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Rum und Zigarren - Mit dem Fahrrad unterwegs auf Kuba Wir sind zwei leidenschaftliche Radfahrer und haben große Freude daran, unsere Urlaubsziele mit dem Fahrrad zu erkunden. Im März 2015 zog es uns nach Kuba. Spontan verbindet man mit Kuba neben Fidel Castro, Revolution, amerikanische Oldtimer, Che Guevara, Karibikstrände, Zuckerrohrplantagen, Musik und Tanz natürlich auch Rum und Zigarren. Das Reisemittel Fahrrad ermöglicht uns, näher bei den Menschen zu sein, als die zahlreichen Pauschalurlauber. Auf Kuba haben wir gut 800 Kilometer und 9000 Höhenmeter im Sattel unserer Räder verbracht. Begleiten Sie uns auf unserer Radtour durch Kuba und lernen Sie viel Interessantes über Land und Leute. Erfahren Sie mehr über die Natur, das Leben und die Politik. Kuba wird, so scheint es, in den nächsten Jahren einen Wandel erfahren. Umso interessanter war es für uns, das "alte" Kuba noch erlebt zu haben.
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Seitenzahl: 348
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Rum und Zigarren - Mit dem Fahrrad unterwegs auf Kuba
Wir sind zwei leidenschaftliche Radfahrer und haben große Freude daran, unsere Urlaubsziele mit dem Fahrrad zu erkunden. Im März 2015 zog es uns nach Kuba.
Spontan verbindet man mit Kuba neben Fidel Castro, Revolution, amerikanische Oldtimer, Che Guevara, Karibikstrände, Zuckerrohrplantagen, Musik und Tanz natürlich auch Rum und Zigarren.
Das Reisemittel Fahrrad ermöglicht uns, näher bei den Menschen zu sein, als die zahlreichen Pauschalurlauber. Auf Kuba haben wir gut 800 Kilometer und 9000 Höhenmeter im Sattel unserer Räder verbracht. Begleiten Sie uns auf unserer Radtour durch Kuba und lernen Sie viel Interessantes über Land und Leute. Erfahren Sie mehr über die Natur, das Leben und die Politik.
Kuba wird, so scheint es, in den nächsten Jahren einen Wandel erfahren. Umso interessanter war es für uns, das "alte" Kuba noch erlebt zu haben.
Gewidmet meiner lieben Mutter,
die unseren Reiseberichten immer so gerne zugehört hat.
+ 30.09.2015
Kuba - das Land der Castros, der Revolution, des Salsas, der amerikanischen Oldtimer, des Rums und der Zigarren.
Einen Urlaub dort zu verbringen gilt noch immer als etwas Besonderes. Trotz des praktizierten Sozialismus nimmt der Tourismus auf Kuba in den letzten Jahren immer mehr zu. Es gibt mittlerweile Touristenhochburgen, in denen man einen karibischen Pauschalurlaub verbringen kann. Wer uns kennt, der weiß, dass wir damit überhaupt nichts anfangen können. Wir möchten das Land mit dem Fahrrad erkunden, mehr vom Leben der Einheimischen erfahren und die Natur genießen.
Da der Urlaub ein paar Monate nach unserer Hochzeit stattfindet, sind dies sozusagen unsere Flitterwochen. Wir setzen damit die Reihe unserer gemeinsamen Radreisen fort. Jetzt mit gemeinsamen Namen, und wie schon bisher, mit gemeinsamen Herzen....
Kuba ist ein großes Land. Die Länge der Karibikinsel beträgt 1000 Kilometer. Sie besitzt eine Fläche von 105.000 Quadratkilometer und hat 11 Millionen Einwohner. Normalerweise starten und enden unsere Fahrradreisen direkt am Flughafen. Auf diese Weise ließe sich allerdings nur ein winziger Teil Kubas erkunden. Daher haben wir uns vorgenommen, ein Auto für die Zeit zu mieten, um auch größere Entfernungen überbrücken zu können. Dadurch vergrößert sich unser Aktionsradius enorm.
Nach intensivem Studium der Reiseführer wählten wir schon zu Hause die Landstriche auf Kuba aus, die wir gerne sehen würden. Zu Beginn der Reise soll es einige Tage in die Hauptstadt Havanna gehen. Danach wollen wir nach Westen in das Viñales Tal. Dort können wir uns eine Woche mit dem Rad austoben. Später, nach einem Transfer mit dem Auto nach Santa Clara ins Zentrum der Insel, möchten wir eine mehrtätige Tour in den Süden unternehmen. Die weitere Planung sieht vor, dass wir anschließend weiter in den Südosten reisen, genauer gesagt nach Santiago de Cuba. In der zweitgrößten Stadt Kubas startete in den 50er Jahren die Revolution der Castros. Auch hier möchten wir uns eine Woche tummeln, bevor es wieder zurück in die Nähe von Havanna zum Rückflug geht. Ein mächtiges Programm! Mal sehen, ob wir es in Verbindung mit der gemütlichen Lebensweise der Kubaner so umsetzen können. Zumindest die Etappen habe ich etwas kürzer als bei anderen Reisen geplant. Da sollte dazwischen genug Zeit sein, eine kleine Siesta abzuhalten. Außerdem wissen wir nicht, wie uns das warme und feuchte Klima bekommen wird.
Die Planung der Reise stellte sich als gar nicht so einfach heraus. Das sozialistische System hat doch einige Hürden für uns eingebaut, die erst bewältigt werden mussten. Flüge nach Kuba sind begehrt, daher steigen die Preise bis zum Abflugtermin mehr und mehr an. Wir buchten unseren Flug für März bereits im Oktober. Drei Wochen wollen wir das Land auf unsere Weise erkunden. Eines ist sicher: es wird kein Urlaub "von der Stange".
Da auf Kuba nur wenige Menschen einen Internetanschluss besitzen, konnte man Unterkünfte nicht so einfach über das World Wide Web buchen. Es wurde uns aber dringend geraten, Unterkünfte vorab zu reservieren, da sich auf der Insel oft mehr Gäste aufhalten als es Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Das ist zwar nicht unser Stil, aber wir wollen auch nicht schlauer als die Empfehlungen sein. Fast alle Übernachtungen werden wir in privaten Unterkünften verbringen - sogenannten "Casa Particulares". Die Reservierungen haben wir per Mail über einen Vermittler vorgenommen. Er heißt Leo. Die Vermieter selbst verfügen in der Regel nur über ein Telefon, selten über eine Mailadresse. Mit der Nutzung von Privatunterkünften wollen wir einen engeren Kontakt mit den Menschen bekommen. Uns ist die Politik des Landes weitestgehend egal, denn die Menschen zeichnen ein Land aus. Dennoch werden wir auch viel über die Vergangenheit Kubas erfahren und vielleicht besser verstehen, wie die Geschichte das Land und seine Menschen geprägt hat. Unsere Reise ist eine Möglichkeit zu lernen, warum manche Dinge auf Kuba so sind, wie sie eben sind.
Ein Buch beginnt stets mit einem Titel. Er soll mit wenigen Worten viel aussagen. „Rum“ und „Zigarren“, machen Kuba aus. Für den Untertitel habe ich eine halbe Stunde im Internet recherchiert. Es ging um Orthographie und deren Auslegung. Ich hatte mir überlegt, ob es „Eine Radreise in Kuba“ oder „Eine Radreise auf Kuba“ heißen müsse. Ich kam zu dem Ergebnis, dass beide Varianten in der Rechtschreibung erlaubt seien. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied in der Bedeutung. „In Kuba“ würde man sagen, wenn man das Land mit seinen politischen Grenzen meint. „Auf Kuba“ sagt man, wenn die Insel als Landschaft gemeint ist. Das ist ein kleiner aber feiner Unterschied. Da wir vor allem an „Land und Leuten“ interessiert sind, bevorzugen wir den Untertitel „Eine Fahrradreise auf Kuba“.
Wir hoffen nun, dass wir uns ausreichend vorbereitet haben und dass unser Plan umsetzbar ist. Ein wenig Nervosität macht sich schon breit, da wir nicht genau wissen, was uns erwartet. Auch Reiseführer und Fernsehberichte konnten daran nichts ändern, da wir eine ganz andere Reiseart als der Normalurlauber geplant haben. Dies zeigte sich schon beim Verpacken der Räder. Wie oft habe ich schon Räder in einen Karton für den Flug verpackt. Das müsste mittlerweile Routine sein. Aber weit gefehlt. Bestimmt 10 Mal habe ich das Rad aus- und wieder eingepackt. Ich war richtig nervös! Die Räder müssen hundertprozentig heil ankommen. Ersatzteile werden wir nicht leicht auftreiben können. Das ist sicher. Deswegen habe ich auch mehr Werkzeug eingepackt, als sonst.
Jeden Tag, um den der Abflug näher rückt, steigen auch die Spannung und die Vorfreude in uns. Ein neues Abenteuer kann beginnen. Was werden wir auf den vielen Kilometern in der Karibik erleben? Eines ist klar, neben vielen Eindrücken wird es hin und wieder auch etwas kubanischen Rum und eine Zigarre geben....
Im Folgenden lassen wir Sie an unseren Reiseerlebnissen teilhaben. Dazu werden Sie auch Hintergrundinformationen und Wissenswertes vom Leben in und auf Kuba erfahren. Wenn wir unsere Meinung zu bestimmten Beobachtungen schreiben, soll dies keine Wertung darstellen, sondern nur unsere Sicht der Dinge.
Samstag, 07.März 2015
In der Nacht von Freitag auf Samstag träume ich von unserer Anreise nach Kuba. Alles ist hektisch und kompliziert. Wir werden von Zollbeamten bei Ankunft festgehalten. Auf dem Gepäckband ziehen unsere Räder einsam Kreise, weil wir keine Erlaubnis zur Einreise erhalten. Dann werden wir von einer Alarmglocke im Flughafengebäude aufgeschreckt. Die Beamten fliehen und lassen uns alleine. Was machen wir nun? Sollen wir einfach unsere Räder schnappen und abhauen? Unsere Entscheidung bekomme ich nicht mehr mit, weil ich aufwache. Und das zu einer für mich unüblichen Zeit. Es ist 5.30 Uhr. Die Alarmglocke, von der ich geträumt habe, ist unser Wecker. Und wir sind nicht in Kuba - noch nicht. Wir liegen zu Hause im Bett. In einer Stunde fährt die S-Bahn und bringt uns zum Flughafen. Nach einem Sparfrühstück und den letzten Aufräumarbeiten in der Wohnung marschieren wir mit unseren leicht gepackten Rucksäcken zum Bahnhof. Das Hauptgepäck haben wir bereits am Vortag mit dem Auto zum Flughafen gebracht und eingecheckt. 20 Kilo pro Person und zwei Fahrräder verpackt in Kartons sind einfach zu sperrig für eine Zugfahrt. Außerdem mussten wir noch ein kleines Problem lösen. Wir fliegen erst von München nach Frankfurt und ein paar Stunden später von Frankfurt weiter nach Varadero auf Kuba. Den Fahrradtransport mussten wir extra bezahlen. Es handelt sich normalerweise um einen Einheitspreis, gleich ob es Zwischenlandungen gibt oder nicht. Auf unserer Bestätigung war allerdings nur der Transport von Frankfurt nach Kuba deklariert. Wie kommen also unsere Räder nach Frankfurt? Dies ist uns erst eine Woche vor Abflug aufgefallen. Nach ein paar Telefonaten mit dem Reisebüro und der Airline konnten wir klären, dass die Räder garantiert mitgenommen werden. Wenn das erst am gestrigen Check-In aufgefallen wäre, hätten wir bereits dort die erste Blutdruckerhöhung dieser Reise erlebt. Und ein Trip nach Kuba könnte ja noch einige Komplikationen mit sich bringen. Immerhin reisen wir in ein sozialistisches Land. Man hört oft von anderen Leuten, welche Schwierigkeiten sie hatten. Man fürchtet insgeheim mit willkürlicher Behandlung durch Behörden und Offiziellen. Deswegen prüfen wir vor dieser Reise doppelt, ob wir alle Unterlagen vollständig eingepackt haben. Es handelt sich um einen ansehnlichen Stapel Papier. Im Einzelnen sind dies: ein 30 Tage gültiges Touristenvisum, die Bestätigung einer privaten Auslandsreisekrankenversicherung in spanischer Sprache, natürlich der Reisepass sowie den gesamten Mailverkehr und die Anfahrtsskizzen für unsere Unterkünfte. Da man kein GPS-Gerät nach Kuba mitnehmen darf, sind wir wie früher auf Papier angewiesen. Deshalb habe ich auch von unseren Radetappen Tourenkarten ausgedruckt. Normalerweise würden diese auf unser Fahrrad-GPS geladen und auf dem kleinen Bildschirm während des Fahrens angezeigt. Da die Einfuhr eines solchen Gerätes eben nicht erlaubt ist, müssen jetzt eine klassische Landkarte und ein Kompass beim Navigieren helfen. Da ist man froh, dass man in den 70er Jahren geboren wurde. Da lernten wir noch mit diesen heute nostalgischen anmutenden Mitteln umzugehen. Unsere Freunde halten wir normalerweise während unserer Reisen mit Berichten auf unserem Internetblog auf dem Laufenden. Wir schreiben dabei von den Erlebnissen des Tages und erklären Wissenswertes über das Land. Mangels verfügbarem Internet in Kuba fällt dies auf unserer Reise aus. Die Erlebnisse werden wie früher in ein kleines Notizbuch eingetragen. Es sieht so aus, als würden wir die Reise ganz „old school“, ohne technische Unterstützung machen. Das alleine hat bereits seinen Reiz. In der Zeit, in der wir jetzt leben, werden technische Hilfsmittel als selbstverständlich betrachtet. Aber wieder einmal, wie vor 20 Jahren zu reisen, das ist heute für so manchen bestimmt eine Herausforderung. Das Handy schalte ich jetzt aus. Drei Wochen lang wird es kein Internet geben und aufgrund der hohen Minutenpreise auch keine - oder nur ganz wenige - Telefonate. So lange ohne Internet und keine Mails? Werden wir das überhaupt aushalten? Schon jetzt überkommt uns so etwas wie eine Entzugserscheinung. Aber das muss man verdrängen. Es geht auch ohne und früher gab es all den "Schnickschnack" gar nicht. Wir machen einen Urlaub in der Vergangenheit. Das tut doch gut. Alle wissen, dass wir nicht zu erreichen sind. Dann fragt auch keiner nach. Außerdem hat man mehr Zeit sich auf den Urlaub zu konzentrieren und starrt nicht dauernd auf irgendwelche Displays. Nur mit unserem Handgepäck kommen wir entspannt am Flughafen an, passieren ohne Schwierigkeiten die Sicherheitskontrolle und können gemütlich auf den Abflug warten. Als sich an unserem Gate nichts tut, fragen wir nach. Das Gate wurde geändert. Wir kommen aber rechtzeitig zum richtigen und erreichen Frankfurt nach etwa einer Stunde Flugzeit. In Frankfurt müssen wir uns neue Bordkarten für den Weiterflug organisieren. Auch bei diesem Flug wurde das Gate abgeändert. Das Zeitfenster ist nicht allzu groß. Dazu kommt, dass wir erneut die Sicherheitskontrollen durchlaufen müssen. Während es in München keinerlei Probleme gab, pfeift es bei mir laut und ich werde genau abgetastet. Auch mein Rucksack wird ausgeräumt und genau inspiziert. Ich finde das voll in Ordnung und fühle mich gleich noch wohler. Sie sollen nur schnell machen. „Uns pressiert´s.“ denke ich auf bayrisch. Am Gate werden wir aufgefordert in Busse einzusteigen, die uns zum Flugzeug bringen. Nach 10 Minuten müssen wir jedoch wieder aussteigen. Irgendwas ist an der Maschine noch zu machen. Ich habe deswegen keinerlei Bedenken. Sie werden die Maschine wohl nicht generalüberholen müssen. Aber ich grüble, wie sich eine Verspätung auf unsere Ankunft und das weitere Programm auswirkt. Planmäßig sollen wir um 20 Uhr Ortszeit auf Kuba landen. Für 21 Uhr habe ich das Auto bestellt. Um 22 Uhr wollten wir unsere erste Unterkunft in Matanzas, unweit des Flughafens, erreichen. Naja, es wird schon alles klappen. Nach 15 Minuten dürfen wir dann doch in die Busse steigen und der Flieger hebt mit etwas Verspätung ab. Ein wenig davon wird der Pilot noch gutmachen, wenn er etwas aufs Gas drückt. Um 20:15 Uhr Ortszeit befinden wir uns im Landeanflug auf Varadero. Da sich hier in der Nähe die bekanntesten Strände und die meisten Hotels befinden, ist der Flughafen der zweit wichtigste auf Kuba nach dem Airport Havanna. Während der Pilot unseren Flieger über die Landebahn bringt, sehen wir die Lichtanlagen des Flughafens. Die schwachen Scheinwerfer leuchten schwächer als das Flutlicht auf dem Fußballplatz unserer kleinen Heimatgemeinde. Auch die in der Ferne erkennbaren Orte sind nicht lichtstark. Das ist schon das erste, was uns auffällt. Kuba – ein Schwachstromland? Wir haben nur eine viertel Stunde Verspätung. Nach dem Aussteigen geht es durch lange Gänge bis wir eine Halle mit knapp 20 Schalter für die Immigration erreichen. Die Miniaturbüros sind durch Milchglasscheiben sichtgeschützt, damit man die Beamten von der Halle aus nicht sehen kann. Der große Raum ist schon zu Hälfte gefüllt und nur die Hälfte der Schalter scheint besetzt zu sein. Wir wählen die kürzeste Schlange aus und stellen uns an. Es ist 20:30 Uhr. Immer mehr Touristen drängen in die Halle. Bald ist sie fast vollständig gefüllt. Wer jetzt hinten steht, muss sich wohl auf einen langen Abend gefasst machen. Wir haben die langsamste Schlange erwischt, scheint mir. Leute, die sich gerade noch auf gleicher Höhe mit uns in einer anderen Schlage befanden, stehen jetzt schon einige Meter weiter vorne. Langsam macht sich Müdigkeit in uns breit. Für uns ist es jetzt 3 Uhr nachts deutscher Zeit. Wir sind schon 21 Stunden auf den Beinen. Eine halbe Stunde später wird unsere Müdigkeit bleiern. Wir haben das vordere Ende der Schlange immer noch nicht erreicht. Es ist 21 Uhr. Der Autovermieter würde uns jetzt erwarten. Das Zittern beginnt. Hoffentlich wartet er auf uns.... Eine weitere halbe Stunde dauert es, bis wir an die Reihe kommen. Als ich an den Schalter trete, sehe ich in das Gesicht einer lustlosen, kaugummikauenden Beamtin, die sich nach hinten hängend auf ihrem Stuhl fläzt und meine Papiere begutachtet. Mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck sieht sie sich in aller Ruhe die Unterlagen an. Dann fordert sie mich mit einem Kopfschwenken auf, in die installierte Kamera zu blicken. Sie machen also ein Foto von uns bei der Einreise. Nach einer gefühlten Ewigkeit knallen zwei Stempel auf meinen Reisepass sowie mein Visum und ich bekomme meine Papiere zurück. Die Bestätigung für die Auslandsreise-Krankenversicherung wollte sie gar nicht sehen. Jetzt bin ich wirklich in Kuba. Aber das heißt ja nicht, dass wir schon alle Hürden genommen haben. Nun wird unser Handgepäck noch einmal durchleuchtet. Bei der Einreise in ein Land habe ich das noch nie erlebt. Weiter geht es zu den Gepäckbändern. Von weitem sehen wir schon einen Haufen von Gepäckstücken neben dem Gepäckband liegen. Da wir über eine Stunde für die Immigration benötigt haben, wurde das Band schon für den nächsten ankommenden Flieger gebraucht. Unsere Radkartons sehen wir sofort. Nur die Suche nach den Taschen benötigt etwas mehr Zeit. Ein engagierter Flughafenmitarbeiter ist Elke behilflich, während ich auf die Räder aufpasse. Aber wir sind immer noch nicht durch. Ein weiteres Hindernis sind drei weibliche Beamte in adretten Uniformen, die ich jetzt nicht genauer begutachten kann. Sie kontrollieren stichprobenartig die Ankömmlinge und ihr Gepäck beim Verlassen des Flughafens. Während Elke die Toilette aufsucht warte ich. Dabei beobachte ich, wie ein Mann mit einem Karton mit ähnlicher Größe der unseren auf die Kontrolleurinnen zusteuert. Er sieht südländisch aus und wird aufgehalten. Es wird sogar nach einem Spezialbeamten gerufen und er muss seinen Karton öffnen. Es wird eine sehr genaue Inspizierung durchgeführt. Ich denke mir „Super, wir haben jetzt aber keine Zeit für so etwas“. Wie lange wird die Autovermietung wohl auf uns warten? Es ist kurz nach 22 Uhr als wir das Flughafengebäude verlassen. Auf den ersten Blick kann ich das Büro der Mietwagenfirma nicht sehen. Bis ich jemanden finde, den ich fragen kann, werde ich von mindesten fünf Leuten mit einem fragenden „Taxi?“ angesprochen. Ich frage einen Mann nach den Autovermietern und erhalte die Auskunft, dass wir zweihundert Meter weitermüssen. Mein Spanisch ist für solche Situationen ausreichend. Notfalls wird es auf Englisch probiert. Sollte das nicht reichen, kann Elke mit fließenden Italienisch nachlegen. Diese Sprache ist dem Spanischen sehr ähnlich. Außerdem kann sie viel besser Englisch als ich. Sprachlich haben wir auf der Reise sicher keine Schwierigkeiten. Abseits der Ankunftshalle gibt es mehrere Autovermieter. Nachdem ich nicht gleich erkenne, welches für uns zuständig ist, frage ich mich wieder durch. Auf jeden Fall brennt überall noch Licht. Das beruhigt mich. Vorgedrungen zu meiner Ansprechpartnerin, lege ich meine Unterlagen vor. Sie ist sehr freundlich und hat extra auf uns gewartet. Sie dachte schon, dass wir uns verspäten. Was folgt ist ein Schwall an Verhaltenstipps für das Autofahren auf Kuba. Das Fahren im Dunkeln ist zu vermeiden, da die meisten Verkehrsteilnehmer nicht beleuchtet sind. Das gilt für Pferdefuhrwerke, Radfahrer, Reiter und Fußgänger. Als Fahrzeugunterlagen bekommen wir die Kopie des Vermietungsvertrages. Es ist ein kaum leserlicher Durchschlag in rosa Farbe. Der ist sehr wichtig. Wir dürfen ihn nicht verlieren. Sollten wir einen Strafzettel von der Polizei bekommen, dürfen wir diesen nicht in bar an die Polizisten zahlen. Sie würden das Geld selbst einstecken. Die Strafe muss von der Polizei auf dem rosa Zettel notiert werden und wird am Ende bei Rückgabe an die Mietfirma bezahlt. Sollten wir den rosa Zettel verlieren, wird eine saftige Gebühr fällig. Man könnte ja allerhand Strafen kassiert haben und den rosa Zettel „zufällig verlieren“. Falls wir eine Reifenpanne haben, ist das Ersatzrad zu montieren. Hört sich logisch an. Allerdings stutze ich, als mir erklärt wird, dass die Chance für eine Reifenpanne sehr groß ist. Die gute Frau vom Vermietbüro schätzt die Wahrscheinlichkeit als gering ein, dass wir die 3 Wochen ohne Panne überstehen. Im Schadensfall soll der defekte Reifen bei der nächsten Tankstelle repariert werden. Die Kosten liegen um die 10 Euro. Außerdem gibt es eine Menge Kleinunternehmer, die ausschließlich nur Reifen und Schläuche flicken. Das Geschäft scheint wirklich zu brummen, wenn ein eigener Geschäftszweig davon leben kann. Die Straßenverhältnisse werden als sehr schlecht beschrieben. Es gibt eine Menge Schlaglöcher und viele Straßen sind nicht geteert. Umsichtige Fahrweise ist angebracht. Aufpassen muss man auf die vielen Verkehrsteilnehmer unterschiedlichster Geschwindigkeiten. Da kann es schon mal vorkommen, dass man für ein langsames Pferdefuhrwerk auf einer großen „Bundesstraße“ stark bremsen muss. Für den Fall einer größeren Panne bekomme ich eine Notfallrufnummer. Es kann aber schon ein paar Stunden dauern, bis dann Hilfe vor Ort ist. Bei einem Unfall ist immer die Polizei zu rufen und ein Protokoll anzufertigen. Das waren viele Informationen. Aber bis auf die hohe Wahrscheinlichkeit für einen platten Reifen nichts Ungewöhnliches, wie ich meine. Den Mietwagen haben wir mit Ausnahme der Vollkaskoversicherung von zu Hause aus bereits bezahlt. Nur die Versicherung wird jetzt vor Ort mit der Kreditkarte beglichen. Der Tank ist voll. Den Sprit muss ich aber bar zahlen. Da wir vom Einwanderungsschalter und der Gepäckausgabe direkt hierhergekommen sind, hatten wir noch keine Möglichkeit Geld zu tauschen. Mir ist nur in Erinnerung, dass ich vor dem Flughafengebäude einen Schalter aus dem Augenwinkel gesehen habe, an dem sich eine elend lange Menschenschlange gebildet hat. Das muss die Wechselstube gewesen sein. „Ach du liebe Zeit, das fehlt uns gerade noch, dass ich jetzt eine Stunde am Bankschalter anstehen muss. Wann werden wir heute wohl im Bett liegen? Und wenn wir noch länger brauchen, bekommen wir heute überhaupt noch ein Bett?“ denke ich. Unsere Vermieterin wird dann schon in den Träumen liegen und ich sehe uns im Auto in einer dunklen Gasse übernachten. Ich muss meine Phantasie aber nicht mehr weiter strapazieren. Die nette Autovermieterin gibt mir den Tipp, dass es in der Halle für die Abflüge noch einen zweiten Schalter gibt. Dort stehen in der Regel weniger an, weil er nicht so bekannt ist. Es ist schon nach halb elf. Langsam pressiert es wirklich. Während meines Aufenthaltes im Vermietbüro passt Elke draußen auf unsere Sachen auf. Dabei wird sie von dem Besitzer des Restaurants nebenan dauernd angesprochen. Ob sie nicht ein Bier will, ob wir noch etwas essen wollen und so weiter.... Sie hält der Belagerung stand. Immerhin waren wir schon in Ägypten, da ist man bezüglich aggressiver Verkäufer abgehärtet. Ich rufe ihr kurz zu, dass ich zum Geld tauschen muss und suche den Schalter in der Abflughalle. Die Schlange an der Wechselstube draußen ist immer noch gut 50 Meter lang. Die Leute stehen schon auf dem Gehsteig, an dem die Taxis warten. Da würde ich sicher eine weitere Stunde brauchen, bis ich dran bin. Derweil bekäme Elke Plattfüße. Ich drücke mich durch die Menschenmenge und bahne mir den Weg zur Abflughalle am anderen Ende des Flughafengebäudes. Zu so später Stunde fliegen nicht mehr allzu viele Maschinen ab. Daher befinden sich nur wenig Menschen in dem Gebäude. Den besagten Wechselschalter sehe ich sofort. Es ist nur eine Person vor mir. Eine Minute später bin ich an der Reihe. Ich lege 250 Euro auf den Tisch. Es folgt die Umrechnung in CUC. CUC bedeutet: „Peso Cubano Convertible“ und ist seit 1994 neben dem einheimischen „Peso“ die zweite Währung in Kuba. Dieses "künstliche Geld" ist im Verhältnis 1:1 an den US-Dollar gebunden. Nachdem der Wechselkurs des Euro zum Dollar derzeit auch circa 1:1 beträgt, ist das Umrechnen für uns sehr leicht. Warum gibt es diese zweite Währung? Das hat geschichtliche Gründe. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die ein wichtiger Partner der Kubaner bis Ende der 80er Jahre war, ging es mit Kubas Wirtschaft stark bergab. 1993 legalisierte die kubanische Regierung den US-Dollar als Zahlungsmittel, welcher schon vorher die eigentlich verbotene Schwarzmarktwährung war. Anfangs war der CUC ein Mittel, mit dem Touristen Luxuswaren in speziellen Läden einkaufen konnten. Kuba hatte jetzt Devisen mit denen es wiederum Importware aus dem Ausland bezahlen konnte. Später wurde es jedem Bürger Kubas erlaubt in diesen Geschäften einzukaufen. Das System ähnelt den Intershop-Läden in der ehemaligen DDR. 2004 hat Kuba das Zahlen mit US-Dollar untersagt. Seitdem müssen alle Besucher und Handelspartner die Devisen, egal ob Dollar, Euro oder andere Währungen bei staatlichen Banken oder Wechselstuben, in CUC tauschen. Die Transaktionsgebühren fließen ausschließlich an kubanische Banken und damit dem Staat zu. Das ist schlau. An so einer staatlichen Wechselstube stehe ich nun. In letzter Sekunde überlege ich, ob ich eine höhere Summe umtauschen soll. Als ich den Wunsch äußere sehe ich in einen nicht begeisterten Gesichtsausdruck. Ich drücke das jetzt wohlwollend harmlos aus. Gleich ziehe ich meinen Antrag zurück. Den Gesichtsausdruck kenne ich irgendwo her? Ach ja, am Einwanderungsschalter hat mich die Beamtin auch so angesehen. Einen staatlichen Job zu haben macht anscheinend nicht glücklich. Aber ich will das nach einer Stunde in Kuba nicht behaupten und warte die nächsten drei Wochen ab, ob sich diese These bestätigt. Mit meinen Peso Convertible mache ich mich auf den Weg zurück zum Vermietbüro. Ich habe nur 10 Minuten benötigt. Schritt für Schritt nähern wir uns dem ersehnten Bett. Für die Tankfüllung berappen wir 78 CUC. Das sind 60 Liter Tankinhalt multipliziert mit 1,30 CUC pro Liter Superbenzin. Das mit dem Benzin ist auch ein „bauernschlaues“,… äh „kubaschlaues“ System. Die Mietwagenfirma oder dessen Angestellte können den Sprit für etwa 1,00 CUC kaufen. Das ergibt einen Gewinn von 30 %. Deswegen muss ich auch in bar bezahlen. Außerdem sagt mir die Dame, ich kann den Wagen ohne vollzutanken wieder abgeben. Das ist zwar recht praktisch, aber die Firmen rechnen damit, dass man nicht mit dem letzten Tropfen zurückkommt. Der Rest im Tank ist quasi geschenkt. Macht nichts, ich habe das im Vorfeld bereits gelesen und weiß, dass ich mich darauf einlassen muss. Jetzt gehen wir nach draußen, um den Wagen zu inspizieren. Es handelt sich um einen Renault Fluence, ein Fahrzeug, welches ich bei uns in Deutschland so noch nicht gesehen habe. Es ist ein geräumiger Mittelklassewagen mit Stufenheck. Das hatte ich befürchtet. Es erschwert ein wenig das Verladen unserer Räder und der Kartons. Mit der Angestellten gehen wir die Schäden am Auto durch. Er hat 65.000 Kilometer auf dem Buckel. Ein paar große Schrammen werden im Bericht eingetragen. Auf den Hinweis, dass er ringsherum kleinere Schrammen aufweist, markiert sie das gesamte Auto auf dem Formblatt. Nach der Zeichnung müssten wir praktisch einen Totalschaden produzieren, um bei Rückgabe eine Reklamation zu bekommen. Beruhigt erhalte ich den wichtigen rosa Durchschlag des Dokumentes ausgehändigt. Zwei Minuten später ist das Büro verschlossen und die Dame braust vom Parkplatz. Sie hat tatsächlich extra auf uns gewartet und ihren Feierabend verschoben. Ich hole mein Mulitfunktionstaschenmesser aus dem Gepäck und schneide die Kartonagen der Räder auf. Immer noch redet der Besitzer des Restaurants von nebenan auf uns ein, ob wir nicht doch noch etwas trinken wollen. Wir ignorieren ihn einfach. Trotzdem versetzt er uns in eine leichte Hektik. Und wir wollen zumindest noch vor Mitternacht bei unserer Unterkunft ankommen. Es ist schon 23 Uhr. Um 22 Uhr wollten wir bereits dort sein. Das treibt uns zur Eile an. Die Rückbank ist umklappbar und wir schlichten die Räder aufeinander in den Kofferraum. Es funktioniert. Dann noch die Reisetaschen und die gefalteten Kartonagen der Räder irgendwie in das Auto gestopft und los kann es gehen. Mit Bedacht fahren wir die ersten Kilometer vom Flughafen Richtung Matanzas. Was haben wir gelernt? Eigentlich soll man als Tourist in der Nacht nicht Autofahren. Die ersten Kilometer lenken wir durch dunkle Einsamkeit auf einer guten Straße. Trotzdem halten wir immer Ausschau nach wilden Schlaglöchern. Vorsicht ist die Mutter der Reifenpannen und der Schutzengel der unbeleuchteten Fußgänger und Radler! Als wir die Stadtgrenze von Matanzas erreichen, wird es spannend. Werden wir die Adresse unserer Unterkunft gleich auf Anhieb finden? Immerhin ist Matanzas Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und hat über 150.000 Einwohner. In Google Maps habe ich versucht die Adresse zu lokalisieren und einen Ausdruck erstellt. Ob der amerikanische Informationsdienst aber so genaue Daten vom "Feindesland" hat, um eine Adresse mit Straße und Hausnummer einer exakten Stelle zuzuordnen? Wir müssen zum „Hostal Alma". Die Unterkunft wird von einer Dame geführt, die privat ein paar Zimmer vermietet. Die Stadt besteht aus vielen engen Straßen. Da zwei Fahrspuren recht knapp wären, gibt es viele Einbahnstraßen. Elke hat die selbst erstellte Karte in der Hand und lotst mich ins Zentrum. Man muss sehr gut aufpassen und vorsichtig fahren. Die vielen unbeleuchteten Verkehrsteilnehmer und Fußgänger wären wirklich leicht zu übersehen. Autos fahren so gut wie keine um diese Uhrzeit. Als wir der markierten Stelle ganz nahe sind, ist kein Hinweis auf unsere Unterkunft zu sehen. Die Häuser sind alle aneinandergebaut. Ein Straßenzug ist wie eine lange Mauer. Alle paar Meter sind schmale, hohe Türen. Straßenschilder und Hausnummern sind nicht zu erkennen oder wir können sie im schwachen Licht nicht lesen. Bald ist es Mitternacht. Wir wollen schon aus Höflichkeit nicht noch später kommen. Die Frau will ja auch einmal schlafen gehen. Hoffentlich ist sie es nicht schon…. Nachdem wir einen Block zweimal umrundet haben, wird es mir zu dumm. Ich halte den Wagen an und steige aus. Mit meinen Unterlagen gehe auf eine paar junge, dunkelhäutige Typen zu. Sie stehen gerade vor einem Laden, an dem noch Getränke verkauft werden. Ich frage auf Spanisch, wo sich die Adresse befindet. Gleich prescht einer von ihnen aus der Gruppe heraus, um mir zu helfen. Er schaut sich kurz meinen Zettel an und gibt zu verstehen, dass unser Ziel gleich dort vorne sei. Er zeigt auf die nächste Straßenecke. Er will mitgehen. Natürlich sehe ich in seiner Hilfsbereitschaft auch die Möglichkeit, dass er einem Trinkgeld nicht abgeneigt ist. Er hätte es auch redlich verdient, wenn er uns hilft, endlich ins Bett zu kommen. An der nächsten Seitenstraße hält er inne und sieht sich fragend um. „Aha, er weiß also doch nicht genau, wo er hin muss“, denke ich mir. Gleich spricht er ein paar andere Passanten an und fragt nach der Adresse. In deren Gestik sehe ich, dass es doch weiter entfernt ist. Elke habe ich einfach alleine gelassen. Hoffentlich macht sie sich keine Sorgen, weil ich so lange nicht zurückkomme. Zum Absprechen war keine Zeit mehr. Ich dachte schließlich, es wären nur 50 Meter.... Nach einer weiteren Abzweigung erreiche ich mit meinem Helfer eine Tür mit einem kleinen Schild. Es trägt die Aufschrift „Hostal Alma“. Wir läuten. Es wird spannend. Nach einer halben Minute meldet sich jemand. Ich sage, dass ich der deutsche Urlauber bin. Kurz darauf summt der Türöffner und ich betrete das alte Kolonialhaus. Der Flur ist eng und mit alten, bunten Fließen verkleidet. Die Treppe besteht aus massiven Steinplatten. Sie führt ein Stockwerk nach oben. Dort empfängt mich eine Dame um die 60 Jahre mit einem freundlichen Lächeln. Der Tag, beziehungsweise die Nacht ist gerettet. Ich mache klar, dass ich mit dem Auto etwas weiter weg stehe und gleich zum Ausladen des Gepäcks komme. Sie weist mich noch an, anschließend das Fahrzeug auf einem nahegelegenen Platz abzustellen. Vor dem Haus ist in der Nacht das Parken verboten. Meinem Helfer drücke ich ein Trinkgeld in die Hand. Er würde mir auch beim Gepäck helfen, aber ich mache ihm klar, dass wir es alleine schaffen. Etwas unzufrieden sucht er das Weite. Er hätte sich gerne ein zweites Trinkgeld verdient. Ich laufe den Weg zum Auto zurück. Es sind ungefähr 500 Meter. Dabei merke ich mir, wie ich zu Alma fahren muss, um keine Einbahnstraßenregelung zu missachten. Elke berichte ich vom Geschehenen. Ein paar Minuten später haben wir das Gepäck ins Haus getragen, genauer gesagt in das Wohnzimmer unserer Vermieterin. Die Hauswirtin ist sehr nett. Alles ist sehr sauber. Sie geht mit uns auf die Terrasse in den Innenhof. An der Seite befinden sich die Gästezimmer sowie die dazugehörigen, benachbarten Badezimmer. Die schön bepflanzte Terrasse lockt mit zahlreichen Sitzgelegenheiten und morgen gibt es hier Frühstück. Unsere Zimmer und das Badezimmer sind einfach und alt, aber picobello sauber. Es gibt sogar heißes Wasser betont die alte Dame und sieht uns durch ihre dicken Brillengläser freundlich an.
Sonntag, 08.März 2015
Murmeltiere schlafen auch nicht besser, aber sie stehen bestimmt zeitiger auf als wir nach der langen Anreise. Gut, dass wir Frühstück erst für halb zehn bestellt haben. Jede Stunde Schlaf können wir gut gebrauchen. Noch vor dem Frühstück baue ich die Räder zusammen. Den Lenker habe ich zu Hause abmontiert, in Luftpolsterfolie eingewickelt und senkrecht an das Rad mit Packband geklebt. Jetzt wird er wieder an den Vorbau geschraubt. Sattel, Pedale und das abmontierte Schaltwerk werden angebracht. Zuletzt noch Luft in die Reifen und schon stehen die zwei Drahtesel fahrbereit vor uns. Langsam realisieren wir, dass wir wirklich da sind. Jetzt beginnt unsere langersehnte Reise durch Kuba. Auf der Terrasse ist das Frühstück gedeckt. Wir setzen uns auf alte Stühle aus Metall. Auch der Tisch besteht aus filigranen Metallarbeiten. Es wird Kaffee mit Milch serviert. Das scheint auf Kuba genauso üblich zu sein, wie in Europa. Dann wird es exotischer. Als erstes gibt es für jeden von uns einen Teller mit frischen Früchten. Darauf sind Papayastücke, eine große Scheibe frische Ananas, aufgeschnittene Bananen und ein paar Stücke Guave. Diese Frucht ist bei uns weniger bekannt. Eine Guavenschorle findet man hin und wieder in einem Asiarestaurant auf der Karte. Als rohe Frucht sieht man sie in Deutschland nur selten. Sie stammt aus den tropischen Gebieten Amerikas. Aber auch im Mittelmeerraum, Südafrika oder in Westindien werden sie heute angebaut. Sie schmecken süß-säuerlich, fast wie ein Mix aus Erdbeere, Stachelbeere und Birne. Beim Essen spürt man viele kleine Kerne, so dass man nicht einfach drauf los kauen kann. Guaven sind sehr gesund. Ihr Anteil an Vitamin C ist viermal höher als der einer Kiwi. Hier bekommen wir die Früchte reif auf den Tisch. Wenn wir sie bei uns im Supermarkt fänden, wären sie unreif geerntet und mit dem Flieger verschickt worden. Das macht sie sehr teuer und der Vitamingehalt ist aufgrund der frühen Ernte sicher nicht so hoch. Als wir noch einen Krug mit Guavenschorle von Alma vorgesetzt bekommen, kann gar nichts mehr schiefgehen. Das Frühstück deckt den Vitamin-C-Gehalt einer Woche. Zum Frühstück gibt es aber noch mehr. Wir bekommen getrocknetes Weißbrot, gelben Zwieback, Marmeladen und Honig serviert. Dazu noch ein Stück Kuchen. Nach dem üppigen Frühstück ist mir klar, dass ich erst am Abend wieder etwas zu Essen brauche. Zur Verdauung steige ich noch die steilen Stufen einer Metalltreppe auf das Dach des Hauses empor. Hier habe ich einen guten Blick über die Stadt. Es ist der erste Blick in die Ferne auf Kuba bei Tageslicht. Im Hintergrund erkenne ich ein paar kleinere Hügel. Die Stadt ist groß. Sie besteht aus vielen kleineren Häusern, alten Kolonialbauten und ein paar Plattenbauten am Stadtrand. Dazwischen wachsen Palmen. Die meisten Häuser könnten einen neuen Anstrich vertragen. Auffällig sind die vielen, blauen Wassertanks auf den Dächern. Wir zahlen unsere Rechnung und deponieren die zwei Radkartons und eine Reisetasche bei Alma. So müssen wir sie auf unserem langen Weg nicht dauernd mitnehmen. Das haben wir bereits im Vorfeld vereinbart und geben der netten Dame noch etwas extra für den nicht selbstverständlichen Dienst. Jetzt holen wir das Auto vom Plaza, damit wir unsere Sachen einladen können. Als wir unseren Wagen besteigen, fegt ein alter Mann Blätter vom Autodach und hofft auf ein Trinkgeld. Wir geben ihm ein paar Groschen. Er scheint unzufrieden, zumindest verrät uns dies sein Gesichtsausdruck. Wir müssen erst noch rauskriegen, wer überhaupt und wie viel Trinkgeld für was bekommen soll. 100 Kilometer Autofahrt nach Havanna liegen vor uns. Die Räder und das Gepäck sind schnell verstaut und wir auf dem Weg raus aus Matanzas. Elke lotst mich mit der Landkarte perfekt auf die Hauptstraße. Jetzt am Tag ist das Fahren ein Kinderspiel. Im Vergleich zu Deutschland geht es auf den Straßen gemütlich zu. Auf der Strecke nach Havanna kommen uns viele amerikanische Oldtimer entgegen. Man denkt sofort an das Kuba der 40er und 50er Jahre. Die Straße von Matanzas nach Havanna ist über weite Strecken zweispurig. Es fahren nur wenig Autos. Dafür sehen wir viele Pferdewagen. Sie sind meist einspännig und besitzen nur eine Achse wie ein Sulky. Auf dem einfachen Bock haben zwei bis drei Personen Platz. Man sieht vorwiegend kleinere Pferderassen. Sehr oft stehen Menschen an der Straße und wollen als Anhalter mitgenommen werden. Sie winken schon von weitem mit Pesoscheinen in der Hand. Das ist üblich auf Kuba. Da die Leute des Öfteren ein bis zwei Stunden zur Arbeit fahren müssen, der öffentliche Verkehr bei weitem nicht ausreicht, die wenigsten aber ein Auto besitzen, warten sie am Straßenrand, um mitgenommen zu werden. Wir haben leider keinen Platz. Unser Auto ist bis unter das Dach mit Rädern und Taschen aufgefüllt. Sonst würden wir den einen oder anderen mitnehmen. Es gibt auf der Fahrt viel zu sehen. So haben wir schnell die 100 Kilometer bis Havanna geschafft. Jetzt müssen wir ins Zentrum. Im gleichnamigen Stadtteil „Centro“ liegt unsere Unterkunft. Es ist ein privates Haus. Ich hoffe, dass es heute bei Tageslicht einfacher ist, es ausfindig zu machen. Jetzt müssten wir schon wissen, wo die Straßennamen zu finden sind und wie die Hausnummern aussehen. Von Osten kommend fahren wir erst unter der Naturbucht von „La Habana“ hindurch. Dies ist möglich, weil zwischen 1955 und 1958 ein aufwändiger Straßentunnel gebaut wurde. Die Anzahl der Fahrzeuge und der Trubel auf den Straßen steigt zunehmend, je weiter wir uns dem Zentrum von Havanna nähern. Dank Karte können wir uns gut orientieren. Wir fahren gemütlich. Trotzdem drängelt fast keiner der anderen Verkehrsteilnehmer. Es scheint im Verkehr so etwas wie eine kubanische Gelassenheit zu geben. Die vielen alten Autos stinken ganz schön, wenn man hinter ihnen herfährt. Kein Wunder, denn wenn die alten Karossen mal Gas geben, kommt eine schwarze Wolke aus ihrem Auspuff. Gehupt wird andauernd und das von allen Verkehrsteilnehmern, außer natürlich von den Fußgängern und den Reitern. Letztere sind in der Stadt aber selten. Gehupt wird nicht um zu Drängeln, sondern nur, um freundlich auf sich aufmerksam zu machen. Unsere Unterkunft ist schnell gefunden. Eine schmale Tür an einer etwas heruntergekommenen Fassade ist es. Ein kleines Schild mit dem Namen des Eigentümers zeigt uns, dass wir richtig sind. Wir läuten und der Türsummer ertönt. Das Auto haben wir auf der recht breiten Straße einfach vor der Haustüre geparkt. Wir gehen eine Treppe nach oben in den ersten Stock. Die Vermieter, ein älteres Ehepaar, begrüßen uns freundlich. Wir finden gepflegte Räume eines circa 100 bis 150 Jahre alten Gebäudes vor. Die Zimmer sind hoch. Die Einrichtung ist alt, aber gut erhalten und gepflegt. Die Kubaner achten sehr auf ihr Hab und Gut. Eine Wiederbeschaffung ist eben nicht so einfach möglich. Man kann nicht in den nächsten Laden gehen und sich zum Beispiel neues Geschirr besorgen. Zum einen ist nicht alles verfügbar, zum anderen sind die finanziellen Mittel begrenzt. Also hütet man seinen Besitz, auch wenn er alt geworden ist. Antiquitätenhändler hätten auf Kuba vermutlich ihre wahre Freude. Die Herrschaften vermieten drei Zimmer in ihrem Haus. Sie zeigen uns das Gemach, in dem wir zwei Tage residieren dürfen. Wir haben das mittlere Zimmer ohne Fenster. Das stimmt nicht ganz. Im angrenzenden Bad ist eines, das zum Innenhof gerichtet ist. Klimaanlage, Kühlschrank und ein kleiner Fernseher sind auch vorhanden. Wir erzählen, dass wir Räder im Auto haben und diese gerne im Haus deponieren wollen. Das ist kein Problem. Der Hausherr zeigt uns gleich einen guten Platz. Außerdem gibt er uns ein paar grundlegende Tipps für den Besuch der Stadt. Auf einem kleinen Stadtplan zeichnet er uns den Weg zum historischen Zentrum auf und markiert wichtige Sehenswürdigkeiten. Außerdem erklärt er uns die zwei Währungen es Landes. Dafür hat er sogar ein Plakat, auf dem die Scheine abgebildet sind. Wir würden uns gerne am nächsten Abend von der Hausherrin bekochen lassen, was scheinbar kein Problem ist. Sehr gut, dann haben wir für morgen gleich gesorgt. Ich habe mir überlegt, dass wir heute Nachmittag zu Fuß die Altstadt von Havanna erkunden. Morgen können wir mit dem Rad durch die Stadt streifen und unseren Radius vergrößern. Jetzt laden wir unsere Habe erst einmal aus und bringen die Taschen und die Räder auf das Zimmer. Mit den Rädern sind wir sehr vorsichtig, damit wir Wände und Einrichtung nicht beschädigen oder verschmutzen. Für den Transport müssen wir zweimal klingeln. Einmal an der Haustür und dann noch einmal an einem Zwischengitter, das sich auf halber Höhe der Treppe befindet. Die Haustür wird von den Hausherren immer blind geöffnet. Das Gitter wird nur dann geöffnet, wenn die Besitzer erkennen, dass der Besucher zum Haus gehört. Am Ende der Treppe ist noch ein niedriges Gitter, an dem Glöckchen befestigt sind. Es scheint so, als würde man es Eindringlingen so schwer wie möglich machen wollen. Es ist erst Mittag und wir beschließen uns gleich auf den Weg zu machen. Wir wollen die Stadt erkunden, Oldtimer bewundern und fotografieren. Das reizt mich schon seit dem Entschluss für die Reise. Es sind eben die Bilder, die man im Kopf hat, wenn man an Kuba denkt. Bevor wir gehen, sehen wir uns noch im Haus um. Gemälde, Möbel, Fußböden und das Gebäude an sich sind antiquarisch. Gleich fällt uns ein großer, über hundert Jahre alter, gusseiserner Aschenbecher auf. Er ist knapp einen Meter hoch und wirkt wuchtig und alt. Hier sind sicher schon so einige Zigarren in Asche aufgegangen. Die Bilder an den Wänden zeigen alte Familienfotos in Schwarz-Weiß. Die Möbel sind massiv, aus dunklen Holz gefertigt und künstlerisch verziert.