Romana Exklusiv Band 278 - Catherine Spencer - E-Book

Romana Exklusiv Band 278 E-Book

Catherine Spencer

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Beschreibung

TRAUMROMANZE AUF MALTA von SPENCER, CATHERINE
Eine Suite in einer Villa auf Malta, herrliche Sonnentage auf einer Jacht - ihr neues Leben an der Seite von Gabriel Brabanti ist ein Traum. Aber wie kann Eve den attraktiven Unternehmer davon überzeugen, dass Vermögen und Ansehen ihr nichts, seine Liebe aber alles bedeutet?

SO HEIß KÜSST NUR EIN ITALIENER von ADAMS, JENNIE
Nach fünf Jahren kehrt Scarlett in ihr italienisches Heimatdorf zurück, um das Familienrestaurant zu retten. Dort trifft sie auf Lorenzo Nesta - leidenschaftlicher Koch und Liebhaber. Er hat ihr schon einmal das Herz gebrochen - und doch kann sie seinen Küssen nicht widerstehen …

ENDLICH GLÜCKLICH IN GRIECHENLAND? von DAWSON, HELENA
Ein Blick in die faszinierenden Augen des charmanten Griechen auf dem Platz neben ihr lässt Kate ihre Flugangst vergessen. Dennoch wehrt sie sich gegen ihre Gefühle. Erst als sie Alex in der malerischen Hafenstadt Kalamata wiedertrifft, traut sie sich, ihm ihr Herz zu öffnen ...

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Catherine Spencer, Jennie Adams, Helena Dawson

ROMANA EXKLUSIV BAND 278

IMPRESSUM

ROMANA EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Erste Neuauflage in der Reihe ROMANA EXKLUSIVBand 278 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2004 by Spencer Books LimitedCatherine Spencer Originaltitel: „The Brabanti Baby“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1574

© 2010 by Harlequin Books S. A. Originaltitel: „Passionate Chef, Ice Queen Boss“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Karin Weiss Deutsche Erstausgabe 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1881

© 1992 by Helena Dawson Originaltitel: „WEB OF FATE“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1844

Abbildungen: INTERPIXELS / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733744267

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Traumromanze auf Malta

1. KAPITEL

Sei vorsichtig, und sieh zu, dass du dich von Anfang an behauptest, denn Gabriel Brabanti ist ein Hai und wird dich bei der erstbesten Gelegenheit lebendig verspeisen. Für ihn gibt es nur Schwarz oder Weiß. Entweder geht es nach seinem Willen, oder man hat verloren – so wie ich.

Die Worte ihrer Cousine gingen ihr durch den Kopf, während Eve den Griff um die Babyschale mit ihrer Nichte verstärkte und am Eingang der Ankunftshalle von Luqa, Maltas Flughafen, stehen blieb.

Unter den Leuten, die auf die Fluggäste aus Amsterdam warteten, befand sich auch Marcias Exmann, der Vater der süßen kleinen Nicola Jane. Er hatte es nicht einmal für nötig befunden, bei ihrer Geburt dabei zu sein, und sie stattdessen vier Monate später zusammen mit ihrer Mutter aus New York zu sich beordert. Marcia hatte allerdings nicht mitgemacht, denn sie hatte ihren eigenen Kopf. Und da sie grundsätzlich allen Problemen aus dem Weg ging und diese auf andere abwälzte, durfte sie, Eve, sich nicht beklagen.

Wie üblich hatte es ganz harmlos angefangen. Eines Abends, die Klimaanlage in ihrem Apartment in Chicago war wieder einmal ausgefallen, erhielt sie einen Anruf von Marcia.

„Wie geht es dir, Evie?“, erkundigte Marcia sich überschwänglich. „Ich vermisse dich! Wir haben schon so lange nicht mehr miteinander gesprochen.“

Schon bald rückte sie jedoch mit dem wahren Grund für ihren Anruf heraus, indem sie ihr eröffnete, dass Gabriel Brabanti, der Italiener war und auf Malta lebte, sich nun auf seine Vaterrolle besonnen hatte und Besuchsrecht für seine Tochter verlangte.

„Aber ich werde jetzt auf keinen Fall springen und zu ihm eilen, nur weil Seine Majestät es verlangt“, fügte sie eisig hinzu. Sie hatte den Lautsprecher eingeschaltet, damit Jason, ihr zweiter Mann, mithören konnte. „Ich habe seinen Brief nie bekommen.“

„Du hast mir doch gerade erzählt, dass er dir per Kurier in die Agentur geliefert wurde“, erinnerte Eve sie. „Also musstest du den Empfang sicher quittieren.“

„Das ist mir egal. Der allmächtige Signor Brabanti ist vielleicht reich und hat eine Menge Einfluss auf Malta, aber hier in New York ist er ein Nobody.“

Eve hörte Papier rascheln, dann meldete sich Jason zu Wort. „Vielleicht solltest du ihm den Wunsch erfüllen, Süße. Er scheint es ernst zu meinen. Entweder besuchst du ihn für kurze Zeit, oder er kommt her und bleibt so lange, wie er Lust hat – und das wollen wir doch nicht, oder?“

„Wenn du glaubst, er gibt sich damit zufrieden, träum weiter, Schatz“, erwiderte Marcia. „Das ist nur der Anfang.“

Nach einer Pause fragte er: „Was hältst du davon, Eve?“

Eve wünschte, sie hätte den Anruf nicht entgegengenommen, denn Marcia befand sich ständig in irgendeiner Krise. „Ich stimme Jason zu, Marcia. Entweder fliegst du nach Malta, oder Gabriel kommt nach New York. Er ist offenbar fest entschlossen, sein Baby zu sehen, und es ist ja auch sein gutes Recht.“

Sie sah Marcias Schmollmund förmlich vor sich. „Dann kannst du sie zu ihm bringen, denn ich will ihn hier nicht haben, und ich werde ihn auch auf keinen Fall besuchen. Und bevor du mich hängen lässt, denk daran, wer nach Chicago gekommen ist, um deine stinkende alte Katze zu versorgen und deine Blumen zu gießen, als du vier Wochen an der mexikanischen Riviera herumgehangen hast.“

„Du meine Güte, das ist fünf Jahre her, und Fidelio ist schon fast zwei Jahre tot! Außerdem hat er höchstens ein bisschen merkwürdig gerochen, weil er alt war, und meine Pflanzen hast du alle ertränkt.“

„Trotzdem schuldest du mir etwas.“

Am liebsten hätte Eve ihre Cousine daran erinnert, dass sie zu dem Zeitpunkt vor der Hitze in New York hatte fliehen wollen, zumal sie gerade mit einem verheirateten Kunden angebandelt hatte. Da sie Jason allerdings nicht seine Illusionen rauben wollte, erklärte sie: „Mir ist durchaus bewusst, dass du immer eine Gegenleistung verlangst, wenn du ausnahmsweise mal jemandem einen Gefallen tust, Marcia. Aber falls du glaubst, ich würde mit deinem Baby …“

„Warum denn nicht?“, fiel Marcia ihr ins Wort. „Du wolltest sie doch schon immer kennen lernen. Jetzt kannst du Nägeln mit Köpfen machen und eine Beziehung zu ihr aufbauen.“

„Du bist ja völlig übergeschnappt!“

„Das geht wirklich ein bisschen zu weit, Süße“, hörte Eve Jason entsetzt protestieren.

„Soll ich ausgerechnet jetzt verreisen, wo deine Karriere an einem kritischen Punkt angelangt ist und du mich brauchst? Was glaubst du, wer mir wichtiger ist, Jason – du oder Gabriel?“

„Wenn du es sagst …“

„Komm schon, Eve, sei kein Spielverderber!“, fuhr Marcia an sie gewandt fort. „Du weißt am besten, wie es ist, ein Baby bei dieser Hitze und Luftfeuchtigkeit von einer Kleinstadt in die andere zu schleppen.“

„Um ein Kind außer Landes zu bringen, braucht man etwas mehr als nur ein Flugticket“, gab Eve zu bedenken, „und zwar einen Pass und die Erlaubnis der Eltern. Oder soll ich sie in meiner Reisetasche an Bord schmuggeln?“

„Ich werde alle notwendigen Dokumente beschaffen. Du konzentrierst dich auf Nicola und sorgst dafür, dass sie weiß, wie sehr ihre Mommy sie liebt.“

„Und wie soll ich das anstellen?“

„Das wirst du schon herausfinden. Schließlich übergebe ich sie keiner unerfahrenen Fremden. Du bist Kinderkrankenschwester.“ Marcia hatte eine Pause gemacht, bevor sie ihr gewichtigstes Argument angeführt hatte. „Du hast dich beurlauben lassen, weil du von der Arbeit in der Klinik völlig ausgebrannt bist. Du musst dringend abschalten. Und ich biete dir die Chance, auf eine Mittelmeerinsel zu fliegen und im Luxus zu schwelgen. Egal, was ich von meinem Exmann halte, eins muss man ihm lassen: Er gibt sich immer nur mit dem Besten zufrieden. Also wirst du erster Klasse fliegen und nach Strich und Faden verwöhnt werden, wenn du bei ihm zu Gast bist. Es wäre dumm von dir, so ein Angebot abzulehnen.“

Und es wäre noch dümmer gewesen, es anzunehmen! Doch hier stand sie nun mit einem schlafenden Baby und wartete auf die Begegnung mit dem unangenehmen Signor Brabanti, den sie nie kennen gelernt hatte. Marcia hatte sich genauso schnell wieder von ihm scheiden lassen, wie sie ihn geheiratet hatte.

Er ist groß, dunkelhaarig, attraktiv und so arrogant, dass du ihn einfach nicht übersehen kannst. Geh einfach auf den Typen zu, der sich verhält, als würde ihm der Flughafen gehören.

So hatte Marcia ihn beschrieben. Als Eve nun den Blick über die Wartenden schweifen ließ, sah sie niemanden, auf den diese Worte zutrafen. Stattdessen kam ein mittelgroßer grauhaariger Mann in einem marinefarbenen Blazer mit einem gestickten goldfarbenen Wappen auf der Brusttasche und in einer weißen Hose auf sie zu. „Signora Brabanti?“, erkundigte er sich.

„Caldwell“, erwiderte sie erstaunt, denn Marcia hatte Gabriel informiert, dass sie nicht selbst kommen würde. „Signorina Caldwell.“

Der Mann neigte den Kopf. „Scusi. Ich suche eine Amerikanerin mit einem Baby, und …“

„Das bin ich.“ Eve deutete auf Nicola, die nun fest schlief, nachdem sie während des Flugs von Amsterdam nach Malta fast ununterbrochen geschrien hatte. „Das ist Signor Brabantis Tochter.“

„Capisco! Ich bin Paolo. Der Signor hat mich geschickt, damit ich Sie zur Villa Brabanti bringe.“

„Hatte er keine Zeit, uns selbst abzuholen?“

„Der Signor lässt sich entschuldigen.“ Paolos Tonfall war neutral. „Ihm ist etwas Wichtiges dazwischengekommen.“

„Etwas Wichtigeres als seine Tochter?“ Verächtlich zog sie die Brauen hoch. „Und ich dachte, er wollte sie so schnell wie möglich sehen. Wie dumm von mir!“

Der Chauffeur hüstelte und wandte den Blick ab. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass jemand seinen Arbeitgeber kritisierte. „Ich bringe Sie zum Wagen und hole dann Ihr Gepäck, Signorina.“

Eve folgte ihm durch die Halle zu der schwarzen Limousine, die direkt vor dem Gebäude parkte. Es war bereits dunkel, obwohl es erst kurz nach halb acht war.

„Gestatten Sie, Signorina.“ Er nahm ihr die Babyschale ab und befestigte sie in der Mitte des Rücksitzes. Dann strich er Nicola über die Wange. „Molto bella, sì?“

Obwohl sie kaum Italienisch sprach, verstand Eve seine Worte. „Ja, sie ist sehr hübsch, aber die Reise war furchtbar anstrengend für sie.“

Paolo nickte mitfühlend. Er wartete, bis sie eingestiegen war, und reichte ihr die schwere Wickeltasche und ihre Handtasche. Anschließend holte er ihr restliches Gepäck. Wenige Minuten später saß er am Steuer und fädelte sich in den Verkehr ein.

Marcia hatte ihr vorgeschwärmt, wie geschichtsträchtig die Insel und vor allem die Hauptstadt Valletta waren. Gabriel lebte zwar außerhalb der Stadt, doch als Paolo in nordöstliche Richtung fuhr und die hell erleuchtete, vor vielen Jahrhunderten vom Johanniterorden errichtete Stadtmauer in Sicht kam, konnte Eve die Begeisterung ihrer Cousine verstehen. Selbst im Dunkeln und aus der Ferne bot die alte Befestigung einen beeindruckenden Anblick, und trotz ihrer Vorbehalte gegen diese Reise hoffte sie, einige Tage für sich zu haben, damit sie die Stadt erkunden konnte.

Diesen Vorsatz vergaß Eve allerdings, als Paolo durch das schmiedeeiserne Tor fuhr, das zur Villa Brabanti führte. Groß und düster erhob sich das Gebäude in der Dunkelheit, und nur das Mondlicht spiegelte sich in den Fensterscheiben. Niemals hätte sie sich vorstellen können, Nicola in der Obhut eines Mannes zu lassen, der in einem derart schrecklichen Gemäuer wohnte.

„Sind Sie sicher, dass man uns erwartet?“, fragte sie Paolo und schauderte unwillkürlich.

„Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass etwas Wichtiges dazwischengekommen ist“, erwiderte er, nachdem er ihr die Tür geöffnet hatte. „Der Hauptsicherungskasten macht Probleme, und es besteht akute Feuergefahr.“

Ihr Unbehagen wuchs. Daher blieb Eve sitzen. „Vielleicht sollte ich mit Nicola in einem Hotel übernachten, bis der Defekt behoben ist.“

„Das ist nicht nötig“, versicherte er. „Signor Brabanti hat alles im Griff.“

Wie aufs Stichwort ging daraufhin überall das Licht an. Zahlreiche Fenster waren plötzlich hell erleuchtet, überall im Garten schalteten sich Strahler ein, und auch aus der geöffneten Haustür fiel Licht.

„Per favore, Signorina.“ Paolo streckte ihr die Hand entgegen. „Der Signore hat uns offenbar kommen hören.“ Und sein Tonfall sagte ihr, dass der Signore nicht gern wartete.

„Na gut.“ Eve verdrängte ihre Vorbehalte und beugte sich hinüber, um den Gurt um die Babyschale zu lösen. „Komm, meine Kleine, bringen wir es hinter uns.“

Die warme Nachtluft war von Blumenduft erfüllt. Eine Kletterpflanze mit unzähligen großen weißen Blüten überrankte eine breite Stützmauer. Hohe Palmen säumten die lange Auffahrt, die zum Vorhof führte. Irgendwo auf der rechten Seite, jenseits des Rasens, brachen sich die Wellen an den Felsen.

„Hier entlang, Signorina.“

Paolo führte sie durch den Haupteingang in eine Halle, die genauso gut zu einem Palast hätte gehören können. Der Boden war im Schachbrettmuster mit schwarzem und weißem Marmor gefliest, an den Wänden hingen alte Gobelins. Direkt vor ihr führte eine prachtvolle Marmortreppe zu einer Galerie, die um das gesamte erste Stockwerk lief. Eine weit über zehn Meter hohe, mit Fresken bemalte Kuppeldecke, in deren Mitte sich ein Oberlicht befand, bildete den Abschluss dieses imposanten Raums.

Während sie sich umblickte, musste Eve ihre Meinung über das Gebäude revidieren. Es war zwar alt, aber alles andere als düster und schrecklich, sondern elegant und luxuriös. Sie war so beeindruckt von ihrer Umgebung, dass sie die Tür in einer Nische am anderen Ende der Eingangshalle erst bemerkte, als diese geöffnet wurde und ein Mann auf der Schwelle erschien.

Selbst ohne Marcias Beschreibung hätte sie Gabriel Brabanti sofort erkannt. Obwohl sein Gesicht im Schatten lag, konnte nur der Herr eines solchen Anwesens so viel Autorität ausstrahlen. Einige Sekunden lang stand er reglos da und musterte sie, wobei er mit dem Daumen über die große Taschenlampe strich, die er in der Hand hielt. Die Intensität seines Blicks und die Art, wie er die Lampe berührte, machten sie schon nervös genug. Als er jedoch schließlich mit großen Schritten auf sie zukam, hätte sie am liebsten die Flucht ergriffen.

Statt sich über die Begegnung mit seiner Tochter zu freuen, schien er außer sich vor Wut darüber, dass Fremde in sein Haus eingedrungen waren.

„Wer, zum Teufel, sind Sie?“, fragte er in perfektem Harvard-Englisch mit einem reizvollen italienischen Akzent.

Entgeistert sah Eve ihn an. Er war ein großer, eleganter Mann mit breiten Schultern, einer muskulösen Brust und einer schmalen Taille. Und sein Gesicht war das eines zornigen Engels, so faszinierend, dass es einem den Atem raubte, und gleichzeitig so finster, dass einem das Blut in den Adern gefror. Seine von dichten, langen Wimpern gesäumten Augen waren blau, wie sie ein wenig schockiert feststellte, und bildeten einen reizvollen Kontrast zu seiner gebräunten Haut. Und sein Mund … Sie schluckte mühsam.

Marcias Beschreibung wurde ihm nicht im Entferntesten gerecht. Er war der Inbegriff maskuliner Schönheit. Sicher wurden alle anderen Männer bei seinem Anblick blass vor Neid, und sämtliche Frauen lagen ihm zu Füßen. Er war der attraktivste Mann, den Eve je gesehen hatte.

„Was soll die Frage?“, brachte sie heiser hervor. „Sie wissen genau, wer ich bin. Marcia hat es Ihnen geschrieben.“

Doch noch während sie sprach, wusste sie, dass ihre Worte bedeutungslos waren, und kannte auch den Grund dafür. Natürlich hatte ihre Cousine ihren Besuch nicht angekündigt, sondern wie immer gelogen, wenn sie mit einer schwierigen Situation konfrontiert war. Eigentlich hätte sie es nicht anders erwarten dürfen.

„Ich weiß nur“, erwiderte Gabriel Brabanti eisig, „dass Sie nicht meine Exfrau sind. Und abgesehen von einer kurzen Mitteilung, dass sie heute kommt, habe ich seit der Geburt meiner Tochter, über die Marcia mich auch nur sehr knapp informiert hat, nichts mehr von ihr gehört.“

„Sie war noch nie besonders schreibfreudig“, bemerkte Eve, die noch immer verblüfft über sein Erscheinungsbild war und sich deswegen albern vorkam.

Verächtlich presste er die Lippen zusammen. Sie konnte es ihm nicht einmal verdenken. „Sie scheint wirklich wenig gute Eigenschaften zu besitzen. Das beantwortet allerdings nicht meine Frage. Wer sind Sie?“

„Eve Caldwell, ihre Cousine.“ Nachdem sie die Babyschale und die Wickeltasche abgestellt hatte, streckte sie ihm die Hand entgegen, doch er ignorierte diese Geste. Unbehaglich fuhr sie fort: „Ich bin Nicolas Tante. Na ja, nicht direkt, aber Marcia und ich sind wie Schwestern. Unsere Väter sind Brüder, und wir wurden sogar am selben Tag geboren.“

„Plappern Sie immer drauflos, wenn man Ihnen eine einfache Frage stellt, Signorina Caldwell?“, erkundigte er sich, ohne den Blick von ihr abzuwenden. „Oder machen Sie das nur, wenn Sie nervös sind?“

„Ich bin nicht nervös“, behauptete sie, musste allerdings zweimal schlucken und sich die Lippen befeuchten.

„Das sollten Sie aber sein. Sie haben gerade erfahren, dass Ihre Cousine Ihr Vertrauen missbraucht hat. Meinen Sie nicht, dass noch mehr unangenehme Überraschungen auf Sie warten?“

Gabriel Brabanti war zwar nur kurz mit Marcia verheiratet gewesen, allerdings offenbar lange genug, um sie gut zu kennen. Kein Wunder, dass sie ihm nicht noch einmal unter die Augen hatte treten wollen. „Bei Marcia wundert mich gar nichts mehr“, bemerkte Eve.

„Mich auch nicht. Vergessen Sie das nicht, falls Sie je versucht sein sollten, Marcia bei ihren Plänen zu unterstützen. Sicher hat sie Ihnen erzählt, was für ein furchtbarer Ehemann ich in ihren Augen war, aber sie hat keine Ahnung, was für ein erbitterter Gegner ich sein kann, wenn ich will.“ Nun kam er näher und machte einen Schritt auf die Babyschale zu. „So, jetzt möchte ich meine Tochter kennen lernen.“

Instinktiv hob sie diese hoch und außer Reichweite. „Sie schläft.“

„Das sehe ich. Aber es spielt keine Rolle, denn ich erwarte nicht, dass sie sich mit mir unterhält. Also geben Sie sie mir, per favore!“

„Hier?“ Sie blickte sich in der riesigen Eingangshalle um, die ihr kaum als der geeignete Ort erschien. „Haben Sie kein Kinderzimmer für sie?“

„Eine ganze Suite, Signorina“, antwortete Gabriel Brabanti mit einem amüsierten Unterton. „Machen Sie nicht so ein misstrauisches Gesicht. Ich möchte meine Tochter nur halten, nicht den Wölfen zum Fraß vorwerfen.“

Eve ließ den Blick zu seinen Händen schweifen. „Haben Sie schon einmal ein Baby im Arm gehabt? Sie müssen den Kopf stützen.“

„Ich weiß.“

„Und halten Sie sie gut fest. Babys haben eine angeborene Angst davor, fallen gelassen zu werden.“

„Ich habe nicht die Absicht, sie fallen zu lassen oder Ihnen gewaltsam zu entreißen. Aber allmählich verliere ich die Geduld. Nun geben Sie sie mir endlich, Signorina.“

Widerstrebend reichte sie ihm die Babyschale, die er daraufhin mühelos hochhob. „Das ist also mein Kind“, meinte er leise, während er Nicola ernst betrachtete. „Sie ist sehr klein.“

Klein? Sie war wunderschön, einfach perfekt! Wenn das alles war, was ihm einfiel, hatte er sie nicht verdient.

„Das sind die meisten Babys, Signor Brabanti“, erwiderte Eve mühsam beherrscht.

„Ja, wahrscheinlich.“ Langsam ging er durch die Eingangshalle und betrat einen Raum auf der linken Seite.

Eve folgte ihm in ein exquisit eingerichtetes Wohnzimmer. Sie war in genügend Museen gewesen, um zu wissen, dass die prachtvolle Stuckdecke, die eingebauten Schränke, die Teppiche und die Sofas aus Seide von unschätzbarem Wert waren. Es waren jedoch die Kombination aus Farben und Stoffen sowie die Antiquitäten selbst, die den Raum so einzigartig machten.

„Gibt es ein Problem, Signorina Caldwell?“ Gabriel blieb vor dem Kamin stehen. „Denken Sie, ein Kind kann in diesem Haus nicht herumtoben, ohne Angst haben zu müssen, dass es etwas kaputtmacht?“

Verlegen strich Eve sich über ihr Kostüm, das von der Reise ein wenig mitgenommen war. Auf dem Revers der Jacke war ein Fleck, weil Nicola während des Flugs ein wenig gespuckt hatte, und der Rock war zerknittert. „Nein, ich denke, dass ich in einem Raum wie diesem eigentlich ein Abendkleid tragen müsste.“

„Die Gelegenheit werden Sie bald haben, aber heute Abend können Sie so bleiben. Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass ich auch keinen Anzug trage.“

Natürlich war es ihr nicht entgangen! Sein Hemd, das nicht ganz zugeknöpft war, betonte seine breite Brust und gab den Blick auf seine gebräunte Haut frei. Seine schmalen Hüften und langen Beine kamen in den Jeans besonders gut zur Geltung.

Kurzerhand setzte er die Babyschale auf einem kunstvoll vergoldeten Beistelltisch ab. „Wie kann ich die Gurte lösen?“

„Sie müssen hier drücken.“ Schnell zeigte Eve es ihm. Bevor der Tisch irgendwelche Kratzer abbekam, hob sie dann Nicola aus der Schale und reichte sie ihrem Vater.

Ein wenig unbeholfen hielt er sie ein Stück von sich und betrachtete sie. Sein skeptischer Gesichtausdruck sprach Bände. Prompt streckte Nicola sich und protestierte lautstark.

Gabriel erstarrte. „Per carita! Sie windet sich ja wie ein Aal!“

„Halten Sie sie aufrecht“, schlug Eve vor.

„So?“ Vorsichtig hob er Nicola hoch, so dass ihr Kopf an seiner Schulter ruhte. Nun wandte sie den Kopf, barg das Gesicht an seinem Hals und machte suchende Bewegungen mit dem Mund.

Beim Anblick des zarten Babys in den Armen dieses dunkelhaarigen, kräftigen Mannes schnürte sich ihr die Kehle zu. Eve schluckte. „Ja, so ist es richtig.“

Gabriel verzog das Gesicht. „Warum sabbert sie jetzt?“

„Weil sie Hunger hat. Ich habe eine Flasche Milch dabei. Wenn Sie mir sagen, wo die Küche ist, mache ich sie warm und füttere die Kleine.“

Er zeigte auf eine Kordel, die neben dem Kamin herunterhing. „Klingeln Sie nach meiner Haushälterin. Sie macht die Milch warm. Ich füttere meine Tochter“, fügte er ausdruckslos hinzu. „Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt, indem Sie sie hierher gebracht haben, Signorina. Nun übernehme ich.“

Seit ihrer Ausbildung hatte man sie nicht mehr so abgefertigt. „Na gut.“ Viel heftiger als nötig zog Eve an der Kordel. „Dann können Sie sie auch wickeln. Sie läuft nämlich gerade aus, falls Sie es noch nicht gemerkt haben. Und wenn Sie schon dabei sind, baden Sie sie ruhig.“

Unter anderen Umständen hätte sie seinen entsetzten Gesichtsausdruck komisch gefunden. Sie konnte allerdings nur an Marcias Warnung denken. Sieh zu, dass du dich von Anfang an behauptest … Gabriel Brabanti ist ein Hai und wird dich bei der erstbesten Gelegenheit lebendig verspeisen.

„Vielleicht erlaube ich Ihnen, sich ausnahmsweise noch einmal um sie zu kümmern“, meinte er widerstrebend.

„Sie erlauben mir, mich um meine eigene Nichte zu kümmern? Wie großzügig von Ihnen?“

Eine Sekunde zu lange funkelten sie sich wütend an, und in dem Moment knisterte es förmlich zwischen ihnen.

Auch Gabriel hatte es offenbar gespürt. „Verzeihen Sie, Signorina.“ Schnell drückte er ihr Nicola in die Arme und wich dann einige Schritte zurück. „Ich wollte nicht anmaßend sein. Ich werde in den nächsten Wochen genug Zeit haben, meine Tochter kennen zu lernen.“

„Wie Sie wollen.“ Eve war genauso durcheinander und atmete daher erleichtert auf, als eine mütterliche Frau mit einem freundlichen Gesicht erschien.

Gabriel, dem es anscheinend genauso ging, machte sie schnell miteinander bekannt: „Das ist Beryl, meine Haushälterin. Beryl, die Mutter meiner Tochter ist doch nicht gekommen. Signorina Caldwell begleitet die Kleine.“

Falls die Haushälterin überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken. „Sì, Signore.“

Er blickte wieder zu Nicola, die inzwischen zu schreien begonnen hatte. „Was glauben Sie, wie lange es dauert, sie für die Nacht fertig zu machen, Signorina Caldwell?“, fragte er laut.

„Mindestens eine Stunde.“

Er sah zu der großen Pendeluhr an der Wand. „Dann setzen wir uns um halb zehn zu Tisch.“

„Ich würde lieber eine Kleinigkeit in meinem Zimmer essen.“

„Treiben Sie es nicht zu weit, Signorina! Ich habe heute schon genug Zugeständnisse gemacht.“

„Und ich war fast zwei Tage unterwegs.“

Einen Moment lang sah es so aus, als würde es wieder auf eine Konfrontation hinauslaufen. Schließlich atmete Gabriel tief durch und erwiderte: „Ja, Sie haben Recht. Beryl, würden Sie Signorina Caldwell bitte in die Suite bringen, die Sie hergerichtet haben, und dafür sorgen, dass sie alles hat, was sie braucht?“

„Natürlich, Signore. Soll ich gleich eine leichte Mahlzeit für sie bestellen?“

„Ich rede mit Fabroni.“ Alarmiert betrachtete er seine Tochter. „Sie haben bestimmt genug zu tun.“

„Also gut.“ Beryl lächelte Eve an. „Kommen Sie mit, Signorina.“

Nachdenklich blickte Gabriel seinem Gast nach. Er bezweifelte nicht, dass seine Exfrau irgendetwas im Schilde führte. Keine normale Mutter hätte ein so kleines Baby für eine so weite Reise in die Obhut einer anderen Person gegeben, egal, wie vertrauenswürdig und tüchtig diese war.

Die Frage war, welche Rolle die Cousine spielte. War sie für Marcia nur eine Schachfigur, oder verbarg sich hinter ihren großen grauen Augen auch eine Intrigantin?

Gabriel lächelte grimmig. Marcia würde es niemals schaffen, ihn zu manipulieren. Er würde ihre wahren Beweggründe herausfinden, und wenn eine der beiden Frauen glaubte, ein hilfloses Baby benutzen zu können, um ihr Ziel zu erreichen, würde sie ihr blaues Wunder erleben.

2. KAPITEL

Beryl führte sie nach oben und dort einen breiten Flur entlang zu einer Flügeltür am Ende. „Da sind wir, Signorina. Es ist die Turmsuite. Sie ist sehr gemütlich, und man hat einen wunderschönen Ausblick. Signor Brabanti hat mir bei der Einrichtung des Kinderzimmers freie Hand gelassen. Ich denke, Sie werden alles finden, was Sie brauchen, aber es ist lange her, seit ich das letzte Mal für ein Baby eingekauft habe.“ Sie öffnete die Türen und machte ihr Platz. „Nach Ihnen, meine Liebe.“

Als Eve über die Schwelle trat, fand sie sich in einem Wohnzimmer wieder, das ganz in Aquamarinblau und Creme gehalten war. Sprachlos blickte sie sich um und musste dabei an Marcias Worte denken, dass Gabriel Brabanti seine Gäste nach Strich und Faden verwöhnte. Der Raum war größer als ihre ganze Wohnung.

„Das ist Ihr eigenes Wohnzimmer“, erklärte Beryl, die ihr Schweigen offenbar falsch deutete.

„Ja.“ Eve blinzelte verwirrt.

„Sie sind ein wenig überrascht, stimmts?“

„Sehr sogar. Es ist … wie in einem Palast.“

„Warum geben Sie mir nicht das Baby? Dann können Sie sich umsehen.“

„Gern.“

Beryl nahm Nicola entgegen. „Das Schlafzimmer ist am Ende des Flurs, hinter der Tür dort, und mit dem Kinderzimmer durch ein Bad verbunden. Dahinter befindet sich eine kleine Küche. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie noch etwas brauchen.“

„Ich glaube nicht, dass Sie etwas vergessen haben.“ Noch immer ganz durcheinander, ging Eve durchs Wohnzimmer und betrachtete dabei die kunstvollen Stuckarbeiten an der Decke und den Wänden und die geschnitzten Kassetten in den Türen. Neben einer Tür, die zu einem Balkon führte, standen ein antiker Damensekretär und ein dazu passender Stuhl. Zwischen zwei hohen Erkerfenstern hingen wunderschön gerahmte alte Drucke, flankiert von venezianischen Wandleuchtern.

Sie entdeckte jedoch auch einige moderne Gegenstände – ein Telefon auf dem Sekretär, eine Leselampe aus Messing, frische Blumen in einer Kristallvase auf dem niedrigen Tisch vor der Couch, einen Stapel Taschenbücher auf einem Regal neben dem Marmorkamin sowie eine Fernbedienung für den Fernseher und die Stereoanlage, die in einem Rosenholzschrank untergebracht waren.

Das Schlafzimmer war genauso beeindruckend. Es war cremefarben gestrichen, hatte die gleichen Erkerfenster und war mit einem geschnitzten Schrank und einem ähnlichen Himmelbett möbliert. Dies war so hoch, dass man eine Fußbank benutzen musste, um hineinzukommen.

Während diese beiden Räume an eine vergangene Ära erinnerten, war das marmorne Bad ausgesprochen modern. Es verfügte über eine Eckdusche sowie einen großen Whirlpool, und selbst die Toilette und das Bidet bestachen durch das elegante Design. Auch die vergoldeten Armaturen, die flauschigen Handtücher und die zahlreichen Flaschen mit Badeöl, Puder und Cremes zeugten von Luxus.

„In dem Eckschrank ist eine Babywanne, die genau neben das Waschbecken passt“, sagte Beryl, die auf der Schwelle stehen geblieben war. „Der Whirlpool ist ohnehin viel zu groß.“

„Sie haben Recht.“ Eve lachte und blickte sie in dem Spiegel über dem langen Frisiertisch an. „Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Beryl?“

„Solange Sie sich nicht nach meinem Gewicht erkundigen“, scherzte die Haushälterin.

„Wie kommt es, dass Sie fließend Englisch und so gut Italienisch sprechen?“

„Ich stamme aus Manchester in England.“

„Und was hat Sie nach Malta verschlagen?“

„Mein Mann ist anlässlich unserer silbernen Hochzeit mit mir hierher gereist, und wir haben uns beide in die Insel verliebt. Er ist kurz danach gestorben. Da mich in England nichts mehr gehalten hat, habe ich seine Asche hier begraben und mir hier ein neues Leben aufgebaut. Das war vor elf Jahren, und ich habe es nie bereut.“

„Das klingt, als hätten Sie beide sich sehr geliebt.“

„O ja! Es war ganz anders als beim Signore. Seine Frau … Entschuldigen Sie, wenn ich das sage, Miss Caldwell, sie ist ja Ihre Cousine, aber man konnte ihr nichts recht machen.“

„Marcia kann sehr schwierig sein.“

Beryl presste die Lippen zusammen. „So kann man es auch nennen. Schlimm ist nur, dass es ein Kind gibt.“ Ihre Stimme klang sanfter, als sie fortfuhr: „Die Kleine ist zwar wunderschön und ganz süß, aber ein bisschen klein für ihr Alter. Bekommt sie genug zu essen?“

„Schwer zu sagen. Ich kenne sie erst seit ein paar Tagen und bin mit ihren Essgewohnheiten noch nicht so vertraut, weil wir die meiste Zeit unterwegs waren. Im Vergleich zu manchen der Babys, die ich jeden Tag sehe, wirkt sie allerdings kerngesund.“

„Und sie hat etwas Besseres verdient, als von ihren Eltern als Druckmittel eingesetzt zu werden.“

Am liebsten hätte Eve sie darauf hingewiesen, dass in der Hinsicht wohl wenig Gefahr bestand, weil Gabriel sich doch kaum für seine Tochter interessierte. Doch was hätte es genützt? Beryl war ihm gegenüber loyal und sie ihrer Cousine gegenüber.

„Jetzt muss sie erst einmal gewickelt und gefüttert werden“, erklärte Eve. „Macht es Ihnen etwas aus, nach unten zu gehen und ihre Flasche warm zu machen, während ich sie schnell bade?“

„Das ist nicht nötig, meine Liebe. In der Küche finden Sie einen Flaschenwärmer und einen kleinen Kühlschrank. Hier, nehmen Sie sie, und ich lasse Wasser in die Wanne laufen. Dann mache ich die Flasche warm, während Sie sie baden. Ich möchte mich nicht ständig einmischen, aber Sie sind bestimmt müde von der langen Reise.“

Tatsächlich fühlte sie sich inzwischen so erschöpft, als hätte sie gerade eine Vierundzwanzigstundenschicht hinter sich. „Sie sind wirklich ein Schatz, Beryl“, erwiderte sie daher. „Vielen Dank für alles.“

„Das tue ich gern, Miss Caldwell. Übrigens gibt es eine Glocke neben dem Kamin in Ihrem Wohnzimmer und eine im Kinderzimmer. Wenn Sie etwas brauchen, können Sie jederzeit klingeln.“

„Momentan fallen mir nur zwei Dinge ein. Erstens: Könnten Sie mir bitte die Wickeltasche bringen? Und zweitens: Würden Sie mich bitte Eve nennen?“

„Ich bin mir nicht sicher, ob der Signore damit einverstanden wäre“, antwortete Beryl, bevor sie Wasser in die Wanne ließ und zwei Handtücher neben einen Korb mit Waschutensilien für Babys legte. „Seine Exfrau war für die Angestellten immer ‚Signora Brabanti‘, obwohl sie wie Sie Amerikanerin und nicht so förmlich wie er war.

„Ich bin aber nicht Signor Brabantis Frau.“

„Nein, leider! Sie sind sehr bodenständig, was man von ihr nicht gerade behaupten konnte.“ Beryl seufzte und warf einen Blick auf ihre Uhr. „Ich habe schon mehr gesagt, als ich eigentlich sollte. Jetzt hole ich Ihnen die Wickeltasche. Wann soll ich Ihnen Ihr Essen bringen lassen? Gleich ist es neun.“

„Gegen zehn? Bis dahin schläft Nicola bestimmt, und vielleicht schaffe ich es vorher sogar noch, zu duschen.“

Eve schaffte es tatsächlich noch, zu duschen. Sie hatte sich gerade das Haar geföhnt, als es an der Tür klopfte. Schnell verknotete sie den Gürtel ihres Morgenmantels, bevor sie hinging, um zu öffnen. Sie rechnete damit, Beryl oder einem anderen Mitglied der Belegschaft gegenüberzustehen.

Es war jedoch Gabriel. Er lächelte verhalten und hielt ein Tablett in Händen. Eve wusste nicht, was sie mehr beunruhigte – dass er es war oder dass er lächelte, denn es war ein Lächeln, das ihr eine Gänsehaut verursachte.

Gabriel hatte ebenfalls geduscht und trug jetzt ein weißes Hemd und eine schmal geschnittene schwarze Hose. Sein dichtes schwarzes Haar war noch etwas feucht und wellte sich im Nacken. Die blendend weißen Zähne bildeten einen faszinierenden Kontrast zu seiner gebräunten Haut.

Wieder musste sie an Marcias Warnung denken. Ihre Cousine hatte ihn mit einem Hai verglichen – wie passend!

Ohne sich der Wirkung, die er auf sie ausübte, bewusst zu sein, kam Gabriel herein und stellte das Tablett auf den Couchtisch. „Ich habe keine Ahnung, wie es Ihnen geht, Signorina“, sagte er, während er das weiße Leinentuch abnahm, „aber ich sterbe vor Hunger. Wir haben hier insalata mit Flusskrebsen, warme Brötchen und Butter, Feigen, Trauben, verschiedene Käsesorten, Mandelkuchen …“ Er nahm eine Flasche aus einem Eiskühler. „Und einen hervorragenden Wein.“

Eve riss sich zusammen. Dann folgte sie ihm und betrachtete das Tablett mit dem Essen und dem Geschirr. „Warum gibt es von allem zwei?“

„Scusi?“

„Nun tun Sie nicht so unschuldig! Ich sehe zweimal Besteck, zwei Teller, zwei Gläser, zwei …“

Gabriel zog die Brauen hoch. „Trinken Sie etwa keinen Wein?“

„Doch“, erwiderte sie gereizt.

„Buono! Dann haben wir außer dem Interesse am Wohlergehen meiner Tochter noch etwas gemeinsam.“ Er schenkte beide Gläser halb voll und reichte ihr eins. „Wie geht es ihr eigentlich? War es schwierig, sie zum Schlafen zu bringen?“

„Nein. Sie war sehr müde.“ Eve machte eine bedeutungsvolle Pause und funkelte ihn ärgerlich an. „Genau wie ich.“

„Das überrascht mich nicht. Sie haben eine weite Reise hinter sich.“

„Genau. Deswegen haben Sie sicher Verständnis dafür, dass ich jetzt keinen Gast haben möchte.“

„Ich bin Ihr Gastgeber, Signorina.“

„Das ist mir klar. Aber ich bin nicht angezogen …“

Gabriel machte eine wegwerfende Geste. „Was Sie anhaben, spielt keine Rolle.“

Für ihn vielleicht nicht. Sie fühlte sich ihm allerdings unterlegen, weil der dünne Stoff ihres Nachthemds und ihres Morgenmantels mehr preisgab, als ihr lieb war. „Warum sind Sie hier? Sicher nicht nur, weil Sie meine Gesellschaft schätzen.“

„Wir müssen miteinander reden.“

„Jetzt?“ Eve blickte demonstrativ zu der antiken Uhr auf dem Sekretär. „Hat das nicht Zeit bis morgen? Ich bin sehr müde.“

„Sie wollten doch eine Kleinigkeit essen, oder?“

„Sicher. Allerdings würde ich das nicht als Kleinigkeit bezeichnen.“ Sie deutete auf das Tablett.

„Aber jetzt essen Sie etwas, nicht?“

„Natürlich. Sonst hätte ich Ihrem Küchenpersonal die Arbeit bestimmt nicht zugemutet.“

„Dann können wir ja zusammen essen und dabei etwas mehr übereinander erfahren.“

Gabriel würde nicht nachgeben. Das war nicht seine Art. Er schaffte es, seine Mitmenschen einzuschüchtern, ohne dass es ihnen bewusst war. Und ihm war klar, dass er hier, auf seinem Terrain, das letzte Wort hatte.

Sie war bei ihm zu Gast und vertrat die Mutter seiner Tochter. Daher hatte sie nur wenig Rechte. Und selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, hätte sie nicht mehr die Kraft gehabt, sich zu widersetzen. „Von mir aus“, sagte Eve deshalb und setzte sich in eine Ecke des Sofas, wobei sie den Morgenmantel zusammenraffte.

„Schon besser.“ Gabriel nahm neben ihr Platz und stieß mit ihr an. „Willkommen auf Malta, Signorina Caldwell. Möge Ihr Besuch sich für alle Beteiligten als angenehm erweisen!“

„Falls Ihre Vorstellung von Gastfreundschaft darin besteht, einfach in die Zimmer Ihrer Gäste einzudringen, wird es das bestimmt für keinen von uns.“

Er zuckte die breiten Schultern und tat einen Servierlöffel in den Krebssalat. „Das wird sich zeigen. Darf ich Ihnen hiervon auffüllen?“

„Nein, danke. Ich nehme mir selbst.“

„Wie Sie wünschen, Signorina.“

„Ich wünsche mir noch etwas“, erklärte Eve gereizt. „Bitte sagen Sie nicht ständig Signorina zu mir. Da ich Sie mit ‚Gabriel‘ ansprechen werde, können Sie mich genauso gut Eve nennen.“

„Und wenn ich nicht damit einverstanden bin?“

„Dann tue ich es trotzdem. Wie ich Sie hinter Ihrem Rücken nenne, hängt davon ab, ob wir miteinander auskommen oder nicht.“

Zu ihrer Überraschung lachte er daraufhin. Plötzlich wirkten seine ansonsten kühlen blauen Augen richtig warm und seine Lippen weich. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass er noch schöner sein konnte, doch nun wurde sie eines Besseren belehrt. Es war kein Wunder, dass Marcia sich Hals über Kopf in ihn verliebt und ihn geheiratet hatte, auch wenn die Ehe nur von kurzer Dauer gewesen war. Abgesehen von seinem umwerfenden Äußeren, besaß Gabriel einen ganz besonderen Charme, mit dem er vermutlich jeder Frau das Herz brechen konnte.

Verwirrt über diese Erkenntnis und sich überdeutlich seiner Nähe bewusst, versuchte Eve, sich aufs Essen zu konzentrieren, und nahm sich etwas Salat und ein Stück Käse.

Gabriel betrachtete ihren Teller. „Erzählen Sie mir nicht, dass Sie zu den Frauen gehören, die jede Kalorie zählen.“

„Nein, wenn Sie mir sagen, dass Sie nicht zu den Männern gehören, die ständig ungefragt Ratschläge geben.“

Er unterdrückte ein Lachen und betrachtete ihr Gesicht. „Nein. Aber ich bin ein Mann, der Frauen mit Kampfgeist bewundert.“ Seine Worte waren wie eine Liebkosung.

Die Kehle war ihr plötzlich wie zugeschnürt und ihr Mund ganz trocken. Außerdem durchzuckte es sie heiß, was Eve am meisten verstörte. Verärgert über die verräterische Reaktion ihres Körpers, erwiderte sie: „Warum sind Sie dann nicht mit meiner Cousine verheiratet geblieben? Sie hatte Kampfgeist für zehn.“

„Da bin ich anderer Meinung. Marcia spielt zwar die Frau von Welt, ist im Grunde jedoch ein charmantes, aber verzogenes Kind, das andere manipuliert.“

Dass Gabriel ebenso scharfsinnig wie attraktiv war, überraschte sie nicht. Es erinnerte sie allerdings daran, dass sie ihn nicht unterschätzen durfte. „Am Scheitern einer Ehe sind immer zwei beteiligt, oder?“

„Vielleicht“, meinte er. „Ich gebe natürlich zu, dass ich auch dazu beigetragen habe. Ich hatte es satt, auf eine vermeintlich erwachsene Frau aufzupassen, und ihre Versuche, mich auszutricksen, haben mich gelangweilt. Ich hätte sie nie heiraten sollen.“

„Und warum haben Sie es dann getan?“

„Weil sogar ich manchmal nicht bei Verstand bin. Marcia hat die Gesellschaft von Valletta im Sturm erobert. Eine Weile war ich genauso fasziniert von ihr wie alle anderen. Ich hätte wissen müssen, dass die kulturellen Unterschiede irgendwann ein unüberwindbares Hindernis darstellen würden. Wie schmeckt der Salat?“

„Hervorragend, danke. Was meinen Sie denn mit ‚kulturelle Unterschiede‘?“

„Wir hatten einen völlig unterschiedlichen Geschmack und daher überhaupt keine Gemeinsamkeiten.“

„Womit Sie höflich ausdrücken wollen, dass sie nicht kultiviert genug für Sie war.“

„Legen Sie mir keine Worte in den Mund, Signorina. Ich habe damit nur gemeint, dass sie nicht einsehen wollte oder konnte, dass hier vieles anders gemacht wird. Malta wird von vielen als der Ort betrachtet, wo Osten und Westen aufeinander treffen. Zuerst hat Marcia behauptet, dieser Aspekt unserer Gesellschaft würde sie faszinieren, aber sie ist dessen bald überdrüssig geworden und hat sich beschwert, wir wären nicht amerikanisch genug.“

„Vielleicht weil sie Heimweh hatte.“

„Wahrscheinlich. Und hinzu kam, dass sie an mir genauso schnell das Interesse verloren hat wie an allem anderen hier.“ Gabriel schenkte ihnen Wein nach. „Sie wirkten etwas bestürzt? Habe ich Sie beleidigt?“

„Nein“, erwiderte Eve. „Das ist ja das Problem. Sie beschreiben Marcia so treffend, dass ich sie gar nicht verteidigen kann.“

„Dann müssen Sie mir etwas sagen.“ Er rückte ein Stück näher, und der Duft seines After Shaves betörte ihre Sinne. Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt und ihn berührt.

„Ja?“ Entsetzt stellte sie fest, wie erwartungsvoll es klang.

„Warum sind Sie an ihrer Stelle gekommen?“

Eve kehrte so abrupt auf den Boden der Tatsachen zurück, dass sie sich beinah an einem Bissen verschluckt hätte. „Das sagte ich Ihnen doch bereits.“ Sie schluckte schnell. „Weil wir Cousinen sind.“

„Ich weiß, was Sie mir erzählt haben, Eve“, erwiderte Gabriel ruhig. „Jetzt möchte ich den wahren Grund erfahren. Was führt Marcia im Schilde?“

„Nichts.“ Mit einer Serviette tupfte sie sich die Lippen ab. „Sie möchte Sie nur nicht wiedersehen, das ist alles.“

„Tatsächlich?“, fragte er ungläubig. „Das bezweifle ich.“

„Ich verstehe Sie nicht. Sie haben doch praktisch zugegeben, dass Sie ihre Gegenwart nicht länger als fünf Minuten ertragen könnten. Also warum sollte es dann umgekehrt nicht auch der Fall sein? Geschiedene sind normalerweise nicht gerade die besten Freunde.“

„Aber wenn sie Kinder haben, stellen sie deren Interessen oft über ihre eigenen.“

„Das hat Marcia ja auch getan, indem sie sich damit einverstanden erklärt hat, dass Nicola den Sommer bei Ihnen verbringt.“ Eve unterdrückte ein Gähnen. Dann schob sie ihren Teller zurück und wollte aufstehen. „Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich bin wirklich sehr müde. Also …“

„Ihre Argumentation hinkt.“ Gabriel hielt sie zurück, indem er ihr Handgelenk umfasste. „Marcia ist jemand, der lieber allein im Rampenlicht steht. Warum sollte sie also Sie damit beauftragen, ihr Baby vorzuführen?“

Seine Berührung verbrannte sie förmlich, und wieder durchzuckte es sie heiß. „In diesem Fall“, antwortete Eve ein wenig atemlos, „hatte es wohl damit zu tun, dass sie länger bleiben sollte. Sie hat wieder geheiratet, wie Sie ja wissen, und …“

„Das wusste ich nicht.“

„Ach, du meine Güte!“ Sie merkte, wie schockiert er war. „Das tut mir sehr Leid. Ich dachte, sie hätte es Ihnen erzählt.“ Ungläubig blickte sie ihn an. „Sie hat es wirklich nicht erwähnt?“

„Kein Wort.“

„Das verstehe ich nicht.“

„Ich schon. Nun, da sie einen neuen Mann gefunden hat, soll ich ganz von der Bildfläche verschwinden und meine Tochter zu einem anderen ‚Papa‘ sagen.“

Gabriel verstärkte seinen Griff, so dass Eve zusammenzuckte. „Sie tun mir weh, Gabriel. Bitte lassen Sie mich los.“

Er senkte den Blick. „Dio!“, rief er bedauernd und ließ sie sofort los. „Das habe ich gar nicht gemerkt … Verzeihen Sie!“ Als er sah, dass ihr Handgelenk gerötet war, strich er mit dem Daumen darüber. „Ihre Haut ist so zart, so durchscheinend. Wie konnte ich nur so brutal sein?“

„Sie waren schockiert.“ Ihr war klar, wie naiv es wäre, zu glauben, dass seine Worte etwas zu bedeuten hatten. Dennoch raste ihr Puls, und sie atmete schneller. „Wenn ich geahnt hätte, dass Marcia Ihnen nicht von Jason erzählt hat, hätte ich es Ihnen taktvoller beigebracht.“

Daraufhin öffnete er ihre Hand. „Marcia glaubt also, sie wäre wieder verliebt?“

„Es sieht ganz so aus.“

„Und wann hat sie geheiratet?“

„Ich glaube, Anfang letzten Monats.“

„Sie glauben es? Heißt das, Sie waren nicht zur Hochzeit eingeladen?“

„Nein. Soweit ich weiß, war es eine ganz schlichte Zeremonie, bei der nur die beiden Trauzeugen anwesend waren. Ich lebe in Chicago, und dafür hätte sich die weite Reise nach New York nicht gelohnt.“

„Und was haben Sie für einen Eindruck von ihrem neuen Mann?“

„Ich bin ihm noch nicht begegnet. Als ich Nicola abgeholt habe, war er nicht in der Stadt. Wir telefonieren manchmal miteinander. Er scheint ganz nett zu sein.“

„Er muss außergewöhnlich sein, wenn Marcia seinetwegen ihr Kind allein lässt.“

„So einfach liegen die Dinge nicht. Er ist gerade mit einem Theaterstück, das er geschrieben hat, auf Tournee, und da Marcia sowohl seine Frau als auch seine Agentin ist, möchte sie ihn begleiten.“

„Ausgerechnet jetzt, wo ich meine Tochter sehen wollte? Wie passend!“

„Ja, das war es wirklich. So musste Marcia sie nicht mitnehmen.“

„Und kann sich nun darauf konzentrieren, das unentdeckte Genie zu vertreten, das sie geheiratet hat, ohne von einem vier Monate alten Baby gestört zu werden, meinen Sie?“

„Nein, das tue ich nicht.“ Eve entzog ihm ihre Hand. „Sie musste sich entscheiden. Sie sollten ihr zugute halten, dass sie sich bei dieser Ehe mehr Mühe gibt.“

„Auf Kosten unseres Kindes?“

„Ach, kommen Sie, Gabriel! Das klingt ja, als hätte sie Nicola einer Fremden anvertraut. Ich versichere Ihnen, dass sie bei mir in guten Händen ist, und so streitlustig, wie Sie sind, können Sie froh sein, dass ich hier bin und nicht Marcia.“

„Sie haben Recht.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Und Sie können offenbar gut mit Nicola umgehen.“

„Kein Wunder. Ich habe im Lauf der Jahre mit vielen Babys zu tun gehabt.“

„Ah! Sie haben eigene Kinder?“

„Nein. Ich war nie verheiratet.“

„Das eine schließt das andere nicht aus.“

„Für mich schon“, informierte Eve ihn ausdruckslos. „Ich gehöre zu den altmodischen Menschen, die an eine heile Familie glauben.“

„Wie erfrischend!“ Sein Lächeln war überaus charmant, doch in seinen Augen lag ein wachsamer Ausdruck. „Haben Marcia und Sie eigentlich irgendetwas gemeinsam?“

„Ja“, erwiderte sie. „Wir lieben beide Nicola und wollen das Beste für sie.“

„Dem kann ich kaum widersprechen, stimmts?“ Gabriel nahm ihre Hände und zog sie hoch, als er aufstand. Sie reichte ihm kaum bis zur Schulter. „Ich möchte noch einmal nach meiner Tochter sehen, bevor ich gehe. Kommen Sie mit?“

Zusammen gingen sie dann ins Kinderzimmer. Auf der Kommode stand eine Lampe, die den Raum in sanftes Licht tauchte. Nicola lag auf dem Rücken in der Wiege, die kleinen Arme ausgestreckt und die Händchen fest zu Fäusten geballt.

Gabriel stützte sich auf die Wiege und betrachtete sie mit unergründlicher Miene. „Schläft sie schon durch?“

„Nein. Gegen Mitternacht und zwischen zwei und drei muss sie noch einmal gefüttert werden.“

„Dann will ich Sie nicht länger aufhalten.“ Er berührte Eves Arm. „Morgen müssen Sie sich ausruhen. Ich werde eine Stunde mit ihr verbringen, bevor ich ins Büro fahre, und noch eine, wenn ich am Nachmittag nach Hause komme. Ansonsten wird Beryl sich um sie kümmern.“

„Das ist nicht nötig. Ich bin es gewohnt, wenig zu schlafen, weil ich im Schichtdienst arbeite.“

Sie standen dicht beieinander und flüsterten. Es war eine ausgesprochen intime Situation. „Ich schätze“, sagte Gabriel und sah ihr dabei tief in die Augen, „dass Sie es auch gewohnt sind, für andere in die Bresche zu springen, egal, um welchen Preis.“

„Ich tue, was getan werden muss, aber ich bin keine Heilige.“

„Ich bin auch kein Heiliger.“ Sein Blick jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Vergessen Sie das nicht.“

3. KAPITEL

Friedlich lag die Villa im Mondlicht. Selbst die kleine Nicola hatte aufgehört zu schreien und war eingeschlafen. Nur er, Gabriel, ging nervös in seinem Arbeitszimmer auf und ab, während die Nacht sich allmählich dem Ende zuneigte.

Selbst die zwei Gläser Whisky, die er getrunken hatte, machten ihn nicht ruhiger. Sein Verdacht, dass Marcia irgendetwas im Schilde führte, hatte sich an diesem Abend erhärtet.

Obwohl er nicht einmal ein Jahr mit ihr verheiratet gewesen war, kannte er sie gut. Sie war egoistisch und verschlagen, eine skrupellose Lügnerin. Und ihre Cousine wusste es, auch wenn sie ihre Rolle gut spielte und ganz unschuldig tat. Sie verschwieg ihm ebenfalls die Wahrheit, doch es würde nicht schwer sein, sie als Schwindlerin zu entlarven, denn trotz ihres beherzten Auftretens war sie verletzlich – und sehr empfänglich für ihn. Er hatte gemerkt, wie sie errötete und ihr Puls sich beschleunigte, als er sie berührte.

Anders als ihre Cousine hatte Eve Caldwell allerdings nicht viel Erfahrung mit Männern. Es dürfte ihm daher nicht schwer fallen, ihre Geheimnisse aufzudecken und sie zu verführen, so dass sie seine Verbündete wurde.

Diese Erkenntnis hätte ihn eigentlich beruhigen müssen. Stattdessen verachtete Gabriel sich selbst, weil es seinem Sinn für Anstand widersprach, sich auf das Niveau seiner Exfrau hinabzubegeben, um das Wohlergehen seiner Tochter zu gewährleisten. Trotzdem musste er es tun.

In den nächsten Tagen brachte Eve ihre Nichte zu den vereinbarten Zeiten zu Gabriel, und er hielt diese pflichtbewusst im Arm, erkundigte sich nach ihrem Befinden und überreichte sie ihr wieder sichtlich erleichtert, wenn die Stunde vorüber war.

Angesichts seines Unbehagens in Gegenwart seiner Tochter fragte sich Eve, warum er sich überhaupt mit dieser befasste. Eigentlich hatte sie mehr von ihm erwartet, zumal er als Italiener aus einem Land kam, in dem Kinder einen besonders hohen Stellenwert hatten. Gegen Ende der ersten Woche stellte sie allerdings fest, dass er lockerer wurde und sogar so etwas wie Zuneigung seiner Tochter gegenüber erkennen ließ.

Ansonsten sah sie Gabriel nur selten. Das Frühstück und das Mittagessen nahm sie allein in ihrer Suite ein, und als er vier Abende nacheinander wegen geschäftlicher Probleme länger arbeiten musste, aß sie auch allein zu Abend. War sie jedoch einmal allein mit ihm im Raum, war die Atmosphäre immer äußerst spannungsgeladen. Obwohl ihr einziges Gesprächsthema Nicola war, übermittelte der Ausdruck in seinen Augen ihr stets eine ganz andere Botschaft, wenn ihre Blicke sich begegneten. Das Versprechen in seinen blauen Augen ließ sie unvorsichtig werden, sein Lächeln machte sie schwindelig.

Manchmal berührten sie sich zufällig, wenn sie sich die Kleine überreichten. In diesen Momenten fühlte Eve sich Gabriel schutzlos ausgeliefert und verspürte ein ebenso erregendes wie erwartungsvolles Prickeln.

All das änderte sich am Dienstag, zu Beginn ihrer zweiten Woche auf Malta. Um halb acht Uhr morgens erschien Beryl mit einer Kanne Kaffee in ihrer Suite und bestand darauf, sich um Nicola zu kümmern.

„Sicher können Sie das jetzt gut gebrauchen“, erklärte sie, während sie erst Sahne und dann den Kaffee in eine Porzellantasse schenkte. „Ich habe die Kleine heute Morgen gegen zwei wieder schreien hören. Die Arme hatte offenbar Koliken.“

„Tut mir Leid, dass Sie sie auch geweckt hat“, erwiderte Eve.

„Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Schließlich waren Sie die halbe Nacht auf. Trinken Sie Ihren Kaffee draußen.“

Eve trat auf den Balkon vor ihrem Schlafzimmer und atmete tief die frische Luft ein. Die Kalksteinmauern des Hauses schimmerten gelb in der Morgensonne, und unter ihr fiel der mit unzähligen tropischen Pflanzen bewachsene Garten sanft zum hellen Strand ab, hinter dem sich das tiefblaue Mittelmeer erstreckte. Hoch oben am Himmel zeichnete sich der Kondensstreifen eines Flugzeugs ab, und hinter sich hörte sie, wie Beryl leise mit Nicola sprach.

Kurz darauf erschien diese auf der Schwelle, mit Nicola, die in ein Handtuch gewickelt war, auf dem Arm. „Übrigens habe ich vergessen, Ihnen zu sagen, dass Signor Brabanti heute gern um neun mit Nicola und Ihnen frühstücken möchte.“

Sofort schlug Eves Puls schneller. „Dann fährt er heute später ins Büro?“

„Nein, er hat sich heute freigenommen, um den Tag mit Ihnen zu verbringen.“

Das Herz schlug Eve nun bis zum Hals. „Ich dachte, er hätte Probleme bei der Arbeit und würde dort gebraucht werden.“

„Er kann tun und lassen, was er will, meine Liebe. Schließlich ist er der Boss.“

Ja, natürlich war er das! Die Vorstellung, dass er einen Vorgesetzten hatte, war wirklich lächerlich – und die Aussicht darauf, den Tag mit ihm zu verbringen, beinah alarmierend!

Es war schlimm genug, dass die Erinnerung an sein Gesicht und seine Berührung sie nachts genauso wach hielt wie Nicolas Geschrei. Eve fühlte sich unbehaglich bei dem Gedanken, sich stundenlang zusammenreißen zu müssen, wo schon die Erwähnung seines Namens genügte, um sie völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Während sie ihre Tasse umfasste und sich an das Geländer lehnte, überlegte sie, was Gabriel dazu bewogen haben mochte, den Tag mit Nicola und ihr zu verbringen.

Als hätte sie ihn mit ihren Gedanken heraufbeschworen, nahm sie plötzlich eine Bewegung in der kleinen Bucht wahr und sah ihn im nächsten Augenblick aus den Wellen auftauchen. Das Wasser rann an ihm hinunter, und er erinnerte sie an einen Meeresgott aus der Mythologie – nur dass er eine sehr knappe Badehose trug.

Ohne sie zu bemerken, schlenderte er an den Strand und hob sein Handtuch hoch, das hinter einem Felsen gelegen hatte. Aus Angst, seine Aufmerksamkeit zu erregen, lehnte Eve sich nun an die Wand, unfähig, den Blick von ihm abzuwenden, als er sich abtrocknete.

Zu ihrem Entsetzen richtete er sich dann unvermittelt auf und sah direkt zu ihr herauf. Wie erstarrt stand sie da und hätte beinah aufgeschrien, weil es ihr so peinlich war. Er hingegen wirkte völlig ungerührt. Lässig schlang er sich das Handtuch um die Hüften und hob die Hand zum Gruß. „Kommen Sie runter zum Schwimmen, bevor es zu heiß wird“, rief er.

Als könnte ihr noch heißer werden! Bereits jetzt hatte sie das Gefühl, am ganzen Körper zu glühen. Wie sollte sie Gabriel je wieder in die Augen sehen?

„Wenn Sie vor dem Frühstück schwimmen wollen, warten Sie lieber nicht zu lange“, verkündete Beryl, die nun wieder mit Nicola auf der Schwelle erschien.

Eve überlegte, ob sie Kopfschmerzen vorschützen sollte, doch was hätte es für einen Sinn gehabt? Irgendwann würde sie Gabriel schließlich wieder begegnen. Und warum war sie so befangen? Wenn jemand verlegen sein musste, dann er! Schließlich war er praktisch nackt vor ihr herumspaziert.

Das sagte sie sich immer wieder, während sie duschte und sich anzog. Als sie allerdings den Frühstücksraum betrat und Gabriel dort beim Zeitunglesen antraf, war sie sofort wieder verunsichert.

Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Er ist nur ein Mann. Zügle deine Fantasie, und stell dir vor, er wäre einer deiner Patienten.

„Avanti, prego, Signorina!“, ließ Gabriel sich hinter seiner Zeitung vernehmen. „Sie können ruhig hereinkommen. Ich beiße nicht.“

Sie kam sich wie eine Idiotin vor, als sie zum Tisch ging. „Ich habe Nicola mitgebracht“, erklärte sie. „Bestimmt sind Sie bereit für ihren morgendlichen Besuch.“

„Assolutamente!“ Er nahm ihr die Babyschale ab und stellte sie auf den Stuhl neben sich. Nachdem er Nicola einen Moment lang zärtlich betrachtet hatte, lächelte er Eve strahlend an. „Vor allem aber möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen.“

„Bei mir? Warum?“ Zum Glück kam er um den Tisch herum, um ihr einen Stuhl zurechtzurücken, denn sie hatte plötzlich ganz weiche Knie. Kein Mann hatte das Recht, so umwerfend auszusehen.

„Weil Sie mein Gast sind und ich Sie vernachlässigt habe. Das möchte ich jetzt wieder gutmachen.“

„Sie brauchen sich zu nichts verpflichtet zu fühlen“, erwiderte sie schnell. „Ich bin nur als Nicolas … Kindermädchen hier.“

„Als Bedienstete? Ich glaube nicht.“ Gabriel legte ihr die Hände auf die Schultern, bevor er wieder zu seinem Platz zurückkehrte. „Ich habe gehört, dass meine Tochter Ihnen immer noch schlaflose Nächte bereitet.“

„Ein bisschen, ja. Sie ist noch sehr klein, und ich weiß nicht, ob sie die Babynahrung so gut verträgt.“

„Sie sollte wohl lieber Muttermilch bekommen.“ Er ließ den Blick zum Oberteil ihres Sonnenkleids schweifen. „Ist Stillen in den USA nicht üblich?“

„Doch.“ Eve hoffte, dass ihre Knospen sich nicht aufrichteten. „Es wird sogar empfohlen, und die meisten Mütter tun es auch.“

„Aber Marcia nicht.“

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Keine Ahnung. Vielleicht sollten Sie sie fragen.“

„Das würde ich gern tun, wenn sie zurückrufen würde. Ich habe seit Ihrer Ankunft ein paar Mal versucht, sie anzurufen.“

„Warum?“ Sie wollte nicht zugeben, dass sie es auch getan und genauso wenig Erfolg gehabt hatte. „Damit sie meine Identität bestätigt?“

„Nein, meine liebe Signorina“, erwiderte Gabriel freundlich. „Um ihr zu sagen, dass Sie und ihre Tochter wohlbehalten hier angekommen sind und was ihre Tochter macht. Jede Mutter würde das wissen wollen. Aber Marcia hat sich noch nicht gemeldet, obwohl ich jedes Mal eine Nachricht bei ihrer Assistentin hinterlassen habe.“

„Wahrscheinlich ist sie unterwegs.“

„Ja. Trotzdem ist sie nicht von der Außenwelt abgeschnitten – es sei denn, ihr Mann ist am Nordpol auf Tournee.“

„Sie müssen auch den Zeitunterschied berücksichtigen.“

„Ich habe genügend Geschäftsverbindungen auf der ganzen Welt, um mir dessen bewusst zu sein, Eve.“ Er streckte Nicola einen Finger hin, den diese sofort mit ihrer kleinen Faust umschloss. „Sehen Sie sich das an. Obwohl ich ihr Vater bin, bin ich ein Fremder für sie. Trotzdem vertraut sie mir bedingungslos und wickelt mich um den Finger. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich nicht interessiert, wo sie ist und wie es ihr geht.“

„Falls Sie damit andeuten wollen, dass es Marcia egal ist …“, begann Eve.

In diesem Moment betrat Beryl den Raum, einen Schale mit Pfirsichen und einen Korb mit frischen Brötchen in Händen. Ein junges Mädchen begleitete sie und brachte eine neue Kanne Kaffee.

Froh über die Unterbrechung, nahm Eve sich einen Pfirsich und hoffte, Gabriel würde das Thema fallen lassen. Wie sollte sie ihre Cousine verteidigen, wenn sie deren Verhalten genauso wenig nachvollziehen konnte?

Sobald sie wieder allein waren, nahm er den Faden jedoch wieder auf. „Falls ich das tue“, fuhr er fort und befreite sich dabei sanft aus Nicolas Griff, um sich Kaffee nachzuschenken, „lasse ich mich gern von Ihnen eines Besseren belehren. Am Abend Ihrer Ankunft sagten Sie, Sie wären den Umgang mit Kindern gewohnt. Daher respektiere ich Ihre Meinung. Sind Sie Lehrerin?“

„Nein. Ich bin Krankenschwester in einer Klinik in der Innenstadt von Chicago, und ich kann Ihnen versichern, dass die meisten Babys, die ich dort sehe, überglücklich wären, wenn sie so ein Zuhause hätten wie Nicola.“

„Heißt das, Ihre Patienten sind arm?“

„Ja, teilweise sogar sehr arm. Aber es sind nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch die Gewalt und die Verwahrlosung, die man den Kindern anmerkt. Viele von ihnen machen schon als Kleinkinder die Erfahrung, dass sie keine Zukunft haben.“

Gabriel sah sie mit einem mitfühlenden Ausdruck in den Augen an. „Sicher ist das sehr deprimierend für Sie.“

„Es bricht mir jeden Tag das Herz.“

„Und die Tatsache, dass Marcia meine Tochter wie ein Spielzeug behandelt, das man wegwirft, wenn etwas Interessanteres auftaucht, tut es nicht?“

„So ist es nicht!“, entgegnete Eve hitzig. „Sie sehen doch, dass Nicola alles andere als vernachlässigt ist.“

Sein Blick war so vorwurfsvoll, dass sie zusammenzuckte. „Es reicht nicht, ein Baby nicht zu vernachlässigen, oder? Es muss geliebt und gehätschelt werden.“

„Wie kommen Sie darauf, dass es Nicola in der Hinsicht an etwas fehlt?“

„Auf den ersten Blick macht sie nicht den Eindruck, obwohl sie zugegebenermaßen ziemlich zart für ihr Alter ist und zu viel schreit.“ Er sah kurz Nicola an, die fasziniert den Deckenventilator betrachtete. „Aber ich merke, dass Sie sich unbehaglich fühlen. Verzeihen Sie mir. Ich habe kein Recht, Sie in die Streitigkeiten zwischen meiner Exfrau und mir hineinzuziehen.“ Dann schob er ihr den Korb hin. „Probieren Sie eins von diesen Brötchen mit Beryls selbst gemachter Marmelade. Wenn Sie auch nur den Verdacht hegt, dass ich Ihnen den Appetit verderbe, wird sie mir das Leben zur Hölle machen.“

So wie du Marcia das Leben zur Hölle gemacht hast? überlegte Eve. Denn ihr war klar, dass dieses luxuriöse Ambiente, die exotische Umgebung sowie das Aussehen, die Sinnlichkeit und der Charme dieses Mannes ganz nach Marcias Geschmack waren. Und das konnte nur bedeuten, dass etwas ganz Wichtiges in der Ehe gefehlt haben musste. Schließlich hatte Marcia ihn nicht nur verlassen, sondern weigerte sich beharrlich, ihm je wieder zu begegnen.

„Ich bezweifle, dass so etwas überhaupt jemandem möglich ist“, erklärte Eve, während sie ein Brötchen aufschnitt. „Sie wirken so … unerschütterlich.“

„Sie werden also nichts dagegen einwenden, dass ich Ihnen nachher die Gegend zeige?“

„Hätte es denn einen Sinn?“

„Nein“, bestätigte Gabriel amüsiert. „Ich bin es tatsächlich gewohnt, meinen Willen durchzusetzen.“

Und darin lag vielleicht die Antwort auf die Frage, warum die Ehe gescheitert war, denn Marcia war ausgesprochen stur. „Weder Sie noch meine Cousine sind kompromissbereit“, bemerkte Eve. „Und das macht mir Angst, denn irgendwann wird Nicola unter Ihrer Art leiden.“

Er legte kurz die Hand auf ihre. „Das brauchen Sie nicht, Eve“, meinte er sanft. „Sie und ich wollen beide nur das Beste für sie.“

Ihr wurde bewusst, dass sie sich einerseits nach seiner Wärme und seiner Stärke sehnte und andererseits vor der Gefahr zurückschreckte, die von ihm ausging. Gabriel konnte sagen, was er wollte, doch was er nicht aussprach, beunruhigte sie am meisten. Er war nicht so harmlos, wie er sie glauben machen wollte, und sie hatte das ungute Gefühl, dass sie ihm zum Opfer fallen würde, wenn sie ihn nicht auf Abstand hielt.

„Wenn das stimmt“, erklärte sie daher, „sind Sie sicher auch der Ansicht, dass es das Beste für sie ist, wenn ich heute mit ihr zu Hause bleibe. Sie hat eine anstrengende Woche hinter sich, und ich fühle mich besser, wenn wir sie im Auge behalten.“

Gabriel hatte sich für den Lamborghini entschieden, in dem Glauben, dass Eve ihm verzeihen würde, wenn sie die Sehenswürdigkeiten von einem Cabrio aus bestaunen konnte. Er hatte sie gegen ihren Willen mitgenommen und darauf bestanden, dass Beryl sich um das Baby kümmerte.

Aber er hätte es besser wissen müssen. Sichtlich verärgert saß Eve neben ihm, die Hände im Schoß gefaltet und den Blick starr nach vorn gerichtet, selbst als die Stadtmauern sich zu ihrer Rechten erhoben. Sie hatte bereits die Johannes-Kathedrale, den Hafen, den Palast der Großmeister und die City Gate bridge gesehen und genauso gleichgültig reagiert wie jetzt. Es war offensichtlich, dass sie schmollte.

Er musste eine andere Taktik anwenden, wie Gabriel sich eingestand. Eve war zu diszipliniert, zu vernünftig, als dass er sie langsam und nach allen Regeln der Kunst hätte verführen können. Vermutlich hatte er mehr Erfolg, wenn er forscher war.

„Valletta hat noch viele andere Namen“, informierte er sie, während er den Wagen eines Straßenhändlers, der Obst geladen hatte, umrundete. „Città Umilissima, die Stadt eines Gentlemans, die Festungsstadt, um nur einige zu nennen.“

Sie verzog keine Miene. „Wie interessant.“

Frustriert warf Gabriel ihr einen Seitenblick zu. Bevor sie aufgebrochen waren, hatte Eve sich umgezogen. Statt des bezaubernden gelben Sonnenkleids trug sie nun eine weiße Baumwollbluse und einen wadenlangen geblümten Rock. Das Haar hatte sie mit einem Tuch zusammengebunden. Außerdem hatte sie sich eine Sonnenbrille aufgesetzt.

„Die so genannte moderne Version der Stadt wurde vom Johanniterorden erbaut“, fuhr er fort und konzentrierte sich wieder aufs Fahren. „Wie Sie sicher gemerkt haben, stammen die meisten Gebäude aus dem Barock, obwohl auch frühere Baustile vertreten sind. Man sagt, die Insel wäre ein großes, siebentausend Jahre altes Freilichtmuseum.“

„Faszinierend“, sagte Eve.

„Sì. Molto affascinante!“ Er verzog das Gesicht. „Fast genauso faszinierend wie die Tatsache, dass ich alle meine Exfrauen im Kellerverlies eingesperrt habe. Ihre Cousine ist die Einzige, die entkommen ist. Deswegen hat sie Sie hierher geschickt.“

„Ach so.“

„Sie sind wahrscheinlich die Nächste. Ich konnte blonden Amerikanerinnen noch nie widerstehen.“

Endlich drehte Eve sich zu ihm um. „Was haben Sie gesagt?“

„Trovaro bionde Americane irresistibile.“

„Ich verstehe kein Italienisch.“