Route 66 - VISTA POINT Reiseführer Reisen Tag für Tag - Horst Schmidt-Brümmer - E-Book

Route 66 - VISTA POINT Reiseführer Reisen Tag für Tag E-Book

Horst Schmidt-Brümmer

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Beschreibung

Keine Straße hat die amerikanische Autokultur so in Schwung gehalten wie die Route 66. Obwohl längst durch die Superhighways ersetzt und von den offiziellen Landkarten verschwunden, feiert sie heute ihr Comeback. Der Reiseführer nimmt daran teil und zeichnet eine beschauliche Überlandfahrt durch die amerikanische Provinz nach: von den Ufern des Michigan-Sees zur Brandung des Pazifischen Ozeans. Die 14 Tagesetappen führen durch viele bei uns noch weitgehend unbekannte Landstriche und Städte, durch Illinois, Missouri, Kansas, Oklahoma und Texas, aber ebenso durch den legendären Wilden Westen von New Mexico, Arizona und Kalifornien. Unterwegs kommen zahlreiche Oldtimer zu Wort, jene Route-66-Veteranen, die trotz des verkehrstechnischen Fortschritts an der "Main Street of America" ausharren und deshalb viel zu erzählen haben. Mit der Szenerie wechseln auch die Speisekarten: von den klassischen Route-66-Menüs aus Hamburgern, Hot Dogs und Apple Pies über texanische Riesensteaks und die Scharfmacher der Südwestküche bis zu den verfeinerten Kreationen der California Cuisine. Außer Extratagen in den städtischen Hochburgen Chicago, St. Louis, Oklahoma City und Los Angeles zielen Abstecher zu den Highlights in der Nähe der Route: ins Country & Western-Mekka von Branson, Missouri, zum Palo Duro Canyon bei Amarillo, Texas, zu den Indianersiedlungen am oberen Rio Grande (Santo Domingo, Acoma) und natürlich zum Grand Canyon.

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Seitenzahl: 444

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Route 66

Eine Übersichtskarte mit den eingezeichneten Routenvorschlägen finden Sie in der vorderen Umschlagklappe und in der hinteren eine herausnehmbare Straßenkarte der Route 66 mit detaillierten Stadtplänen.

Inhalt

 Route 66: »Main Street USA«Eine Reise durch die amerikanische Provinz Geruhsam oder gerädertVorschläge zu Tempo und Timing Die Route 66 erleben und genießen  Übernachten:Von Designerhotels bis zu Motels und Hostels  Essen und Trinken:Vom Sternerestaurant bis Street Food  Mit Kindern unterwegs:Überall willkommen  Sport und Outdoor:Ausgleich am Wegesrand Chronik der Route 66Baugeschichte einer Legende ZWEI WOCHEN ÜBER DIE MUTTER ALLER STRASSENAuf der Route 66 von Chicago nach Los AngelesExtratag: Ein Rundgang durch den LoopChicagovon Peter TautfestTruck Stops und AlfalfaDurch Illinois zum MississippiExtratag: Budweiser, Blues und BaseballSaint LouisBig Prairie CountryMissouriDreiländereckMissouri, Kansas, OklahomaFiligran in der PrärieTulsaPastorales PantheonDie runde Scheune von ArcadiaExtratag: Cowboy CapitalOklahoma CityShowdown in Ghost TownMcLean, TexasYellow Rose of TexasAmarilloKunst im KornfeldCadillac RanchTrio der TrailsOld Pecos Trail, Santa Fe Trail und Route 66Land der VerzauberungNew MexicoGrüße aus der SteinzeitPainted Desert, Petrified Forest und Meteor Crater, ArizonaNischen der NostalgieSeligman, ArizonaWüste DoppelpässeNach KalifornienFinaleQuer durch Los AngelesExtratag: Rund um die OrangeEin Tag in Los Angeles Service von A bis Z Orts- und Sachregister Namenregister Textnachweis Bildnachweis Impressum Zeichenerklärung

VISTA POINT – Reisen Tag für TagDer rote Faden für unterwegs

Über das Buch:

Keine Straße hat die amerikanische Autokultur so in Schwung gehalten wie die Route 66. Obwohl längst durch die Superhighways ersetzt und von den offiziellen Landkarten verschwunden, feiert sie heute ihr Comeback.

Der Reiseführer nimmt daran teil und zeichnet eine beschauliche Überlandfahrt durch die amerikanische Provinz nach: von den Ufern des Michigan-Sees zur Brandung des Pazifischen Ozeans. Die 14 Tagesetappen führen durch viele bei uns noch weitgehend unbekannte Landstriche und Städte, durch Illinois, Missouri, Kansas, Oklahoma und Texas, aber ebenso durch den legendären Wilden Westen von New Mexico, Arizona und Kalifornien.

Unterwegs kommen zahlreiche Oldtimer zu Wort, jene Route-66-Veteranen, die trotz des verkehrstechnischen Fortschritts an der »Main Street of America« ausharren und deshalb viel zu erzählen haben.

Mit der Szenerie wechseln auch die Speisekarten: von den klassischen Route-66-Menüs aus Hamburgern, Hot Dogs und Apple Pies über texanische Riesensteaks und die Scharfmacher der Südwestküche bis zu den verfeinerten Kreationen der California Cuisine.

Außer Extratagen in den städtischen Hochburgen Chicago, St. Louis, Oklahoma City und Los Angeles zielen Abstecher zu den Highlights in der Nähe der Route: ins Country & Western-Mekka von Branson, Missouri, zum Palo Duro Canyon bei Amarillo, Texas, zu den Indianersiedlungen am oberen Rio Grande (Santo Domingo, Acoma) und natürlich zum Grand Canyon.

Die Informationen auf den blauen oder gelben Seiten erschließen die noch verbleibenden »Kicks on ROUTE SIXTY-SIX«: historische Motels und Diners, Ghost Towns und grelle Neons, bauliche Raritäten ebenso wie Hot-Dog-Budenzauber.

Über die Autoren:

Horst Schmidt-Brümmer, Dr. phil., studierte Germanistik und Anglistik in München und Köln. Nach seiner Tätigkeit als Dozent für deutsche Sprache und Literatur an der University of California in Los Angeles (UCLA) war er seit 1970 als Reisejournalist und Verleger in Köln tätig und publizierte zahlreiche USA-Reiseführer und Bildbände – u. a. über Kalifornien und den Südwesten, die Ostküste, die Südstaaten und Texas. Horst Schmidt-Brümmer ist im April 2010 gestorben.

Ralf Johnen arbeitet als Buchautor und Fotograf in Köln. Sein Blog www.boardingcompleted.me wurde 2016 bei einer Abstimmung auf der Tourismusbörse ITB auf Rang 11 der deutschsprachigen Reiseblogs gewählt. Er war über 40 Mal in Nordamerika. An den USA schätzt er die weiten Landschaften, die freundlichen Menschen, die Popkultur und die Mythen aus vergangenen Zeiten – so wie die Route 66.

MAGIC MOMENTS

Die »Magischen Augenblicke« stellen als Tipps der Autoren besondere Orte und Erlebnisse vor. Sie führen hautnah an das Reiseziel heran, an seine Kultur und Natur, sie zeigen seine typischen und überraschenden Seiten und verführen dazu, diese Augenblicke gezielt zu genießen. Das kann ein architektonisches Meisterwerk von Frank Lloyd Wright 1 sein oder ein klassisches Motel, eine authentische Dude Ranch oder die Freiluftbrücke über dem Grand Canyon. Es sind diese MAGIC MOMENTS, die am Ende in Erinnerung bleiben und die Reise einzigartig machen.

Die MAGIC MOMENTS der Route 66:

Frank Lloyd Wrights Robie HouseWrights Haus in Chicagos Vorstadt gilt als Meisterwerk unter seinen Präriehäusern, S. 54.

Abraham Lincoln MuseumIn Springfield, IL, erinnert ein Museum an einen der bedeutendsten amerikanischen Präsidenten, S. 75.

Munger Moss Motel in Lebanon, MODas klassische Motel zeichnet sich durch die Auskunftsfreude des Betreibers aus, S. 102.

Old Riverton StoreSchon 1925 wurde das Geschäft in Riverton, KS, eröffnet und hat bis heute seinen Charme bewahrt, S. 114.

Meadowlake Ranch nahe TulsaEine authentische Dude Ranch in Sand Springs, OK, S. 124.

Cattlemen’s SteakhouseSeit 1910 versorgt das Restaurant in den Stockyards, Oklahoma City, OK, mit seinen legendären Steaks, S. 137.

U Drop Inn, ShamrockDie Bau-Ikone in Texas diente dem Pixar-Animationsfilms »Cars« als Vorlage für das fiktive Geschäft »Ramone’s Body Shop«, S. 157.

Big Texan Steak RanchDas 1960 in Amarillo, TX, eröffnete Lokal serviert die »größten Steaks« des Landes, S. 167.

Mesaland Dinosaur MuseumRelikte der urtümlichen Bewohner In Tucumcari, NM, – ein Highlight für automüde Kinder, S. 181.

Georgia O’Keeffe MuseumEine der bedeutendsten amerikanischen Künstlerinnen hat nahe und in Santa Fe, NM, gelebt, S. 192.

»Breaking Bad«-TourAlbuquerque, NM, ist Ziel von Fans der TV-Serie »Breaking Bad«, S. 207.

Meteor CraterDen gewaltigen Krater, den ein Meteor nahe Winslow, AZ, hinterließ, kann man umrunden, S. 219.

Grand Canyon SkywalkDie hufeisenförmige Freiluftbrücke im Reservat der Hualapai, AZ, schwebt in rund 1100 Metern über dem Abgrund des Grand Canyon, S. 229.

Abstecher nach LaughlinMit Laughlin, NV, hat sich eine Miniaturvariante von Las Vegas breit gemacht, S. 243.

Santa Monica PierDer perfekte Ort, um am Ende der Reise in Santa Monica, CA, Sonne, Strand und herrliche Meeresluft zu genießen, S. 255.

Zeichenerklärung

In diesem Buch werden die folgenden Symbole und Abkürzungen verwendet:

Information

Museum

Sehenswürdigkeit

Sightseeing, Tour

Wanderung

Aussichtspunkt

Naturschutzgebiet

Park, Landschaft

Botanischer Garten

Tierpark, Zoo

Aquarium, Angeln

Hits für Kids

Freizeitpark

Theater, Galerie

Restaurant

Café, Frühstück

Kneipe

Bar, Nightlife

Jazzclub

Livemusik, Konzert

Spielkasino

Shopping, Outlet

Hotel, Motel, Bed & Breakfast

Camping

Strand, Badeplatz

Swimmingpool

Wellness, Spa

Sport, Fitnesscenter

Bahn-, Busfahrt

Zugverbindung

Automiete, -fahren

Fahrradmiete, -tour

Schiffsverbindung, -fahrt

Kanumiete, -tour

kennzeichnet die Tagesroute

kennzeichnet die Extraroute

Magic Moments

RESTAURANTS:

Die Preiskategorien für ein Abendessen (ohne Getränke, Steuer und Trinkgeld) sind wie folgt gestaffelt:

$

bis 15 Dollar

$$

15 bis 25 Dollar

$$$

über 25 Dollar

UNTERKÜNFTE:

Die Preiskategorien für eine Übernachtung im Doppelzimmer (für zwei Personen) beziehen sich auf folgende Staffelung:

$

bis 100 Dollar

$$

100 bis 150 Dollar

$$$

150 bis 250 Dollar

$$$$

über 250 Dollar

VERWENDETE ABKÜRZUNGEN:

Ave.

Avenue

B&B

Bed & Breakfast

Blvd.

Boulevard

Dr.

Drive

Hwy.

Highway

Pkwy.

Parkway

Pl.

Place

Rd.

Road

Rt.

Route

Sq.

Square

St.

Street

N.

North

E.

East

S.

South

W.

West

Route 66: »Main Street USA«Eine Reise durch die amerikanische Provinz

Keine Straße glorifiziert die Geschichte der amerikanischen Autokultur mehr als die Route 66. Ob als »Mother Road«, wie John Steinbeck sie nannte, als Highway der Hoffnung, der Flucht oder der Sehnsucht: Stets war sie ein Fließband amerikanischer Odysseen und Anlass für Wunschträume und Visionen.

Nach den staubigen Trails der Pioniere, den Planwagen der Siedler und den ratternden Eisenbahnwaggons bildete die Route 66 die automobile Variante jenes Drangs nach Westen, der unter dem Motto »Manifest Destiny« von Anfang an die Triebkraft amerikanischer Siedlungsgeschichte war.

Länger als ein halbes Jahrhundert hielt die Transkontinentale die Nation zusammen und in laufender Aufbruchstimmung: während der Roaring Twenties, der Großen Depression, im Zweiten Weltkrieg und in der optimistischen Nachkriegszeit, als plötzlich besonders viele Kinder auf den Rücksitzen saßen.

Inzwischen ist sie offiziell von der Landkarte getilgt und durch das effizientere Fernstraßennetz aus Interstate Highways ersetzt worden. Sie haben die »good ol’ 66« aufs Altenteil geschoben, als untergeordnete service oder frontage road an den Rand gedrängt oder schlicht unter sich begraben.

An vielen Stellen wächst schon Gras darüber. Aber die legendäre Trasse scheint sich mit ihrem realen Schicksal nicht abfinden zu wollen, jedenfalls mehren sich die Anzeichen dafür, dass sie von den Toten wieder auferstehen und – zumindest in Teilen – als denkmalgeschützter National Scenic Byway ihr Comeback feiern wird. Wie sagte ein alter Fan? »Die Route 66 ist wie Elvis Presley. Sie stirbt nie.«

Wachsende Aufmerksamkeit

In den letzten Jahren wächst ihre Anziehungskraft jedenfalls spürbar. Nicht nur in den USA, sondern auch international verstärkt sich der Wunsch, die alte Straße neu zu entdecken, denn sie verspricht eine besondere Wegführung vom Mittelwesten zum Pazifik, eine, die weitgehend durch die Provinz, ja, durch touristisches Niemandsland führt.

Unterwegs tauchen unbekannte Regionen und Kleinstädte auf, von denen viele auf die Liste der gefährdeten Arten gesetzt werden sollten. Klar, dass sie erst einmal den Eindruck erwecken, als sei hier der Hund begraben. Aber irgendwie taucht dann doch eine schrullige Bedienung auf und erzählt eine Anekdote über die Route 66. Solche Überraschungen verbergen sich hinter den Kulissen, in den kleinen Läden und simplen Coffeeshops, in der Normalität des Alltags als einem wichtigen Stück USA. Und ausgerechnet die totgesagte Straße kann das »alte Amerika« am besten zum Leben erwecken.

Reisen auf der Route 66 bedeutet also alles andere als eine tour de force über jene hektischen Highways, die längst den 51. US-Bundesstaat geschaffen haben, d. h. eine hermetische, aus identischen Versatzstücken gefügte travel world, die, allein auf eiligen Transit und schnelle Grundversorgung ausgelegt, Land und Leute unterwegs zum Verschwinden bringt. »Dank des Interstate-Highway-Systems kann man heute in Amerika von Küste zu Küste fahren, ohne irgend etwas zu sehen«, schrieb ein Verkehrsexperte.

Mit dem Schulbuch und der Telefonleitung unter dem Arm symbolisiert diese Dame den Drang nach Westen. Die Route 66 wird ihr bald folgen (Lithografie von 1872)

»Reaching the Motel«, Fotocollage von Rudolf Roszak (1995, 90 × 120 cm): Manche Zeichen am Highway wirken wie biblische Gesetzestafeln

Als die Ankunft zum Hauptziel des Reisens wurde, übernahmen die fast lanes der Superhighways das Monopol. Sie machten um alles, was Zeit kostete, einen großen Betonbogen.

Im Windschatten seiner offiziellen Bedeutungslosigkeit ist der alte Highway allerdings dem Zahn der Zeit besser entkommen, als man vermuten würde. Etwa 85 bis 90 Prozent der Straßendecken sind noch ohne Probleme befahrbar, verkleidet als simple Landstraßen oder Ortsdurchfahrten. Zusammen ergeben sie ein buntes Flickwerk von Provinzstraßen, a patchwork of local thoroughfares.

Darauf lässt sich nostalgisch dahinbummeln oder zünftig auf einer Harley-Davidson daherrauschen, während sich nebenan die Vorläufer und Nachfahren des Verkehrs bis auf Sicht- und Hörweite nähern: das Dröhnen der Trucks auf den Interstates und das Heulen der eisernen Güterloks – die Route 66 als Dritter im Bunde dreier Generationen neuzeitlichen Nomadentums.

Tagträume und Legenden

Von den aktuellen Transportverpflichtungen (den verbliebenen Ortsverkehr einmal ausgenommen) weitgehend entbunden, leistet sie sich nicht nur eine enge Freundschaft mit dem jeweiligen Terrain, sondern erlaubt auch dem Fahrer, anders und anderes zu sehen, zu fühlen, all jenen Bildern und Tagträumen nachzuhängen, mit denen sich die Route 66 in den meisten Köpfen eingenistet hat.

Ihre Legendenbildung kommt nicht von ungefähr. Sie gründet auf dem uramerikanischen Drang nach Westen, dem die Straße ebenso folgt, wie es einst die Trails der Pioniere und die Tracks der Eisenbahn taten. Natürlich hat sie auch eine Gegenspur, aber die war eigentlich nie der Rede wert, sie führte praktisch gegen den Strich.

Nur in westlicher Fahrtrichtung entspricht sie den eingefleischten Verheißungen vom »Eden of the West«, vom Gelobten Land. »Eastward I go only by force; but westward I go free«, dichtete schon Henry David Thoreau. Und später schrieb Jack Kerouac: »… ein schnelles Auto, eine Küste als Ziel und eine Frau am Ende der Straße.«

Die offene Straße, an deren Ende Himmel und Highway sich treffen, bedeutet Aufbruch zu neuen Ufern, zu Unbekanntem, zum Wagnis. Folklore, Literatur, Musik und Filme – von John Fords »Wagon Master« (1950) bis zu zahllosen Road Movies, TV-Serien und Zigarettenreklamen –, sie alle variieren dieses Go-West-Thema wie schon zuvor Mark Twain, John Steinbeck, Woody Guthrie und Bobby Troup.

Nach dem Ende der Westbesiedlung übernimmt das Auto die Rolle der »beweglichen Grenze«, die Eroberung des Raums an den Kämpferzonen von Wildnis und Zivilisation. Deshalb kreuzt der Highway auch eine Reihe von Vorläufern, die historischen Trails von Lewis und Clark, Santa Fe, Pecos, den El Camino Real, ja, sogar den einen oder anderen Rinder-Highway wie den Chisholm Trail, der sich aus mehreren staubigen Trampelpfaden zusammensetzt und auf dem einst die Cowboys das Vieh aus Südtexas durch viel Gras und chaparral in die Cowtowns von Kansas trieben.

Die Straße der Heimatlosen

Neben der stets im Westen angesiedelten Paradiesvorstellung vom El Dorado mobilisiert die Route 66 den Mythos de Straße als Ort der Heimatlosigkeit (uprootedness), als Mittel zur Flucht, des Sich-Entziehens, den Steve McQueens »Getaway« ebenso nutzte wie »Thelma und Louise« oder vorher schon Dr. Kimble (alias »The Fugitive«), dessen Freiheit nur zwei Freunde sichern konnten: »die Dunkelheit und die endlose Landstraße« – Spielarten eines in den USA sehr populären Motivs.

Auch der Suche nach der verlorenen Zeit pflastert die Route 66 den passenden Weg, am auffälligsten mit vielen verblichenen Zeichen und einer fast schon musealen Architektur rund ums Benzin. »Die Straße soll ein faszinierendes Buch sein, das man im Fahren lesen kann«, haben die renommierten US-Stadtplaner Kevin Lynch und Frank Appleyard einmal gefordert.

Über weite Strecken blättert der alte Highway Seiten solchen Lesestoffs auf. Und siehe da, sie entpuppen sich als Pflichtlektüre in jüngerer US-Geschichte. Im Übrigen: Angeschlagene Denkmäler und wackelige Ruinen stehen touristisch seit eh und je hoch im Kurs. Ob Maya-Tempel oder Pyramiden, Akropolis oder prähistorische Klippensiedlungen der Anasazi – im Vergleich dazu bildet die Route 66 nur eine neuzeitliche Variante, die praktisch das gesamte Inventar der amerikanischen PS-Kultur vorführt: verrostete Zapfsäulen, witzige billboards, flotte Diners und kuriose Motels.

Doch der Kommerz ist bekanntlich ein essenzieller Bestandteil der US-Kultur – und so entstehen entlang der Route immer mehr Museen und andere Gedenkstätten, die im Austausch für die Entrichtung eines Eintrittsgelds ein Stück vermeintlich authentischer Route 66 konservieren und publikumsfreundlich aufarbeiten.

Diese Retrospektive beginnt bekanntlich in Chicago und rollt zunächst einmal durch Illinois, wo der sogenannte Pontiac Trail, die Verbindung zwischen Chicago und St. Louis, schon 1918 durch eine harte Straßendecke aufgewertet worden war, der dann später die berühmte Nummer erhielt. Wie in den anderen Bundesstaaten wurde der Highway hier auch häufig umgebettet, d.h. er wechselte in den meisten Städtchen mehrfach seinen Lauf. Meist gab es eine »City 66« plus einen oder zwei bypasses. Wann immer die Rede auf die alte Trasse kommt, rühmt sich Illinois, bei ihrer Geburt und Beerdigung jedes Mal die Nase vorn gehabt zu haben. Es war der erste Staat, in dem der Highway eine feste Oberfläche bekam, und wiederum der erste, wo eine Interstate ihn ersetzte.

Mississippi on Ice: Stahlstich aus dem 19. Jahrhundert

Zugegeben, die Fahrt durchs Land von Abraham Lincoln mutet leicht dröge an, aber das bessert sich später. Am besten begreift man die Reise als dynamische Sparbüchse, denn jede gefahrene Meile wird sich nachher auszahlen. Im Übrigen: Wer hat je behauptet, die Route 66 sei die schönste Strecke durch Amerika? Sie war einmal die schnellste.

In unmittelbarer Nähe des Mississippi ragt der Gateway Arch wie ein Triumphbogen in den Himmel, so als wollte er das Herz von St. Louis markieren. Aber dies ist zweifellos transplantiert worden und das urbane Blut zirkuliert an anderen Stellen der Stadt. Im Unterschied zum French Quarter von New Orleans nämlich, hat sich die Altstadt von St. Louis vom Vater der Gewässer verabschiedet, weil sie ihrem Motto vom »Tor zum Westen« selbst mit gutem Beispiel vorangehen wollte. Sie überließ ihre Innenstadt, von Enklaven wie Laclede’s Landing oder Soulard abgesehen, symbolträchtigen Zeichen, verstreuten historischen Relikten und modernen Großbauten. Leider erinnern auch die vereinzelten Ausflugsschiffe nicht mehr an die große Ära der Mississippi-Dampfer. Man kann darüber nur noch lesen: Samuel Clemens bekam 1859 in St. Louis sein Kapitänspatent und schrieb darüber als »Mark Twain«.

Konrad Duden und der deutsche Einfluss

Der starke deutsche Einfluss in dieser ursprünglich französischen Stadt bekam Mitte und Ende der 1820er Jahre nicht zuletzt durch Gottfried Duden Auftrieb, der in seinem »Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerikas« den Mississippi mit dem romantischen Rheintal verglich und damit viele anlockte, die von Deutschland (besonders nach der 1848er Revolution) die Nase voll hatten. Duden war einer der ersten, der seinen Auswandererratgeber auf die systematische Untersuchung der Bedingungen für die Ansiedlung gründete.

Der Zuzug bereicherte die italienische Pasta um die deutsche Wurst, führte 1865 zu der vom Ungarn Joseph Pulitzer gegründeten deutschsprachigen Zeitung »Westliche Post« und äußerte sich bald in einer Vielzahl von Gesangs-, Kunst-, Turn- und Metzgervereinen. Praktisch hatte jeder seinen Biergarten um die Ecke und konnte auf Goethe und Schiller Streets lustwandeln.

Wirtschaftlich war dieses Erbe zumindest bis zur Zeit der Prohibition äußerlich an den Brauereien sichtbar, allen voran die des »Königs des Flaschenbiers«, Adolphus Busch. Sein Unternehmen, das einst als Anheuser-Busch bekannt war, wurde 2008 von einem belgischen Konzern geschluckt und firmiert heute als AB InBev. Das berühmte »Bud« indes wird weiterhin weltweit vertrieben.

Die Route 66 führt nicht nur in und durch die touristisch noch ziemlich unbekannte Metropole des Mississippi (einst französische Gründung, die lange unter spanischer Flagge stand und schließlich deutsche Einwandererhochburg wurde), sie stößt dabei so ganz nebenbei auf unerwartetes Neuland, auf Zeugnisse der prähistorischen Mississippian Culture in Gestalt der Tempelhügel von Cahokia – nach heutigem Wissen die größte präkolumbische Siedlung nördlich von Mexico City.

Reiseberichte, Romane und Hollywood kümmern sich, wenn es um die Indianerkulturen Nordamerikas geht, meist nur um die Sioux, Comanchen, Apachen, Anasazi, Navajo und Hopi, die überwiegend dem Südwesten zugehören. Kein Wunder, dass sie uns weit geläufiger sind als die geheimnisvolle Mound-Hochkultur, die im Südosten und vor allem im Bereich des Mississippi lange Zeit dominierte. Schon deshalb gerät der Besucher ins Staunen, wenn er den kleinen Ausflug über die Mississippi-Brücke macht, nach East St. Louis, Illinois.

Die gefälligen Ansichten des ländlichen Missouri sorgen für die nächste Überraschung auf der Reise, besonders, weil sie der Route 66 viel näher liegen als der Interstate. Wer über die I-44 düst, verpasst gerade die beschaulichen Ozarks, die einzige hügelige Abwechslung zwischen den Appalachian und den Rocky Mountains. Über die Bewohner dieses quellenreichen Mittelgebirges kursieren ähnliche Anekdoten wie über die Hinterwäldler aus Tennessee, Kentucky und West Virginia: Sie seien ziemlich einfältige Bergbauern und genügsame Burschen, die ihre Freizeit im Wesentlichen noch mit Geschichtenerzählen (storytelling), Fiedeln (fiddling) und Tanzen (square dancing) zubringen, hillbillies eben. Traditionell arm profitieren die Ozarkers neuerdings verstärkt vom aufkommenden Tourismus.

Überhaupt trifft man in den Nestern Missouris hin und wieder überraschend redselige Zeitgenossen. Auch solche, die erzählen, wo der Schuh neuerdings drückt: zum Beispiel die Ansiedlung militanter Gruppen oder die illegale Drogenproduktion – ein Phänomen, das durch den Roman »Winter’s Bone« von Daniel Woodrell und dessen Verfilmung 2010 weltweit bekannt geworden ist.

Sandstürme und Staubwinde

Nur Minuten und ganze 13,2 Meilen bindet sich die Route 66 an Kansas, dafür aber aufs Innigste. Wie mit dem Kartoffelstempel hat man nämlich die Straßendecke mit der Nummer »66« imprägniert, so als wollte man ihre Flüchtigkeit bannen und sie mit Beschlag belegen. Vergeblich. Nur kurz nimmt die Straße die Gastfreundlichkeit des südöstlichen Grenzzipfels des Staates in Anspruch, dann ist sie schon wieder auf und davon. Im Café erzählt ein Mann, Jahrgang 1935, über die schlimmen Jahre der Sandstürme. Als Kind hätten ihm die Eltern immer ein Seidentuch über die Wiege gehängt, um ihn vor den Staubwinden der Dust Bowl zu schützen. Selbst die Pferde konnte man nicht mehr rausschicken, weil sie erstickten. »Die Leute haben feuchte Tücher in die Fenster gehängt, und Tücher, die die Mütter nachts auf die Gesichter ihrer Kinder legten, waren morgens rotgefärbt.« Durch mehr Regen, Grundwasserpumpen und Konservierungsmaßnahmen erholten sich die Böden.«

Nach der Stippvisite im Sunflower State (so der Spitzname für Kansas) gerät die Route auf das Territorium von Oklahoma. Oklahoma? »Nein, danke!«, denken sicher die meisten, die allenfalls das gleichnamige Musical kennen oder sich an den Bombenanschlag auf ein öffentliches Gebäude vom 19. April 1995 erinnern, der 168 Tote forderte. Florida, New York, Kalifornien, ja! Aber Oklahoma? Das hört sich auch heute noch nach tiefster Provinz an.

Klar, wie überall im Mittelwesten, gehört hier jeder, der nach 21 Uhr noch unterwegs ist, zu den Nachteulen. Klar auch: Alpen-Panoramen, Glitzermetropolen oder Traumstrände sucht man rundum vergeblich. Hier, in den goldenen Plains des amerikanischen heartland, wo Ost und West sich treffen, besteht die Welt aus platter Prärie und stillen Winkeln. Schon einer der ersten Europäer, der des Wegs kam, der spanische Konquistador Coronado, notierte 1540: »Wenn man sich hier auf den Rücken legt, verschwindet der Rest der Welt aus dem Gesichtskreis.«

Rissig, aber festgeschrieben: die Route in Kansas

Im Land der Ölmagnaten und Viehauktionen

Aber man muss sich in Oklahoma, dessen Landesgrenze die Form eines Hackebeils hat, ja nicht unbedingt auf den Rücken legen. Man sollte lieber die Augen offen halten. Dass dieser vergleichsweise junge Bundesstaat mit den meisten Native Americans noch im Dornröschenschlaf schlummert, liegt zwar auf der Hand, hat aber auch Vorteile.

So weist zum Beispiel Tulsa einige interessante Art-déco-Fassaden auf, vor allem aber zwei erstklassige Sammlungen ehemaliger Ölmagnaten, die man an dieser Stelle kaum erwartet: das Philbrook Museum, das seine Kunstschätze in einer beeindruckenden Villen- und Gartenarchitektur präsentiert, und das Gilcrease Museum mit hervorragenden Arbeiten klassischer Westernmalerei.

Oklahoma City bietet das urige Viehauktionsviertel der Stockyards und das National Cowboy & Western Heritage Museum zugleich auf, um Gegenwart und Geschichte der Cowboykultur zu feiern. Ein Unikum ist sein Kapitol, denn es ist das einzige in den USA, auf dessen Grundstück nach Öl gebohrt wird.

Ja, das Öl. Neben Texas kann Oklahoma ein Lied davon singen. Farmer, die über Nacht reich wurden, nannte man oileys. Dennoch, so robust das Image des Staates durch Cowboys, Indianer und Ölpumpen, die scheinbar mühelos den Reichtum aus dem Boden holen, auch sein mag, de facto bleibt sein Haushalt sehr fragil, d. h. abhängig von den Preisen der Hauptprodukte Öl, Gas und Getreide.

Die Route 66 hat damit keine Probleme. Im Gegenteil, sie scheint sich hier heimischer zu fühlen als anderswo, denn sie durchkreuzt das Land auf eine Art, als sei sie schon vor ihm da gewesen. Auch sonst gibt es Berührungspunkte: die Konzeption der Route durch ihren Gründervater Avery, die Niederlassung der Petroleumfirma Phillips 66, die Geburt von Will Rogers, die Balladen des Woody Guthrie, die Schauplätze von Steinbecks »Grapes of Wrath« – sie alle entstanden oder spielten hier. Auch Country & Western-Superstars, Reba McEntire und Garth Brooks, zählen dazu. (Allerdings schmeckten den Oklahomans die Steinbeckschen Früchte ganz und gar nicht. Sie fühlten sich derart diskriminiert, dass viele Bibliotheken sich weigerten, den Roman zu führen.)

Oklahoma im Sandsturm:

Apropos Will Rogers: Der Mann mit dem gesunden Pferdeverstand eines Western-Charakters und gewitzte Cowboy-Star, vergleichbar höchstens noch mit Teddy »Cowboy« Roosevelt, Buffalo Bill oder Daniel Boone, hat auf der Route nicht nur jede Menge Spuren hinterlassen, sondern ihr streckenweise sogar seinen Namen gegeben.

die Katastrophe der »Dust Bowl«

Als sie komplett war, bestand der Staat gerade mal 19 Jahre. Für Oklahoma, das vorher als »Indian Territory« firmierte, brach ein neues Zeitalter an, was man an den Trampern, den Burma-Shave-Schildern und den Neons ablesen konnte.

– Landesgeschichte in Comic-Form

Unter den acht US-Staaten, die die Route 66 zusammenhält, gibt sich Oklahoma die größte Mühe bei der Denkmalpflege. Viele neue Straßenschilder erleichtern die Orientierung, in Clinton wurde 1995 ein neues Route-66-Museum eröffnet und der eine oder andere Oldtimer erstand wieder in neu- er Frische: z. B. der »Blue Whale« von Catoosa, das Überbleibsel eines ehemaligen Fun Parks, das lange Jahre am Weiher an der Straße mit erstarrtem Lachen und etwas abbröckelnder Restfarbe gedümpelt hatte. Anfang 1997 kam der Gouverneur höchstpersönlich und weihte den strahlenden Neuanstrich des Moby Dick ein.

Die Route 66 durchquert das riesige Texas ausgerechnet an seiner schmalsten Stelle, am »Pfannenstiel«, dem Panhandle. Diese Region des »Lone Star State«, einst bekannt als »Land des kurzen Grases und der langen Hörner«, gehört zum nördlichen Teil des besonders Karl-May-Fans bestens vertrauten Llano Estacado, der wiederum das Südende der Great Plains bildet. Seit Indianer und Büffel nach den Kriegen am Red River (1875) verschwunden sind, dreht sich hier alles um agribusiness, Viehzucht, Baumwolle, Wein und Öl.

Cowboys und Cadillacs

Gleichzeitig hat sich die Blüte von Kunst und Kultur weder vom Staub noch von den Cowboys behindern lassen, vor allem in Amarillo nicht, der unbestrittenen Hauptstadt des Panhandle. Die meisten kennen Fotos von der skurrilen Cadillac Ranch, aber dass sich Amarillo sein eigenes Sinfonieorchester und eine Ballett-Truppe hält, die nicht den Squaredance (eine Art texanischer Schuhplattler) aufs Parkett legt, sondern sich durchaus an Tschaikowskys »Nussknacker Suite« heranwagt, verdient Respekt.

Unverhofft birgt die unmittelbare Nachbarschaft von Amarillo noch eine weitere Überraschung, vor allem deshalb, weil man damit angesichts der brettgeraden Oberfläche nicht rechnen würde: den tief ins Terrain eingeschnittenen Palo Duro Canyon, wo Wandersleute, Kletterer und Reiter sich austo- ben können und Erosionsfreunde ins Schwärmen geraten.

Ein Wahrzeichen an der Route 66 aus den frühen 1970er Jahren: der »Blue Whale« von Catoosa

Nur ein paar Windräder weit entfernt liegt die Grenze zu New Mexico, zum »Land of Enchantment«, das der »66« den Anschluss an den Rest der Nation verdankt. Weitgehend zumindest, denn so ganz ist ihm das auch bis heute nicht gelungen. Vieles geht hier noch seinen gemächlichen Gang – im Eselstempo (das heißt: burro back). Und so mancher Brief landet erst mal in Mexiko, weil sich noch nicht überall herumgesprochen hat, dass New Mexico schon seit 1912 ein US-Bundesstaat ist.

Vorreiter der Anbindung an die Union war die berühmte Eisenbahngesellschaft, die vor allem den Indianertourismus und den Handel mit indianischem Kunstgewerbe förderte. Bereits 1926, also im Geburtsjahr des Highways, hatte die Santa Fe Railroad Kalender herausgegeben, deren geschönte Indianerbilder Natürlichkeit und Freiheit als verlockende Alternativen zu den Städten des Ostens anpriesen, um für Extratouren zu den Indianersiedlungen, für sogenannte »Indian Detours«, zu werben. Indianisch drapierte und eigens ausgebildete »Fremdenführer« begleiteten die Züge, die »Chief« oder »Super Chief« oder »Navajo« hießen. Die Pueblos am Rio Grande, prähistorische Siedlungen und Missionskirchen wie zum Beispiel Pecos gehörten zu den gefragtesten Stopps.

Volksheld mit Lasso: Will Rogers in Arbeitskleidung

Im Vergleich zum Komfort der Züge (smooth-riding) war der Autotrip in den Südwesten am Anfang noch eine höchst abenteuerliche Sache – angesichts zweifelhafter Tankstellen, spukiger Tierskelette und gestrandeter »Model Ts« im Straßengraben.

Kurz vor Santa Fe, seit langem die heimliche Hauptstadt des »Milden Westens«, fädelt sich die erste Route 66 (die zweite nahm nach 1937 direkten Kurs auf Albuquerque) ins Netz ihrer Vorfahren ein, denn Pecos und Santa Fe Trail suchen genau hier den Anschluss an den nach Mexiko führenden El Camino Real. Und auch die Bahngleise verlaufen so, als würden sie die alte Hauptstadt ansteuern. Doch im letzten Augenblick schrecken sie vor den Sangre de Cristo

Indianertourismus in der Eisenbahnwerbung

Denkmalwürdige Gesteinsformationen

Mehr noch als New Mexico sammelte Arizona touristische Pluspunkte entlang dem alten Highway: Geologische Denkmäler wie Painted Desert, Petrified Forest, Meteor Crater und der (nicht allzu abgelegene) Grand Canyon zählen nach wie vor zu den Highlights der Region. Das kuriose Zelt-Motel in Holbrook, die von den »Eagles« besungene Straßenecke von Winslow und der »Museum Club« in Flagstaff sind Adressen, die jeder Route-66-Fan gesehen haben sollte, wenn er sich zu Hause noch blicken lassen will.

In Seligman trennt sich der Highway entschiedener denn je vom großen Bruder Interstate und geht seine eigenen Wege durch die Wüste. Westlich von Kingman macht er das gleich noch einmal, jetzt über den riskanten Sitgreaves Pass, der anfangs von den Autos oft nur im Rückwärtsgang bewältigt werden konnte.

Fern von seinem glamourösen Image gibt Kalifornien seinen Einstand einsam und knochentrocken: vom Colorado River über die stille Wüstenpiste der Mojave National Preserve. Nur dann und wann zeigen sich minimalistische Spuren menschlicher Existenz, No-Name-Orte wie Essex zum Beispiel. Als TV-Talkshow-Veteran Johnny Carson zum ersten Mal dieses Nest entdeckte, spendierte er den Leuten eine Relaisstation. Aus Mitleid. Fortan hatten die Essexer TV und konnten Johnny im Kanal von NBC gucken.

Ankunft in der Stadt der Engel

Zu guter Letzt stürzt der Cajon Pass dramatisch in das einst als irdisches Paradies gepriesene, heute meist smogverhangene Los Angeles Basin. Dass sich die rosigen Zeiten dort unten geändert und die Obstgärten und Orangenhaine am Fuße der San Gabriel Mountains in einen schier unendlichen Korridor aus Eigenheimen und Shopping Centers verwandelt haben, bekommt der 66-Getreue zu spüren, wenn er das mühselige Wegstück von San Bernardino nach Westen durchsteht. Einziger Lichtblick am Ende des Vorstadt-Tunnels: Pasadena, eine immer noch unterschätzte Zierde im endlosen Siedlungsteppich von Los Angeles.

Die Ruinen von Pecos Pueblo auf einer Lithografie von 1848

Dieser zeigt sich entlang der Route zwar nicht von seiner Schokoladenseite, aber dafür in einem ziemlich repräsentativen Querschnitt: vom Anfang des Sunset Boulevard über Hollywood, Beverly Hills, Westwood nach Santa Monica.

Von Europa aus nonstop in L. A. zu landen ist eine Sache, nach über dreieinhalbtausend gefahrenen Kilometern hier anzukommen eine andere: Der erstickende Verkehr, der aggressivere Fahrstil, die vielen Selbstdarsteller und ihr schrilles Getue – all dies schließt beinah nahtlos an Europas Großstadtszenen an; es wirkt aber nach einer wochenlangen Reise durch die Provinz plötzlich fremd. Diese Erfahrung läuft dem gängigen Klischee zuwider, der alte Highway löse seine Versprechungen erst in dem Maße ein, wie er weiter nach Westen vordringe. Stellvertretend für viele träumte die Familie Joad in Steinbecks »Früchte des Zorns« in dieser Richtung. Doch am Ende mochte niemand in Kalifornien die armen Schlucker aus der windigen Pampa.

So halten sich Erwartung und Erinnerung letztlich doch noch die Waage: Viele Menschen, Landschaften, Rede- und Umgangsformen weiter östlich erinnert man als einfach, angenehm und aufrichtig, ja, fast wie ein verlorenes Paradies. Ist (oder war) nicht auch das die Route 66?

Wie auch immer, in Santa Monica, dicht vor den Klippen über dem Ozean, ist Endstation: für eine Routa Americana, eine Collage amerikanischer Alltagskultur am laufenden Meter, durch acht Bundesstaaten, mehr als 300 Städte und drei Zeitzonen – 2508 Meilen oder 4016 Kilometer.

Ziel erreicht!

Geruhsam oder gerädertVorschläge zu Tempo und Timing

»Die Route 66 ist eine gigantische Rutschbahn, auf der alles, was in diesem Lande locker sitzt, letztlich auf Südkalifornien niedergeht.«

(Frank Lloyd Wright)

Fünf Tage, acht Stunden, Tempo 90: das schafft, so lässt sich errechnen, die Gesamtstrecke Chicago–Los Angeles, aber eben auch den Fahrer und sein Sitzfleisch. Kurz, das »Augen-zu-und-durch-Prinzip« passt schlecht zur Route 66.

Aber auch der Nostalgietrip im Schneckentempo birgt Probleme. Vieles entlang der Route verführt dazu. Schon die nachfolgend gedruckten Protokolle der einzelnen Etappen, die den täglichen Ariadnefaden auslegen, ziehen sich in die Länge. Das kommt davon, wenn man Mythen und Phantome messen will: Sie rächen sich an den Realisten. Es zeigt sich nämlich, dass man die Originalstrecke oft wie die Stecknadel im Heuhaufen suchen muss.

Die Bruchstücke des grau-rosa Betons im Netz moderner Verkehrswege aufzuspüren gelingt meist nur mit detektivischer Beharrlichkeit und mündet in ein verschlungenes Drunter und Drüber zwischen Interstates und Eisenbahnschienen, über Brücken und durch Unterführungen. Ganz zu schweigen von den entmutigenden Schildern: ROAD CLOSED und DEAD END. Oft helfen nur die Telefonmasten als Pfadfinder.

Manchmal erinnert so ein Kreuzstichverfahren an alte Pilger-Itinerarien, an deren Strapazen ebenso wie an die Devotionalien, die es überall und massenhaft zu erwerben und die zu versäumen als Sündenfall gilt.

Reisen auf dem Santa Fe Trail: Fotogravur nach einem Ölbild von P. Morgan 1893 …

Das vorliegende Buch schlägt deshalb einen Reiserhythmus zwischen Blitzaktion und Pilgerfahrt vor, weil sich die 14 gewählten Routenabschnitte in gemäßigten Grenzen halten. Nur die Strecken Chicago–St. Louis und Kingman–Pasadena ziehen sich enorm in die Länge. Im ersten Fall hilft eine Übernachtung in Springfield, im zweiten frühes Aufstehen.

Auszeiten nicht vergessen

Das gewählte Timing schließt, von winzigen Schlenkern, die zu vernachlässigen sind und selbst Puristen nicht stören werden, sowohl die komplette Originalstrecke als auch ausreichende Verschnaufpausen für den Genuss der historischen und sonstigen Highlights ein. Wer diese Zeiteinteilung kleinlich findet, sollte es wie beim Froschhüpfen halten, d. h. sich hier und da ein paar nostalgische Partien oder touristische Rosinen herauspicken, aber zwischendurch die Interstates als Zeitraffer benutzen.

Da ihre Auf- und Abfahrten (exits) in der Regel nicht weit und auch bestens ausgeschildert sind, fällt der Tempowechsel leicht. Genießer werden den roten Faden der Route ohnehin nur als eine Art Zubringer zu den Highlights in dessen Nähe nutzen: Chicago zum Abstecher zu den Großen Seen; St. Louis zum Besuch des Mark-Twain-Städtchens Hannibal; Missouri zur Tour in die Ozark-Berge, ins Wine Country oder in die Country & Western-Hochburg Branson; Santa Fe zum Ausflug nach Taos, zum Taos Pueblo und anderen Indianersiedlungen am oberen Rio Grande; Grants für Exkursionen nach Acoma; Thoreau, um die Hopi-Dörfer zu besuchen; Gallup für eine Stippvisite im Zuni Pueblo, ja, und Flagstaff bietet ein touristisches Spektrum im 360-Grad-Winkel: allem voran den Südrand des Grand Canyon, den Sunset Crater und die Wupatki-Ruinen, den malerischen Oak Creek Canyon und Sedona, das Baden-Baden Arizonas mit spirituellen Obertönen.

… und Reisen rund 40 Jahre später

Von Kingman ist es nicht weit bis nach Las Vegas und wer sich in San Bernardino entscheidet, vor dem letzten Stück Route 66 noch eine Pause einzulegen, kann dies geruhsam in der Wüstenoase Palm Springs tun. Auch die Highlights von Los Angeles brauchen sich nicht zu verstecken, man muss nur Zeit dafür haben, beispielsweise für den Kulissenzauber in den Universal Studios in Hollywood oder Disneyland.

An einigen Stellen wurde unter den Varianten in der Streckenführung bewusst ausgewählt: die Einfahrt nach St. Louis über die Umgehung durch die Interstate (statt der langatmigen Ortsdurchfahrt durch Venice) und westlich von Santa Rosa, New Mexico, die ältere Route über Santa Fe (statt der Direktverbindung nach Albuquerque – aus ästhetischen Gründen).

Weil die Strecke außergewöhnlich lang ist, möchten wir Ihnen bei der Auswahl besonders schöner Augenblicke ein wenig Hilfestellung leisten. Für jeden Tag auf der Straße haben wir daher einen MAGIC MOMENT ausgesucht.

Die Route 66 erleben und genießen

Übernachten: Von Designerhotels bis zu Motels und Hostels

Die Route 66 ist eine Straße der Kontraste. Das spiegelt sich auch in den Übernachtungsmöglichkeiten wider. Mit Chicago und Los Angeles sind sowohl der Startort als auch die Zieldestination trendige Metropolen. Hier finden Touristen die ganze Bandbreite vor: Coole Designerunterkünfte und individuell gestaltete Boutiquehotels, wie sie vor allem Europäer lieben. In Chicago etwa lockt das bislang weltweit einzige Virgin Hotel (siehe S. 55) des ehemaligen Platten- und jetzigen Airline-Impressarios Richard Branson. Eine frisch restaurierte Ikone aus vergangenen Zeiten ist das Hotel Campbell in Tulsa (siehe S. 125), während das Inn on the Alameda (siehe S. 193) auf authentische Weise in die Südwest-Aura von Sante Fe einführt. Am Ende der Strecke wartet mit dem Hotel Erwin in Venice Beach (siehe S. 268) nochmals ein Domizil, das bereits in seinem Slogan dem Geist der Route 66 gerecht wird: »Expressive. Rebellious. Adventurous«, heißt es da.

Viele Amerikaner hingegen bevorzugen im gehobenen Preissegment die gängigen Ketten wie Hilton, Marriott oder Hyatt und ihre mittlerweile zahlreichen Ableger. Hier wissen die Gäste stets, was sie erwartet. Beide Spielarten befinden sich oftmals in den In-Vierteln oder, im Falle von L. A., am Strand. Das Frühstück wird in der Regel extra berechnet und schlägt dabei mit 15 bis 30 Dollar zu Buche.

Zelte aus Beton: Wigwam Motel an der Route 66 bei Holbrook

Abgerundet wird das Portfolio von einfachen Zweckunterkünften wie den Stadtvarianten der Motels oder auch Hostels. Nicht selten gehört ein Standardfrühstück zum Angebot, das Ei, Bacon und Bagels umfasst, dabei aber nur selten kulinarischen Ansprüchen gerecht wird.

Immer beliebter werden auch die Bed & Breakfasts, deren Siegeszug auf dem amerikanischen Kontinent einst in New England begonnen hat. Hier ist die Betreuung familiärer und das Frühstück wird liebevoll frisch zubereitet.

Ähnliches gilt mit Abstrichen auch in den anderen Großstädten, die sich auf der Route befinden: St. Louis, Tulsa, Oklahoma City und Santa Fe. Ganz anders sieht die Lage in der Provinz aus. Hier beschränkt sich das Angebot gemeinhin auf die Filialen der landesweit aktiven und bedingungslos renditeorientierten Motel-Ketten. Je nach Preiskategorie punkten Holiday Inn Express, Super 8 oder Motel 6 mit breiten, bequemen Betten, riesigen Fernsehern, schnellem Internet und Klimaanlage.

Herzerwärmende Szenen aber spielen sich hier in der Regel nicht ab. Und im schlechtesten Fall findet sich der Gast in einem wenig attraktiven Übernachtungscontainer wider, in dem es einer Plastikblume überlassen ist, für Wohlbefinden zu sorgen.

Eine Ausnahme freilich bilden die wenigen übrig gebliebenen Veteranen aus der Blütezeit der Route 66. Diese fallen mit ihren ikonischen Neonschildern auf, sie tragen individuelle Namen und sie sind inhabergeführt. Für den Zustand des Interieurs gibt es keine verbindliche Formel: Am besten macht man sich über die einschlägigen Bewertungsportale im oder vor Ort ein Bild davon, ob die Zimmer mit dem persönlichen Route-66-Mythos korrespondieren.

Wer die Mother Road mit dem Wohnmobil (oder mit dem Zelt) bereist, findet eine weitgehend gute Infrastruktur vor. Anbieter von recreational vehicles liefern entsprechende Karten gleich mit. Verlässlichen Komfort bietet die Camping-Kette KOA (Kampgrounds of America), die auch entlang der Route 66 mit einigen Anwesen vertreten ist.

Für alle Unterkünfte gilt, dass die Bezahlung über Kreditkarte oder vorab über Buchungsportale abgewickelt wird. Auch wird nicht pro Gast, sondern pro Zimmer gezahlt.

Essen und Trinken: Vom Sternerestaurant bis Street Food

Bei der Verpflegung gelten ähnliche Normen, wie bei der Unterkunft: Vor allem Chicago und Los Angeles können vom Sternerestaurant bis zum Fast Food die komplette Bandbreite aufweisen. Beide Städte zählen mehr als 5000 Restaurants – und weil es sich um Einwanderermetropolen handelt, sind von Aserbaidschan bis Uruguay alle ethnischen Küchen präsent. Besonders interessant ist vielleicht, die lokale Spielart der deutschen Küche auszuprobieren.

Schnelles Essen und bewährtes Design: Mr D’z Diner in Kingman, Arizona

Weil mit Street Food und Craft Beer die beiden großen gastronomischen Trends der Gegenwart in den USA geboren wurden, können sich Fans auf eine enorme Auswahl von Food Trucks und Microbreweries freuen. Auch gepflegte Großstädte wie Oklahoma City und Tulsa verfügen über eine lebendige kulinarische Szene.

Traditionell spielt Fleisch in der amerikanischen Küche eine übergeordnete Rolle. Dies merken Besucher vor allem, wenn sie zwischen den beiden Weltstädten unterwegs sind: Ob in Texas, Oklahoma oder Arizona: Steaks und Burger finden sich auf nahezu jeder Speisekarte. Die Portionen sind so groß, dass man von der Bestellung einer Vorspeise tunlichst absehen sollte. Auch Beilagen gilt es sparsam zu dosieren.

In der Provinz beschränkt sich die Auswahl meist auf die landesweit agierenden Ketten und einige kulinarische Einzelkämpfer. Die Erwartungen sollte man daher nicht zu hoch schrauben. Je näher die Küste kommt, umso größer wird auch die Auswahl an frischem Seafood und Sushi – Kalifornien ist ein wahres Schlemmerparadies.

Das Preisniveau für die gehobene Gastronomie ist überraschend hoch – auch, weil bei den ausgewiesenen Preisen noch Steuern und Trinkgeld hinzukommen. Gesunde, vegetarische oder vegane Kost ist auf dem Lande immer noch keine Selbstverständlichkeit. Wer Wert darauf legt, sollte entsprechende Lokale vorab verorten.

Bei den Getränken haben die USA gegenüber Europa mächtig aufgeholt: Auf fades Industriebier muss niemand mehr zugreifen, denn die Craft-Beer-Szene boomt – fast in jedem Städtchen gibt es Brauereien mit ansprechendem bis hervorragendem Bier.

Auch der amerikanische Wein hat seine Qualitäten, vor allem, wenn man auf die Mainstream-Sorten Chardonnay und Merlot verzichtet. Edle Tropfen kommen nicht nur aus Kalifornien, sondern in verstärktem Maße auch aus Oregon und Washington State. Die Weinbars der Metropolen ermöglichen einen guten Überblick, als Verkostungsform genießen sogenannte Flights einige Popularität. Dahinter verbergen sich drei Schmeckproben anstelle eines großen Glases.

Vom Kaffee-Giganten Starbucks mag man halten was man will. Fakt ist, dass die Kette zur Kultivierung guten Kaffees beigetragen hat. Auch in vielen kleineren Städten haben viele inhabergeführte Cafés eröffnet, wo man heutzutage gerne einen Latte Macchiato oder ähnliche Gebräue konsumiert.

Mit Kindern unterwegs: Überall willkommen

Natürlich ist die konkrete Entscheidung den jeweiligen Eltern überlassen. Generell aber sollte man sich gut überlegen, ob ein Trip über die Route 66 das Richtige für den Nachwuchs ist: Wenn man schon eine solche aufwändige Reise unternimmt, sollten die Jüngsten schließlich auch etwas davon haben – vielleicht sogar Eindrücke, die sie nie wieder vergessen. Dafür ist ein gewisses Alter nun einmal unabdingbar.

Zu bedenken gilt es weiterhin, dass die Reise nicht ohne Strapazen ist: Jeden Tag vier bis sechs Stunden im Auto zu sitzen und eine andere Unterkunft zu beziehen ist gerade in jungen Jahren nicht jedermanns Sache. Auch kann die Reise aufgrund der Distanzen und der Außentemperaturen recht strapaziös sein.

Eltern, die hierin keinen Hinderungsgrund sehen, können sich sehr wohl auf ein kinderfreundliches Land freuen: Jungs und Mädchen sind überall gerne gesehen, nicht selten erfahren sie in Restaurants oder Museen eine bevorzugte Behandlung. In Hotels kann der Nachwuchs bei einer entsprechenden Anzahl von Betten häufig ohne Aufpreis übernachten. Ein starkes Argument, die Kids nach Möglichkeit mitzunehmen, ist der Lauf der Zeit: Niemand weiß, wie die Relikte der Route 66 sich in zehn oder 20 Jahren geben. Das Motto »besser jetzt als nie« zieht also auf jeden Fall.

Ist die Entscheidung für einen Familienurlaub einmal gefallen, können Eltern ihre Kinder mit einem Versprechen gefügig machen: Schließlich wartet am Ende der Tour mit Disneyland die vermeintlich ultimative Attraktion für Kinder. Schon am Start der Route freilich kann man den Nachwuchs auf das Kommende einstimmen: Am Navy Pier in Chicago (siehe S. 57) wird von Ende Mai bis Anfang September jeweils mittwochs (21.30 Uhr) und samstags (22.15 Uhr) ein großes Feuerwerk über dem Lake Michigan gezündet.

Kinder im Auto – das kann auch Spaß machen

Eine sichere Bank ist auch der Zoo in St. Louis, wo mehr als 600 Spezies beheimatet sind. Besonders erstaunlich: der Eintritt ist kostenlos – auch wenn fraglich ist, wie lange dieser Service noch aufrecht erhalten werden kann.

Wenn im gemeinhin trockenen Oklahoma eine Abkühlung gefällig ist, bietet sich Safari Joe’s H2O Water Park in Tulsa an (siehe S. 127). Ein veritables Abenteuer wartet derweil in Oklahoma City, wo der Sandridge Sky Trail für sich den Titel des höchsten Klettergartens der Welt beansprucht (siehe S. 147).

Auch für Kinder ein unvergessliches Erlebnis ist schließlich der Grand Canyon Skywalk (siehe S. 229). Vielleicht hat der Nachwuchs ja sogar weniger Vorbehalte gegen die gewagte Architektur, als die Eltern. Ein Ausflug dorthin kann auf jeden Fall auch einen pädagogischen Effekt haben: Nach dem Canyon scheint die Plastikwelt von Disney kaum noch interessant.

Sport und Outdoor: Ausgleich am Wegesrand

Sportliche Aktivitäten stehen bei den meisten Road-Trip-Absolventen nicht oben auf der Tagesordnung. Wer auf Bewegung dennoch nicht verzichten möchte, kann natürlich in den besseren Hotels das Gym ansteuern oder ein paar Runden im Pool schwimmen. Lange nicht jedes Hotel aber verfügt über Fitnessstudio und Schwimmbad.

Landschaftserkundung auf Pferderücken

Nach geeigneten Joggingstrecken und Wanderrouten fragt man am besten das Hotelpersonal vor Ort. Eine Auswahl präsentiert stets auch das lokale Tourismusbüro, deren Internet-Adressen in diesem Buch fast bei jeder Ortschaft genannt sind. Zu beachten gilt neben dem Verkehr auch die Tatsache, dass die USA zahlreiche Tiere beheimatet, denen man nicht unbedingt unvorbereitet begegnen möchte – darunter Bären, Berglöwen, Schlangen und Skorpione.

Obwohl sie vielleicht nicht zum primären Ziel des Road-Trips gehören, sind sportliche Aktivitäten zwischen Chicago und Los Angeles natürlich sehr gut möglich.

Golfplätze sind in den USA gemeinhin gut gepflegt und gegen eine Gebühr auch von Gästen nutzbar. Wer seine Schläger eingepackt hat, sollte den Bellerive Country Club (www.bellerivecc.org) in St. Louis besuchen, auf dem bereits alle wichtigen amerikanischen Wettkämpfe ausgetragen wurden. Einer Filmkulisse ähneln derweil die Landschaften, die den Continental Golf Club in Flagstaff (www.continentalflagstaff.com) umgeben.

Von Kansas bis nach Kalifornien ist außerdem das Reiten weit verbreitet: Wer einmal auf dem Rücken eines Pferdes in der Prärie unterwegs sein möchte, kann zum Beispiel auf einer Dude Ranch wie Meadowlake bei Tulsa (siehe S. 124) oder der Guest Ranch Los Pinos zwischen Las Vegas, NM, und Santa Fe (www.lospinosranch.com) übernachten. Hier nehmen die Gäste auf mehr oder weniger authentische Weise am Cowboy-Leben teil.

Auch Aktivitäten auf dem Colorado River sind denkbar: An der Landesgrenze von Arizona und Kalifornien werden Kanu- oder Jet-Ski-Fahren angeboten, z. B. bei www.fastripjetski.com in Laughlin, NV. Zu guter Letzt wartet schließlich der Pazifik – und es hat noch keiner Biographie geschadet, sich als California Surfer Boy (oder Girl) zu versuchen.

Bodyboarder vor L. A. – warten auf die große Welle

Wer die Route 66 in der kalten Jahreszeit erkundet, kann dies ohne weiteres mit einem Ski-Urlaub verbinden: Sowohl in der Umgebung von Albuquerque (www.sandiapeak.com, 10 km nordöstlich der Stadt) als auch bei Flagstaff (www.arizonasnowbowl.com, 20 km nördlich der Stadt) sind Pisten verfügbar. Vor den Toren von L. A. warten mit dem Snow Summit Mountain Resort (www.snowsummit.com, 50 km nordöstlich von San Bernadino) und dem Mountain High Resort (www.mthigh.com, 120 km nordöstlich von Los Angeles) weitere Skigebiete.

Schließlich gibt es auch Abenteurer, die die Route 66 mit dem Fahrrad absolvieren. Die Adventure Cycling Association (www.adventurecycling.org) hat auf ihrer Homepage zusammengestellt, was es dabei zu beachten gilt.

Chronik der Route 66Baugeschichte einer Legende

»Historiker des 26. Jahrhunderts sollten wissen, dass amerikanischer Kitsch und schlechter Geschmack auf der Route 66 möglicherweise in den Krokodilsfarmen und »indianischen« Trading Posts gipfelten.

Aber die 66 umspannte die Nation, war die Geburtshelferin des Motelzeitalters und der Wind, der ihren Staub aufwirbelte, trieb auch die grundlegenden Veränderungen Amerikas an.«

(J. L. Jones, Herausgeber und Verleger der »Tulsa Tribune«)

In der Ur- und Frühgeschichte der amerikanischen Straßen schaffen Indianer, Entdecker, Trapper, Abenteurer, Pioniere, Eisenbahnkonstrukteure und frühe Siedler ein wenig zusammenhängendes Netz aus Trails und anderen unbefestigten Wegen. Die ersten Straßenkarten erscheinen 1789. Als Thomas Jefferson von Virginia zum Continental Congress nach Philadelphia reist, muss er sogar wiederholt Pfadfinder anheuern.

Prärie-Schooner als Cabrio: sportliche Variante eines alten Transportmittels im Mittleren Westen

1790

Zu den ersten Landstraßen im europäischen Sinn gehören der 62 Meilen lange Philadelphia and Lancaster Turnpike, die Boston Post Road zwischen New York und Boston, die Wilderness Road durch Kentucky (angelegt vom Frontier Hero Daniel Boone) und die Great Road, die Philadelphia mit der Mündung des Conestoga River in Pennsylvania verbindet. In dessen Tal wird der erste amerikanische Lastwagen gebaut, der von Pferden gezogene Conestoga wagon. Die frühen Siedler bevorzugen allerdings den beweglicheren prairie schooner, den Maultiere und Ochsen wie Segelschiffe durch die Grasmeere ziehen.

Bis in die 1930er Jahre war dies die einzige Autostraße (»plank road«) durch die kalifornische Mojave-Wüste

Zum Fuhrpark der frühen Jahre gehören außerdem die carretas der mexikanischen Händler (Karren mit zwei Holzscheibenrädern aus drei Teilen, die seit der Zeit der Konquistadoren im Einsatz waren) und die Handkarren der Mormonen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts nutzen die Prärie-Ärzte Buggies, die Post (Overland Mail seit 1858, seit 1866 Wells Fargo) Kutschen (stagecoachs) und Pferde (der kurzlebige Pony Express 1860/61). Die Hauptlast des Personen- und Güterverkehrs übernimmt schließlich die Eisenbahn.

1890 ff.

Am Ende des 19. Jahrhunderts bedeutet road immer noch railroad. Insgesamt sind bereits 200 000 Meilen Schienen verlegt. Die Eisenbahn beherrscht praktisch den gesamten Reiseverkehr über Land. Die ersten Autos erscheinen auf dem Plan und in kürzester Zeit schießen Automobilfabriken aus dem Boden. Entdeckernamen zieren die Modelle: De Soto, La Salle, Cadillac und Hudson. Sie sind teuer, unzuverlässig und zum Fürchten. »Es wird niemals Leute geben, die sich auf eine Explosion setzen«, bemerkt ein Zeitgenosse. 1899 organisiert sich der Amerikanische Automobilclub (AAA). Um die Jahrhundertwende gibt es 8000 Autos und die ersten Nummernschilder.

1903

Erste Durchquerung der USA mit dem Auto. Sie verläuft über Schotter, Holzplanken (plank roads) und mit Ziegelsteinen befestigte Wegstrecken. Henry Ford gründet seine Autofirma. 1904 erscheint die erste Rand-McNally-Straßenkarte. 1905 erhält die erste Straße eine Asphaltdecke.

1908

Henry Ford bringt sein berühmtes Auto »Model T« auf den Markt, das bald den Kosenamen »Tin Lizzie« bekommt. Preis: 800 Dollar. Bereits zwei Jahre zuvor war die erste Harley-Davidson gebaut worden.

1909

Obwohl bereits um die Jahrhundertwende erfunden, werden zum ersten Mal Asphalt und Zement in größerem Umfang als Straßenbefestigung eingesetzt. Die »Model Ts« vermehren sich schnell: 19 000 sind bis jetzt verkauft, vier Jahre später werden täglich 1000 Stück produziert.

1910 ff.

Das Auto (inzwischen gibt es schon eine halbe Million davon) beginnt die Nation zu verändern, die Macht der Schiene zu brechen und den Tourismus anzukurbeln. Eine entsprechende Infrastruktur entsteht: An der Straßen nehmen Benzinsäulen (filling gas stations) Platz und als Begleiterscheinung der neuen Mobilität gewinnen Straßenkarten immer größere Bedeutung.

Als erste Mineralölfirma verteilt 1914 die Gulf Oil Company solche Karten kostenlos. Andere Benzinfirmen folgen dem Beispiel. Die Karten bemühen sich um eine attraktive Cover-Gestaltung (oft Frauen in Cabrios mit wehenden Haaren), um den Benzinverkauf zu fördern. Nach Rand McNally geht ein zweiter kartografischer Verlag ins Rennen: die General Drafting Company in New York.

Dennoch boykottieren viele Farmer anfangs die Autofahrer. So manches empfindliche Model-T-Gefährt bleibt in gezielt ausgehobenen Schlammgruben stecken. So konnte man die Fahrer, die man als blasierte Städter verachtete, wenigstens kostenträchtig bergen.

1913

Die Einführung des Fließbands (assembly line) durch Ford drückt den Preis des »Model T« auf 345 Dollar.

1914

Entlang den Eisenbahnlinien entsteht der National Old Trails Highway – als Vorläufer der Route 66. Inzwischen fahren zwei Millionen Autos in den USA.

1916

Präsident Woodrow Wilson unterschreibt den »Federal Air Road Act«, ein Gesetz zur Schaffung von Nationalstraßen (interstate roads) und deren Finanzierung durch den amerikanische Steuerzahler. Ein Jahr später gründet Frank Phillips in Oklahoma die »Phillips Petroleum Company« (heute ConocoPhillips).

Straßenpflasterung 1917: Ein Arbeitstrupp schaffte 100 bis 200 Meter pro Tag – bei einer Straßenbreite von gut sechs Metern

Service unterwegs ist Trumpf: Von Anfang an verwöhnen die Benzinfirmen ihre Kunden mit ansprechenden Tankstellen und gutem Kartenmaterial

1920

Besonders im Westen wächst der Wunsch nach einer durchgehenden Ost-West-Verbindung. Vor allem die ländliche Bevölkerung und populistische Gruppen setzen sich für mehr Straßen ein (better roads movement), um das monopolistische Gebaren der Eisenbahngesellschaften den Farmern gegenüber zu brechen. Der Automobilclub führt die Lobby für den Straßenbau an.

Die verbesserte Anbindung, die steigende Autoproduktion und feste Straßendecken münden in eine neue Freude am Autofahren. Eine Art Automanie nimmt in den »Roaring Twenties« ihren Lauf: mit zehn Millionen Fahrzeugen 1920 und mit 23 Millionen im Jahre 1929.

1921

Der Kongress bewilligt erneut beträchtliche Steuermittel für den Ausbau des Straßennetzes. Die Fast-Food-Welle gewinnt Kontur. Die erste Verkaufsbude der Kette »White Castle Hamburger« macht in Wichita, Kansas, auf; im texanischen Dallas entsteht der erste Drive-In. Die Nation bereitet sich auf ihre Hauptmahlzeit vor: Hamburger mit French fries.

1923

Der erste nationale Highway, der Lincoln Highway (später US 30, dann I-80) wird dem Verkehr übergeben: Er verbindet New York und San Francisco über weite Strecken durch eine Matsch- bzw. Geröllpiste. Die Farbwahl seines Schildes zielt auf patriotische Nebenwirkungen: ein blaues »L« auf weißem Grund mit rotem und blauem Streifen oben bzw. unten.

Vater der Route 66: Cyrus Stevens Avery

1924 f.

Die Treibstoffindustrie gewinnt an Boden. Die sich wie Pilze vermehrenden Tankstellen setzen durch den Anbau von Toiletten schon früh auf Kundenfang. (Tankstellen-Statistik: 1921: 12 000, 1927: 116 000, 1929: 143 000, 1933: 170 000 und 1940: 231 000.) Die harten Straßendecken wachsen gewissermaßen von ihren Enden her: Illinois und Kalifornien bilden die Vorreiter, Oklahoma ist das Schlusslicht. Der in Tulsa, Oklahoma, ansässige Geschäftsmann und Verkehrsexperte Cyrus Stevens Avery kämpft am hartnäckigsten für eine Durchgangsstraße, nicht ohne den Hintergedanken, dass eine transkontinentale Achse zwischen dem sogenannten heartland und dem Westen die Wirtschaft in Oklahoma ankurbeln würde.

Sonnencreme-Reklame in Texas

1925

Die Bundesstraßen erhalten Nummern – für solche in Ost-West-Richtung gerade, für die in Nord-Süd-Richtung ungerade Zahlen. Damit zerfällt auch der Lincoln Highway in regionale Einzelteile mit unterschiedlichen Nummern. Die generelle Umstellung stößt anfangs auf Kritik. Die »New York Times« schreibt: »Manchen Reisenden, die über den Lincoln oder Jefferson Highway fahren, mögen die Tränen kommen. Aber wie sollen sie einen kick aus einer 46 oder 55 oder 33 bekommen?«

Burma-Shave, Markenname der ersten Rasiercreme, die einen Rasierpinsel überflüssig machte, stellt sein erstes jingle an der Straße auf – eine Sequenz von Tafeln mit Textbrocken, die sich (mehr oder weniger gut) reimen und auf eine Pointe hinauslaufen:

HE HAD THE RING

HE HAD THE FLAT

BUT SHE FELT HIS CHIN

AND THAT

WAS THAT (1934)

Einige Sprüche verbanden die Eigenwerbung mit dem Appell, vorsichtig zu fahren:

PAST

SCHOOLHOUSES

TAKE IT SLOW

LET THE LITTLE

SHAVERS GROW (1934)

Die letzten Schilder wurden 1963 abmontiert (siehe auch S. 159, 227 f.).

1926

Geburtsjahr der Route 66: Am 11.11. erhält der von Avery konzipierte und promotete US-Highway offiziell die Nummer 66.