Sagen und Legenden von Saar und Mosel - Josef Ollinger - E-Book

Sagen und Legenden von Saar und Mosel E-Book

Josef Ollinger

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Beschreibung

Sagenhafte Saar, mysteriöse Mosel Welche Legenden ranken sich um die Burg Montclair? Wie kam der Teufelsstein bei Orscholz zu seinem Namen? Und welche Geschichten verbergen sich hinter der Abtei Mettlach? In der schönen Landschaft um Saarschleife und Obermosel liegen viele Geheimnisse verborgen: Auf der Cloef soll es mal eine Burg gegeben haben – bis sie dem Treiben der Wikinger zum Opfer fiel. In Oberleuken erzählt man sich von einem Werwolf. Und bis heute sucht man vergeblich nach den Glocken in der Mosel ...

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Sagen und Legenden von Saar und Mosel

Josef Ollinger

Sagenhafte Saar, mysteriöse Mosel

Welche Legenden ranken sich um die Burg Montclair und den Breitenstein? Wie kam der Teufelsstein bei Orscholz zu seinem Namen? Und was weiß der Volksmund über das Kloster Mettlach zu berichten?

In der schönen Landschaft rund um Saarschleife und Obermosel liegen viele Geheimnisse verborgen. Wussten Sie zum Beispiel, dass es auf der Cloef einmal eine Burg gab – bis diese den Wikingern zum Opfer fiel? Und haben Sie schon von dem Zwerg gehört, der im Rammenfels bei Nohn ungeheure Schätze horten soll?

Unzählige Sagen und Legenden ranken sich um die stolzen Gemäuer, malerischen Berge und verwunschenen Wälder des Saarlandes – in diesem spannenden Lesebuch werden sie wieder lebendig.

Inhalt

I. Burgen und Ritter

1. Der letzte Burggraf von der Cloef

Eine Sage aus der Zeit, als die Wikinger an Saar und Mosel hausten

2. Das Trompetenspiel der drei Ritterbrüder

3. Das Wagenrennen von Montclair

Wer gewinnt die Hand der schönen Hilde, der Tochter des Ritters Jakob von Montclair?

4. Der Herrgottstein

5. Die Normannenschlacht bei Besch-Nennig

6. Die Meinsburg und der Teufel

7. Der Teufelsstein bei Orscholz

8. Die eingemauerte Frau im Dillinger Schloss

9. Die Riesenkröte unter dem Breitenstein bei Montclair

II. Geister, Hexen und Zauberer

10. Das Gespensterfeuer auf der Rappweiler Burgwiese

11. Der Spielmann und der Wolf

12. Der geheimnisvolle Fahrgast vom Sinzer Berg

13. Der Teufelshirsch

14. Der Hexenmeister von Rehlingen

15. Die Glocken in der Mosel

16. Der Hund von Bonnen

17. Der Katzenmeister

18. Der Kettenrassler im Tünsdorfer Kloster

19. Der Werwolf von Oberleuken

20. Die Bockreiter aus dem Dreiländereck

21. Die feurige Kutsche von Nennig

22. Das Katzenhäuschen bei Perl

23. Der ewige Jäger bei Sinz

III. Sagen mit dem Teufel

24. Der Teufel im Scheidwald

Wie der Förster den Teufel überlistete

25. Der Teufelsschornstein bei Saarhölzbach

Wie der Schmied den Teufel überlistete

26. Der Geizhals

IV. Religiöse Sagen

27. Das Dreifaltigkeitskreuz

28. Das versunkene Kloster im Heiligenberg

29. Der Hyllborn

30. Sagen um den Klosterhannes von Mettlach

Die Schildbürgerstreiche des Schlitzohrs aus dem Mettlacher Kloster

31. Der Mutter Fluch

32. Die Pestkreuze von Besch

33. Die seidenen Mützen und das Mettlacher Stückchen

34. Die weiße Rose am Hyllborn

35. Der »Hädebur« und die Martinslinde zu Tünsdorf

36. Legenden um den heiligen Lutwinus

37. Legenden um den heiligen Nikolaus

38. Pontius Pilatus in Pachten

39. Unrecht Gut gedeihet nicht

40. Der übermütige Jäger

41. Das Husarenkreuz

42. Das »Ongersch Kreuz« in Saarhölzbach

43. Der Bildstock an der Blechmühle

44. Der Hirsch mit den Feueraugen

45. Der wandernde Grundstein von Tünsdorf

Die Sage von der Grundsteinlegung der Tünsdorfer Kirche

V. Dorfsagen

46. Der geizige Bauer aus Gerlfangen

47. Der geizige Schwiegersohn in Perl

48. Der wilde Jäger im Billig

49. Das Männchen im Rammenfelsen bei Nohn

50. Sagen und Geschichten aus Büdingen

51. Kathrein auf Roden

52. Die Zwergenhöhle

53. Der Raubmord im Scheidwald

Die Geschichte von »Müllers Kreuz« im Scheidwald bei Schwemlingen

54. Geheimnisvolle Geschehnisse in Büschdorf

55. Die Kirche zu Kerbach

56. Die Niednixe

57. Die Sagen des Leukbachtales

58. Die Sage von Buchheims Untergang

59. Die silberne Glocke von Tünsdorf

60. Das Wichtelknäppchen bei Nennig

61. Die Wichtelmännchen vom Molknopf

Quellenverzeichnis

Schlusswort

Über den Autor

Teil Eins

Burgen und Ritter

Eins

Der letzte Burggraf von der Cloef

Eine Sage aus der Zeit, als die Wikinger an Saar und Mosel hausten

Vor vielen, vielen Jahren soll auf der heutigen Cloef, dem bekannten Aussichtspunkt an der Saarschleife, eine stolze Burg gestanden haben, deren Zinnen weit in das Saartal hinein zu sehen waren. Sie lag der Burg Montclair direkt gegenüber, und am Morgen begrüßten sich die Wächter auf den Türmen mit Hornstößen.

Keine Chronik, keine Aufzeichnungen oder Bücher berichten jedoch etwas über diese Burg auf der Cloef. Kein Stein ist von ihr erhalten, sie ist vom Erdboden verschwunden. Der Volksmund hält jedoch fest an der Überlieferung, dass an dieser Stelle einst eine stolze Burg stand, auf dunklem Felsgestein erbaut, als wäre sie unvergänglich und grüßte nach Montclair hinüber.

Die Sage weiß darüber Folgendes zu berichten:

Es war vor über 1000 Jahren. Der Burggraf von der Cloef kam bei einem Ritterturnier ums Leben. Da sein einziger Sohn und Erbe noch unmündig war, verwaltete seine Mutter, eine Welsche, für ihn das Erbe. Wildes, unbändiges Blut floss in seinen Adern: Der junge Graf mit seinem ungebändigten Temperament und seinem jähzornigen Wesen war eine Last für seine Mutter und für die Dienerschaft.

Sein bester Freund wurde der Burggraf von Montclair, sein nächster Nachbar. Das sollte ihm zum Verhängnis werden, denn der Graf von Montclair war ein berüchtigter Raubritter, vor dem kein Kaufmann, kein Pilger und kein Schiff sicher waren. Wehe, wenn sie ihm in die Hände fielen! Nicht nur, dass sie ihr Hab und Gut verloren, meist mussten sie noch ihr Leben lassen. Es sei denn, es handelte sich um einen Vornehmen oder Hochgestellten, der wurde in das Verlies von Montclair geworfen, bis ein hohes Lösegeld für ihn bezahlt wurde.

Dieses gottlose Treiben gefiel dem jungen Grafen von der Cloef so gut, dass er sich schon bald mit seinen Mannen an den Überfällen beteiligte. So wurden die beiden Männer zu einem wahren Schrecken für die Umgebung und besonders für die Reisenden. Wohl schritt Trier als wichtiger geistlicher Staat ein: Erzbischof Bertolf verwarnte die Raubritter mehrmals. Der Herzog von Lothringen hingegen zog es vor, sich ganz aus der Angelegenheit herauszuhalten. Die beiden Burggrafen waren nicht zu bezwingen, dafür waren ihre Burgen zu fest und zu sicher gebaut. Man mochte ihnen auf ihren Raubzügen nachstellen, fangen konnte man sie nicht, dazu waren sie zu gerissen. Einmal nagelten sie ihren Pferden die Hufeisen umgekehrt auf, ein andermal teilten sie sich in zwei Haufen, von denen der eine in die entgegengesetzte Richtung ritt, in der sie einen neuen Überfall planten. Es war zum Verzweifeln. Doch Gottes Mühlen mahlen langsam, aber sicher! Eines Tages schlug auch für sie die Schicksalsstunde, in der sich alle ihre bösen Taten rächten.

Die Normannen, damals in ganz Westeuropa gefürchtet, waren im Lande. Wo sie in eine Stadt, eine Burg oder ein Dorf einfielen, hinterließen sie nur Tote und rauchende Trümmer. In den Ardennen hatten sie im Jahre 882 ein festes Lager errichtet, von dem aus sie ihre Raubzüge durchführten. Am Dreikönigstag überfielen sie die Abtei Prüm, erschlugen alle Mönche, beraubten und verwüsteten das Kloster und verheerten drei Tage lang die ganze Umgebung in der Eifel. Ihr nächstes Ziel war Trier, das sie am Gründonnerstag eroberten, ausplünderten und in Flammen aufgehen ließen. Die grausamen Wikinger verschonten weder Weib noch Kind; sie machten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Auf dem Weiterzug nach Metz stießen ihre Kundschafter auf die reiche Burg Cloef an der Saarschleife. Sie gaben Nachricht an das Heer und bald war die stolze Burg von den Normannen eingeschlossen.

Der Burgherr war zu diesem Zeitpunkt wieder einmal mit den meisten seiner Krieger auf einem Raubzug. Die Normannen konnten daher bald ohne allzu große Verluste in die führerlose Burg eindringen. Sie töteten die Mutter des Grafen sowie alle Krieger und Dienstleute und plünderten die Burg aus. Durch Folter hatten sie von den Knechten erfahren, dass der Graf mit dem Großteil seiner Männer auf Beutezug war. Die Wikinger nutzten die Zeit, um den Felsen zu untergraben, auf dem die Burg stand, und versteckten sich dann in den nahen Wäldern.

Nach einigen Tagen kehrte der Ritter von der Cloef von seinem Raubzug zurück. Als die Wikinger nun aus dem nahen Walde hervorbrachen, um ihn zu überfallen, preschte er im vollen Galopp mit allen seinen Reisigen durch das offene Tor in die Burg. Durch die gewaltige Erschütterung gaben die unterminierten Felsen nach, die Mauern brachen zusammen und die ganze Burg stürzte mit Mann und Maus unter Donnergetöse in die Tiefe, wo sie in den aufschäumenden Fluten der Saar versank. Von der Höhe gellte das Siegesgeschrei der Nordländer, die so zur rächenden Hand Gottes geworden waren. Kein Stein ist von der stolzen Burg übrig geblieben, um von ihrer vergangenen Größe und Pracht zu berichten. Sie ist ausgelöscht im Gedächtnis der Nachwelt, die Geschichte hat sie vergessen.

Doch auch für die Wikinger kam die Strafe Gottes für ihre ruchlosen Taten und die vielen Morde, die sie auf ihren Raubzügen in unserem Lande begangen hatten. Nachdem Trier von den Nordmännern erobert und zerstört worden war, eilte der Trierer Erzbischof Bertolf auf schnellem Pferd nach Metz zu seinem Mitbruder Bischof Wala, um diesen vor den Normannen zu warnen. Man beschloss, sich ihnen im Kampfe zu stellen. Da keine Hilfe von den schwachen Königen, den Söhnen Ludwigs des Frommen, zu erwarten war, musste man sich selber helfen. Zusammen mit den Gaugrafen Adalhard und Hintzmar von Metz stellte man ein kleines Heer von Rittern und Fußsoldaten auf. Bischof Wala führte im Harnisch hoch zu Ross das Heer an. Damals waren auch die Bischöfe und Äbte ausgebildete Ritter, die sehr gut mit Schwert und Streitaxt umgehen konnten.

Im breiten Tal zwischen Besch, Schwebsingen, Nennig und Remich kam es in der Woche nach Ostern, am 12. April 882 zu einer erbitterten Schlacht, die erst durch den Tod von Bischof Wala entschieden wurde, als Sigfrid, der Anführer der Normannen, ihn erschlug. Das Heer der Franken floh nun, doch wurden sie von den Normannen nicht verfolgt, da diese selbst zu große Verluste erlitten hatten. In Besch erinnert noch heute das Normannenkreuz an diese historische Schlacht.1

Die Wikinger zogen sich auf ihre Drachenschiffe zurück und traten die Heimreise nach Dänemark an, woher sie gekommen waren. Ihr Rückzug führte sie über die Orte Remich und Nennig, die sie erst plünderten und dann in Flammen aufgehen ließen.

1Lesen Sie den Verlauf der Schlacht im Kapitel »Die Normannenschlacht bei Besch-Nennig«

Zwei

Das Trompetenspiel der drei Ritterbrüder

In alter Zeit herrschten drei Brüder auf der Siersburg, auf Burg Litermont und auf der Schaumburg lange Jahre in Ruhe und Frieden. Ihr gemeinsames Geschlecht ist längst ausgestorben und auch die Sage kennt ihre Namen nicht mehr.

Die Brüder begrüßten sich ihr Leben lang bei jedem Morgengrauen von ihren Burgen herab mit herrlichem Trompetenspiel und die Klänge waren ins Land hinein zu hören. Zuerst blies der Siersburger, dann der vom Litermont und zuletzt der Schaumburger. Und zum Schluss bliesen alle zusammen und dies hörte sich an wie ein feierlicher, freudiger Choral. Die Klänge waren über die saarländischen Höhen und Wälder zu hören und wenn die Trompetenklänge verklungen waren, begannen die Leute freudig ihr Tagewerk. Ja, man wartete jeden Morgen auf die hellen, klaren Töne der Trompeten. Dies ging viele Jahre so, denn es herrschte lange Zeit Ruhe und Frieden im Herrschaftsbereich der drei Burgen.

Doch eines Tages gab es wieder Krieg. Die Siersburg wurde als erste der Burgen zerstört. Damit gab es auch kein Trompetenspiel mehr von der Siersburg, ihr Klang war verstummt. Als nächstes traf es die Burg Litermont, auch sie wurde zerstört und ihr Trompetenspiel verstummte ebenfalls. Lange Zeit blies nun nur noch der Schaumburger seinen Morgengruß und der hörte sich traurig und verlassen an. Zuletzt fiel auch die Schaumburg dem Krieg zum Opfer; sie wurde ebenfalls zerstört. Von allen drei Burgen blieben nurmehr Ruinen. Ihre Ritter waren tot und verschollen, namenlos in der Geschichte untergegangen, und der fröhliche Trompetenschall von den Saarburgen war verstummt.

Viele Jahrzehnte danach wollen Bauern aus Hüttersdorf im Primstal bei ihrer Arbeit auf den Feldern morgens noch geisterhafte Trompetentöne gehört haben. Die drei Brüder hatten die Musik so sehr geliebt, dass sie ihr Trompetenspiel nicht aufgaben. Noch vor nicht allzu langer Zeit lebten in Hüttersdorf alte Frauen, die in ihrer Jugend morgens auf den Feldern das geisterhafte Trompetenspiel der Ritterbrüder gehört haben wollten.

Drei

Das Wagenrennen von Montclair

Wer gewinnt die Hand der schönen Hilde, der Tochter des Ritters Jakob von Montclair?

Während die Historiker sich in ihren Berichten streng an die Tatsachen halten müssen, kann der Erzähler in seinem Bericht seine Fantasie spielen lassen. Er erzählt, wie es gewesen sein könnte, aber nicht gewesen sein muss. Obwohl keine Quelle für diese Sage einen Zeitraum oder einen Namen nennt, habe ich mir deshalb erlaubt, in meiner Fassung Jakob von Montclair, der von 1316 bis 1371 lebte, zur Hauptfigur zu machen.

In der gewaltigen Burg Montclair und auf dem ausgedehnten Burggelände herrschte geschäftiges Treiben. Am nächsten Tag sollte nämlich ein Wagenrennen entscheiden, wer die Hand der schönen Hilde, der reizenden Tochter von Ritter Jakob, bekommen soll.

Viele Ritter aus nah und fern hatten sich schon um die Hand der schönen Hilde beworben, doch vergebens. Denn ihr Vater, Ritter Jakob, war ein stolzer, herrischer und streitsüchtiger Kämpe, der mit seiner Tochter große Pläne hatte. Er wollte für sie einen Schwiegersohn gewinnen, mit dessen Hilfe er seine Macht und seinen Einfluss weit über die Grenzen von Saar und Mosel ausdehnen könnte. Er hatte sich auch schon einen Bewerber ausgesucht; einen mächtigen Edelmann aus Frankreich, der eine große und reiche Grafschaft besaß und großen Einfluss hatte. Hilde jedoch konnte den stolzen und hochmütigen Grafen nicht ausstehen und erfand darum immer wieder Ausreden, um einer Heirat mit ihm zu entgehen. Sie hatte nämlich ihr Herz an einen deutschen Ritter verloren, der sich ebenfalls um ihre Hand beworben hatte. Doch Jakob hatte ihn hohnlachend abgewiesen, da dieser Bewerber zwar ein tapferer Ritter, doch sehr arm war. Hugo von Bleiningen, so hieß er, besaß nur eine kleine Burg mit einem einzigen Dorf.

»Ich heirate entweder Ritter Hugo, oder bleibe ledig«, antwortete Hilde ihrem Vater, als der sie wieder bedrängte, den welschen Grafen zu heiraten. Jakob konnte nur mit Mühe seinen Zorn unterdrücken. Er kannte seine Tochter; sie würde niemals der Gewalt nachgeben. Obwohl sie klein und zierlich war, hatte sie den unnachgiebigen Willen ihres Vaters geerbt.

»Ich mache dir einen Vorschlag zur Güte: Lassen wir die beiden um dich kämpfen«, schlug ihr Vater vor. Hilde erbleichte! Sie sollte ihren Hugo in Todesgefahr bringen?

»Wie hast du dir den Zweikampf denn gedacht?«, fragte sie ihren Vater mit bebender Stimme.

»Nun, die Entscheidung soll bei einem Wagenrennen fallen. Doch soll es ein ganz besonderes Wagenrennen sein: sie müssen auf dem Breitenstein wenden«, meinte ihr Vater, wobei er hinterhältig grinste. Denn der Graf aus Frankreich war als besonders geschickter Wagenlenker bekannt.

Hilde schrie vor Schreck auf. »Vater, du weißt, dass dies unmöglich ist! Auf dem Breitenstein kann kein Wagen wenden«, entgegnete sie mit vor Schreck geweiteten Augen. Der Breitenstein war ein mächtiger Felsen in der Nähe der Burg, der gewaltig aus dem Berg wuchs und oben ein flaches Plateau hatte. Nach vorne fiel er senkrecht zur Saar hin ab. Wer dort stürzte, würde im steilen Hang aufschlagen, den Berg herunterfallen bis zum schmalen Uferweg und dort zerschmettert liegen bleiben.

»Nun, das werden wir ja sehen! Entweder das Wagenrennen oder du verzichtest auf deinen Hugo.« So lautete Jakobs Entscheidung. Hilde war in einem schrecklichen Zwiespalt! Sollte sie auf Hugo verzichten und ihn dadurch vor der Todesgefahr retten? Oder sollte sie es um ihr beider Glück willen versuchen? Schließlich entschied sie sich schweren Herzens für das Wagenrennen.

Ritter Jakob von Montclair ließ nun die beiden Ritter entscheiden; beide nahmen ohne Zögern an. Nun ließ Jakob alles für das Wagenrennen vorbereiten. Er lud zahlreiche Gäste zu dem Ereignis ein und draußen vor der Burg ließ er eine Tribüne errichten, damit alle das Wagenrennen gut beobachten konnten.

Am Tage vor dem Rennen waren seine zahlreichen Gäste schon eingetroffen, denn viele kamen von weither. Die große Burganlage platzte fast aus allen Nähten; die vielen Gäste mussten ja untergebracht und beköstigt werden. Es herrschte ein Treiben in der Burg wie in einem Bienenkorb: Die Dienerschaft eilte geschäftig hin und her und in der Küche herrschte Hochbetrieb. Dort wurde gesotten und gebraten und köstliche Düfte zogen durch die Burg.

Am Abend wurde im Rittersaal tüchtig gefeiert; die Diener trugen auf, was Küche und Keller hergaben. Die große Tafel bog sich geradezu unter der Last der Speisen und Getränke; man aß und trank nach Herzenslust. Man ließ die beiden Ritter, die sich beim Wagenrennen messen würden, hochleben. Manch tüchtiger Ritter schaute an diesem Abend zu tief in den Krug, trank zu viel von Jakobs süffigem Bier und sollte am nächsten Morgen mit einem tüchtigen Brummschädel erwachen.

Die beiden Kontrahenten verließen frühzeitig den Saal, sie hatten nur wenig getrunken. Denn sie wussten: der kleinste Fehler beim morgigen Rennen und sie würden mit ihrem Gespann vom Breitenstein in die schaurige Tiefe stürzen.

Als Hugo in seiner Kammer ankam, verrichtete er sein Nachtgebet, bat Gott um Hilfe bei dem morgigen Wagenrennen und legte sich ruhig zu Bett, wo er gleich darauf einschlief. Bei seinem Gegner brannte noch lange Licht im Zimmer und man sah seinen Schatten vor dem erhellten Fenster hin und her wandern. Anscheinend fand er keine Ruhe und keinen Schlaf. Dann endlich, es war lange nach Mitternacht, erlosch auch bei ihm das Licht.

Am nächsten Morgen ging das Leben in der Burg schon frühzeitig los, denn das Gesinde richtete das Frühstück für die zahlreichen Gäste. Hilde brachte keinen Bissen herunter, dachte sie doch immer an das bevorstehende Rennen und an ihren Hugo. Sie betete zu Gott, dass er ihrem Liebsten beistehe und ihn schütze. Ritter Jakob bat nach dem Frühstück die Gäste nach draußen, wo sie, ihrem Rang und Ansehen entsprechend, auf der Tribüne Platz nahmen. Inzwischen waren tausende Schaulustige aus dem nahen Mettlach, aus Merzig und aus den umliegenden Dörfern eingetroffen, um das Wagenrennen mitzuerleben. Sie standen dicht gedrängt um die Auffahrt zum Breitenstein. Jakob hatte diesen Weg von seinen Soldaten sichern und absperren lassen, damit die beiden Kontrahenten ungehindert auffahren konnten.

Als der Herold in die Fanfare stieß, kamen die beiden Ritter mit ihren Gespannen im vollen Galopp und fuhren mit donnernden Hufen über die Zugbrücke. Der französische Graf hatte ein herrliches Gespann von vier pechschwarzen andalusischen Rapphengsten. Seine feurigen Vollbluthengste waren eine Augenweide, wie sie im Stand unruhig hin und her tänzelten. Geschirr und Zaumzeug waren von schwarzem Glanzleder und die Beschläge waren aus massivem Silber. Die Pferde hatten einen weißen Federbusch auf dem Kopf, der bei jeder Bewegung anmutig wippte. Sein herrliches Gespann war ein Vermögen wert.

Viel bescheidener trat der deutsche Ritter auf. Sein Gespann bestand aus den besten Pferden aus seinem Burgstall: schöne, kräftige Tiere von brauner Farbe aus dem Münsterland. Das Geschirr war lederbraun, die Beschläge aus Eisen. Hugos Gespann konnte sich mit dem seines Gegners an Glanz und Schönheit nicht messen – hier lagen Welten dazwischen.

Ritter Jakob warf zwei Lose in seinen Hut und seine Tochter musste eines ziehen. So wurde entschieden, dass der französische Graf zuerst fahren sollte. Dieser lenkte sein Gespann mit sicherer Hand in die Auffahrt und trieb es zur Höchstgeschwindigkeit an. Es war ein atemberaubender Anblick, wie die schwarzen Hengste mit wehenden Mähnen dahinflogen, direkt auf den Abgrund zu. Den zahlreichen Zuschauern stockte der Atem und viele Frauen hielten sich die Augen zu, um den Sturz nicht mitanzusehen. Es ertönte ein einziger Aufschrei – der Ritter hatte im letzten Moment seine Pferde herumgerissen. Kurz vor dem Abgrund konnte er sein Gespann in die Wende zwingen. Nun wollte er in einer eleganten Kehre das Plateau umrunden. Doch er hatte sich verschätzt und die Kurve zu eng genommen. Die Deichsel hielt dem enormen Druck nicht stand, sie brach und fuhr den Pferden in die Hinterhand. Die Hengste schlugen aus, kamen aus dem Tritt; der Wagen kippte um und wurde mitgeschleift. Dabei flog der Graf in hohem Bogen aus dem Wagen und blieb regungslos auf der Felsplatte liegen. Die Soldaten sprangen herbei, brachten die Pferde zum Stehen und trugen den bewusstlosen Grafen in die Burg. Dort kam er bald wieder zu sich. Er hatte nur durch den Sturz kurzfristig die Besinnung verloren.

Ritter Jakob gab zum zweiten Mal das Zeichen zum Start; der Herold stieß in die Fanfare und Ritter Hugo trabte mit seinem Gespann an. Hilde sank in Ohnmacht, als ihr Geliebter die Fahrt antrat. Eine ungeheure Spannung lag in der Luft. Die Zuschauer wagten nicht zu atmen, als Ritter Hugo mit seinem Gespann in vollem Galopp auf das Plateau zuraste. Die Zügel hielt er straff in den Fäusten, kaum merklich lenkte er sein Gespann. Doch auf die leiseste Änderung im Zügeldruck reagierten die gut geschulten Pferde sofort. Und wieder ein entsetzter Aufschrei der Tausenden – doch kurz vor dem Abgrund brachte der Ritter seine Pferde mit starker Hand in die Kurve und mit elegantem Schwung fuhren sie am äußersten Rand des Plateaus entlang. Ja einige Zuschauer wollten sogar gesehen haben, dass ein Rad des Wagens dabei über dem Abgrund schwebte. Mit einer glänzenden Parade brachte Ritter Hugo sein Gespann vor der Tribüne zum Stehen und verbeugte sich vor Ritter Jakob und seiner Tochter, die inzwischen wieder aus ihrer Ohnmacht erwacht war. Der Jubel wollte kein Ende nehmen, die Zuschauer gebärdeten sich wie toll. Die Männer warfen ihre Hüte unter lauten Hurra-Rufen in die Luft und schlugen sich gegenseitig auf die Schulter. Ritter Hugo war der Liebling der Zuschauer, während der welsche Graf mit seiner hochfahrenden Art sehr unbeliebt war.

Ritter Jakob hielt Wort. Er legte die Hand von Ritter Hugo in die Hand seiner errötenden Tochter; bald schon würde Hochzeit sein.

Der Tag endete mit einem doppelten Festmahl. Ritter Jakob hatte für seine Untertanen im bunt gefärbten Herbstwald ein Volksfest vorbereitet, bei dem sie nach Herzenslust essen und trinken durften. Die armen Tagelöhner konnten sich nicht jeden Tag satt essen, deshalb wurde diese Gelegenheit nun ausgiebig genutzt. Für seine geladenen Gäste hatte Jakob im Rittersaal ein reichhaltiges Bankett vorbereitet. Überall wurde bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.

Der welsche Edelmann, der außer einigen Blessuren keine Verletzung erlitten hatte, feierte zwar mit, doch kurz nach Mitternacht verschwand er heimlich mit seinen Pferden und Dienern aus der Burg. Unter dem Volk ging nun das Gerücht um, dass er sich aus Verzweiflung über seine Niederlage mit seinen Pferden vom Breitenstein in die Saar gestürzt habe.

Ritter Jakob ließ für die Nachwelt zum Gedenken an dieses sagenhafte Wagenrennen in den Breitenstein Rad- und Hufspuren einmeißeln, die dort heute noch zu sehen sind.

Vier

Der Herrgottstein

Gegenüber der Lutwinuskapelle von Mettlach erhebt sich auf der anderen Saarseite eine baumbestandene Bergkuppe; es ist der »Herrgottstein«. Die Höhe von 272,3 Metern krönt ein großes Kreuz. Von hier hat man einen herrlichen Blick in das Tal bei Mettlach und in Richtung Saarhölzbach bis zum Vogelfelsen.

Im Frühjahr des Jahres 1351 zog Kürfürst Balduin von Trier mit seinem Heer an die Saarschleife, um die starke Burg des Raubritters Jakob von Montclair zu erobern. Dabei wählte er als Anmarschweg die alte Trierer Straße, die über Zerf und Greimerath führt. Gegen Abend kam er über Saarhölzbach zu der Stelle, an der sich die alte Trierer Straße in die Wege nach Mettlach und Merzig gabelt. Hier ließ er nun das ganze Heer halten und ein Lager aufschlagen. Balduin ging mit seinen Heerführern und Dienern auf die Höhe des Berges, der heute »Herrgottstein« heißt, und ließ dort sein Zelt aufschlagen. Von diesem strategischen Punkt aus beriet er mit seinen Offizieren den weiteren Anmarschweg und den Angriffsplan. Denn er musste ja von Mettlach aus über den Berg bis zu dem Dorf Stalle gelangen.* Bis dorthin reichten die gewaltigen Verteidigungsanlagen von Montclair. Kurfürst und Offiziere waren sich einig, dass sie die Burg nicht im Sturm nehmen konnten, dafür waren die Mauern und Wälle zu stark und zu hoch.

»Wir werden die Burg, ja den ganzen Berg von Montclair einschließen und Jakob die komplette Versorgung und den Nachschub abschneiden«, bestimmte Kurfürst Balduin.

»Ja, ich bin auch dafür! Ich schlage vor, dass wir hier an diesen Stellen vier Belagerungsburgen bauen«, sagte der Feldhauptmann, Ritter Hartard von Schönecken, und deutete auf die entsprechenden Stellen auf der Karte, die auf dem Tisch ausgebreitet war. Kurfürst Balduin betrachtete aufmerksam die Punkte, die sein Feldhauptmann angezeigt hatte.

»Damit wäre Jakob von allem abgeschnitten, wir könnten ihn aushungern. Gut gemacht, Hauptmann«, lobte Balduin seinen Befehlshaber. »Doch wir wollen es erst einmal mit einem Sturmangriff versuchen. Dabei können wir feststellen, wie stark Jakob von Montclair ist.« Sein Feldhauptmann nickte und auch die anderen Offiziere bekundeten ihre Zustimmung.

»Dann wollen wir uns jetzt zur Ruhe begeben, denn morgen wird ein heißer Tag«, verabschiedete Balduin seine Offiziere. Diese gaben die entsprechende Order an das Heer aus und bald herrschte Ruhe im Lager. Nur die Wachen nahmen ihre Kontrollgänge auf, um die Sicherheit ihres Herrn und ihrer Kameraden sicherzustellen.

Am anderen Morgen, noch vor Sonnenaufgang, ließ Kurfürst Balduin ein flaches Felsstück als Altartisch herrichten. Hier hielt er nun einen Feldgottesdienst ab, an dem das ganze Heer teilnahm. Dabei erflehte er den Beistand des Himmels, um den Raubritter Jakob von Montclair ohne große Verluste in seinem Raubnest Montclair zu besiegen.

Anschließend zog das große Heer weiter auf den Montclairberg bei Stalle, bis dorthin reichten die Befestigungen der Vorburg. Hier ließ Balduin sein Lager aufschlagen und befahl den ersten Sturmangriff. Dabei kam sein Feldhauptmann, Ritter Hartard von Schönecken, ums Leben. Balduin ließ nun den ganzen Montclairberg abriegeln und baute vier Zwingburgen, um Raubritter Jakob von der Umwelt abzuschneiden. Es war dies eine der größten Kriegshandlungen, die im Mittelalter stattfanden. Doch es sollte noch acht Monate dauern, bis Balduin seinen tapferen Gegner zur Aufgabe gezwungen hatte. Schließlich verließ Jakob mit seinen Soldaten und seinen Angehörigen die Festung; er bekam freies Geleit. Kurfürst Balduin hingegen zog an Weihnachten in die Burg ein und feierte hier die Weihnachtsmette. Doch das ist eine andere Geschichte.

Seit Kurfürst Balduin auf diesem Berg bei Saarhölzbach den Feldgottesdienst für sein Heer gefeiert hatte, nennt man diese Stelle den »Herrgottstein«. Später wurde hier ein großes Kreuz zum Gedenken an dieses Ereignis errichtet.

Das Naturdenkmal Herrgottstein befindet sich direkt neben Schloss Ziegelberg, im dortigen Park. Verschiedene, auf seiner Oberfläche eingegrabene Kreuzzeichen sind für seinen Namen verantwortlich. Eigentlich war es ein vorchristlicher Kultstein, wovon noch eine Reihe von Hufeisen zeugt, die über den Stein verteilt ist. Seit der »Christianisierung« durch die Mettlacher Mönche trägt der Stein die Bezeichnung »Unseres Herrgotts Stein«.

Fünf

Die Normannenschlacht bei Besch-Nennig

Geschichtliches vom Saargau

Reich an geschichtlichen Erinnerungen ist unser Grenzgebiet, vom Saargau bis zum Dreiländereck. Viele unglückliche Tage brachten die Grenzstreitigkeiten der hohen Herren den Bewohnern dieses Gebietes, waren es doch immer die kleinen Leute, die den Streit der Mächtigen auszubaden hatten. Seit die Römer unter Julius Cäsar unser Gebiet erschlossen hatten, wurden die Dörfer und Siedlungen immer wieder in Kämpfe verwickelt und gingen in Rauch und Flammen auf. Zu allen Zeiten schielten die hohen Heeren begehrlich auf dieses fruchtbare Gebiet zwischen Saar und Mosel, dem Saargau und den Flächen Lothringens. Sie versuchten, es mit allen Mitteln – meist war es Gewalt – in ihren Besitz zu bringen. Fast alle Dörfer, Siedlungen und Höfe sanken im Laufe der Jahrhunderte immer wieder in Schutt und Asche. Doch die Bewohner dieses Grenzlandes waren ein zäher Menschenschlag: Auf den Trümmern bauten sie ihre Höfe und Häuser wieder auf.