Salvia Divinorum - Die Wahrsagesalbei - Jochen Gartz - E-Book

Salvia Divinorum - Die Wahrsagesalbei E-Book

Jochen Gartz

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Beschreibung

Dieses Buch beschreibt erstmals alle Aspekte einer uralten Zauber- und Heilpflanze aus Mexiko: Salvia divinorum, auch "Wahrsagesalbei" genannt. Bekannt wurde diese Pflanze insbesondere durch "Maria Sabina - die Botin der heiligen Pilze", die Salvia divinorum als Ersatz bei Heilritualen einsetzte, in Zeiten wo die Pilz nicht vorhanden waren. Durch Maria Sabinas Kontakt mit Gordon Wasson und Albert Hofmann in den 50er Jahren wurde Salvia divinorum weiter erforscht und der westlichen Fachwelt zugänglich gemacht. Jeweils ausgehend von historischen Quellen werden ausführlich botanische Zusammenhänge, Kulturverhalten, Inhaltsstoffe, pharmakologische Eigenschaften als auch die frühe und rezente Anwendung der noch immer sagenumwobenen Pflanze dargestellt.

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Impressum

Verlegt durch: NACHTSCHATTEN VERLAG AG Postfach 448 CH-4502 Solothurn [email protected]

Copyright © 2001 Jochen Gartz Copyright © 2001 Nachtschatten Verlag AG

2. überarbeitete Auflage 2004

Umschlaggestaltung und Satz: trigger.ch, Berlin/Zürich Fotos: Ch. Rätsch, R. Bottlang, G. Alek, E. Rose, Treibhaus Kassel Gesetzt in Garamond ITC eBook: mbassador GmbH

eISBN 978-3-0378-8252-8

Salvia divinorum

Figure Drawn by I. Brady.

Inhaltsverzeichnis

CoverImpressumTitelSalvia divinorumVorwort: Christian Rätsch - Salvia divinorum im Focus der Pharmakratie1. Einführung2. Ethnobotanische Erforschung derSalvia divinorum3. Botanische Beschreibung und Verbreitung4. KultivierungProbleme bei der Kultivierung der Salvia divinorum5. Chemische und pharmakologische Erforschung derSalvia divinorum6. Psychoaktive Wirkungen vonSalvia-Extrakten7. Untersuchungen mit reinem Salvinorin A8. AusblickeLiteraturverzeichnisLiteraturverzeichnis zum Vorwort

(Foto: G. Alek)

Vorwort: Christian Rätsch

Salvia divinorum im Focus der Pharmakratie

„Hat der Frieden eine Chance? ‘Wir sammeln gerade Informationen’, sagt Rogene Waite von der Drogenbekämpfung. Amerika hat mit der neuen Droge nämlich nur ein Problem: Sie ist legal.” (WILLIS 2001)

In unserer Geschichte mit psychoaktiven Pflanzen kann man leicht ein Rezeptionsmuster erkennen, das sich wie ein roter Faden durch den Morast von Moral, Justiz und Politik windet. Von der heiligen Schamanenpflanze zur gefährlichen Droge.1 Aber keine Pflanze, keine Droge, ist an sich gefährlich. Nur der Umgang kann nützlich oder schädlich sein!

Das Muster beginnt beim schamanischen Gebrauch einer psychoaktiven Pflanze in fremden Ländern, und endet auf dem Scheiterhaufen westlicher Juristerei. Überall auf der Welt haben die Schamanen der einheimischen Völker in ihrer Umwelt Pflanzen mit besonderen Kräften entdeckt, die sie erforscht und in ihren Zubereitungen verfeinert und reichlich, meist sehr erfolgreich erprobt haben. Da diese Pflanzen heilsam sind und Visionen schenken können, wurden sie schon immer als „Pflanzen der Götter” verehrt, d.h. mit Respekt sinnvoll und nützlich für die Stammesbelange eingesetzt. Wenn dann so ein Volk von den imperialistischen Europäern erobert und unterworfen wurde, dauerte es nicht lange, und der Gebrauch der heiligen Pflanze stand im Kreuzfeuer von Missionaren, Inquisitoren, Monarchen und Politikern. Zu recht erkannten die Europäer die zentrale Bedeutung einer derartigen heiligen Pflanze für die einheimische Kultur. Sie sahen darin sofort einen Quell der ethnischen (Widerstands)-Kraft. Außerdem sahen sie in den psychoaktiven Wirkungen nicht die „wahre Wirklichkeit”, sondern nur „vom Teufel vorgegaukelte Illusionen”. Der schamanische Gebrauch wurde als „Hexerei” oder „Zauberei” diffamiert, die Schamanen, Heiler, Wahrsager und Priester wurden als „Teufelsanbeter” entlarvt, ihre Kunst als „Betrügerei” hingestellt, die einheimische Religion als „Teufelsanbetung” oder „Satanismus” kategorisiert. Deshalb mußte die heilige Pflanze dämonisiert, der damit verbundene Umgang als „Satanskult” angeprangert und der Schamane als „Hexenmeister” angeklagt werden.

Aber die Inquisition hatte immer auch ihre Maschen. Denn der einheimische Gebrauch der heidnischen Pflanzen konnte nie und nirgends wirklich ausgerottet werden. Er wurde in den Untergrund verlegt und trieb von dort aus neue Blüten. Und dann geschah etwas sehr Merkwürdiges, geradezu Unvorhergesehenes und schon gar nicht Geplantes. Westliche Forscher nahmen plötzlich die Aussagen der Einheimischen ernst und begannen sich für die verbotenen Pflanzen zu interessieren. Sie gelangten auf den Seziertisch der westlichen Wissenschaft. Man staunte sehr, dass die „Teufelsdrogen” der Indianer und anderer fremdländischer Völker, von Wirkstoffen „beseelt” waren, die der westlichen Medizin sehr nützlich sein könnten.

Aus dem von der Inquisition verfolgten „Teufelsblatt” Coca (Erythroxylum coca) wurde das Kokain isoliert: Durch diesen Wirkstoff wurde die Lokalanästhesie entdeckt, was zu einer Revolution in der Medizin führte, besonders in der Augenchirurgie und Zahnheilkunde (OTT und RÄTSCH 2001). Aus dem verbotenen „Teufelskaktus” Peyote (Lophophora williamsii) wurde das Meskalin isoliert. Da es in gesunden Probanden psychoseähnliche Zustände erzeugen konnte, wurde die Modellpsychose der Psychiatrie erfunden. Dadurch erfuhr die psychiatrische Forschung eine ihrer wesentlichsten Veränderungen. Bei der Untersuchung der ebenfalls von der neuspanischen Inquisition verbotenen Ayahuasca (Banisteriopsis caapi ) entdeckte man das erste Antidepressivum (Harmin). Durch die Untersuchung der Inhaltsstoffe (Psilocybin, Psilocin) der mexikanischen Zauberpilze (Psilocybe mexicana) wurde der erste Betablocker entdeckt.

All diese Substanzen haben ihren Platz in der westlichen Medizin, sind aber zum nichtmedizinischen Gebrauch verboten. Diese Pharmaka wurden aus den Händen der Schamanen gerissen und dann schließlich durch die medizinischen Institutionen in der westlichen Welt verwaltet. Der einheimische Gebrauch ist nach wie vor verboten, auch der Gebrauch unter westlichen Psychonauten ist illegal, nur dem ausgewählten Mediziner sind die Stoffe zugänglich. Dieses Prinzip nennt man Pharmakratie2.

Dieses Schicksal könnte auch die heilige Pflanze Salvia divinorum treffen. Über Jahrhunderte wurde die Wahrsagesalbei von Schamanen und Schamaninnen segensreich für ihr Volk eingesetzt. Den Missionaren und Inquisitoren war diese Pflanze zwar entgangen, aber sie wäre genauso wie Peyote, Teonanacatl, Ololiuqui usw. behandelt worden. Da ihr Gebrauch erst in den Sechziger Jahren des 20.Jh. durch den großen Pilzforscher und Begründer der Ethnomykologie R. GORDON WASSON (1898-1986) bekannt wurde, ist sie nicht mehr im Zeitalter der Inquisition diffamiert worden (WASSON 1962). Allerdings sollten uns die neusten Pressemeldungen aufhorchen lassen.

Salvia divinorum gehört zu den wenigen heute bekannten psychoaktiven Pflanzen, die nirgends unter ein Betäubungsmittelgesetz fallen. Deshalb hat sie in der Psychonauten-Szene ein großes Interesse erweckt. Sie wird als lebende Pflanze genauso angeboten, wie als getrocknetes Kraut oder als Extrakt (meist in Tinkturen). Leider ist dies nicht mehr der Presse verborgen geblieben. Gerade als das vorliegende Buch produziert wurde, nahmen sich die großen Zeitungen und Zeitschriften des Themas an. Man hatte eine neue Pressesensation entdeckt. Das Sommerloch mit einem neuen Kraut gestopft!

Denn die Wirkungen der Salvia divinorum sind in der Tat sensationell. Davon künden die in der Literatur verstreuten Erfahrungsberichte und die Diskussionsseiten im Internet (z.B. www.sage-wisdom.org), aber auch die Kataloge des ethnobotanischen Fachhandels. Sensationell ist die psychonautische Phänomenologie der „neuen Droge”; sensationell die Entdekkung des Wirkstoffes (Salvinorin A), der im Mikrogrammbereich wirksam ist, sowie dessen chemische Struktur. Normalerweise sind die psychoaktiven Wirkstoffe Alkaloide, hier aber ist es ein Diterpen. Bisher war es unbekannt, dass es Substanzen dieser Stoffklasse mit psychischen Wirkungen gibt. Nebenbei bemerkt sind Diterpene fast im ganzen Pflanzenreich vorhanden. Ob da noch weitere pharmakologische Sensationen auf uns warten?

Mit den derzeitigen Pressemitteilungen befinden wir uns in statu nascendi der Dämonisierung einer heiligen Pflanze. Da heißt es etwa, „das getrocknete Kraut kann bei Konsum zu Wahnvorstellungen führen” (BINDER 2001); man spricht von der „neuen Wahnsinnsdroge 3” (Der Spiegel 8/2001), usw.4 – der typische Pressequatsch! Klischees über alles!

Wenn es so sein wird, wie immer, werden die Politiker mehr der Sensationspresse als den wissenschaftlichen Ergebnissen 5 trauen und die Wahrsagesalbei sowie ihren Wirkstoff verbieten. Dann haben wir ein neues Problem, denn mit jedem Verbot entstehen erst die Probleme. Wenn jemand an der Pflanze gefallen gefunden hat, sie jahrelang gewinnbringend benutzt hat, möchte er sich nicht von unkundigen, durch falsche Informationen beeinflußte Politiker sein Verhalten verbieten lassen. Gerade deswegen ist die Publikation wissenschaftlich fundierter Informationen zu Salvia divinorum besonders wichtig. Denn noch ist die Pflanze der Gesetzesschlinge entgangen. So möge denn dieses Buch dazu beitragen, dass aufgrund der richtigen Informationen 6 keine falschen Gesetze in die Welt gebracht werden. Wer weiß schon, was uns die weitere Erforschung der Salvia divinorum alles noch bringen wird, vielleicht eine weitere medizinische Revolution? Es ist sehr zu hoffen, dass die mexikanische Wahrsagesalbei nicht ein Opfer der desinformierten Pharmakratie wird! Wenn ihr Gebrauch aufgrund der bestehenden Informationen weiterhin respektvoll bleibt und nicht irgendwie entartet und dadurch unangenehm auffällt, könnte das pharmakratische Geschichtsmuster durchbrochen werden. Hoffen wir das Beste!

1. Einführung

Unter den über 700 amerikanischen Arten der Gattung Salvia (Salbei) gibt es eine, die als wahrscheinlich uralte mexikanische Heil- und Zauberpflanze eine besondere Stellung innehat. Anliegen dieses Buches ist es, alle Aspekte der noch immer sagenumwobenen Salvia divinorum (Wahrsagesalbei) darzustellen. So fasste die berühmte mazatekische Pilzheilerin Maria Sabina ihre Erfahrungen folgendermassen zusammen:

„Wenn ich in der Zeit, in der es keine Pilze gibt, einen Kranken heilen möchte, dann muss ich auf die Blätter der Pastora zurückgreifen. Wenn man sie zerreibt und isst, dann wirken sie wie die nienn (die heiligen Pilze), selbstverständlich hat die Pastora jedoch nicht so viel Kraft wie die Pilze.”

Inzwischen wurden in den 80er Jahren Wirkstoffe aus der Pflanze isoliert, ihre Wachstumsbedingungen studiert und viele Selbstversuche rund um die Welt unternommen.

Diese Darstellung soll das gefundene Wissen kritisch zusammenfassen. Für ein weiteres Studium der Botanik, Chemie und der Kulturbedingungen wird auf die internationale Literatur verwiesen.

2. Ethnobotanische Erforschung derSalvia divinorum

Die Kenntnis der volksmedizinischen und magischen Verwendung von Salvia divinorum begann parallel zur wissenschaftlichen Erforschung der mexikanischen Zauberpilze. Der Anthropologe JEAN BASSETT JOHNSON beobachtete im Juli 1938 als erster Wissenschaftler die Verwendung der Pilze im mazatekischen Dorf Huautla de Jimenez und sah in diesen Zeremonien auch die Verwendung anderer magischer Pflanzen. Im selben Jahr berichtete er in einer mexikanischen Zeitschrift darüber, und 1939 erschien in Schweden ein ausführlicher Bericht über „Mazatekische Hexerei”. Dort schrieb er: „zusätzlich zu den Pilzen benutzen einige Menschen Samen, die similla de la virgen genannt werden, andere benutzen hierba Maria... die Zapoteken benutzen eine Pflanze genannt bador (kleine Kinder), welche genauso verwendet wird wie yerba Maria von den Mazateken. Die Blätter werden zerstossen und daraus wird ein Tee bereitet.”

Die erwähnten Samen stammen von einer psychoaktiven Winde (Ololiuhqui), hierba (yerba) Maria, entspricht der Salvia divinorum, wie wir heute wissen. JOHNSON starb 1944 beim Kampf der Alliierten in Nordafrika, aber schon 1945 berichtete der aus Österreich stammende Arzt Blas Pablo Reko, der bereits um 1920 geäussert hatte, dass die Zauberpilze tatsächlich Pilze sind, über die Verwendung des „Wahrsageblattes” (hoja de la adivinacion). Er vermerkt den Gebrauch nur bei den Mazateken und den benachbarten Cuicatec-Indianern von Oaxaca.

Schliesslich berichtete 1952 auch der grosse mexikanische Anthropologe ROBERTO J. WEITLANDER, ebenfalls aus Österreich stammend und der Schwiegervater JOHNSONS, über den therapeutischen und magischen Gebrauch eines Gebräues aus 50 bis 100 zerriebenen Blättern der yerba de Maria in Wasser: „.... sie erwarteten den Effekt der Droge nach einer Viertelstunde, und der Patient selbst begann zu erkennen, an was für einer Krankheit er litt. Bei Dämmerung badete der curandero (Heiler) den Patienten in derselben Mischung, die er getrunken hatte, und der Patient war geheilt.”

Es war jedoch erst die sorgfältige Arbeit von R. GORDON WASSON, die zur botanischen Bestimmung der verwendeten Pflanze führte. 1953 konnte er einer Pilzzeremonie beiwohnen, um schliesslich am 29. Juni 1955 zusammen mit seinem Fotografen als erste Weisse die Pilze zu sich zu nehmen. Schliesslich führte die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Mykologen ROGER HEIM und dem Chemiker ALBERT HOFMANN über die botanische Bestimmung der Pilze zur Publikation der Struktur der Pilzinhaltsstoffe Psilocybin und Psilocin. Bei dieser Erforschung lernte R. GORDON WASSON auch die Verwendung einer mysteriösen Pflanze kennen und testete sie im Dorf Ayautla bei einer Zeremonie am 12. Juli 1961 durch Trinken des mit Wasser verdünnten Presssaftes aus 34 Blätterpaaren: