Romantische Bibliothek - Folge 49 - Felizitas Bergen - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 49 E-Book

Felizitas Bergen

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Plötzlich, wie aus dem Nichts, erscheint der totgeglaubte Erbprinz Hartmut eines Tages auf Gut Ellinghausen. Er ist tatsächlich zurückgekehrt, jedoch kaum wiederzuerkennen. Sein einst wunderschönes Gesicht ist durch hässliche Narben entstellt. Aber nicht nur sein Äußeres ist zerstört. Wie eine zentnerschwere Last liegen die schrecklichen Erinnerungen an die Ereignisse im Urwald auf seiner Seele.

Es ist viel geschehen, seit Hartmut zu einer Expedition nach Brasilien aufbrach. Das Leben auf Gut Ellinghausen musste weitergehen. Niemand hat mehr an seine Rückkehr geglaubt. Hartmut fühlt sich fehl am Platz, alles erscheint ihm fremd. Auch seine Verlobte, die er zurückließ, spürt, dass etwas zwischen ihnen steht, dass Hartmut etwas vor ihr verbirgt. Doch der Prinz kann sich niemandem anvertrauen. Denn wenn er ihnen die Wahrheit sagt, dann werden sie ihn davonjagen wie einen Hund ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 158

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Ein Verschollener kehrt heim

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag/Wolf

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4414-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ein Verschollener kehrt heim

Doch sein Platz im Schloss ist nicht mehr frei

Von Felizitas Bergen

Plötzlich, wie aus dem Nichts, erscheint der totgeglaubte Erbprinz Hartmut eines Tages auf Gut Ellinghausen. Er ist tatsächlich zurückgekehrt, jedoch kaum wiederzuerkennen. Sein einst wunderschönes Gesicht ist durch hässliche Narben entstellt. Aber nicht nur sein Äußeres ist zerstört. Wie eine zentnerschwere Last liegen die schrecklichen Erinnerungen an die Ereignisse im Urwald auf seiner Seele.

Es ist viel geschehen, seit Hartmut zu einer Expedition nach Brasilien aufbrach. Das Leben auf Gut Ellinghausen musste weitergehen. Niemand hat mehr an seine Rückkehr geglaubt. Hartmut fühlt sich fehl am Platz, alles erscheint ihm fremd. Auch seine Verlobte, die er zurückließ, spürt, dass etwas zwischen ihnen steht, dass Hartmut etwas vor ihr verbirgt. Doch der Prinz kann sich niemandem anvertrauen. Denn wenn er ihnen die Wahrheit sagt, dann werden sie ihn davonjagen wie einen Hund …

„Mein herzlichstes Beileid.“

Der Mann im schwarzen Anzug drückte Ulla von Ellinghausen flüchtig die Hand und machte dem Nächsten Platz, der der Komtess sein Beileid aussprechen wollte.

„Mein herzlichstes Beileid. Es tut mir wirklich sehr leid …“

„Danke“, murmelte Ulla automatisch.

Sie nahm kaum etwas von dem wahr, was um sie herum vor sich ging. Vor vier Tagen war ihr Vater noch gesund gewesen. Sie jedenfalls hatte geglaubt, er sei gesund. Und dann …

Sie schaute auf den Sarg in der Grube. Dort lag er, er würde nie wieder zu ihr sprechen, sie nie wieder sein „kleines Häschen“ nennen und mit ihr lachen. Er war ein fröhlicher Mensch gewesen. Er hatte viel gelacht, obwohl das Leben ihm kaum Anlass dazu gegeben hatte.

„Was wirst du jetzt machen?“

Die junge Dame hob langsam den Kopf. Sie schaute auf den Mann, der neben ihr stand. Es war ein großer, breitschultriger Herr mit schlohweißem Haar über einem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht.

„Du musst doch Pläne haben, Ulla.“

„Nein, Onkel Edgar.“

Der Mann schüttelte den Kopf. Man musste wissen, was man wollte, fand er. Er jedenfalls hatte es immer gewusst. Er verstand Menschen nicht, die sich treiben ließen. Allerdings gab es viele, die von ihm sagten, er verstände andere Menschen überhaupt nicht. Vielleicht hatten sie recht.

„Ist noch Geld da?“, fragte Edgar von Ellinghausen nüchtern.

„Ich weiß es nicht …“

„So etwas muss man wissen“, knurrte Ullas einziger näherer Verwandter. „Ich werde mich einmal um den Nachlass kümmern. Mein Wagen wartet vor dem Friedhofstor. Ich bringe dich nach Hause … Wo wohnst du überhaupt?“

„In der Altstadt. Aber du brauchst dich wirklich nicht zu bemühen, Onkel Edgar.“

„Es ist meine Pflicht, dir jetzt zur Seite zu stehen. Komm.“

Energisch ging er seiner Nichte voran.

Ulla blieb einen Moment stehen, bevor sie ihm zögernd folgte. Sie kannte ihn kaum, hatte ihn höchsten zwei- oder dreimal gesehen. Ihr Vater hatte sich mit seinem Bruder nicht verstanden. Warum die beiden entzweit waren, das wusste sie nicht.

Edgar von Ellinghausen runzelte die Stirn, als er sich umdrehte und auf sie wartete. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, der Ulla nicht entging.

Die Komtess lächelte bitter. Er hatte wahrscheinlich keine Zeit und würde so schnell wie möglich zu seinem Gut zurückfahren. Er war der älteste Sohn gewesen und hatte das Gut geerbt, ihr Vater war damals mit Bargeld abgefunden worden. Er hatte das Geld wohl nicht gut angelegt, jedenfalls war es durch die Inflation verloren gegangen.

„Bitte.“ Graf Edgar machte eine etwas ungeduldige Handbewegung in das Innere seines Wagens, dessen Tür ein livrierter Chauffeur geöffnet hatte.

„Bemüh dich nicht, bitte, Onkel Edgar. Ich kann gut mit der Straßenbahn nach Hause fahren.“

„Steig ein!“ Die Stimme des Mannes verriet, dass er Widerspruch nicht gewohnt war.

Eingeschüchtert ließ sich Ulla auf dem Rücksitz nieder. Ihr Onkel ging um den Wagen herum und nahm neben ihr Platz.

„Sag dem Fahrer die Adresse.“

„Kaiserstraße fünfzehn.“

Edgar von Ellinghausen lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Dein Telegramm war für mich eine große Überraschung. Ich wusste nicht, dass dein Vater krank war.“

„Ich auch nicht. Ein Herzinfarkt … ganz plötzlich.“

Sie wird doch wohl nicht zu weinen anfangen, dachte Graf Ellinghausen peinlich berührt, da es um den Mund seiner Nichte schmerzlich zuckte. Er atmete auf, als es ihr gelang, die Tränen zu unterdrücken.

„Im fürchte, Richard kennt sich hier nicht genügend aus“, äußerte der Graf, als der Wagen in eine sehr schäbige Straße einbog.

„Doch. Hier … hier wohnen wir.“

Edgar von Ellinghausen schaute Ulla ungläubig an.

„Vater hat sein Geld verloren. Wir haben hier eine kleine Wohnung gemietet.“

Das klang sehr trotzig, denn Ulla spürte, dass ihr Onkel den geliebten Vater in Gedanken verurteilte.

„Hm“, machte der alte Herr, nichts weiter, aber das genügte auch völlig.

„Nummer fünfzehn.“

Der Fahrer stoppte den Wagen und öffnete die Tür.

„Holen Sie mich in zwei Stunden ab.“

Der Flur war schmal und dunkel. Ulla hängte ihren Mantel auf einen Bügel und öffnete eine der drei Türen.

„Bitte sehr, Onkel Edgar. Darf ich dir Kaffee oder Tee anbieten?“

„Nein.“ Der alte Herr senkte die Mundwinkel. „Erledigen wir unsere Angelegenheiten lieber rasch.“

Er schaute sich um, und sein Gesicht verriet, wie die ärmliche Umgebung auf ihn wirkte. Hier hatte sein Bruder gelebt – auch ein Graf Ellinghausen.

„Wie hast du dir deine Zukunft gedacht?“, fragte er, als er Platz genommen hatte. „Du kannst doch hier nicht wohnen bleiben.“

„Warum nicht?“, fragte Ulla leise. „Ich verdiene genug, um die Miete bezahlen zu können. Sie ist nicht hoch.“

„Das kann ich mir vorstellen. Bevor wir weitersprechen, möchte ich mir die Hände waschen. Wo ist das Badezimmer?“

„In der Küche. Ich wollte sagen, du musst dir deine Hände in der Küche waschen. Hier gibt es kein Badezimmer.“

„Aber …“

„Wir waren trotzdem immer sauber, falls du daran zweifeln solltest“, stellte Ulla aufgebracht fest.

„Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich anfährt, mein liebes Kind.“

„Und ich bin es nicht gewohnt, wie eine Armenhäuslerin behandelt zu werden, Onkel Edgar.“

„Weißt du, dass du deiner Mutter sehr ähnelst?“

„Mein Vater hat es mir gesagt.“

Graf Ellinghausen ging hinaus und wusch sich in der Küche die Hände.

„Wovon habt ihr gelebt?“, fragte Graf Ellinghausen.

„Ich arbeite in einem Büro.“

Der alte Herr hob überrascht den Kopf.

„Ja, ich arbeite in einem Büro“, wiederholte die Komtess aufgebracht.

„Tatsächlich …“ Graf Edgar schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nun, das wirst du in Zukunft nicht mehr nötig haben. Ich ahnte nicht, dass ihr … so lebt. Selbstverständlich nehme ich dich mit. Auf Gut Ellinghausen wirst du dich wohler fühlen.“

„Als Almosenempfängerin?“, fragte Ulla. „Tut mir leid.“

„Du kommst mit. Auf keinen Fall dulde ich, dass du als meine Nichte so weiterlebst. Auf Ellinghausen haben wir Platz genug. Du wirst ein schönes Zimmer haben, selbstverständlich mit Bad …“

„Ich will nicht, Onkel Edgar. Ich kann für mich selbst sorgen.“

„Das sieht man“, äußerte der alte Herr ironisch. „Dein Vater ist tot, und – du als sein einziges Kind wirst mit mir kommen. Er hätte es auch gewollt, oder zweifelst du daran?“

„Ich weiß es nicht. Er hat nie über dich gesprochen. Ich weiß nur, dass …“

Sie brach ab.

„Die Geschichte liegt weit zurück. Sie ist Vergangenheit. Weißt du nicht, warum dein Vater und ich uns entzweit haben?“

„Es ging um Geld, nehme ich an.“

„Es ging um deine Mutter. Wir haben beide um sie geworben, und sie – sie war so töricht, sich für deinen Vater zu entscheiden. Obwohl sie wusste, dass er das Gut nicht erben würde. Sie hat es bereut, nehme ich an.“

„Du irrst dich!“ Komtess Ullas Augen flammten auf. „Sie war mit Vater sehr glücklich. Vom Geld hängt das Glück nämlich nicht ab!“

„War sie tatsächlich glücklich?“, fragte Graf Edgar leise. „Ich war bereit, alles für sie zu tun. Na ja, das ist vorbei. Sprechen wir nicht mehr darüber. Wie lange brauchst du zum Packen? Die Sachen hier kannst du verschenken; auf Ellinghausen brauchst du sie nicht. Es genügt, wenn du deine persönlichen Habseligkeiten mitbringst.“

„Ich will nicht, Onkel Edgar.“

Der alte Herr schaute sie finster an.

„Und warum nicht? Weil du genauso stolz bist wie dein verbohrter Vater. Ich habe ihm Hilfe angeboten. Aber er wollte von mir keinen Pfennig annehmen.“

„Ich möchte lieber hierbleiben.“

„Nein. Dein Platz ist bei mir. Ich werde dafür sorgen, dass du eine gute Partie machst und niemals Not zu leiden brauchst. Schließlich bist auch du eine Ellinghausen.“

„Du hast doch einen Sohn! Es wird ihm nicht recht sein …“

„Hartmut lebt nicht auf Ellinghausen. Er hat es vorgezogen, Wissenschaftler zu werden.“ Der alte Herr stand auf. „Wo sind deine Koffer?“

„Bitte, Onkel Edgar …“

Ulla war ihm gefolgt und nahm ihm das Kleid, das er aus dem Schrank genommen hatte, aus der Hand. Ihr fehlte die Kraft, sich ihm zu widersetzen. Und die Wohnung hier blieb ihr ja. Die Miete war bezahlt, sie würde sie weiterhin bezahlen und konnte jederzeit zurückkehren.

Vielleicht ist es ganz gut, überlegte sie beim Packen, wenn ich für ein paar Wochen herauskomme. Hier erinnert mich alles an Vater.

***

„Du brauchst keine Angst zu haben, ich beiße nicht“, knurrte Graf Edgar, als sich der Wagen dem Gut näherte.

„Ich weiß.“

Ulla zwang sich zu einem Lächeln, das ihr nicht ganz gelang. Zu plötzlich war sie aus ihrer gewohnten Welt herausgerissen worden.

Ihr Vater hatte nicht gern über seine Heimat gesprochen. Ulla wusste nur, dass das Gutshaus sehr geräumig war. Was sie jetzt sah, ließ ihre Augen vor Staunen ganz groß werden.

Das war ja ein richtiges Schloss! Und wie schön es aussah! Sie ahnte nicht, dass ihr Onkel sie von der Seite betrachtete und mit dem Eindruck zufrieden war, den Ellinghausen auf sie machte.

„Herzlich willkommen“, sagte er mit belegter Stimme und drückte einen Moment ihre Hand, als wollte er ihr zu verstehen geben, dass er für sie da sei.

„Danke“, murmelte Ulla.

„Stellen Sie das Gepäck in der Halle ab“, befahl Graf Edgar dem Fahrer. „Frau Göbel wird dein Zimmer erst noch vorbereiten müssen. Ich hatte keine Ahnung, dass ich dich mitbringen würde, Ulla.“

„Wie schön hier alles ist! So hatte ich es mir wirklich nicht vorgestellt.“

Staunend schaute sich die junge Dame in der Halle um.

„Ah, da kommt ja Frau Göbel.“ Graf Edgar ging auf die Hausdame zu. „Frau Göbel, ich möchte Sie mit meiner Nichte bekannt machen. Sie wird in Zukunft hier wohnen. Bitte, zeigen Sie ihr die Zimmer, sie soll sich das schönste aussuchen.“

Ida Göbel schaute Ulla prüfend an. Sie mochte etwa fünfzig Jahre alt sein und machte einen vornehmen Eindruck.

„Wenn Sie mir bitte folgen wollen, gnädiges Fräulein …“

Es waren eine ganze Reihe Zimmer, die Frau Göbel Ulla zeigte, eines schöner als das andere.

„Welches gefällt Ihnen am besten?“

„Ich weiß es nicht. Die Zimmer sind alle wunderschön!“ Ulla war überwältigt.

Frau Göbel lächelte. „Vielleicht sehen Sie sich das Blumenzimmer noch einmal an, gnädiges Fräulein? Es hat die meiste Sonne.“

Und es passt am besten zu dir, setzte sie in Gedanken hinzu.

„Es gefällt mir sehr gut“, erwiderte sie.

„Dann werde ich Ihre Koffer holen lassen. Möchten Sie sich vor dem Essen ein wenig erfrischen, gnädiges Fräulein? Das Mädchen kann sofort ein Bad für Sie bereiten. Haben Sie sonst noch irgendwelche Wünsche?“

„Nein, vielen Dank, Frau Göbel.“

Als die Haushälterin gegangen war, öffnete Ulla die Tür zum Balkon. Was für einen herrlichen Blick hatte man von hier aus über die parkartig angelegten Anlagen! Sie hörte irgendwo Kühe muhen, für ihre Ohren ein ganz ungewohnter Laut. Und ein Pferd wieherte. Pferde gab es hier also auch …

Ein Mann brachte ihre Koffer, und Frieda, das Hausmädchen, machte sich daran, sie auszupacken. Falls sie sich über die schlichten Kleider wunderte, behielt sie es jedenfalls für sich.

„Wann wird hier zu Abend gegessen?“, fragte Ulla.

„Pünktlich um achtzehn Uhr. Der Herr Graf mag es nicht, wenn man ihn warten lässt. Bleiben Sie jetzt ganz bei uns, gnädiges Fräulein?“

„Ich weiß es noch nicht.“

„Der Herr Graf ist sehr einsam. Ich glaube, er würde sich freuen, wenn Sie bleiben würden, gnädiges Fräulein.“

Das klingt ja, als hätte sie Onkel Edgar gern, wunderte sich Ulla. So recht vorstellen konnte sie es sich allerdings nicht. Der Mann wirkte barsch und herrisch, aber vielleicht gab es andere Seiten seines Wesens, die sie nicht kannte.

Sie schaffte es gerade noch, pünktlich zu sein.

Edgar von Ellinghausen stand auf, als seine Nichte eintrat. Er hatte sich umgezogen, und wieder beeindruckte die Kraft seiner Persönlichkeit. Irgendwie schien er ein Mann zu sein, den man nicht lieben konnte. Er sah aus wie jemand, dem man Respekt und Bewunderung entgegenbrachte. Aber die Vorstellung, ihn zu lieben, passte nicht.

„Bist du mit deinem Zimmer zufrieden?“, erkundigte er sich.

„Ja, danke. Es ist sehr schön, Onkel Edgar … Ich bin es nicht gewohnt, nichts zu tun zu haben. Ich möchte arbeiten.“

Die buschigen Brauen des Mannes gingen in die Höhe.

„Eine Komtess Ellinghausen arbeitet nicht, mein liebes Kind. Um Geld brauchst du dir keine Sorgen zu machen, ich werde dir gleich morgen ein Konto einrichten. Ich möchte, dass du dich bei mir zu Hause fühlst.“

„Das kann ich nicht annehmen.“ Ulla schüttelte den Kopf. „Schließlich … wir kennen uns doch kaum, Onkel Edgar.“

„Das ändert nichts an der Tatsache, dass du meine Nichte bist. Setz dich, bitte.“

Er warf einen prüfenden Blick auf den Tisch. Er war festlich gedeckt, und Ulla fragte sich, ob er wohl immer so aussah oder nur heute ihr zu Ehren.

„Darf ich dir eine Schnitte fertig machen?“, fragte sie schüchtern.

„Wenn du willst …“

Das Erstaunen des Mannes war echt. Er war es nicht gewohnt, dass jemand bei Tisch für ihn sorgte. Auch seine verstorbene Frau hatte das nicht getan.

Graf Edgar schaute sinnend auf Ullas schlanke, wohlgeformte Hände. Wo Hartmut jetzt wohl sein mag?, fragte er sich. Sein einziger Sohn und Erbe zog es vor, in Brasilien eine Expedition zu unternehmen, anstatt auf Ellinghausen zu arbeiten.

„Wenn du irgendwelche Wünsche hast, brauchst du sie nur zu äußern. Frau Göbel wird sich nachher bei dir melden und deine Wünsche entgegennehmen.“

„Ich habe keine Wünsche. Mir ist alles noch so neu. Ich passe nicht hierher, Onkel Edgar.“

„Du irrst dich, Kind. Du passt genauso gut hierher, wie deine Mutter hierher gepasst hätte. Du gleichst ihr so sehr …“

Eine zarte Röte stieg Ulla ins Gesicht. Der Blick, mit dem ihr Onkel sie anschaute, verwirrte sie. Kann es sein, dachte sie, dass er meine Mutter nie ganz vergessen hat?

***

„Es wird Zeit, dass du reiten lernst“, erklärte Graf Edgar eine Woche nach ihrer Ankunft. „Oder hast du Angst vor Pferden?“

„Nein, natürlich nicht, … lohnt es sich denn überhaupt, Onkel Edgar?“

„Selbstverständlich. Du gehörst hierher und wirst hierbleiben, bis du heiratest. Und eine zukünftige Gutsfrau muss reiten können.“

„Wer wird ein armes Mädchen wie mich schon haben wollen?“

Ulla zuckte die Schultern. Über ihren Ehemann machte sie sich noch keine Gedanken.

„Ich werde einen guten Mann für dich finden“, erklärte Grad Edgar lächelnd. „Du wirst eine hübsche Mitgift bekommen.“

Ulla zuckte zusammen. Im ersten Impuls schüttelte sie den Kopf. Ihr Onkel war schließlich in keiner Weise verpflichtet, so viel für sie zu tun.

„Oder bist du männerscheu?“, erkundigte sich der alte Herr schmunzelnd.

„Nein.“ Ulla schaute vor sich hin. „Deine Güte beschämt mich, Onkel Edgar. Wann wird dein Sohn zurückkehren?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete der Mann schwer.

Warum weißt du es nicht?, dachte Ulla. Verstehst du dich mit deinem Sohn nicht?

Edgar von Ellinghausen zündete sich eine Zigarre an, und dabei ließ er sich viel Zeit. Das Sprechen fiel ihm wohl schwer.

„Ich … habe Hartmut vielleicht nicht immer richtig behandelt.“

„Wieso?“

Der alte Herr zuckte mit den Schultern.

„Er fühlte sich bei mir unterdrückt. Einer kann schließlich nur etwas zu sagen haben, nicht wahr? Wir hatten einige Auseinandersetzungen, bis Hartmut endlich … Dabei habe ich es immer nur gut mit ihm gemeint. Ich konnte mich doch noch nicht zur Ruhe setzen.“

„Ich verstehe“, murmelte Ulla. „Aber Hartmut wird einmal die Leitung des Gutes übernehmen, nicht wahr? Oder wird er immer als Wissenschaftler arbeiten wollen?“

„Er hängt an Ellinghausen. Aber er will hier nicht die zweite Geige spielen. Er wollte vieles anders machen als ich. Und natürlich … schließlich weiß ich es selbst, was ich will. Er musste sich fügen. Seit zwei Monaten … ja, seit zwei Monaten und drei Tagen habe ich keine Nachricht von ihm.“

„Vielleicht fehlt ihm die Möglichkeit, einen Brief zur Post zu geben“, meinte das junge Mädchen. „Oder …?“

„Ich weiß es nicht.“ Der Mann senkte den Kopf. „Er hat mir nie viel geschrieben. Aber wenigstens ein paar Zeilen. Wenn er nun … ich meine, heutzutage …“

Fürchtet er, sein Sohn könne tot sein?, fragte sich Ulla. Sie wusste nicht, wie sie ihn trösten konnte.

„Bald wird Post kommen“, sagte sie halblaut.

„Er muss zurückkehren. Ich – ich habe mich entschlossen, ihm dann die Leitung des Gutes zu übertragen. Ich werde schon Beschäftigung für mich finden und ihm in nichts hineinreden. Hartmut ist tüchtig, und mit vielem, was er vorschlug, hatte er auch recht. Ich konnte mich nicht so schnell umstellen … Wann willst du anfangen, Reitunterricht zu nehmen?“, wechselte er abrupt das Thema.

„Wer hat Zeit für mich?“, fragte Ulla. „Ich würde gern reiten, aber ich brauche jemanden, der mir Anleitungen gibt.“

„Ich werde dir helfen. Und wenn du reiten kannst, dann begleitest du mich auf meinen Inspektionsritten. Einer Ellinghausen liegt doch die Liebe zum Boden im Blut.“

„Ja, du hast recht.“

Ulla konnte sich kaum noch vorstellen, wieder in der Stadt zu leben. Hier war der Horizont so fern, der Himmel so hoch.

„Zieh deinen Reitanzug an.“ Edgar von Ellinghausen legte seine Hand auf ihre Schulter. „Ich bin so froh, dass du hier bist, Ulla.“

Ihr stieg eine dunkle Röte ins Gesicht. Es kam so selten vor, dass der Onkel ihr erlaubte, einen Blick in sein Herz zu tun. Er war immer gleichmäßig höflich und freundlich, aber dass sie mehr für ihn war als nur eine Verpflichtung, hatte er eben zum ersten Mal angedeutet.

Durch Ulla war in seinem Herzen alles wieder lebendig geworden, was er längst gestorben glaubte. Er hatte immer versucht, seine Pflicht im Leben zu tun, aber glücklich geworden war er dabei nicht, weil er nicht die Frau bekommen hatte, nach der er sich sehnte.

Aber jetzt war ihre Tochter da, ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, und am liebsten hätte er sie in den Arm genommen und an sich gedrückt.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Ulla, die seinen Blick nicht zu deuten wusste.

„Nein, nein, alles gut. Wir werden einen kleinen Ausritt wagen, Ulla. Nicht weit, ich will dich nicht anstrengen.“

„Dass Reiten so schön ist …“, murmelte Ulla, und ihre Augen leuchteten.

„Es wird dir noch mehr Spaß machen, wenn du erst ein besseres Pferd beherrscht“, verhieß ihr der Onkel.

„Ich will mir Mühe geben, schnell zu lernen. Du hast sehr viel Geduld mit mir, Onkel Edgar.“