Sackkreisel auf Autopilot - GAX Axel Gundlach - E-Book

Sackkreisel auf Autopilot E-Book

GAX Axel Gundlach

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Beschreibung

"Sackkreisel auf Autopilot" ist eine Sammlung von Bühnentexten, die zwischen Januar 2014 und Sommer 2015 entstanden sind. Texte, die auf satirischen Lesungen, Lesebühnen, bei Poetry Slams und natürlich im gleichnamigen Kabarettprogramm zum Einsatz kommen. Die Themen sind so vielfältig, wie die Sprachstile, die dramaturgischen Muster und das Publikum dieser verschiedenen Kulturszenen, die sich allmählich zu durchdringen zu beginnen. Allen gemeinsam ist ein typischer, oft grenzgängerischer, meist schwarzer Humor, der nicht nur mit Wortspiel und Wortwitz reizt, sondern auch mit der seltenen Fähigkeit, auch an sich sehr ernste Themen auf unterhaltsame Weise zu vermitteln. Was auch den kabarettistischen Charakter der meist poetischen Texte ausmacht. Sicher ist, dass – wenn auch nicht für jeden alle – so aber doch der eine oder andere Text Nerv, Seele oder Geschmack des Publikums trifft. Und wenn es zu all dem nicht taugt, dann doch wenigstens zur Kurzweil, zum schnellen Amusement, für ein paar billige Lacher über den einen oder anderen eingestreuten Kafkalauer. Oder, um mal den besten Zeitungsartikel über GAX zu zitieren, den es sich wirklich lohnt zu zitieren, und zwar aus dem Darmstädter Echo nach den Hessischen Poetry Slam Meisterschaften von 2014: „Am Ende wurde es noch einmal richtig spannend. GAX hatte als zweiter Starter der letzten Runde mächtig vorgelegt. „Sechs Minuten Ewigkeit“ hieß sein Sprach-Furioso, im Textwitz noch stärker, als in der Raffinesse des gehetzten Vortrags, aber mit so vielen Pointen und überraschenden Bildern gespickt, dass ein Spaßmacher aus dem großen Heer der Comedians daraus einen ganzen Abend bestreiten könnte. Dafür vergab die Jury 48,5 von 50 möglichen Punkten.“ Und das ist nur ein Text von 32 im Buch. Und die anderen, ebenfalls alle schon bühnenerprobt und mit vielen kleinen Meistertiteln geehrt, halten das Niveau. Also: Viel Vergnügen beim Lesen!

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Für Waltraut, die uns alle viel zu früh hier zurückgelassen hat.

Dein Lachen wird immer bei mir sein!

Für Sabina, meine persönliche Sprechpolizei,

dank der mich jetzt auch andere schon besser verstehen

Für meine Eltern Eva und Werner

Für Onkel Günter

Für Günter, Ronni, Jul und Alvaro

Für alle meine Freunde vom KaHouse für KunstKulturKommunikation

Für Alf, Axxl, Flo, Frank, Frankie, Jan, Yonas

Für die Slamily

INHALTSVERZEICHNIS

EDITORIAL

OPFERLAMM

Die Poesie

HELDENFLUCHTEN

Augmented Irreality

Superfly

Na gut, Quixote

Tod durch Zukunft

GELEGENHEITEN

Abschied am Morgen

Das Ballkleid

Abschied, ein gründlicher

Unsterblich verliebt

Ein Tag wie gemalt

GEDANKENSPIELWIESE

Gedankenbrei

Das SES-Treffen

Jedermann

Panta Rhei

SACKKREISEL AUF AUTOPILOT

Brügge für Esel

Erich

Fünfhunderttausend Ich

Sprichwörtlich: Endkampf

Der lange Weg

DER RING

Ringparabel

Kreuzritter Sport

Meine Fatwa

Jesses, der Jesus

Idiotendämmerung

IRGENDWAS MIT MEDIEN

Lange Krimi-Nacht

Sturm im Wasserkopf

Schicksal ohne Ende

SECHS MINUTEN

Tempus Fugit

Form Fucks Function

Kill the Poet

Stillleben mit Titeln

ZUGABEN

Stadtnamenpoesie

Psychedelisches Tagebuch

AUTOR, WERBUNG, NACHWORT

Das Universum liebt Dich

VORWORT

Von der lauten Bühne ins ruhige Buch! Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein Sprung ins Ungewisse für jeden einzelnen kleinen Text.

Was sonst wie im Rausch über die Bühne hastet, poltert und mit Stimme und Spiel Augen und Ohren des Publikums umgarnt, ruht nun hier auf geduldigem Papier, harrt dem jetzt auch auf sich allein gestellten Leser. Hier müssen die Texte eine andere Qualität beweisen. Einzelne Zeilen, ja ganze Absätze dieser Bühnentexte können doppelt gelesen und so einer viel genaueren Prüfung unterzogen werden. Und vor allem der Humor, auf der Bühne ja gerne mal durch gut gesetzte Betonungen und schelmische Gesichtsgymnastik auffordernd hervorgehoben oder wahlweise besänftigend entschärft, muss sich nun auf sich selbst gestellt durchsetzen. Kann schwierig sein. Da wird’s Härtefälle geben.

Auf der anderen Seite: In der Ruhe liegt die Kraft der Worte. Die dramaturgischen Aspekte, die hintergründigen Wendungen und Wandlungen, die versteckten Feinheiten haben als Lesestoff vielleicht sogar eine größere Chance sich zu entfalten als im Lärm der Bühne. Sofern es sie gibt. Also, geplant waren ja ein paar. Aber ich will mich mal nicht zu früh verraten.

Ansonsten gilt mit Knecht Ruprecht: In der Rute liegt die Kraft! Kabarett und satirische Poetry Slam Texte dürfen auch mal nerven, einem heimlich in der Seele weh tun und den guten Geschmack verletzen – vor allem damit einem klar wird, dass man noch eine leicht genervte Seele und sowas wie guten Geschmack besitzt. Denn auch das leistet der Autopilot im Sackkreisel: Zuhörer, Leser und Autor müssen nicht immer derselben Meinung sein, die hier versammelten Texte dienen auch zur Abgrenzung, zur Bestimmung der eigenen Position, frei mach dem Motto: Bild dir meine Meinung.

Es erwartet Sie im Buch also genau das, was Sie auch erwartet, wenn Sie eines Tages mal in Ihr Lieblingskabaretttheater gehen und sich einen ganzen Abend den Herrn GAX mit seinem „Sackkreisel auf Autopilot“ anschauen: Ausflüge in Lebensgeschichten mit Umwegen, aber ohne Ausweg, mit äußeren und inneren Sperren, mit vielen gescheiterten Fluchtversuchen und auch so mancher Wendung, die man leichtsinnigerweise als gelungenen Fluchtversuch werten möchte.

Dabei haben die Texte eine gewisse Spannbreite zwischen dem satirischen Kabarett – oder Literarièté, wie man manche der Texte vielleicht früher gattungsbezeichnet hätte – und den teils auf die Sekunde ausgezeiteten Texten, mit denen man sich beim Poetry Slam als siegeslustiger spoken word artist dem direkten Urteil der Publikumsjury stellt.

Ich hoffe natürlich, dass – wenn auch nicht alle – so aber doch der eine oder andere Text Nerv, Seele oder Geschmack trifft. Und wenn es zu all dem nicht taugt, dann doch wenigstens zur Kurzweil, zum schnellen Amusement, für ein paar billige Lacher über den einen oder anderen eingestreuten Kafkalauer. Oder, um mal den einzigen Zeitungsartikel zu zitieren, den es sich wirklich lohnt zu zitieren, und zwar aus dem Darmstädter Echo nach den Hessischen Poetry Slam Meisterschaften von 2014:

„Am Ende wurde es noch einmal richtig spannend. GAX hatte als zweiter Starter der letzten Runde mächtig vorgelegt. „Sechs Minuten Ewigkeit“ hieß sein Sprach-Furioso, im Textwitz noch stärker als in der Raffinesse des gehetzten Vortrags, aber mit so vielen Pointen und überraschenden Bildern gespickt, dass ein Spaßmacher aus dem großen Heer der Comedians daraus einen ganzen Abend bestreiten könnte. Dafür vergab die Jury 48,5 von 50 möglichen Punkten.“

Und nun: viel Vergnügen beim Lesen!

Der Satyr

OPFERLAMM

Beim Poetry Slam wird das kleine Opferlamm nicht nur nicht zur Schlachtbank geführt, sondern vorher noch mit warmen Worten begrüßt und mit freundlichem Applaus empfangen. Er ist der dankbare Erste auf der Bühne, aber nicht der Erste im Wettbewerb, denn für den ist es oft undankbar der Erste zu sein. Diese Last lädt das Opferlamm auf sich und stimmt mit seinem Vorspiel Publikum und Jury auf die Teilnehmer eines Poetry Slams ein.

Es ist schon eine besondere Situation, den Wettbewerb der Bühnendichter auf diese Art als Warm-Upper (vulgo: Einheizer) einzuläuten. Man soll gut sein, um das Publikum in Anspannung zu versetzen, damit die Aufmerksamkeit steigt; aber nicht so gut, dass sich der nachfolgende erste Slammer denkt: „Na, danke, jetzt ist es noch schwerer, als wenn ich nur einfach so als Erster auf die Bühne gegangen wäre.“

Damit es nicht soweit kommt, habe ich einen Opferlammtext geschrieben, der deutlich außerhalb der Konkurrenz steht, weil er erkennbar vom Inhalt und vom Pathos her den Abend ankündigt und die Bühne für meine lieben Slam-Kollegen bereitet.

Und das ist ja auch ein idealer Einstieg in dieses Buch. Aber letztlich auch ein guter Einstieg in ein Soloprogramm!

Vorhang auf!

DIE POESIE

Poesie kann diese Welt nicht retten

Ein einzelnes Gedicht vielleicht

kann eine Seele in Staunen wohl versetzen

Sie so sehr verblüffen, dass sie sich hinterfragt

Doch das ist leicht dahingesagt

Wenn man, wie hier, in einer Höhle steht

Und mit rotem Beerensaft

Ein Bild auf Euren Felsen malt

Wie Rauchzeichen, wie Dunst so zart

In einen Hauch von Gegenwart gesprochen

Voll Inbrunst, voller Hoffnung gar:

Dies eine Zeichen eines Orpheus mag

Jene eine, halb verlor’ne Seele retten

Schnitt!

Der Welttraum – unendliche Weiten!

Inmitten eines Wertstoffhofs von Satelliten

Odysseus, schwerelos in seinem Titansarg

Blickt auf diese blaue Welt hinab

Ein Flaum von kaum einer Meile Leben

Mehr Menschen als es jemals Gräber gab

Ein babylonisches Geflecht

Von Unverstand und Unverständnis

Ein ewig plapperndes Gefängnis

Billiarden Bilder jagen durch den Äther

- Und jedes Bild macht tausend Worte -

In diesem Treibsand schwindet mein Gedicht

Zu wenig Auftrieb, und doch kein Gewicht

Schnitt – etwas später ...

Nachher um halb drei in einem Loch von Kneipe

Hier irgendwo nah bei

Wir Dichter schulden uns harte Kritik – Wein hilft dabei!

Gekonnt: Wir verteilen schlecht getarntes Eigenlob

als Ratschlag an die Andren

Am Nebentisch: ein genervter Informatiker:

Hier, halt’ doch endlich mal das Maul!

Euer ganzer Lyrik-Scheiß ist doch nur Hirngewix!

Ihr verändert nix!

Die ganze Welt - nichts als Physik

Nur Null und Eins. Begreift Ihr’s nicht?

Und wir? Betret’nes Schweigen ...

Ich kann den Kerl nicht leiden

Nicht dass es in der Mathe keine Schönheit gäbe

Keine Lyrik, in der sich Form um Formel fügt

Keine beerenrote Prosa, die von Ewigkeit erzählte

Doch was nützt denn diese fremde Poesie?

Die Technokraten sprechen grad mal ihren Grundwortschatz

Es langt zum Zählen; also beziffern sie:

– Wie viel Mensch passt wohl in einen Viehwagon?

– Wie viele Nichtschwimmer in ein morsches Fischerboot?

– Wie viel Geld passt noch in meine Taschen?

Und wie viel lass ich Euch für Euer letztes Hemd?

Ein harter Schnitt

Kurze Rückblende aus der Unschärfe,

Wir wissen nicht, wer sich erinnert:

Gedichte können diese Welt nicht retten

Sie sind in ihrem Innersten das Gegenteil der Politik;

Vom Ideal geprägt, und nicht vom faulen Kompromiss

Umso größer, umso mutiger die Tschechen

Die ihren Dichter Havel zum Präsidenten kürten

Welch wildes Herz, welch stolze Würde

Und wen haben wir?

Das Land der Dichter und Denker?

Rau, Köhler, Wulff, Gauck

Weniger Poesie ist kaum ...!

Die Stimme bricht

Das Bild verschwimmt, Schwarzblende

Gedichte können diese Welt nicht retten

Was macht dann eine Lesebühne? Ein Poetry Slam?

Eine Operation am offenen Wort

Wie eine Demonstration in der Pathologie

Nur dass die Dichterleiche selbst mit dem Skalpell sich öffnet

– CSI Poetry – und Einblicke gewährt, die manchmal auch zum

Besseren erschrecken

So hoffnungslos hoffnungsfroh, wie die Dichter sind

Sieh da, ein Individuum

Hoffnung keimt!

Das hat der Warhol wohl damit gemeint

Die paar Minuten Ruhm sind kein Fanal

Sondern Fest und Manifest der Einzigartigkeit

Jeder einzelne auf Erden ist es wert, gehört zu werden

- In Liebe und Trauer, Glück und Freiheit! -

sind wir einzig, aber nicht allein!

Laufschrift des Senders

Hier geht den Filmstudenten das Geld aus,

deswegen zeigen wir den Rest in Schwarzweiß!

Live aus dem Herz der Poesie

Die Poesie kann diese Welt nicht retten

Ich wünschte, irgendjemand könnte solche Zeilen schreiben,

die Hitler, Pol Pot, Stalin doch verhindert hätten

Oder etwas, um ISIS in die Menschlichkeit zu treiben

Und die Falten auf Zar Vladis Seele zart zu glätten

Und ich? ich bin mit mir im Reimen

Da draußen im Leben möchte ich eigens,

an meinen Taten nur gemessen werden

Da zeigen sich Herz und Vernunft

Hier drinnen aber, im feuchten Schoß des Dichterreigens

In diesem Schatzbunker Eures Einvernehmens

Hier darf Seele sich entblößen

Hier wird der rote Beerensaft - vielleicht - zur Kunst:

Johera trug

Den Krug

Auf ihrem Kopfe

Sodass kein Tropfen

Vom Gut

Verloren gänge

Wie geschickt

Ihr Genick

Ihre Hände

Und ging ihres Wegs

Vom Durst getrieben

Doch war

Am Ende

Kein Tropfen

Geblieben

Nun war vielleicht

Der Weg zu lang?

Die Sonne stand

Zu hoch?

Cliffhanger, ein Gesichtsausdruck

– bedeutungsschwanger: zu hoch?

eine sanfte Blende

Kurze Werbung,

dann kommen wir zum Ende:

Ein einzelnes Gedicht vielleicht

kann eine Seele wohl zum Klingen bringen

Wie das Grafitto jener Wasserträgerin

Auf einem Felsen, irgendwo im Kongo

An einer Bretterwand in Bergen-Belsen

Hier, Schwachkopf! Gib mir konkrete Daten:

GPS-Koordinaten, Datum und Wetterbericht

Fassungsvermögen von dem Krug, – Und ich

kann dir die ganze Verdunstungsscheiße ausrechnen!

Schnitt, Epilog:

Wenn es bei dieser Dichterschlacht was zu gewinnen gibt,

dann ist es eine nächste freie Seele

Viel Wenig ist ein Viel!

Zwei Reiskörner im zweiten Feld des Schachbretts

Erzählt es weiter:

Die Poesie kann vielleicht nicht,

doch sie will immer noch die Welt erretten!

Mosquito Superfly

HELDENFLUCHTEN

Der Held steht natürlich oft im Mittelpunkt des Interesses, und das zu Recht, wie schon Aristoteles vor knapp zweieinhalbtausend Jahren glasklar erkannt hat. Denn er ist es, in dem wir uns am ehesten wiedererkennen möchten. Er ist es, dem durch das Schicksal unverdientes Leid widerfährt – so wie uns –; der sich unter dem Druck der Ereignisse an neue Situationen anpassen muss – so wie wir –; der sich verändern muss, um nicht endgültig vom Sackkreisel verschluckt zu werden – so wie wir –; und er ist es, der am Ende sein Ungemach mit Humor zu ertragen hat – auch wie wir! Denn seien wir doch mal ehrlich: sowas wie ein Happy End gibt’s doch nur in Hollywood oder in thailändischen Massage-Salons.

Darum sind die Helden in diesem Buch nicht von der ganz klassischen Sorte, sondern irgendwie realitätsnäher: näher am Scheitern, näher am Verlust der eigenen Integrität, näher an der Katastrophe des eigenen Ichs. Selbst wenn sie wie mein Don Quixote mit den allerbesten Absichten daherkommen. Aber, na gut, da muss man dann halt durch.

AUGMENTED IRREALITY

Vergrößert, erweitert, vermehrt, erhöht, angereichert – augmented!

Eine tolle Sache für alle, denen die Realität zu langweilig ist

– oder wahlweise zu undurchsichtig!

Auch ich bin auf das Produktversprechen dieser Digitalwirtschafter reingefallen:

Werde zum besten Klugscheißer der Welt!

Wie alles, was heute zutage toll und Industrie 4.0 ist,

beginnt auch die Augmented Reality mit dem Download einer App!

Und der Eröffnung eines Paypal-Kontos

Digitales Einbildungsvermögen – Vorstufe zum Offenbarungseid!

Aber egal, ... man kann eh nix mitnehmen.

WLan stabil, also downloaden!

Schon kann man mit seinem Schlauphone durch die Stadt laufen und sich die gut gescannte Welt im Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum erklären lassen.

Da Denkmal: Goethe, deutscher Dichter!

Gut, den hätte ich auch grad noch so erkannt

Hier Hochhaus: Deutsche Bank

Ah, 6000 Strafverfahren wegen Geldwäsche und Steuerfluchthilfe anhängig!

Klar, hätte ich aber auch getippt

Oder hier im Schaufenster:

Outdoor Wendejacke Sommer/Winter 800€,

In vier Farben: senfbeige, umbrabeige, ultrabeige und kackbeige

Bester Preis online: 212€

Hergestellt in Bangladesh, Produktionskosten: 9€

CFO Steuerstrafverfahren

– link zu: Deutsche Bank!

Und was mit toten Gegenständen klappt, das geht ja auch schon mit Untoten. Also mit Personen, so über Gesichtserkennung.

Die notwendigen Informationen zieht sich mein Programm dann aus den asozialen Medien:

Schmidt, Susi, 27, ledig,

arbeitet als Flexikantin in Werbeagentur

Hobbies: Biken, Backen, Teufelsdreier

Ist nächsten Samstag mit Freundinnen in Disco „Ciao“

Achtung: viele Hautarztbesuche!

Soll die Krankenakte nach Diagnosen untersucht werden?

Oder der ganzkörpertätowierte 2-Meter-Typ, der Susi grad von der anderen Seite anquatscht:

Stalin, Vladimir, 42, Selbstständiger Unternehmer,

Arbeitet hier: Moskau Inkasso

28 Vorstrafen wegen Körperverletzung

Mag Blümchenunterwäsche

Mag keine Witze über Blümchenunterwäsche

Hoffentlich mag er Hautarzttermine.

Ja, das sind schon erweiterte Informationen, die einem helfen, das eigene Verhalten spontan vermehrt auf die Umwelt abzustimmen.

Das nützt aber wenig, wenn man dafür Vladi Stalin das Handy vor die Fresse halten muss. Viel zu auffällig!

Zuletzt hab ich da ein paar mal Ärger gekriegt

Hier guckst du mich? Ich sag dir, guck mich net an!

Also kauf ich mir so’ne Googlebrille

Die erste Testperson wäre mein Mitbewohner Gonzo:

34, vollledig, Student der Sozialwissenschaften auf Lehramt im 28sten Semester, nebenbei Kleindealer

Hobbies: pennen, Scheiß erzählen, weiterpennen

Ich kenn ihn halt gut

OK, denk ich, schau ich mir mal an ...

durch meine neue Googlegucker.

Hat’s mich fast vom Hocker gehauen:

Krassmann, Bernd, andere Namen: the big G.

Software-Manager, arbeitet bei: Google-Apple-Holding

Zweitjob: Model-Scout für Pentboy Playhouse

Hobbies: Speedboat, Ferrari, Monte Carlo

Ich schau Gonzo an

Er zuckt mit den Schultern als wollte er sagen:

Sonst krieg ich nie irgendeine ab

Stattdessen sagt er: „Läuft bei mir!“

Ja, vergrößert, erweitert, vermehrt, erhöht, angereichert – wer wäre das nicht gern?

Ah, jetzt verstehe ich, wie die Augmented Reality in Wirklichkeit funktioniert. Aber es dauert, bis man raus hat, wie man seine Profile auf Facebook, Tinder, Youporn und im selbst verfassten Wiki so getuned hat, dass man in der Brille der anderen auch richtig rüberkommt.

Ich will ja nicht, dass alle Leute in ihrer AR als erstes so Sachen über meinem Kopf eingeblendet sehen wie:

Arbeitslos, deswegen viel Zeit für Poetry Slams ...

3 Freunde auf Facebook,

in Klammern: alle denselben Nachnamen

Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung, #Schweiz

Da muss man schon für sorgen, dass da die richtigen Infos erscheinen:

Sabbatical vom Vorstandsposten

um Buch zu schreiben

333 Freunde auf facebook,

in Klammern: davon 300 weiblich, jung, ledig

Finanziell unabhängig, #Schweiz

Klappt! Andere Menschen mit AR-Apps schauen mich auf einmal freundlich an. Junge, unterernährte Damen lächeln mir zu.

Und dann kann man Naked Truth hochladen

Nein, keine Röntgen-App, viel besser:

Sone art mind reading Mentalisten App

Da sieht man dann immer die echten Gedanken der Menschen in so Sprechblasen über ihren Köpfen schweben:

"Warum soll ich Dir Arsch sagen, wie's mir geht?"

"Ob er schon ahnt, dass er gefeuert wird?"

"Ich hätt gern Sex mit dem Mann meiner besten Freundin"

Oh, blöd, das war ja die Selfie-Kamera

Und am Anfang findste das ja noch lustig. Aber dann gerät man in Situationen: da stellt man fest, dass es von der Natur ziemlich gut eingerichtet ist, dass man nicht immer weiß, was der andere grade denkt. Vor allem wenn der andere eine Frau ist!

Eine, die Frauenromane liest – und dann tagträumt

Beim Speed-Dating!

Und du siehst in deiner Brille ihre Gedanken

Oh, der sieht aber nicht aus wie ein Doktor

Oder:

So ein bisschen Bauch ist ja ganz kuschelig, aber wenn er seinen

Schwanz noch nicht mal mehr im Spiegel sehen kann, nee ...

Oder:

Jetzt hab ich ihm schon zum dritten Mal ein Pfefferminz angeboten, ... und der merkt’s nicht!

Und dann kommt der Moment, wo in Deiner Brille erscheint, dass sie grad bemerkt, dass Du dieselbe App wie sie in ihrer Brille offen hast. Und dann versuchen beide möglichst an gar nichts mehr zu denken.

Und das ist ein Speed-Dating, bei dem man sich so vorkommt, als wär man schon 20 Jahre zusammen.

Aber weil das auf Dauer ja nur deprimierend ist,

kann man dann ’ne andere App hochladen:

Pink World

Die macht dann das Ding zur Rosa-Googlebrille

Dann sieht man dann nur noch die schönen Seiten des Lebens.

Die Hälfte aller Weiber werden einfach aus dem Straßenbild ausgeblendet.

Und so gut wie alle Männer.

Selfie – nicht mehr möglich!

Ich hab mich selbst ausgepinkt.

Ich bin eine unakzeptable Masse Mensch für die Rosa Brille.

Da gibt es nichts mehr zu beschönigen.

Das muss besser gehen:

Ich melde mich freiwillig als Versuchs- und Irrtumskaninchen.

Die Operation ist ein voller Erfolg.

Jetzt werden die Infos von der Linse direkt in mein Auge projiziert.

Kamera am Ohr implantiert, Tonabnehmer aufm Trommelfell.

Alles verbunden mit dem MiniMegaRechner in meinem blauen Zahn.

Und jede Menge neuer Apps.

Auch eine, mit der ich die Pinkworld-Brille wieder austricksen kann.

Per WLan erscheine ich als Hologramm von James Franco,

oder Mark Wahlberg – je nachdem ...

Jetzt darf sie nur beim Sex ihre Brille nicht abnehmen

Und falls doch: Magneto Mind Control App

Dann überspiele ich einfach Gedanken direkt in ihr Hirn.

Ganze Passagen von Rosamunde Pilcher,

Karen Rose und

Fifty Shades of GAX!

Einfach rein in die Birne.

Aber die Magneto App zieht total viel Strom.

Da kannste zugucken, wie die Nadel fällt.

Zum Glück, für solche Fälle habe ich ein implantiertes Notstromaggregat. Ein Trafo, der sich die Energie direkt aus meinem Trapezmuskel saugt.

Und jetzt wird’s langsam albern:

Oben Gedanken kontrollieren!

Unten kopulieren!

Und dann noch mit dem Arm wedeln!

Jetzt bloß nicht schlapp machen ...

Der Ausnahmefehler 942 ist aufgetreten

Bitte starten Sie ihr Gehirn neu ...

De.. Ausna...efehl... 942 is.. au..getre..en

Bi...e star...n Si.. ihr ...hirn ..eu ...

SUPERFLY

Vorspiel

Nach schamlos durchzechter Nacht

Doch ziemlich betrunken

Ins nächstbeste Sofa gesunken

Noch schnell drei Aspirin in Schnaps aufgelöst

Dann unruhig, rastlos ...

In wirren Gedankenfetzen gefangen

So grad nach Morpheus Wille

halbwegs eingedöst ...

Und endlich Ruhe, Stille ...

Hhhrrrrrrrr ... (schnarchen)

Akt I

Bbssssssssssss

Kann es sein, dass ich mich täusch?

Mir träumt, ich hört da ein Geräusch

Ein Zwischending aus scharfem Summen

Und gar kläglich Brummen

Ein ... (schläft wieder ein)

Bbsssssbbbsssssssbbsssssss

Verdammt, ich hab mich nicht verhört

Es trog nicht, dass mich da was stört

So ein Geräusch von grobem Klang

Zerhackt, und doch minutenlang

Dotzt das Mistvieh mit dem Leibe

Und dumpfem Klopfen an die Scheibe

Wieder runter, wieder rauf ....

Bbsssssbbbsssssssbbsssssss

Eins muss man dem Mistvieh lassen:

Es gibt so schnell nicht auf!

Doch ... es ist auf seine Weise

Auch dumm wie Scheiße

Denn das Fenster nebenan

Ist sperrangelweit geöffnet

Doch das Drecksvieh denkt nicht dran

Das Weite da zu suchen

Pustekuchen

Wozu frag ich mich insgeheim

Ist so ne Fliege gut?

Als Eiweißproduzent allein

Taugt die Fliegenbrut

Wüchsen Rindersteaks

So schnell wie Fliegenmaden

Könnte so ein kleines Kalb

Schon nach vierzehn Tagen

800 Kilo feinstes Steak

Auf den Rippen haben

Gewiss, das ist enorm

Aber keine Leistung

Nur ein genetisches Programm

Gut, immerhin

Aus Scheiße macht sie Protein

Die Made frisst sich fett und dann

Wird sie zur Larve

Zum Steak fehlt ihr die Form

Dann wird sie Fliege

Dann wandelt sie sich in ein Ding

So hässlich, wie es grad nur ging

Mit keinem andren Zweck vertraut

Als Lärm zu machen

Und zwar laut!

BSssssss Bbbssss Bbbsssssssbbbsssssssssss!!!!!!

Akt II

Bbsss

Was regt dieser Mensch sich auf?

Der ist doch eh besoffen

Lass mir doch lieber meinen Lauf

Und ja, ich weiß, da rechts ist offen

Doch ich liebe es nunmal

Am Fenster rumzurummeln

Ich mag das kühle Glas

Der Mensch fährt Bob im Eiskanal

Mir macht halt das hier Spaß

Ich übe für die Meisterschaften

Ich dotz dagegen, bleibe haften

Drehe meine Pirouetten

Mache schöne Silhouetten

Springe doppelt Axel ein

Und lass den Mensch da Menschen sein.

Hab ich mich je beschwert

Über eure blöde Brut?

Tut ihr der Erde gut?

Was ist denn des Menschen Wert?

Gut, aus Proteinen macht Ihr Scheiße

Das ist für mich als fette Schmeiße

Nahrungstechnisch echt bequem

Doch sonst seid Ihr nicht angenehm

Und denkt mal nach

In Sachen Laut- und Lärmgeräusch

Im Vergleich zu Euerm Krach

Ist mein Brummen eher keusch

Und bescheiden schlicht

Findste nicht?

Akt III

Um die Ecke schleicht die Katze

Zückt die Krallen aus der Tatze

Wenn ich dich kriege, Fliege!

Stutz ich dir Flügel

Dann bist Du, Fliege, nicht mehr Fliege

Sondern Krieche

Dann ist's vorbei mit deinem Leben

Im Schweben

Dann heißt es Bodenhaftung: Schwerelosiglosigkeit!

Bbsss - Noch ruht die Fliege auf dem Platz

Die Katze wackelt mit dem Arsch

Und Marsch

Schon geht sie los, die wilde Hatz

Das Untier naht mit einem Satz

Das Summtier macht sich flugs davon

Die Katze übt den Biathlon

Rennen zielen rennen zielen

Durch die Zimmer, über Dielen

In den Fluren

Hinterlässt die Hetzjagd Spuren

Doch trotz Tigers Heldenmut

Kein Tropfen Fliegenblut

Ziert die scharfen Krallen

Das Fliegenvieh entzieht sich allen

Katzenschlichen

Erschöpft sinkt sie aufs Fell

Fliegen können müsst man, gell?

Lacht die Fliege

Und versteckt sich, für den Fall

Dass die Katze nochmal kommt

In einer Kammer aus Metall ...

Akt IV

Montagmorgen – ausgeschlafen

Halbwegs nüchtern geht der brave

Mensch sein großes Tagwerk an

Ein Kaffee noch, ein Brot und dann

Hinunter geht es ins Labor

Denn ich hab heute Großes vor

Seit Jahren bau ich die Maschine

Auf dass sie meinem Ruhme diene

Beim hohen Ministerium

Und bei den Damen untenrum

Und am End auch finanziell

Spektakulär, sensationell

Ich mach das Reisen superschnell

Ein alter Menschheitstraum - ja ja

Die Teleportation wird wahr

Ich stell mich in die linke Kammer

Die Tür fährt zu – unwiderruflich

Es greift die Klammer

Jetzt kommt’s drauf an

Ob all die Jahre, rein beruflich

Ihren Höhepunkt erklimmen

Der Countdown läuft ...

Plötzlich fällt sein Blick von innen

Auf die Sichtbullaugenscheibe

Da klettert doch mit schwarzem Leibe

Diese blöde Bratze

Mit der Facettenaugenfratze

Und noch schlimmer

Mit diesem ekelgrünen Schimmer

AKT V

Es knistern Strom und Spannung

Ein Blitz, der Elektronenstrahl

Erfasst die Moleküle

Von Forscher und Insekt

Die Maschine läuft perfekt ...

Da ertönt ein Schrei:

Haha, jetzt bin ich: Superfly!!!

Die Superkraft des Intellekts

Verschmolzen mit der des Insekts

Und schau an

Der grüne Schimmer auf der Haut – gar nicht schlecht

Mein Herz schlägt 2000 Mal pro Minute

Alle meine Reaktionen sind hundertmal schneller

Mit meinen Facettenaugen kann ich

200 Fernsehprogramme gleichzeitig gucken

Gut, die Weitsicht ist etwas verloren gegangen,

aber mit so guten Reaktionen

kann man es auch auf sich zukommen lassen!

Ich habe keine Angst - vor niemand mehr

Außer vielleicht ein klein bisschen vor Spiderman

– aber das ist genetisch!

Alle anderen können mich mal ...

dreißig-, vierzigmal gegen die Scheibe werfen

Das macht mir gar nichts

Denn ich bin Superfly!

Ich kann das Zehnfache meines Körpergewichts

einfach so ... liegenlassen

Ohne schlechtes Gewissen

Superfly!

Ich geh ins beste Restaurant der Stadt

Und bestell mir einen Teller Scheiße

Und wenn mich einer dumm anschaut:

Superfly!

Karate, Taekwondo, Messerwerfen?

Lächerlich

Brauch ich alles nicht

Ich siege!

Ich bin eine 2 Meter große Fliege

Ich kann meine Gegner einfach nur zu Tode nerven

Bbsssssbbbsssssssbbsssssss ....

Kann ich tagelang

Ich bin Superfly!

Ich greif mir jede flotte Biene

Denn ich hab jetzt den Längsten

Gut, ist jetzt ein bisschen hart behaart

Aber ich zaubere ein Lächeln auf Dein Gesicht

Und noch eins ...

Und noch eins ...

Und noch eins ...

Denn ich kann jetzt 200 Mal in einer Nacht

Ich bin Superfly!

Ich bin Superfly!

Ich ... bin ... Superfly!

NA GUT, QUIXOTE

Auch immer schön beim Poetry-Slam: ein Mitmachtext!

Bei diesem hier bekommt das Publikum immer ein

Handzeichen und ruft dann immer „Na gut!“

Und wenn das Publikum schlau ist, kommt das „Na gut!“

auch immer in der passenden Stimmung!

Wie alle eher ungefragt

Wurde ich einstmals geboren

Meine Mutter, wie man sagt

Ward mir zur Mutter auserkoren

Nichts schien mir an der Welt verkehrt

Sie hielt mich fest und warm