Rote Berge, blaues Dorf - Alexis Debary - E-Book

Rote Berge, blaues Dorf E-Book

Alexis Debary

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Beschreibung

Es fing an in Granada, im Süden von Spanien. Damals hieß die rote Stadt des alten Al-Andalus Granata und dies ist die Geschichte ihrer Blüte und ihres Niedergangs. 

Schon in der ersten Nacht bringt man das Mädchen in das Haus der Braut, ins Dar al-Arusa. Man zerrt sie vorbei am Harem, den privaten Gemächern der Frauen und Kinder des Sultans, und durch den Garten, den Generalife, quer über den Acequia-Hof, mit seinem langen Wasserbecken, in welches das kühle Nass in zarten Bögen zum Mondlicht tanzt.

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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Alexis Debary

Rote Berge, blaues Dorf

Das Herz von Granada und Berhochzeit in Chefchaouen

Für diejenigen, die zu träumen wissen.BookRix GmbH & Co. KG81371 München

VORWORT

Traum und Wirklichkeit verschmelzen an irgendeinem Punkt und was wir im Inneren tragen, kehrt sich nach außen. Der Prozess kann Jein Leben andauern dauern, aber, vom ersten Moment, schaffen wir uns eine Geschichte, unsere Geschichte, aus Erinnerungen, Liedern, die wir irgendwann gehört haben und Projektionen. Den positiven und auch den negativen. Wir machen aus allem ein Selbstbildnis und versuchen, letztendlich nichts anderes als unserem Leben einen Sinn zu geben. Aber Träume sind nicht immer schön… und dies ist die Geschichte zweier, die mich seit meiner Kindheit jeden Schritt lang begleiten.

Das Herz von Granada

Bei einer bestimmten Witterung ist es um mich geschehen. Ein Hauch von verbranntem Holz durchkämmt die Luft und mein Herz fängt an zu pochen. Dann bin ich wieder dort, wo ich aufwuchs; rieche den Süden von Spanien, sehe rote Berge und schreite durchs Land der Granatäpfel. Ich bin wieder in der Alhambra, der roten Burg der Mauren, in Granada und laufe durch den Sommerpalast. Hinter mir stehen die schneebedeckten Berge der Sierra Nevada in Flammen, wenn sie ins Licht der untergehenden Sonne getaucht werden und die alte Stadtburg strahlt wie ein Rubin.

Ich rieche wieder diese Luft, die, die mit dem Hauch von verbranntem Holz durchwoben ist, und laufe durch den Garten der Alhambra. Heute strahlen dort nur noch die Geranien im Sonnenlicht, aber rot erhob sich einmal die ganze Stadt über das fruchtbarste Tal Andalusiens. Rot ist die Alhambra, rot wie die Granatäpfel, die noch an den Hängen wachsen; rot wie die Liebe und der Verrat, den zwei Gesichtern derselben Medaille.

Leidenschaft und Blut floss im alten maurischem Königreich al-Andalus zur Genüge. Die Phönizier waren die Ersten, die hierherkamen, und sie waren es auch die den Granatapfel, ihr Sinnbild, auf der iberischen Halbinsel einführten. Granatapfelrot wurde die Farbe der Stadt aber erst, als die Berberstämme aus dem Süden Marokkos in die Fußstapfen der Westgoten, der Römer und der vielen anderen Eroberer traten. Es waren die Almoramiden und Almohaden die die Alhambra als Spiegelbild von Marrakesh, ihrer roten Hauptstadt jenseits des Mittelmeers, auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar, entwarfen. Gemeinsam bildeten diese beiden Städte Marrakesh — oder Marakshi, wie die Einwohner ihre Stadt liebevoll noch immer nennen — und Granada die zwei Gesichter eines Reichs.

Als Kind, durchwanderte ich jedes Jahr die Alhambra. In ihr lebten, fast achthundert Jahre lang, die maurische Herrscherdynastie, das Militär und ihre Bediensteten. Unter den Zypressen führt der Weg zum Garten, dem Generaliffe, dem Sommerpalast der Königsfamilie. Wenn ich müde wurde vom Laufen, trugen mich meine Füße immer in den Thronsaal. Hier war es kühl und der Stuck hing, zu kunstvollen Stalaktiten geformt, von den Decken. Ich setzte mich in eine der Nischen, um zu verschnaufen und schaute auf die Wände, die einst bunt bemalt gewesen waren. Nun lag nur noch ein blasser Hauch von Farbe über ihnen.

Zwischen den reichverzierten Ornamenten aus geometrischen Blattranken summten verloren geglaubte Schwingungen. Wenn ich ganz still war, hörte ich sie. Sie klangen wie kaum messbare Vibrationen aus einer vergangenen Zeit und trafen mich direkt dort, wo die Wirbelsäule auf das Kleinhirn stoßt. Schemenhafte Bildsequenzen schienen in diesen Räumen auf Ewigkeit im Gipsputz, gefangen zu sein. Ich hörte sie atmen. Sie surrten und schnellten umher. Aus den Zimmerecken war mir, als blitzten elektromagnetische Funken und mir war, als sei das alte al-Andalus in einer Endlosschleife hier gefangen.

Ich schaute durchs Fenster über die Ebene. Sie flimmerte in der Hitze und die Strahlen der Nachmittagssonne durchbohrten die zahlreichen Arabesken. Und dann geschah es: im Zwischenspiel von Licht und Schatten verschob sich der Schleier der Zeit. Wie Staub perlten die Jahrhunderte von den Wänden ab und der Saal, in dem einst der letzte Sultan saß, erwachte erneut zum Leben.

 

--------------

 

In der Ferne ein schwarzer Punkt am Horizont, der immer größer wird. Es ist ein kleiner Trupp aus Reitern, der schon den ganzen Tag unterwegs ist, um Granada vor Nachtanbruch zu erreichen. Sie halten an einer gewissen Erhöhung, in Mitten der Vega-Ebene, und blicken auf die blühendste Stadt Südeuropas, wie sie sich gegen die roten Berge im Licht der untergehenden Sonne abzeichnet.

Man schreibt das Jahr 1475 und die kleine Gruppe aus Raubrittern versucht sein Tempo dem der Öllampen, die auf den Wachtürmern der Stadt angezündet werden, anzugleichen. Granata, wie die Stadt damals hieß, zählt über 50.000 Einwohner. Sie ist auf den gegenüberliegenden Sabikah-Hügeln errichtet und zwischen ihnen fließen zwei Flüsse. Zum einen der schmale Fluss Darro (dessen Name vom “da oro” - “Der, der Gold gibt” abgeleitet ist) und zum anderen der Fluss Genil. Beide Flüsse reflektieren den Sonnenuntergang, genau wie die Alhambra und die Sierra Nevada, hinter der Stadt. Bald werden die ersten Sterne zu funkeln beginnen und die Reiter treiben ihre schwer mit Beute beladenen Gäule an. Doch als sie aber durch das Haupttor kommen, sind die Gassen schon hell erleuchtet und pulsierten rot im flimmernden Licht der Fackeln.

Von edlen Stoffen verhüllt, schaut Isabel de Solís zu allen Seiten. Sie denkt an die, die starben mussten, als man sie entführte. Das Blut in ihren Adern lodert, denn sie weiß nicht, was sie in den Händen ihres Erzfeindes erwartet. In den letzten vierundzwanzig Stunden sind die gesamten fünfzehn Jahre ihres bisherigen Lebens auf den Kopf gestellt worden. Nun ist sie Teil der Kriegsbeute und ihr Schicksal ungewiss.

Die Alhambra ist hell erleuchtet und alle schauen auf sie, lachen sie aus oder wollen sie kurz berühren. Staatsdiener, Adlige, Juden, aber auch viele Christen, die in der Stadt leben, sind, zu diesem Anlass, erschienen. Es haben sich aber auch viele Morisken, zwangsbekehrte Einheimische, unter den Gefolgsleuten des Sultans eingefunden. Jeden Moment wird die Kriegsbeute in den Thronsaal hereingetragen werden und endlich wird der Sultan Abu l-Hasan Alí wieder Grund zum Jubeln haben.

„Ich werde es ihnen noch zeigen, zu was ich fähig bin”, murmelt er in seinen schwarz gefärbten Bart. Sein Blick schweift über die Köpfe seiner Gefolgsleute, seiner Wesiren, Kadis und Steuereintreibern. Aber aus dem Augenwinkel nimmt er kurz wahr, wie seine schlaue Hauptfrau Aisha al-Horra ihn aufmerksam mustert.

„Alles ist noch nicht verloren”, schwört er, „Ich werde mein Reich wieder groß machen”.

Aisha al-Horra ist es aber, die es in dieser Geschichte am härtesten treffen wird. Ich fühle mit ihr. Zumindest teilweise. Zum anderen Teil mag ich sie nicht sonderlich; selbst wenn ihre Geschichte auch die meine und die vieler anderer Frauen ist. Die Begebenheit und Farben sind anders; die Muster ähnlich. Aisha ist seit über vierzig Jahren die Hauptfrau von Abu l-Hasan, dem zweiundzwanzigsten Sultans der Alhambra, gewesen, aber von Geburt aus ist sie schon eine blaublütige Prinzessin der roten Stadtburg. Sie reckt den Hals, schaut zu ihrem Mann und bemerkt sofort mit scharfem Blick etwas, das sie bis zu ihrem Tod nicht wieder loslassen wird.

Abu l-Hasan ist ein charismatischer Dickkopf. Sein Bauchumfang ist in den vergangenen zwanzig Jahren zu einer stattlichen Masse geworden. Sein Selbstvertrauen ist mindesten genauso groß; doch das seiner Hauptfrau ist es auch. Normalerweise ist er leicht zu reizen, heute sieht Aisha aber, dass er sich unbesiegbar fühlt.