen Augenblick warten. Fassen Sie mit zu, Sie sehen doch, dass hier noch ein Mann fehlt."

Den vier Männern brach der Schweiß aus, doch ihre Kraft reichte noch immer nicht. Sundström fluchte innerlich, denn er hatte das Gefühl, mit Pete allein würde er es schaffen. Der Reverend jammerte: "Wenn ich nur nicht meine Brille bei der Strandung verloren hätte!"

Knatchbulls Leibdiener machte eine Figur bei der Arbeit, als halte er eine kostbare große Vase, die ein anderer abstaubt.

"Es nützt nichts, wir müssen Hawk noch hinzuholen." Sundström hatte den Gedanken ausgesprochen und lief selbst zum Lagerplatz. Die Damen saßen umgeben von Haufen eines binsenartigen Grases, wie es an verschiedenen Stellen des Strandes wuchs. Pete in ihrer Mitte erteilte Unterricht im Flechten, Drehen und Spleißen.

"Ich muss Ihnen Ihren Lehrer für kurze Zeit entführen, meine Damen." Sundström griente schadenfroh, als er feststellte, dass von den Nüssen, Muscheln und Eiern gegessen worden war.

"Gut, dass Sie kommen, Herr Sundström", Rose Taylor tat, als schmolle sie, "Herr Hawk will uns nicht verraten, wozu so viel Tauzeug gebraucht wird."

Es steht ihr gut, dieses Schmollen, dachte Sundström und fragte: "Und Sie glauben wirklich, ich werde es Ihnen verraten?"

"Bitte, ja?"

Sundström musterte verstohlen ihr frisches Gesicht mit den Sommersprossen auf der Stupsnase und fand, dass man Rose Taylor leicht gern haben könnte. Vielleicht gerade darum blieb er bockbeinig. "Auf keinen Fall werde ich Pete den Spaß verderben. Außerdem hieße das, Ihre Intelligenz unterschätzen."

"Sie freuen sich wohl, dass wir nun doch etwas gegessen haben?" Der Ingenieur überlegte, warum Ellen Knatchbull dem Gespräch diese Wendung gab. Auf jeden Fall musste sie seine Genugtuung bemerkt haben.

"Offen gestanden, ja. Es beweist mir, dass Hunger sogar Standesschranken hinwegräumt."

"Sie werden langweilig mit Ihren Anspielungen, Herr Ingenieur." Ellen Knatchbulls Stimme klang kampflustig.

"Wenn ich dazu herausgefordert werde!" Sundström ging mit Pete Hawk zum Strand.

Emerson war inzwischen verschwunden, um endlich seinem Herrn dienen zu können.

Trotzdem bewältigte man jetzt die Arbeit. Nachdem das Boot umgedreht war, eilte der Matrose wieder zu seinem "Kindergarten", wie er verschmitzt sagte.

Sundström hämmerte und werkelte, als ginge es ums Leben. Strong verdeckte sein So-tun-als-ob mit dem Lamentieren über seine verlorene Brille.

Nach einem Blick zur Sonne stieß Sundström den Stoßseufzer aus: "Damned, habe ich einen Hunger!"

"Schon im zweiten Buch Mose steht", bemerkte Strong melancholisch, "wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben, durch des Herrn Hand, da wir bei den Fleischtöpfen saßen."

"Die Fleischtöpfe Ägyptens wären mir zwar auch lieber, aber jetzt bin ich sogar bereit, von Ihrer Jagdbeute zu essen", bekannte der Oberst.

Strong nahm das als Kommando zu mahlzeiten und begab sich spornstreichs zum Lager. Die drei Männer machten sich heißhungrig über den Rest her.

Die Männer: hatten die letzten Nüsse und Muscheln verzehrt. Sundström erhob sich voller Unrast. "Pete, hilf rasch das Boot umdrehen und zu Wasser bringen."

Als die Schaluppe dann im seichten Wasser schaukelte, kam Emerson und verlangte einige Nägel. Man sah Knatchbull hoch oben auf der Klippe stehen und warten.

"Der König von Thule", spottete Sundström.

Die andern blickten hinüber. Man musste scharf hinsehen, um den Einsamen zu erkennen. Wieder ein Grund mehr für Strong, um seine verlorene Brille zu trauern.

Die Männer gingen zum Lagerplatz, um den Frauen zu helfen.

Sundström war missgestimmt. Er hatte gehofft, weiterzukommen.

"Oh, mein Rücken", stöhnte Joan Knatchbull.

"Aber meine Hände erst", klagte die Gattin Downburns.

"Alles nichts gegen meinen Hunger", sagte Ellen Knatchbull und sah Sundström herausfordernd an.

"Richtig", erinnerte sich der, "das Abendessen muss ja auch noch beschafft werden. Ich denke, das sollte diesmal unser Reverend besorgen, dann haben wir hier den kleinsten Ausfall."

Strong reagierte wie die Sanftmut selbst. "Gern, ich werde mein möglichstes tun." Alle in der kleinen Gesellschaft hatten den Eindruck, dass Strong froh war, von der unangenehmen Arbeit fortzukommen. Der Ingenieur gab ihm noch einige Ratschläge und schickte vorsichtshalber den Hund mit. "Geh, Prinz, mit Mister Strong Futter suchen!"

"Der Reverend ist wohl nicht Ihr Fall?" fragte Ellen Knatchbull den Ingenieur, als Mann und Hund verschwunden waren.

Sundström lachte grimmig. "Es gibt Arbeiter und Drückeberger. Ein Arbeiter ist Strong nicht."

"Sie glauben nicht, dass es mit seiner Kurzsichtigkeit zusammenhängt?"

"Nicht so recht."

"Sie täuschen sich."

"Kann man einen Menschen besser kennenlernen als bei gemeinsamer Arbeit?"

"Ist ein Tag dazu nicht ein bisschen wenig?"

"Manchmal genügt eine Stunde."

"Ihre Behauptungen sind kühn."

"Sehen Sie, Ihre Frau Mutter, die hat gearbeitet, dass ihr der Rücken schmerzt, ebenso Mistress Downburn und Miss Rose. Sie selbst haben auch nicht gefaulenzt."

"Sie versuchen, uns gegeneinander auszuspielen."

"Das ist meine ehrliche Überzeugung und kein diplomatischer Schachzug."

"Mich kann der Herr Ingenieur mit seinem Lob nicht beirren, da müsste er sich erst andere Manieren angewöhnen." Maud Downburn machte ihr blasiertestes Gesicht ...

Sundströms steile Stirnfalte verschwand. Maud Downburn war schwer ernst zu nehmen. "Bin ich Ihnen zu nahe getreten?"

"Das spielt keine Rolle. Aber Mister Knatchbull gegenüber treten Sie sehr ungehobelt auf, anstatt gerade ihm dankbar zu sein, denn wenn der Orkan nicht gekommen wäre, säßen Sie sicher und warm auf seiner Jacht." Sie war zutiefst überzeugt, die ideellen Interessen ihres abwesenden Idols vertreten und den hergelaufenen Tramp in seine Schranken gewiesen zu haben.

"Moment mal, verehrte Frau Oberst, ich ..."

"Sehen Sie, schon wieder diese Art, als ob Sie mit einem Kohlentrimmer ein Gespräch beginnen." Downburns Gattin richtete sich selbstbewusst auf. "Sie dürfen trotz unserer derangierten Kleidung niemals vergessen, Herr Ingenieur, dass Sie Damen und Herren der Gesellschaft vor sich haben."

"Durchaus nicht, gerade darum sprach ich mich ja so anerkennend über Ihren guten Willen und die geleistete Arbeit aus."

"Ach, das ist ja furchtbar großmütig von Ihnen." Joan Knatchbull hatte die Ironie Sundströms am schnellsten begriffen.

"Durch Ihren dauernden Ruf nach Formalitäten kommen wir immer wieder vom Kern der Sache ab, darum ..."

"Was Sie mit Formalitäten bezeichnen, kann einem andern Lebensbedürfnis sein." Joan Knatchbull sagte es mit Nachdruck; aber man spürte die Sympathie für Sundström in ihrem Einwurf.

"Man kann seine Lebensbedürfnisse umstellen und - eventuell sogar einschränken, Mylady." Sundström war um Versöhnlichkeit bemüht, wollte sich aber ein wenig Spott nicht versagen. "Mein Gewissen gegenüber Mister Knatchbull ist absolut unbelastet. Denn so selbstverständlich, wie mich mein Kollege Hawk auf dem 'Delphin' einschmuggelte, genau so selbstverständlich hätte mich Ihr Gatte abgewiesen. Wenn ich also jemandem zu besonderem Dank verpflichtet bin, dann nur Pete Hawk."

Ellen Knatchbull war jetzt ganz die Tochter ihres Vaters. "Wie können Sie einfach behaupten, mein Vater hätte Sie nicht mitgenommen, wenn ..."

"Tschaaa, wenn ... Wenn wir in einem mondänen Vergnügungsetablissement in Rio zusammengetroffen wären, wenn ich einen tadellosen Frack angehabt hätte, wenn ich mit Ihnen einige Tänze absolviert hätte, wenn Sie dann geschwärmt hätten, wie nett der junge Mann plaudere und wie fesch er tanze, und wenn man dann darauf zu sprechen gekommen wäre, dass dieser junge Mann nicht abgeneigt sei, einen Trip auf dem 'Delphin' nach Frisco mitzumachen, tschaaa, dann vielleicht ..."

"Ich gebe schon zu, dass die Umstände manchmal eine Rolle spielen, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg."

"Und weil mein Wille, nach Frisco zu kommen, groß war, bin ich den einzig möglichen Weg gegangen."

Ellen Knatchbulls Entgegnung wurde unterbunden durch den Einzug einer kleinen Kavalkade: vornweg Prinz, dann Strong und Emerson, ihre Jacken voller Früchte. Als Letzter stapfte Knatchbull heran, in der Hand einen fasanenartigen Vogel, den Prinz erlegt hatte.

"Schade, schade", seufzte Hawk, "dass wir nichts haben, um ein Feuer zu machen. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen, wenn ich an geröstete Hühnerbrust denke." Er nahm einen Stock und schlug auf einen Wasserkanister. "Arbeit beenden!"

"Behalte mal deinen Gongschlag bei, du kannst uns ein bisschen den Takt angeben zur Ausgleichsgymnastik." Sundström schlug einen heiteren Kommandoton an: "Aufstellung nehmen, Dauerlauf, eins-zwei, eins-zwei, eins-zwei. Hier im Sand bitte, Halbkreis, jawohl, recht so, auf der Stelle, eins-zwei, eins-zwei, hoch die Beine, hoch, hoooch, immer höher. Sooo, langsamer werden, ausatmen, tief einatmen, tiiiief, recht tief!" Er machte Reck- und Streckübungen, verbunden mit tiefem Ein- und Ausatmen, und man glaubte, plötzlich einen Sportlehrer vor sich zu haben, so flüssig, locker und suggestiv leitete er an. Wie man unter Lachen auf einen Scherz eingeht, hatten alle außer Knatchbull und Emerson mitgemacht und waren dankbar für die wohltuende Körperbewegung.

Glutrot tauchte die Sonne in das Meer, das jetzt wie schwarze Tinte aussah. Die schnaufenden Sportler hatten sich niedergelassen und ruhten sich aus. Als sie zurückkamen, saß Knatchbull bereits und schmauste.

"Jeden Unfug dieses Jünglings macht ihr mit", raunte er seiner Gattin zu, sodass es die andern nicht hören konnten.

Die Gerügte machte ein gequältes Gesicht. Dann stieg Trotz in ihr auf, ein Trotz, den sie oft genug als wohlerzogene Präsidentengattin hinuntergeschluckt hatte. "Wenn man den ganzen Tag spazieren geht und aufs Meer guckt, dann braucht man seine Glieder abends nicht zu schütteln. Ich hatte das Bedürfnis dazu, denn ich habe heute gearbeitet wie selten im Leben."

Knatchbull war erschrocken über diese unerwartete Abfuhr und blieb den übrigen Teil des Abends verschlossen und unnahbar. Die Gesellschaft war darüber eher zufrieden als ärgerlich. Schnell war die Dunkelheit gekommen, bald die Nacht. Einer nach dem andern verschwand, um sich auf einem kargen Lager, so gut es ging, einzurichten. Als Letzter blieb Pete Hawk draußen. Er hatte den von Knatchbull achtlos hingeworfenen Vogel gefunden und nahm ihn nun kunstgerecht aus. Neben ihm saß Prinz. In dessen unersättlichen Magen wanderten die Eingeweide des Geflügels. "Hier, Prinz, Achtung!" In elegantem Bogen sauste Stück um Stück durch die Luft, bis die Arbeit getan war. Dann ging Pete Hawk und vergrub die Delikatesse, die er in einen Persenningfetzen gehüllt hatte, im kühlen Sand des Strandes.

Am zweiten Tag gleich Hühnerbraten, nicht übel, dachte der Matrose beim Einschlafen und hatte schon einen angenehmen Geschmack auf der Zunge.

ZWEITES KAPITEL

Heiße Sonne, heißer Tag und eine Entdeckung

Pete Hawk steckte den Kopf zur Laubhütte hinaus. Verschlafen blinzelnd, suchte er die aufgehende Sonne. Sundström stand am Strand und machte Übungen. Trotz der morgendlichen Kühle schien er schon gebadet zu haben.

"'n Morgen, Knut!"

"Hallo, Pete! Machst du mit?"

"Nee, danke. Ich komme mir gegen deine Gelenkigkeit steif vor!"

"Unfug, Pete. Diese Übungen und ein vernunftgemäßes Leben, dann wirst du hundert Jahre alt."

"Wenn du vorher nicht stirbst", sagte der Matrose und ließ sich dann doch herbei, mitzuturnen. Jede Bewegung vollführte er mit Kraft.

"Vom Schwung scheinst du nicht viel zu halten, alter Seebär."

"Hab' ja gewusst, dass du meckern wirst."

"Schon gut. Wasch dich dann fix. Wenn die andern aus dem Laub kriechen, wollen wir bei der Arbeit sein. Wir haben das Beispiel nötig. Es steht zwei gegen acht."

"Das sind doch bloß acht Halbe."

"Unterschätze den Herrn Präsidenten nicht. Im Ernstfall kuschen sie alle vor ihm."

Pete wiegte nachdenklich den Kopf. "Das weiß man noch nicht."

Inzwischen wurde es im Lager lebendig. Die Damen verschwanden hinter dem jenseitigen flachen Hügel. Dort schlängelte sich ein Bach hin, der sich ein Stück weiter in die Bucht ergoss.

"Ich bin neugierig, was gestern in meiner Abwesenheit ausgeheckt worden ist." Knatchbull ließ sich behäbig zum Frühstück nieder.

"Ausgeheckt?" fragte Sundström. "Sie meinen vorgearbeitet?"

"Vorgearbeitet? Wofür?"

"So viel wie möglich dem Delphin zu entreißen, ehe er wegsackt."

"Eine Frage, Mister Sundström. "

"Bitte."

"Wem gehört eigentlich der Delphin?"

"Ihnen, wenn ich nicht irre."

"Nett, dass Sie das anerkennen."

"Na und?"

"Müsste man nicht den Besitzer des Schiffes fragen, ehe man beginnt, es auszuräumen?"

"Ich dachte, das wäre selbstverständlich."

"Ich dachte, es ist Tatsache, dass der Delphin mir gehört."

"Ich merke jetzt, Sie hätten sich gern in der Erteilung einer Zustimmung gesonnt. So sei es denn: Würden Euer Gnaden die Güte haben, uns zu gestatten, den Inhalt des Delphins zu retten?"

Knatchbull unterdrückte seine Wut schlecht. "Für irgendwelche Weiterungen oder Folgen lehne ich jegliche Verantwortung ab. Meine Herren, Sie sind Zeugen." Er wandte sich an Downburn, Strong und Emerson.

"Das ist die seltsamste Erlaubnis, die mir je erteilt worden ist", sagte Sundström.

"Das walte Gott", fügte Hawk hinzu. Eigentlich sollte es ein Fluch werden, aber eben tauchten die Damen auf.

"Zum Begriff Verantwortung", sagte Sundström, "alles was ich hier unternehme, tue ich für ein gutes Zusammenleben, in der Überzeugung, dass jeder andere genau so denkt und handelt. Sie nicht ausgenommen, Mister Knatchbull. Das ist die Verantwortung, die es hierfür jeden gibt."

"Sie hätten Volksredner werden sollen, Mister Sundström."

"Wenn jemand neben dem logischen Handeln auch die Fähigkeit besitzt, logisch zu reden, ist das manchem unbequem, Mister Knatchbull."

"Was würden Sie tun, wenn ich Ihnen verbiete, den Delphin zu betreten?"

"Ich würde ihn aus Notwehrrecht trotzdem ausschlachten."

"Und was spricht dagegen, dass wir durch einen glücklichen Umstand die Jacht wieder flottbekommen?"

"Jede Wahrscheinlichkeit." Sundström blieb ernst, während Hawk leise kommentierte: "Da müsste der sich mit seinem dicken Hintern schon auf das Leck setzen, bis wir in den USA gelandet sind."

"Mit Demagogen streitet man nicht." Knatchbull erhob sich und ging.

"Da haben wir wieder kostbare Minuten vertrödelt, und Sie mahnen nicht zur Arbeit!" schnauzte Sundström scherzhaft die Übrigen an, die dem Disput mit verlegenen Mienen zugehört hatten.

"Warum so traurig, die Trödelei hat ein Ende!" rief Pete.

Sofort galt das allgemeine Interesse dem Seemann.

"Wir müssen das erste Mal hin und zurück rudern und genug Tauwerk mitbringen. Dann kann die Schaluppe immer an den Strand gehievt werden", sagte Hawk.

Sundström entwickelte, wie er sich den Fortgang der Arbeit vorstellte.

"Pete und ich rudern; Strong steuert und überwacht das Ablaufen des Seiles, während Sie, Oberst, den Oberbefehl hier am Strand über die Damen übernehmen."

"Herzlichen Dank für die Auszeichnung ", sagte Downburn, und die Damen hänselten ihn als Oberbefehlshaber der Amazonen.

"Lachen Sie nicht zu früh", warnte der Ingenieur. "Sie werden tüchtig ziehen müssen, wenn wir die Schaluppe beladen haben. Und das Ausladen im seichten Wasser ist auch kein Kinderspiel."

"Mit meinem Muskelkater", jammerte Joan Knatchbull.

"Heute Abend treiben wir ihn mit Gymnastik aus", tröstete sie Sundström.

"Warum haben wir heute früh keine gemacht?" wollte Rose Taylor wissen.

Sundström kratzte sich verlegen den Kopf. "Ich habe ja geturnt, gleich nach dem Baden, im Adamskostüm. Aber eines schickt sich nicht für alle. Ich hoffe, wir werden vom Delphin genug Sport- und Badekleidung mitbringen."

"Mein Kompliment, Herr Sundström, ab und zu haben Sie sogar lobenswerte Gedanken", bemerkte Ellen Knatchbull.

Die Drei stießen ab und nahmen Kurs auf den Delphin

"Strong, steuern Sie nicht direkten Kurs auf das Wrack. Wir müssen die Brandung rechtwinklig schneiden."

Das Boot kam flott voran, sie näherten sich der Brandung. Strong wurde nervös. Dicht davor erkannte man erst die Gewalt der Brecher. Vom Strand sah das aus wie ein Streifen Schlagsahne.

"Achtung, genau schneiden, Strong!" brüllte Sundström und sah, wie Strongs Hände krampfhaft die Steuerpinne umklammerten. Die beiden Männer legten sich in die Ruder, dass ihnen die Adern an Hals und Schläfen hervorquollen.

"Geschafft!" Sundström freute sich.

"Hundertmal hin und zurück, Reverend, dann sind Sie ein brauchbarer Steuermann!" sagt Pete Hawk.

Er machte die Schaluppe in Lee am Delphin fest und hängte Fender zwischen die Bootswände.

"Ein Glück, das die Dünung so schwach ist", bemerkte Sundström, "sonst wäre das eine kitzlige Angelegenheit."

Sie enterten beide das Wrack. Strong blieb im Boot, um die geborgenen Sachen abzunehmen.

Die Jacht lag etwa acht bis zehn Grad backbords geneigt, das Heck tief, der Bug hoch. In der Nähe des Hecks schien das Leck zu sein.

Hawk kam keuchend die Treppe mittschiffs herauf, einen mächtigen Kasten schleppend.

"Was bringst du da für ‘n Kindersarg?" fragte Sundström.

"Den Radioapparat."

Sundström lachte schallend.

"Was willst du damit hören? Radio New York oder die Engel im Himmel?"

"Blöde Frage."

"Zum Radiohören braucht man Strom."

"Den erzeugen wir, haben wir auf dem Delphin auch gemacht."

"Ganz recht. Mit der Kleinigkeit einer Schiffsmaschine von 850 PS."

"Der Bach auf unserer Insel hat noch mehr."

"Wenn man das nötige Kraftwerk dazu baut."

"Das schaffen wir, du bist doch Ingenieur."

"Bei dir scheint so ein Ingenieur gleich hinter dem lieben Gott zu kommen."

"Davor, Knut, davor. Mit dem lieben Gott klappt's manchmal nicht. Aber so ein Ingenieur, der nimmt Rechenschieber, Logarithmentafeln, Formelbücher und wie der gelehrte Kram heißt, fängt an zu rechnen, und dann stimmt's. Und wenn er sagt, es stimmt, dann stimmt's."

Behutsam, als hätte er eine Kinderwiege mit Inhalt zu übergeben, überreichte Hawk dem Reverend das erste gehobene Gut, wie er sich gewählt ausdrückte.

Er ging bald ins Boot, um die Sachen fachgerechter zu verstauen. "So, lieber Mister Strong, das legen Sie so hin, und mit dem da warten Sie noch, das lässt sich zuletzt überall unterbringen. Jeder gesparte Platz heißt weniger Arbeit für uns."

"Schon recht, Herr Hawk, wenn ich nur nicht meine ..."

"Weiß schon, die Brille." Hawk kletterte wieder an Deck und verschwand nach unten. Ein lustiger Einfall war ihm gekommen.

Sundström rumorte in der Werkstatt. Plötzlich war Hawk hinter ihm. "Prima, Knut, jetzt haben wir ihn!"

"Wen haben wir?"

"Den Strong, den Klugschieter."

"Den haben wir schon dauernd. Falls du ihn seit der Strandung noch nicht bemerkt haben solltest."

Hawk ließ sich seinen Triumph nicht nehmen. "Was sagst du nun?"

In der einen Hand schwenkte er eine Brille, in der anderen das Futteral.

Sie beluden sich mit allem möglichen "Zivilisationsgemüse", wie es Pete nannte, balancierten nach oben und reichten es dem Reverend zu. Dann neigte sich Hawk über die schiefliegende Reling des Delphin und schaute Strong ins Gesicht. "Mister Strong?"

"Bitte, Herr Hawk."

"Wir werden jetzt einen Pakt abschließen."

"Sie machen mich gespannt. Natürlich bin ich gern bereit, wenn - ich weiß natürlich nicht -, wenn es sich um einen Gefallen handelt ...?"

"Um einen großen Gefallen."

"Und das wäre?"

"Für etwas, das Sie sich aussuchen können, müssen Sie uns versprechen, niemand mehr auf die Nerven zu fallen mit Ihrem Lamento über die verlorene Brille."

"Oh, meine Herren, ich bin sehr traurig, dass ... habe ich wirklich Ihre Nerven ... also, das habe ich nicht bedacht. Aber Sie sehen daran, wie mich dieses Unglück bewegt. Im Gegensatz zu Ihnen, die sich gar nicht vorstellen können, was für einen schmerzlichen Verlust eine verlorene Brille für einen kurzsichtigen Menschen darstellt. Aber ich werde mich bemühen - wenn auch ... Wissen Sie, rund herausgesagt, Herr Hawk, Ihr Vorschlag ist kurios. Ich werde versuchen, ähnlich zu antworten: Schaffen Sie mir eine Brille herbei, und wir sind uns einig. "

"Hier haben Sie die Brille!"

Es war grenzenlose Freude, die Strangs Gesicht verklärte. Fast andächtig setzte er sich die horngefassten Gläser auf die Nase und sagte, wie jemand, der von einer Krankheit genesen ist: "So, jetzt bin ich wieder vollständig, und Sie werden, denke ich, mehr Freude an mir haben als bisher." Er gab Hawk die Hand. Der schüttelte sie ihm und bemühte sich um eine feierliche Miene, als er sagte: "Im Buch Samuel steht geschrieben: "Ein Mensch siehet, was vor Augen ist, der Herr aber siehet das Herz an. Ich wollte Ihnen doch wenigstens die Chance dieses Menschen wieder verschaffen, Reverend."

Strong war einen Moment überrascht von Hawks Bibelfestigkeit, fasste sich aber und zahlte mit ähnlicher Münze: "Das ist aller Ehren wett, mein lieber Herr Hawk, denn nichts ist schlimmer, als, wie es im Psalm 115 heißt: Augen haben und nicht sehen, und Ohren haben und nicht hören."

Die Schaluppe war jetzt so voll, dass kaum noch Platz für den Steuermann blieb. "Wer bleibt nun an der Pinne?" fragte Sundström sorgenvoll.

"Selbstverständlich ich!" Strong sah aus, als sei er ein anderer geworden. Als er Sundströms Zögern bemerkte, setzte er bekräftigend hinzu: "Keine Angst, meine Herren, ich schaffe es" Jetzt sollen Sie mich kennenlernen."

"Schön, lassen wir uns überraschen, Pete, mach die Schaluppe los, ich werde dem Oberst winken."

Ohne Zwischenfall gelangten sie an den Strand. Schnell war entladen. Im Heck ein sich abhaspelndes Tau, dessen Ende Downburn hielt, ruderten sie wieder zum Wrack. Neuerlich füllte sich das Boot mit nützlichen Dingen.

Der Matrose hatte eine Leine zum Zurückholen zur Jacht am Heck der Schaluppe befestigt und beschwor den Reverend, gut darauf zu achten, dass sie sich nicht im Steuerruder verfange. Strong versprach es. Geschickt stieß er ab und lenkte das Boot dorthin, von wo es das anziehende Tau am gradlinigsten durch die Brandung holen würde.

Downburn hatte seine Mannschaft inzwischen theoretisch unterwiesen. Nach einigem Probeziehen galt jetzt die harte Praxis. Vom hochragenden Bug des Delphins beobachtete Sundström, und Hawk erteilte Strong immer noch Ratschläge, im Eifer merkte er nicht, dass der es schon nicht mehr hören konnte, denn jetzt war er dicht vor der Brandung

"Brülle nicht so", tadelte Sundström, "wir sind nicht auf dem Fußballplatz. Dann kam er auf die Brille zurück. "Dass du ein eifriger Bibelleser bist, habe ich bis heute auch nicht gewusst."

"Ich selber nicht", erklärte Hawk, "aber die Bibel lag neben der Brille. Spaßeshalber schlug ich sie auf und habe ausgerechnet den Satz gelesen. Weil er so gut passte, habe ich ihn mir gemerkt."

Sundström musste noch nachträglich lachen. "Das ist Gottes Finger, würde der Reverend sagen."

Der Matrose hörte nicht mehr hin. Seine Hände umklammerten das Eisen der Reling, er blickte gebannt über das Wasser, jetzt war Strong mitten in der Brandung, verschwand, tauchte wieder auf, verschwand wieder - - -.

"Besser als ich dachte." Auch Sundström atmete auf, als die Schaluppe nun rasch dem seichten Wasser zu glitt.

Man bildete eine Kette, und die begehrten Dinge wanderten aufs Trockene.

Sundström und Hawk nahmen den Delphin inzwischen weiter auseinander.

Der Ingenieur war nachdenklich geworden. "Sage mal, Pete, kannst du meine bohrenden Gedanken beruhigen? An dieser Strandung ist mir manches dunkel."

Der Matrose hob die Schultern. "Du möchtest auch gern wissen, ob die Schaluppe II noch existiert, was?"

"Einmal das. Aber wie kam es überhaupt zu dieser unglücklichen Zusammensetzung? Du als einziger Seemann zwischen den Landratten, und im andern Boot Käpt’n Hull mit der übrigen Mannschaft, wenn man die paar Leute so nennen will."

"Das hatte Knatchbull so angeordnet."

"Weißt du das genau, Pete?"

"Ja. Ich weiß auch, dass Käpt’n Hull dagegen war; genau wie gegen den Abstecher nach den Inseln hier, einer schlimmen Wirbelecke in dieser Jahreszeit. Er meinte, der Delphin sei zwar ein tüchtiges Schiff, aber man solle den Klabautermann nicht ohne Grund versuchen. Knatchbull hat ihm dann in seiner groben Art gesagt, das müsse er ihm überlassen, er sei der Eigentümer Da ist Hull wütend in seine Kajüte gegangen."

"Dann ist es möglich, dass er sich mit den Leuten auf der Insel bewusst abseits hält. Wenn sogar die Schaluppe I, die voller Greenhörner war, den Strand erreicht hat, ist das von Schaluppe II erst recht anzunehmen. Wir müssen so bald wie möglich die Insel durchforschen, Pete. Ich glaube, Käpt’n Hull weiß mehr als wir."

"Hab' ich auch schon überlegt Aber es ist gut möglich, dass die Schaluppe II nach der nächsten Insel verschlagen worden ist. Oder meinst du, Hull lebt freiwillig wie ein Wilder hier, wo der gestrandete Delphin eine Menge Bequemlichkeiten bietet?"

Sundström führte den begonnenen Gedanken beharrlich weiter. "Warum hat sich Knatchbull darauf versteift, ausgerechnet diese Insel anzulaufen?"

"Vielleicht wollte er mal etwas Romantik kosten?"

"Wegen einer romantischen Laune schlägt ein Knatchbull die Warnungen eines erfahrenen Kapitäns nicht in den Wind."

"Da hast du recht. Dann bleibt nur noch, dass er hier einen Schatz sucht."

"Ins Schwarze getroffen", höhnte Sundström.

"Wieso?"

"Weil es ein Präsident der USIC furchtbar nötig hat, fragliche Schätze auf fragwürdigen Inseln zu suchen."

"Du kennst Knatchbulls Hobby nicht. Der ist doch wie närrisch hinter Vasen, Leuchtern und solchem Kram her, je älter, desto besser. Vielleicht hat man ihm so ‘n windigen Plan mit 'nem versteckten Aztekenschatz aufgehängt, Inkaschmuck, oder was weiß ich."

Sundströms Stirn hatte tiefe Falten. "Warte mal, meinem Gedächtnis nach befindet sich die Inselgruppe in meiner Weltkartei gesunkener Schätze. Leider habe ich nicht behalten, in welchem Zusammenhang. Kombinieren könnte man: Zusammengeräubertes Inkagold wurde königlich-spanischen Schiffen von Seeräubern abgejagt und auf diesen Inseln versteckt."

"Jetzt glaubst du wohl die Räuberpistolen selber?"

"Glauben?" Sundström blieb ernst. "Als Sensationstaucher weiß man eine ganze Menge darüber. Vorgekommen ist so etwas oft genug in jenen Jahrhunderten. Die-Pläne von solchen Schätzen haben manchmal ein langlebiges und abenteuerliches Schicksal. Sie sind auch meist auf ihre Glaubwürdigkeit einigermaßen zu prüfen. Natürlich ist die Zahl der falschen Pläne größer. Mit ihrem Verhökern ist schon mehr verdient worden als mit der Suche nach Schätzen. Ich bin auch ein halber Schatzsucher und arm wie eine Kirchenmaus."

Pete spie einen Priemrest über Bord und machte die schmeichelhafte Feststellung: "Wir sind doch Idioten, Knut."

"Warum?"

"Anstatt herumzuspintisieren, sollten wir da nachsehen, wo am ersten was zu finden ist: in Knatchbulls und Hulls Schreibtischen."

Pete stieg hinab in Hulls Kajüte, und Sundström begab sich in das komfortable Arbeitszimmer Knatchbulls.

Der massive Sekretär des Trustgewaltigen war durch den Anprall beim Auflaufen auf das Riff gegen die Wand geschlagen und hatte die kostbare Palisandertäfelung eingedrückt. Als jetzt der Ingenieur vor dem schweren Schreibmöbel stand, wurde er den Gedanken an ein Geheimfach nicht los. Durch seinen abenteuerlichen Beruf kannte er eine ganze Menge Systeme und begann methodisch zu suchen. Er kam schnell ins Schwitzen. Hier unten herrschte eine heiße, stickige Luft, denn unbarmherzig brannte die südliche Sonne auf das Deck hernieder. Sundström versuchte das Bullauge zu öffnen. Es war verklemmt. Er stieg hinauf, Handwerkszeug zu holen. Mit Hammer, Zange und Meißel bewaffnet, wollte er eben wieder hinabsteigen, als er Pete aufgeregt rufen hörte. Hastig stürzte er hinunter zur Kapitänskajüte.

"Was sagst du dazu, Knut?" Vor Pete ausgebreitet lag ein vergilbtes, pergamentartiges Papier von seltsamer Form. Sundström beugte sich nieder, und Pete sagte: "Den Plan hätten wir."

"Leider bloß den Halben, Pete. Sieh mal, wie raffiniert der mit der Schere halbiert wurde. Der Uneingeweihte kann damit gar nichts anfangen."

"Stimmt. Aber sind wir uneingeweiht? Oben links wird die Windrose mit Ortsbestimmung gewesen sein, aber die brauchen wir nicht.

Ich will nie zur See gefahren sein, wenn das dort nicht unsere Klippe ist, auf der die Notfahne weht, und das hier unsere Bucht mit der Bachmündung."

"Allerdings, das ist tatsächlich unsere halbe Insel. Aber so geschickt getrennt, dass man es nur erkennen kann, wenn man selbst auf der Insel ist. Sieh mal, hier ..." Sundström deutete auf ein durch den Scherenschnitt getrenntes winziges Wort in verschnörkelter, altertümlicher Schrift. Es stand schwarz in der braunen, Berge andeutenden, Schraffierung. Sie buchstabierten, und es ergab sich: "... tzhöhle".

Verblüfft sahen sie sich an. "Mann", Pete brach das Schweigen, "nun sage bloß einer, unser Jahrhundert ist nicht romantisch. Das heißt bestimmt: Schatzhöhle."

"Schon. Aber ohne die andere Kartenhälfte kannst du sie vielleicht monatelang suchen."

"Und auf der entgegengesetzten Seite der Insel liegt sie auch." Pete ärgerte sich.

"Das ist günstig", gab Sundström zu bedenken, "so ist Knatchbull leichter zu beobachten, wenn er nach dort aufbricht, womit ich übrigens fest rechne."

"Ich auch", pflichtete Pete bei, "denn erstens wird er sich die ganze Karte gut eingeprägt haben, und zweitens wird er die andere Hälfte besitzen. Warum er sie getrennt hat, möchte ich bloß wissen?"

"Knatchbull ist doch ein misstrauischer alter Fuchs. Durch die Halbierung sicherte er sich gegen zwei Möglichkeiten. Einmal ist die Chance, dass zwei Stücke unliebsame Ereignisse überstehen, um hundert Prozent höher als bei einem Stück, besonders wenn sie verschiedene Aufbewahrer haben. Zum Zweiten sichert er sich, dass ein Unbefugter die Karte benutzt, indem er sie halbiert. Was. könnten wir schon mit diesem halben Plan anfangen, wenn wir irgendwo auf dem Kontinent und nicht hier dicht vor der Insel sitzen würden?"

"Aber die andere Hälfte mit wahrscheinlicher Ortsbestimmung und Lageangabe?", warf Pete ein.

"Wen interessiert schon eine verstümmelte alte Karte über den Südatlantik? Die gibt es wie Sand am Meer, sogar in heilem Zustand. Die winzigen vier Buchstaben 'Scha...' sagen doch zu wenig, als dass sich daraufhin jemand auf eine Entdeckungsreise begibt. Wichtig dünkt mir jetzt die Frage, warum Käpt’n Hull die Karte nicht an sich genommen hat?"

"Er muss im Durcheinander bei der Strandung wohl nicht mehr dazu gekommen sein. Das wird hier alles griffbereit auf dem Schreibtisch gelegen haben, mit Logbuch und anderem wichtigen Kram. Durch die Schlingerbewegungen ist es heruntergefallen und unter den Schreibtisch gerutscht. Ehe er als letzter die Jacht verließ, kam er, um alles zu holen. Es war verschwunden, er war viel zu aufgeregt, es unter dem Schreibtisch zu suchen, und... "

"... erst Pete Hawk mit, seiner Pfiffigkeit kam darauf, unter den Schreibtisch zu gucken", vollendete Sundström den Satz und fuhr fort, "ich hatte keine glückliche Hand beim Suchen. Möchte wetten, dass Knatchbulls Sekretär ein Geheimfach hat. Ganz dumm bin ich in der Branche nicht, aber bisher habe ich nichts ausfindig machen können."

Pete griente und wies auf das Handwerkszeug. "Und nun wolltest du ein bisschen mit dem Stemmeisen nachhelfen? Aber gehen wir doch mal hin und sehen uns das Ding gemeinsam an."

Während Sundström das Bullauge in Knatchbulls Kabine aufwuchtete, betrachtete Pete das kostbare Möbelstück. "Ich bin auch deiner Meinung. Aber wo drücken, wenn man das Geheimnis nicht kennt?"

Sundström zeigte ihm, was er schon alles versucht hatte, und der Matrose hörte aufmerksam zu. Bald kam er selbst auf neue Kombinationen, die sie aufgeregt ausprobierten. Mitten in dieser zeitraubenden Beschäftigung hörten sie fernes Rufen. Man winkte von drüben, die Schaluppe war entladen. Sie zogen sie zum Wrack.

"Das ist leider der Schluss für heute", bedauerte Sundström, den Stand der Sonne wägend. Pete sprang ins Boot und half verstauen. Mit der letzten Ladung ließen sie sich an Land ziehen.

"Da, sehen Sie sich das an." Rose Taylor zeigte ihre geröteten Hände, deren Innenflächen mit Blasen bedeckt waren.

"Das hättest du ihm nicht zeigen sollen", tadelte Ellen Knatchbull, "du erweckst statt Mitleid höchstens Schadenfreude.

"Eine Menschenkenntnis entwickeln Sie, Miss Ellen." Sundström zog etwas, aus der Hosentasche. "Aber wenn Sie die bitterböse Behauptung zurücknehmen, dürfen Sie aus dieser Tube Balsam auf Ihre Blasen tun."

"Pöh", machte Ellen Knatchbull, "das gehört mir sowieso. Goldcreme Levante-Rose, aus meiner Kabine, nicht wahr, Herr Ingenieur?"

"Pöh", äffte er ihr nach, "was nützt die schönste Goldcreme auf einer gestrandeten Jacht, wenn sie nicht ein aufmerksamer Mann für schöne Frauen zu finden weiß? Außerdem sollten Sie sich in unsern neuen Verhältnissen abgewöhnen, Mein und Dein derart scharf zu trennen."

Mistress Knatchbull machte ein freundliches Gesicht, als sie in das Gespräch eingriff. "Sie sind ein unausstehlicher Mensch, Herr Ingenieur, aber am unausstehlichsten, wenn Sie eifern."

"Und Sie sind so klug, immer auf den rechten Moment zu warten, mich zurechtzuweisen, Mylady."

"Danke für Ihr Kompliment. Ich werde mich revanchieren und Ihnen einen Tipp geben: Ein Gentleman hätte die Tube mit einer Verbeugung überreicht und einige wohlgesetzte Worte dazu gesagt."

"Verzeihung, Mistress Knatchbull", Sundström verbeugte sich schneidig und schnarrte: "Bedaure Formfehler außerordentlich. Werde in Zukunft versuchen, pädagogische Instinkte zu unterdrücken oder geschickter an den Mann - pardon - an die Frau zu bringen."

Das Boot war entladen. Im Lager türmten sich Berge von Dingen, die geordnet und ihrem Zweck zugeführt, die Annehmlichkeit der sogenannten Zivilisation ausmachen würden. Für die kommende Nacht konnte man nunmehr zwei zeltähnliche Behausungen errichten. Aus den Vorräten des Delphin entstand unter den Händen der Damen ein Nachtmahl, das sich sehen lassen konnte. Pete werkelte emsig an einem großen, leeren Kanister, der sich bald zu einem herdähnlichen Monstrum formte. Er bastelte noch, als die andern mit dem Essen schon fertig waren und mit der seelischen Ausgeglichenheit plauderten, die ein satter Magen verschafft. Dann sollte der Matrose wieder den Gong zur Abendgymnastik bedienen. Dagegen wehrte er sich energisch. Er schien Großes vorzuhaben. Ellen Knatchbull wagte etwas. Sie drückte ihrem Vater Knüppel und Kanister in die Hand. "Hier, Pap, bums mal ein bisschen den Takt zu unsern rhythmischen Übungen. Gelt, du bist so lieb?"

Sundström weidete sich an der nicht beneidenswerten Situation seines Widersachers, und Ellen wurde ihm wegen ihrer Respektlosigkeit um einiges sympathischer.

Knatchbull suchte die Lage zu meistern, indem er die Königswürde ausnahmsweise aufgab und dies an seiner väterlich-herablassenden Miene erkennen ließ.

Bald erhob sich Pete und ging zum Strand. Vorher hob er den Zeigefinger wie die Hexe aus dem Märchen, ehe sie im Zauberberg verschwindet, um darauf mit einem Weltwunder aufzutauchen.

Er tauchte wieder auf, aber mit leeren Händen.

"Gemeinheit", seufzte er, "wenn ich nicht ein erwachsener Mensch wäre, würde ich heulen."

"Was ist's denn, was dich drückt?" fragte Sundström teilnahmsvoll. Die übrige Gesellschaft stand neugierig um den traurigen Pete Hawk herum.

Pete raffte sich auf. "Prinz, warst du es?" Der Hund hob den Kopf und sah den Sprechenden so treuherzig an, dass man gern glauben konnte, er habe den Vogel nicht gestohlen. Alle verteidigten ihn, obwohl es nach Petes Darstellung keine andere Möglichkeit für das Verschwinden seiner Delikatesse gab.

Der Hund merkte, dass er im Mittelpunkt der Unterhaltung stand, und lief winselnd von einem zum andern.

Hell war das Feuer aufgeflammt. Sundström drehte einen leckeren Vogel über der Flamme.

Petes Unterkiefer klappte herunter wie ein schnell herabgelassenes Fallreep. Der Spießbraten kam ihm bekannt vor. Rasch fasste er sich, stand gravitätisch auf, nahm eine eingebildete Richterkappe vom Haupt und sprach feierlich. "Hiermit wird der Angeklagte Prinz wegen erwiesener Unschuld freigesprochen. Der Schuldige hat sich selbst gestellt. Er bereut seine Tat, ist schon beim Wiedergutmachen, und so schließen wir denn diese Akten mit Wohlgefallen."

Beifälliges Gelächter belohnte des Matrosen Schlagfertigkeit.

Appetitlicher Duft durchzog bald das Lager und stand in seltsamem Gegensatz zur märchenhaften Nachtlandschaft. Ein großer Mond legte eine Silberbrücke über die Bucht, und die Palmen stachen mit ihren schwarzen Spitzen in das Sternenfunkeln des Himmels.

DRITTES KAPITEL

Robinson spielt König

Am nächsten Morgen war Sundström der überraschte. Wie gewohnt, wollte er seine einsamen Übungen aufnehmen, als er die Damen schon beim Morgensport antraf. Ihre Gesichter leuchteten freudig, weil es ihnen geglückt war, ihm zuvorzukommen. Todernsten Gesichts meisterte er die Situation. "Guten Morgen, meine Damen, Sie haben sich verfrüht. Niemand hat den Sportplatz vor dem Sportlehrer zu betreten, verstanden?"

"Verschlafen, und dann obendrein Rügen erteilen!" Rose Taylor schnaufte, und ihre Entrüstung wirkte beinahe echt. "Sie sind die kleine Aufmerksamkeit gar nicht wert." Damit warf sie ihm eine Badehose an den Kopf. "Extra für Sie ausgesucht, Sie Undankbarer."

"Bei so viel unverdienter Sorge muss man allerdings einlenken." Er verschwand mit der Badehose im Männerzelt und war schnell wieder zurück. "Darf man sich an der Hüpferei beteiligen?"

Es wurde ihm gnädig gewährt. Das sah dann so aus, dass er automatisch die Leitung übernahm, froh gelaunt, federnd und bestimmt wie immer.

Petes Ofenbau gestern Abend nützte nun in der Frühe allen. Er überraschte die Frühsportler mit frischgebrühtem Mokka, gekocht auf seinem Apparätchen.

Beim gemeinsamen Morgenkaffee sagte Sundström leichthin: "Können Sie von Ihren Spaziergängen mit Emerson heute einmal Abstand nehmen, Mister Knatchbull, und beim Ausladen der Schaluppe helfen? Die Regenzeit kann bald einsetzen, und wehe uns, wenn wir dann nicht alles unter Dach und Fach haben."

"Ich wäre sowieso hiergeblieben, um zu sehen, was Sie mit meinem Schiff anstellen. Außerdem ist Ihre Bezeichnung 'Spaziergänge' daneben geglückt. Wir haben rekognosziert und dabei ständig Ausschau aufs Meer gehalten. Ich kann allen mitteilen, dass wir bereits eine ferne Rauchfahne gesichtet haben." Knatchbull sah sich triumphierend um.

"Eine ferne Rauchfahne ist noch kein Rettungsschiff, Pap." Nur die Tochter wagte ihre Skepsis offen auszusprechen.

"Nein, aber kein schlechter Anfang, Ellen. Vielleicht war es schon ein Kriegsschiff, das den Auftrag hat, uns zu suchen."

"Beneidenswerter Optimismus." Trotz aller Beherrschung gelang es Sundström nicht, ein mitleidiges Lächeln zu unterdrücken.

"Sie haben also nicht nur uns, sondern die ganze Welt auf den Leim geführt?" fragte Pete.

"Natürlich."

"Natürlich", folgerte Sundström weiter, "wartet diese auf den Leim geführte Welt in aller Seelenruhe, dass der Delphin in Frisco auftaucht. Deshalb wird man erst in einigen Wochen unruhig werden. Und bis die Unruhe so weit steigt, dass man Kriegsschiffe ausschickt, werden wieder einige runde Wochen vergehen. Und dann wird man zuallerletzt in diesem gottverlassenen Winkel suchen, weil Sie ja den beabsichtigten Abstecher geheim gehalten und sich auch dann noch geweigert haben, unseren Standort durch Funk zu übermitteln, als das Wetter schon reichlich mulmig wurde. Nachher war es dann zu spät."

Pete kicherte boshaft.

"Tscha, man soll auch auf einer Luxusjacht das Gehalt für einen Bordfunker nicht sparen. Der funkt wenigstens, bis ihm das Wasser am Hals steht, das ist seine Pflicht."

Der Hieb war gut. Sundström freute sich innerlich, als er sachlich sagte: "Auch ein Bordfunker wäre in diesem Fall hilflos gewesen. Ich bin als letzter von der Jacht gegangen. Weil ich die Situation auf dem Delphin ziemlich gut kannte, dachte ich: Funke, was das Zeug hält, SOS! Doch es gelang mir nicht. Infolge der Havarien war das Funkgerät nicht mehr brauchbar. Es zu reparieren, die Ruhe hatte ich nun auch wieder nicht."

Durch diese Einzelheiten über die Nacht der Katastrophe wurde nicht nur Sundström der Sinn der Anordnung klar, die Boote sollten so und nicht anders bemannt werden. Knatchbulls Hoffnung, auseinanderzukommen, hatte nicht getrogen. Eine mit ihm gemeinsam gelandete Mannschaft hätte wahrscheinlich längst revoltiert. Die in seinem Boot gesessen hatten, würden es kaum tun, denn wann immer sie gerettet wurden, in der Heimat würden sie wieder im gleichen Boot sitzen, kleine, gefällige Freunde, die sich dankbar dem Kommando des großen Steuermannes Knatchbull unterordneten. Ähnliche Gedanken waren auf den Gesichtern der anderen zu lesen. Unerschüttert erklärte Knatchbull: "Ihre Logik erdrückt mich beinahe, aber gesetzt den Fall, es treiben sich hier Kriegsschiffe ohne Suchauftrag herum, dann ist es doch gut ..."

"Dass wir die Fahne dort oben aufgepflanzt haben, Mister Knatchbull. In unserer Lage gibt es nur eins: Auf den gegebenen Zustand einrichten, als gäbe es vorläufig kein Entrinnen."

Sundström hatte so sicher gesprochen, dass ihm unwillkürlich einige vom Gefolge des USIC-Präsidenten zunickten. Strong vergaß sich sogar. "Bravo, Herr Sundström!" Dann sah er, über sich selbst erschrocken, zu Knatchbull hinüber und begann verlegen seine Brille zu putzen.

Als sie zu dritt wieder zum Delphin hinüberruderten, sagte Strong zu Sundström: "Ich wollte, Sundström, Sie verständen sich besser mit Mister Knatchbull. Einesteils betrachte ich Sie als vom Himmel gesandt, andernteils empfinde ich, es als Unglück, dass auf dieser kleinen Insel zwei solche Menschen zusammentreffen mussten."

Der Reverend tat Sundström leid. "Wie heißt das schöne Wort, Strong?" fragte er. "Mit 'einesteils und andernteils', erklimmt man immer neue Weils, bemogelt uns ums klare Wort, schiebt die Entscheidung von sich fort."

Strong ließ nicht von seinem Konzept. Weil er die Welt so endgültig absolut sah, wie man es ihn gelehrt hatte, weil er die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Kräfte und Gegenkräfte nicht kannte, meinte er, solche Auseinandersetzungen seien lediglich Fragen der verschiedenen Charaktere, und glaubte, es würde seiner seelsorgerischen Beharrlichkeit gelingen, diese beiden Männer zu lieben Freunden zu machen. "Bester Herr Ingenieur", sagte er, "Sie tun Philipp Knatchbull manchmal Unrecht ..."

"Aber bloß manchmal", warf Pete ein.

"Auch das ist nicht gut", der Reverend verstand den Witz nicht, "denn Sie sehen zu sehr den Präsidenten der USIC, das große Gesellschaftstier. Bemühen Sie sich doch ein klein wenig, den privaten, den wirklichen Knatchbull hinter der rauen Schale zu finden. Ich kenne keinen aus meiner großen Bekanntschaft, der so wahrhaft uneigennützig beträchtliche Summen für Wohltätigkeitszwecke stiftet, keinen ..."

"Dass wir nicht am Kern vorbeireden, Reverend: Natürlich sehe ich Mister Knatchbulls Qualitäten, Führungsqualitäten in Reinkultur. Er muss führen. Die USIC, ihre Tochter- und Enkelgesellschaften, Amerika, jetzt unsre Insel, und möglichst die ganze Welt. Und wenn diese Welt nicht will, dann mag sie seinetwegen zum Teufel gehen. Eine Welt, in der Mister Knatchbull nicht führen, das heißt bedingungslos diktieren kann, ist für ihn hassenswert."

"Sie sehen das so", sagte Strong ergeben, "aber gäbe es diese Naturen nicht, dann würde die Menschheit ihre Geschicke nicht meistern."

"Oder besser", sagte Pete.

"So ist's", fuhr Sundström fort, "es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Wenn Knatchbull nicht auf der Insel wäre, würden wir wie im Paradies leben. "

Sie hatten sich jetzt durch die Brandung zu arbeiten. Als es ihnen wiederum geglückt war, nicht allzu nass hindurchzukommen, sagte Strong mit artigem Lächeln: "Das Gleiche kann er von Ihnen auch behaupten."

"Nicht ganz", warf Pete ein, "denn ohne Sundströms Talente wären wir aufgeschmissen. Aber was hat uns Knatchbull schon genützt?"

"Hat er nicht am meisten gegeben?" fragte Strong sanft. "Er ist doch der Besitzer des Delphins."

Die beiden Freunde kicherten, und Hawk rief belustigt: "Der Delphin würde mit Niet und Nagel ohne den kleinsten Vorteil für uns untergehen, wenn wir alle nach Knatchbulls Pfeife tanzen wollten."

"Nun, man sollte nicht alle seine Worte auf die Goldwaage legen", versuchte der Reverend einzulenken.

"Deshalb sind wir ja auch hier", erwiderte Sundström und schwang sich an Deck des Delphin. Sie begannen zu wuchten und zu hämmern, zu tragen und zu verstauen, und bald war die Schaluppe gefüllt. Ein Zeichen zum Strand, und die Schaluppe glitt zum Land. Im Heck stand, wie immer, Strong.

"Endlich allein", sagte Pete und grinste hinterhältig.

Sundström verstand ihn. "Dieser verflixte Sekretär. Wir können doch nicht kostbare Stunden vertrödeln, um sein Geheimfach zu finden."

"Und vielleicht hat er nicht mal eins."

"Möglich, aber ich glaub's nicht. Wir müssen das Ding wohl oder übel an Land bringen und Knatchbull zu beobachten suchen, wenn er ans Geheimfach geht."

Pete streichelte gedankenschwer seine Schifferkrause. "Schwacher Trost. Müssten wir ja tolle Glückspilze sein. Aber es nutzt nichts. Mich reizt nämlich auch noch was anderes. Wir müssen so bald wie möglich Aufbauten und Deck über der Kombüse einreißen."

"Allerdings, wenn wir Wert auf die Einrichtung legen."

"Und ob, Knut. Das ist doch bald das Wichtigste vom Delphin."

Die blitzblanken Eimer, Pfannen und Kasserollen Wan-hei-tschungs sind die Arbeit schon wert."

Als sie Strong wieder zurückgehievt hatten, sagte Sundström zu ihm: "Bringen Sie beim nächsten Mal bitte den Oberst mit, Strong. Dann können sie beide den Kahn beladen, Pete und ich legen die Kombüse frei. Knatchbull, Emerson und die Frauen müssten am Strand genügen."

Die beiden Freunde werkten mit Beil und Säge, Hammer und Schraubenschlüssel, ihre nackten Oberkörper glänzten vom Schweiß. Gegen die stechenden Sonnenstrahlen hatten sie aus dem Bestand des Delphins zwei riesige Basthüte entnommen und sahen chinesischen Reisbauern ähnlich. Trotz der schweren Arbeit verrann schnell die Zeit bei dem Bemühen, recht bald die Schätze der Kombüse zu heben.

Sie waren erstaunt, als die Schaluppe wieder anlegte. Downburn war mitgekommen und wurde in die Arbeit eingewiesen. Strong, nun schon eingespielt, packte, und der Oberst reichte zu. Wären die Freunde nicht so in ihre Arbeit versunken gewesen, hätte ihnen die Einsilbigkeit der beiden auffallen müssen. Als Sundström das Zeichen zum Strand gab, wunderte er sich, dass Downburn in die Schaluppe sprang. Ehe er fragen konnte, übergab ihm der Oberst einen Brief mit den Worten: "Von Mister Knatchbull an Sie beide. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch sollte ich ihn erst bei der Abfahrt überreichen.- Tut mir leid, Sundström - tut mir leid!" Downburn zuckte die Schultern wie ein Mann, der von der Richtigkeit seines Tuns nicht sehr überzeugt ist.

"So, Pete, setz dich vorsichtshalber erst mal hin. Wenn da keine Überraschung drinsteckt, dann sind wir auch nicht schiffbrüchig geworden." Sundström ließ sich ebenfalls auf einen Stapel nieder, entfaltete das Schreiben und las halblaut vor:

"Meine Herren! Ich fordere Sie auf, sofort die Zerstörungsarbeit an meiner Jacht einzustellen. Anstatt anzuerkennen, dass ich weitgehende Einwilligungen gab, gehen Sie dazu über, den Delphin vollends zu zerstören. Ich gestatte Ihnen das nicht, weil ich die Hoffnung auf baldige Rettung und die Instandsetzung des Delphins nicht aufgeben werde. Zum Zeichen Ihres Einverständnisses, meiner Aufforderung nachzukommen, schwenken Sie ein weißes Tuch oder dergleichen. Ich schicke die Schaluppe nicht eher zu Ihnen, bis Sie das Zeichen gegeben haben als Versprechen, sich meinem Wunsche zu fügen. Machen Sie sich keine Illusionen. Ich bin entschlossen, meinem Recht als Eigentümer der Jacht und allem, was mit ihr zusammenhängt, Nachdruck zu verleihen. In der Hoffnung, dass Sie klug genug sein werden, den Verhältnissen entsprechend zu handeln, grüßt Sie freundlichst

Ihr Philipp Knatchbull."

Die beiden Freunde sahen sich einen Augenblick sprachlos an, dann lachten sie schallend.

"Dieser Giftzahn wartet ab, bis er denkt, er hat uns in der Falle, und dann stellt er Bedingungen", erboste sich Pete.

"Aber erst, nachdem wir ihm brav alles an Land gebracht haben, was er zu seiner Bequemlichkeit braucht. Na warte, der soll seine Antwort haben. Wir werden - Teufel - jetzt ist guter Rat teuer." Sundström setzte sich in den Schatten und begann sich eine Zigarette zu drehen. "Zum Rufen ist es zu weit. Fahnenwinken wird er uns als das verlangte Zeichen unterschieben."

"Zu dumm", seufzte Pete, "dass die Funkanlage kaputt ist."

"Die würde uns auch nur nützen, wenn die drüben einen Empfänger hätten."

"Wieder war eine Weile Schweigen. Sundström paffte bedächtig, schaute den blauen Wölkchen nach, wie sie von der Brise gefasst wurden und ins Nichts zerstoben, und plötzlich zeigte sein Gesicht knabenhafte Freude. "Und wir werden doch funken, Pete."

"Mit Pfeifsignal, was?"

"Nein, mit dem Heliografen."

"Heliografen?" Der Freund machte ein Gesicht wie ein Affe, den man aufgefordert hat, aus einer gotischen Bibel vorzulesen. "Was ist denn das für ‘n Unikum?"

Sundström war verschwunden und kam mit einem Kabinenwandspiegel wieder. "Hier, mein Junge, viel einfacher als jedes Apparätchen."

"Seit wann haben denn Spiegel so geheimnisvolle Namen?"

"Heliograf heißt Sonnenschreiber. Damit dürfte dir der Nutzen dieses Spiegels in unserer augenblicklichen Lage einleuchten."

"Prima. Solch Ingenieursköpfchen ist Gold wert."

"Nun greif dir mal ein Brett von dem dünnen Sperrholz dort. Ja, das wird den Spiegel gut verdecken. Ich werde die drüben erst aufmerksam machen, und darin hältst du, immer nach meinem Kommando, kurz-lang-kurz und so weiter, das Brett vor den Spiegel."

Sundström schwenkte den Spiegel mehrmals über seinem Kopf. Am Gebaren der Gesellschaft auf dem Strande war zu erkennen, dass man begriff.

"Achtung, Pete, fang an!"

Pete hantierte mit dem Brett zur Freude Sundströms und - zum Ärger Knatchbulls.

Downburn stand auf dem Lagerhügel und entzifferte halblaut, was von drüben herüberblinkte! "h-a-h-a - r-o-b-i-n-s-o-n s-p-i-e-l-t k-o-e-n-i-g - h-i-h-i."

Die Gefährten des Obersten standen und lauschten voller Spannung. Knatchbulls kaltgewordene Zigarre wanderte von einem Mundwinkel in den andern. Beim letzten Wort spie er sie heftig in den Sand. "Freche Bande. Die können jetzt auf dem Wrack verhungern. Das Boot geht nicht eher hinüber, als bis das geforderte Zeichen kommt." In seinem Gesicht stand Röte der Wut. "Robert, bringen Sie einen Spiegel. Bedienen Sie ihn nach den Anweisungen Mister Downburns. Malcolm, bitte blinke jetzt zurück: "s-i-e w-e-r-d-e-n e-s b-e-r-e-u-e-n m-e-i-n-e a-u-f-f-o-r-d-e-r-u-n-g b-l-e-i-b-t b-e-s-t-e-h-e-n - k-n-a-t-c-h-b-u-l-l."

Sundström hatte mitbuchstabiert und Pete knurrte: "Wer zuletzt bereut, lacht am schlechtesten."

"Jetzt aber ran", Sundström drängte, "damit der da drüben sieht, dass wir nicht nur so tun, als ob."

Hämmern dröhnte; langsam lüftete sich das Deck über dem Achterschiff.

Am Strand war die Stimmung nicht so einmütig. Das Verhalten der beiden imponierte Ellen Knatchbull. Aber sie hatten ihrem Pap eine Niederlage zugefügt. Und von Rechts wegen - wer wollte bestreiten, dass er Eigentümer der Jacht war?

Rose Taylor gab sich wenig Mühe, ihre Freude über den Mut der Wrackbesatzung zu verheimlichen. Ihr Leben lang hatte sie nie Reichtümer besessen, und so fand sie sich schnell in die neuen Verhältnisse und teilte instinktiv die Ansichten Sundströms und Hawks. Nur Knatchbull hätte ihr unterstellt, sie empfinde so, weil sie Sundström anhimmele.

Downburn hatte sich schon gefügt, als ihn Knatchbull bestimmte, den Brief hinüberzubringen mit der Anweisung, ihn erst bei der Abfahrt zu überreichen. Er schwieg auch jetzt wieder, weil er fürchtete, sich mit seinem Freund ernsthaft zu überwerfen. Dafür nahm seine Gattin wieder offen die Partei ihres Idols. "Endlich werden diese beiden Schlauberger zu Kreuze kriechen müssen", betonte sie ziemlich laut und nicht ohne Genugtuung.