Ruth - Elizabeth Gaskell - E-Book

Ruth E-Book

Elizabeth Gaskell

4,3

Beschreibung

Die hübsche Ruth wächst im viktorianischen England als Einzelkind auf dem Bauernhof ihrer Eltern auf. Doch sie ist noch sehr jung, als sie verwaist und von einer strengen Damenschneiderin in die Lehre genommen wird. Hier, in der Stadt, beginnt für sie ein Dasein voller Entbehrungen. An einem Winterabend begegnet sie einem jungen Mann aus vornehmem Hause, der ein wenig Licht und Wärme in ihr Leben bringt. Wird er alles zum Guten wenden? Zwei Jahre vor ihrem Roman "Norden und Süden" gelang Elizabeth Gaskell mit "Ruth" das Porträt einer jungen Frau, die ein wechselvolles Schicksal bewältigen muss.

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INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Nachwort der Übersetzerin

Verzeichnis der Anmerkungen

Fallt nur, ihr Tränen, sacht!

Benetzt den schönen Fuß,

Der uns die Botschaft und

Den Friedensfürst gebracht.

Ihr feuchten Augen, fleht

Um Gnade immerzu:

Denn laut nach Rache ruft

Die Sünde früh und spät.

In euren tiefen Seen

Ertränkt die Fehler mein

Und lasst IHN Sünd' allein

Durch meine Tränen seh'n.

Phineas Fletcher

KAPITEL 1

In einer der östlichen Grafschaften gibt es einen Gerichtsort, der durch die Tudor-Herrscher1 zu Ruhm kam und als Folge ihrer Gunst und ihres Schutzes einen Grad an Bedeutung erlangte, der den Reisenden unserer Tage überrascht.

Vor hundert Jahren war sein Aussehen geprägt von malerischer Pracht. Die alten Häuser, die jenen Familien der Grafschaft zeitweilig als Residenz dienten, welche sich mit den Vergnügungen einer Provinzstadt zufriedengaben, drängten sich entlang der Straßen und verliehen ihnen das uneinheitliche, aber edle Erscheinungsbild, das noch in den Städten Belgiens zu sehen ist. Die Straßenseiten besaßen durch die Wirkung der Giebel und der Schornsteinköpfe, die sich vom blauen Himmel darüber abzeichneten, eine kuriose Vielfalt; fiel der Blick hingegen mehr nach unten, dann waren es alle möglichen Arten von Vorbauten in Form von Balkonen und Erkern, die die Aufmerksamkeit auf sich zogen; und es war amüsant, die unendliche Fülle von Fenstern zu sehen, die lange vor der Zeit von Mr. Pitts Besteuerung2 in die Mauern gezwängt wurden. Die Straßen darunter litten unter all diesen Vorsprüngen und überhängenden Stockwerken: sie waren dunkel und schlecht gepflastert mit großen, runden, holprigen Steinen und ohne einen durch Randsteine geschützten Gehweg; es gab keine Laternenpfähle für lange Winternächte; und den Bedürfnissen der Mittelschicht, die weder in eigenen Kutschen herumfuhr, noch von ihren eigenen Leuten in ihren eigenen Sänften bis hinein in die Salons ihrer Freunde getragen wurde, schenkte man keine Beachtung. Die Geschäftsmänner und ihre Ehefrauen, die Ladeninhaber und ihre Angetrauten und all solche Menschen befanden sich sowohl tags als auch nachts in beträchtlicher Gefahr, wenn sie herumliefen. Die breiten, schwerfälligen Kutschen drängten sie in den engen Straßen gegen die Hauswände. Die unwirtlichen Häuser streckten ihre Treppenstufen bis fast in die Fahrbahn hinein und trieben die Fußgänger erneut in die Gefahr, der sie zwanzig oder dreißig Schritte weit ausgewichen waren. In der Nacht stammte dann das einzige Licht von den grell flackernden Öllampen, die über den Türen der aristokratischeren Herrenhäuser aufgehängt waren und nur so viel Raum erleuchteten, dass Passanten sichtbar wurden, ehe sie wieder in der Dunkelheit verschwanden, in der nicht selten Räuber auf ihre Beute lauerten.

Die Traditionen jener vergangenen Zeiten – bis hin zur kleinsten gesellschaftlichen Besonderheit – ermöglichen es einem, die Umstände, die zur Charakterbildung beitrugen, besser zu verstehen. Das tägliche Leben, in das Menschen hineingeboren werden und von dem sie ganz durchdrungen sind, ehe es ihnen völlig bewusst ist, bildet Ketten, die zu verachten und zu zerbrechen, wenn die Zeit dazu kommt – wenn eine innere Notwendigkeit zu unabhängigem, eigenständigem Handeln entsteht, das über alle äußeren Konventionalitäten erhaben ist – nur einer von hundert genügend moralische Kraft besitzt. Daher ist es gut zu wissen, welches die Ketten der täglichen häuslichen Gewohnheit waren, die das naturgegebene Gängelband unserer Vorfahren darstellten, bevor sie lernten, allein zu gehen.

Das Malerische jener alten Straßen ist nun verschwunden. Die Astleys, die Dunstans, die Waverhams – mächtige Namen in jener Gegend – begeben sich während der Saison3 pflichtschuldigst nach London und haben ihre Residenzen im Verwaltungssitz der Grafschaft vor fünfzig oder mehr Jahren verkauft. Und nachdem dieser Ort seine Anziehungskraft für die Astleys, die Dunstans und die Waverhams verloren hatte, wie konnte man dann noch annehmen, dass die Domvilles, die Bextons und die Wildes weiterhin den Winter dort in ihren zweitklassigen Häusern und mit ihren gestiegenen Ausgaben verbringen würden? So standen die prachtvollen alten Häuser eine Zeit lang leer; und dann wagten Spekulanten es, die verlassenen Herrenhäuser aufzukaufen und in viele kleinere Behausungen umzubauen, die auf Geschäftsleute zugeschnitten waren, oder sie gar (kommen Sie näher heran, damit der Geist von Marmaduke4, dem ersten Baron von Waverham, es nicht hört) in Läden umzuwandeln!

Selbst das war noch nicht einmal so schlimm, verglichen mit der nächsten Neuerung, die die alten Prunkstücke erfuhren. Die Ladeninhaber stellten fest, dass die einst elegante Straße dunkel war und dass das düstere Licht ihre Waren nicht vorteilhaft zur Geltung brachte; der Chirurg konnte nicht genug sehen, um die Zähne seiner Patienten zu ziehen; der Anwalt musste eine Stunde früher nach Kerzen läuten, als er es während seiner Ansässigkeit in einer proletarischeren Straße gewöhnt gewesen war. Kurzum wurde in gegenseitigem Einvernehmen die gesamte Front einer Straßenseite abgerissen und in dem kargen, schäbigen, schmucklosen Stil von George dem Dritten5 wieder aufgebaut. Die eigentliche Bausubstanz der Häuser war zu massiv und gewaltig, als dass man sie hätte umbauen können. Und so waren Besucher gelegentlich überrascht, wenn sie sich, nachdem sie durch einen gewöhnlich aussehenden Laden hindurchgegangen waren, am Fuße einer prächtigen, mit Schnitzereien verzierten Eichentreppe wiederfanden, die ihr Licht von einem bleiverglasten Fenster erhielt, auf dem zahlreiche Wappen ihre Geschichte erzählten.

Eine solche Treppe hinauf, an einem solchen Fenster vorbei (durch welches das Mondlicht farbenprächtig auf sie fiel) ging Ruth Hilton erschöpft in einer Januarnacht, die inzwischen viele Jahre zurückliegt. Ich sage: »Nacht«, aber genau genommen war es Morgen. Zwei Uhr in der Frühe läuteten die alten Glocken von Saint Saviour6. Und dennoch saßen noch mehr als ein Dutzend Mädchen in dem Zimmer, das Ruth betrat, nähten, als ginge es um ihr Leben, und wagten es nicht, zu gähnen oder irgendwelche äußeren Zeichen von Schläfrigkeit zu zeigen. Sie seufzten nur ein wenig, als Ruth Mrs. Mason infolge ihres Botengangs die Uhrzeit nannte; denn sie wussten, dass – gleich, wie lange sie aufbleiben würden – die Arbeitszeit des kommenden Tages um acht würde beginnen müssen, und ihre jungen Gliedmaßen waren schon sehr matt.

Mrs. Mason arbeitete genauso hart wie jede von ihnen, aber sie war älter und zäher; und außerdem steckte sie den Gewinn ein. Doch sogar sie bemerkte, dass sich alle etwas ausruhen mussten. »Junge Damen! Ich gewähre Ihnen eine halbe Stunde Pause. Läuten Sie die Glocke, Miss Sutton. Martha soll Ihnen etwas Brot und Käse und Bier heraufbringen. Sie werden so gut sein, Ihre Mahlzeit stehend einzunehmen – weg von den Kleidern – und Ihre Hände für die weitere Arbeit gewaschen zu haben, wenn ich zurückkomme. In einer halben Stunde«, sagte sie noch einmal sehr deutlich, und dann verließ sie das Zimmer.

Es war seltsam, den jungen Mädchen dabei zuzusehen, wie sie sich Mrs. Masons Abwesenheit augenblicklich zunutze machten. Ein dickes, besonders schwer aussehendes Fräulein legte seinen Kopf auf die verschränkten Arme und war im Nu eingeschlafen; sie ließ sich nicht für ihren Anteil an dem dürftigen Nachtmahl wecken, sprang aber mit angstvollem Blick auf, als die Schritte der zurückkehrenden Mrs. Mason zu hören waren, wenn auch noch weit entfernt auf den widerhallenden Stufen. Zwei oder drei andere kauerten sich an dem dürftigen offenen Kamin zusammen, der so platzsparend wie irgend möglich und ohne den geringsten Versuch der Verschönerung oder Verzierung in die dünne, karg wirkende Wand eingelassen worden war, die der gegenwärtige Hauseigentümer hatte einziehen lassen, um diesen Teil des herrschaftlichen, alten Salons abzutrennen. Einige nutzten die Zeit, um ihr Brot und ihren Käse zu essen, wobei sie ihre Kiefer so bedächtig und unablässig bewegten (und auf fast ebenso dümmliche Weise gelassen dreinblickten), wie man es bei Kühen beobachten kann, die auf der erstbesten Wiese, an der man vorbeikommt, wiederkäuen.

Einige hielten bewundernd das im Werden begriffene schöne Ballkleid hoch, während andere seine Wirkung begutachteten, indem sie, wie wahre Künstler das tun, von dem zu beurteilenden Objekt zurücktraten. Andere streckten ihre Leiber in alle möglichen Posen, um den müden Muskeln Linderung zu verschaffen. Ein oder zwei ließen dem Reiz zu gähnen, husten oder niesen, den sie in Mrs. Masons Anwesenheit so lange unterdrückt hatten, freien Lauf. Doch Ruth Hilton sprang zu dem großen alten Fenster und drängte sich dagegen, wie sich ein Vogel gegen die Stäbe seines Käfigs drängt. Sie klappte die Jalousie zurück7 und starrte in die stille Mondnacht hinaus. Diese war doppelt hell – fast so hell wie der Tag – denn alles war von dem tiefen Schnee bedeckt, der unablässig und lautlos seit dem vorangegangenen Abend gefallen war. Das Fenster befand sich in einer quadratischen Nische; die alten seltsamen, kleinen Glasscheiben waren durch jene ersetzt worden, die mehr Licht durchließen. Nicht weit entfernt wogen sich die fedrigen Äste einer Lärche sanft in der kaum wahrnehmbaren nächtlichen Brise hin und her. Arme alte Lärche! Vorbei war die Zeit, als sie auf einem angenehmen Rasen gestanden hatte, wo das zarte Gras liebkosend bis hinauf an ihren Stamm gekrochen war; jetzt war die Rasenfläche in Hinterhöfe und verwahrloste Rückgebäude aufgeteilt, und die Lärche war eingepfercht und mit Steinplatten umgürtet. Der Schnee lag dick auf ihren Zweigen und fiel hin und wieder lautlos zu Boden. Die alten Stallungen waren durch Umbau zu einer trostlosen Straße aus schäbig aussehenden Häusern hinzugefügt worden, die Rücken an Rücken mit den betagten Herrenhäusern standen. Und über all diese Veränderungen vom Glanz hin zur Armseligkeit neigte sich der violette Himmel mit seiner beständigen Herrlichkeit hinab!

Ruth drückte ihre heiße Stirn gegen das kalte Glas und strengte ihre schmerzenden Augen dabei an, den lieblichen Himmel einer Winternacht zu bestaunen. Sie empfand den starken Impuls, sich ein Schultertuch zu schnappen, es sich um den Kopf zu schlingen und aufzubrechen, um sich an der Pracht zu erfreuen; und es hatte eine Zeit gegeben, als sie diesem Impuls sofort nachgegeben hätte; doch nun füllten sich Ruths Augen mit Tränen, und sie blieb regungslos stehen und träumte von vergangenen Tagen. Während sie mit ihren Gedanken weit fort war in der Erinnerung an frühere Januarnächte, die dieser ähnelten und doch so anders waren, berührte sie jemand an der Schulter.

»Ruth, Liebes«, flüsterte ein Mädchen, das gegen seinen Willen durch einen langen, schweren Hustenanfall auf sich aufmerksam gemacht hatte, »komm und iss etwas Abendbrot. Du weißt noch nicht, wie es einem hilft, die Nacht durchzustehen.«

»Einmal rennen – ein Windstoß der frischen Luft würde mir mehr helfen«, sagte Ruth.

»Nicht in einer solchen Nacht«, entgegnete die andere und fröstelte bei dem bloßen Gedanken.

»Und warum nicht in einer solchen Nacht, Jenny?« antwortete Ruth. »Oh! Zu Hause bin ich so manches Mal den ganzen Weg bis zur Mühle hochgelaufen, nur um die Eiszapfen am großen Rad hängen zu sehen; und wenn ich einmal draußen war, habe ich es fast nicht mehr fertiggebracht, hineinzugehen, nicht einmal zu meiner Mutter, die am Kamin saß – nicht einmal zu Mutter«, fügte sie mit leiser, melancholischer Stimme hinzu, in der etwas unsagbar Trauriges mitschwang. »Aber, Jenny!« sagte sie und nahm sich zusammen, doch erst als ihr die Tränen in den Augen standen. »Gib zu, dass du diese abscheulichen, trostlosen, baufälligen alten Häuser dort nie auch nur halb so – wie soll ich es nennen? beinahe schön – gesehen hast wie jetzt, mit dieser weichen, reinen, herrlichen Decke; und wenn sie schon so viel hübscher sind, stell dir vor, wie Bäume und Gras und Efeu in einer Nacht wie dieser aussehen müssen.«

Jenny ließ sich nicht dazu überreden, die Winternacht zu bewundern, die für sie nur eine kalte und trübselige Zeit war, in der ihr der Husten mehr zu schaffen machte und die Seite mehr wehtat als sonst. Aber sie legte Ruth den Arm um den Nacken, stellte sich neben sie und war froh, dass das verwaiste Lehrmädchen, das noch nicht an die Mühsal einer Schneiderwerkstatt gewöhnt war, an einer so gewöhnlichen Erscheinung wie einer frostigen Nacht so vieles fand, was ihm Freude bereitete.

Sie verharrten tief in ihre jeweiligen Gedanken versunken, bis Mrs. Masons Schritte zu hören waren und jede der beiden – zwar ohne Abendessen, aber ausgeruht – an ihren Platz zurückkehrte.

Ruths Platz war der kälteste und dunkelste in dem Raum, obwohl er ihr am besten gefiel; sie hatte ihn sich instinktiv wegen der ihr gegenüberliegenden Wand ausgesucht, auf der sich ein Relikt der Schönheit des alten Salons befand, der – nach dem übrig gebliebenen, verblassten Musterstück zu urteilen – einst prunkvoll gewesen sein musste. Die Wand war in Paneele von blassem Meergrün mit weißen und goldenen Akzenten aufgeteilt; und auf diese Paneele waren die hübschesten Blumenkränze gemalt – hingeworfen von der achtlosen, triumphierenden Hand eines Meisters – unbeschreiblich üppig und schwelgerisch und so naturgetreu, dass man sich fast vorstellen konnte, ihren Duft zu riechen und den Südwind zu hören, wie er sanft raschelnd durch die purpurroten Rosen, die Zweige von lila und weißem Flieder, die schwebenden, tressenbesetzten Goldregenruten fuhr. Außerdem waren da majestätische, weiße Lilien, die der Jungfrau Maria geweiht sind, Malven, Diptam8, Blauer Eisenhut, Stiefmütterchen, Primeln – jede Blume, die in bezaubernden, altmodischen Landgärten üppig blüht, war dort inmitten ihres anmutigen Laubs abgebildet, jedoch nicht in der wirren Unordnung, in der ich sie aufgezählt habe. Am unteren Rand des Paneels lag ein Stechpalmenzweig, dessen steife Geradheit mit einem gewundenen Arrangement aus Efeu und Misteln und Winterling9 verziert war, während zu beiden Seiten Girlanden aus Frühlings- und Herbstblumen herabhingen und der prachtvolle Sommer das Ganze mit den süßen Moschusrosen und den farbenfrohen Blumen des Juni und Juli krönte.

Gewiss hätte Monnoyer10 – oder wer auch immer der verstorbene Künstler gewesen sein mochte – Genugtuung darüber empfunden zu erfahren, welche Freude das Werk seiner Hände selbst noch in verblasstem Zustand dem schweren Herzen eines jungen Mädchens bereiten konnte; denn sie beschworen Bilder von anderen gleichartigen Blumen herauf, die am Ort ihrer Kindheit wuchsen und blühten und verwelkten.

Mrs. Mason war besonders darauf bedacht, dass sich ihre Arbeiterinnen heute Nacht anstrengten, denn in der kommenden sollte der jährliche Jagdball stattfinden. Es war die einzige Vergnügung in der Stadt, seit man die Gerichtsbälle nicht mehr abhielt. Viele Kleider waren es, von denen sie versprochen hatte, dass sie »garantiert« am nächsten Morgen nach Hause geliefert werden sollten; sie hatte sich kein einziges entgehen lassen, aus Angst, es hätte andernfalls der mit ihr rivalisierenden Damenschneiderin in die Hände fallen können, die sich gerade in derselben Straße niedergelassen hatte.

Sie beschloss, den ermattenden Geistern ein leichtes Stimulans zu verabreichen, und mit einem einleitenden Hüsteln, das die Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollte, begann sie: »Es ist kein Geheimnis, junge Damen, dass ich dieses Jahr, wie auch schon bei früheren Anlässen, darum gebeten wurde, es einigen meiner jungen Leute zu erlauben, im Vorraum des Versammlungssaales anwesend zu sein und Ripsband, Nadeln und derlei Kleinigkeiten bereitzuhalten, um jegliche versehentliche Beschädigung an den Kleidern der Damen auszubessern. Ich schicke vier – von den Fleißigsten.« Sie legte eine besondere Betonung auf die letzten Worte, jedoch ohne große Wirkung; sie waren zu schläfrig, um sich etwas aus dem Pomp und den Eitelkeiten, ja sogar aus den Bequemlichkeiten dieser Welt zu machen – mit einer einzigen Ausnahme: ihren Betten.

Mrs. Mason war eine sehr achtbare Frau, doch wie viele andere achtbare Frauen hatte sie ihre Schwächen; und eine davon (die für ihre Berufung sehr natürlich war) bestand darin, extremen Wert auf Äußerlichkeiten zu legen. Dementsprechend hatte sie im Geiste bereits die vier Mädchen ausgewählt, die dem »Unternehmen« am ehesten Ehre machen würden; und für diese entschied sie sich insgeheim, obwohl es eine gute Sache war, die Belohnung den Fleißigsten zu versprechen. Sie war sich der Unaufrichtigkeit dieses Verhaltens wirklich nicht bewusst, da sie in jener Art von Wortklauberei bewandert war, mit der Menschen sich einreden, dass das, was sie tun wollen, richtig ist.

Schließlich war es nicht mehr möglich, gegen die Anzeichen der Erschöpfung anzukämpfen. Sie wurden zu Bett geschickt; doch selbst diese willkommene Anweisung wurde nur träge befolgt. Langsam falteten sie ihre Arbeit zusammen, schwerfällig bewegten sie sich, bis endlich alles weggepackt war und die ganze Schar die breite, dunkle Treppe hinaufging.

»Oh! Wie soll ich fünf Jahre dieser schrecklichen Nächte überstehen! In diesem engen Raum! Und in dieser bedrückenden Stille, in der jedes Geräusch des Fadens zu hören ist, wie er ewig hin- und hergeht«, schluchzte Ruth auf, als sie sich auf ihr Bett warf, ohne sich auch nur auszuziehen.

»Nein, Ruth, du weißt, dass es nicht immer so sein wird, wie es heute Nacht war. Wir kommen oft vor zehn Uhr ins Bett; und nach und nach wird dir die Enge des Zimmers nichts mehr ausmachen. Du bist heute Nacht ganz erschöpft, sonst hätte dir das Geräusch der Nadel nichts ausgemacht; ich höre es nie. Komm, ich helfe dir beim Ausziehen«, sagte Jenny.

»Was bringt es, sich auszuziehen? In drei Stunden müssen wir wieder aufstehen und arbeiten.«

»Und in diesen drei Stunden kannst du dich ganz gut ausruhen, wenn du dich nur ausziehst und zu Bett gehst, wie es sich gehört. Komm, meine Liebe.«

Ruth leistete keinen Widerstand gegen Jennys Ratschlag; doch bevor sie einschlief, sagte sie: »Oh, ich wünschte, ich wäre nicht so ärgerlich und ungeduldig. Ich glaube nicht, dass ich das früher war.«

»Nein, bestimmt nicht. Die meisten neuen Mädchen werden anfangs ungeduldig; aber das legt sich, und nach einer Weile sind sie kaum mehr aus der Ruhe zu bringen. Armes Kind! Sie schläft schon«, sagte Jenny zu sich selbst.

Sie konnte weder schlafen noch ruhen. Das Gefühl der Enge in ihrer Seite war schlimmer als sonst. Sie überlegte fast, ob sie es in ihren Briefen nach Hause erwähnen sollte; doch dann erinnerte sie sich an das Lehrgeld, für dessen Zahlung sich ihr Vater abgemüht hatte, und an all ihre jüngeren Geschwister, für die gesorgt werden musste, und sie beschloss, durchzuhalten und darauf zu vertrauen, dass sowohl der Schmerz als auch der Husten weggehen würden, wenn das warme Wetter käme. Sie würde auf sich aufpassen.

Was war nur mit Ruth los? Sie weinte im Schlaf, als würde ihr das Herz brechen. Ein so aufgewühlter Schlummer konnte keine Erholung bringen; daher weckte Jenny sie.

»Ruth! Ruth!«

»Oh, Jenny!« sagte Ruth, während sie sich im Bett aufsetzte und die Fülle ihres Haars zurückschob, die ihre Stirn erhitzte. »Ich dachte, ich sähe Mama neben meinem Bett, so wie sie früher kam, um zu sehen, ob ich schlafe und es bequem habe. Und als ich versuchte, sie anzufassen, ging sie weg und ließ mich allein – ich weiß nicht, wohin. Das war so seltsam!«

»Das war nur ein Traum. Du weißt, dass du mir von ihr erzählt hast, und du bist vom langen Aufbleiben fiebrig. Schlaf wieder ein und ich werde über dich wachen und dich aufwecken, wenn du unruhig zu sein scheinst.«

»Aber du wirst so müde sein. Oh je! Oh!« Ruth schlief wieder ein, noch während sie seufzte.

Der Morgen kam, und die Mädchen standen neu belebt auf, obwohl sie sich nur kurz ausgeruht hatten.

»Miss Sutton, Miss Jennings, Miss Booth und Miss Hilton, sorgen Sie dafür, dass Sie um acht Uhr fertig sind, um mich zur Stadthalle zu begleiten.«

Ein oder zwei der Mädchen sahen erstaunt aus, aber da die meisten die Auswahl vorausgeahnt hatten und die unausgesprochene Regel, aufgrund derer sie getroffen wurde, aus Erfahrung kannten, nahmen sie sie mit der missmutigen Gleichgültigkeit auf, die sie in Bezug auf die meisten Ereignisse empfanden – jenem abgestumpften Lebensgefühl, das aus ihrer unnatürlichen Daseinsweise, ihren im Sitzen verbrachten Tagen und ihrem häufigen Aufbleiben bis spät in die Nacht resultierte.

Ruth jedoch konnte sie sich nicht erklären. Sie hatte gegähnt und herumgetrödelt, ihren Blick zu der schönen Tafel schweifen lassen und sich in Gedanken an ihr Zuhause verloren, bis sie mit völliger Gewissheit den Tadel erwartete, den sie zu jedem anderen Zeitpunkt ganz sicher erhalten hätte – und nun wurde sie zu ihrer Überraschung als eine der Fleißigsten ausgesucht!

So sehr sie sich nach der Freude sehnte, die elegante Stadthalle – den Stolz der Grafschaft – zu sehen, Blicke auf die Tänzer zu erhaschen und die Kapelle spielen zu hören, so sehr sie sich nach etwas Abwechslung von dem öden, eintönigen Leben, das sie führte, sehnte, konnte sie doch kein Glück darüber empfinden, ein Privileg anzunehmen, das ihr – so glaubte sie – in Unkenntnis der tatsächlichen Lage der Dinge gewährt wurde. Und so schreckte sie ihre Gefährtinnen auf, indem sie plötzlich aufstand und zu Mrs. Mason ging, die ein Kleid fertig nähte, das zwei Stunden zuvor hätte heimgeschickt werden sollen.

»Bitte entschuldigen Sie, Mrs. Mason, aber ich war nicht eine der Fleißigsten. Ich fürchte – ich glaube, dass ich überhaupt nicht fleißig war. Ich war sehr müde; und ich konnte es nicht lassen, nachzudenken, und wenn ich nachdenke, kann ich mich nicht auf meine Arbeit konzentrieren.« Sie hielt inne, da sie glaubte, sie hätte ausreichend erklärt, was sie meinte; doch Mrs. Mason verstand nicht und wollte auch keine weiteren Erläuterungen hören.

»Nun, meine Liebe, Sie müssen lernen, nachzudenken und gleichzeitig zu arbeiten; oder wenn Sie nicht beides tun können, müssen Sie das Nachdenken bleiben lassen. Ihr Vormund erwartet, wie Sie wissen, dass Sie große Fortschritte in Ihrem Beruf machen, und ich bin sicher, dass Sie ihn nicht enttäuschen werden.«

Doch das ging am Kern der Sache vorbei. Ruth blieb einen Augenblick lang stehen, obwohl Mrs. Mason ihre Beschäftigung in einer Weise wieder aufnahm, die jeder anderen als einem »neuen Mädchen« deutlich genug gesagt hätte, dass sie momentan nicht den Wunsch hegte, das Gespräch fortzusetzen.

»Aber da ich nicht fleißig war, sollte ich nicht hingehen, Madam. Miss Wood war sehr viel tüchtiger als ich – und viele andere.«

»Lästiges Mädchen!« murmelte Mrs. Mason. »Ich hätte gute Lust, sie daheim zu lassen, weil sie mich so plagt.« Doch als sie zu Ruth aufsah, fiel ihr einmal mehr die bemerkenswerte Schönheit auf, die Ruth besaß. Mit der wellenförmigen Silhouette ihrer Gestalt, ihrem bemerkenswert hübschen Gesicht, ihren dunklen Augenbrauen und Wimpern kombiniert mit ihrem kastanienbraunen Haar und ihrem hellen Teint machte sie dem Geschäft solche Ehre. Nein! Ob fleißig oder faul – Ruth Hilton musste heute Abend erscheinen.

»Miss Hilton«, sagte Mrs. Mason mit gestelzter Würde, »wie Ihnen diese jungen Damen versichern können, bin ich es nicht gewöhnt, dass man meine Entscheidungen hinterfragt. Was ich sage, das meine ich auch; und ich habe meine Gründe. Nehmen Sie daher bitte Platz und sorgen Sie dafür, dass Sie um acht Uhr fertig sind. Kein Wort mehr!« fügte sie hinzu, da es ihr so schien, als wollte Ruth noch einmal etwas sagen.

»Jenny, du hättest gehen sollen! Nicht ich«, sagte Ruth mit nicht eben leiser Stimme zu Miss Wood, als sie sich neben sie setzte.

»Still, Ruth! Ich könnte nicht hingehen, selbst wenn ich dürfte – wegen meines Hustens. Wenn es an mir wäre, würde ich es lieber an dich abtreten als an irgendjemand anderen. Stell dir also vor, es wäre so, und nimm das Vergnügen als mein Geschenk an und erzähl mir alles darüber, wenn du heute Nacht heimkommst.«

»Gut, ich werde es auf diese Weise betrachten und nicht, als hätte ich es verdient – was ich nicht habe. Also vielen Dank! Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich es jetzt genießen werde. Ich habe letzte Nacht tatsächlich fünf Minuten lang fleißig gearbeitet, nachdem ich davon gehört habe – ich wollte so gerne hingehen. Aber ich konnte es nicht beibehalten. Ach je! Und ich soll wirklich eine Kapelle hören! Und diese schöne Stadthalle von innen sehen!«

KAPITEL 2

Als es an jenem Abend an der Zeit war, versammelte Mrs. Mason »ihre jungen Damen« um sich, um ihr Aussehen zu überprüfen, bevor sie sich mit ihnen zur Stadthalle begab. Die beflissene, bedeutungsvolle, hastige Art, in der sie sie herbeirief, ähnelte der einer Henne, die ihre Küken gackernd um sich schart; und nach der genauen Inspektion zu schließen, der sie sich unterziehen mussten, hätte man meinen können, dass sie bei der abendlichen Veranstaltung eine viel wichtigere Rolle hätten spielen sollen, als nur vorübergehend Kammerfrauen zu sein.

»Ist das Ihr bestes Kleid, Miss Hilton?« fragte Mrs. Mason in halb unzufriedenem Ton, während sie Ruth herumdrehte; denn es war nur ihr schwarzes seidenes Sonntagskleid, das etwas abgetragen und fadenscheinig wirkte.

»Ja, Madam«, antwortete Ruth ruhig.

»Oh, tatsächlich! Dann wird es wohl genügen«, (immer noch in dem halb zufriedenen Ton). »Kleidung ist, wie Sie wissen, meine jungen Damen, vollkommen zweitrangig. Benehmen ist alles. Und doch denke ich, Miss Hilton, Sie sollten Ihrem Vormund schreiben und ihn darum bitten, Ihnen Geld für ein zweites Kleid zu schicken. Es tut mir leid, dass ich nicht früher daran gedacht habe.«

»Ich glaube nicht, dass er welches schicken würde, wenn ich ihm schriebe«, entgegnete Ruth leise. »Er war verärgert, als ich ein Schultertuch haben wollte, als das kalte Wetter einsetzte.«

Mrs. Mason entließ sie mit einem leichten Schubs, und Ruth reihte sich bei ihrer Freundin, Miss Wood, in die Gruppe ein.

»Mach dir nichts draus, Ruthie! Du bist hübscher als jede von ihnen«, sagte ein fröhliches, gutmütiges Mädchen, das zu weit von jeglicher Schönheit entfernt war, um aus Rivalität Neid zu empfinden.

»Ja! Ich weiß, dass ich hübsch bin«, sagte Ruth traurig, »aber ich bedaure es, kein besseres Kleid zu haben, denn dies hier ist sehr fadenscheinig. Ich schäme mich selbst dafür, und ich merke, dass sich Mrs. Mason doppelt so sehr schämt. Ich wünschte, ich müsste nicht hingehen. Ich wusste nicht, dass wir uns irgendwelche Gedanken um unsere eigene Kleidung machen müssen, sonst hätte ich nicht hingehen wollen.«

»Lass nur, Ruth«, sagte Jenny, »du bist jetzt betrachtet worden, und Mrs. Mason wird bald zu viel zu tun haben, um über dich und dein Kleid nachzudenken.«

»Hast du gehört, wie Ruth Hilton gesagt hat, sie wisse, dass sie hübsch ist?« flüsterte ein Mädchen einem anderen zu, und zwar so laut, dass Ruth die Worte aufschnappte.

»Ich kann nichts dafür, dass ich es weiß«, entgegnete sie schlicht, »denn es haben mir schon viele gesagt.«

Schließlich waren diese Vorbereitungen vorüber, und sie marschierten zügig durch die frostige Luft; die Bewegung wirkte so belebend, dass Ruth beinahe tanzte und das fadenscheinige Kleid und den murrenden Vormund gänzlich vergaß. Die Stadthalle war noch großartiger, als sie erwartet hatte. Auf beiden Seiten der Treppe waren Gestalten gemalt, die sich geisterhaft in dem dämmrigen Licht abzeichneten, denn nur ihre Gesichter schauten mit einem seltsam starrenden Blick aus der dunklen, düsteren Leinwand heraus.

Die jungen Modistinnen11 mussten ihre Waren auf Tischen im Vorzimmer zurechtlegen und alles bereit machen, ehe sie es wagen konnten, in den Ballsaal hineinzuspähen, wo die Musiker bereits ihre Instrumente stimmten und wo ein oder zwei Aufwartefrauen (die mit ihrer schmutzigen, losen Kleidung und ihrem unaufhörlichen Geplapper einen seltsamen Kontrast zu dem grandiosen Widerhall des Gewölbes bildeten) mit dem Staubtuch letzte Hand an Bänke und Stühle legten.

Sie verließen den Ort, als Ruth und ihre Gefährtinnen eintraten. Sie hatten sich im Vorzimmer leichthin und fröhlich unterhalten, doch nun waren ihre Stimmen gedämpft, da die alte Pracht der ausgedehnten Räumlichkeiten sie überwältigte. Diese waren so groß, dass Gegenstände am anderen Ende trübe erschienen, wie durch einen Nebel hindurch. Überall hingen lebensgroße Darstellungen von Helden der Grafschaft in jeder erdenklichen Aufmachung herum, von den Tagen Holbeins12 bis in die Gegenwart hinein. Die hohe Decke war nicht klar auszumachen, denn die Lampen waren noch nicht vollständig entzündet, während durch das reich bemalte gotische Fenster auf der einen Seite die Strahlen des Mondes in allen Farben auf den Boden fielen und mit ihrer Lebendigkeit das Ringen des künstlichen Lichts um die Erhellung seiner kleinen Sphäre lächerlich wirken ließen.

Hoch oben hörte man die Musiker, die jäh einsetzend eine Passage probten, derer sie sich nicht sicher waren. Dann hörten sie auf zu spielen und redeten, und ihre Stimmen klangen wie die von Kobolden in ihrer dunklen Nische, wo Kerzen in unsteter, schwankender Weise hin und her getragen wurden und Ruth an die flackernde Zickzackbewegung des Irrlichts erinnerten.

Plötzlich erstrahlte der Saal in vollem Lichterglanz, und Ruth war weniger von seinem Aussehen beeindruckt und mehr geneigt, Mrs. Masons scharfer Ermahnung an ihre umherstreifende Herde zu gehorchen, als sie es gewesen war, als er sich dämmrig und geheimnisvoll gezeigt hatte. Sie hatten im Moment genug damit zu tun, den Damen Hilfe zu leisten, die hereinströmten und deren Stimmen ganz den gedämpften Klang der Kapelle übertönten, welcher Ruth so gern hatte zuhören wollen. Doch wenn ein Vergnügen auch geringer ausfiel, war ein anderes größer, als sie vorausgeahnt hatte.

»Unter der Bedingung« einer solchen Anzahl kleiner Anmerkungen, dass Ruth glaubte, Mrs. Mason würde mit deren Aufzählung niemals fertig werden, wurde ihnen erlaubt, während der Tänze an einem Seiteneingang zu stehen und zuzusehen. Und was für ein schöner Anblick das war! Zu jener schwungvollen Musik dahinschwebend – einmal weit weg wie ein Feenreigen, dann wieder nah und als anmutige Frauen mit jeder erdenklichen Zierde eleganter Kleidung zu erkennen – tanzte die Oberschicht der Grafschaft dahin und kümmerte sich nicht darum, wessen Augen sie bestaunten und von ihr geblendet waren. Draußen war alles kalt und farblos und einförmig, von einer einzigen Schneeschicht bedeckt. Doch drinnen war es warm und strahlend und lebendig; Blumen parfümierten die Luft und bekränzten die Häupter und ruhten an der Brust, als wäre es mitten im Sommer. Prächtige Farben blitzten auf und verschwanden und wurden in der raschen Bewegung des Tanzes von anderen, genauso lieblichen Farben abgelöst. Ein Lächeln verlieh jedem Gesicht Grübchen, und ein leises, glückliches Raunen ging während jeder Pause in der Musik durch den Saal.

Ruth verspürte nicht den Wunsch, die Gestalten zu trennen, die ein fröhliches und prächtiges Ganzes bildeten; es genügte ihr, hinzustarren und von der glücklichen Reibungslosigkeit eines Lebens zu träumen, in dem solche Musik und ein solcher Überfluss an Blumen und Schmuck, Eleganz jeglicher Art und Schönheit in allen Farben und Formen alltäglich waren. Sie wollte nicht wissen, wer diese Leute waren, obwohl es den meisten ihrer Gefährtinnen großes Vergnügen zu bereiten schien, eine Namensliste zu hören.

Die Aufzählung störte sie sogar ziemlich; und um dem Schock eines zu schnellen Abstiegs in die gewöhnliche Welt einer Miss Smith oder eines Mr. Thomson zu entgehen, kehrte sie zu ihrem Platz im Vorzimmer zurück. Dort stand sie in Gedanken oder Träume versunken. Eine Stimme in ihrer Nähe schreckte sie wieder ins wahre Leben zurück. Eine der tanzenden jungen Damen hatte ein Missgeschick ereilt. Ihr Kleid aus einem hauchdünnen Stoff war mithilfe von Blumensträußchen in Bögen hochgebunden worden und schleifte nun, nachdem eines davon beim Tanzen abgefallen war, an einer Stelle über den Boden. Um dies reparieren zu lassen, hatte sie ihren Tanzpartner gebeten, sie in das Zimmer zu bringen, in dem sich die Helferinnen befinden sollten. Es war keine dort außer Ruth.

»Soll ich Sie allein lassen?« fragte der Herr. »Ist meine Abwesenheit erforderlich?«

»Oh nein!« erwiderte die Dame. »Mit ein paar Stichen ist alles wieder in Ordnung. Außerdem wage ich es nicht, dieses Zimmer allein zu betreten.« Bis hierhin klang sie süß und reizend. Doch nun wandte sie sich an Ruth: »Beeilen Sie sich. Halten Sie mich nicht stundenlang auf!« Und ihre Stimme wurde kalt und gebieterisch.

Sie war sehr hübsch, hatte lange, dunkle Ringellocken und funkelnde, schwarze Augen. Diese waren Ruth bei dem flüchtigen Blick aufgefallen, den sie erhascht hatte, bevor sie sich hinkniete, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie sah auch, dass der feine Herr jung und elegant war.

»Oh, dieser herrliche Galopp13! Wie gern ich darauf tanzen würde! Dauert das denn ewig? Wie schrecklich lange Sie brauchen! Und ich brenne darauf, diesen Galopp mitzutanzen!«

Um eine reizende, kindliche Ungeduld zu demonstrieren, fing sie an, mit den Füßen den Takt der lebhaften Melodie zu klopfen, welche die Kapelle gerade spielte. Bei dieser ständigen Bewegung konnte Ruth den Riss in ihrem Kleid nicht ausbessern, und sie sah tadelnd hoch. Wie sie ihren Kopf zu diesem Zweck in den Nacken warf, begegneten ihre Augen denen des Gentleman, der danebenstand. Sein Blick drückte eine solche Belustigung über das Gebaren seiner hübschen Tanzpartnerin aus, dass Ruth von diesem Gefühl angesteckt wurde und ihr Gesicht hinabneigen musste, um das Lächeln zu verbergen, das sich darauf ausbreitete. Aber nicht ehe er es gesehen hatte und nicht ehe dadurch seine Aufmerksamkeit darauf gelenkt wurde, der knienden Gestalt Beachtung zu schenken, die – bis zum Hals in Schwarz gekleidet und das edle Haupt über die Arbeit gebeugt, mit der sie beschäftigt war – einen solchen Kontrast zu dem gedankenlosen, hell gekleideten, affektierten Mädchen bildete, das mit dem hochmütigen Ausdruck einer Königin auf dem Thron dasaß, um sich bedienen zu lassen.

»Oh, Mr. Bellingham! Ich schäme mich, Sie so lange aufzuhalten. Ich hatte keine Ahnung, dass irgendjemand so viel Zeit für einen kleinen Riss brauchen könnte. Kein Wunder, dass Mrs. Mason so viel für das Schneidern berechnet, wenn ihre Näherinnen so langsam sind.«

Es sollte witzig klingen, aber Mr. Bellinghams Miene war sehr ernst. Er sah, wie die scharlachrote Farbe der Verärgerung in jene hübsche Wange schoss, die ihm halb zugewandt war. Er nahm eine Kerze vom Tisch und hielt sie so, dass Ruth mehr Licht hatte. Sie sah nicht auf, um ihm zu danken, denn sie hätte sich geschämt, wenn er das Lächeln gesehen hätte, das von ihm auf sie übergegangen war.

»Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, Madam«, sagte sie sanft, als sie ihre Arbeit beendet hatte. »Ich hatte Angst, es hätte nochmals ausreißen können, wenn ich es nicht ordentlich gemacht hätte.« Sie erhob sich.

»Es wäre mir lieber gewesen, es wäre zerrissen, als dass ich diesen reizenden Galopp verpasst hätte«, sagte die junge Dame, während sie ihr Kleid zurechtschüttelte, wie ein Vogel sein Gefieder aufplustert. »Gehen wir, Mr. Bellingham?« Sie sah ihn von unten herauf an.

Er war überrascht, dass sie der Helferin kein Wort oder Zeichen des Danks gab. Er nahm eine Kamelie in die Hand, die jemand auf dem Tisch liegen gelassen hatte.

»Erlauben Sie mir, Miss Duncombe, diese Blüte in Ihrem Namen der jungen Dame zu geben – als Dank für ihre geschickte Hilfe.«

»Oh – natürlich«, sagte sie.

Ruth nahm die Blume stumm entgegen, jedoch mit einer würdevollen, bescheidenen Bewegung ihres Kopfes. Das Paar war gegangen, und sie war wieder allein. Kurz darauf kamen ihre Gefährtinnen zurück.

»Was war denn mit Miss Duncombe los? Ist sie hier hergekommen?« fragten sie.

»Es war nur ein Riss in ihrem Spitzenkleid, und ich habe es ausgebessert«, sagte Ruth ruhig.

»War Mr. Bellingham bei ihr? Man sagt, er wird sie heiraten. War er bei ihr, Ruth?«

»Ja«, sagte Ruth und verfiel wieder in Schweigen.

Mr. Bellingham tanzte weiter fröhlich und unbekümmert durch die Nacht und flirtete mit Miss Duncombe, wie es ihm gut erschien. Doch er sah oft zu dem Seiteneingang hinüber, wo die angehenden Modistinnen standen; und einmal erkannte er die hochgewachsene, schlanke Gestalt und das üppige, kastanienbraune Haar des schwarz gekleideten Mädchens; und dann suchten seine Augen nach der Kamelie. Da war sie, schneeweiß, an ihrer Brust. Und er tanzte noch fröhlicher weiter.

Die kalte, graue Dämmerung erhellte trist die Straßen, als Mrs. Mason und ihre Begleiterinnen heimkamen. Die Lampen waren erloschen, doch die Fensterläden der Geschäfte und Wohnhäuser waren noch nicht offen. Alle Geräusche hatten ein Echo, das bei Tag nicht zu hören war. Der eine oder andere obdachlose Bettler saß auf einer Türstufe und schlief fröstelnd, den Kopf über die Knie gebeugt oder an die kalte, harte Wand gelehnt, die ihm einen Halt gab.

Ruth fühlte sich, als wäre ein Traum dahingeschmolzen und als fände sie sich in der realen Welt wieder. Wie lange würde es – selbst unter den günstigsten Umständen – dauern, bis sie die Stadthalle wieder betreten würde! Oder eine Kapelle spielen hören würde! Oder sogar diese strahlenden, glücklichen Menschen wiedersehen würde – denen die Anzeichen von Kummer und Sorgen so völlig fehlten, dass sie einer anderen Gattung anzugehören schienen. Mussten sie sich jemals einen Wunsch versagen, geschweige denn ein Bedürfnis? Im wörtlichen wie im übertragenen Sinn schien sich ihr Leben auf blumengesäumten Spazierwegen abzuspielen. Hier war die beißende Kälte des tiefen Winters für Ruth und Leute wie sie – für jene armen Bettler fast eine Zeit des Todes; aber für Miss Duncombe und ihre Gefährtinnen war es eine glückliche, fröhliche Zeit, in der die Blumen noch blühten und Feuer knisterten und angenehme, luxuriöse Dinge um sie herum angehäuft wurden wie Feengeschenke. Was wussten sie von der Bedeutung des Wortes, das für die Armen so furchterregend war? Was bedeutete der Winter für sie? Doch Ruth bildete sich ein, Mr. Bellingham sehe so aus, als könnte er die Gefühle jener verstehen, die durch ihre Lebensumstände und ihren sozialen Rang von ihm getrennt waren. Allerdings hatte er die Fenster seiner Kutsche mit einem Schaudern hochgezogen.

Ruth hatte ihn dabei beobachtet.

Jedoch hatte sie keine Ahnung davon, dass irgendeine Verbindung ihre Kamelie kostbar für sie machte. Sie glaubte, dass es ausschließlich deren auserlesene Schönheit war, wegen derer sie diese so sorgsam pflegte. Sie erzählte Jenny in allen Einzelheiten, wie sie ihr überreicht worden war, wobei ihr Blick offen und fest war und ihre Gesichtsfarbe um keine Spur dunkler wurde.

»War das nicht nett von ihm? Du kannst dir nicht vorstellen, wie freundlich seine Geste war – gerade, als mich ihre schroffe Art ein wenig kränkte.«

»Es war wirklich sehr nett«, erwiderte Jenny. »So eine schöne Blüte! Ich wünschte, sie würde duften.«

»Ich wünsche sie mir genauso, wie sie ist; sie ist perfekt. So rein!« sagte Ruth und umklammerte ihren Schatz beinahe, als sie ihn ins Wasser stellte. »Wer ist Mr. Bellingham?«

»Er ist der Sohn jener Mrs. Bellingham von der Priorei14, für die wir den grauen, pelzgefütterten Satinumhang gemacht haben«, antwortete Jenny schläfrig.

»Das war vor meiner Zeit«, sagte Ruth. Aber es kam keine Antwort. Jenny schlief.

Es dauerte lange, bis Ruth ihrem Beispiel folgte. Obgleich an einem Wintertag, war es helles Morgenlicht, das auf ihr Gesicht fiel, während sie in ihrem Schlummer lächelte. Jenny wollte sie nicht wecken, sondern betrachtete ihr Gesicht voller Bewunderung; es war so hübsch in seinem Glück.

»Sie träumt von letzter Nacht«, dachte Jenny.

Es stimmte, dass sie das tat; aber eine Gestalt huschte mehr als alle übrigen durch ihre Traumbilder. Er schenkte ihr eine Blume nach der anderen in jenem unbegründeten Morgentraum, der allzu schnell ein Ende fand. In der vorhergehenden Nacht hatte sie im Schlaf ihre verstorbene Mutter gesehen und war weinend aufgewacht. Und nun träumte sie von Mr. Bellingham und lächelte.

Und doch: war dieser Traum vielleicht böser als der andere?

Die Gegebenheiten des Lebens schienen ihr an diesem Morgen tiefer als gewöhnlich ins Herz zu schneiden. Das lange Aufbleiben in den vorangegangenen Nächten und möglicherweise die Aufregung des Vorabends hatten dazu geführt, dass sie nicht in der Stimmung war, die Beschwerlichkeiten, welche bisweilen alle jungen Damen von Mrs. Mason befielen, geduldig zu ertragen.

Denn obwohl Mrs. Mason die gefragteste Damenschneiderin in der Grafschaft war, so war sie doch auch nur ein Mensch; und litt, wie ihre Lehrlinge, unter denselben Ursachen, die auch jene beeinträchtigten. An diesem Morgen neigte sie dazu, an allem und jedem etwas auszusetzen zu haben. Sie schien mit dem Entschluss aufgestanden zu sein, die Welt und alles, was darin war (ihre Welt zumindest) noch vor dem Abend in Ordnung zu bringen; und Missstände und Nachlässigkeiten, die lange Zeit ohne Tadel oder mit einem Zwinkern übergangen worden waren, sollten heute ans Licht gezerrt und scharf gerügt werden. An solchen Tagen war Mrs. Mason mit nichts weniger als der Perfektion zufrieden.

Auch sie hatte ihre Vorstellung von der Gerechtigkeit; doch war diese keine göttlich schöne und wahre Vorstellung; sie ähnelte mehr der Vorstellung eines Gemüseverkäufers oder eines Teehändlers von gleichen Rechten. Wenn sie am Abend zuvor ein wenig zu nachsichtig war, musste sie das heute mit einem großen Maß an übertriebener Strenge ausgleichen; und diese Methode zur Wiedergutmachung vorher begangener Fehler stellte ihr Gewissen völlig zufrieden.

Ruth war weder gewillt noch dazu in der Lage, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen; und es hätte alle ihre Kräfte in Anspruch genommen, ihrer Vorgesetzten zu Gefallen zu sein. Das Arbeitszimmer schien von scharfen Rufen erfüllt zu sein. »Miss Hilton! Wo haben Sie das Blaue aus persischer Seide hingetan? Wann immer etwas verlegt wird, weiß ich, dass Miss Hilton abends mit dem Wegräumen betraut war!«

»Miss Hilton ist gestern Abend ausgegangen, deshalb habe ich ihr angeboten, das Arbeitszimmer für sie aufzuräumen. Ich suche es sofort, Madam«, antwortete eines der Mädchen.

»Oh, ich weiß sehr wohl, dass Miss Hilton die Angewohnheit hat, ihre Pflichten auf jeden abzuwälzen, der dazu gebracht werden kann, sie zu entlasten«, entgegnete Mrs. Mason.

Ruth errötete und sogleich stiegen ihr Tränen in die Augen; doch sie war sich der Falschheit der Anschuldigung derart bewusst, dass sie sich dafür schalt, von ihr betroffen zu sein, und mit erhobenem Kopf stolz in die Runde blickte, wie um an ihre Gefährtinnen zu appellieren.

»Wo ist der Rock von Lady Farnhams Kleid? Die Rüschen noch nicht angenäht! Darf ich fragen, wem diese Arbeit gestern aufgetragen wurde?« forschte Mrs. Mason und heftete ihren Blick auf Ruth.

»Ich hätte es tun sollen, aber ich habe einen Fehler gemacht und musste es wieder auftrennen. Es tut mir sehr leid.«

»Ich hätte es mir eigentlich denken können. Es ist ganz gewiss nicht schwer, herauszufinden, in wessen Hände eine Arbeit gefallen ist, wenn sie vernachlässigt oder verpfuscht wurde.«

Das waren die Worte, die sich Ruth ausgerechnet an diesem Tag anhören musste, an dem sie am allerwenigsten dazu in der Verfassung war, sie mit Gleichmut zu ertragen.

Am Nachmittag musste Mrs. Mason ein paar Meilen aufs Land hinaus gehen. Sie erteilte endlose Verbote und Befehle und Anweisungen und Untersagungen; doch schließlich war sie fort, und Ruth legte, erleichtert über ihre Abwesenheit, ihre Arme auf den Tisch, vergrub ihren Kopf und fing an, laut zu weinen, wobei sie dem kraftlosen Schluchzen keinen Einhalt gebot.

»Weinen Sie nicht, Miss Hilton!« – »Ruthie, lass den alten Drachen doch reden!« – »Wie willst du das noch fünf Jahre aushalten, wenn du dich nicht dazu ermunterst, dir ihre Worte einerlei sein zu lassen?« – waren einige der Redeweisen, die die jungen Arbeiterinnen anwandten, um Trost und Mitgefühl zu spenden.

Jenny, die den Kummer und die Abhilfe dafür auf eine weisere Art erkannte, sagte: »Wie wäre es, Fanny Barton, wenn Ruth an deiner Stelle aus dem Haus ginge, um die Besorgungen zu erledigen? Die frische Luft wird ihr guttun; und du magst die kalten Ostwinde ja nicht, während Ruth sagt, dass sie Frost und Schnee und jede Art von Wetter mag, das einen frieren lässt.«

Fanny Barton war ein großes, verschlafen aussehendes Mädchen, das sich vor dem Kaminfeuer zusammenkauerte. Keine andere hätte so bereitwillig wie sie den Botengang an diesem trüben Nachmittag abgetreten, an dem der Ostwind schneidend die Straße entlangwehte und selbst den Schnee trocknen ließ. Für jene, die nicht absolut gezwungen waren, ihre warmen Zimmer zu verlassen, gab es keine Verlockung, nach draußen zu gehen; in der Tat zeigte die Dämmerstunde an, dass es für die bescheidenen Bewohner jenes Stadtteils, den Ruth für ihre Einkäufe durchqueren musste, an der Zeit war, ihren Tee einzunehmen. Als sie zu der Anhöhe direkt oberhalb des Flusses kam, wo die Straße rasch zur Brücke hinunter abfiel, sah sie, dass das Flachland auf der anderen Seite ganz mit Schnee bedeckt war und die schwarze Kuppel des wolkenverhangenen Himmels noch schwärzer erscheinen ließ, so als ob die Winternacht nie wirklich weggegangen wäre, sondern den kurzen, tristen Tag hindurch am Rande der Welt geschwebt hätte. Drunten bei der Brücke (wo das Ufer an einem Punkt sanft abfiel und als Anlegestelle für jene Ausflugsboote verwendet wurde, die auf diesem flachen Strom fahren konnten) spielten der Kälte zum Trotz ein paar Kinder. Eines von ihnen hatte einen großen Waschbottich und lenkte und schob sich mithilfe eines abgebrochenen Ruders hierhin und dorthin in der kleinen Bucht – sehr zur Bewunderung seiner Gefährten, die mit ernster Miene zuschauten und während ihrer aufmerksamen Beobachtung des Helden unbeweglich dastanden, obwohl ihre Gesichter blau vor Kälte waren und ihre Hände tief in ihren Taschen steckten, in der schwachen Hoffnung, dort Wärme zu finden. Vielleicht fürchteten sie, dass der erbarmungslose Wind seinen Weg in jede Falte ihrer zerlumpten Kleidung gefunden hätte, wenn sie sich aus ihrer steinernen Haltung befreit und begonnen hätten, herumzulaufen. Sie standen zusammengekauert und regungslos da, den Blick gebannt auf den werdenden Seemann gerichtet. Schließlich schrie einer der kleinen Männer, voll Neid auf den Ruf, den sich sein Spielkamerad durch seinen Wagemut erwarb: »Ich stell dich auf die Probe, Tom! Du traust dich nich' über die schwarze Linie da raus in den richtigen Fluss.«

Natürlich musste sich Tom der Herausforderung stellen, und er paddelte davon, auf die schwarze Linie zu, jenseits derer der Fluss mit geschmeidiger, gleichförmiger Strömung dahinrauschte. Ruth (selbst ein Kind an Jahren) stand oben am Hang und beobachtete den Abenteurer, war sich aber genauso wenig einer Gefahr bewusst wie die Gruppe der Kinder drunten. Als ihr Spielkamerad erfolgreich war, brachen sie aus dem ruhigen Ernst der Beobachtung in ungestüme Beifallsbezeigungen aus, klatschten in die Hände und stampften mit ihren ungeduldigen, kleinen Füßen, während sie riefen: »Gut gemacht, Tom! Das hast du toll gemacht!«

Tom stand einen Moment lang mit kindlicher Würde da und sah seine Bewunderer an; im nächsten Augenblick wurde sein Waschbottichboot jedoch herumgewirbelt, und er verlor das Gleichgewicht und fiel heraus; und sowohl er als auch sein Boot wurden langsam aber sicher von dem starken, hohen Fluss davongetragen, der sich unablässig auf das Meer zubewegte.

Die Kinder schrien vor Schreck auf; und Ruth rannte in Windeseile zu der kleinen Bucht hinunter und weit in das flache Wasser hinein, ehe sie merkte, wie sinnlos ein solches Vorgehen war und dass der vernünftige Plan darin bestanden hätte, nach wirksamer Hilfe zu suchen. Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, da hörte sie – lauter und schneidender als das träge Tosen des Stroms, der unaufhörlich und unerbittlich dahinfloss – wie die Hufe eines galoppierenden Pferdes das Wasser, in dem sie stand, aufspritzen ließen. Es fegte wie der Blitz an ihr vorbei – in den Fluss hinein, schwamm mit der Strömung – ein Reiter beugte sich hinunter – ein ausgestreckter Arm griff zu – ein kleines Leben war gerettet und ein Kind für jene, die es liebten, vor dem Tode bewahrt! Ruth stand benommen und von ihren Gefühlen überwältigt da, während all das geschah; und als der Reiter sein schwimmendes Pferd wendete und sich langsam stromaufwärts zur Anlegestelle hinaufkämpfte, erkannte sie ihn als den Mr. Bellingham vom Vorabend. Er trug das bewusstlose Kind vor sich auf dem Pferd; der Körper hing so leblos da, dass Ruth glaubte, der Junge sei tot, und ihre Augen im Nu tränenblind waren. Sie watete zum Ufer zurück, zu der Stelle, auf die Mr. Bellingham sein Pferd zulenkte.

»Ist er tot?« fragte sie und streckte ihre Arme aus, um den kleinen Kerl entgegenzunehmen; denn sie hatte instinktiv das Gefühl, dass die Position, in der er dahing, nicht dazu beitrug, ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen – falls er das Bewusstsein je wieder erlangen würde.

»Ich glaube nicht«, antwortete Mr. Bellingham, als er ihr das Kind gab, ehe er von seinem Pferd sprang. »Ist er Ihr Bruder? Wissen Sie, wer er ist?«

»Sehen Sie!« sagte Ruth, die sich auf den Boden gesetzt hatte, um den armen Burschen besser stützen zu können. »Seine Hand zuckt! Er lebt! Oh, Sir, er lebt! Zu wem gehört der Junge?« fragte sie, an die Leute gewandt, die zu der Stelle eilten und sich dort versammelten, weil sie ein Gerücht von einem Unfall gehört hatten.

»Er gehört zur alten Nelly Brownson«, sagten sie. »Er ist ihr Enkel.«

»Wir müssen ihn sofort nach drinnen bringen«, sagte sie. »Wohnt er weit weg?«

»Nein, nein, es ist ganz in der Nähe.«

»Einer von Ihnen muss sofort einen Arzt holen«, sagte Mr. Bellingham bestimmt. »Und bringen Sie ihn unverzüglich zu der alten Frau. Sie dürfen ihn nicht länger halten«, fuhr er, an Ruth gewandt, fort, wobei er sich zum ersten Mal an ihr Gesicht erinnerte. »Ihr Kleid ist bereits tropfnass. Hier, Bursche! Nimm du ihn – hörst du!«

Aber das Kind klammerte sich mit einer Hand ängstlich an Ruths Kleid fest, und sie wollte nicht, dass jemand es störte. Sie trug ihre schwere Last sehr liebevoll zu einem ärmlichen, kleinen Häuschen, das ihr die Nachbarn gewiesen hatten; eine alte verkrüppelte Frau kam zur Tür heraus und bebte am ganzen Leib vor Aufregung.

»Mein Herzchen!« sagte sie. »Er is' der Letzte von uns, und er is' vor mir gegangen.«

»Unsinn«, sagte Mr. Bellingham, »der Junge ist am Leben und wird wahrscheinlich überleben.«

Aber die alte Frau war hilflos und ohne Hoffnung und hielt an dem Glauben fest, dass ihr Enkel tot sei; und er wäre auch gestorben, wären da nicht Ruth und ein oder zwei vernünftigere Nachbarn gewesen, die Mr. Bellinghams Anweisungen befolgend emsig hin und her liefen und alles Nötige taten, bis der Junge wiederbelebt war.

»Wie verflixt lange diese Leute brauchen, um den Arzt zu holen«, sagte Mr. Bellingham zu Ruth. Aufgrund des Umstandes, dass sie (abgesehen von ein paar Kindern) die beiden Einzigen gewesen waren, die den Unfall mit angesehen hatten, und ebenfalls die beiden Einzigen, die ein gewisser Grad an Kultiviertheit dazu befähigte, die Gedanken oder auch nur die Worte des jeweils anderen zu verstehen, hatte sich zwischen ihnen eine Art stillschweigendes Einvernehmen entsponnen.

»Es braucht so viel, um solch dummen Leuten einen Gedanken einzuhämmern. Sie standen da und gafften und fragten, welchen Arzt sie holen sollten, als ob es von Bedeutung gewesen wäre, ob er Brown oder Smith geheißen hätte, solange er seine fünf Sinne beisammen gehabt hätte. Ich kann hier auch nicht länger meine Zeit verschwenden; ich war gerade in vollem Galopp, als ich den Jungen sah; und nun, da er sich ausgeweint und seine Augen geöffnet hat, sehe ich keinen Sinn darin, länger in dieser stickigen Atmosphäre zu bleiben. Darf ich Sie um eines bitten? Wären Sie so gut, dafür zu sorgen, dass der kleine Kerl alles hat, was er braucht? Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen meinen Geldbeutel dalassen«, fuhr er fort, während er ihn Ruth gab, die mehr als froh war, dass ihr diese Macht anvertraut wurde, ein oder zwei nötige Dinge zu beschaffen, von denen sie bemerkt hatte, dass sie gebraucht wurden. Doch sie sah etwas Gold durch das Geflecht hindurchschimmern; sie wollte keinen solchen Reichtum in ihre Obhut nehmen.

»So viel werde ich nicht brauchen, wirklich, Sir. Ein Sovereign15 wird reichlich, wird mehr als genug sein. Darf ich den herausnehmen und Ihnen das, was davon übrig ist, zurückgeben, wenn ich Sie wiedersehe? Oder vielleicht sollte ich es Ihnen besser schicken, Sir?«

»Ich denke, Sie sollten vorerst alles behalten. Oh, was für ein schrecklicher, schmutziger Ort das ist! Keine zwei Minuten länger würde ich es hier aushalten. Sie dürfen nicht hierbleiben; diese entsetzliche Luft wird Sie vergiften. Kommen Sie zur Tür, ich bitte Sie. Gut, wenn Sie glauben, dass ein Sovereign ausreicht, nehme ich meinen Geldbeutel mit; aber wenden Sie sich bitte an mich, wenn Sie der Meinung sind, dass diese Leute mehr benötigen.«

Sie standen an der Tür, wo jemand Mr. Bellinghams Pferd hielt. Ruth sah ihn mit ihren ernsten Augen an (Mrs. Mason und ihre Besorgungen hatte sie über ihrer Anteilnahme an dem Ereignis des Nachmittags völlig vergessen), wobei alle ihre Gedanken darauf gerichtet waren, ihn richtig zu verstehen und seine Wünsche für das Wohlergehen des kleinen Jungen zu befolgen; und bis jetzt war dies auch für ihn die wichtigste Angelegenheit gewesen. Doch in diesem Moment nahm er wieder überdeutlich Ruths außergewöhnliche Schönheit wahr. Er wusste fast nicht mehr, was er gerade sagte, so sehr war er überwältigt und in Bewunderung erstarrt. Am Vorabend hatte er ihre Augen nicht gesehen, und nun sahen sie ihn direkt und unschuldig an, ernst, feierlich und tiefsinnig. Doch als sie die Veränderung instinktiv an seinem Gesichtsausdruck ablas, senkte sie die großen weißen Lider, um ihre Augen zu verbergen; und ihm schien ihr Gesicht dadurch noch hübscher.

Er wurde von dem unwiderstehlichen Impuls ergriffen, die Dinge so zu arrangieren, dass er sie bald wiedersehen würde.

»Nein!« sagte er. »Ich sehe, dass es besser wäre, wenn Sie den Geldbeutel behielten. Es könnten viele Dinge für den Jungen benötigt werden, die wir jetzt nicht vorhersehen können. Wenn ich mich recht entsinne, sind drei Sovereigns und etwas Kleingeld darin; ich sollte Sie vielleicht in ein paar Tagen wiedersehen, und dann können Sie mir den Geldbeutel – falls etwas von dem Geld übrig ist – zurückgeben.«

»Oh ja, Sir«, sagte Ruth, die sich des Umfangs der Bedürfnisse, denen sie würde abhelfen müssen, bewusst war und die doch ziemliche Angst vor der Verantwortung hatte, die der Besitz einer so großen Summe mit sich brachte.

»Besteht die Möglichkeit, dass ich Sie in diesem Haus wiedersehe?« fragte er.

»Ich hoffe, herzukommen, wann immer ich kann, Sir; aber es geht nur rasch zu den Einkaufszeiten, und ich weiß nicht, wann ich wieder an der Reihe bin.«

»Oh« – er verstand diese Antwort nicht ganz – »ich würde gern erfahren, wie sich die Gesundheit des Jungen Ihrer Meinung nach entwickelt, wenn es Ihnen keine allzu großen Umstände bereitet; gehen Sie manchmal nach draußen?«

»Nicht, um spazieren zu gehen, Sir.«

»Nun denn!« sagte er. »Aber in die Kirche werden Sie doch gehen? Mrs. Mason wird Sie sonntags nicht arbeiten lassen, will ich hoffen?«

»Oh nein, Sir. Ich gehe regelmäßig in die Kirche.«

»Dann werden Sie vielleicht so freundlich sein, mir zu sagen, in welche Kirche Sie gehen, damit ich Sie am kommenden Sonntagnachmittag dort treffen kann?«

»Meine Kirche ist Saint Nicholas, Sir. Ich werde achtgeben und Ihnen berichten, wie es dem Jungen geht und was für einen Arzt sie geholt haben; und ich werde über das Geld, das ich ausgebe, Buch führen.«

»Sehr gut. Danke! Denken Sie daran: ich verlasse mich auf Sie.«

Er meinte damit, dass er sich auf ihr Versprechen, ihn zu treffen, verließ; aber Ruth dachte, dass er sich auf ihre Verantwortung bezöge, das Beste, was in ihrer Macht stand, für das Kind zu tun. Er war schon dabei zu gehen, als ihm ein neuer Gedanke kam und er noch einmal in das Häuschen zurückkehrte und sich mit einem angedeuteten Lächeln an Ruth wandte: »Es scheint recht seltsam zu sein, aber wir haben niemanden, der uns einander vorstellen könnte; mein Name ist Bellingham – und Sie heißen –?«

»Ruth Hilton, Sir«, antwortete sie mit leiser Stimme, denn nun, da das Gespräch nicht mehr den Jungen betraf, wurde sie schüchtern und zurückhaltend.

Er streckte die Hand aus, um ihre zu schütteln, und gerade, als sie sie ihm gab, kam die alte Großmutter auf die beiden zugewankt, um eine Frage zu stellen. Die Unterbrechung irritierte ihn und zog seine Aufmerksamkeit erneut auf die schwüle Luft und die elende und schmutzige Umgebung, in der er sich befand.

»Gute Frau«, sagte er zu Nelly Brownson, »könnten Sie Ihr Heim nicht ein wenig ordentlicher und sauberer halten? Es taugt eher für Schweine als für Menschen. Die Luft in diesem Zimmer ist wirklich widerlich, und der Schmutz und der Unrat sind eine Schande.«

Bis er das gesagt hatte, war er aufgesessen, und mit einer Verbeugung vor Ruth ritt er davon. Dann brach sich der Zorn der alten Frau Bahn: »Wer mögen Sie schon sein, dass Ihnen nichts Besseres einfällt, als in das Haus einer armen Frau zu kommen, um darüber zu schimpfen? – Taugt für Schweine – wahrhaftig! Wie heißt dieser Kerl?«

»Das ist Mr. Bellingham«, sagte Ruth, schockiert über die offenkundige Undankbarkeit der alten Frau. »Er war es, der in das Wasser geritten ist, um Ihren Enkel zu retten. Er wäre ertrunken, wenn Mr. Bellingham nicht gewesen wäre. Einmal dachte ich, die Strömung würde sie beide fortreißen, so stark war sie.«

»Der Fluss ist gar nicht so tief«, sagte die alte Frau, darauf bedacht, die Dankesschuld, die sie an jemanden band, der sie beleidigt hatte, so weit wie möglich herunterzuspielen. »Jemand andres hätte ihn gerettet, wenn dieser herausgeputzte Jüngling nicht in der Nähe gewesen wäre. Er ist ein Waisenjunge, und man sagt, Gott beschützt die Waisen. Es wär' mir lieber, irgendjemand andres hätte ihn herausgefischt als einer, der in das Haus armer Leute kommt, nur um drüber zu schimpfen.«

»Er kam nicht nur herein, um darüber zu schimpfen«, sagte Ruth sanft. »Er kam mit dem kleinen Tom; er sagte nur, dass es nicht so sauber ist, wie es sein könnte.«

»Was! Du stößt wohl ins gleiche Horn? Warte, bis du eine alte Frau bist wie ich, vom Rheuma verkrüppelt, mit einem Jungen, um den sie sich kümmern muss, wie Tom, der im Matsch spielt, wenn er gerade nicht im Wasser ist, und das Geld für sein und mein Essen zusammenkratzen muss (Gott weiß, dass wir oft knapp dran sind, auch wenn ich mein Bestes tu), und Wasser über diese steile Kuppe hochholen muss.«

Sie hielt inne, um zu husten; und Ruth war so umsichtig, das Thema zu wechseln, und fing an, die alte Frau danach zu fragen, was ihr Enkel brauchen würde, wobei die beiden bald vom Arzt unterstützt wurden.

Nachdem Ruth ein paar Abmachungen mit einer Nachbarin getroffen hatte, die sie darum bat, die nötigsten Dinge zu besorgen, und nachdem sie vom Arzt erfahren hatte, dass in ein oder zwei Tagen alles in Ordnung sein würde, fing sie an zu zittern, als sie sich darauf besann, wie viel Zeit sie bei Nelly Brownson verbracht hatte, und sich mit Schrecken daran zu erinnern, wie streng Mrs. Mason darüber wachte, wann ihre Lehrlinge an Arbeitstagen das Haus verließen und wieder zurückkamen. Sie eilte zu den Geschäften und versuchte, ihre abschweifenden Gedanken auf die jeweiligen Vorzüge von Rosa und Blau als Ergänzung zu Flieder zu konzentrieren, bemerkte, dass sie ihre Stoffmuster verloren hatte, und ging mit schlecht ausgesuchten Einkäufen und in einem Anfall von Verzweiflung über ihre eigene Dummheit heim.

In Wahrheit wurden ihre Gedanken ganz von dem Abenteuer des Nachmittags in Anspruch genommen; nur dass die Gestalt von Tom (der nun in Sicherheit war und dem es wahrscheinlich gut gehen würde) in den Hintergrund rückte und dass sich jene von Mr. Bellingham stärker abzeichnete als zuvor. Seine beherzte und unbefangene Handlung, die darin bestand, in das Wasser zu galoppieren, um das Kind zu retten, wurde von Ruth zur kühnsten Heldentat verherrlicht; seine Anteilnahme am Los des Jungen war in ihren Augen zartfühlende, gedankenvolle Nächstenliebe, und sein sorgloser, freigebiger Umgang mit Geld war edle Großzügigkeit; denn sie vergaß, dass Großzügigkeit ein gewisses Maß an Verzicht beinhaltet. Auch die Macht, ihren Mitmenschen Annehmlichkeiten zu verschaffen, mit der er sie betraut hatte, stimmte sie zufrieden, und sie war wie Alnaschar16 damit beschäftigt, sich weise Verwendungsmöglichkeiten für das Geld auszumalen, als die Notwendigkeit, Mrs. Masons Haustür zu öffnen, sie ins gegenwärtige, wirkliche Leben und in die Furcht vor einer augenblicklichen Schelte zurückrief.

Dieses eine Mal blieb sie jedoch verschont; allerdings aus solch einem Grund, dass sie dankbar für ein paar Vorwürfe gewesen wäre, anstatt straffrei auszugehen. Während ihrer Abwesenheit waren Jennys Atembeschwerden plötzlich schlimmer geworden, und die Mädchen hatten sie auf eigene Verantwortung zu Bett gebracht und standen bestürzt um sie herum, als Mrs. Masons Heimkehr (nur wenige Minuten, bevor Ruth ankam) sie ins Arbeitszimmer zurückstieben ließ.