Rot-grün im Kosovo-Krieg: Wandel und Kontinuität politischer Kultur in Deutschland - Jan Jansen - E-Book

Rot-grün im Kosovo-Krieg: Wandel und Kontinuität politischer Kultur in Deutschland E-Book

Jan Jansen

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Beschreibung

Studienarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Deutsche Außenpolitik, Note: 1,0, Humboldt-Universität zu Berlin (Fakultätsinstitut Sozialwissenschaten), Veranstaltung: Vertiefende Diskussion der Grundbegriffe, Hypothesen und Anwendungsfelder aktueller Theorien internationaler Politik, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Kosovo-Krieg 1999 markiert eine Zäsur in der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland: Erstmals seit dem 2. Weltkrieg waren deutsche Soldaten an einem Kampfeinsatz beteiligt. Die Kohl-Regierung hatte 1991 eine militärische Beteiligung am Krieg gegen Irak noch mit der Begründung abgelehnt, das Grundgesetz erlaube den Einsatz der Bundeswehr nur zur Landes- und Bündnisverteidigung. Ausgerechnet die frisch gewählte Bundesregierung aus SPD und Grünen führte nun deutsche Soldaten mit der NATO in einen Angriff auf den souveränen Staat Jugoslawien, und das auf völkerrechtlich äußerst umstrittener Grundlage. In den Medien rieb man sich verwundert die Augen angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der ein halbes Jahrhundert gewaltferner Außenpolitik überwunden wurde und ein gesellschaftlicher Pazifismus, den man gerade im rot-grünen Spektrum tief verwurzelt glaubte. Wie war diese Entwicklung möglich, und welche Konsequenzen hatte sie? Die Arbeit beantwortet diese Fragen mit Hilfe der politischen Kulturforschung. Nach John S. Duffield war die politische Kultur der Bundesrepublik nach 1945 in außenpolitischer Hinsicht durch "Antimilitarismus" und "Multilateralismus" gekennzeichnet. Aufgrund der Erfahrungen mit Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg lehnte demnach der Großteil der Deutschen Militäreinsätze grundsätzlich ab und verlangte bei der Wahrnehmung außenpolitischer Interessen strikt nach multilateraler Einbindung und Kooperation. Die Befürworter eines Kriegs gegen Jugoslawien (v. a. Schröder, Scharping und Fischer) machten sich beides geschickt und erfolgreich zunutze, wie in der ausführlichen Darstellung und Analyse ihrer Argumente deutlich wird. "Antimilitarismus" und "Multilateralismus" sind hier omnipräsent, werden jedoch zum Teil völlig neu interpretiert. Die linke Vergangenheit der Regierungsvertreter stärkte dabei noch ihre Überzeugungskraft. Die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg und ihre rot-grüne Begründung knüpften an die politische Kultur der Bundesrepublik an - und veränderten diese nachhaltig.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Der Kosovo-Einsatz - Eine Zäsur bundesdeutscher Außenpolitik
4. Kontinuität und Verantwortung -
Der „Antimilitarismus“ in der Kosovo-Debatte.
b) Europa, die NATO und das fehlende UN-Mandat -
5. Fazit: Der Kosovo-Einsatz und die politische Kultur
Verzeichnis von Literatur, Interviews und Internetseiten.

Page 1

Wandel und Kontinuität politischer Kultur in Deutschland

Hausarbeit von

Jan Jansen

Page 3

1. Einleitung: Der Kosovo-Einsatz - Eine Zäsur bundesdeutscher Außenpolitik

„24. März 1999. 19.00 Uhr - Die Luftangriffe gegen das jugoslawische Militär, gegen die verbrecherische Regierung und Politik Milosevics haben begonnen“. Mit dieser vorgeblichen Tagebuchnotiz beginnt der sozialdemokratische Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, Rudolf Scharping, sein Buch über den „Kosovo-Krieg und Europa“1. Der Beginn des NATO-Bombardements gegen Jugoslawien markiert eine Zäsur in der bundesrepublikanischen Außen- und Sicherheitspolitik: Erstmalig seit 1945 waren deutsche Soldaten an einem Kampfeinsatz beteiligt. 1991 hatte die Kohl-Regierung - „strongly supported by public opinion“2- eine militärische Beteiligung Deutschlands am zweiten Golfkrieg noch abgelehnt. Außenminister Genscher vertrat die Auffassung, daß das Grundgesetz den Einsatz der Bundeswehr nur zur Landes- und Bündnisverteidigung erlaube3. Nur acht Jahre später führte die frisch gewählte rot-grüne Regierung deutsche Soldaten gemeinsam mit der NATO in einen Angriff auf einen souveränen Staat, auf völkerrechtlich äußerst umstrittener Grundlage, und die ZEIT stellte verwundert fest: „Gleichwohl ist die Selbstverständlichkeit atemberaubend, mit der die Bundesrepublik zu Beginn der Angriffe nicht nur ein halbes Jahrhundert gewaltferner Außenpolitik hinter sich gelassen hat, sondern auch einen gesellschaftlichen Pazifismus, den man tief verwurzelt glaubte“4. Es ließe sich ergänzen: Einen Pazifismus, den man insbesondere bei den Grünen und in Teilen der Sozialdemokratie tief verwurzelt glaubte. Wie war diese Entwicklung möglich?

Nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem 2. Weltkrieg waren eine rein defensive Militärstrategie und multilaterale Einbindung über Jahrzehnte substantielle und charakteristische Merkmale bundesrepublikanischer Außenpolitik. Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990, dem Erlangen der vollen Souveränität und dem Ende des Ost-West-Konflikts wurde insbesondere aus neorealistischer Perspektive der Theorien internationaler Politik ein außenpolitischer Paradigmenwechsel befürchtet: Ein Ausscheren aus internationalen Bindungen und eine aggressivere, stärker auch militärisch orientierte unilaterale Machtpolitik, die sich in dieser Form nicht eingestellt hat.

1Scharping, Rudolf: Wir dürfen nicht wegsehen. Der Kosovo-Krieg und Europa, München 2001, S. 11.

2Hyde-Price, Adrian: „Germany and the Kosovo War: Still a Civilian Power?“, in: Webber, Douglas (Hg.), „New Europe, New Germany, Old Foreign Policy ?“, German Politics 10.1 (2001), S. 19-34, hier: S. 19.

3Krause, Joachim: Deutschland und die Kosovo-Krise, in: Reuter, Jens / Clewing, Konrad (Hg.): Der Kosovo-Konflikt. Ursachen - Verlauf - Perspektiven, Klagenfurt u.a. 2000, S. 395-416, hier: S. 395.

4Artikel „Warum herrscht eigentlich so große Ruhe im Land?“, in: DIE ZEIT 14 (1999), abrufbar unter:www.zeit.de/1999/14/199914_krieg.html(4.11.2001).

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John S. Duffield erklärt die unerwarteten Kontinuitäten mithilfe der politischen Kulturforschung5. Ihmzufolge sind „Antimilitarismus“ und „Multilateralismus“ integrale Bestandteile der politischen Kultur der Bundesrepublik; sie hätten sich damit als deutlich stabiler erwiesen, als ein auf außenpolitische Macht fixierter Ansatz erwartet haben mag.

Dennoch lassen sich wesentliche Akzentverschiebungen innerhalb der politischen Kultur nicht von der Hand weisen - was insbesondere an der Diskussion 1998/99 deutlich wird. Bei diesen Akzentverschiebungen wird der prägende Zeitraum von 1933-1945 nie aus dem Blick verloren, er wird weiterhin als konstitutiv begriffen, jedoch teilweise völlig neu interpretiert. Die Relevanz der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg und ihrer Begründung durch die rot-grüne Regierung für Wandel und Kontinuität der politischen Kultur der Bundesrepublik soll in dieser Arbeit herausgearbeitet werden.