Romantische Bibliothek - Folge 6 - Frida Sommer - E-Book

Romantische Bibliothek - Folge 6 E-Book

Frida Sommer

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Beschreibung

Cornelia von Bernstein ist stolz - so stolz, dass sie sich damit manchmal selbst im Wege steht. Ihr Stolz ist es auch, der ihr verbietet, an die Liebe zu glauben. Hat sie nicht schon oft genug beobachtet, dass reiche Mädchen nur ihres Vermögens wegen geheiratet haben und dann schwer enttäuscht wurden? Nein, so wird sie sich niemals demütigen lassen! Da gibt sie sich doch lieber erst gar keinen Illusionen hin, sondern geht eine reine Vernunftbindung ein. Zwar kann sie nicht behaupten, dass sie den Baron von Rabenhorst aufrichtig liebt, aber immerhin wird der vermögende Geschäftsmann es nicht auf die Mitgift abgesehen haben ...

Cornelias Mutter Gabriela beobachtet das Verhalten ihrer Tochter mit Sorge. Wie lange wird das gut gehen?, fragt sie sich immer wieder. Und was wird passieren, wenn Cornelia eines Tages die wahre Liebe begegnet? Die Antwort auf diese Fragen erhält sie schneller, als sie erwartet hätte ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Stunde der Bewährung

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Masson

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1262-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Stunde der Bewährung

Eine stolze Frau findet die Liebe

Von Frida Sommer

Cornelia von Bernstein ist stolz – so stolz, dass sie sich damit manchmal selbst im Wege steht. Ihr Stolz ist es auch, der ihr verbietet, an die Liebe zu glauben. Hat sie nicht schon oft genug beobachtet, dass reiche Mädchen nur ihres Vermögens wegen geheiratet und dann schwer enttäuscht wurden? Nein, so wird sie sich niemals demütigen lassen! Da gibt sie sich doch lieber erst gar keinen Illusionen hin, sondern geht eine reine Vernunftbindung ein. Zwar kann sie nicht behaupten, dass sie den Baron von Rabenhorst aufrichtig liebt, aber immerhin wird der vermögende Geschäftsmann es nicht auf die Mitgift abgesehen haben …

Cornelias Mutter Gabriela beobachtet das Verhalten ihrer Tochter mit Sorge. Wie lange wird das gut gehen?, fragt sie sich immer wieder. Und was wird passieren, wenn Cornelia eines Tages die wahre Liebe begegnet? Die Antwort auf diese Fragen erhält sie schneller, als sie erwartet hätte …

Cornelia von Bernstein hielt es nicht für nötig, an die Tür des Vorzimmers zu klopfen, und verschwendete auch keinen Blick an den Mann, der an einem Schreibtisch in der Nähe des Fensters saß und sie unmutig anschaute.

„Der Herr Baron ist beschäftigt“, mahnte der Sekretär, aber das Mädchen warf nur den Kopf in den Nacken, ohne den Schritt zu verhalten. Noch immer hielt sie es nicht für nötig, sich mit dem untergeordneten Mann zu beschäftigen, denn sie wusste, dass sie weit über ihm stand.

Um Jan Friedmanns Mund zuckte der Anflug eines Lächelns, als er sich gelassen erhob und sich schützend vor die Tür zum Arbeitszimmer des Gutsbesitzers stellte.

Cornelia, von allen nur Cora genannt, blieb erstarrt stehen. Ihre Augen schossen Blitze, und auf ihrem Gesicht lag eine solch hochmütige Verachtung, dass jeder wohl eingeschüchtert zur Seite getreten wäre – jeder außer Jan Friedmann.

„Wen darf ich melden?“, erkundigte er sich in unerschütterlicher Freundlichkeit.

„Geben Sie mir den Weg frei, Sie Flegel, oder ich werde mich bei Baron von Rabenhorst über Sie beschweren.“

Das Lächeln fror auf Jan Friedmanns Zügen ein. Er dachte aber nicht daran, dieser hochfahrenden jungen Dame den Zutritt zu erlauben. Sein Chef hatte ihm strengstens untersagt, Besucher unangemeldet in sein Arbeitszimmer zu führen.

Jan kannte den Grund: Der Baron brauchte stets einen Moment Zeit, um einen beschäftigten Eindruck zu machen. Sein Arbeitsraum diente praktisch nur zur Dekoration. Die eigentliche Arbeit hatte Jan zu erledigen. Dem Baron genügte es, seinen Namen schwungvoll unter die Briefe und Anweisungen zu setzen, die Jan für ihn ausfüllte.

„Scheusal!“, knirschte die junge Dame, und bevor der Sekretär es sich versah, stieß sie ihn einfach zur Seite. Der Mann griff mit seinen Händen nach einem Halt, und diesen Augenblick nutzte die Besucherin, um die Tür zum Arbeitszimmer aufzudrücken und einzutreten.

Die junge Dame hatte temperamentvoll die Tür hinter sich zugeworfen und stürzte auf den Mann zu, der an seinem Schreibtisch saß, beide Beine auf die polierte Platte gelegt. Er drehte der Tür den Rücken zu und führte gerade ein gefülltes Kognakglas an den Mund.

„Was wollen Sie denn nun schon wieder, Friedmann?“, knurrte er unwillig. „Müssen Sie mich denn immer bei der Arbeit stören?“

„Das nennst du arbeiten?“

Der Klang der weiblichen Stimme ließ Baron Wilhelm von Rabenhorst herumschnellen. Er sprang hastig auf und zog Coras Rechte an die Lippen.

„Verzeih, Liebling. Ich habe nur einen Moment Pause gemacht.“ Er griff hastig nach ein paar Akten und legte sie auf die Schreibtischplatte. „Wichtige Dinge, weißt du?“, fragte er schmeichelnd. „Ich muss nachdenken, es geht um ein paar hunderttausend Mark.“

„Alter Angeber.“ Cora setzte sich auf die Schreibtischplatte und schlenkerte mit ihren langen, wohlgeformten Beinen. „Sag einmal, was für ein ungehobelter Bursche ist das da draußen im Vorzimmer? Ein impertinenter Kerl! Blas diesem Mann einmal gehörig den Marsch!“

Seufzend drückte der Baron die Klingel, die Jan Friedmann hereinrief. Er wagte nicht, dem Mädchen in die Augen zu schauen, als sein Sekretär die Tür öffnete und sich knapp verneigte.

„Sie wollten mich sprechen, Herr Baron?“

Mit einer verstohlenen Kopfbewegung, begleitet von einem um Verständnis heischenden Lächeln, wies Wilhelm auf die junge Dame. Dann zwang er sich zu dem Gesichtsausdruck, den Cora erwartete, stemmte die Arme in die Hüften und fuhr seinen Sekretär barsch an.

Während er seine scharfe Zurechtweisung aussprach, bemerkte Cora noch immer dieses nachsichtige Lächeln in den Augen des Mannes – auch dann, als er sich vor ihr verneigte und sie um Entschuldigung bat.

„Sie können gehen, Friedmann“, verabschiedete Wilhelm ihn hastig.

„Ich verstehe nicht, dass du solch einen Menschen beschäftigst“, wandte sich das Mädchen an den Baron, noch bevor Jan die Tür ganz hinter sich geschlossen hatte.

„Tja, weißt du, es ist nicht so ganz einfach, geeignete Kräfte zu finden. Und Friedmann ist eingearbeitet …“

„Der Mann ist doch nur Befehlsempfänger! Du könntest Tausende wie ihn an einem Tag finden, wärst du nicht zu bequem, dich darum zu bemühen.“

„Lass uns von etwas anderem sprechen“, schlug der Baron vor. „Ich finde es langweilig, über diesen Friedmann zu diskutieren. Du hast ja selbst gehört, dass er seine Unverschämtheit bereut. Und außerdem konnte er schließlich nicht wissen, dass du jederzeit unangemeldet bei mir Zutritt hast.“

„Ich verlange, dass du diesen Menschen hinauswirfst!“, stieß sie trotzig hervor. „Das, was er mir gesagt hat, war doch keine Entschuldigung! Außerdem ist der Kerl viel zu eingebildet. Er benimmt sich, als gehöre ihm hier alles.“

„Ja, ja. Ich versteh schon …“

„Du verstehst gar nichts! Ich gehe jetzt. Wenn du bereit bist, meine kleine, wirklich berechtigte Bitte zu erfüllen, weißt du ja, wo ich wohne.“

Sie warf den Kopf in den Nacken und rauschte hinaus. Als Letztes hörte sie noch den abgrundtiefen Seufzer des Mannes, dem sie die Ehre erwiesen hatte, ihn zu ihrem zukünftigen Mann zu erwählen. Sie wusste, dass es eine ganz große Ehre für ihn war, und erwartete, dass er sich entsprechend benahm.

Der Sekretär klapperte auf der Schreibmaschine. Sie blieb an der Tür stehen und warf ihm von dort aus einen drohenden Blick zu.

„Der Herr Baron wird Sie hinauswerfen, mein Lieber“, drohte sie ihm.

Jan nickte ihr lächelnd zu, senkte den Blick dann aber sofort wieder auf die Tasten und schrieb weiter. Seine Reaktion war mehr, als Coras Temperament ertragen konnte.

„Haben Sie mich nicht verstanden?“, rief sie aufgebracht.

„Doch.“

„Und ist Ihnen das so gleichgültig?“ Die junge Dame vergaß, dass es eigentlich unter ihrem Stande war, sich mit dem Mann auf ein Gespräch einzulassen. Aber irgendetwas an ihm reizte sie so, dass sie sich unbeherrschter gab als sonst.

„Nein“, sagte der Mann in schönster Einsilbigkeit. „Herein“, rief er anschließend, als jemand gegen die Tür klopfte.

Ein niedliches Mädchen trat ins Zimmer. Es trug ein schwarzes Kleid und eine weiße Spitzenschürze.

„Ihr Kaffee, Herr Sekretär.“ Sie knickste unwillkürlich, und Cora ärgerte sich, dass diese Person über und über errötete, als sie ein wenig unbeholfen auf diesen Friedmann zustolperte.

Ein wenig Kaffee schwappte über den Rand der Tasse.

„Ich hole sofort eine neue Untertasse, Herr Sekretär. Entschuldigen Sie bitte, ich war ungeschickt …“

„Reden Sie nicht lange herum, verschwinden Sie!“, befahl Cora von Bernstein scharf, obwohl es ihr noch nicht zustand, in diesem Hause Anordnungen zu geben. „Ihr Herr Sekretär wird es wohl über sich bringen, aus der Tasse zu trinken, auch wenn sie ein kleines Fußbad hat.“

Völlig verwirrt schaute das Kammerkätzchen von ihr zu Jan Friedmann.

„Ist gut, Anett, danke.“ Der Sekretär nickte ihr sehr freundlich, aber – so schien es der jungen Dame jedenfalls – auch ein wenig herablassend zu. Der Mann hatte ein Benehmen wie ein Graf, und er sah auch entsprechend aus, das war das Gemeinste dabei!

„Ich wäre bereit, auf Ihre Entlassung zu verzichten, wenn Sie sich bei mir für Ihre Frechheit entschuldigten, Herr Sekretär!“ Die Anrede klang sehr ironisch aus ihrem Munde, und der Mann hatte Mühe, eine sarkastische Antwort hinunterzuschlucken.

„Ich bin gern bereit, mich noch mal bei Ihnen zu entschuldigen, gnädiges Fräulein. Es tut mir sehr leid, Sie nicht gleich richtig eingeschätzt zu haben.“

Der Mann hatte sich erhoben und stand groß und schlank, zugleich aber irgendwie lässig vor ihr. Cora hatte erneut das Gefühl, von ihm nicht ernst genommen zu werden.

Sie drehte sich um und ging endgültig hinaus. Die Tür warf sie mit dem Absatz hinter sich zu – und hörte sofort wieder das Klappern der Schreibmaschine.

Was für ein furchtbarer Mensch, dachte sie. Jeder Mann, der nur ein klein wenig Ehrgefühl in der Brust hat, hätte die Entschuldigung nicht wiederholt. Er war ja im Recht …

Oh ja, die kleine Cora wusste es ganz genau! Aber es kümmerte sie in diesem Falle nicht, ob sie ein Unrecht beging, denn das erste, viel größere Unrecht hatte der Mann begangen – und zwar indem er sie wie ein x-beliebiges Mädchen behandelt hatte.

„Das war meine zukünftige Frau, Friedmann.“ Baron von Rabenhorst lächelte seinem Sekretär zu. „Ein wenig verwöhnt und exzentrisch, aber schwerreiche Eltern. Na ja, Sie als Mann werden mich ja verstehen …“

Durch den Türspalt sah der Sekretär, dass sein Chef sich sein Glas inzwischen wieder neu eingegossen hatte. Offenbar brannte der Baron darauf, seine „Arbeit“ fortzusetzen.

***

Als Cora ihr Elternbaus betrat, lag ein zärtliches Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie presste die beiden Pakete, die sie unter dem Arm trug, liebevoll an sich, als enthielten sie eine große Kostbarkeit.

Mamsell Lina befand sich, wie immer um diese Zeit, in der Küche, um das Abendessen vorzubereiten. Ihr Gesicht erhellte sich, als die Tochter des Hauses ihr einen freundlichen Gruß bot.

„Morgen kommt doch Rose wieder, und ich habe ihr ein paar Kleinigkeiten mitgebracht, Lina.“ Cora drückte der Mamsell die Pakete in die Hände und lief dann hinaus, bevor Lina sie noch auspacken oder aber ihr danken konnte.

Wie alle großzügigen Menschen wollte sie keinen Dank für das, was sie anderen Gutes erwies. Es war ihr selbst ja die größte Freude, Menschen beschenken zu können.

Keiner ihrer unzähligen Verehrer hätte ihr solch eine Herzenstiefe zugetraut, denn Männern gegenüber gab sich die junge Dame ganz anders. Manch bittere Enttäuschung lag hinter ihr und hatte ihr alle Illusionen genommen. Reiche Mädchen, das wusste sie jetzt, wurden nicht um ihrer selbst willen begehrt oder geheiratet, und sie war vernünftig genug, sich damit abzufinden.

Nur Lina wusste von den heißen Tränen, die es sie gekostet hatte, bis sie sich zu dieser Einstellung durchgerungen hatte. Auch die Mamsell teilte ihr Urteil über die gesamte Männerwelt, seitdem ihre einzige Tochter von einem Schuft verführt und dann im Stich gelassen worden war.

Während die füllige Frau die Verschnürungen der Pakete behutsam löste, wanderten ihre Gedanken zu ihrem Kinde, von dem sie seit Jahren nichts mehr gehört hatte. Almut war verschollen, sie wusste nicht einmal, ob sie noch lebte.

Ihre ganze Liebe gehörte ihrer Enkelin, der kleinen zarten Rose, die sie – mit der finanziellen Unterstützung Coras übrigens – in einem benachbarten Kinderheim untergebracht hatte. Einen Tag in der Woche durfte sie die Kleine zu sich holen, und Lina lebte nur für den Mittwoch, an dem die kleine Rose sie mit Almuts Augen anstrahlte und munter drauflos plapperte.

Als Erstes zog sie eine lebensechte Puppe aus der Schachtel heraus. Ein paar Tränen tropften auf das bunte Dirndlkleid, das sie trug. Bei ihrem letzten Besuch hatte Rose nämlich in Coras Gegenwart gesagt, wie sehr sie sich solch eine Trachtenpuppe wünsche, und morgen nun würde sie eine Puppe haben! Linas Hände zitterten vor Freude.

Das zweite Paket war leichter. Es enthielt ein reizendes helles Sommerkleidchen, in dem ihr kleiner Liebling bestimmt wie ein Engel aussehen würde.

Anfangs hatten die Bernsteins ihr Coras Kinderkleider geschenkt, aber das Mädchen ließ es sich nicht nehmen, ihr ab und zu ein besonders schönes, neues Stück heimlich zuzustecken. Lina verdiente nicht schlecht, aber für die Anschaffung kostbaren Spielzeugs und solch duftiger Kleidung reichte das Gehalt doch nicht.

Ein Abglanz ihrer Freude war auch in Coras Herzen, als sie in den Salon ging, in dem ihre Mutter saß und gelangweilt eine Illustrierte durchblätterte. Man konnte sich kaum größere Gegensätze vorstellen als Cora und Frau Gabriela. Sicher, beide waren schlank, fast zierlich, beide hatten das gleiche dunkle Haar und auch die gleiche Augenfarbe. Aber Frau Gabriela strahlte eine Unnahbarkeit aus, die es den Menschen unmöglich machte, sie wirklich gernzuhaben.

Die Hausfrau legte die Zeitschrift aus der Hand.

„Du kommst spät, Cora“, stellte sie fest, und es gelang ihr nicht, ganz ohne Vorwurf in der Stimme zu sprechen. Sie war korrekt bis in die Fingerspitzen und hielt Unpünktlichkeit für eine Todsünde.

Ein Schatten glitt über Coras Züge. „Ich bin bei Baron von Rabenhorst gewesen.“

„Und ist das ein Grund, so verdrossen auszusehen?“, erkundigte sich Frau Gabriela mit feinem Lächeln.

„Natürlich nicht.“ Cora überlegte, ob sie der Mutter von diesem impertinenten Sekretär erzählen sollte, entschied sich dann aber, den Mund zu halten.

„Hast du etwas … Heiteres erlebt?“, fragte ihre Mutter, die sich keine Regung ihres Gesichtes entgehen ließ. „Du siehst aus wie früher, wenn du irgendeinen Streich ausgeführt hattest.“

Und wieder verneinte das Mädchen ihre Frage. Cora wusste nicht, dass sie Frau Gabriela sehr wehtat. So wie heute erging es ihr immer, wenn sie versuchte, mehr als nur Äußerlichkeiten über Cora zu erfahren.

Auch ihre Tochter griff nach einem Buch. Die Mutter zuckte resigniert mit den Schultern. Traurigkeit war in ihr, denn sie konnte und wollte sich einfach nicht damit abfinden, dass ihr einziges Kind wie ein gern gesehener Gast im Elternhaus lebte.

„Baron von Rabenhorst ist ein interessanter Mann“, stellte sie tastend fest.

Cora hob den Kopf von ihrer Lektüre.

„Ja“, äußerte sie lang gezogen, und Frau Gabriela erriet, dass sie mit ihren Gedanken mehr bei dem Buch als bei ihrem zukünftigen Mann war.

Sie machte sich Sorgen um die Zukunft ihres Kindes, denn sie selbst hatte Manfred aus Liebe geheiratet und ihren Schritt nie zu bereuen brauchen.

„Liebst du ihn eigentlich?“, fragte sie aus diesen Gedanken heraus.

Das kam für Cora völlig unvermittelt, sie hob konsterniert den Kopf.

„Ob ich ihn liebe?“, fragte sie so erstaunt, als hielte sie es für eine Zumutung, ihren zukünftigen Mann auch noch lieben zu müssen. „Ich halte Baron von Rabenhorst für einen sehr zuverlässigen, arbeitsamen Mann, bei dem jede Frau gut aufgehoben ist. Außerdem ist er selbst so vermögend, dass ich sicher bin, er heiratet mich nicht nur des Geldes wegen. Und das ist doch schon viel, nicht wahr, Mutter?“

Die alte Dame senkte bekümmert den Kopf. „Mag sein, dass du recht hast, Kind. Ich kenne mich in der heutigen Zeit nicht mehr richtig aus. Früher einmal glaubte man, den Mann lieben zu müssen, den man heiratete. Aber wenn du meinst, dass Achtung genügt …“

„Allerdings, das meine ich. Liebe vergeht schnell, ich sehe es immer wieder. Irgendwann gehen die Männer ihre eigenen Wege, und die jungen Frauen bleiben zu Hause, kümmern sich um das Essen und die Kinder. Dann sind sie unzufrieden. Sie haben alle zu viel erwartet, doch den Fehler mach ich nicht. Ich erwarte nicht viel von der Ehe und kann deshalb auch nicht enttäuscht werden.“

„Ich verstehe euch junge Menschen nicht mehr …“

Der Mutter tat es leid, diese Äußerung getan zu haben, denn als sie sie aussprach, senkte Cora den Kopf gerade wieder über ihr Buch. Schmerzlich fühlte Frau Gabriela den Abgrund, der sie von Coras Herz trennte – wenn dieses moderne Mädchen überhaupt ein Herz hatte. Die Mutter wusste es nicht.

***

Wilhelm von Rabenhorst ging es ganz ähnlich. Sicher, er hatte Cora sehr gern, aber andere Mädchen auch. Solange er nicht verheiratet war, fand er, brauchte man es mit der Treue nicht so genau zu nehmen.

Der Baron verschloss das Bild eines Mädchens in der Schreibtischschublade und gähnte. Der Kognak hatte ihn müde gemacht, aber andererseits war es noch zu früh, um schon ins Bett zu gehen – nicht einmal zweiundzwanzig Uhr! Er beschloss, sich noch ein paar angenehme und entspannende Stunden zu verschaffen.

Es fiel ihm nie schwer, Damenbekanntschaften zu schließen. Er war eine faszinierende Erscheinung, die auf Frauen wirkte – übrigens auch auf Männer. Nur wenige waren imstande, ihn als Blender zu durchschauen.

Zu diesen wenigen gehörte sein Sekretär Jan Friedmann, aber auf sein Urteil legte der Baron nicht den geringsten Wert. Jan war für ihn kein Mensch, sondern eine Institution, die ihm die lästige Arbeit abnahm. Wenn es mit der Arbeitsleistung nicht mehr klappte, würde er ihn ersetzen wie einen versagenden Automat. Nie hatte Baron von Rabenhorst sich gefragt, was sein Sekretär denken oder gar fühlen mochte.

Er verließ sein Arbeitszimmer durch eine andere Tür, die in seinen Ankleideraum führte, und wählte sorgfältig eine passende Krawatte zu seinem grauen, dezent karierten Anzug.

Im Vorzimmer brannte noch Licht. Der Sekretär arbeitete noch, und als der Baron es vom Auto aus sah, schmunzelte er vor sich hin. Der Mann wurde ja dafür bezahlt, mochte er ruhig mal ein paar Überstunden machen.

Baron von Rabenhorst parkte sein Auto vor der eleganten Bar, in der er Stammgast war. Der Portier dienerte tief, als er an ihm vorbeiging, und riss beflissen die Tür auf.

„Danke, mein Lieber“, schnarrte Wilhelm und nickte dem Mann zu.

Der Geschäftsführer kam ihm eilig entgegen, als er in der Nähe der Tür stehen blieb und sich umschaute. Viele junge Damen erschienen allein, aber meistens blieben sie nicht lange allein, und sein Blick taxierte sie.

Der Geschäftsführer begrüßte ihn devot, und der Baron hob grüßend die Hand, ohne seine Musterung zu unterbrechen.

„Wer ist das da hinten?“, fragte er und wies mit einer kleinen Kopfbewegung auf eine Brünette, die ihn mit einem gelangweilten Blick gestreift hatte und dann mit betontem Nichtinteresse vor sich hin schaute.

Der Geschäftsführer sagte es ihm und bot ihm an, ihn der Dame vorzustellen.

„Okay!“ Wilhelm warf sich in die Brust, als er dem befrackten Geschäftsführer folgte. Er kannte die Spielregeln des Flirts, und die junge Dame, wie er Gelegenheit hatte festzustellen, auch. Es war stets das gleiche, aber stets auch gleich reizende Spiel: das allmähliche Kennenlernen, das gegenseitige Abtasten und allmähliche Näherkommen.

Der Getränkeumsatz an seinem Tisch befriedigte den Geschäftsführer vollkommen, und auch Wilhelm fühlte sich in dieser luxuriösen Umgebung sehr wohl. Daher war der Baron auch keineswegs erfreut, als ihm jemand heftig auf die Schulter klopfte und er beim Umschauen Mark Drömer erkannte, einen Fabrikanten landwirtschaftlicher Maschinen, mit dem zusammen er schon manche Flasche geleert hatte.

„Störe ich?“, erkundigte sich Drömer mit einem bezeichnenden Blick auf die junge Dame.

Es gehörte zu den Pflichten der Höflichkeit, solch eine törichte Frage zu verneinen, auch wenn der Tatbestand ganz offensichtlich dagegen sprach. Mark Drömer ließ sich vorstellen und setzte sich als Dritter an den kleinen Tisch. Er sah aus, als ob er Kummer hätte – für diesen Abend nicht gerade der angenehmste Gesellschafter, fand der Baron, und seine Tischdame schien der gleichen Ansicht zu sein.

Der Geschäftsführer runzelte die Stirn und überlegte, welche Dame er als vierte und unbedingt nötige Ergänzung an den Tisch schicken konnte. Doch bevor er seinen Entschluss noch ausführte, stand Mark schon wieder auf.

„Ich merke, dass ich euch störe“, stellte er ein wenig undeutlich fest. Man sah ihm an, dass er nicht nur ein Glas geleert hatte. „Ich werde mich verziehen. Noch viel Vergnügen, Wilhelm. Und Ihnen auch, gnädiges Fräulein.“ Der Fabrikant verneigte sich ein wenig schwankend vor der Brünetten.

Im Fortgehen murmelte er etwas, was sich anhörte wie „verdammte Frauen, sind alle gleich.“

„Ihr Freund hat Liebeskummer, Baron“, behauptete die junge Dame wissend.

„Ich glaube, Sie sind völlig auf dem Holzweg.“ Wilhelm lachte. „Der gute alte Mark könnte an jedem Finger zehn haben! Ich kenne keine Frau, die Nein sagt, wenn er …“

„Wahrscheinlich hat er eine kennengelernt …“ Die junge Dame hatte ihre Erfahrungen mit Männern. Es tat ihr fast leid, dass Mark es war, der sie verlassen hatte. Er sah tatsächlich fabelhaft aus und machte einen wesentlich intelligenteren Eindruck als Wilhelm.

Sie hatte mit ihrer Vermutung mitten ins Schwarze getroffen. Mark Drömer bestellte sich eine Flasche Wein, und während er sie leerte, dachte er an die kleine Verkäuferin, die er zufällig kennengelernt und eingeladen hatte, mit ihm zu dinieren.

Therese Köhler war nicht abgeneigt gewesen, und Mark freute sich auf die Abende, die er mit ihr verbrachte, weil sie trotz ihres Berufes durch und durch damenhaft wirkte und nicht nur charmant, sondern auch sehr klug war.

Gestern Abend, als sie wieder im besten Hotel der Stadt gegessen hatten, hatte er ihr vorgeschlagen, in seiner Wohnung noch eine Flasche Wein zu trinken. Es war so üblich, er wusste es – und Therese auch.

„Ich fürchte“, hatte sie gesagt, „wir beide haben uns ineinander getäuscht. Leben Sie wohl, Herr Drömer.“ Und dann hatte sie ihn einfach stehen lassen!

Doch was sollte er tun? Er konnte sie doch nicht heiraten, eine kleine, unbedeutende Verkäuferin, die den ganzen Tag im Laden stand und widerliche Kunden bediente! Was würde man von ihm sagen, wenn er sie zu seiner Ehefrau machte?