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Bewaffnet mit einem Notizbuch macht sich Globetrotterin Alexis Debary in Sri Lanka auf den Weg, die Ureinwohner des Inselstaats ausfindig zu machen. Sie springt auf den nächstbesten Bus, durchkreuzt das zentrale Bergmassiv und sammelt die verschiedensten Eindrücke des vom Bürgerkrieg geplagten Landes. Von Serendipität geleitet, findet sie aber letztlich nicht nur den Stammeshäuptling der Weddas im tiefen Dschungel der tropischen Insel, sondern eine Antwort auf die Geschichte des Landes, die einem zum Nachdenken anregt.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
Trotz der Unruhen auf Sri Lanka bin ich aus dem einfachen Grund hierher gekommen, dass ich noch nie zuvor hier war und das Unbekannte liebe. Es ist der ultimative Kick, wenn man die Komfortzone verlässt. Der geregelte Komfort, der private Sandstrand und das reichliche allabendliche Buffet, das im All-inclusive-Paket inbegriffen ist, löst bei mir nur Übelkeit aus, obwohl es köstlich ist. Ich will ausbrechen aus dem Luxus des Hotelghettos und rein ins Chaos aus Armut und sengender Sonne. Wenn ich Abenteuer suche und eintauchen will in dieses exotische Inselparadies im Indischen Ozean, das vorher als Ceylon bekannt war, muss ich hier raus. Schnell. Ich ahne noch nicht, dass ich ein Land vorfinden werde, das von Brutalität und Ignoranz geteilt ist und von tiefer Menschlichkeit vereint.
Die separatistischen Selbstmordattentäter der Tamil Tiger (LITTE) agieren hauptsächlich in Jaffna, im Norden, sagen alle, bevor in Galle, an der Südspitze, am nächsten Tag zugeschlagen wird. „Kein Grund zur Panik“, sage ich mir, denn auch die Behörden reagieren gelassen. Erst eine Woche später, nach meiner Rückkehr, werden alle kommerziellen Flüge auf die Tropeninsel wegen der zahlreichen Übergriffe gestrichen. Aber jetzt bin ich an der Westküste, nahe Colombo, an dessen Rand Sri Jayewardenepura-Kotte, die offizielle Hauptstadt liegt. Der Flughafen ist um die Ecke, für den Fall, dass es brenzlig werden sollte. In drei Tagen ist mein Rückflug. So lange habe ich Zeit, die Insel, die wie eine Träne unterhalb des indischen Subkontinents liegt, zu erkunden. Ich habe knapp 48 Stunden und werde mich beeilen müssen.
Per Zufall entdecke ich das Foto von zwei verwahrlosten Gestalten am Straßenrand. Hinter ihnen quillt der üppige Dschungel. Über dem Bild steht die Aufschrift: Weddas, Ureinwohner von Ceylon. Sofort weiß ich, wo ich hin will und ich nehme mir vor, diese Menschen zu suchen, zu sehen wie sie wirklich leben, am Rande einer Zivilisation, die sie ins Abseits drängt. Ich kaufe eine Landkarte der Insel und frage jeden, wo diese Menschen zu finden seien. Keiner weiß es. Endlich kreiste ein korpulenter Ladenbesitzer mit einem mächtigen schwarzen Schnauzer ein Gebiet im Osten des Landes ein. „Dort“, sagt er, „dort sind sie“. Im Morgengraunen winke ich ein Tuk-Tuk – auch als Motorriksha oder Dreiradtaxi bekannt – herbei, um mich nach Negombo, das wegen seiner opulenten Kirchen als „New Rome“ bekannt ist, zu fahren. Ich werde den Komfort hinter mir lassen und breche auf ins Ungewisse.
Natürlich verpasse ich den Intercity Expressbus nach Kandy, das hoch zwischen den Bergen des Zentralmassivs liegt. „Das fängt ja gut an“, sage ich mir, und erklimme den lokalen Bus, der ohne Klimaanlage auskommen muss und mindestens dreimal länger braucht. Die Tür steht praktischerweise permanent auf, denn andauernd springen Passagiere ab oder schwingen sich mit gekonnter Geschicklichkeit in das ohnehin überfüllte Vehikel. Es dauert ewig. Langsam lassen wir das Küstengebiet rund um den Flughafen mit seinen militärischen Absperrungen und Schnellfeuermaschinengewehren hinter uns. Wir dringen ins Landesinnere ein, vorbei an Ortschaften, die entweder gerade entstehen oder im Begriff sind, in sich zusammenzufallen wie in allen Schwellenländern, in denen Regression und Fortschritt Hand in Hand gehen. Neben buntem Obst wird farbenfrohes Plastikspielzeug verkauft. Zwischen dem hupenden Verkehr schreiten mäßigen Schrittes dunkelhäutige Männer mit nacktem Oberkörper in knöchellangen Tüchern barfuß über die Straße, während sie ein Mobiltelefon am Ohr halten. Alle Gebäude sind vom Monsoon gekennzeichnet, Holz modert, Lack blättert, Eisen rostet und fällt von den Häusern ab wie welke Blumenblätter.