Rockstars haben schöne Augen - N. Mary D. - E-Book
SONDERANGEBOT

Rockstars haben schöne Augen E-Book

N. Mary D.

0,0
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 1,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Als Louisa sich zu einem musikalischen Wettbewerb anmeldet, ist sie sich sicher, mit ihrem Talent weit zu kommen. Die Vorausscheidungen laufen gut, und die neuen Eindrücke, die sie gewinnt, eröffnen ihr eine neue Welt. Sie freundet sich mit dem Casting-Mitstreiter Jo an und erwartet mit ihm die spannenden Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. Sie ist sich sicher, dass ihre Musik, die ihr die Welt bedeuten, sie leiten wird; aber ganz andere Ereignisse kommen ihrer beginnenden Karriere dazwischen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Impressum

Rockstars

haben

schöne

Augen

Marylin Pearl

Kapitel 1

„Lisa, kannst du mal ein bisschen Gas geben? Du bist jetzt schon ewig im Bad und wir müssen noch lange fahren“, rief Jenna aus ihrem Wohnzimmer. Sie war übrigens die Einzige, die mich so nannte. Es gefiel ihr einfach besser und mich störte es nicht.

„Moment, ich hab‘s gleich“, antwortete ich und verdrehte dabei die Augen. Ich stand vor ihrem weißumrahmten Wandspiegel und trug Mascara auf. Das brachte meine blauen Augen schön zur Geltung. Meine glatten, braunen Haare ließ ich offen über meine Schultern fallen. So gefielen Sie mir am besten. Ich trug meine angerissene Lieblingshüftjeans und eine neue, blaue Chiffonbluse. Als ich ins Wohnzimmer kam, schlüpfte ich noch schnell in meine schwarzen Pumps, die neben dem Sofa bereit standen.

Jenna stand schon mit Handtaschen und Koffer in den Startlöchern. „Du siehst toll aus. Können wir jetzt endlich fahren?“

„Sollte nicht ich die Nervöse sein? Wir haben doch noch Zeit!“, rechtfertigte ich mich.

„Vergiss deine Gitarre nicht und komm jetzt!“, meinte sie nur stumpf. Jenna fuhr einen VW Polo, weswegen es schon schwierig war, die Gitarre unterzubringen, aber mit ein bisschen Geschick passte sie quer auf den Rücksitz. Den Rest brachten wir im Kofferraum unter.

Ich konnte ihr gar nicht genug danken, denn sie war so nett und fuhr mich. Ich selbst hatte nämlich nur einen knallroten Roller. Wenn ich mit meiner Gitarre auf dem Rücken in die Musikschule fuhr, kassierte ich einige amüsierte Blicke. Jedoch störte mich das kein bisschen. Meine Ausbildung als Bankkauffrau hatte ich gerade erst beendet und meine Prioritäten lagen erst einmal woanders. Demnächst wollte ich aus meinem Elternhaus ausziehen und dazu benötigte man ein gewisses Startkapital. Die ersten Monate wollte ich nicht mit zwei mobilen Kochplatten leben oder an meinem Schreibtisch frühstücken.

Im Auto Platz genommen fing Jenna an auf dem Navigationssystem herumzutippen. „Wir müssen nach Mannheim, … aktueller Standort Bayern, Dachau … 3 Stunden, 6 Minuten, Ankunftszeit 08.14 Uhr. Das sieht doch gut aus. Um 10.00 Uhr musst du dort sein. Ich würde sagen, es kann losgehen“, jubelte Jenna voller Vorfreude.

„Na dann, tritt drauf“, erwiderte ich und warf erst mal meine 80er-Jahre-Best-Of-CD in den Player. Wir fingen an zu lachen und stimmten zusammen das erste Kultlied der CD an. Nach einer halben Stunde drehten wir die Musik leiser, damit Jenna den Ansagen des Navi besser folgen konnte.

„Meinst du, ich schaffe das?“, fragte ich besorgt.

„Lisa, du wirst doch jetzt nicht zum ersten Mal in deinem Leben an dir zweifeln. Die warten nur auf dich. Du bist die Beste!“

„Danke, und ich zweifle auch nicht an mir, aber da werden bestimmt so viele hervorragende Sänger sein.“

„Ach, glaube mir, die müssen Angst vor dir haben“, bestärkte sie mich.

„Ich werde wohl langsam nervös, jetzt wo es endlich so weit ist.“

In dem Moment klingelte mein Smartphone mit dem Song ‚La Bamba‘ von Los Lobos, ebenfalls aus den 80ern. Ich war nicht zwanghaft auf die 80er fixiert; eigentlich mochte ich alles, was sich nach Musik anhörte, aber dieses Lied hatte ich als Anrufer-Klingelton für meine Mom eingestellt, weil sie es stets beim Kochen oder Putzen hörte und dabei durch das ganze Haus tanzte.

Ich nahm ab. „Hi, Mom! Na, schon ausgeschlafen?“

„Ach hör doch auf. Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass es schon so weit ist. Mein kleines Mädchen startet ihre Gesangskarriere.“

„Ja, wenn nichts dazwischenkommt.“

„Und du triffst endlich Carol Summer. Vergiss mein Autogramm nicht!“

Carol Summer war seit 20 Jahren sehr erfolgreich mit Schlagermusik und meine Mom gehörte zu ihren größten Fans. „Du weißt ja, dass ich nicht so der Schlagerfan bin, aber an dein Autogramm werde ich auf jeden Fall denken.“

„Jedenfalls drücken dein Vater und ich dir ganz fest die Daumen und denken an dich.“

„Das weiß ich doch, Mom. Ich melde mich sofort bei dir, wenn sich irgendwas ergibt. Macht euch nicht verrückt.“

Wir verabschiedeten uns und legten auf.

Am liebsten hätten meine Eltern mich gefahren, aber die zwei hätten mich wahnsinnig gemacht, weswegen ich auch bei Jenna übernachtete, das sie verständnisvoll akzeptierten. Mit Jenna war es um einiges entspannter und lustiger. Sie war schon seit der ersten Klasse meine beste Freundin und wir verstanden uns blind. Unsere Interessen lagen aber eher auseinander. Während ich mich höchstens dazu durchrang, sie meiner Kondition und Figur zuliebe zweimal die Woche ins Fitnessstudio zu begleiten, war sie das totale Sportass: viermal in der Woche Fitness, Tennisklub- und das sonntägliche Joggen oder Radeln nicht zu vergessen. Außerdem studierte sie Gesundheitswissenschaften in München und suchte nach einem Studentenjob in einem Fitnessstudio. Zurzeit hatte sie Semesterferien und hin und wieder half sie im Schreibwarenladen ihrer Mutter aus, was sie aber extrem nervte. Eigentlich hatten die beiden ein gutes Verhältnis, doch während der Arbeit zickten sie sich ständig an.

Ich lebte für die Musik. Schon seit neun Jahren besuchte ich dreimal in der Woche eine ortsnahe Musikschule und trat regelmäßig bei Schul- und Dorffesten auf. Trotzdem konnte Jenna und mich nichts trennen, denn der Eine interessierte sich für den Andern. Sie kam zu meinen Auftritten und ich sah mir ihre Sportveranstaltungen und Wettkämpfe an. Außerdem konnten wir uns immer aufeinander verlassen.

Aus meinen Tagträumen aufgewacht, stellte ich fest, dass wir fast da waren. Jenna meinte, dass der Verkehr dichter wurde und die wahrscheinlich alle zu dem Casting wollten. Je näher wir dem Ziel kamen, desto schlimmer wurde es. Überall standen Autos und wollten irgendwo parken. Die Anderen wiederum hupten, weil die Parkplatzsucher die Straße blockierten. Etwa siebenhundert Meter vor der Adresse hatten wir tatsächlich Glück und ein Wagen fuhr gerade aus einer Parklücke, das Jenna sofort nutzte.

„Armageddon oder was?“, staunte sie.

Wir stiegen aus und ich nahm fürs Erste nur meine Gitarre und Handtasche mit.

Jenna hielt mir Brötchen und Obst hin: „Schau mal, was ich uns gemacht habe! Für jeden ein Vollkornbrötchen mit Käse, Tomate, Ei und Gurke und danach darfst du wählen, Apfel oder Banane“.

Vor lauter Aufregung hatte ich gar nicht ans Essen gedacht, aber als ich es sah, merkte ich, dass mein Magen sich darüber freuen würde. „Oh, lecker. Gut, dass du dabei bist, sonst hätte mir vor der Jury der Magen geknurrt.“ Ich wählte den Apfel.

Dank unseres frühen Ankommens konnten wir gemütlich spazieren und unser Frühstück essen. Dabei staunten wir weiterhin über den Massenandrang, der immer mehr wurde, je näher wir kamen. Ich war das erste Mal in Mannheim. Es war zwar nicht ganz so grün wie bei uns in Dachau, aber auf den ersten Blick schien es eine schöne Stadt zu sein.

Als wir bei unserem Ziel ankamen, trauten wir unseren Augen nicht. Vor dem riesigen Gebäude, das man nicht verfehlen konnte, weil überall Banner in rot-schwarz mit der Aufschrift „Star Voice 2018“ hingen, befanden sich Wasserspiele, die umgeben von Blumen waren. Es war eine sehr schöne Grünanlage mitten in der Stadt und Jenna meinte, auf diesem Platz würde immer der Weihnachtsmarkt stattfinden. Das stellte ich mir traumhaft vor und nahm mir fest vor, an Weihnachten mal wieder zu kommen. Die Fassade selbst bestand überwiegend aus Glas und dasGebäude war offenbar sehr aufwendig erbaut worden. Einige Leute standen schon in den Startlöchern und spielten auf ihren Gitarren; manche sangen und einer spielte sogar Saxofon. Sofort fanden wir die geschätzt zehn Meter lange Schlange zur Anmeldung. Dort saßen eine junge Frau und ein Mann mittleren Alters mit Vollbart.

Ich war froh, dass wir nicht später gekommen waren. Es dauerte circa 20 Minuten, bis ich an der Reihe war.

Der bärtige Mann war gerade frei geworden. „Willkommen bei Star Voice! Gibst du mir bitte deine Anmeldenummer und deinen Personalausweis?“, bat er.

Ich hatte mich online für das Casting angemeldet. Dabei hatte jeder eine Anmeldenummer bekommen. So war es für die Aufnahme heute leichter, da sie schon alle wichtigen Informationen von den Teilnehmern hatten.

„Ich hab die Nummer 928“, antwortete ich, als ich ihm meinen Ausweis reichte.

Er tippte auf seinem Laptop herum. Nach kurzer Zeit meinte er: „Alles klar, Louisa, hier ist dein Ausweis und ein Teilnehmerarmband, auf dem deine Nummer steht. Die wird aufgerufen, wenn du an die Reihe kommst. Wir haben jetzt 9 Uhr. Du kannst dich also noch eine Stunde entspannt umsehen. Vorher passiert noch nichts, aber sei pünktlich wieder da. Wer aufgerufen wird und sich nicht meldet, für den ist es gelaufen.“ Danach schob er mir noch eine Einverständniserklärung entgegen und tippte auf das Unterschriftenfeld, wo ich mit meinem Namen bestätigte.

Jenna und ich wollten uns in das Cafè auf der anderen Straßenseite setzen, doch den Kaffee gab es nur noch zum Mitnehmen, denn der Laden war brechenvoll. Es standen zwar ein paar Wolken am Himmel, trotzdem war es ein angenehm warmer Augustmorgen. Also schlenderten wir durch den wunderschönen Park und beobachteten die Musiker. Einige von ihnen sangen richtig gut, während sich andere bei dem Casting wohl eher lächerlich machen würden.

Bei einer mochte ich gar nicht hinsehen, so peinlich war ihre Showeinlage. Sie wog geschätzte 80 Kilogramm auf 1,60 Meter verteilt, trug ein bauchfreies Top und Hotpants. Die blond gefärbten Haare mit schwarzem Ansatz und der rote Lippenstift, der weit über die Lippen geschmiert war, waren zusätzlich ein übler Hingucker. Als würde das nicht schon reichen, legte sie eine Britney-Spears-Nummer vom Feinsten hin, so dass der ganze Park, außer ihre drei Freundinnen, die so ähnlich aussahen wie sie selbst, in lautes Gelächter ausbrach. Die Freundinnen applaudierten und bestärkten sie, wie toll sie doch sei.

Jenna lachte ebenfalls und meinte: „Die nehm ich später mit nach Dachau aufs Laufband. Mal schauen, wie lange die Schminke dann noch hält!“

So langsam bewegten wir uns in Richtung Casting und öffneten eine der vier Glastüren des Gebäudes. Wir traten in eine gigantisch große Lobby ein, die modern gestaltet wurde. An den weißen Wänden hingen stilvoll gerahmte Bilder von den berühmtesten Musikern. Auf den ersten Blick sah ich Elvis, Michael Jackson, Eric Clapton und Elton John. Graue Fliesen zierten den Vorraum, die von der LED-Beleuchtung angestrahlt glitzerten. Mittlerweile war es hier so voll, dass man kaum noch zwei Schritte am Stück gehen konnte.

Um kurz nach 10 Uhr gab es eine Lautsprecherdurchsage. „Guten Morgen, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Star Voice 2018“, grüßte eine freundliche, weibliche Stimme. „Ihr seid heute hier, weil wir das beste Gesangstalent des Landes suchen. Ihr werdet mit eurer Anmeldenummer nacheinander aufgerufen und einem unserer Vorcasting-Räume zugewiesen. Manche von euch müssen sich auf eine lange Wartezeit einstellen, denn wir haben heute 2343 Anmeldungen vorliegen. Wie ihr sicher wisst, gibt es auch ein paar Kameraleute, die heute und auch in Zukunft das ganze Geschehen filmen werden, ihr habt ja die Einverständniserklärung unterschrieben; und ab nächster Woche wird jeden Tag ein Zusammenschnitt von 30 Minuten bei zwei bekannten Streaming-Anbietern online gestellt. Es handelt sich um eine seriöse Castingdokumentation, die fünf Folgen beinhaltet. Mit den letzten zehn Kandidaten werden vier Live-Shows aufgebaut, die jeden Freitag stattfinden. Bis dorthin ist es aber noch ein langer Weg. Das Star Voice Team wünscht euch einen erfolgreichen Tag.“

Wir suchten uns eine Ecke und setzten uns erst mal auf den Boden. Alle Stühle und Tische waren besetzt, viele saßen ebenfalls auf dem Boden oder standen herum und warteten auf ihren Auftritt. Einige wirkten angespannt, während andere die Ruhe selbst zu sein schienen. Ich gehörte eher zu den Entspannteren. Schließlich war ich mehr als gut auf den heutigen Tag vorbereitet und wusste genau, was ich konnte.

Wir saßen jetzt schon eine Weile hier, aber immerhin ging es recht schnell voran. Gerade wurde Nummer 675 aufgerufen.

Jenna checkte die Jungs ab und meinte hin und wieder: „Der geht ja mal gar nicht! Sieh dir mal seine Haare an! Hat der die frittiert?“, oder: „Siehst du den da hinten? Der Typ ist der Hammer!“ Sie hatte jedenfalls eine Beschäftigung gefunden.

Normalerweise hätte ich mit eingestimmt, aber heute war mir nicht danach. Ich zupfte an meinen Gitarrensaiten und stimmte kleine Feinheiten nach.

In dem Moment kam ein junger Typ auf uns zu. Er war ziemlich groß und schlank. Ein schmaler Mund und selten grüne Augen zierten sein Gesicht. Ein hübscher, junger Mann, aber für meinen Geschmack etwas zu brav mit seiner dunkelblonden Föhnfrisur. Er sprach uns an: „Hi, Mädels, ich bin Jonas, aber nennt mich Jo. Könnte ich kurz meine Tasche und Gitarre bei euch abstellen? Ich müsste dringend mal aufs Klo und hab kein Bock, alles mitzuschleppen.“

„Ja klar, ich bin Louisa und das ist meine Freundin Jenna“, gab ich zurück.

Er schüttelte jedem von uns die Hand. „Freut mich. Ich bin dann mal kurz weg.“

Ich äffte ihn nach, als er um die Ecke war, und Jenna machte sich fast in die Hose vor Lachen.

„Er ist aber ein hübscher Kerl. Das muss man ihm lassen“, sagte Jenna.

„Vielleicht ein bisschen plump, aber wir sind nicht voreingenommen. Warten wir mal ab, was er noch so von sich gibt.“

Kurze Zeit später kam er auch schon wieder zurück. „Danke, ihr zwei. Müsst ihr noch lange warten? Was habt ihr denn für eine Nummer?“, fragte er.

Jenna antwortete: „Also ich bin nur die Begleitung. Wenn ich anfangen würde zu singen, würden die euch den Laden sofort dicht machen.“

Ich musste laut lachen und nickte zustimmend.

Er fing an zu grinsen. „Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Mit der Gitarre kann ich zum Beispiel ganz gut umgehen, aber ihr müsstet mich mal mit einem Hammer sehen.“ Dann fing er an zu lachen.

„Ich hab die Nummer 928 und du?“, fragte ich ihn.

„Oh, dann bist du ja schon bald an der Reihe. Ich hab die verdammte Nummer 1746.“

Er setzte sich zu uns und wir plauderten über alles mögliche, bis plötzlich meine Nummer aufgerufen wurde. Jenna umarmte mich fest und wünschte mir kein Glück, denn das würde ich eh nicht brauchen, meinte sie. Ich ging zu dem Mann mit Klemmbrett, der die aufgerufenen Teilnehmer empfing, und zeigte ihm mein Teilnehmerband. Er schickte mich in den Raum zwei Türen rechts neben ihm. Ich öffnete sie.

Dort saßen drei Männer und eine Frau an einem langen Tisch der Tür gegenüber und jeder von ihnen hatte ein Tablet in den Händen oder vor sich liegen. Vor ihrem Tisch stand ein Mikrofon. Der Raum glänzte nicht unbedingt mit Größe und es gab auch kein Fenster.

Ich trat ein und begrüßte sie mit einem einfachen „Hallo“; auch wenn ich es versuchte, mein Lächeln mag dabei etwas gequält gewirkt haben, denn ein bisschen seltsam war mir jetzt schon zumute.

Der Mann, der außen saß, meinte: „Guten Tag, was möchtest du denn singen? Ich sage dir gleich, das Lied, das du uns vorsingst, müsstest du bei einem Weiterkommen auch den richtigen Juroren vorsingen. Wir sind dazu da, schon einmal vorab auszusortieren. Unsere fünf Teams sind aber alle musikalisch ausgebildet und wissen, ob jemand Talent hat, denn wir können nicht jeden zu Carol, Bill und Harald schicken. Das wäre zu aufwendig und zeitintensiv.“

Die erfolgreiche Schlagersängerin hatte ich ja schon erwähnt. Bill war Bill Fender, ein junger, deutscher Hard-Rock-Sänger, der auch international sehr erfolgreich agierte. Seine Karriere lief in den letzten zwei Jahren steil bergauf, aber auch mit seiner Musik konnte ich nicht viel anfangen. Bei Harald Weidner sah das ganz anders aus und er war auch der Grund, warum ich mich zu diesem Casting angemeldet hatte. In den vergangenen dreißig Jahren hatte er 32 Nummer-1-Hits; überwiegend Pop produziert und in einigen Filmen bei den Soundtracks mitgemischt. Auch dieses Casting basierte auf seiner Idee und der Gewinner kam bei ihm unter Vertrag.

„Ok, ich würde gerne einen Song von Roxette singen. Dazu spiele ich Gitarre.“ Meine Aufregung machte sich jetzt deutlicher bemerkbar. Mein Herz schlug etwas schneller und ich hatte feuchte Hände, aber das würde gleich vorüber gehen. Mit diesen Symptomen hatte ich schon mehr als genug Erfahrung, denn dies war nicht mein erster Auftritt.

Nun sprach die Frau zu mir: „Na dann würde ich sagen, verschwenden wir keine Zeit! Du kannst anfangen.“

Ich stellte mich an das Mikrofon und atmete noch einmal tief ein. Dann zupfte ich die ersten Saiten auf meiner Gitarre an. Sofort merkte ich, wie sich mein Herzschlag wieder verlangsamte. Die Musik wirkte auf mich wie ein Beruhigungsmittel. Ich fing an zu singen und wie auf Knopfdruck tauchte ich in meine eigene Welt ein. Es gab nur noch mich, meine Gitarre und das Lied, das ich gerade sang. Darin bestand ein großer Vorteil, weil mich die Nervosität selten aus der Bahn werfen konnte. Jeden Song, den ich für mich vorbereitete, versuchte ich zu meinem eigenen zu machen. Die Gitarre erleichterte mir das enorm. So konnte ich einem langsamen Lied mehr Pep geben oder ein schnelleres, lauteres Lied gefühlvoll und langsam singen. Bei diesem Lied behielt ich die Geschwindigkeit, setzte jedoch eigene Akzente.

Erst als ich das Lied mit der Gitarre langsam ausklingen ließ, nahm ich die vier wieder wahr. Ein leichtes Grinsen kam über mich, denn sie starrten mich wie versteinert an und die Frau hatte den Mund offen stehen. Diese Reaktion löste ich mit meiner Musik schon öfter aus, aber ich hörte den Stein von meinem Herzen fallen, dass sie das hier auch bewirkt hatte.

Einer der Männer wachte wieder auf und warf seiner Kollegin und seinen Kollegen links und rechts einen Blick zu. Dann meinte er: „Ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich sage, du bist weiter.“

Der Herr ganz links bestätigte seine Aussage mit „Ja“, während die Frau und der dritte Mann nur nickten. Die Frau tippte auf ihrem Tablet herum und der Drucker auf dem Highboard hinter ihnen fing an zu drucken.

„Nimm diesen Zettel und geh durch diese Tür hindurch. Dort geht es für dich weiter. Viel Spaß!“, fügte sie hinzu.

Ich verabschiedete mich und tat, was die Frau sagte.

Ich kam wieder in einem Vorraum heraus. Dieser war um einiges kleiner, jedoch genauso modern. Auf dem Zettel standen all meine Daten, die ich bei der Online-Anmeldung angegeben, und der Song, den ich gerade vorgesungen hatte. Sofort kam mir eine jungen Frau entgegen. Ich erkannte, dass es dieselbe Frau war, die heute morgen an der Anmeldung saß.

---ENDE DER LESEPROBE---