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Willkommen auf der traurigsten Raumstation des Sonnensystems. Denny hat Geburtstag, trägt Augenpads und streamt ihr perfektes Glow-Up aus einer pinken Plastikstation auf dem Mond. Niemand soll merken, dass ihr Co-Pilot tot ist – und dass die Einsamkeit langsam durch das Make-up bricht. Nur Antonella sieht die Überwachungskameras. Und sie ist bereit, alles zu tun, um Denny zu retten. Vielleicht sogar zu viel. Ein Roman über Einsamkeit, künstliche Nähe und das Scheitern großer Versprechen – irgendwo zwischen Weltraumglanz und Konzernmüll.
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Seitenzahl: 58
Veröffentlichungsjahr: 2025
SAD PINK BIRTHDAY GLOW UP
Josefine Lyda
Impressum: Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Veröffentlicht bei Infinity Gaze Studios AB
1. Auflage, Juli 2025, Alle Rechte vorbehalten
Copyright © 2025 Infinity Gaze Studios
Texte: © Copyright by Josefine Lyda
Korrekturleserin: Barbara Madeddu
Cover & Buchsatz: V.Valmont @valmontbooks
Druck und Distribution im Auftrag des Verlages: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutsch-land
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung von Infinity Gaze Studios AB unzulässig und wird strafrechtlich verfolgt.
Infinity Gaze Studios AB, Södra Vägen 37, 829 60 Gnarp
Schweden, www.infinitygaze.com
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung:
Für Papa, der mit seinem Teleskop
zu den Sternen reist
Für Mama, die aus Wolle
Prinzessinnenträume baut
Denny
Denny streicht über die Arme der Androiden und über den Helm des Raumanzugs, der schlaff zwischen den Robotern hängt. Es wirkt fast so, als würde Denny von Menschen umgeben sein.
Die Androiden hören nicht auf ihren Befehl. Sonst könnte Denny mit ihnen reden.
Befehl des Sicherheitsprotokolls: „Schenkt mir eine Umarmung.“ Doch sie stehen da, tot, wie alles auf dem Mond. Selbst das silberne Schimmern des Mondgesteins und der Freizeitpark in den Farben von pinken Prinzessinnenträumen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es kein echtes Leben auf dem Mond gibt.
Zwischen den Androiden hängt dieser Raumanzug und sogar der glitzert. Im Spiegelglas des Helmes kann niemand sehen, was sich in diesem Anzug hinter der schimmernden Oberfläche verbirgt. Der Maschinenraum spiegelt sich im Helm. Gewölbt und verbogen.
Es ist einer von drei Orten, an denen Denny sich aufhält. Es gibt noch die Zentrale. Und natürlich den Weg über die Mondoberfläche. Es hat sich bereits ein Weg aus Fußspuren in den Boden gefressen. Die schmale Linie bildet eine Verbindung zwischen der Zentrale und dem Maschinenraum, nur einige hundert Schritte weiter. Genauer: 341 Schritte. Denny zählt sie jedes Mal.
Wenn Denny im Maschinenraum die Androiden streichelt, wenn sie ihre Schritte zählt oder in der Zentrale die Risse im Plastik betrachtet, droht die Geräuschlosigkeit alles einzunehmen. In solchen Momenten der Stille und Einsamkeit, wenn die Wände des Maschinenraums näher zu rücken scheinen, dann kommen Erinnerungen hoch. Immer wieder. Es sind die einzigen Kontakte, die Denny noch hat, die sich echt anfühlen. Telefonate und Ausflüge in die virtuelle Welt sind nicht echt. Nur die Erinnerungen bleiben.
Nur sie sind echt.
Wieder eine dieser Erinnerungen: Gabriel steht am Röhrenbildschirm der Raumstation. Vor ihm flimmern Zahlen entlang. Tabellen. Denny hat an der Technischen Universität Berlin für Luft- und Raumfahrt ebenfalls gelernt, wie diese Tabellen zu lesen sind. Im Grunde versteht sie es auch. Sie ist nur nicht so schnell, so pfiffig wie die anderen Astronauten.
Sie wird nervös. Blackout. Totalausfall.
„Die Energieversorgung ist stabil. Der Wirkungsgrad der Solarpaneele ist bei 40%“, deutet Gabriel die Daten.
„Gut“, sagt Denny nur.
„Ja, kannst du kurz prüfen, ob die Daten des Elektrolyseurs richtig übertragen wurden?“
„Also … ja …“
„Das hast du schon einmal gemacht, oder?“ Gabriel zieht seine schwarzen Augenbrauen hoch.
Denny spitzt die Lippen. „Ich bin Astronautin und keine Energie-Datenanalystin.“
„Gehörten Energiesysteme nicht zu eurem Lernstoff? Na gut. Schau mal.“ Wenn er etwas erklärt, wird er immer väterlich. Er schaut auf sie herab wie auf ein kleines Kind. Das ist einer der Momente, in dem sich etwas in Denny umstülpt. Sie wird kleiner, Gabriel größer.
„Ich habe gestern festgestellt, dass es Probleme mit der Datenübertragung des Elektrolyseurs gab. Irgendwie schaffen die da unten …“ (Er zeigt Richtung Erde) „ … es nicht, die Übertragung vom Elektrolyseur optimal auszurichten. Vielleicht stören die Androiden das Signal. Aber wenn das Problem auftritt, ist es ganz leicht: Du drückst einfach hier auf aktualisieren.“
Denny starrt Gabriel fassungslos an. „Natürlich kann ich auf aktualisieren drücken“, presst sie zwischen ihren Zähnen hervor. Gabriel nickt zustimmend, ignoriert ihre Frustration, was zwangsläufig zu noch mehr Frustration führt.
Denny hält sich an diesen Erinnerungen fest. Sie denkt an einen überheblichen Gabriel, der sich etwas auf seinen Universitätsabschluss mit Bestnoten einbildet. Direkt von der Elite-Universität Windhoek-Sentraal in Namibia – mit der Spezialisierung auf erneuerbare Energietechnologien. „Namibia – Solarenergie? Die machen wir!“ – Erinnerungen an einen Werbeslogan eines Staates, in dem Denny nie war. Alles versinkt. Sie versucht sich an den Erinnerungen festzuhalten.
Antonella
Die Raumstation ist eine poröse Plastikstruktur auf der porösen Oberfläche des Mondes, bewohnt von einer Person mit einer porösen geistigen Gesundheit. Alles setzt sich zusammen zu einem zu einem entfernten Konstrukt im All, das ich nur über den Röhrenbildschirm beobachten kann. Ich starre über den Bildschirm in meinem Einzelbüro hinein in den Weltraum. Um die 380.000 Kilometer überwindet mein Blick, hinein in die Raumstation. Eine Frau gleitet in der verminderten Schwerkraft durch die Station. Ich blicke durch die Überwachungskamera in ihr Gesicht – vielleicht blicke ich sogar in ihre Seele.
Die Frau auf dem Bildschirm beachtet mich nicht. Ihr Haar ist nach hinten gebunden, jede Strähne mit Haargel an die richtige Stelle gelegt. Leichtfüßig tänzelt sie durch die Raumstation, schwebt fast durch Raum und Zeit. Ich beobachte, wie sie ihr Porzellangesicht schminkt, höre ihr zu, wie sie von ihrer Gesichtspflege auf der Mondstation erzählt. Sie trägt sich Produkte auf die Haut auf, die sie von wunderschön zu makellos wandeln. Sie macht dabei Videos von sich, berichtet munter von der Energieversorgung der Raumstation.
Ich kann diese Frau auf zwei Arten sehen:
Einmal in ihren Videos für die sozialen Netzwerke. So beobachte ich sie beim Lachen und Zwinkern. Ich inhaliere die Videos im weltweiten Netzwerk, die alle sehen dürfen. Hierfür hat sie mit künstlicher Intelligenz ihren Co-Piloten Gabriel Shikongo in den Hintergrund jedes Videos geschnitten.
Und dann gibt es da noch meine ganz persönlichen Videos, die nur ich sehen kann: Die Aufnahmen der flimmernden Überwachungskamera. Ich sehe auch die traurige, mal wütende Denny auf meinem Röhrenbildschirm. Wie sie die Augen verdreht, wenn sie ihre Finger knetet. Dann stelle ich mir vor, wie ich sie in den Arm nehme und sie würde die Umarmung erwidern. Denn sie wüsste, dass ich die Einzige bin, die hinter ihre Fassade sehen kann.
Ich streiche mit meinen Fingerspitzen über den Röhrenbildschirm. Ein unsichtbares elektrisches Knistern entsteht über der kalten Scheibe und dem flimmernden Bild. Nichts weiter passiert, nur meine Fingerabdrücke hinterlassen Spuren. Ich weiß nicht, was ich anderes erwartet habe. Habe ich geglaubt, ich könne das Gesicht der Astronautin durch das Weltall hindurch spüren? Natürlich ist mir bewusst, dass zwischen mir und ihr gute 380.000 Kilometer liegen.
Dennoch, es gibt diese Ecke in meinem Hinterkopf, die sich einbildet oder wenigstens wünscht, dass ich nicht nur einen kalten Röhrenbildschirm spüre, sondern die warmweiche Haut der Astronautin.
Ich weiß, dass sie einsam ist, seit einem Monat schon. Denn in dem Maschinenraum hängt nicht einfach nur ein schlaffer Raumanzug. Zwischen den Androiden, silberglänzend wie Zinnsoldaten in ihren Ritterrüstungen aus einer Zeit, als noch keine Raketen ins Weltall geflogen sind, hängt die Leiche von Dennys Co-Piloten Gabriel Shikongo.
Denny