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Im Lande Zariya ist es Tradition, dem Gott des Todes, Majan, jedes Jahr ein Opfer zu bringen. Als Bellatrix sich anstatt ihrer Schwester heimlich dafür weihen lässt, entführt Majan sie in das Reich El´daín. Auf seinem Schloss angekommen, stellt sie fest, dass alles, woran sie bisher geglaubt hat, eine Lüge ist, und dass auch die schönsten Rosen Dornen tragen. Majan umgibt ein dunkles Geheimnis, und während Bellatrix ihr Herz immer mehr an den dunklen Prinzen verliert, entfernt sie sich Stück für Stück von ihrem alten Leben. Schon bald beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit und nicht nur Belles aufkeimende Gefühle zu Majan stehen auf dem Spiel – sondern die Zukunft eines ganzen Reiches.
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Seitenzahl: 397
Veröffentlichungsjahr: 2025
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K. K. Summer
Die Braut des Todes
Eisermann Verlag
K. K. Summer ist schon als Kind in die Welt der Bücher und Buchstaben eingetaucht. Alles begann mit dem Jungen, der überlebte und bis heute liebt sie das Fantasy Genre mehr, als alles andere. Elfen, Drachen, Magie und fremde Welten haben sie schon immer in ihren Bann gezogen und so ist es nicht verwunderlich, dass sie auch in ihrer Freizeit in diese Welt, mit Hilfe von Dungeons & Dragons, abtaucht. Auch wenn ihre Arbeit als Personalsachbearbeitung wenig Raum für Fantasie lässt, konnte sie sich diese doch stets bewahren. Wenn sie nicht selbst am Schreiben oder Lesen ist, liebt sie alles rund um das Thema True Crime, Japan und alles andere, was ein Nerd-Herz höher schlagen lässt.
K. K. Summer findet ihr auf
Facebook: K K Summer Autorin
Instagram: KK_Summer
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.deabrufbar.
Print-ISBN: 978-3-96173-167-1
E-Book-ISBN: 978-3-96173-218-0
Copyright (2025) Eisermann Verlag
Lektorat/ Korrektorat: Pia Euteneuer
Illustrationen: © Maja Köllinger und Sophie Usui/Yomiya
Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag
Bilder und Grafiken von www.shutterstock.com und creativemarket.com
Stockfoto-Nummer: 772594789, 2545127601
Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag
Hergestellt in Deutschland (EU)
Eisermann Verlag
ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH
Alte Heerstraße 29 | 27330 Asendorf
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Für MajA
Nicht nur, weil Majan dein Namensvetter ist, und auch nicht nur, weil du immer so toll für mich zeichnest. Sondern weil du meine Freundin bist.
»Kommt, kommt, meine Kinder. Setzt euch ans Feuer und lasst mich eine Geschichte erzählen, die ihr nicht mehr vergessen werdet. Eine Fabel von Schönheit und Tragik, sodass man selbst in Jahrhunderten darüber reden wird«, lockte der alte Barde die Dorfbewohner zu sich und sie folgten seinem Ruf in Scharen. Als sich der letzte Zuhörer auf den im Halbkreis aufgestellten Baumstämmen niedergelassen hatte, verdunkelte sich die kalte Winternacht. Ein bitterer Wind zwang die Menschen, ihre Wollumhänge fester um sich zu wickeln und obwohl das Feuer ein wenig Trost spendete, vertrieb es die bösen Geister des Winters niemals ganz. Schon gar nicht in dieser armen Gegend.
Geduldig wartete der Barde, bis alle Gespräche verstummten, und begann mit leiser und klarer Stimme, die man seiner alten und teilweise zerlumpten Erscheinung gar nicht zugetraut hätte: »Ihr alle kennt die Geschichte, wie der Tod in die Schranken gewiesen wurde. Ein verfluchter Prinz, auf ewig verdammt. Aber kennt ihr die Sage, wie der Tod sein Herz fand und verlor? Entdeckte, dass er mehr zu sein vermochte als ein Monster?«
Als niemand ihm antwortete, gluckste der alte Mann und schüttelte den Kopf. Die Naivität der Leute verwunderte ihn immer wieder. Auch, wenn er es inzwischen wirklich besser wissen sollte. Zu schnell verschwanden Geschichten aus ihren Gedanken, wenn man sie nicht wiederholte. Genau dafür hatte er den Weg an diesem Abend in das kleine Dorf gefunden.
Er schenkte den Bewohnern ein warmes Lächeln, ehe er sich nach vorn beugte und weitersprach: »Dann lasst mich euch zeigen, was es heißt, wenn selbst in der dunkelsten Nacht ein Licht scheint. Lasst mich euch erzählen, was es heißt, zu lieben …«
BellatriX
Die Sonne hatte den Rand der Welt noch nicht überschritten und ich nutzte den letzten Schleier der Nacht als Tarnung. Auf Zehenspitzen schlich ich nach draußen, vorbei an dem Zimmer meiner Schwester Samira und dem Raum meines Vaters.
Heute war der Tag, an dem das Opfer geweiht wurde. Ein heiliges Ritual, welches das Schicksal des Mädchens oder der Frau ohne Wiederruf besiegelte. Eigentlich war es Samira, die dort zu erscheinen hatte, doch das würde ich nicht zulassen. Niemals.
Lediglich die Dorfältesten und die Familie der jungen Frau wussten, wer die Weihe empfing. Deshalb vertrauten die Priester und Schwestern darauf, dass die richtige Frau zu ihnen kam. Nie zuvor hatte eine andere, die nicht erwählt worden war, sei sie nun Familie oder nicht, den Platz des Opfers freiwillig eingenommen.
Wieso sollten sie das auch tun? Schließlich wollte niemand, der noch bei Verstand war, sterben.
Wieder einmal bildete ich die Ausnahme. Bevor meine Schwester in den Tod ging, würde ich die Weihe auf mich nehmen.
Während ich durch die Straßen des Dorfes schlich, hielt ich meinen Blick auf den Tempel gerichtet. Er befand sich etwas abseits an der Ostseite, auf einer kleinen Anhöhe. Bei Tag und Nacht erleuchteten ihn unzählige Kerzen und ich folgte ihrem Schein wie ein Insekt, das vom Licht angezogen wurde.
Immerzu überfiel mich die Angst, entdeckt zu werden, aber keine Menschenseele war auf den Beinen – selbst der Sonnenaufgang ließ auf sich warten.
Es dauerte nicht lange, bis ich die Stufen zum Tempel erklomm und durch das Meer von Kerzen auf den Eingang zuschritt.
Ein wenig außer Atem blieb ich vor den Toren stehen und zog an der Schnur, die zu meiner Rechten herunterhing.
Im Inneren des Gebäudes läutete eine Glocke und bald darauf näherten sich Schritte der Tür. Mein Herz klopfte unterdessen wie wild und mir wurde klar, dass es kein Zurück geben würde, sobald ich die Türschwelle einmal überschritten hatte.
Eigentlich stand der Tempel des Todesgottes jedem offen, der vorhatte, zu ihm zu beten, aber die Glocke symbolisierte unsere Demut. Wir traten nicht einfach in sein Haus ein, sondern baten um Einlass und warteten, ob man ihn uns gewährte.
Mit einem leisen Quietschen wurde die schwere Holztür aufgezogen und eine zierliche Frau mit schwarzem Schleier über dem Gesicht erschien. Die zeremonielle Kleidung einer Schwester des Todes erinnerte an die einer Braut an ihrem Hochzeitstag, doch das Schwarz stand in starkem Kontrast zu dem Weiß, das Bräute sonst ausmachte. Ihr Anblick hatte etwas Beunruhigendes an sich und auf meinen Armen prickelte eine Gänsehaut.
»Was führt dich so früh am Tage zu uns, mein Kind?«
Ihre Stimme klang ruhig, ja beinahe sanft, und obwohl ich mich eben noch gefürchtet hatte, fühlte ich mich bei ihren Worten sofort geborgen.
Ich verneigte mich vor ihr, so wie es sich gehörte, ehe ich mein Anliegen vortrug. »Die Weihe führt mich hierher. Ich bin auserwählt worden, mich für unseren Herrn zu opfern und ihn zu besänftigen.«
Die Silben kamen ohne ein Zittern über meine Lippen und ich war stolz, wie selbstbewusst ich im Angesicht meines sicheren Todes klang.
Die Schwester nickte bedächtig. »So soll es sein. Folge mir, mein Kind.«
Rasch lief ich ihr nach und betrat, zum ersten Mal seit einer Weile, einmal wieder den Tempel unseres wichtigsten Gottes. Natürlich betete ich daheim, doch dieser Ort hier war mir noch nie sonderlich geheuer gewesen.
Die Kerzen, die den fensterlosen Gang erleuchteten, malten tiefe Schatten an die Wände und ich glaubte, lebendige Figuren darin tanzen und Fratzen zurückstarren zu sehen.
Schnell sah ich wieder auf meine Füße und folgte der Schwester den Gang hinab. Vorbei an dem Hauptraum, in welchem wir unsere Opfergaben ablegen und von den Priestern empfangen wurden, und hin zu Räumen, die den Normalsterblichen üblicherweise verborgen blieben.
Eine dieser Türen öffnete die Frau für mich und bedeutete mir, dass ich hindurch gehen solle.
»Meine Schwestern warten bereits auf dich und werden sich deiner nun annehmen. Ich werde hier sein, wenn du mit deiner Weihe fertig bist, und dich dann wieder hinausgeleiten.«
Ich nickte stumm und trat durch den Eingang. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, zuckte ich erschrocken zusammen und konnte das Gefühl, in eine furchtbare Falle getappt zu sein, nicht abschütteln.
In jeder Ecke des Raumes stand eine Schwester des Todes. Außerdem entdeckte ich ein kleines Bad und einen Tisch, mit Tiegeln, die sicherlich Salben enthielten. In einer weiteren Ecke stand eine Schneiderin, die das Kleid auf meine Maße anpassen würde, und zuletzt bemerkte ich eine Schwester mit einem großen Buch.
»Tritt näher, meine Liebe, und wir beginnen mit der Weihe. Von diesem Zeitpunkt an wird dein Schicksal besiegelt. Denke daran, dass es eine Ehre ist, für das Wohl des Dorfes einzustehen. Fürchte dich nicht, denn am Ende wird alles gut werden.«
Dass diese Aktion in meinem Tod enden würde, wurde mir mit einem Schlag wieder bewusst.
Da mir keine Worte über die Lippen kamen, nickte ich nur und stieg in das angenehm warme Bad.
Ich schaltete meine Gedanken aus und versuchte, nur im hier und jetzt zu leben. Sonst würde ich vor Angst den Verstand verlieren. Wenn man sich auf jede Partie der Weihe konzentrierte, kam sie einem gar nicht mehr so furchtbar vor.
Das Badewasser umspielte meinen Körper in warmen Wellen und duftete wie eine Blumenwiese im Sommer. Mit einem frischen Schwamm wusch ich mich am gesamten Körper, ehe ich in das flauschigste Tuch gehüllt wurde, das ich jemals an meinem Körper gespürt hatte.
Danach rieben mich die Frauen von oben bis unten mit duftenden ätherischen Ölen ein, die meine Haut geschmeidig machen sollten. Niemals zuvor hatte ich einen solchen Luxus besessen und jetzt begriff ich, wie man sich als Adelige fühlen musste. Mir war klar, dass Neid keine attraktive Eigenschaft darstellte, dennoch wünschte ich mir, in einen anderen Stand geboren worden zu sein. Danach steckte die Schneiderin das zeremonielle, rote Kleid auf meine Maße ab und zog es mir einige Augenblicke später wieder über den Kopf.
»Du wirst das Kleid einen Tag vor der Zeremonie bekommen.
Nun gehe zu deiner letzten Station.«
Ich schluckte und lief zu der letzten Schwester hinüber. Das Buch lag inzwischen aufgeschlagen da und eine Feder mit einem Tintenfass stand daneben. Selbst von hier aus bemerkte ich sofort etwas ungewöhnliches, was mich schlucken ließ: Die Tinte war rot wie Blut. Hoffentlich handelte es sich hierbei nicht wirklich um Blut aus den Adern eines Menschen, sonst würde ich mich mit Sicherheit übergeben.
»Trage deinen Namen in das Verzeichnis der ehrenwerten Frauen und Mädchen, die vor dir in das Reich des Todes entschwunden sind, ein«, befahl mir die Schwester. »Die rote Tinte symbolisiert das Blut der Mädchen, die bereits gegangen sind. Sie erinnert uns daran, dass das Opfer eine Notwendigkeit ist und für das Wohl des ganzen Dorfes steht. Es ist eine große Ehre und es gibt keinen Grund, Angst vor unserem Herrn zu haben.«
Mit zitternden Fingern griff ich nach der Feder, umklammerte sie derart fest, dass ich glaubte, sie müsste in meinen Fingern zerbrechen, und schrieb meinen Namen mit geschwungenen Buchstaben auf die unterste Zeile.
Dabei kämpfte ich mit den Tränen, als ich die unzähligen anderen Namen las. So viele Frauen hatte es getroffen. Wie viele Leben und Familien hatte diese Tradition bereits zerstört? Eine, von der wir nicht einmal wussten, ob sie uns überhaupt half?
Die Schwester nickte mir zu. »Das ist der letzte Schritt. Du bist nun offiziell geweiht und wirst in der Nacht des Seelenfeuers von den Brüdern des Ordens abgeholt. Lasse es dir bis dorthin gutgehen und entspanne dich. Wenn du nur daran glaubst, wird alles gut werden. Irgendwann bekommt unser Herr schließlich jeden – du bist uns anderen nur ein wenig voraus.«
Bei ihren aufmunternden Worten fühlte ich mich furchtbarer als zuvor. Sollte das etwa ein Trost für mich sein? Nein, das war es sicherlich nicht und ich bezweifelte, dass es etwas gab, was es besser machen konnte.
»Das bedeutet also, dass ich gehen darf?«
Sie nickte erneut. Nie in meinem Leben war ich so erleichtert gewesen, endlich aus einem Raum zu verschwinden.
Die Schwester, die mich hereingeleitet hatte, brachte mich wie zuvor versprochen erneut zur Eingangstür.
Ich schwieg den gesamten Weg über und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass es nun kein Zurück mehr gab und dass ich es nur für Samira tat. Dennoch musste ich die Ehre, die mir zuteilwurde, anerkennen. Dem Gott des Todes geweiht zu werden, war das Größte, was einer Frau in Beltan widerfahren konnte.
»In ein paar Tagen sehen wir uns wieder. Bis dahin: Gehe mit dem Segen unseres Herrnn. Möge er seine Hand stets über dir halten.«
Jeder Besucher des Tempels bekam diesen Gruß mit auf den Weg, für mich allerdings glich er einem Versprechen, dass mein Leben bald enden würde. Dass alles, was ich bisher gekannt hatte, in wenigen Tagen ein Ende haben würde.
Trotz allem schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Immerhin war mir bewusst, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte – ich hoffte es von ganzem Herzen.
BellatriX
»Ich lasse nicht zu, dass du dich opferst! Du bist eine Frau, Belle, du hast dich auf das Urteil der Ältesten zu verlassen«, schrie Caelum mir durch die geschlossene Holztür entgegen. Während ich meine nachtschwarzen Haare zu der traditionellen Flechtfrisur zusammenband, schnaubte ich entnervt.
»Wie oft habe ich dir gesagt, du darfst mich nicht so nennen, Caelum?«, zischte ich, und selbst, wenn er es nicht zu sehen vermochte, folgte den Worten eine unanständige Geste in seine Richtung.
Was glaubte er, wer er war? So schnell würde ich mich von keinem Mann herumkommandieren lassen.
»Ach, nun zier dich nicht, Liebste. Bald werden wir als Mann und Frau ein Ehebett teilen – da geht es nicht an, dass du mir stets die Krallen zeigst«, fuhr er versöhnlicher fort.
Allein bei dem Gedanken daran, Caelum näherzukommen als eine Armeslänge Abstand, stieg der Ekel in mir nach oben – ganz zu schweigen von der Vorstellung eines gemeinsamen Bettes.
Zwar hatte ich schon von Kindesbeinen an gewusst, dass das meine Bestimmung als Frau war, zu heiraten und Nachfahren zu bekommen, doch meine Mutter hatte stets zu sagen gepflegt, dass ich es niemals tun sollte, wenn ich nicht wollte. Daran erinnerte ich mich genau.
Ohne es zu merken, wanderten meine Hände bei dem Gedanken an meine Mutter an meine Ohren. Befühlten die nun rundlichen Enden und ich zuckte leicht zusammen, als ich das Narbengewebe berührte. Keine Spur mehr von den merklichen Spitzen, die ich derart geliebt hatte. Ein ums andere Mal hatte Vater mir beteuert, dass sie lediglich eine üble Laune der Natur gewesen waren – ein Scherz der Götter.
Dabei konnte ich das Bild von Mutter mit ebenso spitzen Ohren nicht aus meinem Geist vertreiben. Ob meine Erinnerungen durch die Jahre verschwammen?
Ihr Gesicht, ihre ganze Erscheinung verschwand mit jedem Jahr, das verstrich, mehr in der Dunkelheit, aber einiges wusste ich ganz genau.
Samira erinnerte mich an sie. Ihre Art, sich zu bewegen, zu sprechen und mit den Gedanken in einer anderen Sphäre zu schweben –exakt wie unsere Mutter.
»Ich bitte dich, Belle! Lass mich herein, damit wir über diesen Wahnsinn reden können. Ich weiß, dass dir deine Schwester wichtig ist, aber was nützt es dir, wenn du an ihrer statt stirbst? Du bist verlobt und hast eine aussichtsreiche Zukunft. Ich biete dir alles, was das Herz einer Frau begehrt. Jeden Wunsch werde ich dir von den Augen ablesen – niemals soll es dir an etwas fehlen.«
»Caelum. Wie oft noch? Ich lasse Samira nicht gehen. Die Nacht des Seelenfeuers ist heute. Du wirst mich nicht davon abhalten. Außerdem: Ich bin nicht deine Verlobte. Werde es nie sein. Du kannst jedes andere Mädchen zur Frau haben. Selma oder Mareika, wenn du es denn nur möchtest. Doch nicht mich.«
Wie oft hatte er mich umstimmen wollen. Mit Blumen, Versprechungen und teuren Stoffen hatte Caelum versucht, den Weg in mein Herz zu gewinnen. Aber all die süßen Worte verbargen seine wahren Absichten nicht. Er wollte lediglich einen Preis. Und der sollte ich sein.
Nicht mehr als eine Trophäe, wie die Geweihe und ausgestopften Tiere, die man in seiner Hütte auf jeder freien Fläche fand. Caelum hatte ein Talent für die Jagd, das erkannte ich neidlos an. Allerdings interessierte ihn nichts anderes. Ob er jemals ein Buch aufgeschlagen hatte oder überhaupt zu lesen vermochte? Ich konnte es nicht einmal sagen. Eine Zukunft mit einem Mann, der meine Liebe für Bücher nicht teilte, schien undenkbar.
In ganz Zariya gestattete man es den Frauen, lesen und schreiben zu lernen, dennoch wurden wir zumeist nur Hausfrauen und Mütter. Kümmerten uns um Haus, Herd und Kinder, während die Männer Gold verdienten. Die meisten Frauen wollten nicht einmal aus ihrem Alltag heraus und einen richtigen Beruf erlernen. Fühlten sich wohl, mit dem, was die Götter ihnen gegeben hatten. In Beltan, dem Dorf, in dem ich geboren und in dem ich sterben würde, verhielt es sich nicht anders. Zwar hatte ich Bücher über Stämme gelesen, die nur aus Frauen bestanden und besser mit Pfeil und Bogen umgehen konnten als jedes andere Volk. Ob solch ein Stamm jedoch existierte, oder lediglich der Vorstellung eines übereifrigen Schreibers entsprang, vermochte ich nicht zu sagen. Bevor ich ein weiteres Wort an Caelum richtete, hatte er die Tür aufgerissen und stürmte mit grimmigem Ausdruck in den Augen und geschürzten Lippen herein. Durch den Spiegel sah ich ihn mit verschränkten Armen und erhobener Augenbraue an. Wartete, ob er etwas sagen würde. Als das nach mehreren Herzschlägen nicht geschah, seufzte ich und wandte mich zu ihm um. Sein Blick wanderte über das Kleid, betrachtete jede Stelle meines Körpers, die er unter der alltäglichen Kleidung niemals zu Gesicht bekam. Zu meinem Leidwesen bestand das zeremonielle rote Kleid nicht aus sonderlich blickdichtem Stoff, sodass es genauso viel zeigte, wie es verhüllte.
Caelum besaß nicht einmal den Anstand, so zu tun, als wäre ihm diese eingehende Musterung peinlich. Männer.
»Verschwinde! Geh und belästige jemanden, der es möchte. Wenn ich Vater sage, dass du ohne seine Erlaubnis bei mir in der Kammer bist, wirst du dich von deinem Kinderwunsch verabschieden. Die notwendigen Körperteile dazu fehlen dir dann.«
Ich grinste spöttisch. Die Genugtuung, die mich bei seinem geschockten Ausdruck durchströmte, bestätigte mich erneut darin, dass er weder als ehrenhafter Mann und schon gar nicht als Ehegatte taugte. Nur über meine Leiche würde ich zulassen, dass er mich oder meine Schwester heiratete. Immerhin zählte Samira gerade einmal vierzehn Sommer. Noch war sie unschuldig in jeglichem Sinne und ich würde alles dafür tun, um Caelum von ihr fernzuhalten. Selbst wenn Vater überzeugt zu sein schien, dass er eine wunderbare Partie abgab. Egal für welche seiner Töchter.
Caelum gewann seine Fassung schnell wieder und trat einen Schritt auf mich zu. Ich spiegelte seine Bewegung, sodass ich ein wenig mehr Abstand zwischen uns brachte. Er hatte mich schon oft, wie zufällig, berührt und jedes Mal einen Schauer über meinen Rücken gejagt.
»Dein Vater weiß, dass ich versuche, dich von diesem Wahnsinn abzubringen. Er vertritt die gleiche Meinung. Deine Schwester würde ein viel besseres Opfer darstellen. So jung und süß -«
»und das ist der Grund, wieso ich es nicht zulasse! Sie hat ihr ganzes Leben vor sich und ich lasse nicht zu, dass sie stirbt. Wenn du jämmerlicher kleiner Käfer überhaupt Mitgefühl besitzen würdest, würdest du verstehen, was ich meine!«, spie ich ihm entgegen, stürmte auf ihn zu und versetzte ihm einen Stoß gegen die Brust.
Mein Gegenüber taumelte einige Schritte zurück, sodass er wieder im Türrahmen stand und nicht länger in der Kammer. Meinem Rückzugsort, den er mit seiner Anwesenheit verpestete.
»Verschwinde! Ich habe keine Zeit, mich mit dir zu beschäftigen. Heute Abend wirst du einsehen müssen, dass meine Entscheidung endgültig ist – alles andere hat dich nicht zu kümmern.«
Caelum lag eine Erwiderung auf der Zunge, aber bevor er sie aussprach, knallte ich bereits die Tür vor seiner Nase zu.
Er schimpfte eine Weile vor sich hin und schließlich entfernten sich seine stampfenden Schritte.
Einige Momente später ging die Tür erneut auf und eine schmale Gestalt schlüpfte, einem Geist gleich, in mein Zimmer.
Für ihr Alter bewegte meine Schwester sich zu leichtfüßig, sodass man sie für eines der Feenwesen halten konnte, die in vielen Balladen besungen wurden. Mit ihrer hellen Haut, die nie viel Sonne zu Gesicht bekam, den blonden Haaren und himmelblauen Augen ähnelte sie mir kaum. Ihre filigranere Statur ließ jeden glauben, sie würde bei der ersten Berührung zerbrechen.
Trotzdem handelte es sich bei ihr um einen der stärksten Menschen, den ich kannte. Nicht einmal hatte sie sich darüber beschwert, als die Dorfältesten sie als nächstes Opfer auserkoren hatten. Nicht eine Träne hatte sie für sich vergossen, für das junge Leben, welches niemals zu wahrer Größe heranwachsen würde.
Erst, als ich mich an ihrer statt hatte weihen lassen, zeigte sich Trauer in ihren Augen und wich nicht mehr von ihren Zügen. Sie wollte nicht, dass ich mich für sie opferte. Würde lieber selbst sterben, als ihre Liebsten leiden zu sehen.
Zu Samiras Unglück empfand ich genauso. Allerdings besaß ich den Vorteil, dass sie bei Weitem nicht so viel über das Ritual wusste wie ich. Wenn eine junge Frau gesalbt und gereinigt wurde, hatte man sie offiziell als Opfer anerkannt.
Somit gab es keinen Weg zurück.
In der Nacht des Seelenfeuers würde ich, nicht Samira, dargebracht werden, um den Tod ein weiteres Jahr von unserem Dorf fernzuhalten und zu verhindern, dass er mehr Leben nahm, als er sollte.
»Belle, du hättest das nicht tun dürfen. Vater war stolz, dass Caelum um deine Hand angehalten hat. Jetzt wirfst du all das weg.
Du hattest die Chance auf ein so viel besseres Leben, als du es jetzt hast.«
Die glockenhelle Stimme meiner Schwester riss mich aus den Gedanken und ließ mich herumfahren.
Mit klopfendem Herzen ließ ich mich neben ihr auf dem Bett nieder und strich ihr über den Kopf.
»Ach, Mira-Schatz, du weißt, dass ich dich nicht habe gehen lassen können. Du bist meine kleine Fee und hast du von einer Fee gehört, die nicht in Freiheit lebt? Nein? Siehst du, ich ebenso wenig. Was diese Kreaturen brauchen, sind grüne Wiesen, dichte Wälder und Blumen, die schöner sind als alles andere.«
Ich schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln und schluckte die Galle, die meinen Hals emporstieg, hinunter.
»Vater sagt, ich bin viel zu alt für solche Geschichten und dass ich lieber die heiligen Bücher der großen Drei lesen und mich auf die Ehe vorbereiten soll.«
Es bangte mir vor dem Tag, da ich nicht mehr hier war, um sie vor den anderen Menschen und vor Vater zu beschützen. Seit dem Tod unserer Mutter hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, für Samira zu sorgen, als wäre sie mein eigenes Kind. Das konnte einer der Gründe sein, wieso wir ein innigeres Verhältnis besaßen als die meisten anderen Geschwister, die ich kannte.
Für einen Moment sah sie mich mit ihren klugen Augen an und ich stellte erneut fest, dass sie für ihr Alter zu intelligent war. Womöglich hatten die Leute wirklich recht, wenn sie sagten, dass es sich bei Samira um einen Wechselbalg der Feenwesen handelte. Das würde ihre Andersartigkeit zumindest erklären.
»Kleine Fee, du musst gar nicht heiraten, wenn du das nicht möchtest. Da kann Vater noch so sehr toben – wenn du dich weigerst, die Schwüre zu sprechen, werden sie dich niemals dazu zwingen. Die Götter akzeptieren keine Ehen, die unter Zwang geschlossen werden. Was glaubst du, wieso Caelum mich umwirbt, obwohl es keinen Sinn hat. Niemals würde ich diesen eingebildeten Schnösel zum Mann nehmen, so viel steht fest.«
Mein verschwörerisches Zwinkern entlockte ihr ein Kichern und brachte mich zum Lächeln. Letzten Endes war das alles, was ich mir wünschte: Samira glücklich und unversehrt zu wissen.
»Hm, das klingt in der Tat logisch. Wenn ich also stets nein sage, dann habe ich irgendwann meine Ruhe?«, fragte sie und ihre Augen blitzten erfreut auf.
»Na ja, so weit würde ich nicht gehen, Fee. Hübsch, wie du bist, werden die Männer Schlange stehen. Aber du wirst sie sicher los, du bist schließlich nicht umsonst clever.«
»Aber, Belle, was mache ich, wenn ich schon ein solches Angebot erhalten habe?«
»Stimmt das, Mira? Willst du es mir vielleicht erzählen?«, fragte ich mit klopfendem Herzen. Auch wenn es in Samiras Alter nicht ungewöhnlich war, Bündnisse zu knüpfen, schienen die meisten Kinder meine Schwester zu meiden. Ich hätte niemals geglaubt, dass ihr jemand ein Angebot machen würde.
Sie zuckte nur mit den Schultern und nickte dann. »Da gibt es eigentlich nicht sonderlich viel zu sagen«, gestand sie und blickte dabei auf ihre Beine, die über den Rand meines Bettes hingen und in der Luft hin und her baumelten. »Es sind Mihal, Andres und Peer. Sie haben mir alle drei ein Geschenk von ihren Eltern mitgebracht und einen Brief für Vater. Wahrscheinlich mit einem Angebot ihrer Familien.«
Bei ihren Worten starrte ich sie mit angsterfüllten Augen an. Ich kannte die drei Jungs, von denen sie sprach. Sie könnte es schlechter treffen, aber sie sollte keinen von ihnen ehelichen müssen. Zumindest nicht, wenn es nach mir ging.
»Hast du Vater die Briefe schon gegeben? Oder willst du sie mir einmal zeigen? Ich zeige dir, wie man das Siegel abbekommt, ohne dass es jemand merkt.«
Wieder begann ihr Gesicht zu strahlen, als sie in ihre Schürze griff und drei leicht verknitterte Briefe aus Pergament hervorholte. An dem Siegel erkannte ich die Wappen der Familie. Da gab es ein Brot, einen Fisch und einen Hammer. Bäcker, Fischer und Schmied.
Alles respektable Berufe. Allerdings würde Samira damit in die Arbeiterklasse einheiraten und nicht in die gehobene Schicht. Dabei hatte sie auf jeden Fall das Zeug dazu, einen Edelmann oder Prinzen glücklich zu machen.
Für Vater jedoch zählte nur, dass er beide Töchter versorgt bekam, auf die eine oder andere Weise. Und wenn die Summe, die dabei den Besitzer wechselte, so groß wie möglich war, würde er nicht nein sagen.
Schnell stand ich auf, holte eine meiner Kerzen und stellte sie auf den kleinen Nachttisch, um das Siegelwachs vorsichtig darüber zu schmelzen. Damit würden wir den Brief öffnen können, ohne dass es jemand mitbekam. Denn auf diesem Wege ließ er sich ebenso wieder verschließen und Vater würde nichts davon wissen. Ein einfacher Trick, den ich vor einigen Jahren aufgeschnappt hatte.
Schon kurze Zeit später überflog ich die drei Schreiben. Samira behielt recht. Alle enthielten Heiratsangebote, wobei sie bei Weitem nicht so schlecht klangen, wie ich befürchtet hatte – allerdings auch nicht gut.
Ich schluckte schwer, während ich die Siegel wieder verschloss. Für einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte, und ließ meinen Blick unschlüssig zum Fenster gleiten. Draußen dämmerte es und ich sollte mich bald fertigmachen. Die Nacht des Seelenfeuers rückte näher und mit ihr die Stunde meines Todes.
Nur in der heutigen Nacht trat Majan, der Gott des Todes in das Reich der Menschen und nahm seine Opfergabe in Empfang. Da es sich um die längste Nacht des Jahres handelte, war seine Macht am größten.
Das Blut der jungen Frauen hielt ihn angeblich davon ab, weitere »Morde« zu begehen. Nur die Alten sollten in die andere Welt hinübergleiten und niemand, der sein ganzes Leben vor sich hatte.
»Woran denkst du, Belle? Hast du Angst?«, fragte Samira und ich wandte mich ihr zu. Über ihre Frage dachte ich kurz nach, denn in den letzten Tagen hatte ich gar keine Zeit gehabt, mir großartig Gedanken über mein Schicksal zu machen. Bis jetzt.
»Nein«, sagte ich nach einem kurzen Zögern. »Zumindest nicht, wie du vielleicht denkst. Ich fürchte nur, dass Vater dich an den nächstbesten Mann verkaufen wird, damit er seine Ruhe und Geld hat. Und nicht, weil dich jemand liebt. Außerdem habe ich Angst, nicht zu sehen, was einmal aus dir werden wird. Das ist mein Opfer jedoch wert«, versuchte ich, sie zu beruhigen. Sie sah nicht sehr überzeugt aus und runzelte die Stirn. »Nun geh, kleine Fee. Du musst dich für die Zeremonie fertig machen. Es dauert nun nicht mehr lange und die Priester werden mich sicher gleich vorbereiten. Oh, und bevor ich es vergesse, gib Vater nur den Brief mit dem Brot und dem Hammer als Siegel. Wenn es einer von den dreien sein soll, dann lassen wir das schlechteste Angebot verschwinden.«
Wieder zwinkerte ich ihr zu und warf den letzten Brief ins Kaminfeuer, wo er sich innerhalb von wenigen Momenten zu Asche verwandelte.
Dieses Mal erschien ein echtes Lächeln auf ihren Zügen und erwärmte mein Herz. Ja, Samira war anders als die Kinder des Dorfes, aber sie würde ohne mich zurechtkommen.
Schnell sprang sie von meinem Bett herunter und ich folgte ihr bis zur Tür, lugte vorsichtig heraus und erkannte erleichtert, dass Caelum verschwunden blieb.
»Ich hab dich sehr lieb, Belle. Das weißt du, oder?«, nuschelte meine kleine Schwester, während sie die Arme um mich schlang und für ihre zierliche Statur fest drückte.
Die Tränen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich verdrängt hatte, stiegen mir nun in die Augen und ich erlaubte ihnen für den Bruchteil einer Sekunde freien Lauf – gestattete mir selbst um das zu trauern, was ich zurückließ.
»Ja, das weiß ich. Mir geht es genauso.«
Ich gab ihr einen letzten Kuss, mitten auf den Scheitel, drehte sie um und schob sie sanft in den Gang hinein. Wie es ihre Art war, wandte sie sich nicht mehr um, sondern verschwand, ein heller Fleck in der Dunkelheit, im Gang.
Als ich die Tür hinter mir schloss, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, ob dies das letzte Mal war, dass ich sie zu Gesicht bekam. Ich betete zu allen drei Göttern, dass das nicht der Fall sein möge.
BellatriX
Die kühle Herbstluft empfing mich, als ich aus dem Haus heraustrat und mich in Begleitung dreier Priester auf den Weg zum Zeremonienplatz machte.
Seit sie vor einigen Stunden meine Kammer betreten hatten, hatte keiner von ihnen ein Wort gesagt und dieser Umstand machte es nicht einfacher, nicht in blinde Panik zu verfallen.
Auch, wenn das Opfer, in den Stunden vor der Zeremonie wie eine Königin behandelt wurde, vermochte ich nicht, dem etwas Gutes abzugewinnen. Was brachte es mir, ein Leben in Mittelmäßigkeit zu führen, nur um mich in den letzten Augenblicken wie eine Königin zu fühlen. Meinen Vater hatte ich den ganzen Tag über nicht zu Gesicht bekommen. Zürnte er mir, dass ich mich opfern lassen würde, weil ihm dadurch die Chance auf eine gute Heirat verwehrt blieb?
Vater würde das niemals laut zugeben, aber er gehörte als Erfinder nicht zur oberen Schicht. Weder in Zariya noch in unserem Dorf. Zwar hatten seine Erfindungen einigen Leuten weitergeholfen, trotzdem empfanden die Menschen ihn als eigenartig und sonderbar. Niemand, der bei Verstand war und auf seinen Ruf achtete, würde sich freiwillig mit ihm abgeben.
Vielleicht wollte er Samira und mich aus diesem Moment so schnell es ging, loswerden. Nicht, weil er keine Lust hatte, sich mit zwei Töchtern abzugeben, sondern, da er wusste, wie unsere Chancen standen. Seinetwegen.
Nicht, dass er sich deshalb anders verhalten würde – wenn überhaupt war das Gegenteil der Fall. Für ihn zählten lediglich seine Erfindungen.
»Edles Opfer, wir sind nun gleich beim Seelenfeuer angelangt. Es ist an der Zeit, dass du deine Kapuze ablegst. Immerhin soll der Tod seiner Braut ins Gesicht schauen. Alles andere wäre eine zu große Beleidigung.«
Der Priester, der mit mir gesprochen hatte, schien das Amt noch nicht lange zu bekleiden, er konnte kaum mehr als siebzehn Sommer gesehen haben. Dem gleichzeitig ungeduldigen und angsterfüllten Blick nach zu urteilen, wollte er keinen Fehler begehen, um seinen Gott und Meister nicht zu erzürnen.
Als ich die Kapuze des roten Umhangs nach hinten schob, fuhr die kühle Brise durch meine Haare und zerrte einzelne Strähnen aus der feinen Flechtfrisur heraus.
»Nun musst du nur noch den Mantel ablegen. Ich möchte es dir nicht schwerer machen als ohnehin schon, aber mein Meister will es so. Und ich bin nur sein untertänigster Diener.«
Der Junge lächelte mich entschuldigend an und ich erwiderte das Lächeln, allerdings deutlich weniger enthusiastisch.
Den roten Stoff übergab ich ihm ebenfalls und fröstelte sofort. Das Kleid war derart fein gewoben, dass man beinahe hindurchsehen konnte. Es verdeckte genauso viel, wie es zeigte.
»Wunderbar. Du siehst wundervoll aus, Bellatrix. Ich weiß, dass du als Braut des Todes wie eine Herrscherin wirken wirst.«
Braut? So nannten sie das Opfer? Wahrscheinlich fiel es leichter, die jährlichen Morde zu rechtfertigen, wenn man sich einredete, dass die Mädchen nicht starben, sondern verheiratet wurden. Diese Tradition ist krank. Keine Mutter, die eine Tochter zur Welt bringt, kann sicher sein, dass sie jemals das Erwachsenenalter erreicht.
Ich hoffe für Samira, dass sie lediglich Knaben bekommt, oder gar keine Kinder. Dann wird ihr all der Schmerz erspart bleiben.
Meine Schwester würde als Angehörige des Opfers heute Abend anwesend sein und um ihretwillen betete ich, dass es schnell und schmerzlos vonstattenging. Nun, da die Stunde der Wahrheit näher rückte, hoffte ich es ebenso für mich.
»Was wird jetzt geschehen? Man hat mir kaum etwas über den Ablauf der Zeremonie berichtet – würdet Ihr diese Lücken füllen, Bruder …?«
»Maynard«, ergänzte er. »Mit großer Freude, wertes Opfer. Immerhin verhilfst du meinem Herrn zu neuer Größe und sorgst dafür, dass niemand sonst stirbt. Es ist eine noble Aufgabe, und du solltest dich nicht fürchten. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben.«
Abgesehen davon, dass ich sterbe.
»Wir werden dich an den Zeremonienpfahl binden, der während des Seelenfeuers bereitsteht. Danach werden wir die Anrufung beginnen und den Tod bitten, in unserer Mitte Platz zu nehmen und das Opfer, dich, nicht zu verschmähen, sondern uns ein weiteres Mal gnädig zu sein. Wenn er es annimmt … nun, wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Kenntnis, was sich dann abspielt. Niemand ist je aus dem Reich des Todes zurückgekehrt. Auch wenn es für mich kein größeres Glück gäbe, als von ihm auserwählt zu werden. Leider ist mir das nicht möglich. Schließlich bin ich keine Frau. Und, soweit es die Almanache und Chroniken berichten, hat mein Meister kein Interesse an männlichen Opfern. Nicht, dass es über die Jahrhunderte nicht versucht wurde.«
Zu meiner Überraschung und Verwunderung wirkte er in der Tat geknickt.
Welche Ironie – ich, die es nicht wollte, hatte kaum eine andere Wahl und er, der es anstrebte, durfte nicht.
»Habt Dank, Bruder Maynard. Ihr habt mir zumindest einen Teil meiner Ängste genommen. Ich bin nun so weit, dem Gott des Todes entgegenzutreten«, entgegnete ich leise und hoffte, dass ich dabei überzeugend wirkte. Auch, wenn ich mir sicher war, dass man mir die Angst deutlich ansah.
Maynard nickte ernst. »Dann lasst die Nacht des Seelenfeuers beginnen!«
Auf dem kreisrunden Platz, der sich im Wald rund um unser Dorf herum befand, herrschte ein reges Treiben.
Alle Brüder und Schwester des Ordens hatten sich eingefunden, ebenso die ältesten Beltans und einige Schaulustige.
Als ich den Blick über die Menschen schweifen ließ, erkannte ich, dass jeder, der auch nur im Entferntesten zu meiner Familie gehörte, ebenfalls gekommen war. Vater und Samira sah ich jedoch nicht. Ich schluckte schwer. Wollte tapfer sein, aber das Herz schlug mir bis zum Hals und mein Magen drehte sich herum, sodass ich froh war, seit einem Tag zu fasten, wie es der Brauch verlangte. Abgesehen davon, dass ich ohnehin keinen Bissen herunterbekommen hätte, wäre die Chance, dass ich mich hier vor den Augen aller übergeben müsste, zu groß.
Meine Handflächen klebten von dem kalten Schweiß, aber ich wagte es nicht, sie an dem Kleid abzuwischen.
In Begleitung der drei Priester trat ich auf die Lichtung, die von flackernden Fackeln eingesäumt wurde. Wilde Schatten tanzten ihren Reigen zwischen den Bäumen und mehr als einmal erkannte ich darin Dämonen und andere Kreaturen der Nacht. Oder ging lediglich meine Fantasie mit mir durch?
Ich hoffte es sehr.
»Ihr lieben Leute. Wir sind heute hier zusammengekommen, um die längste Nacht des Jahres zu feiern. Heute ist der Schleier zwischen den Welten so dünn wie nie und schon bald wird mein Meister uns mit seiner Anwesenheit ehren.«
Für einen jungen und aufgeregten Priester klang Maynards Stimme ausgesprochen fest.
»Daher werde ich unser gnädiges Opfer, Bellatrix, nun an den Zeremonienpfahl binden. Dieser steht für das Leben und den Tod, von dem das Opfer befreit werden wird. Niemand wird ihr mehr etwas anhaben – nicht einmal die Götter. Schließlich ist Majan der Höchste der Drei. Preiset ihn!«
»Preiset ihn«, echote es aus den Reihen der Zuschauer, während er mich derart fest an den Pfahl band, dass ich nicht entkam, jedoch nicht so stark, dass es mir wehtat.
Selbst wenn ich nicht wirklich verstand wieso, verehrten wir den Tod als den höchsten der drei Götter. Vermutlich weil der Tod jeden gleich behandelte, ungeachtet des Alters, Status oder Aussehens. Im Tod waren wir alle gleich – ganz im Gegensatz zum Leben.
Majan sah nach dem Rechten und sorgte dafür, dass jedes Leben ein Ende fand. Manche früher, manche später. Er urteilte nicht und fand keine Freude daran. Zusammen mit seinen Geschwistern Honorus, dem Gott der Zeit, und der Göttin des Lebens, Byr, herrschte er über Zariya und das schon seit Jahrhunderten. Und genauso lange verurteilten wir jedes Jahr eine Frau zum Tode.
Noch niemandem war es gelungen, einen der Götter zu täuschen, geschweige denn dem Ritual zur Nacht des Seelenfeuers zu entkommen.
»Das Opfer ist bereit – wir werden die Anrufung beginnen. Stellt euch um das Seelenfeuer auf, fasst euch an den Händen und wiederholt die Worte, die ich vorspreche. Hört nicht auf damit, egal was ihr seht. Es gibt keinen Grund, sich zu fürchten. Auch, wenn die Schatten heute dichter sind als an jedem anderen Tag. Nichts und niemand wird euch etwas antun.«
Ich bezweifelte, dass der Gott erscheinen würde, wenn er es nicht wünschte.
Immerhin handelte es sich nicht um ein Tier, das man dressieren und rufen konnte. Die Bewohner Zariyas schienen das anders zu empfinden. Zumindest die deutliche Mehrheit. Alle traten näher an das Feuer und mich heran und nahmen sich bei der Hand. Sie alle schienen sich nicht im Geringsten zu fürchten. Vermutlich einfach nur, weil es für sie zur Normalität gehörte. Jeder von ihnen besaß schließlich auch einen Schutzgott. Wer nicht wenigstens einen der drei Götter als Schutzgott des Hauses besaß und regelmäßig Opfer brachte, wurde von allen Seiten unter Druck gesetzt. Allerdings war es ungewöhnlich, dass eine Familie Majan auswählte. Obwohl er der Mächtigste der drei Geschwister sein sollte. Denn wer, der bei klarem Verstand war, würde den Tod um Schutz und Beistand bitten? Diese Frage konnte ich leicht beantworten: unser sonderlicher Vater.
Während sich alle um das Feuer versammelten, glaubte ich, dass mein Puls jeden Moment meine Adern sprengen würde, und schluckte die Galle, die mir im Hals nach oben stieg, hinunter.
Noch immer hatte ich Samira und Vater nicht entdeckt. Vielleicht sollte ich nicht in ihre besorgten Gesichter schauen. Das würde es schwerer machen, ruhig zu bleiben.
»Oh, ihr Götter, hört meine Worte, denn ich, euer treu ergebener Diener, rufe euch an. Die Nacht ist dunkel und unendlich, aber der dunkle Herr hält seine Hand schützend über mich. Nichts, was Zuflucht am Seelenfeuer suchen wird, kann uns etwas antun. Daher rufen wir den dunklen Herrn selbst. Komm in unsere Mitte und beehre uns mit deiner Anwesenheit! Dein Opfer ist bereit und deine Kinder warten. Ehrfürchtig und mit reinem Herzen. Beehre uns und schenke uns ein weiteres friedliches Jahr«, zitierte Maynard aus dem Buch des Majan und dutzende Kehlen wiederholten die Worte, die zwischen den Bäumen verhallten und mir einen Schauer über den Körper jagten.
Nur schwer löste ich meine Augen von dem Feuer und wandte sie gen Himmel. Mit angehaltenem Atem lauschte ich und vernahm außer dem Knacken der Flammen und dem leisen Geflüster nichts.
Genau in dem Moment, da ich dachte, dieses Jahr Glück gehabt zu haben, vernahm ich es.
Erst leise und weit entfernt, dann lauter, sodass ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte.
Das Rauschen mächtiger Schwingen.
Jemand hatte unseren Ruf erhört und hatte ihn bis nach Beltan verfolgt.
Der Tod war gekommen, um mich zu holen.
MaJAN
Haare, schwarz wie die Nacht.
Ein Kleid, rot wie das Blut, das durch ihre Adern floss.
Schon auf dem Rücken des Pegasus hatte ich ihre Schönheit erkannt und nun, da ich vor ihr stand, raubte sie mir den Atem.
Ich beugte mich nach vorn und strich der jungen Schönheit über die Wange. Ihr Gesicht schien aus Stein gemeißelt worden zu sein. Keinerlei Gefühle zeigten sich auf ihren Zügen. Selbst in ihren Augen, dem Spiegel der Seele, entdeckte ich keine Angst oder Furcht. Sie wusste um ihr Schicksal und trotzdem stand sie vor mir, ohne mit der Wimper zu zucken. Das Kinn trotzig erhoben und mit einem wütenden Funkeln in den Augen.
Das ist die Frau, auf die ich gewartet habe.
Langsam schlich ich um sie herum. Alle Augen waren auf uns gerichtet. Ihre Familie erwartete ihren Tod, immerhin hatten sie diese Frau dazu verurteilt, um mich zu besänftigen.
Ich lachte leise.
Bei dem Geräusch zuckte die Schönheit zusammen und biss direkt danach auf ihre Unterlippe. Sie wollte mich glauben lassen, dass sie ohne Reue in den Tod ging. Hatte vor, stark zu sein für ihre Familie und ihr Dorf. Schließlich handelte es sich um eine große Ehre, als Opfer dargebracht zu werden.
Narren!
Während ich die junge Frau umrundete, bewunderte ich ihre zierliche und gleichzeitig kraftvolle Gestalt. Nach meiner Schätzung hatte sie bestimmt zwanzig Sommer gesehen.
Normalerweise waren die Mädchen jünger, doch keine von den Kindern reizten mich. Sie hatten kaum gelebt und wurden meist vor Angst ohnmächtig, bevor ich erschien.
Diese hier jedoch nicht. Äußerst interessant.
»Wie heißt Ihr, meine Schöne?«, schnurrte ich und trat näher an sie heran.
Wieder strich ich über ihre Wange, dieses Mal versuchte sie, der Berührung zu entkommen.
»Bellatrix. Und ich bin nicht Eure Schöne. Nehmt Eure Finger von mir!«, spuckte sie mir entgegen.
Ein erschrockenes Raunen ging durch die Menge. Mein schallendes Lachen erklang über der Lichtung.
»Ihr gefallt mir. Schon lange hat mir niemand mehr die Stirn geboten. Kommt mit mir in mein Heim und seid die Frau an meiner Seite. Ihr werdet niemals alt werden und niemals sterben.«
Galant verbeugte ich mich vor ihr, den rechten Arm führte ich an die Stelle, an der das Herz eines Menschen saß, und sank auf ein Knie. Den Blick richtete ich auf Bellatrix, die versuchte, mich mit ihren Augen zu erdolchen.
Gerade als ich befürchtete, ich müsste dem Ganzen ein Ende bereiten, senkte sie den Kopf.
»Fein. Ich werde Euch folgen, dunkler Herr. Nehmt mich und verschont mein Dorf.«
Dunkler Herr, das gefällt mir. Selbst wenn es wohl kaum einen unpassenderen Namen gibt.
Ein diebisches Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich mich erhob, um ihre Fesseln zu lösen.
Ehe sie es sich anders überlegte, hob ich sie auf die Arme und schritt zu dem Pegasus.
Ein erregtes Raunen ging durch die Menge der Zuschauer, als ich mit der jungen Frau davonflog, ohne den Menschen am Boden weiter Beachtung zu schenken. Auch meine Braut hielt es so. Ich hatte erwartet, dass sie sich wehren würde, aber sie blieb still.
Habe ich nach all den Jahren und den Fehlschlägen endlich Glück?
Bevor sie in meinen Armen das Bewusstsein verlor, beugte ich mich zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: »Willkommen, Bellatrix. Willkommen in El´daín.«
BellatriX
Als ich meine Augen öffnete, befanden wir uns in der Luft und die dunkle Decke der Nacht umgab uns. Unter uns gab es nichts als Wolken und Nebel – keine Spur einer Zivilisation oder von etwas, das ich kannte.
Nur zu gerne hätte ich gefragt, wohin wir unterwegs waren, doch ich bezweifelte, dass der Mann sich mir erklären würde. Zu meiner großen Überraschung hatte er mir einen Handel angeboten. Meine einzige Möglichkeit, am Leben zu bleiben. In dem Moment hätte ich alles getan, um am Leben zu bleiben.
»Ich vermag anhand Eurer Atmung zu sagen, dass Ihr wach seid, Bellatrix. Wie lange wollt Ihr vorgaukeln, Ihr wäret nicht bei Bewusstsein? Wenn wir erst einmal auf meinem Schloss ankommen, wird es keinen Zweck mehr haben, sich schlafend zu stellen. Immerhin könnt Ihr das kaum Euer gesamtes Leben lang tun.«
Die Worte klangen belustigt.
»Ich kann tun und lassen, was ich will. Ihr habt mich entführt, jetzt soll ich dankbar sein? Ich denke eher nicht. Zumindest nicht, bevor ich nicht weiß, wohin ich gebracht werde, oder was hier geschieht.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich bringe Euch in mein Reich. Alles andere wird sich dort klären. Schließlich seid Ihr meine Braut – und diese hat zu ihrem Mann zu stehen. Stimmt‘s oder habe ich recht?«
Dass er sich über mich lustig machte, ärgerte mich und ich brachte alle Beherrschung auf, um nicht loszuschreien.
Stattdessen drehte ich mich ein wenig zu ihm und sah ihn an.
Die dunkelbraunen Haare hingen ihm in Strähnen in das scharf geschnittene Gesicht und trotzten dem Wind, der uns beide dank der enormen Schwingen unseres Reittieres traf. Als wären selbst die Elemente nicht in der Lage, ihre Hand an ihn zu legen. Seine Iriden leuchteten im Dunkeln in dem wunderschönsten Blau, das ich je gesehen hatte. Es glich den Veilchen, die in Zariya zuhauf wuchsen.
Der Hauch eines Lächelns umspielte seine vollen Lippen.
»Liebste Bellatrix, wir sind am Ziel unserer Reise angekommen.«
Bei den Worten riss ich mich von ihm los und drehte meinen Kopf.
Unter uns glitten die Spitzen der Tannen dahin und in der Ferne tauchte ein Schloss am Horizont auf. Im Dunkel der Nacht beschlich mich das ungute Gefühl, dass ich mich nicht an diesen Ort begeben wollte. Allein der Anblick der dunklen Türme und Zinnen jagte einen eiskalten Schauer über meinen Rücken, sodass ich Schwierigkeiten hatte, nicht zu zittern. Ich hatte nicht vor, ihm einen Grund zu geben, zu denken, dass ich mich leicht einschüchtern lassen würde.
Plötzlich vernahm ich etwas. Zuerst hielt ich es für den Wind, aber eine Sekunde später erkannte ich eine Melodie. So leise und schön, dass sie mir die Tränen in die Augen trieb. Sie lockte mich auf eine Weise, die ich nicht beschreiben konnte. Weckte etwas tief in mir, von dem ich nicht einmal gewusst hatte, dass ich es überhaupt besaß. Wie in Trance versuchte ich herauszufinden, woher sie kam. Immer weiter beugte ich mich nach vorn, versuchte, den Ursprung des Liedes zu entdecken, ehe Majan mich schnell wieder nach hinten zog.
»Ihr solltet das nicht tun. Es ist nicht gut für Euch, auf das Lied zu lauschen.«
Seine Worte vernahm ich nur wie durch Watte, denn alles, was ich wahrnahm, war die liebliche Melodie, die mich nicht losließ und mit jedem Meter, den wir über den Garten flogen, weiter zunahm.
»Schließt Eure Augen«, befahl er mir sanft. Ohne lange darüber nachzudenken, gehorchte ich und mein Magen schlug wie wild Saltos, als ich auf einmal in die Tiefe sackte. Wie aus weiter Ferne drang ein Schrei an meine Ohren und ich brauchte einige Sekunden, um festzustellen, dass es sich dabei um meinen eigenen handelte.
In dem Moment, da sich das Rauschen in meinen Ohren verstärkte, verdrängte es die Melodie und mein Verstand kehrte nach und nach zurück. Selbst, wenn ich mir in diesem Moment wünschte, dass ich den Fall aus dieser Höhe nicht mitbekommen müsste. Der verdammte Bastard zog das Tempo weiter an und sein melodisches Lachen klang über das Tosen des Windes.
Wie von Sinnen klammerte ich mich an seine Arme, hoffte, dass es bald vorbei wäre, und betete zu Honorus und Byr, dass ich das hier überleben würde.
Meine Gebete wurden offenbar erhört. Obwohl es sich nach einer Ewigkeit angefühlt hatte, endete der Sturzflug wenige Momente später. Alles, was mir blieb, war ein Körper, der von Kopf bis Fuß zitterte, und ein Herz, das zu schnell schlug, als wäre ich wie verrückt durch den Wald gerannt.
»Ihr dürft die Augen wieder öffnen. Das Schlimmste ist vorbei. Sofern Ihr das wollt, setze ich Euch auf dem Boden ab. Denn ich habe keine Lust, Euch überall hinzutragen.«
Verwirrt starrte ich ihn an.
Nach einem langen Moment wiederholte Majan langsam und lauter: »Willst du gehen? Wir sind wieder am Boden angekommen!«
